Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/13/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle- ginnen und Kollegen! Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen mitteilen, dass interfraktionell vereinbart worden ist, den Tagesordnungspunkt 26 b - hier handelt es sich um die zweite und dritte Beratung des Entwurfs des Nachtrags- haushaltsgesetzes 2009 - wegen der noch ausstehenden Stellungnahme des Bundesrates als eigenen Punkt ohne Aussprache aufzurufen, und zwar unmittelbar im An- schluss an die jetzt als Erstes vorgesehene Beratung des Konjunkturpaketes II. Ich denke, dazu wird es Einver- nehmen geben. - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 c bis 26 j sowie den Zusatzpunkt 6 auf: 26 a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland - Drucksache 16/11740 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) - Drucksachen 16/11801, 16/11825 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({1}) Jürgen Koppelin Dr. Gesine Lötzsch c) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({2}) - Drucksache 16/11741 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({3}) - Drucksachen 16/11900, 16/11931 Berichterstattung: Abgeordnete Patricia Lips Ingrid Arndt-Brauer - Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 16/11901 Berichterstattung: Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Carsten Schneider ({5}) Dr. Gesine Lötzsch d) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer und Änderung anderer Gesetze - Drucksache 16/11742 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({6}) - Drucksachen 16/11900, 16/11931 Berichterstattung: Abgeordnete Patricia Lips Ingrid Arndt-Brauer - Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 16/11902 Berichterstattung: Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Carsten Schneider ({8}) Dr. Gesine Lötzsch e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({9}) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, weiterer Redetext Präsident Dr. Norbert Lammert Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen - Drucksachen 16/8538, 16/11900, 16/11931 - Berichterstattung: Abgeordnete Patricia Lips Ingrid Arndt-Brauer f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({10}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Mit mehr Gerechtigkeit die Krise überwinden - Drucksachen 16/11746, 16/11895, 16/11932 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Gabriele Frechen g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({11}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE Großbanken vergesellschaften - Drucksachen 16/11747, 16/11896, 16/11933 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Gabriele Frechen h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({12}) zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Ulrike Flach, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Schulden des Bundes durch das Konjunkturpaket II vollständig im Bundeshaushalt etatisieren - Kein Sondervermögen Investitionsund Tilgungsfonds - Drucksachen 16/11743, 16/11922 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({13}) Jürgen Koppelin Dr. Gesine Lötzsch i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({14}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE Konjunkturprogramm gegen die drohende Wirtschaftskrise - zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Nachhaltig investieren in Klima, Bildung, soziale Gerechtigkeit - Drucksachen 16/10619, 16/11023, 16/11646 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Fuchs j) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({15}) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gerechtigkeit und Chancen statt Ausgrenzung und Armut - Drucksachen 16/11755, 16/11899 Berichterstattung: Abgeordneter Werner Dreibus ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Dividenden streichen - Gewinne in Arbeitsplätze investieren - Drucksache 16/11877 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({16}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Über einen Änderungsantrag werden wir später namentlich abstimmen. Außerdem liegt zu dem genannten Gesetzentwurf je ein Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, der Linken und des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD zur Änderung des Grundgesetzes werden wir später - zur dritten Beratung, versteht sich ebenfalls in namentlicher Abstimmung befinden. Ich mache darauf aufmerksam, dass zur Annahme dieses Gesetzentwurfes die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages erforderlich ist. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Auch das ist offensichtlich einvernehmlich. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück. ({17})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Sehr geehrter Herr Präsident! Dann haben mir meine Mitarbeiter den ersten Satz aufgeschrieben: Meine Damen und Herren! Ich habe leider kein ausformuliertes Manuskript; aber ich werde mich trotzdem bemühen, entgegen den Erwartungen des Kollegen Michael Glos Subjekt, Prädikat und Objekt in freier Rede aneinanderzufügen. ({0}) Man kann nicht beides haben: Man kann nicht auf der einen Seite einen starken Konjunkturimpuls haben und auf der anderen Seite eine Absenkung der Neuverschuldung. Das ist eine Debatte gewesen, die uns in den letzten Wochen und Monaten, wie ich finde, sehr stark beschäftigt hat. Ich kann mich erinnern, wie die Bundesregierung bis weit in den Dezember hinein von Verbänden, von Gewerkschaften und darüber hinaus auch von Sachverständigen und Wirtschaftswissenschaftlern aufgefordert worden ist, einen sehr starken Konjunkturimpuls zu setzen. In dem Augenblick, wo die Bundesregierung nach dem Konjunkturpaket I ein in der deutschen Geschichte ungewöhnlich groß dimensioniertes Konjunkturpaket II der Öffentlichkeit vorgestellt hat, ist aber nur noch von der Rekordverschuldung die Rede. Beides geht nicht zusammen, will sagen: Ein solcher Konjunkturimpuls ist nach Lage der Dinge nicht ohne eine Erhöhung der Neuverschuldung zu haben. Es gehen auch nicht drei Sachen zusammen, nämlich erstens die Neuverschuldung bzw. generell die Schulden herunterzuführen, zweitens die öffentlichen Investitionen zu verstärken und drittens ein Steuersenkungsprogramm der deutschen Öffentlichkeit in den Dimensionen vorzustellen, wie wir es in den letzten Wochen und Monaten gehört haben. ({1}) Es macht auch keinen Sinn, in den Debatten - dies konnte ich auch in den Ausschusssitzungen insbesondere in Beiträgen von Oppositionspolitikern verfolgen - das Rezessionsproblem gegen das Schuldenproblem zu schieben. In dem Augenblick, in dem wir gemeinsam die Überzeugung gewonnen haben, dass die Politik in Deutschland in dieser konkreten Situation keinen Attentismus zeigen darf, sondern handeln muss, kann man sich über die Notwendigkeit, die Maßnahmen über Kredite zu finanzieren, nicht beklagen. Dann geht es allein um die Frage, wie wir mit diesen Schulden zukünftig umgehen wollen. Deshalb freue ich mich darüber, dass es in der gestrigen Sitzung der Föderalismuskommission II gelungen ist, eine Schuldenbremse zu verankern, die nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch den Märkten, was wichtig ist, und unseren internationalen Partnern signalisiert - insbesondere mit Blick auf die Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes -, dass wir es mit dem Vorsatz ernst meinen, in den Zeiten, die nicht von einer tiefen Rezession gekennzeichnet sind, die Schuldenaufnahme zurückzuführen, um das Ziel zu erreichen, das wir uns eigentlich für 2011 vorgenommen haben. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den beiden Vorsitzenden, Herrn Oettinger und Herrn Struck, dass es gestern gelungen ist, dieses wichtige Thema einer Lösung zuzuführen. ({2}) Die Bürger erwarten, dass der Staat handelt. Deshalb ist es richtig, in dieser historisch relativ einmaligen, tiefen Rezession eine antizyklische Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben. Dies tut die Bundesregierung. Alles zusammen - Konjunkturpaket I, Konjunkturpaket II und das, was etwas technokratisch als automatische Stabilisatoren bezeichnet wird - führt zu einem Beitrag in einer Größenordnung von mehr als 4 Prozent des Bruttosozialproduktes in den Jahren 2009 und 2010. Damit leistet die Bundesregierung den Löwenanteil dessen, was beim Europäischen Rat im Dezember als gemeinsame Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur verabredet worden ist. Sie wissen, dass dort eine Dimension von 200 Milliarden Euro festgelegt worden ist. Die Bundesregierung wird weit über ihren Anteil am europäischen Bruttosozialprodukt hinaus dazu beitragen. Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass die Vertreter der Länder, die bis weit in den November und sogar in den Dezember hinein die Regierung der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert haben, zu handeln, noch ihre lieben Schwierigkeiten haben werden, ihre eigenen Beiträge entsprechend der Absichten, die dort verkündet worden sind, zu belegen. Wir haben es mit einer Kategorie zu tun, die im Augenblick keine Hochkonjunktur hat - sie wirkt prägend auf die Finanzmärkte und unterliegt dem Eindruck dieser wirtschaftlich schlechten Phase -: Vertrauen. Denjenigen, die bereits jetzt, vor Verabschiedung dieses Konjunkturpakets, darüber spekulieren, was noch alles erreicht werden müsste, was noch alles obendrauf gelegt werden müsste, rufe ich zu, dass sie zum Abschwung der Kategorie Vertrauen beitragen, weil sie Unsicherheit verbreiten. ({3}) Deshalb bitte ich darum, zu vermitteln, wie wichtig es ist, diese Konjunkturmaßnahmen wirken zu lassen. Wir sollten erst dann zu einer kritischen Bestandsaufnahme kommen, wenn es die ersten Anzeichen dafür gibt, wie diese Konjunkturmaßnahmen tatsächlich wirken. Das Konjunkturpaket II ist richtig ausgerichtet. Ich widerspreche all denjenigen, die den Eindruck haben, das sei eine Art Bauchladen. Fünf maßgebliche Kompassweisungen prägen dieses Paket: Das ist zum Ersten die Notwendigkeit, Investitionen zu fördern. Vor dem Hintergrund einer richtigen Logik müssen wir etwas tun, was zur Modernisierung des Landes beiträgt und über diesen Konjunkturzyklus hinaus positive Wirkung entfaltet. Zweitens wird die Nachfrage durch eine Reihe von Maßnahmen gefördert, bis hin zu einer steuerlichen Komponente. Darüber hinaus wird die Leitindustrie in Deutschland, die Automobilindustrie, die zusammen mit der Zulieferindustrie nach wie vor jeden siebten bis achten Arbeitsplatz prägt, gefördert. Viertens wird es eine Arbeitsmarktpolitik geben, die darauf gerichtet ist, dass die Menschen nicht entlassen, sondern weiterqualifiziert werden. Die Schuldenbremse habe ich schon erwähnt, das ist die fünfte richtige Kompassweisung. Die Abwrackprämie hat sich nach einem fulminanten Start als eine richtige Maßnahme herausgestellt. ({4}) Ich kann mich an viele kritische Einlassungen erinnern. All die Kritiker sind widerlegt worden. ({5}) Das Echo darauf, dass kommunale Investitionen mit mehr als 13 Milliarden Euro gefördert werden, ist - insbesondere aus dem kommunalen Raum - so positiv, dass wir das nicht kaputtreden sollten. ({6}) Es wird darauf ankommen, dass wir die Kriterien dieses Investitionsprogramms wirklich durchsetzen: Erstens sollen 70 Prozent dieser Maßnahmen unmittelbar zu kommunalen Investitionen führen. Zweitens geht es um das Kriterium der Zusätzlichkeit. ({7}) Ich bin dankbar dafür, dass im Haushaltsausschuss auf diesen Akzent Wert gelegt worden ist. Es gibt entsprechende Formulierungen und Vorschläge, wie das gewährleistet werden soll. Darauf will ich aus Zeitgründen nicht im Einzelnen eingehen. Es wird drittens darum gehen, dass insbesondere finanzschwache Kommunen partizipieren können; sie haben den größten Nachholbedarf. Es wird viertens darum gehen, dass der überwiegende Anteil wie verabredet in Bildungseinrichtungen investiert wird. Das sind die vier maßgeblichen Orientierungen, die für dieses Investitionsprogramm gelten. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei denjenigen Ländern bedanken, die bereits die ersten Entscheidungen darüber getroffen haben, dass dieses Geld in den Kommunen zur Wirkung kommt. ({8}) Das sind übrigens eine ganze Reihe von Ländern, die schon entsprechende Kabinettsentscheidungen herbeigeführt haben. Insbesondere möchte ich mich bei denjenigen Ländern bedanken, die bereits jetzt zum Ausdruck gebracht haben, dass sie im Zweifelsfall für ihre finanzschwachen Kommunen den Eigenanteil übernehmen oder Gewährleistung dafür übernehmen, dass er aufgebracht werden kann. ({9}) Ich will im zweiten Teil meiner Ausführungen einige allgemeine Bemerkungen zu den uns sehr stark beschäftigenden Problemen machen. Wir merken zunehmend, dass auf den internationalen Bühnen protektionistische Tendenzen nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Stichworte sind Ihnen allen bekannt, insbesondere mit Blick auf das Konjunkturpaket in den USA, wo von einer Buy-American-Klausel die Rede gewesen ist. Wir haben es in Großbritannien mit einer Bewegung zu tun - „Put British workers first!“ -, die sich auch damit beschäftigt. Ich glaube, dass insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ein massives Interesse daran hat, sich bei den anstehenden internationalen Treffen dafür einzusetzen, dass die Welt nicht denselben Fehler macht, den sie 1930 mit einem Überholungswettbewerb an protektionistischen Maßnahmen gemacht hat. ({10}) Ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das über 40 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Außenwirtschaftsbeziehungen generiert, ist wie kein anderes Land darauf angewiesen, dass diesen protektionistischen Tendenzen oder Reflexen Einhalt geboten wird. Die damalige Wirtschaftskrise von 1929/1930, an die gelegentlich in historischen Betrachtungen erinnert wird, war gar nicht so sehr vom Crash an der New Yorker Börse im Oktober 1929 geprägt, sondern sehr viel mehr davon, dass es 1930 unter dem damaligen amerikanischen Präsidenten Hoover zu einem Gesetz kam, durch das die Importzölle von sage und schreibe 20 000 Produkten in schwindelerregende Höhen gesetzt wurden. Dies hatte den Effekt, dass alle anderen Länder im Rahmen eines Überbietungswettbewerbs mit der Einführung von entsprechenden Zöllen nachgezogen haben. Als Ergebnis war der Welthandel 1933 im Vergleich zu 1928 um zwei Drittel eingefroren bzw. zurückgeführt. Das war der eigentliche Treibsatz, der Verstärker in der Folge des Börsencrashs vom Oktober 1929. Wir werden alles tun müssen, damit sich so etwas in der jetzigen Phase, in der wir uns bewegen, nicht einmal ansatzweise wiederholt. ({11}) Ich habe bereits heute und morgen beim G-7-Finanzministertreffen in Rom, bei dem übrigens auch der nächste Finanzgipfel am 2. April dieses Jahres und die zwischenzeitlich anstehenden vorbereitenden Sitzungen für den Finanzgipfel geplant werden, die Möglichkeit, dieses Thema zu erörtern. Ich werde sehr genau zuhören, insbesondere bei dem, was mein neuer amerikanischer Kollege vielleicht über die Beratungen zum amerikanischen Konjunkturprogramm, die inzwischen im Repräsentantenhaus und im Senat vollzogen wurden, berichten kann. Nächste Bemerkung. Die Situation der Banken nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus bereitet nach wie vor erhebliche Sorgen. Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen und Wochen eine Novelle des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vorstellen, die bestimmte Lerneffekte berücksichtigen wird, die wir durch dieses Gesetz und die über dieses Gesetz eingerichteten Maßnahmen und Institutionen erworben haben. Es geht insbesondere um das Thema, wie Banken nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa mit den faulen Wertpapieren umgehen, die belastend auf ihren Bilanzen liegen. Umgangssprachlich formuliert: Es geht darum, wie wir dazu beitragen können, dass diese Banken nicht in einen weiteren prozyklischen Strudel geraten, weil sie immer größere Abschreibungen mit einem immer größeren Verzehr ihres Eigenkapitals und damit einer immer größeren Bedrohung vornehmen müssen. Kurzfristig werden wir aber nicht das Problem der Bilanzbereinigung in dem Sinne lösen können, wie es in den letzten Wochen von vielen debattiert wurde. Sie kennen meine nicht nur große Skepsis, sondern definitive Ablehnung, wenn in Deutschland darüber spekuliert wird, dass ein zentralisiertes systemübergreifendes Institut à la Bad Bank eingerichtet werden soll, das diese faulen Assets aufnehmen soll. ({12}) Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf anderem Wege eine Lösung finden müssen. Aber diese Lösung wird nicht so aussehen, wie es in den letzten Wochen von vielen angedacht und angeheizt wurde, von einigen auch aus einem unmittelbaren Interesse. Dieses unmittelbare Interesse ist davon geprägt, dass die Kapitalisierung einer solchen Bank mit öffentlichen Geldern vollzogen werden müsste. Ich werde es Ihnen und mir nicht zumuten, Ihnen von diesem Pult aus etwas abzuverlangen, ein solches Institut mit öffentlichem Geld zu kapitalisieren, das spielend eine Dimension von 150 bis 200 Milliarden Euro erreichen könnte. ({13}) Ich möchte Ihnen signalisieren - Sie werden mir nachsehen, dass ich an dieser Stelle nicht sehr konkret werde -: Das ist eine der größten Herausforderungen, mit denen wir es im Augenblick zu tun haben. Wir werden dafür Sorge tragen müssen, dass die Kapitalinjektionen mit öffentlichen Geldern und Garantien im Rahmen der bisherigen Leistungen des SoFFin auf der Basis des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes nicht verloren gehen, weil der Bund möglicherweise nicht die Kontrolle darüber hat, wie mit diesen Garantien und Kapitalinjektionen umgegangen wird. ({14}) Ich für meinen Teil kann nicht verantworten, dass solche Maßnahmen fortgesetzt werden - dabei handelt es sich nämlich um ein großes schwarzes Loch riesigen Ausmaßes -, ohne dass tatsächlich das Ziel der Restrukturierung und Stabilisierung der davon begünstigten Banken als Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist. ({15}) Ich will einen letzten Gesichtspunkt aufgreifen - ich erinnere mich, dass Herr Kauder ihn bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes angesprochen hat -: die Bankenaufsicht in Deutschland. Zu diesem Thema will ich ein paar Worte verlieren. Ich bitte darum, keine Vorschläge zu machen oder öffentlich zu debattieren, die im ersten Augenblick vielleicht einen intellektuell bestechenden Eindruck hinterlassen mögen, die aber nicht funktionieren würden. Viele Vorschläge, die gemacht werden - die mich auch erreichen -, würden darauf hinauslaufen, die Bankenaufsicht in Deutschland über BaFin und Bundesbank zusammenzuführen. Das favorisieren offenbar viele. ({16}) Das ist eine ausgesprochen schwierige Operation. Warum? Weil die BaFin eine Eingriffsverwaltung ist. Sie erlässt Hoheitsakte, die anschließend übrigens auch Gegenstand von Verwaltungsgerichtsverfahren sein können. Die Verschmelzung der BaFin, einer klassischen Eingriffsverwaltung, die der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums untersteht, mit einer Einrichtung, die von Verfassungs wegen ein Höchstmaß an Unabhängigkeit hat, die definitiv keine Eingriffsverwaltung sein und definitiv nicht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums unterworfen werden möchte, wird nicht funktionieren. ({17}) Wenn das einigen von Ihnen unglaubwürdig erscheint, weil ich es sage und weil ich Ihrer Meinung nach vielleicht als zu parteiisch gelte, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie vor Ihren nächsten öffentlichen Einlassungen ein Gespräch mit dem Bundesbankvorstand führen würden, damit er Ihnen unmittelbar seinen Eindruck schildert, wie eine solche Verschmelzung zu bewerten ist. Das ändert nichts daran, dass die Bemühungen um eine stärkere und effizientere Bankenaufsicht in Deutschland fortgesetzt werden. Sie können sicher sein, dass ich, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse eines Gutachtens, das ich in diesen Tagen bekomme, zuerst der Bundesregierung und dann Ihnen, dem Deutschen Bundestag, entsprechende Vorschläge dazu machen werde. Von entscheidender Bedeutung ist die Wegstrecke bis zum von mir schon erwähnten Weltfinanzgipfel am 2. April dieses Jahres in London, an dem die Bundeskanzlerin und ich teilnehmen werden. Die Tatsache, dass im Augenblick nur wenig von den Aktionen, die seinerzeit, im November letzten Jahres, in Washington verabredet worden sind, die Rede ist, ist nicht dahin gehend zu interpretieren, dass nicht gearbeitet wird. Ich will Ihnen nur ganz kurz im Telegrammstil mitteilen, dass vier Arbeitsgruppen eingesetzt wurden, eine unter dem Vorsitz der Bundesrepublik Deutschland, die sich sehr aktiv mit den Themen, die in London zu erörtern sind, beschäftigen, unter anderem mit der Umsetzung der Maßnahmen, die bereits verabredet worden sind. Die Bundesregierung wird sehr gezielt weitere Impulse setzen, um in den für eine bessere Regulierung der Finanzmärkte entscheidenden Fragen voranzukommen. Als Obersatz gilt nach wie vor die Vereinbarung von Washington, die da lautet: Kein Finanzmarktteilnehmer, kein Finanzmarkt und kein Finanzmarktprodukt der Welt soll zukünftig keiner Regulierung unterworfen sein. ({18}) Meine Damen und Herren, die Bürger erwarten, dass wir angesichts dieser Krise verantwortungsbewusst gegensteuern. Dies erwarten sie nicht nur von der Bundes22272 regierung, sondern auch vom Deutschen Bundestag, und ich füge hinzu: auch vom Bundesrat. ({19}) Deshalb ist meine Bitte an Sie, dieser Verantwortung in der gegenwärtigen Situation, angesichts der tiefen Krise, die wir derzeit erleben, gerecht zu werden und dem Konjunkturpaket II in der zweiten und dritten Lesung sowie im zweiten Durchgang im Bundesrat zuzustimmen. ({20}) Der britische Premier Churchill hat einmal gesagt: Es ist sinnlos, zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist. Dieses Konjunkturpaket, meine Damen und Herren, ist erforderlich. Vielen Dank. ({21})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Guido Westerwelle für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich vorab an Sie, Herr Minister zu Guttenberg, wenden. Sie sind jetzt, darf man sagen, wenige Stunden im Amt. Da dies die erste Debatte sein wird, in der Sie als Bundeswirtschaftsminister das Wort ergreifen, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich Ihnen auch im Namen der liberalen Opposition viel Erfolg wünsche. Wir sind sicher, dass Sie das Zeug dazu haben, ein guter Minister zu werden, ({0}) und im Interesse unseres Landes wünschen wir Ihnen das ausdrücklich. ({1}) - Schade, dass das Raunen bei den Sozialdemokraten im Fernsehen nicht übertragen wird. Dieses Raunen ist mir völlig unverständlich. Ist es klimatisch schon so weit, dass etwas, was für Demokraten eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ({2}) nämlich dass man einem neuen Minister Glück wünscht, hier Gegenstand parteipolitischen Rumorens wird? Man muss sich schon wundern! ({3}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres Wort muss gesagt werden - auch wenn Sie es wiederum kommentieren mögen -: Ich meine, dass wir mit Michael Glos einen Bundeswirtschaftsminister hatten, dem wir trotz mancher Meinungsunterschiede zu Dank verpflichtet sind. Die Lässigkeit, mit der jetzt abschätzig über den Kollegen Glos gesprochen wird, die versteckten Bemerkungen, aber auch die offenen Einführungen in Reden hier ich finde, so sollte man das nicht machen! ({4}) Eine zweite Bemerkung. Herr Finanzminister, Sie haben das Thema Bankenaufsicht angesprochen. Ich hatte ursprünglich nicht vor, dazu etwas zu sagen; aber da Sie dieses Thema angesprochen haben, will ich darauf kurz eingehen. Sie haben sich gegen das gestellt, was Herr Kollege Kauder in der letzten Debatte zum Konjunkturpaket erklärt hat. Mich verwundert das; denn wir hatten die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung so verstanden, dass genau das, nämlich eine Neuordnung der Bankenaufsicht, stattfinden muss. Wir unterstützen die Union, wenn sie die Renovierung der Bankenaufsicht jetzt angehen will. Aber da gehören keine faulen Ausreden in dieses Haus, da gehört Handlung in dieses Haus. Wenn man sieht, dass die Bankenaufsicht in den letzten Jahren nicht ausreichend gewirkt hat, weil sie zerfleddert war, muss man dies ändern. ({5}) Ich möchte jetzt auf das, was Herr Finanzminister Steinbrück zum Konjunkturpaket wohltuend sachlich vorgetragen hat, eingehen. Aus Sicht der liberalen Opposition ist dieses Konjunkturpaket enttäuschend. Es wird wenig wirken; aber die Schulden werden unfassbar lange bleiben. Das eigentliche Problem ist doch das Strukturproblem. Wenn man in einer solchen Situation - die Lage ist besonders ernst - in unserem Lande etwas zum Besseren wenden möchte, darf man keinen Bauchladen, kein Sammelsurium von Maßnahmen beschließen und da und dort mit der Gießkanne Steuergelder verteilen, dann muss man einen großen Wurf wagen. ({6}) Wenn es stimmt, dass 50 Prozent der Wirtschaft Psychologie sind, dann wird man eine Wende in diesem Lande zugunsten von Anstrengungen, Leistung und Investitionen mit diesem Sammelsurium von Maßnahmen nicht erreichen. In einer großen Krise ist ein großer Wurf gefragt. ({7}) Das ist der große Unterschied zwischen den Konzepten, die in diesem Hause vertreten werden, zwischen dem Konzept der Regierung und dem Konzept der liberalen Opposition. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich hoffe, dass das, was Sie bis vor fünf Tagen, als Sie noch Generalsekretär der CSU waren, zum Thema Steuersenkungen gesagt haben, auch jetzt, da Sie BundeswirtDr. Guido Westerwelle schaftsminister sind, Ihr Denken prägen wird. Es wäre gut für unser Land. ({8}) Wir führen am heutigen Tage im Deutschen Bundestag eine Debatte über eine zweifelsohne außergewöhnliche Lage in Deutschland und über ein vom Umfang her, von der Schuldenaufnahme her, bisher noch nie gesehenes Konjunkturpaket. Niemand bestreitet, dass Sie Ihr Bestes versuchen, aber es gelingt Ihnen leider nicht. Das ist der Unterschied auch zu dem, was beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika am gestrigen Tage von Präsident Obama mitgeteilt worden ist. Von dem Konjunkturpaket des amerikanischen Präsidenten, so haben wir gestern mitgeteilt bekommen, gehen fast 300 Milliarden Dollar in Steuersenkungen, während Sie die Steuersenkungen so schmalbrüstig anlegen, dass davon wirklich kein konjunktureller Impuls, weder für die Nachfrage noch für Investitionen, ausgehen kann. ({9}) Das ist das, was wir anders machen wollen und auch anders machen würden. Wir sind der Überzeugung: Wenn in einer solchen Lage ein großes Konjunkturpaket beschlossen werden soll, wenn in einer solchen Lage der Staat schon Schulden macht, dann sollte er damit wenigstens die Bürgerinnen und Bürger entlasten. ({10}) Das beste Konjunkturprogramm ist es, die Leistungsbereitschaft anzuregen. ({11}) Wenn die Menschen Lust auf Leistung haben, weil der Staat ihnen mehr übrig lässt von dem, ({12}) was sie sich erarbeitet haben, dann springt die Konjunktur an - und nicht mit irgendwelchen Renovierungsprogrammen. ({13}) Nun hören wir meine, Damen und Herren, dass Sie das ja täten. Da muss man klar sagen: Wir haben einen unterschiedlichen Denkansatz. Sie sind der Überzeugung: Es ist klüger, von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen Steuerschecks auszustellen. Wir sagen: Es ist vernünftiger, nicht einzelne Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind, mit Steuerschecks zu unterstützen. Ausnahmen wird es immer geben. Vernünftiger, als Branchen zu subventionieren, vernünftiger, als Unternehmen nach Unternehmen an den Steuertropf zu hängen, wäre es, die ganze Volkswirtschaft zu entlasten, alle, die arbeiten, zu entlasten. Mehr Mut bei den Steuersenkungen - das braucht diese Republik, meine sehr geehrten Damen und Herren! ({14}) Dann haben wir gehört - und das finden wir bemerkenswert -, dass das, was die FDP vorschlage, schon deshalb verhindert werden müsse. Sie haben ja keinen einzigen Antrag - das ist Ihr gutes Recht - der FDPFraktion, weder in den Ausschüssen noch hier im Hohen Hause, in den letzten Wochen akzeptiert. Das muss man nur zur Kenntnis nehmen; das ist Ihr Recht. Übrigens hat Präsident Obama großen Wert darauf gelegt, dass er mit allen politischen Kräften ins Gespräch kommt. Er hat versucht, auch überparteilich ein Paket zu schnüren. Wir halten fest: Diesen Versuch haben Sie zu keiner Stunde ernsthaft gestartet. ({15}) Aber, meine Damen und Herren, das ist Ihr Recht. Sie haben die Mehrheit, und wir werden ja sehen, wohin das führt. Aber dann wollen wir einmal über die Steuersenkungen reden, die wirklich nötig wären. Würde man nur die Erhöhung der Freibeträge, die Sie jetzt häppchenweise bis zum Jahr 2010 für die Familien pro Kopf auf mehr als 8 000 Euro erhöhen wollen, vorziehen, dann müsste der Staat 800 Millionen Euro mehr ausgeben. Diese Entlastung der Familien würde 800 Millionen Euro kosten. Zum Vergleich das, was in diesem Paket steht: In dem Paket geben Sie 100 Millionen Euro aus für die Erhöhung der Mittel für Entwicklungshilfe, und Sie geben 650 Millionen Euro aus für die Renovierung der Ministerien. Da sagen wir Ihnen: Das ist die falsche Prioritätensetzung. Die Entlastung der Familien wäre jetzt in dieser Stunde richtig, um die Lage in Deutschland zu wenden. ({16}) Was hat das denn mit einer Politik für Reiche zu tun? Das ist doch reine Polemik, was da vorgetragen wird. Die Freibeträge für Familien zu erhöhen, ist keine Politik für Reiche, sondern es sollte eigentlich der kleinste gemeinsame Nenner jenseits der Parteigrenzen in diesem Hause sein. ({17}) Man wundert sich darüber, dass Sie das nicht tun. ({18}) - Die Angaben der Bundesregierung dazu lauten: 0,8 Milliarden, also 800 Millionen Euro. Das zweite Thema betrifft die Zinsschranke. Da könnten Sie ja noch argumentieren und sagen: Wer die Zinsschranke wieder abschaffen will, die mit der Unternehmensteuerreform beschlossen wurde, der will etwas für Unternehmen tun. Ja - das sagen wir ausdrücklich -, das ist richtig, ({19}) weil wir nämlich in einer Zeit leben, in der vor allen Dingen der Mittelstand darunter leidet, dass er keine Kredite mehr bekommt. Gerade weil der Mittelstand hinsichtlich seiner Eigenkapitaldecke nicht so gut ausgestattet ist, ist es jetzt notwendig, wieder zu ändern, was eingeführt wurde. Es ist ein Fehler, dass man den Mittelstand auch noch für Zinsen Steuern zahlen lässt. Das muss geändert werden. ({20}) Wenn ich Ihr Programm richtig verstanden habe, dann wollen Sie das übrigens auch. Etwas, was die SPD und die CDU/CSU auf ihren Parteitagen beschlossen und in Interviews verkündet haben, ist zum Beispiel die Senkung des Eingangssteuersatzes. Das ist doch nun wirklich etwas, was wir hier gemeinsam beschließen könnten. ({21}) Sie beschließen die Senkung des Eingangssteuersatzes von 15 auf 14 Prozent. Gleichzeitig sagen Sie, dass Sie den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken müssten. ({22}) Damit wollen Sie in den Wahlkampf gehen; das hat der Finanzminister in einem Interview mit der Bild am Sonntag angekündigt. Ich halte fest: Die SPD will den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken, die CDU/CSU will den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken, wir wollen das auch. Warum beschließen wir das dann nicht jetzt, da die Lage so problematisch ist? ({23}) Was hat es mit irgendeiner Begünstigung von Reichen zu tun, wenn man den Eingangssteuersatz senkt? Wir bieten Ihnen an, dass wir das noch in dieser Stunde beschließen können. Tun wir etwas für die Empfänger kleinerer und mittlerer Einkommen! Das ist das Konjunkturprogramm, das Deutschland braucht. ({24}) Stattdessen sehen wir, wie die Gelder in den Länderhaushalten schon ausgegeben werden. Das sage ich übrigens überparteilich, damit wir uns hier nicht missverstehen. Wir alle kennen unsere jeweiligen Pappenheimer, die ohne jeden Zweifel aus allen Parteien kommen. Dieses Thema kennen wir alle. Hierüber brauchen wir uns hier im Deutschen Bundestag nicht zu beklagen. Es ist ja auch bemerkenswert, dass diejenigen, die so viel Geld bekommen, heute so umfangreich auf der Bundesratsbank vertreten sind. Das ist aber ein anderes Thema an dieser Stelle. ({25}) - Ja, ich nehme das ausdrücklich zurück. Heute ist Bundesrat. Deswegen ist es nett, dass wenigstens Sie, Herr Sellering, fehlen. Ich nehme das zurück. In die Länderhaushalte werden schon Mittel für die Renovierung der Finanzämter eingestellt. Das heißt, über das Konjunkturpaket werden auch die Finanzämter renoviert. Aber für Steuersenkungen ist kein Geld da. Ist Ihnen eigentlich klar, welche Ironie es in dieser Stunde ist, dass die Bürger erleben müssen, dass bei uns zu wenig passiert, während die Finanzämter renoviert werden? Was für ein Konjunkturprogramm in dieser Republik! ({26}) Es ist richtig und auch vernünftig, dass Sie beispielsweise in die Bildung investieren. Das unterstützen wir nachdrücklich, damit wir uns hier nicht missverstehen. Das haben wir auch in den Ausschüssen unterstützt. Es ist gut, dass das geschieht. Die Kritik der Grünen und aus den anderen Reihen dieses Hauses ist übrigens ebenso berechtigt. Es ist eben nicht richtig, dass man alleine die Gebäude saniert, während man nichts für Investitionen in die Köpfe bereitstellt und es keine Qualitätsverbesserung des Unterrichts gibt. Das wissen wir, und ich denke, darin sind wir uns auch einig. Das wird sich im Vollzug ändern müssen. In die Straßen investieren Sie auch; das ist richtig. Auch hier lohnt sich ein Blick ins Detail, um zu sehen, wie es bei den Straßen tatsächlich aussieht: Tiefbau nein, Hochbau ja. Mit anderen Worten: Die Straßen mit den Löchern dürfen nicht mit diesen Mitteln saniert werden, aber Lärmschutzwände dürfen darum herumgebaut werden. Da fragt man sich wirklich: Wie überzeugend ist die Konsistenz eines solchen Programms? ({27}) Zur Abwrackprämie. Herr Finanzminister, Sie sagen, die Abwrackprämie werde der große Renner. Wir wären Ihnen sehr verbunden, Herr Finanzminister, wenn Sie jetzt irgendwann einmal veröffentlichen würden - diese Zahlen haben Sie doch längst -, wie viele von diesen angeblich super gekauften Autos eigentlich wirklich in Deutschland produziert werden. Das ist doch das eigentliche Thema. ({28}) Ich will es Ihnen ganz offen sagen: Ich halte es für völlig falsch, dass Sie mit der Abwrackprämie dazu beitragen, den Absatz kleiner asiatischer Autos zu erhöhen, währen Sie mit der Kfz-Steuererhöhung gleichzeitig die in Deutschland produzierende Automobilindustrie noch einmal abwürgen. ({29}) Das halten wir für falsch, und das sagen wir an dieser Stelle auch. ({30}) - Ich bitte die Kameramänner, nicht nur mich, sondern bei dieser Unruhe auch die Herrschaften im Saal zu zeigen, weil das eine so bedeutende Stunde der Republik ist. Die Bürgerinnen und Bürger werden sich darüber dann auch eine Meinung bilden können. ({31}) Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ist es unser Recht, dass wir unsere Punkte vortragen, auch wenn Sie noch die Mehrheit haben. ({32}) Sprechen wir noch einmal über die Krankenkassen, auch wenn Ihnen das nicht gefallen mag, aber es ist trotzdem notwendig. Sie verkaufen eine Senkung der Krankenkassenbeiträge als Konjunkturprogramm. Das ist in unseren Augen eine wirkliche Veräppelung der Bürgerinnen und Bürger. Was passiert hier? Erst haben Sie eine Gesundheitsreform beschlossen, die dazu geführt hat, dass zum 1. Januar dieses Jahres die höchsten Krankenkassenbeiträge gezahlt werden, die jemals bezahlt werden mussten. Ein paar Wochen später senken Sie nun mit Steuergeldern die Krankenkassenbeiträge. Das hat nichts mit einem Konjunkturprogramm zu tun. Es wäre besser gewesen, die ganze Gesundheitsreform wieder einzustampfen. Das wäre ein Konjunkturprogramm. Zu solchen Strukturreformen fehlt Ihnen aber der Mut. ({33}) Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch eine Bemerkung zu den privaten Investitionen machen. Sie haben einen ausschließlich staatlichen Blick auf diese Dinge. Das halten wir für falsch. Sie sprechen davon, welche Ausgaben der Staat tätigen müsse. Was Sie aber schaffen sollten, ist eine Lösung der bürokratischen Bremsen beispielsweise für Investitionen. Heute Morgen beschließen Sie das Konjunkturprogramm, heute Mittag beschließen Sie die Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes. Wir sollten Investitionen nach Deutschland einladen, aber nicht nach Hause schicken. ({34}) Allein bei den Flughäfen warten etwa 20 Milliarden Euro privater Mittel darauf, investiert zu werden. Bringen Sie endlich Ihre Ideologie in die Geschichte hinein, damit das beschlossen werden kann! In der Energiewirtschaft warten 20 bis 40 Milliarden Euro privater Gelder darauf, beschlossen zu werden. Steigen Sie aus aus einer ideologischen Energiepolitik! Werden Sie wieder vernünftig! Das wäre ein Konjunkturprogramm für unser Land. ({35}) Alles in allem muss man leider sagen: Die Schulden werden bleiben, aber für die Konjunktur und für die Bürgerinnen und Bürger wird dabei sehr wenig herausspringen. Sie haben in Ihrer ersten Rede zu diesem Thema gesagt, Frau Bundeskanzlerin, Sie würden das mit der Schuldentilgung dann so überzeugend machen wie beim Erblastentilgungsfonds. Das hat sich nun wirklich als eine Posse herausgestellt; Herr Vizekanzler, das betrifft Sie übrigens auch. Sie haben gesagt, Sie würden das genauso machen, wie Sie die Schulden beim Erblastentilgungsfonds zurückgezahlt haben. Heute stellen wir fest, dass weniger als die Hälfte zurückgezahlt und mehr als die Hälfte umgeschuldet wurde. Umschuldung ist aber keine seriöse Finanzpolitik. Wenn man etwas für die Konjunktur tut, was heute in der Tat getan werden muss, dann entlastet die Bürgerinnen und Bürger, sorgt dafür, dass die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden! Das wäre wirklich eine Wende für unser Land zum Guten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, auch wenn es Ihnen nicht gefallen hat, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien. ({36})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Freiherr zu Guttenberg. ({0})

