Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen!
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen
mitteilen, dass interfraktionell vereinbart worden ist, den
Tagesordnungspunkt 26 b - hier handelt es sich um die
zweite und dritte Beratung des Entwurfs des Nachtrags-
haushaltsgesetzes 2009 - wegen der noch ausstehenden
Stellungnahme des Bundesrates als eigenen Punkt ohne
Aussprache aufzurufen, und zwar unmittelbar im An-
schluss an die jetzt als Erstes vorgesehene Beratung des
Konjunkturpaketes II. Ich denke, dazu wird es Einver-
nehmen geben. - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist
das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 c bis
26 j sowie den Zusatzpunkt 6 auf:
26 a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung von
Beschäftigung und Stabilität in Deutschland
- Drucksache 16/11740 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({0})
- Drucksachen 16/11801, 16/11825 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({1})
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
c) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes ({2})
- Drucksache 16/11741 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({3})
- Drucksachen 16/11900, 16/11931 Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
- Bericht des Haushaltsausschusses ({4})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/11901 Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider ({5})
Dr. Gesine Lötzsch
d) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der
Kraftfahrzeugsteuer und Änderung anderer
Gesetze
- Drucksache 16/11742 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({6})
- Drucksachen 16/11900, 16/11931 Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
- Bericht des Haushaltsausschusses ({7})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/11902 Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider ({8})
Dr. Gesine Lötzsch
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({9}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Winfried
Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, weiterer
Redetext
Präsident Dr. Norbert Lammert
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer
schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen
- Drucksachen 16/8538, 16/11900, 16/11931 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({10}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine
Lötzsch, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Mit mehr Gerechtigkeit die Krise überwinden
- Drucksachen 16/11746, 16/11895, 16/11932 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Olav Gutting
Gabriele Frechen
g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({11}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll,
Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE
Großbanken vergesellschaften
- Drucksachen 16/11747, 16/11896, 16/11933 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Olav Gutting
Gabriele Frechen
h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({12})
zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen
Koppelin, Ulrike Flach, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Schulden des Bundes durch das Konjunkturpaket II vollständig im Bundeshaushalt etatisieren - Kein Sondervermögen Investitionsund Tilgungsfonds
- Drucksachen 16/11743, 16/11922 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({13})
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({14})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer,
Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE
Konjunkturprogramm gegen die drohende
Wirtschaftskrise
- zu dem Antrag der Abgeordneten Christine
Scheel, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Nachhaltig investieren in Klima, Bildung,
soziale Gerechtigkeit
- Drucksachen 16/10619, 16/11023, 16/11646 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs
j) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({15}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Britta
Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gerechtigkeit und Chancen statt Ausgrenzung
und Armut
- Drucksachen 16/11755, 16/11899 Berichterstattung:
Abgeordneter Werner Dreibus
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Werner
Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Dividenden streichen - Gewinne in Arbeitsplätze investieren
- Drucksache 16/11877 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({16})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland liegen vier Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor. Über einen Änderungsantrag
werden wir später namentlich abstimmen.
Außerdem liegt zu dem genannten Gesetzentwurf je
ein Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, der
Linken und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.
Über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD zur Änderung des Grundgesetzes werden wir später - zur dritten Beratung, versteht sich ebenfalls in namentlicher Abstimmung befinden. Ich
mache darauf aufmerksam, dass zur Annahme dieses
Gesetzentwurfes die Zustimmung von zwei Dritteln der
Mitglieder des Bundestages erforderlich ist.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Auch das
ist offensichtlich einvernehmlich. Dann können wir so
verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück.
({17})
Sehr geehrter Herr Präsident! Dann haben mir meine
Mitarbeiter den ersten Satz aufgeschrieben: Meine Damen und Herren! Ich habe leider kein ausformuliertes
Manuskript; aber ich werde mich trotzdem bemühen,
entgegen den Erwartungen des Kollegen Michael Glos
Subjekt, Prädikat und Objekt in freier Rede aneinanderzufügen.