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Westerwelle, ich danke Ihnen zunächst sehr für die Glückwünsche. Die Rede hätte uns gefallen, wenn sie denn schlüssig gewesen wäre. ({0}) Sie war es leider nicht. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das Amt des Bundeswirtschaftsministers in einer Wirtschaftskrise übernommen, wie sie das vereinte Deutschland noch nie erlebt hat, und zwar angesichts der Geschwindigkeit, in der sie uns ereilt hat, angesichts der Gleichzeitigkeit, aber auch angesichts der Breite, wie sie global eingetreten ist, und auch angesichts der Folgen für unsere Konjunktur. Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, in einer sehr harten Wirtschaftskrise, aber nicht in einer Systemkrise, wie dies in diesen Tagen gern behauptet wird. ({2}) - Gerade von Ihnen. - Unser gewachsenes und unser Zukunftssystem - nicht für Sie, aber für uns - ist und bleibt die soziale Marktwirtschaft. ({3}) Mit der sozialen Marktwirtschaft ({4}) - und nicht mit Zwischenrufen dieser Qualität ({5}) ist unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schutt und Asche zu einer der weltweit führenden Wirtschaftsnationen aufgestiegen. Es ist bedrückend zu sehen, wie viele - auch von jenen, die sich ihr verhaftet fühlen heute mit leichter Hand inflationär das Wort „soziale Marktwirtschaft“ im Munde führen, es aber leider kaum noch erklären können und - was so wichtig ist in dieser Zeit - sie auch nicht mehr verteidigen können. Diese ordnungspolitischen Leitplanken der sozialen Marktwirtschaft dürfen in der Situation, in der wir uns gerade befinden, nicht panisch abgerissen werden. ({6}) Sie dürfen eingeengt werden. Sie müssen möglicherweise in Teilen eingeengt, vielleicht auch in Teilen erweitert werden. Es ist sicherlich auch richtig, dass wir in dieser äußerst schwierigen Lage nicht allein und isoliert auf die Selbstheilungskräfte des Marktes vertrauen können. ({7}) Aber der Grundsatz bleibt richtig, dass der Staat lediglich den Ordnungsrahmen setzt, den Wettbewerb garantiert und nur dann eingreift, wenn Marktversagen vorliegt. Deswegen sind angesichts der Krise richtige Maßnahmen getroffen worden: die Finanzmarktstabilisierung im Oktober letzten Jahres, das Konjunkturpaket I im November letzten Jahres und das zweite Konjunkturpaket, das wir heute hier debattieren. Bei allem Kritteln, das wir heute auch schon gehört haben: Noch nie wurde so schnell, so konsequent und so entschlossen auf eine Krise reagiert. ({8}) Ludwig Erhard ist dieser Tage viel bemüht worden. Auch er hätte in einer solchen Situation wahrscheinlich zu knapsen gehabt. Das steht außer Frage. Aber die Leitlinie bleibt richtig, was das Verhältnis zwischen Staat und Markt anbelangt. Auch er hätte sich wahrscheinlich keinen Nachtwächterstaat gewünscht. Mein ausdrücklicher Dank gilt in dieser Phase - da die beschlossenen Maßnahmen meines Erachtens Wirkung zeigen werden - meinem Amtsvorgänger Michael Glos. ({9}) Ich glaube, er hat sich ebenso entschlossen, beherzt und mit viel Tatkraft auch für dieses Paket, aber vor allem für dieses Land eingesetzt. Auch mir ist unbegreiflich, mit welchem Stil, mit welcher Kollegialität manche mit einem umgehen, der sich wirklich um dieses Land verdient gemacht hat. ({10}) - Frau Künast, Sie sollten das nicht einfach nur in diesem Sinne aufgreifen. In einer Krise werden gezwungenermaßen Grenzen überschritten. In meinem Grundverständnis waren Konjunkturprogramme bislang auch Grenzen. Die Staatsverschuldung steigt. Auch wird eine Insolvenz als reinigender Mechanismus bei Banken bereits außer Kraft gesetzt. Staatsbeteiligungen bei Banken haben eingesetzt. Selbst Enteignung wird gelegentlich mit allzu rasselnd lauter Stimme ernsthaft diskutiert. Allerdings ist all das trotz allem keine Kurzschlusshandlung oder der bereits eingetrübte wirtschaftspolitische Kompass, sondern wir tun es für die Menschen in unserem Lande, die erwarten dürfen, dass ein Gemeinwesen seine grundlegenden Aufgaben erfüllt, gerade dann, wenn die Selbstheilungskräfte des Marktes nicht greifen. ({11}) Wer müsste sich dann den Fragen stellen, wenn plötzlich kein Geld mehr aus dem Geldautomaten käme? Wer müsste sich dann den Fragen stellen, wenn die Gaslieferungen ausblieben? Wer müsste sich den Fragen stellen, wenn plötzlich die Mülleimer aufgrund kommunaler Zahlungsunfähigkeit nicht mehr geleert würden? Ja, es wurden Grenzen überschritten. Aber wir müssen sie überschreiten, weil sich einige am Marktsystem auch versündigt haben. - Es ist interessant, zu sehen, welches Lächeln von der Linken an dieser Stelle kommt. Versündigt haben sich staatliche Institutionen in anderen Ländern, die den Geldhahn viel zu weit aufgedreht haben, um eben einmal ein Wachstumsstrohfeuer zu entfachen, aber ebenso einige zutiefst unverantwortliche Manager in Finanzinstituten, die nur um des schicken, gierigen Profits willen das Vertrauen der Menschen missbraucht und erschüttert haben. ({12}) Hierbei sind die Verantwortungsübernahme und das Handeln in meinen Augen noch nicht wirklich in Kongruenz gebracht. Grenzen müssen aber auch wieder zurückgezogen werden. Wir haben sie überschritten, müssen sie aber in Teilen wieder zurückführen, weil zu viel Staatsnachfrage private Initiative und private Investitionen behindert, weil jeder Eingriff in den Wettbewerb Folgeeingriffe erzwingt; einige sehen wir derzeit. ({13}) Deswegen muss der Rahmen der sozialen Marktwirtschaft bleiben. Wer dies in einer Extremlage, in einer Notsituation, in der wir uns befinden, selbstgefällig, grundsätzlich und dauerhaft infrage stellt, der riskiert in meinen Augen die Fundamente und die Zukunft unseres Landes. ({14}) Was ist weiterhin zu tun? Wir haben konsequent Märkte und Leistungsanreize zu stärken. Wir haben ebenso konsequent den Arbeitsmarkt nicht durch weitere Regulierungen zu strangulieren. ({15}) Wir haben den Wettbewerb auf den Energiemärkten weiter zu fördern. Verehrter Kollege Westerwelle, das von Ihnen angesprochene Thema ist nicht vom Tisch. Jetzt spricht nicht der Generalsekretär der CSU, sondern ein überzeugter Bundeswirtschaftsminister. Möglichkeiten für Steuersenkungen, auch für eine Steuerstrukturreform, gehören in meinen Augen in die Planung für die nächste Legislaturperiode, und zwar über das hinausgehend, was im Konjunkturpaket II dargestellt wurde; das ist richtig. ({16}) Wir werden uns mühen und bemühen müssen. Wir werden uns in diesen Tagen auch bemühen müssen, dass wir über die Ausnahme einer „Ultissima Ratio“ hinaus nicht zu leichtfertig mit dem Begriff Enteignung umgehen. ({17}) Ein Wort zum 100-Milliarden-Euro-Programm, das in der Verantwortung meines Hauses liegt, zum Wirtschaftsfonds Deutschland. Hier muss der Fokus klar sein. Ein eindeutiger Schwerpunkt liegt bei diesem Programm auf langfristig erhaltenswerten Firmen, die unverschuldet durch die Krise gefährdet sind. Ja, es geht um den Erhalt von Arbeitsplätzen - das ist für uns ein entscheidender Maßstab -, aber es geht nicht um den Erhalt um jeden Preis, vor allem nicht um den Preis der Gefährdung von Arbeitsplätzen an anderen Orten und in anderen Firmen. ({18}) Das wäre der falsche Ansatz. ({19}) Es geht auch darum, wenn wir ein solches Programm auflegen, mit dem Geld der Steuerzahler verantwortlich umzugehen. ({20}) Diese Verantwortung müssen wir wahrnehmen. Über den nationalen Rahmen hinaus gilt es die jeweiligen Programme und Aktionen auf europäischer und internationaler Ebene abzustimmen. Gestatten Sie mir folgende Anmerkung: Der Begriff Freihandel ist weder eine Phrase noch ein Schimpfwort, sondern eine Notwendigkeit. Dafür dürfen wir eintreten. ({21}) Das Gleiche gilt für den fairen Wettbewerb mit Blick auf das, was bereits zum Protektionismus gesagt wurde. Unsere Maßnahmen kosten fraglos sehr viel Geld. Deswegen dürfen wir die nachfolgenden Generationen nicht aus den Augen verlieren. Deswegen ist es richtig, dass eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wird. ({22}) Wir wollen insgesamt stärker aus dieser Krise hervorgehen, als wir hineingeraten sind. ({23}) Diese Chance haben wir, und diese Chance sollten wir nutzen. Wir sollten dieses Paket auch nutzen, um den Menschen in unserem Lande wieder Mut zu machen. Das bedeutet aber, dass wir Mut weitergeben und nicht jedes Detail über Wochen und Monate hinweg diskutieren. Dieses Land braucht diesen Mut und ein Stück Zuversicht. Dieses Land braucht die vermittelte Nachricht, dass wir uns nicht über Wochen und Monate hinweg um die Einzelheiten streiten, sondern dass wir gemeinsam bereit sind, den Menschen die Zuversicht, die dieses Land in Ausnahmesituationen immer wieder ausgezeichnet hat, zu geben. Die Menschen in diesem Land haben in Ausnahmesituationen immer wieder Außergewöhnliches geleistet. Das sollten wir durch eigenes Handeln unterstützen. ({24}) Deswegen sollten wir zuversichtlich an diese Aufgabe herangehen, das Haupt nicht neigen, sondern hoch erhobenen Hauptes mit gesundem Selbstbewusstsein ohne Hochmut, aber erfahren in der Bewältigung von Krisen, mit dem entsprechenden Eigenmut, mit Zuversicht und mit klaren Linien, die die Bundesregierung aufgezeigt hat, in dieses Jahr blicken. Ich glaube, das können wir. Wir müssen nicht in Sack und Asche gehen, sondern wir haben ein Konzept, das über das Jahr hinaus trägt. Herzlichen Dank. ({25})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Oskar Lafontaine ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. ({0})

Oskar Lafontaine (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002715, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident der Deutschen Bundesbank hat auf einer internationalen Konferenz festgestellt: Die Weltwirtschaft befindet sich im freien Fall. Ich benutze heute lieber das Bild des Flächenbrandes. Von diesem Flächenbrand sind die Weltfinanzmärkte ebenso wie die gesamte Weltwirtschaft betroffen. Wenn ein Flächenbrand festgestellt wird, dann muss man löschen. Die Löschfahrzeuge stehen bereit. Wir werfen aber der Bundesregierung vor, dass sie diese Löschfahrzeuge nicht einsetzt. Dies will ich jetzt im Einzelnen erläutern. Der Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, es gäbe kein Drehbuch. Es gibt aber sehr wohl Erfahrungen und Maßnahmen, die andernorts gewirkt haben und auf die wir jetzt zurückgreifen könnten. Die Bundeskanzlerin beklagt sich, sie stehe vor einer Nebelwand. Ich glaube nicht, dass diese Analyse ausreichend ist, um mit der gegenwärtigen Krise fertig zu werden. ({0}) Nun will ich konkret erläutern, welche Löschfahrzeuge sie nicht einsetzt und damit in großem Umfang dazu beiträgt, dass weitere Milliarden sinnlos verschleudert werden. Sie versuchen jetzt seit Monaten, den Interbankenhandel, den Fluss des Geldes zwischen den Banken, in Gang zu setzen. Obwohl Sie das seit Monaten versuchen, gelingt Ihnen das nicht. Viele mittelständische Betriebe und sogar viele Großbetriebe, die hervorragende Finanzstrukturen haben, beklagen sich darüber, dass die Kreditbeschaffung immer schwieriger wird. Wenn Sie es nicht endlich schaffen, dass der Interbankenhandel wieder in Gang kommt und die Kredite fließen, dann wird die Wirtschaft immer weiter einbrechen. Deshalb dürfen Sie nicht weiter zögern. ({1}) Ich rufe noch einmal das schwedische Modell - das ist eine Erfahrung aus der Vergangenheit - in Erinnerung. Dieses Modell hat Erfolg gehabt. Sie können dabei die Frage offen lassen, was Sie machen, wenn das System wieder funktioniert. Aber jetzt ist das schwedische Modell die beste Lösung, um der Krise überhaupt Herr zu werden. Erstens. Sie erreichen mit diesem Modell, dass der Geldfluss wieder in Gang kommt. Zurzeit belauern sich die privaten Geschäftsbanken und geben keine Kredite mehr, weder untereinander noch an Dritte, weil sie unsicher sind und die Risiken nicht kennen. Nur das schwedische Modell beseitigt diesen Zustand. Deshalb plädiere ich nachdrücklich für die Einführung dieses Modells. Das heißt, Übernahme des Kreditsektors in öffentliche Verantwortung. ({2}) Zweitens. Nur das schwedische Modell stellt sicher, dass keine Geschäfte außerhalb der Bücher getätigt werden. Zurzeit werden immer noch in großem Umfang Geschäfte außerhalb der Bücher getätigt. Drittens. Nur das schwedische Modell stellt sicher, dass keine Geschäfte mit Steueroasen getätigt werden. Es wäre dringend notwendig, dass ein großer Industriestaat - die Bundesrepublik Deutschland ist das - darauf hinwirkt, dass seine Kreditinstitute keine Geschäfte mehr mit Steueroasen machen. ({3}) Viertens. Nur die öffentliche Verantwortung stellt sicher, dass kein Handeln mehr mit Schrottpapieren betrieben wird. Zurzeit werden in großem Umfang Verbriefungen bei den Banken in Anspruch genommen, es werden in großem Umfang Kreditversicherungen getätigt usw. Wenn wir jetzt nicht endlich eingreifen, dann handeln wir völlig verantwortungslos und fahrlässig und sind verantwortlich für die Verschleuderung weiterer Steuermilliarden. ({4}) Fünftens. Die Übernahme in öffentliche Verantwortung ist die billigste Lösung. Man kann das allein bei der HRE sehen. Nur der Staat ist zurzeit in der Lage, zu billigen Konditionen zu refinanzieren. Wenn man die privaten Anteilseigner diese Refinanzierung sicherstellen lässt, dann wird es nur teuer, und die Mittel, die wir bereitstellen müssen, werden nur größer. Erkennen Sie doch, dass dieser einfache Zusammenhang von niemandem geleugnet werden kann! ({5}) Sechstens. Nur die Übernahme in öffentliche Verantwortung löst die Probleme, die mit der Bad Bank angesprochen worden sind. Es wäre ein Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn wir eine öffentliche Bad Bank einrichteten und dann den Privaten weiterhin die Geschäfte und die zu erwartenden Gewinne überließen. Es kann so nicht weitergehen, dass auf der einen Seite alle Verluste und seien es Hunderte von Milliarden sozialisiert werden, während auf der anderen Seite eine Privatisierung der Gewinne stattfindet. ({6}) Siebtens. Nur so stellen wir sicher, dass die Zinssenkungen der Zentralbank auch weitergegeben werden können. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Dazu hört man von Ihnen nichts. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller hat immer darauf hingewiesen, dass die Geldpolitik ziehen, aber nicht stoßen kann. Ziehen heißt: Durch Erhöhung der Zinssätze kann man eine sehr starke Konjunktur bremsen. Stoßen heißt: Man kann eine schwache Konjunktur durch Senken der Zinssätze anregen. Das Stoßen ist in dem Moment nicht möglich, in dem die Banken die Zinssenkung der Zentralbank nicht weitergeben. Ein öffentlicher Sektor wäre aber dazu in der Lage. Er würde daher die notwendigen konjunkturellen Impulse möglich machen. Das ist der Grund, warum wir dafür plädieren. ({7}) Nun werden Sie sagen, das sei das typische Oppositionsgerede, zu sagen, die Bundesregierung tut nichts. Es ist in höchstem Maße fahrlässig, was Sie zu verantworten haben. Ich zitiere hier die Welt: Der Wettlauf um die besten Konzepte vorm globalen Finanzgipfel Anfang April in London gewinnt an Tempo. Dabei ist zwischen Vorschlägen zu unterscheiden, die substanziell sind. Und jenen, die nur zum Ziel haben, den Eindruck zu erwecken, als tue man etwas. Leider ist aus Berlin bislang vor allem Letzteres zu vernehmen. Sowohl der Weltwirtschaftsrat, den Bundeskanzlerin Angela Merkel in Davos erneut vorschlug, als auch der Vorstoß, einen globalen Risikoatlas zu schaffen, klingen zwar gut. Aber sie sind kaum dafür geeignet, die Welt schon bald entscheidend krisenfester zu machen. Das ist der entscheidende Vorwurf. Während Sie jetzt löschen müssten, machen Sie Konferenzen der Feuerwehrmänner, verlangen irgendeinen Atlas und unterlassen die wichtigsten Schritte, um das Finanzsystem wieder in Ordnung zu bringen. ({8}) Es soll doch einmal jemand hier hintreten und sagen, was Sie auf nationaler Ebene zur Reregulierung unternommen haben. Ich sage noch einmal: Nach wie vor gibt es Geschäfte außerhalb der Bilanzen, nach wie vor gibt es Geschäfte mit Steueroasen, nach wie vor gibt es die Zulassung des Handels mit Schrottpapieren. Es ist doch fahrlässig und verantwortungslos, dass der Staat da überhaupt nichts tut und weiterhin das Verschleudern von Milliarden ermöglicht. ({9}) Wir haben Ihnen einen Katalog vorgelegt, der sich an die Vorschläge des ehemaligen Bundeskanzlers Schmidt anlehnt, der sich international auf diesem Gebiet als Experte ausgezeichnet hat. Sie hätten ihn nur beschließen müssen. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, dazu ein einziges Argument vorzutragen. Kein einziges Argument habe ich dazu gehört. Null. Nun haben wir Ihnen heute einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der wiedergibt, was international renommierte Makroökonomen vorgeschlagen haben, was jetzt zu tun ist. An der Spitze ist der renommierteste Wachstumsforscher der Welt, Bob Solow. Bob Solow hat mit zehn Makroökonomen aus Europa ein Manifest vorgelegt, wie jetzt konjunkturell gegenzusteuern sei. Wir haben dieses Manifest zur Beschlussfassung vorgelegt. Wir wissen, dass Sie alles, was die Linke vorschlägt, aus ideologischen Vorbehalten heraus ablehnen werden. Aber übernehmen Sie doch wenigstens, was die Finanzmarktregulierung und die Konjunktursteuerung angeht, die Konzepte international renommierter Makroökonomen. ({10}) Bob Solow und weitere Makroökonomen fordern, zur Konjunktursteuerung mindestens 2 Prozent des Bruttosozialprodukts pro Jahr aufzuwenden, um die rasante Talfahrt der Wirtschaft aufzuhalten. Schmidt hat Ihnen vorgeschlagen, 3 bis 4 Prozent dafür aufzuwenden. Sie meinen nach wie vor, Sie könnten es bei etwas mehr als 1 Prozent bewenden lassen. Allein die Kenntnis der Grundrechenarten müsste Sie angesichts des freien Falls der Wirtschaft zu der Einsicht bringen, dass Sie mit etwas mehr als 1 Prozent nicht auskommen werden, wenn Sie selbst einen Rückgang der Wirtschaft um 2,25 Prozent prognostizieren. Sie handeln völlig fahrlässig und sind verantwortlich dafür, dass immer mehr Menschen in Deutschland arbeitslos werden. ({11}) Die Makroökonomen mahnen weitere Zinssenkungen an; diese Zinssenkungen werden demnächst wohl fällig. Sie sagen ferner - das ist ganz entscheidend -: Sämtliche Klagen über nationale Maßnahmen, die durchgeführt werden, um dem Nachbarn Schaden zuzufügen oder um ihm gegenüber Vorteile zu erreichen, sind dann obsolet, wenn es endlich gelingt, die europäische Finanzpolitik zu koordinieren. Man kann das nur unterstreichen. Ein einheitlicher Währungsraum hat ohne eine stark koordinierte Fiskalpolitik keinen Sinn. Dieser Ratschlag der Makroökonomen ist dringend zu beherzigen. Sie müssen europäisch koordinieren. Europäisch koordinieren heißt in diesem Fall: Jedes Land muss mindestens 2 Prozent des Bruttosozialproduktes aufwenden, um konjunkturell gegenzusteuern. Wenn das geschieht, ist jede Diskussion darüber, dass mehr italienische, deutsche oder französische Autos gekauft werden, hinfällig. ({12}) In diesem Manifest schlagen die Makroökonomen auch eine verbesserte institutionalisierte Rolle der Finanzminister auf europäischer Ebene vor; sie regen die Einrichtung eines Sekretariats an. Wie immer Sie das nennen wollen - ich habe das hier schon öfter angeführt; Jacques Delors hat immer von einer Wirtschaftsregierung gesprochen; der französische Präsident Sarkozy hat ähnliche Vorschläge gemacht -, dahinter steht nur das eine: Wenn man eine gemeinsame Währung hat, braucht man eine koordinierte Finanz- und Wirtschaftspolitik; sonst gibt es Verwerfungen und Schäden für alle Volkswirtschaften. ({13}) Die Makroökonomen schlagen selbstverständlich auch vor, zu konsolidieren. Das ist kein Streitpunkt. Die Frage ist nur, wie konsolidiert wird. Hier wird vorgeschlagen, keine starren Regeln zu beschließen, die sowieso nicht mehr beherzigt und bei jeder konjunkturellen Talfahrt gebrochen werden, sondern längerfristig laufende Ausgaben durch laufende Einnahmen zu decken. Dieser Vorschlag ist viel sinnvoller als das Befolgen starrer Regeln, etwa der Maastricht-Kriterien, mit denen wir in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben. Der wichtigste Punkt auch dieser Makroökonomen ist, endlich den Finanzmarkt zu regulieren. Sie schlagen hierfür einfache und klare Regeln vor. Die von uns immer wieder vorgetragenen Regeln - keine Geschäfte mit Steueroasen, keinen Schrotthandel und keine Geschäfte außerhalb der Bilanz - sind so klar und so eindeutig, dass jeder ihrer Richtigkeit sofort und unverzüglich zustimmen kann. ({14}) Im Übrigen sagen diese Professoren selbstverständlich - um Herrn Kollegen Westerwelle anzusprechen -, dass Steuersenkungen derzeit das am wenigsten geeignete Mittel sind. ({15}) Das alles ist doch wissenschaftlich untersucht. Sie werden in der angelsächsischen Nationalökonomie kaum jemanden finden, der sagt: Steuersenkungen sind das beste Mittel, um konjunkturell gegenzusteuern. ({16}) - Soweit ich weiß, ist er kein renommierter amerikanischer Nationalökonom. Aber ich kann mich irren. Wenn Sie das einmal nachlesen, stellen Sie fest: Dort wird gesagt, dass bei öffentlichen Investitionen pro Dollar zwei bis drei Dollar Folgeinvestitionen hervorgerufen werden, während bei Steuersenkungen allenfalls 70 Cent von einem Dollar ausgegeben werden. Das sind Grundrechenarten, gegen die Sie hier immer wieder verstoßen, Herr Kollege Westerwelle. ({17}) Es ist nun einmal so: Die Hälfte der Haushalte zahlt keine Lohn- und Einkommensteuern. Wollen Sie die Hälfte der Haushalte ausklammern, wenn Sie konjunkturell gegensteuern? Wollen Sie beim konjunkturellen Gegensteuern tatsächlich diejenigen ausklammern, die jeden Euro ausgeben würden? Wollen Sie nur diejenigen bedienen, die ihre Euros teilweise auf die Sparkonten bringen? Was hier vertreten wird, ist doch irrsinnig. ({18}) Das hat doch nur, wenn man so will, klientelpolitische Gründe; ansonsten ist das völliger Nonsens, der hier vorgetragen wird. Das gilt im Übrigen auch für Freibeträge. Eine Anhebung der Freibeträge, die Sie hier so vehement verteidigt haben, wird nur denen zugute kommen, die Steuern zahlen. Aber die vielen, die keine Steuern zahlen, müssen anders unterstützt werden; und diese haben Unterstützung auch am nötigsten. Deshalb ist der Weg, den Sie vorschlagen, falsch. ({19}) Insofern ist es auch kein Zufall, dass unsere Vorschläge - das hat, wie ich glaube, die Frankfurter Rundschau heute veröffentlicht - von der Mehrheit der Bevölkerung gebilligt werden. Sie kämen nämlich der Mehrheit der Bevölkerung eher zugute als das, was bisher beschlossen wurde. Unsere Vorschläge sind: Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze, Verbesserungen bei den Renten und eine Lohnentwicklung, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzt, das auszugeben, was sie notwendigerweise für ihre Familien ausgeben müssen. Deshalb sagen wir noch einmal: Das Konjunkturpaket muss auch sozial ausgewogen sein. ({20}) Sozial ausgewogen müssen insbesondere Hartz-IVSätze, Renten und Löhne sein. Zum Schluss noch eine Bemerkung zu etwas, das mich wirklich mit Sorge erfüllt. Ich habe ja nichts dagegen, wenn eine Partei einen Höhenflug erlebt. Das sei ihr gegönnt. Unter Sportlern muss man auch anderen Erfolg gönnen. ({21}) - Sie wissen doch, dass es ein Auf und Ab gibt. - Ich möchte allerdings noch zwei Dinge dazu sagen. Dass die FDP - das habe ich gestern gelesen - in der jetzigen Situation die gesetzliche Krankenversicherung vollständig privatisieren will, schlägt doch dem Fass nun wirklich den Boden aus. Das ist unglaublich! ({22}) Deswegen sage ich Ihnen: Wir werden alles tun, um eine schwarz-gelbe Mehrheit zu verhindern. Wir werden das auch erreichen. Dafür stehen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({23}) Das Gleiche trifft natürlich auch auf Ihre Ankündigung zu, die Rentnerinnen und Rentner zur Kasse zu bitten, um die Milliarden, die da verschleudert worden sind, in Zukunft bezahlen zu können. Was ist das denn für ein asozialer Ansatz? Leider haben auch ein Abgeordneter der CDU und ein Abgeordneter der SPD vor einigen Wochen solche Äußerungen getätigt. Das ist doch völlig unglaublich! Es müssen endlich einmal diejenigen zur Kasse gebeten werden, die das Ganze verbrochen haben, und nicht die Bevölkerung. ({24}) Jetzt sage ich Ihnen noch etwas zu den Schulden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Lafontaine, Sie müssen sich jetzt ein bisschen beeilen.