({0})
Man kann nicht beides haben: Man kann nicht auf der
einen Seite einen starken Konjunkturimpuls haben und
auf der anderen Seite eine Absenkung der Neuverschuldung. Das ist eine Debatte gewesen, die uns in den letzten Wochen und Monaten, wie ich finde, sehr stark
beschäftigt hat. Ich kann mich erinnern, wie die Bundesregierung bis weit in den Dezember hinein von Verbänden, von Gewerkschaften und darüber hinaus auch von
Sachverständigen und Wirtschaftswissenschaftlern aufgefordert worden ist, einen sehr starken Konjunkturimpuls zu setzen. In dem Augenblick, wo die Bundesregierung nach dem Konjunkturpaket I ein in der deutschen
Geschichte ungewöhnlich groß dimensioniertes Konjunkturpaket II der Öffentlichkeit vorgestellt hat, ist aber
nur noch von der Rekordverschuldung die Rede. Beides
geht nicht zusammen, will sagen: Ein solcher Konjunkturimpuls ist nach Lage der Dinge nicht ohne eine Erhöhung der Neuverschuldung zu haben.
Es gehen auch nicht drei Sachen zusammen, nämlich
erstens die Neuverschuldung bzw. generell die Schulden
herunterzuführen, zweitens die öffentlichen Investitionen zu verstärken und drittens ein Steuersenkungsprogramm der deutschen Öffentlichkeit in den Dimensionen vorzustellen, wie wir es in den letzten Wochen und
Monaten gehört haben.
({1})
Es macht auch keinen Sinn, in den Debatten - dies
konnte ich auch in den Ausschusssitzungen insbesondere
in Beiträgen von Oppositionspolitikern verfolgen - das
Rezessionsproblem gegen das Schuldenproblem zu
schieben. In dem Augenblick, in dem wir gemeinsam die
Überzeugung gewonnen haben, dass die Politik in
Deutschland in dieser konkreten Situation keinen Attentismus zeigen darf, sondern handeln muss, kann man
sich über die Notwendigkeit, die Maßnahmen über Kredite zu finanzieren, nicht beklagen. Dann geht es allein
um die Frage, wie wir mit diesen Schulden zukünftig
umgehen wollen. Deshalb freue ich mich darüber, dass es
in der gestrigen Sitzung der Föderalismuskommission II
gelungen ist, eine Schuldenbremse zu verankern, die
nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch
den Märkten, was wichtig ist, und unseren internationalen Partnern signalisiert - insbesondere mit Blick auf die
Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes -,
dass wir es mit dem Vorsatz ernst meinen, in den Zeiten,
die nicht von einer tiefen Rezession gekennzeichnet
sind, die Schuldenaufnahme zurückzuführen, um das
Ziel zu erreichen, das wir uns eigentlich für 2011 vorgenommen haben. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den
beiden Vorsitzenden, Herrn Oettinger und Herrn Struck,
dass es gestern gelungen ist, dieses wichtige Thema einer Lösung zuzuführen.
({2})
Die Bürger erwarten, dass der Staat handelt. Deshalb
ist es richtig, in dieser historisch relativ einmaligen, tiefen Rezession eine antizyklische Wirtschafts- und
Finanzpolitik zu betreiben. Dies tut die Bundesregierung. Alles zusammen - Konjunkturpaket I, Konjunkturpaket II und das, was etwas technokratisch als automatische Stabilisatoren bezeichnet wird - führt zu einem
Beitrag in einer Größenordnung von mehr als 4 Prozent
des Bruttosozialproduktes in den Jahren 2009 und 2010.
Damit leistet die Bundesregierung den Löwenanteil dessen, was beim Europäischen Rat im Dezember als gemeinsame Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur
verabredet worden ist. Sie wissen, dass dort eine Dimension von 200 Milliarden Euro festgelegt worden ist. Die
Bundesregierung wird weit über ihren Anteil am europäischen Bruttosozialprodukt hinaus dazu beitragen. Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass die Vertreter der
Länder, die bis weit in den November und sogar in den
Dezember hinein die Regierung der Bundesrepublik
Deutschland aufgefordert haben, zu handeln, noch ihre
lieben Schwierigkeiten haben werden, ihre eigenen Beiträge entsprechend der Absichten, die dort verkündet
worden sind, zu belegen.
Wir haben es mit einer Kategorie zu tun, die im Augenblick keine Hochkonjunktur hat - sie wirkt prägend
auf die Finanzmärkte und unterliegt dem Eindruck dieser
wirtschaftlich schlechten Phase -: Vertrauen. Denjenigen, die bereits jetzt, vor Verabschiedung dieses Konjunkturpakets, darüber spekulieren, was noch alles erreicht werden müsste, was noch alles obendrauf gelegt
werden müsste, rufe ich zu, dass sie zum Abschwung der
Kategorie Vertrauen beitragen, weil sie Unsicherheit
verbreiten.
({3})
Deshalb bitte ich darum, zu vermitteln, wie wichtig es
ist, diese Konjunkturmaßnahmen wirken zu lassen. Wir
sollten erst dann zu einer kritischen Bestandsaufnahme
kommen, wenn es die ersten Anzeichen dafür gibt, wie
diese Konjunkturmaßnahmen tatsächlich wirken.
Das Konjunkturpaket II ist richtig ausgerichtet. Ich
widerspreche all denjenigen, die den Eindruck haben,
das sei eine Art Bauchladen. Fünf maßgebliche Kompassweisungen prägen dieses Paket: Das ist zum Ersten
die Notwendigkeit, Investitionen zu fördern. Vor dem
Hintergrund einer richtigen Logik müssen wir etwas tun,
was zur Modernisierung des Landes beiträgt und über
diesen Konjunkturzyklus hinaus positive Wirkung entfaltet. Zweitens wird die Nachfrage durch eine Reihe
von Maßnahmen gefördert, bis hin zu einer steuerlichen
Komponente. Darüber hinaus wird die Leitindustrie in
Deutschland, die Automobilindustrie, die zusammen mit
der Zulieferindustrie nach wie vor jeden siebten bis achten Arbeitsplatz prägt, gefördert. Viertens wird es eine
Arbeitsmarktpolitik geben, die darauf gerichtet ist, dass
die Menschen nicht entlassen, sondern weiterqualifiziert
werden. Die Schuldenbremse habe ich schon erwähnt,
das ist die fünfte richtige Kompassweisung.
Die Abwrackprämie hat sich nach einem fulminanten Start als eine richtige Maßnahme herausgestellt.
({4})
Ich kann mich an viele kritische Einlassungen erinnern.
All die Kritiker sind widerlegt worden.
({5})
Das Echo darauf, dass kommunale Investitionen mit
mehr als 13 Milliarden Euro gefördert werden, ist - insbesondere aus dem kommunalen Raum - so positiv, dass
wir das nicht kaputtreden sollten.
({6})
Es wird darauf ankommen, dass wir die Kriterien dieses Investitionsprogramms wirklich durchsetzen: Erstens
sollen 70 Prozent dieser Maßnahmen unmittelbar zu
kommunalen Investitionen führen. Zweitens geht es um
das Kriterium der Zusätzlichkeit.
({7})
Ich bin dankbar dafür, dass im Haushaltsausschuss auf
diesen Akzent Wert gelegt worden ist. Es gibt entsprechende Formulierungen und Vorschläge, wie das gewährleistet werden soll. Darauf will ich aus Zeitgründen
nicht im Einzelnen eingehen. Es wird drittens darum gehen, dass insbesondere finanzschwache Kommunen partizipieren können; sie haben den größten Nachholbedarf.