Oskar Lafontaine (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002715, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich beobachte die Uhr, Herr Präsident. - Schauen Sie sich einmal die Vermögensbesteuerung anderer großer Industriestaaten an. Die Zinsbelastung Deutschlands liegt etwa bei 60 Milliarden Euro. Würden wir beispielsweise die englische Vermögensbesteuerung einführen, erhielten wir alleine 100 Milliarden Euro aus der Vermögensbesteuerung. Daran sehen Sie, warum Sie nicht erfolgreich arbeiten können. Wenn Sie die Ungleichgewichte bei Vermögen und bei Einkommen nicht beseitigen, wenn Sie es nicht schaffen, diejenigen, die die Profiteure der Entwicklungen der letzten Jahre waren, zur Finanzierung der Staatsfinanzen heranzuziehen, dann verschärfen Sie die Krise weiter. Das muss um jeden Preis vermieden werden. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003577, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr von und zu Guttenberg, auch wir wünschen Ihnen für Ihr Amt alles Gute und viel Erfolg, allerdings nicht wegen der besonders ruhmreichen Bedingungen, unter denen Sie ins Amt geraten sind, sondern weil wir uns in einer Wirtschaftskrise befinden und es eigentlich normal und vernünftig ist, dass ein Wirtschaftsminister in einer solchen Zeit auch erfolgreich ist. ({0}) Dazu gehört aber, dass die politische Führung, insbesondere in Person der Kanzlerin, nicht nur zuschaut, was passiert, abwartet und zaudert, sondern die politische Führung tatsächlich übernimmt und konsistent Politik gestaltet. Das war bei Ihrer Amtswerdung, Herr Wirtschaftsminister, nicht der Fall, wie wir alle an dem Chaos letztes Wochenende sehen konnten. ({1}) Ich will gleich auf das Bild eingehen, Herr Guttenberg, das Sie gezeichnet haben. Sie sagten, die Regierung habe die Krise vom Finanzmarktschirm bis zum heute vorliegenden Konjunkturpaket II beispielhaft im Griff gehabt. Bei genauer Betrachtung der Wirklichkeit kann ich diese Einschätzung nicht teilen. ({2}) Fangen wir am Anfang an. Wir sehen heute - darüber hat Herr Steinbrück nichts gesagt -, dass der Finanzmarktschirm von Anfang an falsch konstruiert war. Deswegen haben wir ihn übrigens abgelehnt. Sie haben damals, im Oktober 2008, Angst vor einer effektiven Teilverstaatlichung gehabt. Sie haben nämlich aus ideologischen Gründen diesen Weg gefürchtet. Die Schwierigkeiten und Fehler, die daraus resultierten, sehen Sie jetzt ganz deutlich: Der Finanzmarktschirm funktioniert nämlich nicht. Er hat den Anspruch, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen und zu erreichen, dass sich die Banken gegenseitig Liquidität zur Verfügung stellen, bisher nicht erfüllt. In der Hypo Real Estate, einer Bank, die gerade noch 270 Millionen Euro wert ist, stecken inzwischen 102 Milliarden Euro. Da muss man doch wirklich fragen: Hat es funktioniert, ja oder nein? Ich sage Ihnen: Es hat nicht funktioniert. ({3}) Deswegen ist es notwendig, dass Sie den Finanzmarktschirm jetzt endlich korrigieren, nämlich durch ein Gesetz, das das Ganze präziser fasst. An die Union gerichtet sage ich: Nun ist Schluss mit Ideologie! Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder kauft der Staat den Herrn Flowers aus der HRE heraus - dann muss er allein für ihn 500 oder 600 Millionen Euro veranschlagen; für die anderen Anteilseigner vielleicht noch einmal die gleiche Summe; es wird also sehr teuer -, oder Sie trauen sich endlich, das effektiv zu machen, damit die Bank wieder wirksam Kredite ausgeben kann und mehr Glaubwürdigkeit gewinnt; in diesem Fall dürfen Sie eine Enteignung aber nicht scheuen. ({4}) Herr Röttgen, es ist nicht die Stunde der ideologischen Konstruktionen in der Frage, was alles nicht sein darf, ({5}) sondern jetzt muss effektiv gehandelt werden. Was wir bei den Banken gegenwärtig machen, ist vergleichbar mit einer Aktenvernichtungsmaschine: Oben wird das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hineingesteckt, unten kommt es zerhäckselt wieder heraus - ohne jeden vernünftigen Effekt. Dafür ist diese Regierung verantwortlich. Sie können jetzt nicht nach dem Motto verfahren: So what? Es ist halt alles schwierig. Damit haben wir nichts zu tun. ({6}) Ihre beiden Konjunkturprogramme wirken nicht so, wie Sie es erwartet haben. Zum einen haben Sie zu wenig tatsächlich direkt und schnell wirkende Konjunkturmaßnahmen eingebaut. Ich will das einmal an einem Beispiel aufzeigen: 6 Milliarden Euro Steuersenkung rückwirkend zum 1. Januar 2009; Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung zum 1. Juli. Sie glauben doch nicht, dass jemand jetzt ins Einkaufen gerät und den Binnenmarkt stärkt, wenn er erfährt: Es gibt eine Steuersenkung und ein halbes Jahr später soll noch eine Beitragssatzsenkung kommen und nach einem halben Jahr eine weitere Steuersenkung. Da sind Sie unterkritisch. Damit werden Sie die Konjunktur nicht beleben. ({7}) Zum anderen sind die Investitionen zu gering. 13 Milliarden Euro Investitionen in den Gemeinden bei einem Paket von 50 Milliarden Euro sind zu wenig. Das Ganze wird auch nicht gesteuert, zum Beispiel im Sinne von Bildung und Ökologie. Wir lehnen das Konjunkturpaket II ab. 50 Milliarden Euro auf Schulden - alle müssen doch wissen: das sind Schulden der Zukunft -, ohne eine klare Richtung für Klima, Bildung und soziale Gerechtigkeit, das kann nicht den Effekt haben, dass man gestärkt aus der Krise herauskommt. ({8}) Herr von und zu Guttenberg, Sie haben hier gesagt: Wir werden stärker aus der Krise herauskommen, wenn wir es richtig machen. - Dieser Gedanke ist attraktiv. Aber dann muss man in der Krise jetzt so investieren, dass man danach auch wirklich gestärkt aus ihr herauskommen kann. Wenn Sie auf die Weltwirtschaft schauen, dann ist klar: Der neue Boom, der nach der Krise kommen wird, ist mit dem Begriff „grün“ richtig beschrieben; denn „grün“ heißt Investitionen in ökologische Modernisierung; „grün“ heißt Investitionen in Bildung, und zwar in Beton und in Köpfe; „grün“ heißt mehr Investitionen in soziale Gerechtigkeit. Wenn Sie diese drei Punkte nicht zielgenau umsetzen, dann gehen wir nicht gestärkt, sondern geschwächt aus dieser Krise heraus. ({9}) Die anderen, zum Beispiel in den USA, haben das inzwischen begriffen. Mich wundert, dass Sie, Herr von und zu Guttenberg und Herr Westerwelle, jetzt schon wieder das Lied der Steuersenkungen singen. Ich sage Ihnen einmal ganz klar, Herr Westerwelle: Ich glaube nicht, dass durch Steuersenkungen, wie sie die Regierung jetzt will - Sie wollen das ja noch erweitern -, ein schneller Konjunktureffekt erreichen werden kann, und zwar aus folgendem Grund: In Deutschland zahlt die Hälfte der Haushalte gar keine Einkommensteuer mehr. Deswegen müssen wir, wenn wir konjunkturell etwas erreichen wollen, die Transferleistungen für die, die sehr wenig haben, erhöhen, also zum Beispiel das Arbeitslosengeld II. Wer Konjunkturpolitik mit Gerechtigkeitspolitik verbinden will, der muss an dieser Stelle ansetzen, der muss etwas für die kleinen Leute tun und nicht für die, die sowieso mehr haben. ({10}) Ich bin erstaunt über die FDP und ihre Konzeption. Die Union scheint in dieser Frage ja von Westerwelle getrieben zu sein. Sie sagen, Sie haben etwas gegen Verschuldung, und wollen mit gigantischen Steuersenkungskonzepten in den Wahlkampf ziehen. Aber Sie werden sie nicht finanzieren können. Solche Steuersenkungen hätten keinen anderen Effekt, als dass neue Schulden aufgehäuft würden und damit für die Zukunft Kürzungen der Sozialleistungen vorprogrammiert wären. Anders können Sie das nicht finanzieren. ({11}) Wir werden im nächsten Jahr eine Auseinandersetzung genau über die Frage haben, ob es richtig war, jetzt billig Steuersenkungen zu versprechen, dadurch die Verschuldung anzuheben und Kürzungen der Sozialleistungen zulasten der kleinen Leute vorzubereiten. ({12}) Manches, was Sie, Herr Westerwelle, hier bringen, ist Taschenspielerei. Sie reden von einer sofort machbaren weiteren Senkung des Eingangssteuersatzes auf 12 Prozent. Aber wer sich das etwas genauer anschaut, merkt, dass Sie das gar nicht beschließen. Die FDP hat am 31. Mai 2008 auf ihrem Parteitag ein Steuerkonzept mit Gesamtkosten in Höhe von 70 Milliarden Euro beschlossen. ({13}) Darin hat sie einen Eingangssteuersatz von insgesamt 19 Prozent vorgesehen. Das stellt man fest, wenn man die Vorhaben der Herrschaften einmal genauer studiert. ({14}) Ich will es Ihnen erläutern, Herr Westerwelle: Sie haben 10 Prozent Eingangssteuersatz beim Bund; zusammen mit dem von Ihnen vorgesehenen Länderzuschlag von bis zu 5 Prozent und dem Kommunalzuschlag von bis zu 4 Prozent beim Eingangssteuersatz kommen Sie nach Adam Riese auf 19 Prozent. Ich finde es schon ein starkes Stück, Herr Westerwelle, dass Sie hier die Backen aufblasen und von 12 Prozent Eingangssteuersatz reden, nachdem Sie im Mai selber bis zu 19 Prozent beschlossen haben. Da hört die Redlichkeit bei Ihnen auf. ({15}) - Es tut natürlich weh, wenn man seine eigenen Parteitagsbeschlüsse vor Augen geführt bekommt. Wenn das jetzt ein alter Beschluss wäre, zum Beispiel von 1964, dann könnte ich Ihr Geschrei verstehen, Herr Niebel. Aber wenn Sie schreien, ist klar, dass ich ins Schwarze getroffen habe. Das ist eine alte Erfahrung. Wir werden das auch weiterhin so praktizieren. ({16}) Das Konjunkturprogramm II, das auf dem Tisch liegt, ist ökologisch gesehen ein Blindflieger. Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das wisst ihr auch. Deswegen verstehe ich nicht, dass ihr euch jetzt so schwer tut, wenigstens im Rahmen der Kfz-Steuer-Reform eine etwas stärkere ökologische Ausgestaltung vorzunehmen. Die Ansicht, dass die Abwrackprämie ein so gigantischer Erfolg wäre, wie Herr Steinbrück vorhin dargestellt hat, kann ich übrigens nicht teilen. Tatsächlich geschieht nichts anderes, als dass Autokäufe, die für die nächsten drei, vier Jahre geplant waren, auf dieses Jahr vorgezogen werden. ({17}) Ich frage Sie, Herr Steinbrück: Was wollen Sie eigentlich machen, wenn die Krise im nächsten Jahr anhält? Was ist dann mit der Leitindustrie der Autobauer? Wir sagen klar: Nur wer jetzt den Strukturwandel fördert und andere und bessere Fahrzeuge unterstützt, trägt dazu bei, dass wir aus der Krise besser herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind. ({18}) Ich möchte zum Abschluss noch etwas an den neuen Wirtschaftsminister gerichtet sagen. Sie lesen hier in Ihrer ersten Rede - vielleicht verständlich - der Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft die Messe. Aber Sie müssen sich eine Frage stellen: Wie können wir die Marktwirtschaft in unserem Land so durch neue Rahmenbedingungen erneuern, dass sie wieder sozial wird? Man kann sich doch nicht mehr einfach auf die soziale Marktwirtschaft berufen, sondern muss feststellen, dass die soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft diffundiert. Ich hätte von Ihnen erwartet - wir werden das von Ihnen vor allem in den nächsten Monaten erwarten -, dass Sie klar und deutlich beschreiben, welche Rahmenbedingungen, welche ordnungspolitischen Neusetzungen Sie für die Marktwirtschaft vorschlagen, damit sie wieder sozial und vor allem ökologisch werden kann. Ich sage Ihnen voraus: Es wird in Deutschland, in Europa und auf der Welt keine erfolgreiche Marktwirtschaft mehr geben, die nicht das Thema Ökologie und soziale Gerechtigkeit als Fundament hat und daraus ableitet, welche Rahmenbedingungen zu setzen sind. Allein das Predigen der alten sozialen Marktwirtschaft wird die Probleme der Zukunft nach unserer Überzeugung nicht lösen können. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Herr Ministerpräsident Sellering. ({0}) Erwin Sellering, Ministerpräsident ({1}): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In einer Krise wie dieser kommt es darauf an, rasch, überlegt und entschlossen zu handeln und vor allem gemeinsam. Diese Gemeinsamkeit zwischen Bund und Ländern ist in den letzten Wochen und Monaten sehr gut gelungen. Wir haben gemeinsam das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und das erste Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Wir werden jetzt auch das zweite Konjunkturpaket gemeinsam auf den Weg bringen. ({2}) In dieser Krise hat sich gezeigt, dass der Föderalismus auch bei großem Zeitdruck handlungsfähig ist. Obwohl heute der Bundesrat tagt, bin ich hier, um zu zeigen, dass uns weiter an dieser guten Zusammenarbeit liegt, ({3}) damit wir gemeinsam diese Krise meistern können. ({4}) Die richtige Antwort ist: kein Aktionismus, sondern Maßnahmen, die das Wachstum fördern und Werte schaffen. Deshalb ist es richtig, der Wirtschaft mit Sonderprogrammen und Kredithilfen unter die Arme zu greifen. Es ist richtig, die Bürger zu entlasten und dabei vor allem den Familien zu helfen. Es ist richtig, öffentliche Investitionen vor Ort zu ermöglichen; denn das stärkt die Konjunktur und schafft gleichzeitig Werte, die bleiben. Deshalb sage ich ganz klar: Dieses Konjunkturpaket II ist insgesamt eine gute Sache. Gut ist erstens, dass dieses Konjunkturpaket jetzt für ganz Deutschland gilt. Da gab es ja mal andere Töne. Ich freue mich, dass das, was wir jetzt beschlossen haben, Ost und West gleichermaßen zugutekommt und nicht gesagt wird: Jetzt ist der Westen an der Reihe. - Gerade in einer Krise dürfen wir uns nicht auseinanderdividieren. ({5}) Diese Krise betrifft ganz Deutschland, und deshalb muss sie in Deutschland gleichermaßen bekämpft werden. Gut ist zweitens, dass dies ein Rettungspaket für den Erhalt von Arbeitsplätzen geworden ist. Denn wir müssen immer wieder deutlich machen, dass es uns nicht darum geht, Banken oder Unternehmen als Selbstzweck zu helfen, sondern immer mit Blick auf die Arbeitsplätze. Wir müssen aufpassen - dies dürfen wir nicht unterschätzen -, dass diese Vertrauenskrise bzw. dieser Vertrauensverlust, der die Finanzmärkte und die Wirtschaft erschüttert hat, nicht das gesamte Wirtschaftssystem betrifft oder am Ende vielleicht sogar das Vertrauen fehlt, dass unsere demokratischen Institutionen in der Lage sind, mit dieser Krise fertig zu werden. Wir dürfen nicht verkennen: Für viele Menschen draußen ist es sehr schwer nachvollziehbar, welch riesige unvorstellbare Milliardenbeträge nicht nur hier, sondern überall auf der Welt von Staaten mit manchmal erschreckender Leichtigkeit bewegt werden. Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort fragen sich: Was bedeutet das für uns, für den Einzelnen? Was bedeutet das für den Fortgang der Sozialpolitik und der Umweltpolitik? Wir müssen sehr aufpassen, dass es nicht zu einer Vertrauenskrise kommt. Unternehmen zu stützen, um Arbeitsplätze zu sichern, kann ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern selbstverständlich nicht allein. Wir können keine eigenen Konjunkturprogramme auflegen; das würde uns überfordern. Deshalb ist unser Bestreben - dies ist wichtig für uns -, dass wir von der Krise betroffene Unternehmen unter den Schutzschirm des Bundes bringen können. Dazu sind wir auf gute Gespräche und eine gute Zusammenarbeit mit dem Bund angewiesen. Diese Zusammenarbeit haben wir bisher erfahren. Ich hoffe, dass dies so weitergeht. ({6}) Meine Damen und Herren, viele der Unternehmen, die die Krise meistern können, werden häufig für längere Zeiträume nicht genug Beschäftigung haben. Dann geht es darum, dass wir diesen Unternehmen helfen müssen, ihre Fachkräfte zu halten. Ich will ganz deutlich sagen: Das Programm, das Olaf Scholz aufgelegt hat, und die Strategie, die er verfolgt, sind genau richtig. Die Geltungsdauer der Kurzarbeit verlängern, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, qualifizieren, statt zu entlassen - genau das brauchen wir. ({7}) Wir haben schon jetzt einen Fachkräftemangel im Land. Auch in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern ist völlig klar, dass wir die Fachkräfte für die Zeit, wenn es wieder weitergeht, halten müssen, und zwar nicht nur in den Betrieben. Wir müssen vor allem auch verhindern, dass sie das Land verlassen. Dafür bietet dieses Programm sehr gute Voraussetzungen. Das sind die richtigen Weichenstellungen in dieser Krise. Ich kann Ihnen berichten, dass Mecklenburg-Vorpommern dieses Paket in der letzten Woche in einer Sitzung des Bündnisses für Arbeit vorgestellt hat. Das war nicht nur eine Informationsveranstaltung, sondern es kam auch zu einer Rückkopplung: Ist das, was wir tun, Ministerpräsident Erwin Sellering ({8}) richtig? Müssen wir das noch ergänzen? - Dieses Paket ist dort auf sehr viel Zustimmung gestoßen. Im Bündnis für Arbeit sind die Sozialpartner und verschiedene Unternehmer vertreten, die selbstverständlich unterschiedlichen Parteien angehören. Ich habe Ihnen eine Botschaft mitgebracht - das war das Ergebnis -: Da es jetzt darauf ankommt, der Wirtschaft Vertrauen zu signalisieren, müssen wir gemeinschaftlich sagen - so der allgemeine Tenor im Bündnis für Arbeit -, dass dies ein gutes Paket ist, dass dies eine Maßnahme ist, mit der wir diese Krise meistern können; denn sonst werden wir es nicht schaffen, Vertrauen herzustellen. Ich finde es bemerkenswert, dass das über die Parteigrenzen hinweg gelungen ist. Das würde ich mir auch für dieses Haus etwas häufiger wünschen. ({9}) Aus Sicht der Länder ist besonders wichtig - das ist mein dritter Punkt -, dass dieses Konjunkturpaket ein Investitionspaket geworden ist, das Investitionen vor Ort ermöglicht. Wir können Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser davon profitieren lassen. Es ist gut, dass es bleibende Investitionen gibt. Das ist sinnvoll, weil wir damit Werte schaffen. ({10}) Mecklenburg-Vorpommern bekommt aus dem Investitionsprogramm für Länder und Kommunen vom Bund 237 Millionen Euro. Wir haben am letzten Dienstag im Kabinett eine schnelle Umsetzung dieses Programms beschlossen. Wir sind eines der wenigen Länder, die keinen Nachtragshaushalt brauchen. ({11}) Deshalb ist es uns möglich, das demnächst im Finanzausschuss zu beschließen, sodass wir das dann sehr schnell umsetzen können. Ich will hervorheben, dass es für uns besonders wichtig ist, dass 65 Prozent der Mittel der Bildungsinfrastruktur zugute kommen sollen. Wir haben viele Vorgespräche mit dem Bund geführt, in denen wir darauf hingewirkt haben. Wir sind froh, dass das dabei herausgekommen ist. ({12}) Es ist möglich, bessere Kitas, bessere Schulen und bessere Hochschulen zu schaffen. Das eröffnet unseren Kindern mehr Chancengleichheit von Anfang an. Das Wichtigste für die Zukunft dieses Landes ist es, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass niemand zurückgelassen wird, dass jeder mitgenommen wird, dass jede Begabung gefördert wird. Unsere Kinder sind die Ingenieure, Forscher und Unternehmer von morgen. Wir müssen ihnen das nötige Rüstzeug geben. ({13}) Meine Damen und Herren, der zweite Korb, die weiteren 35 Prozent, ermöglichen Investitionen in Krankenhäuser, Städtebau, ländliche Infrastruktur - zum Beispiel eine bessere Breitbandversorgung - und andere Infrastrukturprojekte. Für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet das beispielsweise Investitionen in die Hafeninfrastruktur. Ganz wichtig ist - das ist hier eben schon angeklungen -, dass die Kommunen vor Ort in die Lage versetzt werden, das, was ihnen vom Bund zur Verfügung gestellt wird, anzunehmen, also den nötigen Eigenanteil aufzubringen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele Kommunen und Gemeinden, in denen eine Haushaltsnotlage herrscht. Wir haben uns entschlossen, die Regelung in dieser Krise nicht generell zu lockern. Unsere Lösung ist folgende: Aus einem Fonds, den das Land einrichtet, werden gezielt Zuschüsse geleistet, damit der Eigenanteil aufgebracht werden kann. Ich glaube, das ist wichtig und der richtige Weg. ({14}) Bezüglich des Konjunkturpakets II, aus dem wir den Kommunen pauschal Gelder zur Verfügung stellen, haben wir mit den Kommunen in Gesprächen vereinbart, dass sie im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ebenso verfahren. Sie sollen für den Landkreis genau definieren, welche Gemeinde einen bestimmten Anteil, sagen wir einmal: 15 Prozent, leisten kann und welche sich nur 5 Prozent leisten kann. Das muss im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung bestimmt werden. In diesem Investitionspaket steckt für uns alle eine große Chance, diese Krise zu meistern und die Bundesländer langfristig zu stärken. Diese Chance wollen wir nutzen. Allerdings ist auch klar, dass das alles nur durch eine der größten Nettoneuverschuldungen überhaupt finanziert werden konnte. Deshalb ist es absolut richtig, dass wir eine Schuldenbremse eingeführt und den Schuldenabbau fest vereinbart haben. Dafür haben wir in der gestrigen Sitzung der Föderalismuskommission die Weichen gestellt. Es ist sehr zu begrüßen, dass das geklappt hat. Ich muss allerdings auch deutlich sagen: Wenn wir eine derart rigide Schuldenpolitik vereinbaren und im Grundgesetz festschreiben, dann müssen sich auch diejenigen, die immer über Steuersenkungen reden, klar darüber sein, dass Steuersenkungen auf Jahre ausgeschlossen sind. ({15}) Ich will noch zwei kritische Bemerkungen zum Schuldenabbau machen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir bei der Frage der Geber- und Nehmerländer nicht nur auf den Schuldenstand sehen, sondern auch die strukturelle Wirtschafts- und Finanzkraft etwas mehr berücksichtigen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Konsolidierungshilfen so gestaltet werden, dass sie einen Anreiz zur Konsolidierung für alle Länder bieten. Das ist nicht ganz so gelungen, wenn das für neun Jahre, also für lange Zeit festgeschrieben wird. Insgesamt ist es eine gute Lösung, die wir unbedingt brauchen. Das vorliegende Paket ist überzeugend. Ich möchte Sie bitten: Lassen Sie uns in Bund und Ländern gemeinsam daran arbeiten, dass es ein Erfolg wird und das Land weiter voranbringt. Vielen Dank. ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache darauf aufmerksam, dass in der Zwischenzeit auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan vorliegt. Sie dürfte inzwischen im Plenum verteilt sein. Ich bitte Sie, das in der Zwischenzeit zur Kenntnis zu nehmen. Das Wort erhält nun die Bundesministerin Frau Dr. Annette Schavan. ({0})

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Soziale Marktwirtschaft und Wohlstand für alle bedeuten heute, dass wir alles tun müssen, um allen Bürgerinnen und Bürgern Teilhabe zu ermöglichen. Weil Wohlstand für alle heute Teilnahmechancen für alle bedeutet, ist unser Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland mit unserer Überzeugung verbunden, dass es Investitionen in Bildung und Forschung sind, die Chancen für die Zukunft eröffnen. Sie tragen - Herr Kuhn hat eben die Frage gestellt: Was bedeutet Stärkung von sozialer Marktwirtschaft heute? - zu Weiterentwicklung und Erneuerung bei. Wohlstand für alle bedeutet heute Bildung für alle. Dieser Gesetzentwurf - Herr Sellering hat sich vor allem auf das Investitionsprogramm konzentriert, auch ich will das tun - macht deutlich, dass wir gerade jetzt dazu beitragen wollen, dass Deutschland nach der Überwindung dieser wirtschaftlich schwierigen Lage moderner, innovativer und zukunftsfähiger sein wird. Deshalb ist das Herzstück des Investitionsprogramms eine beispiellose Investition in Bildung und Forschung. Dafür stellen Bund und Länder in den Jahren 2009 und 2010 über 11 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist das größte Investitionsprogramm für Bildung, das es je in Deutschland gegeben hat. ({0}) Durch die Finanzmittel stützen wir das heimische Handwerk und den Handel, sichern Arbeitsplätze und erhöhen die Steuereinnahmen. Unser Grundsatz lautet: Wenn schon neue Schulden aufgenommen werden, dann sollen die Gelder vorrangig für solche Aufgaben ausgegeben werden, die der kommenden Generation unmittelbar zugute kommen. Damit sind die Sanierung und die Modernisierung von Gebäuden sowie die neue technische Ausstattung von Kindertagesstätten, Schulen, Weiterbildungseinrichtungen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbunden. Sie sind jetzt möglich. Dies ist nicht nur eine Investition in Beton, sondern auch eine Investition in die Modernisierung der Infrastruktur für Bildung und Forschung. Das ist das Herzstück. ({1}) Jetzt sind die Modernisierung von Chemielaboren und Physikräumen in den Schulen, die dringend notwendige Investition in IT-Ausstattung in unseren Bildungseinrichtungen, die Erneuerung von Fachräumen in beruflichen Schulzentren, die Verbesserung von Räumlichkeiten in den Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen kommunaler und gemeinnütziger Trägerschaft möglich. Ausdrücklich nenne ich auch die Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen freier Träger in Deutschland, die von diesem Programm profitieren werden. ({2}) Und - wir haben schon mehrfach darüber gesprochen, auch im Ausschuss -: Der erhebliche Sanierungsbedarf in den Forschungsmuseen kann ebenso angegangen werden wie dringend notwendige Campussanierungen der Helmholtz-Zentren bis hin zum Konzept „Green Campus“. Den Fraunhofer-Instituten wird es möglich sein, Erweiterungsbauten durchzuführen und neue Kooperationen mit der Wirtschaft einzugehen, etwa im Bereich der Bauphysik oder der therapeutischen Medizintechnik. Das sichert technologische Vorsprünge. Das sichert Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren, von den Bundesinvestitionen in Höhe von 4 Milliarden Euro stehen bis zu 500 Millionen Euro für die energetische Sanierung zur Verfügung. Damit leisten wir einen positiven, maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz. ({3}) Schließlich - auch das möchte ich betonen - hat die deutsche Automobilindustrie jetzt die einmalige Chance, den Einstieg in die Elektromobilität zu schaffen; das ist ein wichtiger Baustein des Investitionsprogramms, über den der Haushaltsausschuss noch weitere Informationen bekommen wird. Wir wollen die anwendungsorientierte Forschung im Bereich der Mobilität fördern, um die Marktfähigkeit alternativer Antriebstechnologien zu beschleunigen. Das ist ein klassisches Beispiel für das, worüber wir in den letzten Wochen mehrfach gesprochen haben. Neben allen Debatten über Steuersenkungen ist auch die Debatte über die Frage wichtig: Welche Schritte sind jetzt die richtigen, um zentralen Branchen, die in Schwierigkeiten geraten sind, Zukunftschancen zu eröffnen? Das ist Innovationsförderung - auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages sind an diesem Thema interessiert, weshalb sie sich hier näher informieren lassen. ({4}) Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dafür Sorge zu tragen bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität wird. Deshalb ist es wichtig, diese Möglichkeiten zu schaffen. Ich nenne auch den Ansatz der Forschungsförderung im Bereich des Mittelstandes. Hierzu gab es konkurrierende Ideen. Es gab den Vorschlag meines Hauses - ich persönlich halte ihn für sehr wichtig -, jetzt in steuerli22286 che Anreize für Forschung und Entwicklung einzusteigen. ({5}) Wir haben allerdings vereinbart, zunächst einen anderen Weg zu gehen. Die Ergebnisse müssen genau überprüft werden. Generell gilt aber: In einer wirtschaftlich schwierigen Lage müssen in den Bereichen Anreize geschaffen werden, in denen wir Innovationen fördern, in denen Chancen für die Zukunft eröffnet werden und in denen Raum für die Umsetzung neuer Ideen bei Forschung und Entwicklung geschaffen wird. Meine Damen und Herren, das Investitionsprogramm für Bildung und Forschung - ich wiederhole: es hat ein Volumen von mehr als 11 Milliarden Euro löst gemeinsam mit dem Hochschulpaket, der Exzellenzinitiative, dem Pakt für Forschung und Innovation, dem Ganztagsschulprogramm, der Qualifizierungsinitiative und der Hightech-Strategie - dies sind die Elemente unseres Zukunftsprogramms in dieser Legislaturperiode eine große Dynamik am Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland aus. Diese Dynamik am Bildungsund Forschungsstandort Deutschland ist die Voraussetzung dafür, dass trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation Brücken in die Zukunft gebaut werden können. Mit dem Investitionspakt von Bund und Ländern muss und wird ein Qualitätspakt einhergehen, wie wir ihn beim Bildungsgipfel in Dresden vereinbart haben. Denn es ist richtig: Die Bildungsinfrastruktur ist das eine, die Weiterentwicklung unseres Bildungssystems ist das andere. Es handelt sich um zwei Seiten derselben Medaille. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für neue Ideen, für bessere Bildung, für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und für die Internationalisierung unseres Wissenschafts- und Forschungssystems. Deshalb danke ich den Regierungsfraktionen ausdrücklich dafür, dass aus der Idee „100 000 Euro für jede Schule“ ein so überzeugendes und vielfältiges Investitionsprogramm für Bildung und Forschung geworden ist. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland mit diesem Investitionsprogramm stärker und attraktiver wird. Vielen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Alexander Bonde ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einlassungen der Bundesministerin für Bildung und Forschung brauchen eine Kommentierung. ({0}) Natürlich wissen wir alle, dass es Sinn macht, Schulen energetisch zu sanieren. Wer aber den großen Bildungsaufbruch verkünden will, muss auch erklären, wie vom energiesanierten Klassenzimmer Energie in den Unterricht kommen soll. Angesichts der Realität in unseren Schulen - Unterricht, der nicht stattfindet - macht es kaum einen Unterschied, ob das Klassenzimmer saniert ist oder nicht. ({1}) Sie haben heute wie gestern in der Föderalismuskommission - es hieß ja schon zum zweiten Mal, das sei nun die letzte Sitzung der Föderalismuskommission - die Chance verspielt, etwas für die Qualität des Unterrichts zu tun. Wieder beschränken Sie sich auf den Handwerker, der an der Schule baut, stecken aber nichts in die Köpfe, die in der Schule das bewirken müssen, was Sie hier angekündigt haben. ({2}) Auch beim Thema Bildungssoli passiert wenig. Ich will die knappe Zeit, die mir zur Verfügung steht, nutzen, um ein Thema anzusprechen, das der Bundesfinanzminister ausgespart hat: Wir verabschieden heute auch den Nachtragshaushalt für 2009. Erst wenige Wochen ist der Haushalt in Kraft, und schon muss nachgebessert werden. Angesichts des Lobes des Finanzministers für die Abwrackprämie stellt sich mir die Frage: Was macht eigentlich der Finanzminister mit den 2 500 Euro, die er sich, so abgewrackt wie dieser Haushalt ist, verdient hätte? ({3}) - Wenn Sie hier buhen, Kollege Kampeter, dann lassen Sie uns die Posten einmal durchgehen: Die Steuerschätzung, auf der der Nachtragshaushalt beruht, ist eine interne aus dem Haus des Ministers. Den Steuerschätzerkreis zu fragen, hat er sich nicht getraut. Es wird von Einnahmen ausgegangen, die mindestens 3 Milliarden Euro höher liegen als das, was wir erwarten dürfen. Daran sieht man, warum er lieber auf Leute zugreift, die er direkt beeinflussen kann. Für die Finanzierung des Arbeitslosengeldes II stellen Sie nicht mehr ein, als man gebraucht hat, um 2008, was ja ein gutes Jahr war, einigermaßen über die Runden zu kommen. Den dramatischen Einbruch der Konjunktur bilden Sie nicht ab. Auch hier blenden Sie Mehrkosten, die voraussichtlich mehr als 2 Milliarden Euro betragen werden, einfach aus. Dass Sie Kosten und neue Schulden vor der Bevölkerung verstecken, hat in diesem Haushalt System. Große Teile laufen in Schattenhaushalten. 16,7 Milliarden Euro von dem, was Sie uns hier als Konjunkturpaket verkünden, gehen direkt in ein Sondervermögen, schlagen sich also im Bundeshaushalt nicht nieder. Die Zahlen, die Sie gegenüber den Medien und in der Öffentlichkeit angeben - eine Neuverschuldung von 36 Milliarden Euro -, all das ist eine Fortsetzung von Tarnen, Tricksen und Täuschen. Nicht einmal in der Krise sind Sie bereit, Transparenz zu zeigen und die Zahlen auf den Tisch zu legen. ({4}) Auch bei dem zweiten Sondervermögen, bei dem für die Bankenrettung, verstecken Sie die relevante Neuverschuldung vor den Augen der Öffentlichkeit. Auch da Tarnen, Tricksen, Täuschen, keine Ehrlichkeit in der Krise, keine Transparenz im Haushalt. Wenn man all das addiert, was Sie entweder bewusst nicht in den Haushalt einstellen oder in Form von Sondervermögen vor den Augen der Öffentlichkeit verstecken, kommt man für dieses Jahr auf eine Neuverschuldung von 70 Milliarden Euro. Jetzt weilt Seine Verschuldetheit der Finanzminister nicht mehr auf der Regierungsbank. Schade; denn mit seinem Haushalt bricht er jeden Verschuldungsrekord, den es in der deutschen Nachkriegsgeschichte gegeben hat. Das Schlimme daran: Es ist ja nicht so, dass das alles nur auf die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise zurückzuführen wäre. Mit schuld sind nämlich lang angelegte Verschuldungsstrukturen, die diese Koalition zu verantworten hat. ({5}) Heute stellt sich wieder einmal heraus: Sie stecken das Geld, das Ihnen durch die Verschuldung zur Verfügung steht, nicht in eine kohärente Idee. Man kann nicht erkennen, dass diese Regierung eine Vorstellung hat, wie sie mit dieser Krise umgehen will. Es ist nicht erkennbar, dass sie in der Krise an Strukturen herangeht und so investiert, dass dieses Land nach der Krise fit ist. Eine Leitidee ist in diesem Sammelsurium von Maßnahmen, die Sie hier vorgestellt haben, wirklich nicht erkennbar. Sie trauen sich nicht, die Frage der Ökologisierung unserer Wirtschaft anzugehen. Sie glauben, dass das Hinterherwerfen von Geld in der Krise eine Delle auffüllen kann und man drübermarschiert. Aber ich sage Ihnen: Wenn sich unsere Wirtschaft nicht ökologisiert, wenn wir die Chance des Strukturwandels nicht ergreifen, dann geht es nach der Krise eben nicht einfach so weiter wie vorher. Das Schlimme an dieser Koalition ist: Sie merkt gar nicht, dass sich Zeiten ändern und dass sich Politik ändern muss. Mit Ihrem Konjunkturprogramm von gestern bereiten Sie nichts für morgen vor. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für die SPD-Fraktion. ({0})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Bonde, dass wir nicht bereit seien, uns auf veränderte Zeiten einzustellen, ist ein Vorwurf, den Sie weder der Bundesregierung noch der Großen Koalition machen können. ({0}) Die FDP hält uns vor, der Finanzminister hätte im September, Oktober, November Konjunkturprogramme ausgeschlossen. Richtig, das stimmt auch. Nur haben sich die Zeiten dramatisch geändert. Schauen Sie allein heute in die Nachrichten, die vom Wirtschaftseinbruch ({1}) und den EZB-Prognosen berichten. Die Krise ist weltweit spürbar. Die Einbrüche sind canyonartig tief. ({2}) Solch einen Einbruch von Nachfrage und Wachstumskräften habe ich mir persönlich nicht vorstellen können. Von daher ist die Alternative, nichts zu tun, meines Erachtens keine Alternative, die dieses Land weiterbringt. ({3}) Ein kurzer Blick nicht nur auf den Nachtragshaushalt 2009, sondern auch auf den Etat 2008, dessen Jahresabschluss wir am Mittwoch hatten. So gute Zahlen werden wir so bald nicht wieder sehen. 2008 hatten wir ein gesamtstaatliches Defizit von Null, Überschüsse in Kommunen und bei den Sozialversicherungen, bei den Ländern war es ausgeglichen, und im Bund gab es ein kleines Minus. Das müssen wir im Vergleich zu anderen Ländern, die damals schon ein viel deutlicheres Defizit hatten, sehen. Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen, die zeigen, welche Belastungen für die nächste Legislatur durch diese Krise entstehen werden. Herr Westerwelle, Sie haben ja heute sehr ordentlich chambriert mit dem Kollegen Guttenberg; ich weiß nicht, ob das vorgezogene Koalitionsverhandlungen waren. Aber die Vorstellung, man könne eine Steuerreform mit einer Nettoentlastung auf Pump machen, ist vorbei. ({4}) Das können Sie vergessen. Diese Möglichkeit besteht nicht. ({5}) Von daher sollten wir uns auch sehr genau ansehen, was in anderen Ländern gemacht wird. Die USA legen ein Konjunkturprogramm in einem Umfang von 789 Milliarden Dollar auf. Frankreich kündigt 26 Milliarden Euro an, China 1,5 Billionen Euro, Japan 380 Milliarden Euro. Die Defizite im Ausland: USA 8,5, Großbritannien 8,8, Spanien 6,2, Irland 11 Prozent. Wir gehen mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro an den Start. Das heißt in etwa, zusammen mit dem ersten Programm: 1,75 Prozent Wachstumskraftstärkung auf zwei Seiten, kurzfristig Nachfrageerhöhung, Kinderbonus in Höhe von 100 Euro, Senkung der Krankenkassenbeiträge ({6}) und zum Teil auch eine Entlastung im Steuertarif bei den unteren Einkommensgruppen. Das wird kurzfristig wirken. Dazu kommt die Abwrackprämie. Herr Carsten Schneider ({7}) Westerwelle, ich war doch einigermaßen irritiert, dass Sie - ich weiß nicht, ob das nur mein Eindruck war - dafür plädiert haben: Deutsche, kauft deutsche Autos! Das ist schon eine Art von Protektionismus. ({8}) - Das ist Protektionismus, Herr Westerwelle. Das ist die Buy-American-Klausel auf Deutsch. ({9}) Würden wir als exportorientierte Nation, als Exportweltmeister, vorangehen und eine rein deutsche Wirtschaftspolitik machen im dem Sinne, dass nur noch deutsche Produkte gekauft werden sollen, ({10}) wären wir doch die größten Verlierer einer solchen Tendenz. Ich bin froh, dass der Bundesfinanzminister hier wirtschaftspolitischen Sachverstand hat walten lassen. ({11}) Es ist ja wie mit den Wirtschaftsmeldungen und Prognosen. In den Umfragen lagen Sie gestern noch bei 18 Prozent, heute liegen Sie bei 12 Prozent. Das geht ja hin und her. Man sollte das alles nicht so ernst nehmen. Es wäre besser, wenn Sie an dieser Stelle eine klare Linie verfolgen würden. ({12}) - Herr Westerwelle, Sie fragen, wo wir stehen. Wir stehen auf dem Boden der Tatsachen. Wir sind vor Ihnen und werden das natürlich auch bleiben. ({13}) Über dieses Programm haben einige Kollegen gesagt - zum Beispiel Herr Kuhn -, dass das noch gar nicht wirkt. Das wird heute erst beschlossen. Es kann ja noch gar nicht wirken. Durch die sozialdemokratische Handschrift, die dieses Programm trägt, wird es eine entsprechende Wirkung haben. ({14}) Mit unserer Handschrift machen wir insbesondere klar, dass wir erstens daran glauben, die Wirtschaftskraft des Bürgers, mit der er zum Wachstum beiträgt, stärken zu müssen, indem ihm mehr Netto in der Tasche belassen wird. Zweitens müssen wir, weil wir an dieses Land glauben, vor allen Dingen die Infrastruktur dieses Landes stärken. Dies ist auch für ein zukünftiges Wachstum in diesem Land eine Grundvoraussetzung. ({15}) Deswegen werden allein vom Bund 10 Milliarden Euro für die kommunale Infrastruktur bereitgestellt. In der zweiten Jahreshälfte die öffentlichen Investitionen vorzuziehen und voranzubringen, ist im Übrigen auch das, was uns nicht nur der Präsident der Bundesbank, sondern auch alle anderen halbwegs glaubwürdigen Sachverständigen empfohlen haben. Das geht natürlich nur noch im kommunalen Bereich, weil hier der höchste Bedarf besteht. Wir als Bund haben im Rahmen des Konjunkturprogramms I fast 3 Milliarden Euro für öffentliche Bauten und die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt und damit schon die wichtigsten Schritte getan. Dazu kommen jetzt zusätzliche Maßnahmen im Umfang von 4 Milliarden Euro Bundesinvestitionen. Mehr können wir als Bund leider nicht unmittelbar investieren, weil wir nicht mehr haben. Deswegen ist das ein klares Bekenntnis der Solidarität des Deutschen Bundestages mit den kommunalen Vertretern vor Ort. Das wird sich auch auszahlen. ({16}) Herr Bonde, natürlich können wir nicht die Lehrer an den Schulen bezahlen, aber eine Sanierung bzw. ein Neubau von Schulen und Kindergärten - wir investieren dort 65 Prozent dieser 10 Milliarden Euro - ist ein klares Zeichen dafür, dass wir dies als Priorität ansehen und als das Zukunftsthema Nummer eins auf die Agenda setzen. ({17}) Ich erwarte natürlich, dass diese Maßnahmen in dem Bereich, in dem die Länderverantwortung originär ist, nämlich im Bildungsbereich, inhaltlich und personell mit einer entsprechenden Ausstattung nachvollzogen werden. Herr zu Guttenberg hat heute sehr stark auf ordnungspolitische Grundsätze hingewiesen und seine Leitlinien markiert. Das war in den letzten Wochen vom Wirtschaftsministerium nicht immer so zu hören. Im Hinblick auf die Bürgschaften und Kredite im Umfang von 100 Milliarden Euro habe ich insbesondere wahrgenommen, dass jedem, der anfragt, geholfen wird, indem er Bürgschaften und Kredite erhält. Wir müssen sehr genau abwägen. Die Bürgschaften bedeuten, dass der Bund für mögliche Ausfälle einstehen muss. 100 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Von daher haben wir uns als Haushaltsausschuss des Parlaments vorbehalten, vor jeder Gewährung eines Kredits oder einer Bürgschaft mit einem Volumen von über 300 Millionen Euro gehört zu werden, sodass wir darüber informiert werden; denn erstens darf es nicht passieren, dass es hier zu einer deutlichen Marktverzerrung kommt, und zweitens ist in einem solchen Fall und in dieser ausgesprochen einmaligen Situation, in der viele Grundsätze natürlich schön und gut sind, aber an das tägliche Handeln angepasst werden müssen, eine größtmögliche Transparenz nötig. Ich will nicht zurück in den Sozialismus, aus dem ich einmal gekommen bin, indem wir jedes Unternehmen übernehmen und verstaatlichen, weil wir denken, dass wir das besser machen können. Herr Lafontaine, das können wir nicht. Ich glaube, das ist eindeutig gezeigt und bewiesen worden. Carsten Schneider ({18}) Wenn wir dort ins Obligo gehen und vor allen Dingen für Arbeitsplätze eintreten - um die geht es uns ja vor allen Dingen; es geht uns nicht, um das Beispiel Schaeffler aufzugreifen, um die Milliarden der Frau Schaeffler, sondern um die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer vor Ort und um die Wirtschaftskraft, die dort entsteht -, dann muss das sehr wohl abgewogen werden. Das darf nicht zu einem Wettlauf führen, sodass Markteingriffe vorgenommen werden, die letztendlich dazu führen, dass wir als Steuerzahler Risiken übernehmen, die nicht tragbar sind. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. ({19}) Ich möchte noch kurz einige Sätze zu dem Investitionsprogramm verlieren. Insbesondere im kommunalen Bereich gibt es die Sorge, dass die Investitionen des Bundes in den Kommunen auch wirklich zusätzliche Investitionen sind und nicht die Ausgaben der Kommunen durch Bundesausgaben ersetzt werden. Wir müssen sehr genau auf den Referenzzeitraum schauen. Ich erwarte eine Lösung in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium und der kommunalen Seite, damit diese nicht überfordert wird. Es muss aber auch klar gemacht werden, dass wir eine volkswirtschaftliche Wirkung erzielen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir mit den Änderungen, die wir im parlamentarischen Verfahren noch vorgenommen haben - dieses Programm ist zwar wohlbedacht, aber doch sehr schnell entschieden worden; außerdem sind einige Sperren eingeführt worden, um diese Programme genauer zu untersetzen -, nicht nur auf dem richtigen Weg sind, sondern dass wir auch bei aller Unwägbarkeit, die es aktuell natürlich aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der besonderen Verhältnisse gibt, mit unseren Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage, zur Stärkung insbesondere der unteren Einkommen und zur Erhöhung der öffentlichen Investitionen letztlich eine Stärkung des Staates als Garant für wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit erreichen. Mich verwundert es, dass die Opposition dem nicht folgen wird. Ich hoffe, dass wir eine Zustimmung der Länder, die maßgeblich von dem Programm profitieren, im Bundesrat erreichen. Alles andere würde mich nicht nur schwer enttäuschen, sondern auch in meiner politischen Erfahrung eines Besseren belehren. Ich glaube, dass die gestern vereinbarte Schuldenbremse für die öffentlichen Finanzen ein Grundpfeiler für das staatliche Handeln in schlechten Zeiten ist. Das geht nur, wenn man in guten Zeiten anspart. Das ist in der Vergangenheit aber immer vergessen worden. Herr Kollege Bonde, deshalb haben wir einen Tilgungsfonds eingerichtet, sodass diese Maßnahmen des Konjunkturprogramms nicht einfach zulasten der Bundesschuld gehen, sondern dass diese klar abrechenbar sind und dass die politische Verantwortlichkeit klar ist. Außerdem ist eine Regelung vorgesehen, wonach dieses Geld in guten Zeiten zurückgezahlt wird, genauso wie es beim Erblastentilgungsfond in Höhe von fast 80 Milliarden Euro der Fall gewesen ist, Herr Kollege Fricke. Wir reden heute über 16 Milliarden Euro. Ich bin mir sicher, dass wir - wenn nicht in der nächsten Legislaturperiode, dann aber in einem überschaubaren Zeitraum diese Schulden tilgen können. Vielen Dank. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Peter Götz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000705, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland befindet sich wie viele andere Länder in einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir sind in einer Dimension betroffen, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hat. Unser Land steckt tief in der Rezession. Um den Einbruch der Wirtschaft abzufedern, wurden richtige Maßnahmen getroffen, die zum Teil bereits wirken. Herr Kuhn, wenn in dieser Krise Deutschland aus der Sicht ausländischer Investoren zum attraktivsten Standort gemacht wird und im Standortranking ganz vorn steht, so kann die bisherige Politik dieser Bundesregierung so falsch nicht gewesen sein. Wir werden die weltweite Rezession mit unseren nationalen Entscheidungen nicht verhindern. Der Staat kann und muss aber die Rezession dämpfen, damit die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft greifen. Über einzelne Rezepte kann man kräftig streiten. Es ist auf jeden Fall richtig und konsequent, mit einem Bündel von Maßnahmen gegenzusteuern. Dazu gehören in einer solch schwierigen Situation auch zusätzliche Bauinvestitionen der öffentlichen Hand. Die Frage, die wir uns stellen müssen und mussten, lautet: Wie schaffen wir es, schnell sinnvolle Investitionen auf den Weg zu bringen? In den Schubladen der Rathäuser liegen viele fertige Pläne. Sie warten darauf, umgesetzt zu werden. Deshalb setzen wir genau an dieser Stelle an. ({0}) Allein im kommunalen Bereich gibt es einen Investitionsstau in einer Größenordnung von 700 Milliarden Euro für die nächsten zwölf Jahre, der abgearbeitet werden muss. Mit 10 Milliarden Euro des Bundes zuzüglich 3,3 Milliarden Euro der Länder - also insgesamt 13,3 Milliarden Euro - wird für das Jahr 2009 und das Jahr 2010 ein Schwerpunkt für Zukunftsinvestitionen der Kommunen und der Länder gebildet, der sich in einer solchen Dimension wirklich sehen lassen kann. Mindestens 70 Prozent des Gesamtvolumens sind zur Finanzierung kommunaler Investitionen einzusetzen. Bis zu 30 Prozent können die Länder für ihre eigenen Vorhaben verwenden. Dieses Investitionsprogramm hat das Ziel, vor allem Innovationen, Bildung und Infrastruktur zu fördern, da22290 mit wir gestärkt aus der Krise, in der wir uns befinden, herauskommen. Um es klar und deutlich zu sagen: Es ist kein Rettungspaket für Länderfinanzen oder für klamme kommunale Haushalte. ({1}) Es ist auch nicht das Ziel, dass konjunkturell bedingte neue Haushaltslöcher durch Bundesmittel gestopft werden sollen. Es ist den Ländern übrigens auch gestattet, ihren Kommunen mehr als 70 Prozent der Mittel zuzuweisen. So wollen Nordrhein-Westfalen 84 Prozent, ({2}) Sachsen 80 Prozent und das Saarland 75 Prozent der Mittel an die Kommunen weiterleiten. Die Kommunen sind am besten in der Lage, bedarfsgerecht zu entscheiden, welche Schulen oder Kindertagesstätten zusätzlich zu den ohnehin geplanten Investitionen schnell in Angriff genommen werden können. ({3}) Wichtig ist uns dabei, dass auch finanzschwache Kommunen mitmachen können. Denn gerade dort ist der Investitionsstau besonders groß. Oft ist die Arbeitsmarktsituation in finanzschwachen Kommunen besonders schwierig. Entscheidend ist, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam der Wirtschaft einen kräftigen Impuls geben. Daneben bietet das Investitionspaket auch die Chance, den Menschen mit kommunalen Investitionen Hoffnung zu geben. Die Menschen in den Städten und Gemeinden werden merken, dass in ihrem Umfeld trotz der großen Krise eine neue Aufbruchstimmung und bessere Lebensbedingungen entstehen. Wenn Einrichtungen der Kinderbetreuung in Ordnung gebracht, Schulen und Krankenhäuser energetisch saniert werden und in kommunale Infrastruktur wie Kliniken investiert wird, dann sichert dies Arbeitsplätze im heimischen Handwerk, ist gut für Umwelt und Klima, verbessert die Wirtschaftlichkeit kommunaler Einrichtungen, schafft bleibende Werte und stärkt nachhaltig den Wirtschaftsstandort Deutschland. Auch der dringend notwendige Ausbau der Informations- und Breitbandtechnologie macht unser Land zukunftsfähig. Gerade auf dem Gebiet des schnellen Internets besteht vor allem im ländlichen Raum dringender Handlungsbedarf. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit ihrer Informationsstrategie auf dem Gebiet des schnellen Internets voraussichtlich nächste Woche ein Ergebnis vorlegen wird. ({4}) Eine gute Infrastruktur ist die Grundlage für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Noch nie hat der Bund so viel Geld in so kurzer Zeit den Kommunen als Investitionshilfe angeboten. Viele Länder haben bereits mit den Kommunen vereinbart, nach welchen Schlüsseln die Mittel verteilt werden. Es liegt nun in der Hand der Länder, dieses einmalige große kommunale Investitionspaket bedarfsgerecht, schnell und vor allem unbürokratisch umzusetzen. Um die gewünschte Wirkung für die Konjunktur und damit für die Bürger, die Wirtschaft und die Kommunen zu erzielen, gilt: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Wir wollen, dass die Schulen und Kindergärten zügig renoviert und energetisch auf Vordermann gebracht werden. ({5}) Deshalb haben wir die Vergabebedingungen gelockert. Auf zwei Jahre befristet hat der Bund die Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen auf 1 Million Euro und für freihändige Vergaben auf 100 000 Euro angehoben. Wir empfehlen dringend, diese Lockerungen auf die kommunale Ebene auszudehnen, damit auf den Bauämtern lange Staus bei der Vergabe vermieden werden. Heute verabschieden wir ein Mammutpaket. Wenn wir uns nicht in kleinstaatlicher Kirchturmpolitik verhaspeln, dann kann es zu einer einmaligen Erfolgsgeschichte für unser Land, die Städte, Gemeinden und Kreise, vor allem aber auch für die Bürgerinnen und Bürger werden. ({6}) Wir brauchen dazu den Schulterschluss aller politischen Ebenen. Dann werden wir stärker aus der Krise herauskommen, als wir hineingegangen sind. Das ist anstrengend, aber es lohnt sich. Herzlichen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als Nächster spricht der Kollege Steffen Kampeter für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will an diesem Punkt der Debatte den Wortbeitrag des Bundesfinanzministers zur Bankenaufsicht aufgreifen. Wir in der Union sind der Auffassung: Wir brauchen eine Veränderung in der Bankenaufsicht. ({0}) In den vergangenen zehn Jahren ist nicht alles in der Bankenaufsicht optimal gelaufen. ({1}) Vieles, über das wir heute reden, hätte bei einer vernünftigeren und vor allen Dingen bei einer geschlossen, einheitlich agierenden Bankenaufsicht sicherlich nicht so passieren können. Deswegen sind wir von der Union gemeinsam mit weiten Teilen dieses Hauses für eine orgaSteffen Kampeter nisatorische Zusammenfassung der Bankenaufsicht unter dem Dach der Deutschen Bundesbank. ({2}) Der Bundesfinanzminister hat betont, er denke immer noch darüber nach, wie er das machen werde. Ich finde, es ist langsam Zeit. Wir müssen die Sache so hinbekommen, dass wir die Banken beaufsichtigen und effektiv kontrollieren. Den Parteienstreit über die Effektivierung der Bankenaufsicht sollten wir schnell und rasch zu einem Ende führen. ({3}) Ich will aber auch versöhnlich gegenüber dem Bundesfinanzminister sein. Ich kann garantieren, dass wir ihn sehr viel anständiger behandeln werden, wenn er aus dem Amt scheidet, als er heute über Michael Glos gesprochen hat. ({4}) Das war nicht nur kleinkariert, sondern auch unangemessen. Das sollte für den Umgang von Kabinettsmitgliedern nicht stilbildend sein, weder von aktuellen noch von zukünftigen. Eine weitere Anmerkung. Wir verkünden heute ein Stück weit die Erfolge bzw. die gewünschten Erfolge unseres Konjunkturprogramms. Aber die zusätzlichen Schulden, die wir in einer Größenordnung von etwa 50 Milliarden Euro heute festschreiben, haben auch ihren Preis. Deswegen will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Schuldenbremse, auf die sich Bund und Länder gestern geeinigt haben, ganz besonders wichtig und ein integraler Bestandteil dieses schuldenfinanzierten Konjunkturprogramms ist. ({5}) Man darf nicht nur über die Wohltaten reden, die man verkündet, sondern man muss auch deutlich machen, dass wir eine Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen haben und dass diese Verantwortung nun einen grundgesetzlichen Charakter bekommt. Das ist wichtig und eine notwendige Ergänzung zu dem expansiven Impuls. Ich möchte all denjenigen, die in der Föderalismusreformkommission mitgearbeitet haben - stellvertretend nenne ich namentlich unsere Sprecherin, die Kollegin Tillmann -, herzlich danken. Man braucht für das Bohren dicker Bretter viel Zeit. Hier handelt es sich um einen klugen Erfolg. Dem zolle ich sehr viel Respekt. ({6}) Der Bundeswirtschaftsminister hat in seiner klaren und ordnungspolitisch strukturierten Rede unter anderem zur Steuerpolitik Stellung genommen. Wir von der Union wissen um die Sorgen und Nöte derjenigen, die in diesem Land Einkommensteuer zahlen, die morgens aufstehen, den ganzen Tag arbeiten und abends vielleicht nicht früh ins Bett kommen. Sie werden insbesondere im mittleren Einkommensbereich belastet. Es ist unser Anliegen - im Verbund mit strikter Haushaltskonsolidierung und der Umsetzung der Schuldenbremse -, in der nächsten Legislaturperiode alle Entlastungsmöglichkeiten und vor allen Dingen die Vereinfachungsoptionen im deutschen Steuerrecht zu mobilisieren, die die Leistungsträger im mittleren Bereich unserer Gesellschaft nach vorne bringen und sie motivieren, wieder etwas zu leisten. Das ist das Anliegen der Union. ({7}) Ich will deutlich machen: Wir hätten in der Steuerpolitik mehr machen können, wenn die SPD nicht so auf der Bremse gestanden hätte. ({8}) Es wundert mich schon, dass der Bundesfinanzminister, nachdem er Steuersenkungen abgelehnt hat, in dieser Woche als stellvertretender Parteivorsitzender der SPD ebensolche gefordert hat. Wir wären bereit gewesen, beispielsweise in Sachen Pendlerpauschale mehr zu machen. Das ist auf den erbitterten Widerstand des Bundesfinanzministers gestoßen. Ich finde, man sollte hier so handeln, wie man auch in der Öffentlichkeit redet. Das macht Glaubwürdigkeit in der Politik aus. ({9}) Im Zusammenhang mit dem Sachverhalt, dass wir hier eine schwierige Zeit haben, will ich auf einige Punkte eingehen, die wir im Haushaltsausschuss am Konjunkturprogramm präzisiert haben. Ein Punkt betrifft das enorme zusätzliche Bürgschaftsvolumen. Wir haben analog zu dem Bereich, den wir bei der SoFFin haben, jetzt auch einen Lenkungsausschuss für Bürgschaften von der Bundesregierung eingefordert. Wir wollen damit zweierlei erreichen: erstens eine rasche Umsetzung der notwendigen Bürgschaftsentscheidungen in der Exekutive. Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Da, wo Not am Mann oder an der Frau in der Firma ist, soll geholfen werden. Zweitens: eine klare parlamentarische Kontrolle in diesem Bereich. Es muss deutlich werden: In der sozialen Marktwirtschaft kann der Staat dort helfen, wo es notwendig ist. Aber er ist kein Reparaturbetrieb für unternehmerisches Versagen. Deswegen gibt es Begrenzungen dessen, was der Staat mit Bürgschaften in dieser sozialen Marktwirtschaft leisten kann. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kampeter, Herr Koppelin möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. - Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wir haben das Zusätzlichkeitskriterium in dem Investitionsprogramm für die Kommunen definiert. Dieses Zusätzlichkeitskriterium soll deutlich machen: Es handelt sich bei dem Angebot an die Kommunen nicht um ein Umschuldungsprogramm zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, sondern wir alle stehen zu unserer staatspolitischen Verantwortung. Der Bund hält seine Investi22292 tionen und legt zusätzlich noch etwas drauf. Wir erwarten von den anderen Gebietskörperschaftsebenen genau das Gleiche: das Niveau der Investitionen nicht nur beibehalten, sondern im Rahmen des zusätzlichen Impulsprogramms steigern. Zusätzliche Investitionen sind konjunkturpolitisch sinnvoll, notwendig und geboten. Deswegen war es richtig, diese Veränderung und Präzisierung in diesem Programm vorzunehmen. ({0}) Insgesamt machte ich keinen Hehl daraus, dass wir Haushälter uns gewünscht hätten, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode nicht einen Haushalt mit einer solchen Nettokreditaufnahme vorgelegt hätten. Es bleibt in der Abwägung aller politischen und haushaltspolitischen Aspekte allerdings richtig, dass wir im Verbund mit unseren europäischen Partnern und im transatlantischen Verbund dieses politische Signal setzen. Es bleibt aber auch richtig, dass wir den nachfolgenden Generationen sagen: Mit der Einführung der Schuldenbremse werden wir das, was wir jetzt an zusätzlichen Schulden machen, wieder ausgleichen. Wir bleiben verantwortungsbewusst, nicht nur heute, sondern perspektivisch auch für die nachfolgenden Generationen. Danke schön. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Patricia Lips hat jetzt für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Patricia Lips (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Mittelpunkt der heutigen Debatte stehen Maßnahmen, die zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland beitragen sollen. Auch ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig jede einzelne Maßnahme ist. Diese Maßnahmen sind für die Kommunen, die Familien, die Betriebe und für die Menschen in diesem Land insgesamt in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Aber gestatten Sie mir, dass ich gegen Ende der heutigen Debatte ein Thema in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücke, das heute bisher eher am Rande Erwähnung fand, aber - lassen Sie mich das sagen - in den vergangenen Wochen die Öffentlichkeit doch sehr stark beherrschte. Es geht um die Neuregelung der KfzSteuer. Sie war bereits deutlich vor der Krise Bestandteil des Koalitionsvertrages. Sie muss aber im Zusammenhang mit dem heute zu beschließenden Konjunkturpaket diskutiert werden. Wir wollen den Menschen auch in diesem Bereich Planungssicherheit geben. ({0}) Es wird deutlich - und dies ist das Besondere -, dass im Gegensatz zu nahezu allen anderen Punkten des Konjunkturprogramms diese Neuregelung auf eine über die Krise hinausgehende Zukunft angelegt ist. Ich will grob das Wichtigste noch einmal aufzeigen: Alle zahlen ab dem 1. Juli dieses Jahres einen Sockelbetrag, der sich nach dem Hubraum bemisst und dessen Höhe je nach Antriebsart gestaltet ist. Darauf setzt die CO2-Komponente auf. Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid - das eigentliche Kernstück - wird für die weitere Berechnung zugrunde gelegt, ohne dass es Grenzen nach oben gibt. Gleich mehrere Ziele werden mit diesem Gesetz verfolgt. Erstens. Es soll der Umwelt stärker gerecht werden als bisher. Zweitens. Es soll bereits beim Kauf eine Lenkungswirkung hin zu sparsameren Pkw erzielen. Drittens. Es sollen damit auch bei der Industrie entsprechende Impulse zur Entwicklung sparsamerer Motoren gesetzt werden. Viertens. Es soll natürlich auch das bisherige Steueraufkommen - wir haben es eben gehört - in Zeiten wie diesen zumindest annähernd stabil bleiben. Lassen Sie mich aber noch einen Punkt nennen, den wir bei unserer Bewertung keinesfalls vergessen dürfen. Gestatten Sie mir, dass ich etwas sage, was bei aller Diskussion um Sockelbeträge und Schadstoffhöhen in meinen Augen bei diesem Thema immer wieder zu kurz kam: In Deutschland stehen zurzeit wie anderenorts viele Tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel, gerade in dieser Branche. Dabei spreche ich bei weitem nicht allein von den namhaften Zentren und Marken, sondern vor allem von den vielen kleinen und mittleren Zulieferern in diesem Bereich. Das gilt für den Kleinwagen ebenso wie für die Premiumklasse. Uns geht es um den Erhalt dieser Arbeitsplätze in allen Regionen. ({1}) Wir stehen nicht für Protektionismus, den manch ein europäischer Nachbar zurzeit betreibt. Wir haben dies heute Morgen bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht. Wir sollten aber gerade deshalb aufpassen, dass wir im Übereifer von Forderungen nach Regelungen und Zielen am Ende nicht selbst eigene Arbeitsplätze gefährden, schon gar nicht jetzt und heute. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht staatstragend morgens vor den Kameras den Protektionismus geißeln, um ebendiesen dann hier populistisch einzufordern. ({2}) Man kann sich sicherlich bei allen Maßnahmen, die heute Morgen besprochen wurden, immer ein Mehr wünschen. Man kann sich auch einen anderen Weg der Umsetzung wünschen. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass wir vor dem Hintergrund des Gesagten, wenn man alle Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket zusammennimmt, heute einen guten, einen wichtigen und einen richtigen Schritt gehen. Lassen Sie uns dieses Paket kraftvoll beschließen, um der Krise wirkungsvoll entgegenzutreten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe die Aussprache. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland. Nach § 31 unserer Geschäftsordnung liegen drei Er- klärungen der Kollegin Silvia Schmidt und der Kollegen Klaus-Peter Willsch und Dr. Axel Berg vor.1) Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Be- schlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11801 und 16/11825, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD auf Drucksache 16/11740 in der Aus- schussfassung anzunehmen. Hierzu liegen zwei Ände- rungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wir beginnen mit dem Änderungsan- trag auf Drucksache 16/11926, zu dem die Fraktion Die Linke namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzu- nehmen. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat, das aber tun möchte? - Das kann ich nicht erkennen. Dann schließe ich die Abstim- mung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Da wir drei weitere Abstimmungen über Änderungs- anträge der Fraktion Die Linke durchführen möchten, wäre es gut, wenn sich die Pulke nach Fraktionen sortie- 1) Anlagen 2 bis 4 ren könnten, sodass ich sehen kann, wer wie abstimmen möchte. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag auf Drucksache 16/11924. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion und gegen die Stimmen des Restes des Hauses abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 16/11925: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Ergebnis wie vorher abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 16/11927: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Damit ist auch dieser Änderungsantrag bei Zustimmung durch die Fraktion Die Linke und gegen die Stimmen des Restes des Hauses abgelehnt. Jetzt unterbreche ich die Sitzung bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke - Drucksache 16/11926 - zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland bekannt: Abgegeben wurden 558 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 94, mit Nein haben gestimmt 463. Es gab 1 Enthaltung. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 558; davon ja: 94 nein: 463 enthalten: 1 Ja DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Petra Pau Elke Reinke Paul Schäfer ({0}) Volker Schneider ({1}) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({2}) Cornelia Behm Birgitt Bender Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({3}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({4}) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Kerstin Müller ({5}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({6}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Dr. Gerhard Schick Grietje Staffelt Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Wolfgang Wieland fraktionslos Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({7}) Veronika Bellmann Otto Bernhardt Clemens Binninger Renate Blank Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({8}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({9}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({10}) Dirk Fischer ({11}) Axel E. Fischer ({12}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({13}) Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Andreas Jung ({14}) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({15}) Volker Kauder Jürgen Klimke Jens Koeppen Kristina Köhler ({16}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({17}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({18}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({19}) Stefan Müller ({20}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({21}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({22}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({23}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({24}) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({25}) Ingo Schmitt ({26}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({27}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({28}) Gerald Weiß ({29}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({30}) Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({31}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({32}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({33}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Siegmund Ehrmann Hans Eichel Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Renate Gradistanac Angelika Graf ({34}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({35}) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({36}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({37}) Frank Hofmann ({38}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({39}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Waltraud Lehn Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({40}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({41}) Michael Müller ({42}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({43}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({44}) Michael Roth ({45}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({46}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({47}) Bernd Scheelen Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({48}) Silvia Schmidt ({49}) Renate Schmidt ({50}) Heinz Schmitt ({51}) Carsten Schneider ({52}) Olaf Scholz Swen Schulz ({53}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({54}) Dr. Rainer Wend Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg ({55}) Heidi Wright Uta Zapf Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Christian Ahrendt Daniel Bahr ({56}) Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({57}) Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({58}) Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({59}) Markus Löning Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({60}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({61}) Enthalten SPD Ottmar Schreiner Jetzt bitte ich diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Ablehnung durch die Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben, und die anderen, sich zu setzen. - Die Gegenstimmen! Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in der dritten Beratung bei Zustimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die Opposition angenommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11954? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag gegen die Stimmen der einbringenden Fraktion mit den Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11952? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und mit den Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11951? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen, bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und mit den Stimmen des Hauses im Übrigen ebenfalls abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11900 und 16/11931, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD auf Drucksache 16/11741 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Zustimmung des gesamten Hauses angenommen. Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD namentlich ab. Ich weise darauf hin, dass zur Annahme des Gesetzentwurfes die Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich ist, also mindestens 408 Stimmen. Jetzt bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung. Mein Eindruck ist, dass alle Mitglieder des Hauses, die das wollten, ihre Stimme abgegeben haben. Gibt es noch jemanden, der das nicht getan hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später mitgeteilt. Wir kommen jetzt zu weiteren Abstimmungen, zunächst über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer und Änderung anderer Gesetze. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 16/11900 und 16/11931, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD auf Drucksache 16/11742 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen mit dem Titel „Klimaschutz im Verkehr Kfz-Steuer schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen“. Der Ausschuss empfiehlt hier unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 16/11900 und 16/11931, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch Koalition und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Mit mehr Gerechtigkeit die Krise überwinden“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11895 und 16/11932, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11746 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalition und die Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Großbanken vergesellschaften“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11896 und 16/11933, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11747 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalition, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Schulden des Bundes durch das Konjunkturpaket II vollständig im Bundeshaushalt etatisieren - Kein Sondervermögen Investitions- und Tilgungsfonds“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11922, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11743 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalition, bei Gegenstimmen der Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Konjunkturprogramm gegen die drohende Wirtschaftskrise“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11646, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/10619 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen und bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11646 empfiehlt der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11023 mit dem Titel „Nachhaltig investieren in Klima, Bildung, soziale Gerechtigkeit“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalition und die FDP und bei Gegenstimmen vom Bündnis 90/Die Grünen und von der Linken angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Gerechtigkeit und Chancen statt Ausgrenzung und Armut“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11899, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11755 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP und bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/11877 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Damit sind Sie offensichtlich einverstanden? - Dann ist das so beschlossen. Jetzt komme ich zur Bekanntgabe des von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisses der namentlichen Abstimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, Art. 106, 106 b, 107 und 108: Abgegeben wurden 562 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 562 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein keiner und keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 562; davon ja: 562 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({62}) Veronika Bellmann Otto Bernhardt Clemens Binninger Renate Blank Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({63}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({64}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({65}) Dirk Fischer ({66}) Axel E. Fischer ({67}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({68}) Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({69}) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({70}) Volker Kauder Jürgen Klimke Jens Koeppen Kristina Köhler ({71}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({72}) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({73}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({74}) Stefan Müller ({75}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({76}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({77}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({78}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({79}) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({80}) Ingo Schmitt ({81}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({82}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({83}) Gerald Weiß ({84}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({85}) Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({86}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({87}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({88}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Renate Gradistanac Angelika Graf ({89}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({90}) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({91}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({92}) Frank Hofmann ({93}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({94}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Waltraud Lehn Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({95}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({96}) Michael Müller ({97}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({98}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({99}) Michael Roth ({100}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({101}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({102}) Bernd Scheelen Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({103}) Silvia Schmidt ({104}) Renate Schmidt ({105}) Heinz Schmitt ({106}) Carsten Schneider ({107}) Olaf Scholz Swen Schulz ({108}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({109}) Dr. Rainer Wend Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg ({110}) Heidi Wright Uta Zapf Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Christian Ahrendt Daniel Bahr ({111}) Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({112}) Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({113}) Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({114}) Markus Löning Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({115}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({116}) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Petra Pau Elke Reinke Paul Schäfer ({117}) Volker Schneider ({118}) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({119}) Cornelia Behm Birgitt Bender Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({120}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({121}) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller ({122}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({123}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Grietje Staffelt Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Wolfgang Wieland fraktionslos Gert Winkelmeier ({124}) Nachdem die Stellungnahme des Bundesrates zwischenzeitlich verteilt worden ist, rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 26 b auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2009 ({125}) - Drucksachen 16/11700, 16/11701 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({126}) - Drucksachen 16/11800, 16/11921 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({127}) Dr. Gesine Lötzsch Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Daher kommen wir gleich zur Abstimmung. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetz- entwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung anzunehmen, Drucksachen 16/11700, 16/11701, 16/11800 und 16/11921. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zu- stimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz- entwurf zustimmen wollen, bitte ich, jetzt aufzustehen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetz- entwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmen- verhältnis wie zuvor angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs- antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11923. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegen- stimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschlie- ßungsantrag bei Zustimmung durch die Fraktionen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen und bei Ableh- nung der übrigen Fraktionen abgelehnt. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a und b auf: 27 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Verbraucherpolitischer Bericht 2008 - Drucksache 16/9163 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({128}) Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ESL-Milch verbindlich kennzeichnen - Drucksache 16/11881 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({129}) Ausschuss für Gesundheit Zu dem Bericht der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Mit der Eröffnung der Aussprache bitte ich als erste Rednerin die Bundesministerin Ilse Aigner zu Wort. ({130})

Ilse Aigner (Minister:in)