Es wird viertens darum gehen, dass der überwiegende
Anteil wie verabredet in Bildungseinrichtungen investiert wird. Das sind die vier maßgeblichen Orientierungen, die für dieses Investitionsprogramm gelten.
Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei
denjenigen Ländern bedanken, die bereits die ersten Entscheidungen darüber getroffen haben, dass dieses Geld
in den Kommunen zur Wirkung kommt.
({8})
Das sind übrigens eine ganze Reihe von Ländern, die
schon entsprechende Kabinettsentscheidungen herbeigeführt haben. Insbesondere möchte ich mich bei denjenigen Ländern bedanken, die bereits jetzt zum Ausdruck
gebracht haben, dass sie im Zweifelsfall für ihre finanzschwachen Kommunen den Eigenanteil übernehmen
oder Gewährleistung dafür übernehmen, dass er aufgebracht werden kann.
({9})
Ich will im zweiten Teil meiner Ausführungen einige
allgemeine Bemerkungen zu den uns sehr stark beschäftigenden Problemen machen. Wir merken zunehmend,
dass auf den internationalen Bühnen protektionistische
Tendenzen nicht mehr ausgeschlossen werden. Die
Stichworte sind Ihnen allen bekannt, insbesondere mit
Blick auf das Konjunkturpaket in den USA, wo von einer Buy-American-Klausel die Rede gewesen ist. Wir
haben es in Großbritannien mit einer Bewegung zu tun
- „Put British workers first!“ -, die sich auch damit beschäftigt. Ich glaube, dass insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ein massives Interesse daran hat,
sich bei den anstehenden internationalen Treffen dafür
einzusetzen, dass die Welt nicht denselben Fehler macht,
den sie 1930 mit einem Überholungswettbewerb an protektionistischen Maßnahmen gemacht hat.
({10})
Ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das
über 40 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Außenwirtschaftsbeziehungen generiert, ist wie kein anderes
Land darauf angewiesen, dass diesen protektionistischen
Tendenzen oder Reflexen Einhalt geboten wird. Die damalige Wirtschaftskrise von 1929/1930, an die gelegentlich in historischen Betrachtungen erinnert wird, war gar
nicht so sehr vom Crash an der New Yorker Börse im
Oktober 1929 geprägt, sondern sehr viel mehr davon,
dass es 1930 unter dem damaligen amerikanischen Präsidenten Hoover zu einem Gesetz kam, durch das die Importzölle von sage und schreibe 20 000 Produkten in
schwindelerregende Höhen gesetzt wurden. Dies hatte
den Effekt, dass alle anderen Länder im Rahmen eines
Überbietungswettbewerbs mit der Einführung von entsprechenden Zöllen nachgezogen haben. Als Ergebnis
war der Welthandel 1933 im Vergleich zu 1928 um zwei
Drittel eingefroren bzw. zurückgeführt. Das war der eigentliche Treibsatz, der Verstärker in der Folge des Börsencrashs vom Oktober 1929. Wir werden alles tun müssen, damit sich so etwas in der jetzigen Phase, in der wir
uns bewegen, nicht einmal ansatzweise wiederholt.
({11})
Ich habe bereits heute und morgen beim G-7-Finanzministertreffen in Rom, bei dem übrigens auch der
nächste Finanzgipfel am 2. April dieses Jahres und die
zwischenzeitlich anstehenden vorbereitenden Sitzungen
für den Finanzgipfel geplant werden, die Möglichkeit,
dieses Thema zu erörtern. Ich werde sehr genau zuhören,
insbesondere bei dem, was mein neuer amerikanischer
Kollege vielleicht über die Beratungen zum amerikanischen Konjunkturprogramm, die inzwischen im Repräsentantenhaus und im Senat vollzogen wurden, berichten kann.