Politiker ID: 11003028

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute den Verbraucherpolitischen Bericht 2008, der alle etwa 80 Millionen Einwohner, Bürgerinnen und Bürger, Verbraucherinnen und Verbraucher der Bundesrepublik Deutschland betrifft. In diesem Bericht ist dokumentiert, was in den letzten Jahren dieser Regierungsperiode verbraucherpolitisch stattgefunden hat. Ich denke beispielsweise an die Charta „Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt“, den Aktionsplan zu Allergien, den Aktionsplan für gesunde Ernährung und mehr Bewegung, die Verbesserung der Lebensmittelüberwachung und das Datenschutzgesetz. ({0}) Viele Vorhaben sind abgeschlossen, viele wurden auf den Weg gebracht und sind bei den Fraktionen in guten Händen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie wurden - das wissen Sie - vor meiner Amtszeit gestartet. Deswegen befindet sich das Bild meines Vorgängers in diesem Bericht. ({1}) Lassen Sie mich deshalb einen Blick in die Zukunft werfen. Sie wollen schließlich wissen, wie es weitergeht. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass mein Leitbild der mündige Verbraucher ist. Das hat oberste Priorität. ({2}) Wir setzen auf Markttransparenz und Information. Das führt zu mehr Flexibilität und zu mehr Selbstbestimmung. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen in allen Lebensbereichen und zu jeder Zeit in der Lage sein, ihre eigenen, persönlichen Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen. Sie müssen mit den Unternehmen auf Augenhöhe agieren. Nur dann haben sie wirklich faire Marktchancen. ({3}) Die unglaublichen Vorkommnisse im Zusammenhang mit Finanzberatungen haben uns eines gezeigt: Es gibt noch immer Konstellationen, in denen sich Verbraucher und Wirtschaft nicht auf Augenhöhe gegenüberstehen. ({4}) Zu undurchsichtig sind die vermeintlichen Empfehlungen mancher Finanzberater. Fachleute sprechen hier von einer asymmetrischen Information. Aber auch in anderen Branchen wurden Verbraucher Opfer von unlauterem Wettbewerb und Datenmissbrauch. An dieser Stelle ist die Verbraucherpolitik gefordert. Ich verstehe mich als Anwalt aller Verbraucherinnen und Verbraucher. ({5}) - Anwältin. Danke schön, Herr Koppelin, das ist korrekt. ({6}) - So viel Zeit muss sein; da haben Sie recht. Wir haben bereits viele Felder im Blick, in denen wir in nächster Zeit Maßnahmen umsetzen werden: der Schutz der persönlichen Daten, der Schutz vor unerlaubter Telefonwerbung, die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, die Stärkung der Fahrgastrechte und auch die Qualitätsmerkmale von Pflegeheimen. Diese Liste könnte man fortsetzen. Ich will mich jetzt in erster Linie auf einen Punkt konzentrieren, der nicht unwesentlich mit der Debatte, die wir vorhin geführt haben, und mit den gerade stattgefundenen Abstimmungen im Zusammenhang steht. Die globale Finanzkrise hat auch Deutschland massiv getroffen. Sie stellt uns vor besondere Herausforderungen. Es ist deshalb dringende Aufgabe des Staates, die negativen Auswirkungen, wo immer es geht, einzudämmen. Deshalb haben wir einen Rettungsschirm über die Banken gespannt. Es geht hier aber nicht nur um die Banken, sondern in erster Linie auch um die Verbraucherinnen und Verbraucher. ({7}) - So ist es. Der Kollege Karl-Theodor zu Guttenberg hat es heute in seiner Rede angesprochen. Was hilft es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, wenn die Wirtschaft, wenn die Banken zusammenbrechen? Deshalb ist dieser Rettungsschirm für die Verbraucherinnen und Verbraucher existenziell wichtig. ({8}) Zusätzlich hat unsere Bundeskanzlerin eine Garantieerklärung für die privaten Spareinlagen abgegeben. Haben Sie sich einmal vorgestellt, wie die Stimmung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewesen wäre, wenn dies nicht geschehen wäre? ({9}) Das war ein ganz wichtiges Signal. Es zeigt ihnen: Wir nehmen eure Sorgen und Nöte ernst. Wir stehen hinter euch. Die Finanzkrise ist trotzdem bei den Menschen angekommen. Viele haben Geld verloren. Ende letzten Jahres hatten wir eine Telefonhotline geschaltet. Über 140 000 Anrufer hatten uns innerhalb weniger Wochen um Hilfe gebeten. Das zeigt die Brisanz. Viele Einzelschicksale stecken dahinter. Ich habe aufgrund des Gutachtens über die Finanzmarktberatung, das wir kurz vor Weihnachten veröffentlicht haben, viele Zuschriften bekommen. Das alles sind Einzelschicksale. Es geht zum Beispiel um ein älteres Ehepaar. Sie haben ihr gesamtes Geld für die Altersvorsorge angelegt. Leider sind sie so beraten worden, dass sie ihr Geld in Lehman-Zertifikaten angelegt haben. ({10}) Als sie die Berater angerufen haben, wurde abgewiegelt. Die Quintessenz: Sie haben alles verloren. ({11}) Ich bekam auch einen Brief von einer 80-jährigen Dame, die schilderte, dass sie in der Bank mehrfach darauf hingewiesen hat, dass sie ein Sparbuch möchte und bewusst auf eine in Aussicht gestellte Rendite verzichtet. Trotzdem wurde ihr geraten, sie solle sich auf andere Anlageformen konzentrieren. Es wurde ihr einiges vorgelegt, das sie dann auch unterschrieben hat. Noch schlimmer ist: Sie konnte es fast nicht mehr lesen; vier Wochen später hatte sie eine Augenoperation. Das geht unter die Haut. Hier geht es nicht um irgendetwas, ({12}) hier geht es um die Zukunft. Bei uns in Deutschland muss jeder, der Mittel gegen Kopfschmerzen verkauft, eine bestandene Prüfung nachweisen. Wenn es aber um die Zukunftsinvestitionen geht, gibt es leider sehr unterschiedliche Qualitätsmerkmale. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass wir in diesem Bereich einige Themen schwerpunktmäßig anpacken. ({13}) Ich will Ihnen nur ein paar Stichworte nennen. Es geht erstens um die Frage der Qualifikation; diese habe ich bereits angesprochen. Zweitens geht es um die Fragen: Ist ein Verbraucher in der Lage, auf Augenhöhe mit dem Berater zu kommunizieren? Weiß er, was er fragen soll? Wird ihm etwas vorgelegt, das er vielleicht gar nicht versteht? Ich denke, es ist wichtig, dass wir jetzt geeignete Maßnahmen ergreifen. Das tun wir auch. Schon in der nächsten Woche wird im Kabinett darüber beraten, dass jedem Kunden ein Protokoll ausgehändigt werden soll, in dem festgehalten ist, was der Berater gesagt hat. So kann der Kunde in Zukunft im Zweifelsfall nachweisen, wie er beraten worden ist. Diese Regelung soll von längeren Verjährungsfristen flankiert werden. Damit werden wir meines Erachtens einen großen Schritt in die richtige Richtung machen. Dieses Vorhaben, das, wie gesagt, schon in der nächsten Woche im Kabinett beraten wird, ist ein richtiger Ansatzpunkt, um dieses Thema anzugehen. ({14}) In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Situation der Mitarbeiter hinweisen. ({15}) - Ja, das gilt auch für die Mitarbeiterinnen. Sie haben völlig recht. Ich bitte um Nachsicht. - In einem Zeitungsartikel vom heutigen Tage ist zu lesen, dass sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sogar dopen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen. Ich will die Situation aber nicht dramatisieren. Man muss prüfen, ob die Anreizsysteme immer geeignet sind, ob die Belange der Kunden im Vordergrund stehen oder ob vielleicht andere Umstände stärker in den Vordergrund treten sollten. ({16}) Das Anreizsystem müssen wir also dringend hinterfragen. Auch wenn es noch viele offene Fragen gibt, möchte ich mich beim Ausschuss bedanken. Er hat bereits eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. ({17}) Auch wenn Frau Höfken gerade leider nicht hier ist, möchte ich darauf hinweisen, dass mein Haus am 10. März dieses Jahres eine große Tagung zu diesem Thema veranstalten wird. Sie alle sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen. Sehr geehrte Damen und Herren, ob Vertrauen vorhanden ist, hängt in besonderem Maße davon ab, ob die Menschen mit Zuversicht in die Zukunft blicken und wieder investieren. Das ist ein essenzieller Aspekt. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der Wirtschaftsstandort Deutschland, ({18}) den wir im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken müssen. ({19}) Nachdem ich mich doch etwas länger beim Finanzmarkt aufgehalten habe, möchte ich nun noch ein paar Ausführungen zu anderen Themen, die mir wichtig sind und die teilweise bereits auf unserer Tagesordnung stehen oder demnächst beraten werden, machen. Zur Nährwertkennzeichnung nur so viel: Ich habe einen runden Tisch einberufen, um mich mit allen Argumenten im Detail beschäftigen zu können. Auf europäischer Ebene werde ich mich für das „1 plus 4“-Modell und für die Einführung einer verpflichtenden prozentualen Angabe der Nährwerte einsetzen; ({20}) die Wirtschaft will diese Regelung nicht, aber ich will sie. Außerdem unterstütze ich alle Bemühungen, die zum Ziel haben, für eine bessere visuelle Darstellung zu sorgen. ({21}) Dafür bitte ich Sie um Unterstützung. Bis diese verpflichtenden Regelungen auf europäischer Ebene getroffen worden sind, können wir in Deutschland keine verpflichtenden Regelungen einführen. Momentan gibt es nur freiwillige Lösungen. ({22}) Diese sind nur mit der Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft möglich. ({23}) Sehr geehrte Damen und Herren, ich werde im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher für eine transparente, nachvollziehbare und aussagekräftige Lösung kämpfen. Auch dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Herzlichen Dank. ({24})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Hans-Michael Goldmann hat jetzt für die FDP-Fraktion das Wort. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Verbraucherpolitischen Bericht 2008. Frau Neu-Ministerin Aigner hat das sehr geschickt gemacht: Sie ist kaum auf diesen Bericht eingegangen. Er ist es auch nicht wert, dass man sich ausführlich mit ihm beschäftigt. ({0}) Von der Bevölkerung wird er völlig richtig eingeschätzt: Nur 29 Prozent der Verbraucher sind mit ihrer Situation zufrieden, 8 Prozent der Verbraucher stimmen der Aussage zu, dass sich die Bundesregierung wirkungsvoll für den Verbraucher engagiert - ich wiederhole: 8 Prozent -, und die Hälfte der Befragten ist unzufrieden. Was der Minister, der vorher in diesem Amt war, getan hat, wusste kein Einziger der Befragten. Manche derjenigen, die gefragt wurden, ob sie einen Politiker kennen, der gute Verbraucherpolitik macht, haben sich sogar auf Frau Künast besonnen. ({1}) Ich denke, daran wird deutlich, dass wir in diesem Bereich unheimlich viel Zeit verloren haben. Liebe Frau Ministerin, in Ihrem neuen Amt können Sie leider nichts erben, weil es nichts zu erben gibt. ({2}) Wir müssen uns bemühen, die Verbraucherpolitik mit etwas mehr Power anzugehen; denn es gibt Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Eines dieser Probleme sind die unerlaubten Telefonanrufe. Sie sind nicht nur ein Ärgernis, sondern wir Liberale lehnen diesen Eingriff in den persönlichen Bereich auch unter rechtlichen Gesichtspunkten entschieden ab. Jeder von Ihnen, der ältere Verwandte hat - ich zum Beispiel habe eine Mutter, die 94 Jahre alt ist -, weiß ganz genau, dass ältere Menschen durch solche Telefonanrufe total verunsichert werden. Auch für andere sind sie ein großes Ärgernis. Man wird nämlich häufig aus der Arbeit gerissen, weil irgendjemand irgendetwas anbieten will. Wir müssen endlich zu Regelungen kommen, die vernünftig sind. Frau Aigner, Sie müssen sich gegenüber Frau Zypries durchsetzen. Wir brauchen für diesen Bereich eine klare Regelung. Ich werde nachher ein paar Details erläutern. ({3}) Nächstes Thema, die Bahnkunden. Jetzt wird eine Entschädigung vorgesehen; aber das, was vorgesehen ist, ist viel zu wenig, es ist im Grunde genommen europäisch schwach. Wir als FDP haben gefordert, dass schon bei weniger Verspätung eine Entschädigung gezahlt wird. Ich denke, dass wir damit hundertprozentig richtigliegen. Ich bin enttäuscht davon, dass wir in dieser Frage seitens der CDU/CSU keine Unterstützung erfahren haben; im Ausschuss hat die CDU/CSU doch immer an unserer Seite gekämpft. ({4}) Julia Klöckner, du hast mehrfach angesprochen, dass du für die 30-Minuten-Regelung bist. ({5}) Dennoch hast du die Ein-Stunden-Regelung, die Nichtregelung, die jetzt kommt, klaglos geschluckt. Es lohnt sich nicht einmal, dass diese Regelung kommt; denn in ein paar Monaten greift das europäische Gesetz. Bei diesem Thema ist meiner Meinung nach nicht gut, nicht konsequent gearbeitet worden. Ich möchte etwas Grundsätzliches sagen, was im Verbraucherpolitischen Bericht interessanterweise überhaupt nicht angesprochen wird: Ich meine die Bildungsherausforderungen, vor denen wir stehen. Die Punkte, die Sie angesprochen haben, Frau Aigner, zum Beispiel das Zehnpunkteprogramm - das ist alles Geblubber, dabei kommt nichts heraus, da ist kein Fleisch an den Knochen. Wir müssen konsequent dafür sorgen, dass der Verbraucher die Qualifikationen hat, die er braucht, um am Markt teilzunehmen. Das geht nur durch Bildung, Bildung, Bildung; das geht nur durch Information. ({6}) Deshalb stellen wir zu jedem Haushalt, obwohl wir hier sonst die großen Sparer sind - ({7}) - Dass ihr nach dem, was ihr heute Morgen verabschiedet habt, noch den Mut habt, an dieser Stelle zu lachen, finde ich bemerkenswert. ({8}) Nur damit ihr wisst, worum es heute Morgen ging: Es ging um 50 Milliarden Euro. Bei den Anträgen, die wir im Ausschuss stellen, um die Verbraucherzentralen zu stärken, geht es um wenige Zehntausend Euro, und selbst dagegen stimmt ihr. ({9}) Liebe Freunde, den Verbraucherschutz stärken, das geht nur durch Bildung. Frau Aigner, ich finde es gut, dass Sie die Finanzmarktberatung angesprochen haben. Sie waren ja zum Teil bei der Anhörung dabei. Ich will auf die Äußerungen der Banken und der Sparkassen nicht eingehen; aber die können sich ja bessern. Es gibt in diesem Bereich ein großes Defizit; die Verbraucherzentralen sind ja innerhalb kürzester Zeit mit Hunderttausenden von Anfragen überrollt worden. Sie müssen uns auch sagen, Frau Aigner, und zwar schnell, wer die Information derjenigen, die sich über Bankgeschäfte informieren wollen, bezahlen soll. Ich meine jetzt die allgemeine Information; denn dass für das Beratungsgespräch die Banken zuständig sind, ist ja klar. Wir wollen den Bankkunden aber auch Informationen geben, die über die Haltung des Einzelunternehmens hinausgehen. Sie haben die Idee eines Protokolls angesprochen. Wir haben gestern auch mit Bankvertretern darüber gesprochen. Wir sind uns einig: Sobald der Kunde eine Bank betritt, ist es mit dem Protokoll einfach. Ein Problem bekommen wir jedoch bei Telefonberatungen. Auch für Telefonberatungen müssen wir eine klare Lösung finden; denn viele Bankgeschäfte werden am Telefon abgeschlossen. Natürlich müssen Datenschutzgesichtspunkte - das, was besprochen wird, ist ja vertraulich - berücksichtigt werden. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn in dem Telefongespräch, nachdem man sich allgemein unterhalten hat, als Signal gesagt würde: Jetzt komme ich in den Abfrageteil, zu dem, was ich protokollieren muss. Ich frage Sie jetzt konkret zu den verschiedenen Punkten. Dieser Teil muss meiner Meinung nach aufgezeichnet werden. Die Leistungsfähigkeit der Verbraucherschutzorganisationen ist uns ein wichtiges Anliegen; wir werden dieses Anliegen konsequent weiter verfolgen. Zur Lebensmittelkennzeichnung. Bei „visuell“ - wenn es um die Ampel geht - werde ich allergisch. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, zu sagen: Was die EU macht, muss gut sein. - Was die EU macht, wird meiner Meinung nach auch gut sein. Wir können uns darüber unterhalten, ob wir eine Angabe bezogen auf die Portion oder bezogen auf 100 Gramm wollen - von mir aus auch beides -; aber was die EU macht, muss breite Gültigkeit haben. Es geht nicht, dass jeder Nationalstaat eine Sonderregelung trifft, dass der eine einen Schlüssel verlangt, der andere ein Biosiegel, der nächste glückliche Tiere. Wir müssen vielmehr versuchen, auf der europäischen Ebene eine möglichst große Einheitlichkeit herzustellen. Sie haben die Eins-plusvier-Regelung - auf der Vorderseite der Verpackung die Kalorienangabe, auf der Rückseite die ergänzenden Angaben zu den Nährwerten - angesprochen. Einverstanden! Wir müssen versuchen, das möglichst in nationaler Einheit hinzukriegen. Das sollte meiner Meinung nach aber nach dem Freiwilligkeitsprinzip geschehen. ({10}) Wir geben in solchen Fragen nicht auf. Die Wirtschaft ist hier gefordert, und die Wirtschaft kann das auch regeln. Wenn die Wirtschaft gute Lösungen auf den Weg bringt, brauchen wir uns überhaupt nicht groß einzumischen. ({11}) ESL-Milch. Ich bin dafür, dass wir uns um diesen Bereich nicht zu viele Gedanken machen. ({12}) Ich glaube, eine einfache Kennzeichnung ist überhaupt kein Problem. Das Prinzip der Freiwilligkeit kann auch in dieser Frage Geltung bekommen, und damit ist das Thema im Grunde genommen vom Tisch. ({13}) - Liebe Frau Dobrinski-Weiß, wenn wir in dem Bereich jeder Sonderfertigung oder Sondererstellung alles kennzeichnen wollten, dann brauchten wir keinen Beipackzettel, sondern ein Beipackbuch. Ich denke, das sollte nicht unser Weg sein. ({14}) Ich bin nach wie vor überzeugt: Kluge Einzelhändler, kluge Mittelständler und kluge Wirtschaftsunternehmen sind die natürlichen Partner - ich hoffe zumindest, dass sie sich so empfinden - der Verbraucher; denn sie werden ihre guten Produkte auch nur dann an den Mann oder an die Frau bringen können, wenn die Verbraucher gut informiert sind. Das Verbraucherinformationsgesetz ist untauglich. Es ist zu schmal angelegt; das wissen Sie. Das Verbraucherinformationsgesetz wird im Moment von großen Organisationen - man kann es ruhig sagen: von Greenpeace - missbraucht, indem sie jede Menge Anfragen an Behörden richten, in denen sie Unternehmen an den Pranger stellen, ohne dafür eine Grundlage zu haben. Sie treten an die Behörde heran, die Behörde ist völlig überfordert mit der Anfrage, sodass sie auch den Interessen des einzelnen Verbrauchers nicht mehr gerecht werden kann. Und wenn der einzelne Verbraucher Informationen bekommt, muss er dafür auch Geld bezahlen, und zwar zu viel Geld. Der einzelne Verbraucher nimmt seine Rechte dann nicht in Anspruch. Das ist sehr schwierig; denn wenn Sie eine Rechnung über 500 Euro bekommen, kommt das für Sie im Grunde genommen nicht infrage. Deswegen brauchen wir dringend - und zwar früher, als es bis jetzt vorgesehen war - eine Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes, und zwar dergestalt, dass deutlich wird: Das Verbraucherinformationsgesetz ist die Grundlage dafür, dass der Verbraucher ein vernünftiger, ein informierter Marktteilnehmer sein kann. Wir wollen den mündigen, den informierten Verbraucher, der dann auch ein kluger Partner im Markt ist. Die unerlaubten Werbeanrufe habe ich schon angesprochen. Lassen Sie uns doch eine Regelung mit dieser Vorwahlnummer finden, Frau Aigner. Ich finde das gar nicht so verkehrt. Natürlich kommt ein solcher Anruf auch schon in der Privatsphäre an; aber wenn im Display die Nummer 0500 erscheint und jeder weiß, dass das der Code für - in Anführungsstrichen - unerlaubte Werbeanrufe ist, dann wären wir doch schon ein ganzes Stück weiter. Ich meine, wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob dieser Vorschlag von uns nicht ein guter Vorschlag ist. ({15}) Lassen Sie mich noch etwas sagen zur Produktsicherheit. Ich bin wirklich für viel Europa, aber wenn das Ergebnis einer europäischen Einigung ist, dass unser GS-Zeichen durch ein ES-Zeichen abgelöst wird, das ein niedrigeres Niveau hat und so im Grunde genommen den Chinesen noch mehr Möglichkeiten gibt, unsere Märkte mit Produkten zu überspülen, die geringeren Standards entsprechen, als wir sie beim GS-Zeichen abgesichert haben, dann sind wir meiner Meinung nach auf dem falschen Weg. Unser Fazit ist: Der Verbraucher ist eine der tragenden Säulen der Marktwirtschaft. Marktteilnahme setzt Einkommen voraus. Deswegen finde ich auch das klug, was Sie vorhin beim Konjunkturprogramm angesprochen haben, auch wenn die Ausrichtung bei uns eine andere wäre. Wir würden auf eine Steuerreform setzen. Wir müssen auch klar sagen, Frau Aigner: Eine Mehrwertsteuererhöhung ist im Grunde genommen das Verbraucherschädlichste, was man überhaupt machen kann; ({16}) denn damit nimmt man dem Verbraucher das Geld zur Teilhabe. Wir brauchen Entscheidungsfähigkeit durch Information und Bildung. Wir brauchen mündige Verbraucher, die gut informiert sind und die auch beurteilen können, was die Gesamtheit eines Produktes ausmacht. Sie müssen zum Beispiel wissen: Was ist der Gehalt eines Ökoproduktes? Sie müssen zum Beispiel auch darüber informiert sein, dass es Kinderarbeit in der Welt gibt. Sie müssen im Grunde genommen den ganzen Weg der Produktion durchdringen können. Es gibt also zukünftig noch viele Aufgaben für eine kluge Verbraucherpolitik. Wir helfen Ihnen gerne dabei. Herzlichen Dank. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion. ({0})

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Gestern veröffentlichte Stern TV einen PreisvergleichsElvira Drobinski-Weiß test und kürte den billigsten Discounter. Doch welchen Preis hat dieser Preis? Sind im Erdbeerjoghurt für 29 Cent wirklich Erdbeeren? Können Erzeuger und Beschäftigte von solchen Preisen leben? Ist das T-Shirt für 2 Euro seinen Preis wert? Letztes Frühjahr geriet ein Textildiscounter mit solchen Preisen in die Schlagzeilen: „Kinderarbeit nicht ausgeschlossen“ berichtete der Spiegel im Mai 2008. Dadurch zeigt sich: Der Preis für Billig kann sehr hoch sein. ({0}) In der Süddeutschen Zeitung stand im Februar 2009 „Schuften für 42 Euro im Monat“ in den Entwicklungsländern, damit in Deutschland billige Kleidung angeboten und verkauft werden kann. Verbraucher, die über solche Missstände informiert sind, werden wohl kaum noch zu solchen Produkten greifen. Und das ist gut so. Die Verbraucher wollen nicht nur ein gutes Produkt, sie interessieren sich auch für die ökologischen und sozialen Bedingungen der Produktion, den Umgang mit Ressourcen, die Arbeitsbedingungen und Löhne, die Knebelung von Zulieferern und Ähnliches. Ein nachhaltiger, sozial- und umweltverträglicher Konsum setzt informierte Verbraucher voraus. Deshalb sind die im Verbraucherpolitischen Bericht 2008 genannten Informationsvorhaben wichtig. Verbraucher müssen verantwortlich handelnde Unternehmen und nachhaltig erzeugte Produkte besser erkennen können. ({1}) Dadurch werden dann auch die Preise transparenter. Uns geht es hier nicht allein um die Verbraucher, sondern auch und vor allem um die Unternehmen. Die Unternehmen müssen stärker als bisher gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das geht aber nicht freiwillig, Herr Kollege Goldmann. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat gerade ein Forum zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen eingesetzt, von dem wir neue Impulse erwarten dürfen. ({2}) - Nein, nicht „oh Gott“. Mehr Transparenz auf dem Markt ist das Stichwort für die „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung. Das ist eine große Errungenschaft für die Verbraucherinnen und Verbraucher. ({3}) Mit großer Mehrheit lehnen sie gentechnisch veränderte Lebensmittel und den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab. ({4}) 80 Prozent der GVO-Pflanzen landen aber im Tierfutter, ohne dass die Verbraucherin und der Verbraucher das erkennen können; denn im EU-Recht ist hier eine Lücke. Es ist keine Kennzeichnung vorgeschrieben. ({5}) Wer keine Ökoprodukte kauft, war bisher gezwungen, mit dem Einkauf von Milch, Eiern oder Fleisch und daraus gefertigten Produkten den GVO-Anbau zu unterstützen. Mit der „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung können die Verbraucher jetzt die Erzeugnisse erkennen, bei denen bewusst auf die Fütterung mit gentechnisch veränderten Pflanzen verzichtet wurde. ({6}) Gerade das ist denjenigen, die an dem GVO-Anbau verdienen, aber ein Dorn im Auge. ({7}) Deshalb wird Unsinn verbreitet, wie zum Beispiel, dass „Ohne Gentechnik“-Produkte bis zu 0,9 Prozent GVOs enthalten würden. ({8}) Das ist sachlich falsch. Damit werden die Verbraucher verwirrt. Auch aus der CDU/CSU-Fraktion sind manchmal solche unrichtigen Äußerungen zur Kennzeichnung zu hören. Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie doch nach. Oder fragen Sie einfach im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach. Es ist sogar zu einer Verschärfung gegenüber der alten NLV-Regelung gekommen. ({9}) Danach galt tatsächlich der Schwellenwert von 0,9 Prozent. Das muss hier auch einmal öffentlich deutlich gemacht werden. ({10}) Wir brauchen jetzt dringend die schon vereinbarte Informationskampagne; denn die Verbraucher müssen korrekt und gut informiert werden. ({11}) Immerhin gibt es einige Unternehmen, die mit „Ohne Gentechnik“-Produkten auf dem Markt sind. Auch ihnen gegenüber ist es unverantwortlich, wenn wir es weiterhin den Lobbyisten überlassen, die Regelung aus eigennützigen Motiven heraus in Misskredit zu bringen und Unsinn zu verbreiten. Frau Ministerin, dagegen müssen wir angehen, ({12}) und hier müssen wir für Aufklärung sorgen - am besten in Zusammenarbeit mit den Verbraucherverbänden. ({13}) Wir müssen für eine Orientierung sorgen - am besten mit einem einheitlichen Logo. ({14}) Ein weiteres Thema, das uns sehr beschäftigt hat, ist das Spielzeug. Bei diesem Thema sind wir uns alle hier sicher einig, geht es doch um den Schutz der kleinsten Verbraucher, nämlich der Kinder. Frau Ministerin, ich bin Ihnen für die klaren Worte dankbar; denn in der Tat sind die Anforderungen gemäß der Spielzeugrichtlinie nicht ausreichend. Die nötigen Konsequenzen aus den Spielzeugskandalen wurden leider nicht gezogen. In manchen Punkten gibt es sogar Verschlechterungen, beispielsweise bei den Migrationswerten für Schwermetalle. Sie liegen zum Teil - zum Beispiel beim Blei - höher als nach der bisherigen Regelung. Außerdem ist weiterhin keine Überprüfung der Spielzeugsicherheit durch unabhängige Dritte vorgeschrieben. Das ist dramatisch; denn auf der Spielwarenmesse in Nürnberg wurde bei Stichproben jedes vierte Produkt beanstandet. 50 davon hatten so schwere Mängel, dass sie in der EU nicht auf den Markt gebracht werden dürfen. Um für ihre Kinder auf Nummer sicher zu gehen, sollten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf auf das GS-Zeichen achten. Auch die Spielzeughersteller stehen in der Verantwortung, wenn es um die Sicherheit der Kinder geht. Sie sind aufgefordert, nur Produkte mit GS-Zeichen anzubieten. Hierbei zeigt sich, wie groß die Verantwortung der Unternehmen ist; denn bei Gesundheit und Sicherheit der Kinder darf es keine Kompromisse geben. ({15}) Ich appelliere an die Spielzeuganbieter, sich freiwillig der Überprüfung durch Dritte zu unterziehen. Ich rate Eltern, im Interesse ihrer Kinder auf das GS-Zeichen zu achten, das eine geprüfte Sicherheit durch unabhängige Dritte anzeigt. ({16}) Damit können Hersteller ihre Produkte labeln, wenn diese einer freiwilligen unabhängigen Sicherheitsprüfung unterzogen wurden. Ich denke, dafür sollten wir uns alle miteinander einsetzen. Herzlichen Dank. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Karin Binder für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Verbraucherpolitische Bericht 2008 der Bundesregierung zählt vor allem die EU-Vorgaben auf, die von der Bundesregierung umgesetzt wurden. Es ist mehr oder weniger eine Art Hausaufgabenheft, das abgearbeitet wurde, und zeugt leider nicht von viel Eigeninitiative. Ich hatte die Hoffnung, dass durch den Wechsel von Herrn Minister Seehofer auf Frau Ministerin Aigner etwas mehr Schwung in die Sache hineinkommt. Diese Hoffnung gebe ich auch noch nicht auf, wenngleich ich das Gefühl habe, dass man noch ein bisschen Unterstützung braucht. Deshalb haben wir heute einen Entschließungsantrag in die Debatte eingebracht. Auf der Drucksache 16/11907 haben wir eine kleine Hilfestellung bzw. Handreichung vorgelegt. ({0}) - Man muss sich auf wesentliche Dinge konzentrieren, Herr Kollege Zöllmer. Diese will ich nun benennen. ({1}) Es ist klar, dass wir in unserem Fachbereich sehr viele Vorgaben von der EU bekommen. Das stellt ein gewisses Problem dar; denn die volle Harmonisierung innerhalb der EU ist aus meiner Sicht ein sehr langfristiges Ziel. Im Augenblick dürfen wir auf keinen Fall Richtlinien oder Vorgaben einfach eins zu eins umsetzen; denn damit befördern wir in der EU nichts. Wir wollen, dass Standards angehoben werden. Wir wollen, dass Schutz verbessert wird. Das erreicht man aber nicht, indem man der EU folgt und alles auf dem kleinstmöglichen Level harmonisiert. Die Regierung bzw. wir sollten im Rahmen der Verbraucherschutzpolitik deutlich machen, dass wir zwar Mindeststandards über die EU definieren, dass aber höhere Standards in den einzelnen Mitgliedstaaten selbstverständlich zu schützen sind. ({2}) Es müssen Spielräume gegeben sein, dass jedes Mitgliedsland höhere Standards anwenden kann. Nur so erreichen wir, dass auch in den anderen Mitgliedstaaten langfristig Schutzstandards verbessert werden. ({3}) - Das Problem ist, dass im Augenblick sehr viele Vorgaben eins zu eins umgesetzt werden und uns erklärt wird, es gebe keine Spielräume. Dies betrifft unter anderem das Thema der Ampel. Ich denke, für die Lebensmittelkennzeichnung wäre es ein Fortschritt, wenn wir die Spielräume so nutzen würden, dass es für die Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig eine klare und eindeutige Kennzeichnung gibt. Ich freue mich, dass Sie versuchen, eine verbindliche Kennzeichnung durchzusetzen. ({4}) - Mit der Ampel ist es für alle Menschen auf einen Blick sofort klar und erkennbar, was positiv und was vielleicht nicht ganz so positiv ist. Wir sollten aber auf jeden Fall auf Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen. ({5}) Die Ampel ist aber nur ein Teil. Ich denke, es geht insgesamt um eine Lebensmittelkennzeichnung, bei der wir erreichen müssen, dass Spielräume gegeben sind und dass höhere Standards angewendet werden können. Damit sind wir bei der Verbraucherinformation. Das Verbraucherinformationsgesetz haben Sie erfreulicherweise bereits angesprochen. Seine Novellierung ist dringend notwendig. Die vorliegenden Erfahrungen der Verbraucherverbände und der Organisationen sind so dramatisch, dass ich meine, man müsste sofort handeln, statt die Novellierung auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben, bis irgendwelche Evaluierungen stattgefunden haben. Ich denke, die Evaluierungen sind bereits durch die Verbände erfolgt, und sie belegen, dass die jetzige Regelung ein Bürokratiemonster ist, das den Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Informationen verschafft, und dass die Behörden mit der Auskunft, die sie zu erteilen hätten, völlig überfordert sind. Lassen Sie uns doch den Weg beschreiten, die Auskunft direkt bei den Firmen einzuholen durch einen Anspruch auf Information beim Hersteller oder Händler. ({6}) Denn ihnen liegen die Informationen vor. Der kostspielige Weg über die Behörden ist nicht notwendig. Er wird von den meisten Menschen nicht beschritten, weil sie die Kosten scheuen. Von daher sollte die Novellierung lieber jetzt als später erfolgen. ({7}) Ein weiteres wichtiges Thema ist der Datenschutz. Das haben Sie auch angesprochen. Wir müssen unbedingt verhindern, dass Daten durch Versandhandel im Internet von Firmen wie eBay, der heutzutage selbstverständlich geworden ist, in falsche Hände geraten. Man muss persönliche Daten angeben. Wie soll die Ware den Käufer erreichen, wenn er nicht wenigstens seine Adresse angibt? Oft muss auch die Bankverbindung angegeben werden. Klar ist, dass diese Daten geschützt werden müssen. Dazu gehört zunächst einmal eine Einverständniserklärung. Wenn man seine Zustimmung im jeweiligen Fall nicht erteilt, dann wandern die Daten nirgendwo anders hin. Ein Unternehmen, das die persönlichen Daten weitergibt, macht sich strafbar. Das muss künftig der Fall sein. Nur so verhindern wir, dass die Datensammlung zu einem Datenmissbrauch führt. ({8}) Weitere Themen, die durch die Finanzkrise sehr wichtig geworden sind, sind einerseits der Anlegerschutz und andererseits die Verbraucherkredite. Hier sind dringend Maßnahmen notwendig. Zum Thema Anlegerschutz haben wir bereits im Dezember einen Antrag eingebracht. Frau Aigner, ich hoffe, Sie nehmen ihn zur Beratung mit ins Kabinett. ({9}) - Ich finde, dass Frau Aigner viele unserer Vorschläge aufgegriffen hat, unter anderem die Verjährung und das Protokoll. ({10}) Wenn noch unser Vorschlag zum Prospekt mit einbezogen wird, der klar definieren muss, in welche Geldanlage die Menschen investieren, dann ist das sicherlich ein sinnvoller Schritt. Ich denke, der Finanz-TÜV, der überprüft, ob die Prospekte wahrheitsgemäß sind und zwischen risikobehafteter und sicherer Anlage unterscheiden, bietet eine Hilfestellung. Ich finde, das kann man im Kabinett ruhig aufgreifen und dann umsetzen. ({11}) Aber damit nicht genug. Die Finanzkrise bewirkt, dass unglaublich viele Menschen ohne eigenes Verschulden in Schulden geraten. Wahrscheinlich werden dieses Jahr viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Viele werden Probleme haben, ihre Ausgaben zu bestreiten. ({12}) Wir werden vermutlich eine Schwemme von Fällen erleben, in denen Menschen Kredite nicht mehr ohne Hilfe abtragen können. Der Ausbau der unabhängigen Finanzberatung ist dringend notwendig. Das ist meines Erachtens ein sehr wichtiger Punkt; denn ich sehe die Verkäufer und Verkäuferinnen in den Banken und Finanzinstituten nicht als unabhängige Berater an. Sie sind provisionsorientiert und verkaufen daher ein bestimmtes Produkt. Eine wirkliche Beratung muss durch eine unabhängige Stelle erfolgen. Dazu muss die finanzielle und materielle Ausstattung der Verbraucherberatung gewährleistet sein. Gleichzeitig müssen wir uns über die Schuldnerberatung Gedanken machen, die ebenfalls entsprechend ausgestattet werden muss. Damit können wir in der Finanzkrise den Menschen Hilfestellung bieten. Wenn dieser Ausbau nicht erfolgt, nicht mit Bundesmitteln unterstützt wird, dann sehe ich ziemlich schwarz. Deshalb lautet meine ganz große Bitte an die Regierung, sich im Zusammenhang mit der Finanzkrise hier zu engagieren, die Verbraucherverbände personell und materiell ausreichend auszustatten und die Schuldnerberatung entsprechend zu unterstützen; denn die Menschen werden diese Hilfe brauchen. ({13}) Frau Ministerin, Sie haben vom Leitbild des mündigen Verbrauchers gesprochen. Das eine ist: Es gibt natürlich noch viel mehr Verbraucherinnen. Das andere ist: Ich will viel lieber die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzen, selbstbestimmt als Konsumentinnen und Konsumenten am Markt teilzunehmen sowie tatsächlich eine Wahl im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten und aufgrund guter Informationen zu treffen. Sie unterstellen eigentlich, dass die Menschen heute noch nicht mündig sind. Das tue ich nicht. Ich möchte selbstbestimmte und selbstbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich hoffe, dass Sie sich in diesem Sinn einsetzen werden. Danke schön. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Nicole Maisch hat jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich denke, der Grund, warum die Ministerin in ihrer Rede nur zwei Minuten auf den Verbraucherpolitischen Bericht 2008 verwandt hat, ist, dass wir über einen Ladenhüter debattieren. Der Verbraucherpolitische Bericht 2008 verstaubt seit April 2008 in den Schubladen des Ministeriums. Im Einzelhandel würde man ihn zudem eine Mogelpackung nennen. ({0}) Viel Luft, wenig Inhalt! Dieser Verbraucherpolitische Bericht ist eigentlich ein Fall für die Verbraucherzentrale; denn wer in den Datenbanken Ihres Ministeriums nachschaut, findet genau ein einziges Gesetz, das federführend von Ihrem Haus im verbraucherpolitischen Bereich auf den Weg gebracht wurde, nämlich das Verbraucherinformationsgesetz. Herr Goldmann und Frau Binder haben dazu schon einiges gesagt. Frau Höfken wird das Übrige zu diesem nicht besonders wirksamen Gesetz sagen. ({1}) In dreieinhalb Jahren Großer Koalition sind die Verbraucherinnen und Verbraucher in die zweite Reihe Ihrer Politik zurückgerückt. Daran hat leider auch der Ministerinnenwechsel nichts geändert. Denn Frau Aigner arbeitet weiter in guter Horst-Seehofer-Tradition: Pressemitteilungen, Fototermine auf der Grünen Woche, Ankündigungen. Das reicht nicht als Regierungshandeln. ({2}) - Darüber braucht man sich nicht totzulachen. Das ist eigentlich eher traurig. - Gerade in Krisenzeiten muss man ein bisschen mehr Butter bei die Fische geben. ({3}) Es geht auch anders, wenn man den Leistungsgedanken im Regierungshandeln etwas mehr berücksichtigt und sich zum Beispiel an der vorletzten Verbraucherministerin orientiert. Auch diese hatte das Ministerium in Krisenzeiten übernommen und dann innerhalb weniger Wochen den Verbraucherschutz neu strukturiert. ({4}) Ich erinnere nur an das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie das Biosiegel. Das alles geht ganz schnell, wenn man nur will und nicht nur dem Stillstand das Wort redet. Da meine Zeit begrenzt ist, will ich Ihnen nur zwei Beispiele nennen. Zur Finanzkrise: Was antworten Sie eigentlich den Wählerinnen und Wählern auf die Frage, wie Sie in Zukunft mehr Sicherheit auf den Finanzmärkten schaffen wollen? Wir hören Ankündigungen, und es wird Mitgefühl mit den Lehman-Geschädigten gezeigt. Aber bisher haben Sie es noch nicht einmal geschafft, der Justizministerin das Recht auf ein Girokonto abzupressen. Das wäre eine ganz kleine Sache. Diese „gammelt“ seit Ewigkeiten in den Ausschüssen. Aber Sie schaffen es nicht, die SPD-Ministerin davon zu überzeugen, dass jeder Bankkunde das Recht auf ein Girokonto hat. ({5}) Es ist nicht so, dass die CSU nicht durchsetzungsfähig wäre. Beim Umweltgesetzbuch ging das irgendwie ganz schnell. Vielleicht schicken Sie einmal Herrn Söder zu Frau Zypries. Dann klappt das vielleicht mit einem Girokonto für alle. ({6}) Neben der Finanzkrise gibt es noch mehr Themen. Bei den Verbraucherrechten gibt es eine ganze Liste verbraucherpolitischer Gesetze, die seit Ewigkeiten in den Ausschüssen liegen. Nehmen wir als Beispiel die Fahrgastrechte. Wir haben im Ausschuss ewig darüber debattiert. Das war teilweise wie Szenen einer Ehe. Staatssekretäre aus dem Justizministerium und dem Verbraucherministerium lieferten sich Wortgefechte im Ausschuss. Die Union forderte, dass Fahrgäste bereits nach einer halben Stunde Verspätung eine EntschädiNicole Maisch gung erhalten sollen. Das wurde von Minister Seehofer in der Presse wieder und wieder angekündigt. Die SPD war auf dem Standpunkt, dass eine Entschädigung ab einer Stunde Verspätung ausreichend ist und die Richtlinie eins zu eins umgesetzt werden soll. Wer hat sich durchgesetzt? Die SPD, und zwar zum Schaden der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich wünsche mir, dass eine Verbraucherministerin mit ein bisschen mehr Verve für ihre Klientel, nämlich alle Verbraucherinnen und Verbraucher, kämpft. ({7}) Die unerlaubte Telefonwerbung ist eine ähnlich unendliche Geschichte. Horst Seehofer, Frau Aigner und Frau Klöckner - viele Verbraucherpolitiker der Union haben uns immer und immer wieder eine schriftliche Bestätigung versprochen. Haben wir sie schon? Nein. Ich frage mich, ob sich auch dieses Mal die SPD durchsetzen und eine schriftliche Bestätigung verhindern wird, und zwar zum Schaden der Verbraucher. Es wird spannend sein, zu sehen, ob sich die Union auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes irgendwann einmal durchsetzt. Meine Redezeit neigt sich dem Ende zu. Ich möchte gerne noch eine Bemerkung zu den sozialen und ökologischen Aspekten im Bereich Konsum machen. Die Kollegin Drobinski-Weiß hat dazu erfreulicherweise sehr viel gesagt. Wenn dieses Thema der SPD so wichtig ist, dann frage ich mich, warum Sie den Haushaltstitel zur Verbraucherinformation, nachhaltiger Konsum, im Vergleich zu rot-grünen Zeiten so deutlich zurückgefahren haben. Das finde ich schade. Es ist in der Argumentation auch nicht konsequent. Wenn ein Thema wichtig ist, muss man dafür Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. ({8}) Wir wünschen uns, dass die Union ihre ministerielle Restlaufzeit im Verbraucherministerium nutzt, damit die Jahre der Großen Koalition nicht vollständig verlorene Jahre für den Verbraucherschutz waren. Ich bedanke mich. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Julia Klöckner für die Fraktion der CDU/ CSU das Wort. ({0})

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Verbraucherschutzministerin, liebe Ursula Heinen - Herr Müller war auch gerade da -, ich bedanke mich bei Ihnen und beim Ministerium für Verbraucherschutz sehr herzlich; denn Ihnen ist das Handeln wichtiger als Ankündigungen. Ich bin sehr dankbar, dass Frau Aigner heute in die Zukunft geblickt hat. Der Verbraucherschutzbericht, der uns vorliegt und den wir alle lesen können, zeigt den Status quo, den wir erreicht haben. Frau Maisch, Sie haben eben gesagt, dieser Bericht sei ein Ladenhüter. Ich weiß, dass Ihre Partei, speziell Frau Künast, sehr viel Wert auf mediale Aufarbeitung und die Vermarktung von Ideen in Zusammenarbeit mit vielen Agenturen gelegt hat. Aber letztlich ist mit der grünen Taube auf dem Dach dem Verbraucher nicht geholfen. Wichtig ist, was herauskommt. ({0}) „Umwege sind auch Wege.“ Was meinen Sie, von wem dieses Zitat ist? Es ist von Ihrer ehemaligen Verbraucherschutzministerin, Frau Künast. Sie ist zu viele Umwege gegangen und deshalb nicht angekommen. Frau Maisch, man hat Ihnen angemerkt, dass es Ihnen ein wenig schwer gefallen ist, hier eine kritische Rede zu halten. Das liegt natürlich daran, dass die Fahrgastrechte in der Zeit von Frau Künast ein Problem waren, dass die Telefonwerbung in der Zeit von Frau Künast ein Problem war, dass der Datenschutz in der Zeit von Frau Künast ein Problem war, dass die Verbraucherinformation in der Zeit von Frau Künast ein Problem war. ({1}) Für all diese Probleme gab es nie eine Lösung. Ein Gesetzentwurf zur Verbraucherinformation ist noch nicht einmal in den Bundestag gekommen. Wir als CDU/CSU-Fraktion haben mit unserem Koalitionspartner ein Verbraucherinformationsgesetz auf den Weg gebracht mit der Maßgabe, es nach zwei Jahren zu evaluieren. Niemand kann schließlich voraussagen, ob etwas erfolgreich implementiert wird. Wir haben ein Gesetz mit einem Rechtsanspruch auf Zugang zu Informationen für die Bürgerinnen und Bürger verabschiedet. Wir haben zum Beispiel die Frist zur Beantwortung einer Anfrage im Gegensatz zu dem Entwurf von Frau Künast, in dem zwei Monate vorgesehen waren, halbiert. Ein anderes Beispiel ist die Ausnahme bei Rechtsverstößen. Die Möglichkeit, bei Rechtsverstößen Auskünfte zu erhalten, haben wir durchgesetzt. Dazu hatte Frau Künast in ihrem Gesetzentwurf keinerlei Regelungen vorgesehen. Frau Künast hatte damals vor, die Auskunft bei Daten über Rechtsverstöße kostenpflichtig zu machen. Wir haben durchgesetzt, dass diese Auskunft kostenfrei ist. - Frau Künast hatte noch nicht einmal einen Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht. Jetzt können Sie natürlich sagen: Wir wünschen uns die 100-Prozent-Regelung. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern ist aber nicht geholfen, wenn sie wissen, was Sie als Politiker gerne machen würden, aber letztlich keinerlei rechtliche Handhabe erhalten. Ich bin etwas enttäuscht, dass Sie, Herr Kollege Goldmann, sagten, der Verbraucherpolitische Bericht 2008 zeige, dass wir leider überhaupt nichts erreicht hätten. Wir haben mehr Transparenz im Telekommunikationsbereich erreicht. - Sie zucken mit den Schultern, aber für viele junge Leute ist das sehr viel wert; denn im Telekommunikationsbereich sind viele junge Leute bei den Angaben von Abos - Stichwort: Klingeltöne - in Fallen hineingerutscht. ({2}) Wir haben jetzt mehr Transparenz und bessere Regelungen. ({3}) Es gibt zum Beispiel mehr Beratung und Transparenz für Versicherte. Wir haben an Versicherungsvermittler ganz hohe Standards angelegt. So müssen sie einen Berufsnachweis erbringen und eine Berufshaftpflicht vorweisen. All das sind Dinge, die die Verbraucherinnen und Verbraucher aktuell spüren. Ich erinnere auch an die sogenannten Roamingpreise. Es handelt sich dabei um die Auslandstarife für Handygespräche. Der Wirtschaftsminister und der Verbraucherschutzminister haben sich zusammengesetzt und auf europäischer Ebene Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher durchgesetzt. Letztlich zählt doch das, was bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt; nicht Ankündigungen zählen, sondern das Handeln. ({4}) Dass wir mit der Bundesregierung besser fahren als mit irgendwelchen schönen Vorschlägen von der linken Seite, der grünen Seite oder der FDP-Seite, sehen wir daran, dass wir in diesem Jahr auf die Zielgerade kommen. Ich nenne die Telefonwerbung. - Sie lachen, Frau Maisch. ({5}) Wir haben über Telefonwerbung schon debattiert, als wir noch in der Opposition waren und Sie die Verbraucherschutzministerin, Frau Künast, gestellt haben. Damals gab es noch nicht einmal einen Gesetzentwurf, über den man beraten konnte. Wir sind jetzt so weit, dass wir zum Beispiel die Widerspruchsfristen erweitern. Bei der Telefonwerbung gibt es in der Tat das Problem, dass gerade älteren Leuten, die überhaupt nicht angerufen werden wollen, ein Vertrag untergeschoben wird, zu dem sie niemals ihre Zustimmung erteilt haben. Das ist bei Lotterieverträgen so, und das ist beispielsweise bei Verträgen über Zeitschriftenabonnements so. ({6}) Das hätte man auch schon damals ändern können. ({7}) Das Problem hätte man schon zu der Zeit, als Frau Künast Verbraucherschutzministerin war, lösen können. ({8}) Uns geht es jetzt darum, eine Widerrufsfrist festzusetzen. Das wird einige Verbesserungen bringen. Wir werden ein Bußgeld einführen, ({9}) wir werden die Rufnummerunterdrückung untersagen und vieles weitere mehr. Es gibt ein Problem in der Verbraucherpolitik. Verbraucherpolitik ist eine Herausforderung für alle Bereiche, sie ist eine Querschnittsaufgabe. Deshalb schlagen wir als Union vor, es dem Bürger etwas einfacher zu machen, damit er weiß, wie er sich informieren kann. Wir wollen ein Verbrauchertelefon mit einer zentralen Telefonnummer einführen, das eine Lotsenfunktion wahrnimmt. Das ist der Punkt. Letztlich ersetzen Verbote nicht den Verstand. ({10}) Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger befähigen, selbst aktive Teilnehmer am Markt zu sein. Es wird auf Dauer nichts produziert, was nicht von den Bürgerinnen und Bürgern gekauft und abgenommen wird. Ich möchte die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot holen und danach fragen, welche Verantwortung letztlich jeder Einzelne übernimmt. ({11}) Wer für 13 Euro vom Flughafen Hahn nach Berlin fliegt, um dann gegen Lohndumping am Brandenburger Tor zu demonstrieren, der hat beim Rechnen nicht aufgepasst. ({12}) Wir alle sitzen in einem Boot. Wenn wir bewusst konsumieren, bewusst einkaufen und den Bürger in der Schule bilden - es ist uns wichtig, dass wir Verbraucherbildung als Querschnittsaufgabe in den Schulen verankern -, dann sehe ich eine große Chance, dass die Politik, die die Bundesregierung vorantreibt, nämlich ein Miteinander und kein Gegeneinander der Beteiligten in der Wirtschaft zu unterstützen, Erfolg hat.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Goldmann zulassen? - Bitte schön.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Einrichtung eines Verbrauchertelefons finde ich spannend, vor allen Dingen, weil Sie das jetzt ansprechen, die Ministerin das aber nicht gemacht hat. Was die Bankproblematik betrifft, so hat es, glaube ich, 160 000 oder 200 000 Anrufe gegeben. Meine erste Frage lautet: Wie viele Telefone wollt ihr denn einrichten? Zweite Frage: Wo wollt ihr sie einrichten, in den Ländern oder auf Bundesebene? Wie wollt ihr die Verbraucherzentralen einbinden, die so etwas schon machen? Muss das geHans-Michael Goldmann setzlich geregelt werden, oder ist das eine Idee, die gerade einmal heute Mittag guttut, weil in dem Bericht im Grunde genommen nichts steht?

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Goldmann, erst einmal danke für Ihre Frage. Im Bericht steht einiges. ({0}) Wenn Sie ihn durchlesen, erkennen Sie, was die Verbraucherinnen und Verbraucher für sich selbst an Neuerungen verbuchen können. Zu Ihrer Anmerkung, dass die Ministerin das nicht erwähnt hat: Sie hatte zehn Minuten Redezeit. Wenn Sie dem zustimmen würden, dass sie 30 Minuten Redezeit bekommt, hätte sie viel mehr ansprechen können. ({1}) Jetzt komme ich auf Ihre Frage zu sprechen, wie wir dieses Vorhaben umsetzen wollen. Zum einen sind die Verbraucherzentralen wichtig. ({2}) Wir danken den Verbraucherzentralen für die schnelle Arbeit. Ich danke auch der Bundesregierung für die Bereitstellung der Mittel, wodurch diese Beratungsleistung überhaupt erst erbracht werden konnte. ({3}) Zum anderen stellt sich jetzt die Frage, Herr Goldmann: Sollen nicht diejenigen, die zu diesem Beratungsnotstand beigetragen haben - das sind zum Beispiel die Banken -, ({4}) eine anbieterunabhängige Beratung freiwillig mitfinanzieren? Dann können sich die Bürgerinnen und Bürger informieren, ohne dass der Informant eine vorgefertigte Meinung hat, weil er nur eines will, nämlich sein Produkt verkaufen, und verschweigt, dass er dafür Provision bekommt. ({5}) Das Verbrauchertelefon ist anders angedacht: Es soll eine einzige Nummer haben und eine Lotsenfunktion erfüllen. Wenn sich jemand zum Beispiel an Behörden wenden möchte oder weiter informieren möchte, dann kann er diese Nummer anrufen. Sehr hilfreich ist da die Stiftung Warentest. Herr Goldmann, wir müssen also komplex denken. ({6}) Es hilft wenig, einmal eine Forderung aufzustellen und das Erreichte kleinzureden. ({7}) Nicht umsonst bekomme ich als Verbraucherbeauftragter viele Schreiben von Verbraucherinnen und Verbrauchern, in denen sie sich dafür bedanken, dass sich die Bundesregierung letztlich um ihre Anliegen kümmert. ({8}) - Am besten rufen Sie in meinem Büro an. Ich habe gute Leute; wir können Ihnen immer helfen. ({9}) Herr Goldmann, Ihnen kann geholfen werden. Ganz so schlimm sieht es ja noch nicht aus. ({10}) Ich möchte mit dem Hinweis schließen, dass wir das Thema Fahrgastrechte aufgreifen werden. In diesem Zusammenhang muss ich das Thema „halbe Stunde“ aufgreifen. Ich selbst bin davon überzeugt, dass der Verbraucher ab einer halben Stunde Verspätung eine Entschädigung bekommen muss; denn er tritt in Vorleistung. Er zahlt für ein Ticket, und dann wird eine nur mangelhafte Leistung erbracht. Das ist so, als ob er einen Liter Milch kauft, die Packung aber nur 750 Milliliter enthält. Wenn das so ist, kann man nicht verlangen, dass der Verbraucher den kompletten Preis zahlt. ({11}) Genauso wie die Verbraucherschutzministerkonferenz hätten wir als Union dies gern durchgesetzt. Leider geht das nur, wenn die nötige Mehrheit vorhanden ist. Das heißt, unser Koalitionspartner muss zustimmen. Ich darf darauf hinweisen, Herr Goldmann: Die FDP-Wirtschafts- und -Verkehrspolitiker ({12}) in den Ländern sagen etwas anderes. ({13}) Insofern bin ich froh, wenn wir eines erreichen: eine Verbesserung für die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Entschädigung; letztlich sollten sie einen Anspruch auf Erstattung der Taxi- und Übernachtungskosten haben und einen anderen, höherwertigen Zug benutzen können. Das - nicht die Ankündigung - ist es, was für die Verbraucherinnen und Verbraucher zählt. Ich danke allen, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Bürgerinnen und Bürger souverän werden können und auf gleicher Augenhöhe mit denen stehen, die etwas anbieten. Herzlichen Dank. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat die Kollegin Ulrike Höfken das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die CDU/CSU hat in den Zeiten von Rot-Grün jahrelang als Blockierer im Bundesrat gesessen, sie hat jede Novelle und jede Reform im Bereich Verbraucherschutz blockiert, ({0}) aber jetzt tritt hier Frau Aigner auf nach dem Motto „Hier werden Sie geholfen“. Was ist denn das für ein Niveau? Frau Künast und Rot-Grün haben in den entsprechenden Bundesämtern neue Strukturen geschaffen und damit Meilensteine gesetzt, Stichworte: Eierkennzeichnung, Gentechnikgesetz, Verbraucherschutz bei der Altersvorsorge. Letztendlich gilt nicht das, was in irgendwelchen Schubladen von Ministerien landet, sondern das, was als Vorschlag öffentlich diskutiert wird, ({1}) etwa der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, wie es hätte aussehen sollen. ({2}) Frau Aigner, gut gemeint ist nicht gut gemacht. Nach mehr als 100 Tagen Amtszeit sollten Sie nicht als - so wurde getitelt - „Ministerin der Konjunktive“ in die Geschichte des Bundestages eingehen. Wir haben unsere Kritik am Verbraucherinformationsgesetz schon lange ganz klar geäußert. Herr Goldmann und die Damen und Herren von der SPD und der Linken, wir sollten gemeinsam zu einer Reform kommen. Es ist doch offensichtlich, dass dieses Verbraucherinformationsgesetz nur noch in Anführungsstrichen existiert und zu einem Verhinderungsgesetz geworden ist: Es wirkt gegen die Informationsfreiheit, die unseren Bürgern zusteht. ({3}) Das hat auch die Umfrage von Foodwatch gezeigt: Knapp 80 Prozent aller Anfragen blieben unbeantwortet, die schwarzen Schafe wurden fast nie genannt, gesetzliche Fristen teilweise massiv überschritten und in einigen Fällen Gebühren von mehr als 1 000 Euro festgesetzt. ({4}) Auf diese Art und Weise bleibt doch jeder Wissensdurst der Verbraucher auf der Strecke. So können wir nicht mit den Leuten umgehen. Wir brauchen hier eine Reform, und zwar noch in dieser Legislaturperiode. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Höfken, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klöckner zulassen?

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank. - Ist Ihnen bewusst, Frau Höfken, dass der Gesetzentwurf zum VIG von Frau Künast vorsah, dass generell kostendeckende Gebühren erhoben werden sollten? Ist Ihnen das bekannt? Wenn nicht, würde ich Ihnen den abschließenden Entwurf des VIG von Frau Künast gerne in Ihr Büro schicken. ({0})

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Klöckner, Sie haben das jetzt zum 99. Mal gesagt. ({0}) Diese Regelung ist ein Ergebnis der Verhandlungen mit dem Bundesrat. Sie haben sie auf Biegen und Brechen durchgedrückt, kritisieren sie jetzt aber quasi in Umkehrung der Tatsachen. Ich würde Ihnen vorschlagen, einmal in einen Spiegel zu schauen. ({1}) Frau Klöckner, Sie dürfen sich wieder setzen. Bei der Lebensmittelkennzeichnung war es das gleiche Spiel. Minister Seehofer hat hier herumgehampelt, aber es ist doch ganz klar: Es gibt 800 000 adipöse Kinder. Das heißt, es gibt ganz schwerwiegende Fehlentwicklungen im Bereich der Ernährung. Hier muss gehandelt werden. ({2}) Der Direktor der Charité hatte recht, als er sagte: Es handelt sich um Körperverletzung, Kinder eine solche Entwicklung nehmen zu lassen. Die Ampel-Kennzeichnung ist bestimmt keine Patentlösung, aber sie bietet Orientierung. Sie können sich hier nicht hinter der EU verstecken. In Ihrem eigenen Bericht äußern Sie, Frau Ministerin, dass den Etikettierungs- und Kennzeichnungsvorschriften eine enorme Bedeutung zukommt. Handeln Sie auch danach, und verstecken Sie sich nicht hinter der EU! ({3}) Ein Beispiel für die Missachtung geltender Gesetze und bestehender Verordnungen auf der Bundesebene ist der Umgang mit der ESL-Milch. Die Bezeichnung „länger haltbar“ soll jetzt zusätzlich zu dem Aufdruck „Frischmilch“ als freiwillige Kennzeichnung eingeführt werden. Das finde ich unglaublich. Erstens werden damit - das ist doch ganz klar - die Verbraucher irregeführt. Zweitens wird echte Frischmilch, die ja mehr Vitamine enthält und deren Produktionsprozess mehr Geld kostet, die also insgesamt ein besseres Produkt ist, schlichtweg vom Markt gedrängt. Dem leisten Sie Vorschub, indem Sie, wie ich finde, in unverantwortlicher Weise gegen bestehende Gesetze eine derartige freiwillige Kennzeichnung dulden. Ich denke, das geht nicht an, wie hier mit Kennzeichnungs- und Etikettierungspflichten umgegangen wird. ({4}) Sehenden Auges wird hier eine Marktbereinigung zulasten der Verbraucherinteressen akzeptiert. Ein letztes Wort zum Thema Nanotechnologie. Wir haben eine Reihe von Veranstaltungen und Kongressen dazu durchgeführt. Wir wissen inzwischen, dass viele entsprechende Produkte auf dem Markt sind. Diese Produkte sind aber nicht zugelassen. Ich finde, hier dürfen die Menschen nicht zu unfreiwilligen Versuchskaninchen werden. Wir brauchen dringend eine Regelung für die Zulassung dieser Produkte. Die Vorlage entsprechender Risikobewertungen darf nicht weiter verzögert werden. Ich fordere Sie auf, hier schnell etwas zu tun. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt spricht die Kollegin Marlies Volkmer für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Im Verbraucherpolitischen Bericht der Bundesregierung heißt es in Bezug auf Lebensmittelkennzeichnung: Die Bundesregierung sieht den Schwerpunkt einer Verbesserung dieses Kennzeichnungsrechts darin, dass die mit der Etikettierung vermittelten Informationen klar, übersichtlich und vor allem gut lesbar präsentiert werden. Sehr richtig! Man muss aber auch danach handeln. Zu Zeiten von Horst Seehofer wurde eine freiwillige Vereinbarung mit der Industrie über die Kennzeichnung der Lebensmittel getroffen. Diese freiwillige Kennzeichnung wird den Anforderungen nicht gerecht. Diese Kennzeichnung ist nicht klar, weil sie keinen einheitlichen Prinzipien folgt. Die Kennzeichnung ist nicht übersichtlich, und die Kennzeichnung ist auch nicht lesbar; denn man muss eine Lupe nehmen, damit man überhaupt lesen kann, was auf der Rückseite steht. Das ist der Grund dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher diese Kennzeichnung in ihre Kaufentscheidung kaum einbeziehen. Das haben Sie in Ihrem Bericht auch beklagt. Das kann man aber sehr leicht ändern. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen eine klare und einheitliche Kennzeichnung auf der Vorderseite. Sie wollen sich sehr schnell, mit einem Blick, darüber informieren, wie hoch zum Beispiel der Zuckergehalt oder der Fettgehalt im Frühstücksmüsli ist. Eine solche einfache und schnelle Orientierung ist mit der Ampel-Kennzeichnung möglich. Deswegen möchten Verbraucherinnen und Verbraucher die farbliche Kennzeichnung mit einer Ampel. ({0}) Mitnichten geht es darum, wie die Industrie immer und immer wieder sagt, Olivenöl oder Äpfel zu kennzeichnen. Wir wollen auch nicht das Käsebrot mit dem Schokoriegel vergleichen. ({1}) Für die Verbraucherinnen und Verbraucher soll bei zusammengesetzten Produkten auf einen Blick erkennbar sein, welches Produkt in der Warengruppe wie viel Zucker, Fette, gesättigte Fettsäuren und Salz enthält, um die individuelle Kaufentscheidung zu erleichtern. Das ist keine Bevormundung, sondern das glatte Gegenteil. Durch eine solche Kennzeichnung werden die Verbraucherinnen und Verbraucher erst in die Lage versetzt, sich wirklich informiert zu entscheiden. ({2}) Befragungen in Großbritannien haben gezeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Ampel-Kennzeichnung sehr wohl verstanden haben. Wir trauen das den Konsumentinnen und Konsumenten hierzulande auch zu. ({3}) Die Verbraucherschutzminister der Länder haben vor fünf Monaten von der Bundesregierung einhellig gefordert, sich auf EU-Ebene für eine verpflichtende AmpelKennzeichnung einzusetzen. Frau Klöckner, die bayerische Verbraucherschutzministerin hat das vor einer Woche noch einmal bekräftigt. Frau Aigner, wir möchten, dass Sie das umsetzen; unsere Unterstützung haben Sie dabei. ({4}) Das gilt auch für die aktuelle Frage der Kennzeichnung von Frischmilch bzw. Milch. Aus unserer Sicht führt kein Weg an einer verbindlichen Kennzeichnung vorbei. Die Kennzeichnung muss eindeutig sein. ({5}) Wer Frischmilch mit „traditionell hergestellt“ kennzeichnen will, der offenbart eher literarische als verbraucherpolitische Kompetenz. ({6}) Bei „traditionell hergestellt“ denkt man eher an den Melkschemel, vielleicht auch an Rohmilch. ({7}) Frischmilch muss Frischmilch bleiben und soll auch so heißen. Dieser Grundsatz gilt auch für die H-Milch. Beide Kennzeichnungen sind gut eingeführt. Jeder Käufer weiß, was in der Packung ist. Das Wort „ESL-Milch“ haben viele Verbraucherinnen und Verbraucher sicher noch nie gehört. Dahinter verbirgt sich Milch, die nach relativ neuen Verfahren hergestellt wird. Sie ist länger haltbar und deswegen eben nicht frisch, weshalb der Begriff „frisch“ auf der Packung nichts zu suchen hat. ({8}) Wir möchten diese Milch einfach als Milch bezeichnen, Herr Goldmann; zusätzlich muss das Herstellungsverfahren - hocherhitzt oder gefiltert - auf der Verpackung erscheinen. ({9}) Das ist nicht der Streit um des Kaisers Bart; denn wie die Milch behandelt wird, entscheidet über Geschmack und über Inhaltsstoffe. ({10}) Deshalb muss die Verkehrsbezeichnung eindeutig sein. Wer Frischmilch kaufen will, soll auch Frischmilch bekommen. ({11}) Wer Frischmilch produziert, darf nicht benachteiligt werden, indem die hocherhitzte oder gefilterte ESLMilch, die länger haltbar ist, als Frischmilch deklariert wird. ESL-Milch wird von den Handelsketten möglicherweise lieber abgenommen, weil sie länger haltbar ist. Auch das sollten wir noch vor der Sommerpause regeln, Frau Aigner. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Peter Bleser spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz intensiven Zuhörens konnte ich eine Fundamentalkritik an der Ministerin nicht vernehmen. ({0}) Es waren sich nicht alle einig, was die Nährwertkennzeichnung angeht. Aber ansonsten ist die Ministerin - unterschiedlich nuanciert - gelobt worden. ({1}) Das war auch berechtigt; denn Frau Aigner hat genau das gemacht, was sie in ihrer jetzt etwas über 100 Tage langen Amtszeit richtigerweise tun musste: Sie hat - in Fortsetzung von Seehofers Politik - neue Akzente gesetzt. Wir werden sehen, wie diese in der Praxis umgesetzt werden. Sie hat Beispiele dafür genannt. ({2}) Ich glaube, es ist sichtbar geworden: Wir, die Union, sind die treibende Kraft beim Verbraucherschutz. ({3}) Das wird auch draußen, zum Beispiel vom Verbraucherschutzverband, so gesehen. Gebremst werden wir von der Opposition, teilweise aber auch vom Koalitionspartner. ({4}) Es ist ein schwieriges Geschäft - dafür kann ich Ihnen Beispiele nennen -, sich für die Verbraucher einzusetzen. Das Wort „Verbraucherschutz“ ist noch relativ jung; heute wird es wahrscheinlich mit Anglizismen bezeichnet. Es wurde geschaffen, um den Schutz der Verbraucher zu verbessern. Diesen Schutz brauchen sie auch heute noch; denn sie stehen nach wie vor großen und mächtigen Anbietern gegenüber, die nicht immer mit lauteren Methoden am Markt auftreten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Bleser, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Happach-Kasan zulassen?

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Bleser, Sie haben gerade deutlich gesagt, Verbraucher brauchen Schutz.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Richtig.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich gehe einmal davon aus, dass Sie damit auch meinen, dass Verbraucher Schutz vor Irreführung brauchen. ({0}) - Danke für den Beifall aus der SPD. - In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf die „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung ansprechen, die von der Großen Koalition beschlossen worden ist, und Sie fragen, ob Ihnen die Untersuchung der Universität Gießen bekannt ist, in deren Rahmen nachgefragt worden ist, was denn Verbraucher mit einer solchen Kennzeichnung verbinden. Dabei wurde festgestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bei der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung davon ausgehen, dass in diesen Produkten wirklich keinerlei Gentechnik enthalten ist, dass beispielsweise in der Fütterung keine Vitamine oder Aminosäuren verwandt worden sind, die mit gentechnischen Methoden hergestellt worden sind.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich verstehe Ihre Frage, Frau Happach-Kasan.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte wissen: Ist das Ihre Vorstellung vom Schutz des Verbrauchers vor Irreführung?