Nächste Bemerkung. Die Situation der Banken nicht
nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus bereitet
nach wie vor erhebliche Sorgen. Wir werden Ihnen in
den nächsten Tagen und Wochen eine Novelle des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vorstellen, die bestimmte Lerneffekte berücksichtigen wird, die wir durch
dieses Gesetz und die über dieses Gesetz eingerichteten
Maßnahmen und Institutionen erworben haben. Es geht
insbesondere um das Thema, wie Banken nicht nur in
Deutschland, sondern auch in Europa mit den faulen
Wertpapieren umgehen, die belastend auf ihren Bilanzen liegen. Umgangssprachlich formuliert: Es geht darum, wie wir dazu beitragen können, dass diese Banken
nicht in einen weiteren prozyklischen Strudel geraten,
weil sie immer größere Abschreibungen mit einem immer größeren Verzehr ihres Eigenkapitals und damit einer immer größeren Bedrohung vornehmen müssen.
Kurzfristig werden wir aber nicht das Problem der Bilanzbereinigung in dem Sinne lösen können, wie es in
den letzten Wochen von vielen debattiert wurde. Sie kennen meine nicht nur große Skepsis, sondern definitive
Ablehnung, wenn in Deutschland darüber spekuliert
wird, dass ein zentralisiertes systemübergreifendes Institut à la Bad Bank eingerichtet werden soll, das diese faulen Assets aufnehmen soll.
({12})
Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf anderem Wege
eine Lösung finden müssen. Aber diese Lösung wird
nicht so aussehen, wie es in den letzten Wochen von vielen angedacht und angeheizt wurde, von einigen auch
aus einem unmittelbaren Interesse. Dieses unmittelbare
Interesse ist davon geprägt, dass die Kapitalisierung einer solchen Bank mit öffentlichen Geldern vollzogen
werden müsste. Ich werde es Ihnen und mir nicht zumuten, Ihnen von diesem Pult aus etwas abzuverlangen, ein
solches Institut mit öffentlichem Geld zu kapitalisieren,
das spielend eine Dimension von 150 bis 200 Milliarden
Euro erreichen könnte.
({13})
Ich möchte Ihnen signalisieren - Sie werden mir
nachsehen, dass ich an dieser Stelle nicht sehr konkret
werde -: Das ist eine der größten Herausforderungen,
mit denen wir es im Augenblick zu tun haben. Wir werden dafür Sorge tragen müssen, dass die Kapitalinjektionen mit öffentlichen Geldern und Garantien im Rahmen
der bisherigen Leistungen des SoFFin auf der Basis des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes nicht verloren gehen, weil der Bund möglicherweise nicht die Kontrolle
darüber hat, wie mit diesen Garantien und Kapitalinjektionen umgegangen wird.
({14})
Ich für meinen Teil kann nicht verantworten, dass solche Maßnahmen fortgesetzt werden - dabei handelt es
sich nämlich um ein großes schwarzes Loch riesigen
Ausmaßes -, ohne dass tatsächlich das Ziel der Restrukturierung und Stabilisierung der davon begünstigten
Banken als Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist.
({15})
Ich will einen letzten Gesichtspunkt aufgreifen - ich
erinnere mich, dass Herr Kauder ihn bereits in der ersten
Lesung dieses Gesetzentwurfes angesprochen hat -: die
Bankenaufsicht in Deutschland. Zu diesem Thema will
ich ein paar Worte verlieren. Ich bitte darum, keine Vorschläge zu machen oder öffentlich zu debattieren, die im
ersten Augenblick vielleicht einen intellektuell bestechenden Eindruck hinterlassen mögen, die aber nicht
funktionieren würden. Viele Vorschläge, die gemacht
werden - die mich auch erreichen -, würden darauf hinauslaufen, die Bankenaufsicht in Deutschland über
BaFin und Bundesbank zusammenzuführen. Das favorisieren offenbar viele.
({16})
Das ist eine ausgesprochen schwierige Operation.