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich jetzt nicht an dieser Stelle stehen würde, würde ich sagen: Dafür könnte ich Sie knutschen. ({0}) Die Frage ist sehr gut; denn auch an diesem Beispiel wird die Haltung der Union deutlich. Wir von der Union wollten eine Prozesskennzeichnung, bei der die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ nur dann hätte verwendet werden dürfen, wenn im Prozess keine Gentechnik eingesetzt worden ist. Wir haben einen Kompromiss finden müssen - ich sage es ganz offen; so ist das nun einmal in einer Koalition -, nach dem nach der EU-Bio-Verordnung auch solche Produkte mit „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet werden dürfen, ({1}) in denen Enzyme und Vitamine, die gentechnisch verändert hergestellt worden sind, enthalten sind, ({2}) bei denen Tiere zum Beispiel in einem gewissen Zeitraum mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert worden sind. Aber es ist trotzdem nicht gelogen. Deswegen haben wir den Kompromiss mitgetragen. Klar ist: Es ist eine Kennzeichnung analog zur EUBio-Verordnung, und damit weiß jeder, der die Kennzeichnung sieht, dass es sein kann, dass im Produktionsprozess gentechnisch veränderte Produkte eingesetzt worden sind. ({3}) Insofern gebe ich Ihnen recht, und ich bedaure, dass nicht mehr durchsetzbar war. Aber immerhin ist es nicht unwahr, sondern es ist eine Möglichkeit, die von wenigen Wirtschaftsbeteiligten bisher genutzt wird. ({4}) Meine Damen und Herren, ich habe von einem Ungleichgewicht zwischen Verbrauchern und Anbietern gesprochen. Das ist nach wie vor der Fall. Deswegen brauchen wir eine aktive Verbraucherschutzpolitik. Das Ungleichgewicht ist zum Teil durch neue Technologien, insbesondere das Internet, bedingt. Wir haben auch durch die Globalisierung der Märkte sehr widersprüchliche Regelungen. Wir sehen an der Finanzkrise, welche Wirkungen das haben kann. Deswegen haben wir als Union das zentrale Ziel ausgegeben: mehr Rechte, mehr Information und mehr Waffengleichheit ({5}) für die Verbraucher, damit sie auf Augenhöhe am Marktgeschehen teilnehmen können. Dafür haben wir einiges getan; auf das Verbraucherinformationsgesetz ist schon mehrfach hingewiesen worden. Herr Goldmann, Sie haben es angesprochen: Dass die Behörden von Greenpeace lahmgelegt werden, ist die Folge davon, dass sich diese Organisation dieses Verhalten zum Geschäftsmodell gemacht hat. ({6}) Das darf man auch an dieser Stelle des Deutschen Bundestages einmal zur Sprache bringen. ({7}) Anstatt dem Verbraucher, der Sorgen und Informationsbedürfnisse hat, die Möglichkeit zu geben, sich bei den Behörden zu informieren, legt Greenpeace die Behörden systematisch mit Anfragen lahm, weil man glaubt, irgendeinen Skandal entdecken und für sich nutzen zu können. Meine Damen und Herren, die Ohne-GentechnikKennzeichnung habe ich schon angesprochen. Frau Ministerin hat es richtigerweise gesagt: Wir stehen in vielen Bereichen erst am Anfang. Da geht es um die Telefonwerbung, die jetzt gesetzlich geregelt werden soll. Wir wollen die aktive Bestätigung des Kunden vorsehen, ob er einen Vertrag abschließt oder nicht. Alle noch anstehenden Rechtsetzungen - zum Beispiel zu den Fahrgastrechten und im Finanzdienstleistungsbereich - sind natürlich richtig und wichtig; sie helfen weiter. Aber sie reichen nicht aus; denn der Verbraucher kann das nicht allein bewältigen. Er braucht Hilfe und Informationen, um sich entsprechend positionieren zu können. Deswegen haben wir in der Koalition die Verbraucherschutzzentralen und die Stiftung Waren22316 test von Anfang an unterstützt. Wir haben die entsprechenden Mittel bereitgestellt, um auch hier eine entsprechende Ausstattung sicherstellen zu können. ({8}) Zurzeit beschäftigen wir uns mit zwei weiteren Themen - eines wurde schon angesprochen, das andere aber noch nicht ausreichend -: mit dem Thema Datenschutz und dem Thema Nährwertkennzeichnung. Ich will im Hinblick auf den Datenschutz eines deutlich machen: Das Internet vergisst nichts. Wir haben ungeahnte Möglichkeiten bei der Sammlung, Speicherung und Auswertung von Daten. Das erleben wir auch bei aktuellen Skandalen, zum Beispiel bei der Bahn. Deswegen hilft es nicht, wenn wir Rechtsetzungen allein auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse vornehmen. Ich glaube - das ist jetzt eine Ankündigung -, dass wir ein Gutachten brauchen, um nach technischen und rechtlichen Möglichkeiten zu suchen, die Bürgerrechte zu schützen. Nach unserer Auffassung hat jeder Bürger das Recht auf Selbstbestimmung hinsichtlich seiner eigenen Daten. Dieses Recht darf nicht durch wirtschaftliche Erwägungen abgeschwächt werden. ({9}) Ich sage das ganz deutlich im Zusammenhang mit dem Listenprivileg. Nicht wenige Versandhäuser, aber auch Teile der Gewerkschaften sind an uns herangetreten mit dem Wunsch, dass man das nicht so eng sehen solle. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aus meiner Sicht ein Grundrecht, das nicht zur Disposition steht. Das sollten wir uns alle auf die Fahnen schreiben; ({10}) denn ansonsten erleben wir aufgrund der Entwicklung, die noch möglich ist - wir stehen, wie Sie wissen, erst am Anfang -, den einen oder anderen Exzess. Ich glaube, wir sind uns einig: Wenn wir das schaffen, können wir weiterkommen. Ich will das zweite Thema ansprechen - denn hier unterscheiden sich die Linien in diesem Haus klar -: das Thema Nährwertkennzeichnung. Die Union richtet ihre Politik auf den mündigen Verbraucher aus. ({11}) Deshalb sind wir wie die gesamte Wissenschaft für eine Nährwertkennzeichnung, welche dem Verbraucher hilft, seine Ernährung am Tagesbedarf an Nährstoffen auszurichten und zu lernen, wie man sich mit unterschiedlichen Zutaten ernähren kann und dass Essen und Bewegung zwei Seiten eines gesunden Menschen sind. ({12}) Da unterscheiden wir uns fundamental. Sie wollen dem Bürger vorschreiben, was er macht. ({13}) Sie wollen ihn mit einer Ampel-Kennzeichnung belasten. Ich sage Ihnen: Das spricht dem Bürger die eigene Urteilsfähigkeit ab. Ampeln gehören an eine Straßenkreuzung und nicht auf Lebensmittel. ({14}) Die Finanzkrise hat gezeigt, dass ungeregelte Märkte zu Chaos und schwersten Schädigungen führen. Das erleben wir jetzt. Wir haben vor einer guten Stunde ein Gesetz verabschiedet, mit dem gigantische Summen in den Markt gepumpt werden, damit die gröbsten Verschiebungen vermieden werden können. Heute kann man das Fazit ziehen - Frau Ministerin Aigner hat das sehr deutlich gemacht -: Wir, die Union, haben die Verbraucherpolitik in das Zentrum unserer Politik gerückt. Darauf sind wir sehr stolz. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Manfred Zöllmer, SPDFraktion.

Manfred Zöllmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- Es ist doch nicht schlecht, wenn man sich freut. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weiß Amazon, was ich verdiene? Weiß Google mehr über mich als ich selber? Das sind Fragen, die sich heute viele Verbraucherinnen und Verbraucher stellen. Das Internet nimmt in der Reihe der unverzichtbaren Dinge in unserem Leben inzwischen Platz 5 ein und liegt damit sogar vor dem Auto. Es hat unser Leben in kürzester Zeit revolutioniert, obwohl es noch ganz jung ist. In Deutschland sind inzwischen über 2 Millionen Nutzer bei Facebook registriert. Bei privaten Verkäufen über das Internet liegt Deutschland in Europa an der Spitze. Jeder vierte Deutsche hat 2007 seine Reise im Internet gebucht, und 35 Prozent der Deutschen führen ihre Konten online. Das Internet führt auf der einen Seite zu nicht gekannter Konsumentenmacht: bei Preisvergleichen, in Blogs, in Konsumentenportalen. Da werden Unternehmen in kürzester Zeit gezwungen, miese Produkte schnell vom Markt zu nehmen. Geschädigte können sich zusammenschließen. Wir haben das im Bereich Energie sehr deutlich gemerkt. Wir wissen aber, dass das Internet auch andere Überraschungen bietet: Viren, Phishing, Cyberbullying, Abzocke, Täuschung und Betrug. Die Macht der Konsumenten und Konsumentenschutz sind also zwei Seiten einer Medaille. Aufgrund der Veränderungen bei den Einkaufs- und Kommunikationsgewohnheiten der VerManfred Zöllmer braucherinnen und Verbraucher, die ich eben beschrieben habe, muss sich die Verbraucherpolitik völlig neuen Herausforderungen stellen. Das tut die Große Koalition. In einer nie dagewesenen Weise werden von Unternehmen, sozialen Netzwerken und Onlinediensten persönliche Daten gesammelt, verkauft, verschoben und verknüpft. Zum Teil werden sie gezielt und zum Teil versteckt abgefragt, zum Teil werden sie aber auch naiv oder gutgläubig durch die Verbraucherinnen und Verbraucher preisgegeben. Dies gilt insbesondere für jüngere Leute. Die vielfältigen Skandale der letzten Zeit zeigen eines: Wir brauchen einen sorgfältigeren und transparenteren Umgang mit persönlichen Daten. Ich bin sehr froh, dass der Kollege Bleser eben auf das Selbstbestimmungsrecht hingewiesen hat. Die Selbstbestimmung über die eigenen Daten muss in der Tat im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Dieser Anspruch muss von der Gesetzgebung aufgenommen und die Politik an die Bedingungen der modernen Informationsgesellschaft angepasst werden. Das gilt heute nicht mehr nur für den Staat, wie es in der Vergangenheit der Fall war, sondern in besonderem Maße auch für die Wirtschaft. Deshalb beschäftigen wir uns in drei Gesetzesvorhaben mit Fragen des Datenschutzes, die im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher liegen. Die erste Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes sieht mehr Transparenz in Scoringverfahren vor, damit Konsumenten und Kreditnehmer Entscheidungen über Bonität und Zinssätze - dabei geht es schließlich um das Geld der Verbraucherinnen und Verbraucher - nachvollziehen können. Wir brauchen Transparenz und eine Verwirklichung der Prinzipien Datensparsamkeit und Nichtdiskriminierung. Ich sage sehr deutlich: Georeferenzdaten haben beim Scoring nichts zu suchen. Wir wollen keine Ausgrenzung von Menschen, nur weil sie im vermeintlich falschen Stadtteil leben. ({0}) Daneben geht es insbesondere um den Wegfall des Listenprivilegs. Das Listenprivileg bevorteilt das Direktmarketing in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Hier gibt es sehr unterschiedliche Interessen: die werbetreibende Wirtschaft auf der einen Seite und die Bürgerinnen und Bürger, die zu Recht verlangen, dass ihre Daten nicht zum Handelsobjekt werden, auf der anderen Seite. ({1}) Ein „Weiter so!“ darf es auf diesem datenschutzrechtlichen Gebiet nicht geben. Ich bin dem Kollegen Bleser sehr dankbar dafür, dass er diesbezüglich für die CDU/ CSU-Fraktion sehr deutlich Position bezogen hat. Das hat man bisher so nicht gehört. ({2}) - Ja, auch Staatssekretärin Heinen hat das in dieser Woche auf einer Veranstaltung so gemacht. Ich bin sehr gespannt, ob das, was hier so markig verkündet worden ist, letztendlich Eingang ins Gesetz findet. ({3}) Wir sind jedenfalls bereit, dies umzusetzen. Jetzt ist es an der CDU/CSU, uns hierbei zu unterstützen. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung werden wir die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern, damit der unerlaubte Eingriff in die Privatsphäre drastisch verringert wird. ({4}) Die Vorschläge, die bisher auf dem Tisch liegen, sind effizient und wirksam. Sie knüpfen an das bewährte Widerrufsrecht an. Wir werden dies gesetzlich umsetzen. Bei allen Entscheidungen müssen die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig eine noch stärkere Rolle spielen. Deshalb möchte ich sehr deutlich sagen: Hände weg von der Privatkopie! Wer die Privatkopie weiter einschränken will - hier gibt es massive Versuche vonseiten der Wirtschaft, auf die Politik Einfluss zu nehmen -, wird die Folgen dieser verbraucherunfreundlichen Politik direkt zu spüren bekommen. ({5}) Das Beispiel des Digital Rights Managements bei Musikdownloads zeigt: Wer Verbraucherinteressen mit Füßen tritt, muss dafür mit Umsatzrückgang bezahlen. ({6}) Der technische und wirtschaftliche Wandel zeigt: Verbraucherpolitik war noch nie so wertvoll wie heute. Sie sehen, Frau Ministerin, dass Sie - anders als Ihr Vorgänger, der nur ein geringes Interesse an diesen Themen hatte - stark, beharrlich und durchsetzungsfähig sein müssen. Unsere Unterstützung haben Sie. Wir Sozialdemokraten werden in dieser Koalition die treibende Kraft in der Verbraucherschutzpolitik bleiben. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollegin Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! In dieser Debatte haben wir immer wieder die Worte „Transparenz“ und „Sicherheit für die Verbraucher“ gehört. Es ist uns allen klar, dass das notwendig ist. Aber Sonntagsreden reichen nicht aus. Wir müssen etwas tun. Auch ich habe viele Anfragen und Briefe bezüglich dieser berühmten ESL-Milch bekommen. Ich wette, viele der Zuschauer hier haben davon noch nichts gehört, Waltraud Wolff ({0}) ({1}) weil sie die Milch in dem Glauben gekauft haben, sie würden frische Milch kaufen. Das ist das Problem. Darum geht es uns. ({2}) Was die Frische der Milch angeht, dürfen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht täuschen. ({3}) Was macht das BMELV? Es verhandelt mit den Herstellern und mit dem Handel. Das Ergebnis ist, dass ESLMilch Frischmilch mit dem Zusatz „länger haltbar“ bleibt. Das ist doch Täuschung; das ist keine Transparenz. ({4}) Wir reden über Verbraucherschutzpolitik. Über uns befindet sich die Kuppel. Wir könnten sie rein theoretisch auch als eckig mit dem Zusatz „ohne Kanten“ bezeichnen. Dennoch bleibt die Kuppel rund. Darum sage ich: Hocherhitzt ist hocherhitzt, und Frischmilch ist Frischmilch. ({5}) Die SPD schlägt drei Kennzeichnungen vor: „frisch“ für frische Milch, „Milch“ für ESL-Milch, und „HMilch“; diese Kennzeichnung hat sich bewährt. ({6}) Das ist eindeutig; das ist klar. Das entspricht den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir wollen keine Bezeichnungen, die uns der Handel abfordert, sondern eine Bezeichnung, die nichts verschleiert. Sehr geehrte Frau Aigner, ({7}) die letzten Monate der Amtszeit Ihres Vorgängers, Herrn Seehofer, waren vom Engagement für Bayern geprägt; das will ich einmal so ausdrücken. ({8}) Er hat viele Baustellen, geradezu - ich möchte es einmal so nennen - verbraucherpolitische Baulücken hinterlassen. Ich könnte es auch landwirtschaftlich ausdrücken; aber das lasse ich jetzt lieber. Bisher haben Sie leider noch nicht begonnen, diese Baulücken zu schließen. Sie haben noch nicht angefangen, den Keller zu bauen, geschweige denn ein Haus. Die erste Baustelle ist das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Als es um die Gammelfleischskandale ging, hat sich Herr Seehofer als einer der Ersten für den Informantenschutz eingesetzt. Wir alle erinnern uns noch an den Lkw-Fahrer, der den Mut hatte, den Gammelfleischskandal aufzudecken. Er hat von Ihrem Ministerium die Goldene Ehrenplakette erhalten. Ich möchte aus einer Pressemitteilung zitieren, was Herr Seehofer bei der Verleihung gesagt hat: Die Auszeichnung solle Bewusstsein bilden und präventiv wirken. Auch der Politik gebe ein Engagement dieser Art Gelegenheit zu überlegen, was verbessert werden müsse. So will die Bundesregierung im Herbst den arbeitsrechtlichen Schutz von Informanten wie Miroslaw Strecker gesetzlich verankern. - Gemeint ist der Herbst 2007. Bis heute ist aber nichts geregelt. Die Union hat dies im Bundestag verhindert. ({9}) - Ich lasse keine Zwischenfrage zu, Peter. ({10}) - Nein, nicht weil sonst die Wahrheit ans Licht kommt, sondern weil ich dir nicht die Chance geben möchte, dazu noch einmal Stellung zu nehmen. ({11}) Dass Herr Seehofer die Verleihung der Goldenen Plakette ernst genommen hat, nehme ich ihm ab. Mehr als ein schönes Foto ist dabei aber nicht herausgekommen. ({12}) Frau Ministerin, ich weiß nicht, ob Herr Seehofer Ihnen vor Ihrem Amtsantritt gesagt hat, dass die CDU/ CSU-Fraktion ein Bremsklotz ist. Das ist aber auch egal. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht es nämlich nicht um die Ankündigung von Maßnahmen, sondern um ihre Umsetzung. ({13}) Sie erwarten mehr. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten auch mehr als nur gute Produktqualität. Die Nachfrage nach Bio- und regionalen Produkten macht deutlich, dass ihnen auch Nachhaltigkeit - dieses Stichwort ist in der heutigen Debatte schon erwähnt worden - wichtig ist. Dazu gehören auch Tierschutz und artgerechte Haltung. Im Koalitionsvertrag haben wir beispielsweise vereinbart, einen Tierschutz-TÜV einzuWaltraud Wolff ({14}) führen. Das ist die offene Baustelle Nummer zwei. Die Union blockiert. ({15}) Die dritte Baustelle ist die Grüne Gentechnik. Herr Seehofer und Herr Söder machen für Bayern deutlich, dass sie die größten Gegner der Grünen Gentechnik sind, und auf Bundesebene blockiert die Union. Das kann so nicht weitergehen. Auch die Finanzmarktkrise ist bereits angesprochen worden. Frau Ministerin, auch Sie haben Beispiele genannt und darauf hingewiesen, dass manche Menschen um ihr Erspartes gebracht wurden. Es ist deutlich geworden: Es handelte sich nicht immer um Beraterbanken, sondern auch um Drückerkolonnen. Wir müssen also handeln. Aus diesem Grund schlägt die SPD, wie in der Presse schon oft zu lesen war, vor, einen Finanz-TÜV einzuführen. ({16}) Wir wollen eine bessere Beratung und Aufklärung und eine bessere Dokumentation. Für den Streitfall muss auch die Beweislage verbessert werden. Wir setzen uns im Hinblick auf den Finanzmarkt für einen Marktwächter ein - aus unserer Sicht ist er unerlässlich -, der im Interesse der Verbraucherinnen und der Verbraucher tätig sein soll. Finanzprodukte und ihr Vertrieb sollen unter die Lupe genommen werden. Werden Missstände aufgedeckt, muss gegen sie vorgegangen werden, nach dem Motto „Schnüffeln, bellen, beißen“. Wir sind uns alle einig, dass wir im Bereich der Finanzdienstleistungen mehr Verbraucherschutz brauchen. Die Union hat dazu, wie der Presse zu entnehmen ist, mehrere Vorschläge gemacht; es ist ja häufig so, dass solche Vorschläge in der Presse zu lesen sind. Frau Aigner, überzeugen Sie Ihre Fraktion, diese Vorschläge zu unterstützen - denn die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Hilfe und Ergebnisse -, und machen Sie bitte nicht die nächste Baustelle auf! Danke schön. ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Peter Bleser.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin Wolff, da Sie keine Zwischenfrage zulassen wollten, möchte ich den Sachverhalt jetzt im Rahmen einer Kurzintervention klarstellen. ({0}) - Natürlich. Wir könnten das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch im Deutschen Bundestag noch heute verabschieden, ({1}) wenn es zum Inhalt hätte, dass das Bußgeld bei entsprechendem Fehlverhalten von 30 000 Euro auf 50 000 Euro erhöht wird und dass jeder, dem nicht gesetzeskonforme Ware, zum Beispiel Gammelfleisch, angeboten wird, verpflichtet ist, dies den Behörden zu melden. Diese deutliche Verbesserung könnten wir noch heute beschließen. Was wir dagegen nicht machen können, ist, einen Denunziantenschutz zu beschließen. ({2}) Wir wollen nicht, dass, wenn Ordnungswidrigkeiten in einem Betrieb vorkommen, ein Mitarbeiter dafür, dass er sein Unternehmen anschwärzt, Kündigungsschutz erhält. Bei einer solchen Regelung wäre Missbrauch Tür und Tor geöffnet. ({3}) Wenn es hingegen um Straftaten geht, besteht - ein solches Urteil könnte Ihnen bereits der Pförtner des Gerichts ausstellen - Kündigungsschutz für den Mitarbeiter. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Wolff.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bedanke mich herzlich, dass ich dazu noch einmal Stellung nehmen darf. Sehr geehrter Herr Bleser, Sie werden doch nicht die lobende Auszeichnung seitens des Vorgängers von Frau Aigner mit der Medaille seines Bundesministeriums als „Denunziantenschutz“ bezeichnen. ({0}) Herr Seehofer wollte genau diesen Informantenschutz einführen, und dazu hatte er nicht nur die Unterstützung der SPD, sondern, glaube ich, auch die der anderen Fraktionen, die auf dieser Seite des Hauses sitzen. Was Sie hier vorbringen, richtet sich gegen Ihr eigenes Haus. Ich denke nicht, dass diese Antwort die richtige sein kann. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/9163 und 16/11881 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wir kommen zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11907. Interfraktionell ist vereinbart, über den Entschließungsantrag auf Wunsch der Fraktion Die Linke abweichend von der Geschäftsordnung sofort abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann verfahren wir so. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft - Drucksache 16/5955 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Begleitgesetzes zum Gesetz zur Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft ({0}) - Drucksache 16/5954 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) - Drucksache 16/10384 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({2}) Roland Claus Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Petra Merkel für die SPD-Fraktion das Wort.

Petra Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003591, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung die Gesetzentwürfe von Bündnis 90/ Die Grünen aus dem Jahr 2007. Wir haben diese Gesetzentwürfe im Haushaltsausschuss bereits im September 2008 abgelehnt. Bei dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft - ein wunderbarer Titel! - geht es unter anderem um das, worum wir uns in den letzten beiden Jahren in der Föderalismuskommission II bemüht haben: einen Weg zu finden, wie die Schulden des Bundes und auch der Länder begrenzt werden können. Seit dem Ende der Föderalismuskommission I diskutieren wir über Regelungen für die Finanzströme zwischen Bund und Ländern. Es geht somit um etwas mehr als um eine Schuldenregel. 2007 hat sich, wie in der Föderalismuskommission I vorgesehen, eine Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, kurz: Föderalismuskommission II, gegründet. Auftrag dieser Kommission war es, Vorschläge zur Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen zu erarbeiten. Gestern hat die letzte Sitzung dieser Kommission stattgefunden. ({0}) - Eine allerletzte, Herr Bonde, in der es um rein Redaktionelles gehen soll, wird am 5. März stattfinden. Im Anschluss werden die Ausführungsgesetze erarbeitet, und die parlamentarischen Beratungen werden folgen, damit wir die notwendigen Gesetzesänderungen bis zum Sommer beschließen können. Dazu brauchen wir, wie Sie wissen, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Schon deshalb müssen die Ergebnisse der Föderalismuskommission II, insbesondere die Schuldenregel, die eingeführt werden soll, konsensfähig sein. Die Gesetzentwürfe der Grünen sind mit „Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft“ gut überschrieben. Doch leider stammen diese Gesetzentwürfe von Juli 2007, sind unter komplett anderen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfasst worden, als wir sie derzeit haben. „Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft“ - genau das muss auch eine Schuldenregel sicherstellen, und deswegen nenne ich einige Punkte, die ich als wesentliche Kriterien für eine neue Schuldenregelung sehe: Sie muss besser sein als die, die wir im Augenblick im Grundgesetz haben. - In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern erfahren wir, dass das Anhäufen von Schulden und damit verbunden das verstärkte Anwachsen des Schuldenberges viele Menschen sehr verunsichert. Das ist auch verständlich, und deswegen müssen wir klarstellen, dass wir nur bedingt Schulden machen wollen. Die Schuldenregel muss allerdings auch einen handlungsfähigen Staat und ein starkes Parlament gewährleisten. Sie muss den Konjunkturzyklus beachten, und sie muss generationengerecht sein. Wir haben uns in der gestrigen Kommissionssitzung auf eine neue Schuldenregel verständigt, und darüber werden wir noch ausführlich beraten. In den letzten Monaten - das wissen Sie alle - haben sich die Bedingungen dramatisch verändert. In diesen schwierigen Zeiten fiel nun auch das Ende der Föderalismuskommission II und damit auch die Entscheidung über eine neue Schuldenregel. Das erschien einigen angesichts der derzeitigen Belastungen und der Petra Merkel ({1}) Summen, die wir in die Hand nehmen, um die Wirtschaftskrise zu überstehen, widersprüchlich. Während die einen fanden, eine neue Schuldenregel brauche man gerade jetzt, fanden die anderen, die Zeit, in der wir jegliche Schuldengrenzen überschreiten, sei nicht der richtige Zeitpunkt, um so etwas einzuführen. Wenn wir eine neue, bessere Regelung zur Verschuldungsbegrenzung finden wollen, dann müssen wir sie in der Praxis testen, wo sie sich bewähren muss, und zwar auch im extremsten Fall, den wir vorher wahrscheinlich so gar nicht konstruiert hätten. Man testet doch auch keine Geländewagen auf dem Parkplatz oder in der Garage. ({2}) Zurück zu Ihren Gesetzentwürfen. Warum haben Sie eigentlich Ihre alten Gesetzentwürfe herausgeholt und auf die Tagesordnung setzen lassen, habe ich mich gefragt. Sie wissen, dass eine Schuldenregel nur eine Chance haben wird, wenn wir über Fraktionsgrenzen hinweg arbeiten, über Koalitionsgrenzen hinweg übrigens auch. Es wird nur gemeinsam mit Bund und den Ländern gelingen. Dazu wurde die Föderalismuskommission eingesetzt. Deshalb kann ich die Gesetzentwürfe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt nicht nachvollziehen. Sollten sie als Vehikel dazu dienen, eine Diskussion über die Föderalismusreform zu führen, sind sie nicht tauglich, weil wir die konkreten Texte brauchen, um darüber zu diskutieren. Die werden zurzeit erarbeitet und erst im März vorliegen. Dann wird die parlamentarische Arbeit losgehen bzw. weitergehen. Wenn Sie aber die Gesetzentwürfe herausgeholt haben, um uns eine nicht zukunftsfähige Haushaltspolitik vorzuwerfen, dann ist Ihr Vorhaben auch misslungen. Wir haben vorhin das zweite Konjunkturpaket verabschiedet, und eines ist doch klar: Wir machen keine Schulden, um uns unverantwortlich gegenüber dem Steuerzahler zu verhalten. Schulden sind kein Selbstzweck. Wir machen im Moment Schulden, weil wir angesichts der Weltwirtschaftskrise alles uns Mögliche unternehmen wollen, um die Auswirkungen auf unser Land abzumildern, um Menschen in Beschäftigung zu halten, um aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Über das Konjunkturpaket II haben wir aber bereits in aller Ausführlichkeit diskutiert; das müssen wir an dieser Stelle nicht mehr tun. Noch einmal ganz deutlich: Hätten wir nicht in der Vergangenheit mit Finanzminister Steinbrück einen Weg der Konsolidierung verfolgt, dann wären wir jetzt nicht handlungsfähig und hätten jetzt nicht die Möglichkeit und nicht die Mittel, um so agieren zu können, wie wir es tun. Ihre Gesetzentwürfe sind im September 2008 - das sagte ich bereits - im Haushaltsausschuss abgelehnt worden. Ablehnung empfehle ich heute auch. Da sie die Handschrift von Anja Hajduk tragen, ein Gruß nach Hamburg. In der Zwischenzeit hat sie längst eine andere Funktion. Ich habe mir für heute noch eine gute Tat vorgenommen und schenke Ihnen deshalb jetzt Zeit und beende meine Rede. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen eine gute Beratung. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Otto Fricke für die FDPFraktion. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Merkel, herzlichen Dank für das kleine Geschenk. - Ich will anfangen mit einem Satz aus dem Buch der Bücher. Auch bei Schulden geht es ja um das große Ganze, wo wir hin wollen. Im zweiten Korintherbrief finden wir einen schönen Satz, der die Schulden und die Frage, warum wir keine Schulden machen sollten, genau betrifft: Denn die Kinder sollen nicht für die Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern für die Kinder. Ein eigentlich ganz einfacher Satz, aber er beinhaltet nichts anderes als unseren Generationenvertrag, den wir alle als Politiker in den letzten Jahrzehnten verletzt haben. ({0}) Deswegen sage ich ganz bewusst: Der Gesetzentwurf der Grünen ist eine gute Tat, er zeigt in die richtige Richtung, er ist aber noch nicht das, was wir als FDP wollen. Ich will ausdrücklich positiv hervorheben, dass Sie mit den Ansätzen, die Verfassung zu verändern, die entsprechenden Haushaltsordnungen zu verändern usw., in die richtige Richtung gehen. Das gilt insbesondere für das Top-Down-Verfahren. Dabei wird festgelegt, wo sich der Deckel der Ausgaben befindet, und unterhalb dieses Deckels muss sich geeinigt werden, wie viel Geld ausgegeben wird. Bisher war es demgegenüber so, dass 20 Minister - oder wie viele es auch immer gerade sind - im Kabinett sitzen, von denen jeder sagt, dass er gerne ein bisschen mehr hätte. Das kann nicht mehr der richtige Weg sein; denn die Große Koalition hat deutlich gezeigt: Wenn die Schwarzen sagen, dass sie 1 Milliarde Euro mehr brauchen, dann sagen die Roten nicht Nein, sondern dann wollen sie auch 1 Milliarde Euro mehr. So ist es auch umgekehrt gewesen. So war das auch beim Nachtragshaushalt, und so ist das auch bei dem sogenannten Konjunkturpaket. ({1}) Ich muss den Grünen aber doch deutlich sagen, dass auch sie, wie immer, Ausnahmen machen. Sie lassen viele Ausnahmen zu, sodass doch etwas anderes zulässig ist. Geben wir alle - auch wir als hier noch anwesende Haushälter - doch unumwunden zu, dass es Zeiten gibt, in denen Ausnahmen notwendig sind! Sie müssen aber eben die Ausnahme sein. Wenn Sie sich die Vergangenheit anschauen, dann sehen Sie, dass es schon immer Schuldenbremsen gab. In jedem Land auf der ganzen Welt gibt es Schuldenbremsen: auf jeder kommunalen Ebene und auf jeder Landesebene. Komischerweise gelingt es keinem dieser Länder, die Schulden wirklich zu bremsen. Das liegt an einem Grundkriterium, das man, wie ich finde, der Bevölkerung draußen auch sagen muss. Es geht um die Frage, wem man Sympathie entgegenbringt und mehr glaubt. Der eine sagt: Entschuldigung, wir haben Schulden. Das können wir uns nicht leisten, weil das zulasten zukünftiger Generationen geht. Es kann nicht sein, dass wir unseren Kindern Schulden bzw. noch mehr Schulden hinterlassen, während wir noch einen anderen Haushalt vorgefunden haben. - Der andere steht hier und sagt: Na ja, ich verstehe, das wir das müssen. Wir können es uns in einem so reichen Land wie Deutschland nicht leisten, dieses nicht zu erhöhen, jenes nicht zu tun und dafür kein Geld auszugeben. Die Sympathie liegt immer bei demjenigen, der Geld ausgibt. Liebe Bürger, ich sage das einmal ganz deutlich: Es ist Ihr Geld. Es sind Ihre Steuern, es sind keine Geschenke, die der Staat Ihnen macht. Das sind Geschenke, die Sie nachher selber bezahlen müssen. ({2}) Weil das so ist, fragt sich die Politik immer wieder, wie sie das vielleicht doch noch tun kann und ob sie vielleicht doch noch eine Ausnahme machen kann; denn sie bekommt ja immer noch Geld. Der Normalbürger, der über seine Verhältnisse lebt, bekommt kein Geld mehr. Der Staat geht dagegen an den Kapitalmarkt, auf dem ihm die Leute, andere Staaten usw. sagen, dass sie der Bundesrepublik Deutschland weiterhin zusätzliches Geld geben. Wenn man akzeptiert, dass die Politik immer wieder - egal welche Partei, welche Fraktion und in welchem Jahrzehnt - mehr Geld ausgegeben hat, als sie hatte, dann muss man auch erkennen, dass Regelungen, bei denen auch nur eine sehr kleine Lücke gelassen wird, zur Folge haben, dass wir weiter Schulden machen werden. Hier setzt dann auch die FDP mit ihrer Kritik an dem Vorschlag der Grünen an, von dem ich weiß, dass etwas anderes gewollt ist. Anders als große Teile meiner Fraktion bin ich persönlich übrigens der Meinung, dass das auch bei der jetzt geplanten Schuldenbremse so sein wird. Wir werden das in den Ausführungsgesetzes sehen: Es wird wieder so sein. An irgendeiner Stelle steht: wenn nicht besondere Voraussetzungen vorliegen. Wer definiert dann, ob diese „besonderen Voraussetzungen“ vorliegen? Das tut die Politik wieder selbst. ({3}) - Ja, schön. Sie sagen: „Natürlich“. - Was wird die Politik dann tun? Genauso hat die Große Koalition das 1969 schon einmal getan - spiegelbildlich. Damals war die Lösung, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festzustellen. ({4}) Wer hat festgestellt, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört war? Das war die Politik. Sie hat diese Dinge immer festgestellt: Entweder war die Arbeitslosigkeit zu hoch, oder das Wachstum war zu niedrig. Es konnte aber auch sein, dass es ein hohes Wachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit gab. Dann stieg eben die Arbeitslosigkeit zu schnell an. ({5}) - Doch, sie war beteiligt, aber verdammt noch mal: Versucht doch einmal, zu akzeptieren, dass wir uns auch selber misstrauen müssen. Politiker, die sich selber nicht misstrauen, erzählen der Bevölkerung, dass sie alles lösen können. Man muss sich selber misstrauen und sich als Politiker deswegen auch Grenzen setzen. - Das heißt für mich an dieser Stelle ganz klar, dass es primär ein Schuldenverbot geben muss. ({6}) - Kollegin Merkel, das ist meine Position. Ich sehe das so. Wenn Sie eine andere haben, dann akzeptiere ich sie. Ich sage nur: Meine Erfahrung als Vorsitzender des Haushaltsausschusses ist, dass uns am Ende - auch vor dem Bundesverfassungsgericht - immer gesagt wird, dass wir, wenn wir als Politiker die Ausnahmen für das Schuldenmachen definieren, auch Schulden aufnehmen dürfen. Das Ergebnis sehen wir, wenn wir die überschuldeten Kommunalhaushalte und Länderhaushalte sowie den überschuldeten Bundeshaushalt betrachten. An dieser Stelle will ich noch eines sagen: Bei der jetzt geplanten Schuldenbremse gibt es auch ein schönes Kontrollkonto für den Fall, dass man doch einmal zu viele Schulden macht. Man erkennt bei dem, was die Föderalismuskommission getan hat, schon, dass man sich misstraut. Diese Schulden können bis auf 37,5 Milliarden Euro anwachsen. Da haben wir sie schon wieder. Dann kann man ohne weiteres 37 Milliarden Euro Schulden machen, und dann wird es abgebaut. Was hören wir denn jetzt von den Ministerpräsidenten? Was hören wir aus Schleswig-Holstein? Was hören wir vom Berliner Regierenden Bürgermeister? Dieser sagt: Gut, dann beschließen wir das heute, aber spätere Generationen werden sich an dieser Stelle doch nicht daran halten. Dazu kann ich Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie jetzt schon bei Geburt einer neuen Schuldenbremse sehen, dass sich viele Politiker gar nicht daran halten wollen, weil sie über das Geldausgeben zum Ausdruck bringen wollen, was die richtige Politik ist, dann laufen wir wieder in genau denselben Fehler. ({7}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe zwar acht Minuten Redezeit, aber morgen ist Valentinstag. Dann werde ich meiner Frau eine Blume schenken. Es muss gar nicht so viel sein, auch wenn die Floristen gleich anrufen werden. Entscheidend aber ist: Da ich nur meiner Frau diese Blume schenken kann, aber nicht den hier anwesenden Damen, schenke ich den anwesenden Damen die restlichen anderthalb Minuten meiner Redezeit. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ein großzügiges Geschenk. - Nun hat Herr Kollege Jochen-Konrad Fromme von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar dafür, dass wir die Debatte jetzt führen. Anlässe kann es gar nicht genug geben, um vor dem gesamten Haus auch einmal die Finanzthemen auszubreiten. Die Tatsache, dass der Antrag überholt ist, spielt gar keine Rolle. Er war ein Meilenstein einer Debatte. Wo stehen wir? Vom gesamten Haushalt von 290 Milliarden Euro entfallen 43 Milliarden Euro auf die Zinsen. In Ihrem Antrag ist noch von 39 Milliarden Euro die Rede. Daran kann man erkennen, wie schnell sich das entwickeln kann. Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spielen. Deswegen müssen wir etwas unternehmen, und deswegen müssen wir etwas verändern. Herr Kollege Fricke, eines teile ich nicht. Ich bin der Meinung, dass Schuldenbremsen wirken. Wenn Sie die Entwicklung genau beobachten, dann stellen Sie fest, dass die Kommunen besser dran sind als Bund und Länder. Das hat nichts damit zu tun, dass es in den Kommunen die besseren Politiker gibt, sondern das hat etwas damit zu tun, dass sie tilgen müssen. Auf das TilgenMüssen werde ich im Laufe meiner Rede noch zurückkommen; denn das ist der Casus knacksus. Schulden an sich sind weder gut noch böse. Das ist wie das Feuer: Es kann wärmen, es kann verzehren. Deshalb sind staatliche Schulden möglicherweise grundsätzlich sinnvoll, nämlich dann, wenn man damit in die energetische Sanierung eines alten Haus investiert und dadurch mehr Heizkosten spart, als man für Zinsen und Abschreibung aufwenden muss. Deswegen kommt es auf den richtigen Umgang mit Schulden an, aber nicht auf die Tatsache an sich. Was ist in Deutschland falsch gelaufen? Wie sind wir in diesen Zustand hineingekommen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, die letzte Große Koalition hat im Jahr 1969 das Haushaltsrecht verändert. Seinerzeit hatten wir praktisch ein absolutes Schuldenverbot. Nur bei sogenannten werbenden Maßnahmen, wenn den Ausgaben innerhalb eines Etats Einnahmen gegenüberstanden, konnte man Schulden machen. Man musste sie aber im gleichen Fachetat im gleichen Titel tilgen. Deshalb hat es bis dahin praktisch keinen Schuldenaufbau in Deutschland gegeben, obwohl dies in den Aufbaujahren sicherlich sinnvoller gewesen wäre. 1969 haben wir die Verschuldungsmöglichkeiten durch zwei Begriffe ergänzt. Zum einen haben wir gesagt, dass Investitionen mit Schulden finanziert werden können. Zum anderen haben wir außerhalb der Investitionen die Kreditaufnahme zur Bekämpfung von Konjunkturschwächen zugelassen. Beides hat im Ergebnis dazu geführt - deshalb ist es so falsch gelaufen -, dass wir konsumtive Ausgaben mit Krediten finanziert haben. Das war der Grundfehler. Warum ist das so passiert? Wenn wir ein Auto kaufen, dann steht das als Investition in unseren Gruppierungsvorschriften und darf mit Kredit finanziert werden. Aus Haushaltssicht ist das Thema Auto mit dem Autokauf abgeschlossen. In Wahrheit ist es natürlich anders; denn erst dann, wenn das Auto benutzt wird, setzt der Werteverzehr ein. Dieser spiegelt sich im Haushalt jedoch nicht wider. Deshalb haben wir konsumtive Ausgaben im Haushalt in großem Umfang mit Schulden finanziert. Wir haben das Ganze noch potenziert. Wenn wir der Meinung waren, es herrschte eine Konjunkturkrise - daran waren alle Parteien dieses Hauses beteiligt; wir waren auch nicht viel besser als die anderen -, dann haben wir sogar einfach Einnahmen durch Schulden ersetzt und damit strukturelle Defizite mit Krediten finanziert, ohne - das ist der Schlüssel, und deswegen unterscheiden wir uns von den Kommunen - diese Schulden zu tilgen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mit der Schuldenbremse, auf die wir uns jetzt geeinigt haben, einen Paradigmenwechsel vollzogen haben, indem wir gesagt haben: Wenn in Zukunft Schulden aufgenommen werden - ich gehe gleich darauf ein, in welchen Situationen das möglich ist -, dann müssen sie gleichzeitig mit einer Tilgungsverpflichtung versehen werden. Dieser Paradigmenwechsel wird zu einer entsprechenden Änderung führen. Es wird vier Fälle geben, in denen Schulden möglich sind. Das ist erstens bei einer Soll-Ist-Abweichung der Fall. Das heißt, wenn sich der Haushalt schlechter entwickelt, als wir es in den Haushaltsberatungen vorausgesehen haben, dann werden die Abweichungen von der zulässigen Kreditaufnahme auf einem Konto festgehalten, und wenn ein bestimmter Saldo überschritten wird, müssen diese Schulden getilgt werden. Das ist völlig in Ordnung, weil man in den Abläufen flexibel sein muss. Als zweiter Fall ist vorgesehen - das ist uns als Union sehr schwer gefallen, aber in einer Koalition muss man eben Kompromisse schließen -, dass nach wie vor eine strukturelle Verschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugelassen werden soll. Das heißt, bisher können wir, wenn wir uns an die rechtlichen Vorgaben halten, Schulden in Höhe der Investitionen von 24 Milliarden Euro machen. In Zukunft werden es nur noch 8,5 Milliarden Euro sein. Das ist eine Verbesserung. Aber ich sage deutlich: Wenn wir es frei hätten entscheiden können, dann hätten wir die Neuverschuldung auf null gesetzt. Denn für uns ist völlig klar, was für jeden Haushalt gilt: Auch der Staat kann nur das ausgeben, was er einnimmt. Deswegen müssen Ausgaben und Einnahmen im Einklang stehen. Aber es ist ein Kompromiss, der zu einer Verbesserung führt. Der dritte Fall: In einem konjunkturellen Zyklus gibt es Abweichungen. Wir erleben es gerade, dass Wirtschaft nicht geradlinig verläuft; es geht auf und ab. Wenn man es richtig macht, dann ist es völlig in Ordnung, dass man im Abschwung mehr ausgeben kann. Das muss dann aber im Aufschwung wieder zurückgeführt werden. Die Krux der letzten Regelung bestand darin, dass dieser Mechanismus gefehlt hat. Das werden wir jetzt durch ein Konjunkturkonto regeln, damit Transparenz geschaffen wird und wir uns selber unter Druck setzen, dass die Mehrausgaben in der Abschwungphase in der Aufschwungsphase wieder zurückgeführt werden bzw. dass wir in einer Aufschwungphase Rücklagen für solche Fälle bilden. ({0}) Der vierte Fall: In Notsituationen wie etwa bei Naturkatastrophen - die also auf Ursachen zurückgehen, die der Mensch nicht beeinflussen kann - oder in Krisen, die zwar von Menschen verursacht sind, aber nicht auf politische Entscheidungen zurückgehen wie möglicherweise die derzeitige Finanzkrise, ({1}) muss eine Kreditaufnahme sofort mit einem Tilgungsplan versehen werden, damit der Zwang besteht, die Schulden zurückzuführen. Hinter dem Tilgungsplan steht folgende Überlegung: Was ich heute mehr ausgebe, das habe ich an Konsumkraft vorweggenommen. Ich kann durch Kredite meine Konsumkraft nicht verändern. Ich kann nur den Zeitpunkt bestimmen, wann ich das Geld ausgebe. Wenn ich die Ausgabe vorziehe, dann muss ich das Geld zurückführen. Das heißt, ich bin in den Folgejahren gezwungen, den Kredit zurückzuzahlen. Darum ging es auch Ihnen, lieber Kollege Fricke. Politiker sind in der Regel schwach und suchen nach Auswegen. ({2}) Deswegen brauchen wir Mechanismen, die das darstellen. Genau das haben wir umgesetzt. Deswegen ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung. ({3}) Ich werbe dafür, dass alle das mit unterstützen, auch wenn es nicht hundertprozentig das Konzept ist, das sich der Einzelne vorgestellt hat. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es auch für mich einen Wermutstropfen enthält. Aber solange es besser ist als die bestehenden Regelungen, ist jeder eingeladen, zuzustimmen. Wir brauchen auch die Zustimmung im Bundesrat. Das heißt, wir brauchen eine breite politische Mehrheit. Manche fragen, warum das Konzept nicht umfassender oder besser ist. Das ist immer möglich. Aber wir haben Bundesländer, die derzeit noch nicht in der Lage sind, das von heute auf morgen umzusetzen. Deswegen brauchen wir einen Hilfsplan. Für diesen Hilfsplan, bei dem Bund und Länder jeweils die Hälfte aufbringen, brauchen wir eine gewisse Zeit, um die Bundesländer in die Lage zu versetzen, dem folgen zu können. Deswegen kann ich damit sehr gut leben. Wir werden jetzt versuchen müssen, in den Normen unterhalb der grundgesetzlichen Ebene die Regelungen so zu präzisieren, dass ein Ausweichen unmöglich wird. ({4}) Man kann nicht alles in der Verfassung regeln. Wichtig war mir aber, dass das Verschuldungsverbot, die Ausnahmefälle und die Tilgungspflicht ins Grundgesetz aufgenommen werden. Ich sage es noch einmal: Weil die Kommunen immer eine Tilgungspflicht hatten, sind sie nun besser dran. Das liegt nicht daran, dass sie über die besseren Politiker verfügen. Vielmehr ist ihnen qua Aufsicht aufgegeben, zu tilgen. Wir brauchen einen ähnlichen Mechanismus. Ich bin dankbar, dass die Grünen mit ihren Anträgen, wenn auch frühzeitig, in einem Stadium, in dem das Konzept noch gar nicht feststand, immer wieder Anstöße gegeben haben. Wir sind aber Ihrem Grundkonzept jedenfalls, was den Nettoinvestitionsbegriff betrifft, nicht gefolgt, und zwar aus gutem Grund. Der Nettoinvestitionsbegriff hätte viel zu viele Interpretationsspielräume zugelassen. Deswegen glaube ich, dass unser Weg besser ist. Ich hätte mir gewünscht - das will ich im Hinblick auf eine Debatte sagen, die auf uns zukommt -, dass wir unser Haushalts- und Rechnungswesen viel stärker verändert hätten, es zum Beispiel mit Abschreibungen versehen hätten, um den Werteverzehr deutlich zu machen. Wenn die Vorgänge transparent wären und wenn wir das im Rahmen der Modernisierung des Haushaltsrechts hätten implementieren können - das System bestimmt das Denken der Menschen -, dann wären wir an dieser Stelle viel besser geworden als jetzt, wo wir den halben Weg der erweiterten Kameralistik gehen. Wir konnten dem Vorschlag, sich an den Nettoinvestitionen zu orientieren, nicht folgen, weil er zu viele Dinge offengelassen hätte. Da das, was vorliegt, besser ist als das, was wir haben, kann jeder guten Gewissens mitmachen. Stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu, wenn wir ihn einbringen! Setzen Sie sich in den Bundesländern dafür ein, dass der Bundesrat ebenfalls zustimmt! Dann haben wir etwas für unsere Kinder und Kindeskinder getan. Schönen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Roland Claus für die Fraktion Die Linke.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die vorsehen, die Staatsverschuldung zu begrenzen. Das klingt ganz gut. Die Gesetzentwürfe stammen aus guter, alter Zeit und sind etwa eineinhalb Jahre alt. Nun geschieht etwas Sonderbares: Regierung und Koalition lehnen erstens diese Gesetzentwürfe ab, führen zweitens eine Schuldenbremse ein und nehmen drittens die höchsten Kredite in der Geschichte der Bundesrepublik auf, und das alles an einem einzigen Tag. Hinzu kommt: Es werden 10 Milliarden Euro Investitionen für alle deutschen Städte und Gemeinden beschlossen; das finden wir gut. Aber wir entscheiden am gleichen Tag über eine zusätzliche Garantie für die angeschlagene Hypo Real Estate, nachdem bereits Stützungsmaßnahmen mit einem Volumen von 92 Milliarden Euro erfolgten und der Bund Garantien in Höhe von 87 Milliarden Euro hält. Deshalb sagen wir Ihnen: Der Weg, am gleichen Tag die Aufnahme der höchsten Schulden in der Geschichte der Bundesrepublik zu beschließen und dann am Nachmittag zu sagen: „Wir haben uns eine Schuldenbremse ausgedacht“, ist nichts anderes als eine Irreführung der Öffentlichkeit. Niemand weiß, was uns die Bankenkrise kostet. Niemand kann sagen, wie hoch die Schulden sind, die wir zu begrenzen haben. Die Regierung beantwortet die Frage nicht, wer die Zeche zahlen soll. Aber wir beschließen dann munter über Schuldenbremsen. Ich traf gestern einen erfolgreichen und dennoch mit mir befreundeten Unternehmer. Er hat mir geschildert, er sei zu sieben Banken gegangen und habe siebenmal die Auskunft bekommen, dass er keinen Kredit bekommen werde. Ich sage Ihnen das, weil die meisten Deutschen inzwischen eine Schuldenbremse haben. Bei der Verkäuferin handelt es sich um den herabgesetzten Dispo. Bei Hartz-IV-Familien legt das die Arge fest. Diesen Familien sagt die Bundesregierung mit dem Ansatz der Schuldenbremse: Der Besuch einer Musikschule ist für eure Kinder nicht drin, vielleicht wieder für eure Enkel; aber ihr werdet schuldenfrei sein. - Das ist doch ein absurder Vorgang. ({0}) Wir müssen das soziale Gefüge in diesem Land wieder in Ordnung bringen, bevor wir über Schuldenbremsen reden. Wenn wir das soziale Gefüge nicht in Ordnung bringen, dann wird die von Ihnen vorgeschlagene Schuldenbremse die Schwächsten der Gesellschaft treffen. Das ist die Wahrheit, die auf den Tisch gehört. ({1}) Natürlich klingt es nicht schlecht, Herr Kollege Fromme, wenn Sie sagen: Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spielen. Aber ich muss Sie daran erinnern, dass wir ein Land mit wachsender Kinderarmut sind. Auf den Trümmern Ihrer gescheiterten Finanz- und Sozialpolitik können Kinder noch viel weniger spielen. ({2}) Wir haben den ganzen Tag über die Krise geredet. Hier ist gesagt worden, die Politik sei daran nicht schuld. Wir müssen Sie daran erinnern, dass diese Finanzmarktspekulationen im Zusammenhang mit den Fonds vom Deutschen Bundestag unter einer rot-grünen Regierung 2004 erst zugelassen wurden. Die Linke ist in dieser Situation frei von Häme und Genugtuung, weil wir natürlich wissen, dass die Folgen einer solchen Krise in aller Regel nicht deren Verursacher tragen, sondern die kleinen Leute. Das halten wir für einen Skandal. Wir sagen auch: Das Instrument einer Schuldenbremse klingt gut, aber es taugt nichts. Mein Kollege Axel Troost hat das bereits in der ersten Lesung vorgetragen und statt einer Schuldenbremse etwas anderes vorgeschlagen, nämlich eine Steuersenkungsbremse. Das heißt im Klartext: Wir müssen über die Einnahmen des Staates reden und entscheiden. Kollege Troost hat im September 2007 dazu gesagt: Die angebotsorientierten Steuersenkungen haben hauptsächlich Unternehmen und Spitzenverdiener entlastet und deswegen gerade nicht zu Wachstum geführt. Ich habe mir die Zwischenrufe - wie gesagt, das war eine andere Zeit - angeschaut. Ihm wurde vorgehalten, wir wollten doch nur Schulden machen, und es kam der Spruch: „Und warum haben wir so viel Wachstum?“ Ich möchte die Koalition gerne fragen, ob sie diese Zwischenrufe aufrechterhält oder zurücknehmen will. ({3}) Es war und ist richtig: Wir müssen die Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen auf eine tragfähige Grundlage stellen. Die ganze Kritik an den Finanzmärkten und Spekulationen, die jetzt so in Mode gekommen ist, macht doch nur einen Sinn, wenn der Staat tatsächlich handlungsfähig ist. Nun lese ich dieser Tage über Finanzminister Peer Steinbrück, dass er sich eine höhere Besteuerung von besonders hohen Einkommen vorstellen könnte und dass er Börsenumsätze besteuern will. All diese Vorschläge hat er noch vor einigen Tagen in diesem Hause für unmöglich erklärt. Deshalb haben wir gleich in den zuständigen Ausschüssen nachgefragt, wie denn der Bundesfinanzminister diese Vorschläge, die er öffentlich gemacht hat, umsetzen will. Da wird uns gesagt, er habe diese Vorschläge als stellvertretender SPD-Vorsitzender gemacht. Das klang so wie: Das war nicht so ernst gemeint. Die Bundesregierung handelt als Getriebene ihrer falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie haben heute eine Schuldenbremse abgelehnt, eine andere eingeführt und die höchsten Schulden in der Geschichte zu verantworten. Sie haben weder für das eine noch das andere ein Konzept. Da fällt einem doch nur Shakespeare ein: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. - Nur: Zustimmen können wir dem nicht. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Alexander Bonde, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Beitrag eben hat deutlich gemacht, weshalb wir darüber diskutieren müssen, welche Auswirkungen Schulden haben. Herr Claus, Ihr Fraktionsvorsitzender führt sich hier zwar immer wie ein Weltökonom auf, aber das dürfen Sie nicht glauben. Woher Sie die Formel haben, Schulden ist gleich sozial, weiß ich nicht. Das wahre Leben zeigt etwas anderes: Natürlich ist eine massive Staatsverschuldung immer eine Umverteilung von unten nach oben. Dass gerade Sie nicht in der Lage sind, das zu kapieren, spricht Bände. ({0}) Ich will sagen, warum wir heute über diese Frage diskutieren müssen. Ein aktueller Anlass ist die Rekordverschuldung, aber es gibt noch einen anderen Grund. Schauen wir einmal in die Geschichte, und betrachten die Entwicklung der Staatsverschuldung! 1960 hatte die Bundesrepublik Deutschland umgerechnet 28 Milliarden Euro Schulden, und zwar Bund, Länder und Gemeinden. Heute beträgt die Verschuldung für alle Gebietskörperschaften 1 500 Milliarden Euro. Gemessen am BIP bedeutet das einen Anstieg von 20 auf über 65 Prozent. Ich finde, das ist der Moment, um innezuhalten und zu überlegen: Was hat das eigentlich mit Nachhaltigkeit zu tun? ({1}) Wir Grünen haben den Slogan: Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. - Hier ist die Handlungsfähigkeit von Politik gefragt, zu sagen: Kann ich einen solch ethischen Grundsatz tatsächlich in konkretes Handeln umsetzen? ({2}) Wenn man diese Entwicklung stoppen will, dann braucht man verbindliche Verschuldungsregeln auf allen Ebenen; gleichzeitig muss die Handlungsfähigkeit auf allen politischen Ebenen sichergestellt sein. Heute diskutieren wir unseren Vorschlag, nachdem gestern die Föderalismuskommission getagt hat. Bei dieser Kommission gibt es ein Kuriosum. Sie hat letzte Woche zum letzten Mal getagt, sie hat am Donnerstag dieser Woche zum letzten Mal getagt, und sie wird am 5. März erneut zum letzten Mal tagen. ({3}) Wir sind gespannt, wie viele letzte Male sie noch tagen wird. Jedes Mal wurde abends der große Durchbruch verkündet, obwohl nichts fixiert war. Deshalb finde ich es interessant, dass die Kollegin Merkel hier gesagt hat, man könne darüber noch nicht diskutieren, weil es nichts gebe, während ihr Fraktionsvorsitzender gestern Abend verkündet hat: Großer Durchbruch, alles in trockenen Tüchern. - Wir werden noch viel Spaß mit vielen letzten Sitzungen und vielen weiteren Durchbrüchen haben, die wir gemeinsam bewundern dürfen. ({4}) Ein bisschen erinnert einen das an den Gesundheitsfonds und viele andere großkoalitionäre Veranstaltungen. ({5}) Aber zurück zum Thema. Was bedeutet der Durchbruch, den Sie gestern Abend erneut verkündet haben, konkret? Die Länder sollen bis zum Jahr 2020 bei den Schulden auf null, der Bund soll die Schuldenaufnahme ab 2016 auf 0,35 Prozent des BIP begrenzen. Das ist sehr ambitioniert, wenn man sich die Zeitschiene anschaut. Wir können ja einmal durchgehen, wer von der Ministerpräsidentenriege und vom Kabinett in den Jahren 2016 und 2020 noch im Amt ist. Wir wünschen gute Gesundheit, und die werden einige brauchen, um die Zeit noch selber zu erleben. Schauen Sie sich zusätzlich an, was im Jahre 2019 passieren wird. Dann stehen neue Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich an, die Finanzierung des Ostens über den Soli läuft aus, und die Zinshilfe für Altschulden der Länder läuft aus. Das heißt, dann wird die Föderalismuskommission IV, V, VI oder VII beieinander sitzen. Mit Verlaub, es glaubt doch niemand, dass die heute beschlossene ambitionierte Regelung dann noch etwas wert ist; ({6}) denn es gibt keine strukturierte Übergangsregelung dafür, wie die Länder und der Bund von heute nach morgen kommen sollen. Wir alle sind lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass diese Regelung nur Zeit kauft und eine abschließende Regelung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag projiziert wird. Im Jahr 2019 wird etwas ganz anderes herauskommen. Wir legen Ihnen heute unser Zukunftshaushaltsgesetz und das entsprechende Begleitgesetz vor, um eine Schuldenregelung vorzuschlagen, die konjunkturell atmet, die tatsächlich gleich greift und die die Frage - darauf hat der Kollege Fromme schon hingewiesen -, wie viel Verschuldung man noch zulässt, an die Nettoinvestitionen koppelt. Es geht also darum, die künftige Schuldenaufnahme nur zu erlauben, wenn Investitionen getätigt werden, die auch bei einer Grenzwertbetrachtung und unter der Berücksichtigung von Abschreibungen einen tatsächlichen Mehrwert bringen und tatsächlich zur Innovation und zum Nutzen zukünftiger Generationen beitragen. Insofern finde ich es schade, dass gerade Sie, Kollege Fromme, der Sie die Frage der Abschreibungen in unserer Haushaltspolitik neu betrachtet sehen wollen, nicht bereit sind, diesen Weg weiter zu gehen. Das wäre besser als die Lösung, die die Koalition vorschlägt. Sie lässt eine Verschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des BIP zu, egal ob für konsumtive oder investive Zwecke. Sie setzt keinerlei qualitative Anreize. Wir finden, dass eine wirkliche Schuldenbremse die Frage der Qualität des Staatshaushalts mit im Auge behalten muss. ({7}) Entscheidend ist, dass die Regelung das konjunkturelle Atmen und das Investieren in die Bildung und andere Bereiche erlaubt. Der Staat muss auf allen Ebenen weiterhin handlungsfähig bleiben. Das Konzept der Schuldenbremse muss auf einer soliden Legitimation basieren, was eine große Herausforderung an die Politik darstellt, weil sie sich selbst beschränken muss; denn die Gefahr, als Großkoalitionär wieder mit großen Programmen das Volk zu beglücken, ist groß, ebenso die Gefahr, mit Geschenken durch die Rathäuser zu ziehen, wie wir es jetzt wieder erleben. ({8}) Wir haben zu Ihrem Modell eine weitere Differenz. Bei dem Konzept einer Schuldenbremse braucht man eine sinnvolle Lösung für die Altschulden von den besonders verschuldeten Ländern und Gemeinden. Die Kommunen spielen bei dem, was die Föderalismuskommission macht, keine Rolle. Das ist ein entscheidender Schwachpunkt; denn wir alle wissen, dass die Länder reihenweise versuchen werden, die Wirkung ihrer Verschuldungsgrenzen bei den Kommunen abzuladen. ({9}) Auch in dieser Beziehung genügt Ihr Modell nicht dem Anspruch, Handlungsfähigkeit auf allen Ebenen zu gewährleisten. Deshalb stellen wir heute unser Modell zur Abstimmung. ({10}) Wir haben viel in der Föderalismuskommission erlebt. Da gab es einen bayerischen Ministerpräsidenten, dem eigentlich nur die Handtasche fehlte, um als Maggie Thatcher durchzugehen, den Sie vom Baum herunterkaufen mussten, der verlangt hat, dass irgendwo in der Konzeption die Null auftaucht, und sei es zu einem Zeitpunkt, den keiner für realistisch hält. Ich habe den Eindruck, Sie haben sich mit Ihrem Modell der Schuldenbremse an der entscheidenden Frage vorbeigedrückt. Jedes Auto mit solch einer Bremse kommt nicht auf den Markt, und zwar zu Recht. Es täte Ihnen wirklich gut, sich noch einmal grundsätzlich mit der Frage zu befassen: Welche Modelle wirken wirklich? Das, was die Föderalismuskommission bisher beschlossen hat - da können Sie noch so viele letzte Sitzungen abhalten -, wird der Aufgabenstellung und der Dimension des Ganzen nicht gerecht. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem Kollegen Norbert Barthle, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte ist ein schönes Beispiel dafür, dass mancher Gesetzentwurf von der Realität eingeholt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf stammt vom 4. Juli 2007. Die erste Lesung war am 20. September 2007, also zu einer Zeit, da die Welt noch ganz anders aussah. Zu diesem Thema hat die Kollegin Merkel schon das Notwendige gesagt. Die Lage des Bundeshaushalts hat sich im Verhältnis zu den damaligen unhaltbaren Zuständen - Rot-Grün regierte noch - deutlich verbessert: Wir haben die Nettoneuverschuldung zurückgeführt. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts war wirklich greifbar nahe. ({0}) Jetzt, im Frühjahr 2009, hat sich die Situation grundlegend verändert. Wir erleben hautnah, dass die Rede vom „globalen Dorf“ uns alle trifft. Wenn in New York eine Bank pleitegeht, dann gibt es in Deutschland Entlassungen, und in China bricht die Produktion ein. Auch deshalb hat die Bundesregierung, gestützt von den meisten in diesem Hause versammelten Kolleginnen und Kollegen, sehr viel Geld in die Hand genommen - die Grundlage dafür haben wir mit unserem heute früh gefassten Beschluss gelegt -, damit unsere Bürgerinnen und Bürger aus dieser Krise wieder herauskommen. Wir von der Union sind davon überzeugt: Dieses Konjunktur- und Investitionsprogramm ist im Grunde die einzig verantwortbare Alternative. Es gibt keine Möglichkeiten, sich zurückzulehnen und zuzuschauen. Man muss selbst tätig werden. Das hat nicht nur der Sachverständigenrat bestätigt, sondern auch die Anhörung, die wir im Haushaltsausschuss am Montag dieser Woche durchgeführt haben. Deshalb rate ich all den schlauen Kritikern, die schon jetzt von der Unwirksamkeit dieser Maßnahmen überzeugt sind: Habt doch etwas Geduld! Lasst die Maßnahmen erst einmal wirken! Erinnert euch daran, dass wir für diese globale Krise - wie seinerzeit für die deutsche Wiedervereinigung - keine Blaupause haben, dass wir sozusagen auf Sicht fahren! Lasst deshalb das Beckmessern! Lasst die Polemik weg! Tragt zur Lösung der Probleme bei! Werdet eurer staatsbürgerlichen Verantwortung gerecht! Dann ist uns allen geholfen. ({1}) Ich habe schon erwähnt: Die Krise zwingt uns, viel Geld in die Hand zu nehmen, neue Schulden zu machen. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wir haben es ein Stück weit der soliden Arbeit dieser Großen Koalition in den vergangenen drei Jahren zu verdanken, dass wir jetzt überhaupt in der Lage sind, so zu handeln. ({2}) Wo stünden wir, wenn wir diesen Prozess nicht durchlaufen hätten? Man muss auch feststellen: Im Vergleich zu anderen Ländern der Eurozone stehen wir jetzt viel besser da. Damit haben wir die Chance, besser aus dieser Krise herauszukommen. Den Abgeordnetenkollegen von den Grünen rate ich an dieser Stelle zu etwas mehr Demut. Kollege Bonde, als Sie an der Regierung beteiligt waren, war die Haushaltsdisziplin nämlich weit von den Ansprüchen entfernt, die aus dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf resultieren und die Sie heute aufstellen. Auch daran muss man erinnern. ({3}) Jetzt befinden wir uns in einer Krise. Wegen oder vielleicht sogar trotz dieser Krise hat sich die Große Koalition vorgenommen, eine Schuldenbremse einzuführen. Über eines sind wir uns einig - da hat Kollege Fricke recht -: Der bisherige Art. 115 Grundgesetz wirkt nicht. Zu oft wurde die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt. Dieser Ausweg war allzu leicht gangbar. Nur deshalb konnte es geschehen, dass wir jetzt einen Schuldenberg von 1,5 Billionen Euro aufgetürmt haben. Ich will an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, unserem haushaltspolitischen Sprecher, Steffen Kampeter, und unserem Fraktionsvorsitzenden, Volker Kauder, ein großes Lob auszusprechen. In den Beratungen zu diesem Konjunkturpaket wurde ein klarer geistiger Zusammenhang zwischen dem Konjunkturpaket und dem Aufnehmen einer Schuldenbremse ins Grundgesetz hergestellt. Das war richtig; das war sinnvoll; das war gut. Das hat dabei geholfen, dass wir die Schuldenbremse jetzt bekommen. Ich bin auch der Auffassung, dass das Zeitfenster für diese Schuldenbremse immer noch offen ist und die Voraussetzungen gut sind; denn wir hatten im vergangenen Jahr gesamtstaatlich gesehen einen ausgeglichenen Haushalt und haben auch eine gute politische Gesamtkonstellation: die Große Koalition im Bund und die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. All das sind Argumente, die dafür sprechen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Ich will an dieser Stelle meinem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und unserem Kollegen Peter Struck ({4}) für die bisher in dieser Kommission geleistete Arbeit danken. Nebenbei bemerkt: Günther Oettinger hat auch die Kommissionsmitglieder von der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen gelobt und ihnen dafür gedankt, dass sie nicht als Bremser, sondern als treibende Kräfte gewirkt haben. Ich schließe mich dem an. Die Botschaft ist klar und eindeutig: Wir machen zwar neue Schulden, aber gleichzeitig führen wir strenge Regeln ein, gemäß denen in der Zukunft feste Rückzahlungsverpflichtungen vorgesehen sind. Damit wird das ungebremste Schuldenwachstum der vergangenen Jahre beendet. Das stellt, wie der Kollege Fromme richtig gesagt hat, einen Paradigmenwechsel in der politischen Landschaft dieser Republik dar. Auf diesen Paradigmenwechsel können wir, wie ich glaube, ein Stück weit stolz sein. ({5}) Lassen Sie mich noch eine weitere kleine Anmerkung als Baden-Württemberger machen: Aus Sicht der Geberländer wäre es, kurzfristig betrachtet, kein Schaden gewesen, wenn die Kommission zu keinem Ergebnis gekommen wäre; ({6}) denn diese hätten weiterhin keine Schulden gemacht, hätten keine Solidaritätsverpflichtungen übernommen, und die anderen Länder hätten weiter Schulden machen können. ({7}) Längerfristig betrachtet fiele uns das natürlich auf die Füße. Das wissen alle. Das wissen Gott sei Dank auch die Geberländer. Deshalb waren die Geberländer bereit, sich im Rahmen dieser Föderalismuskommission dazu zu verpflichten, sich solidarisch mit den Empfängerländern, die überschuldet sind, zu zeigen, für diese einzustehen und ihnen entsprechend zu helfen. Das halte ich für ein gutes Signal in dieser schwierigen Zeit. Auch das muss einmal gesagt werden. ({8}) Lassen Sie mich mit der Anmerkung schließen, dass damit für uns Haushälter die Arbeit noch lange nicht zu Ende ist. Wir haben innerhalb des Haushaltsrechts noch viel zu regeln. Es wird um die Frage doppische Haushaltsführung oder Kameralistik gehen, die Definition des Investitionsbegriffes wird uns beschäftigen und Weiteres mehr. Wir sind da aber guter Dinge. Jetzt bleibt nur noch eines zu sagen: Wir empfehlen die Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfes. Danke. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft. Der Haushaltsausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/10384, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5955 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Abstimmung über den von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Zukunftshaushaltsgesetz-Begleitgesetzes. Unter Nr. 2 seiner BeVizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse schlussempfehlung empfiehlt der Haushaltsausschuss auf Drucksache 16/10384, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5954 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Auch hier entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Zugang von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Nachrichtendiensten zum Visa-Informationssystem ({0}) - Drucksache 16/11569 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1}) - Drucksache 16/11887 Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Michael Hartmann ({2}) Gisela Piltz Ulla Jelpke Wolfgang Wieland Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Folgende Kolle- ginnen und Kollegen geben ihre Reden zu Protokoll: Reinhard Grindel, Michael Hartmann, Gisela Piltz, Ulla Jelpke und Josef Winkler.1) Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck- sache 16/11887, den Gesetzentwurf der Bundesregie- rung auf Drucksache 16/11569 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal- tungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der FDP und der Linken bei Enthaltung der Grünen in zweiter Bera- tung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzent- wurf ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie in der zweiten Beratung angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a und 30 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des 1) Anlage 5 Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache 16/10730 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({3}) - Drucksache 16/11898 - Berichterstattung: Abgeordneter Erich G. Fritz b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({4}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Frank Schäffler, Martin Zeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirt- schaft - Die europäische Alternative zu Wirtschaftsprotektionismus und Ausländer- diskriminierung - zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rahmenbedingungen für eine nachhaltige internationale Investitionspolitik schaffen - Multilaterale Regeln für Staatsfonds entwi- ckeln - Drucksachen 16/6997, 16/9612, 16/11898 - Berichterstattung: Abgeordneter Erich G. Fritz Auch hier ist interfraktionell vorgeschlagen, die Reden zu Protokoll zu nehmen. Folgende Kolleginnen und Kollegen geben ihre Reden zu Protokoll: Erich G. Fritz, Rolf Hempelmann, Gudrun Kopp, Ulla Lötzer, Wolfgang Strengmann-Kuhn.2) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände- rung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirt- schaftsverordnung. Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt unter Nr. 1 seine Beschlussemp- fehlung auf Drucksache 16/11898, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/10730 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der beiden Regierungsfrak- tionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktio- nen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - 2) Anlage 6 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 30 b. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Drucksache 16/11898 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/6997 mit dem Titel „Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft - Die europäische Alternative zu Wirtschaftsprotektionismus und Ausländerdiskriminierung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linken gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Grünen angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9612 mit dem Titel „Rahmenbedingungen für eine nachhaltige internationale Investitionspolitik schaffen - Multilaterale Regeln für Staatsfonds entwickeln“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der Linken und der Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick Döring, Miriam Gruß, Horst Friedrich ({5}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie - Den Bau von Kindertageseinrichtungen in Deutschland erleichtern - Drucksache 16/11665 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({6}) Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Es ist interfraktionell vereinbart, auch die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu nehmen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Folgende Kolle- ginnen und Kollegen haben ihre Reden zu Protokoll ge- geben: Peter Götz, Petra Weis, Patrick Döring, Heidrun Bluhm und Bettina Herlitzius.1) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/11665 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Tagesordnungspunkt 32: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({7}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Anpassung der Sozialgesetzgebung für Kul- tur-, Medien- und Filmschaffende - Drucksachen 16/6080, 16/11809 - Berichterstattung: Abgeordnete Gitta Connemann Auch hier werden die Reden zu Protokoll gegeben. Es handelt sich um die Reden der folgenden Kolleginnen und Kollegen: Gitta Connemann, Angelika Krüger- Leißner, Dirk Niebel, Lothar Bisky und Brigitte Pothmer.2) Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11809, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/6080 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. März 2009, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein freundliches Wochenende.