Warum? Weil die BaFin eine Eingriffsverwaltung ist. Sie
erlässt Hoheitsakte, die anschließend übrigens auch Gegenstand von Verwaltungsgerichtsverfahren sein können. Die Verschmelzung der BaFin, einer klassischen
Eingriffsverwaltung, die der Rechts- und Fachaufsicht
des Bundesfinanzministeriums untersteht, mit einer Einrichtung, die von Verfassungs wegen ein Höchstmaß an
Unabhängigkeit hat, die definitiv keine Eingriffsverwaltung sein und definitiv nicht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums unterworfen werden
möchte, wird nicht funktionieren.
({17})
Wenn das einigen von Ihnen unglaubwürdig erscheint, weil ich es sage und weil ich Ihrer Meinung
nach vielleicht als zu parteiisch gelte, wäre ich Ihnen
sehr dankbar, wenn Sie vor Ihren nächsten öffentlichen
Einlassungen ein Gespräch mit dem Bundesbankvorstand führen würden, damit er Ihnen unmittelbar seinen
Eindruck schildert, wie eine solche Verschmelzung zu
bewerten ist. Das ändert nichts daran, dass die Bemühungen um eine stärkere und effizientere Bankenaufsicht
in Deutschland fortgesetzt werden. Sie können sicher
sein, dass ich, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse eines Gutachtens, das ich in diesen Tagen bekomme, zuerst der Bundesregierung und dann Ihnen,
dem Deutschen Bundestag, entsprechende Vorschläge
dazu machen werde.
Von entscheidender Bedeutung ist die Wegstrecke bis
zum von mir schon erwähnten Weltfinanzgipfel am
2. April dieses Jahres in London, an dem die Bundeskanzlerin und ich teilnehmen werden. Die Tatsache, dass
im Augenblick nur wenig von den Aktionen, die seinerzeit, im November letzten Jahres, in Washington verabredet worden sind, die Rede ist, ist nicht dahin gehend zu
interpretieren, dass nicht gearbeitet wird.
Ich will Ihnen nur ganz kurz im Telegrammstil mitteilen, dass vier Arbeitsgruppen eingesetzt wurden, eine
unter dem Vorsitz der Bundesrepublik Deutschland, die
sich sehr aktiv mit den Themen, die in London zu erörtern sind, beschäftigen, unter anderem mit der Umsetzung der Maßnahmen, die bereits verabredet worden
sind. Die Bundesregierung wird sehr gezielt weitere Impulse setzen, um in den für eine bessere Regulierung
der Finanzmärkte entscheidenden Fragen voranzukommen. Als Obersatz gilt nach wie vor die Vereinbarung
von Washington, die da lautet: Kein Finanzmarktteilnehmer, kein Finanzmarkt und kein Finanzmarktprodukt der
Welt soll zukünftig keiner Regulierung unterworfen sein.
({18})
Meine Damen und Herren, die Bürger erwarten, dass
wir angesichts dieser Krise verantwortungsbewusst gegensteuern. Dies erwarten sie nicht nur von der Bundes22272
regierung, sondern auch vom Deutschen Bundestag, und
ich füge hinzu: auch vom Bundesrat.
({19})
Deshalb ist meine Bitte an Sie, dieser Verantwortung in
der gegenwärtigen Situation, angesichts der tiefen Krise,
die wir derzeit erleben, gerecht zu werden und dem
Konjunkturpaket II in der zweiten und dritten Lesung
sowie im zweiten Durchgang im Bundesrat zuzustimmen.
({20})
Der britische Premier Churchill hat einmal gesagt:
Es ist sinnlos, zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es
muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.
Dieses Konjunkturpaket, meine Damen und Herren, ist
erforderlich.
Vielen Dank.
({21})
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Guido
Westerwelle für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich
vorab an Sie, Herr Minister zu Guttenberg, wenden. Sie
sind jetzt, darf man sagen, wenige Stunden im Amt. Da
dies die erste Debatte sein wird, in der Sie als Bundeswirtschaftsminister das Wort ergreifen, ist es eine
Selbstverständlichkeit, dass ich Ihnen auch im Namen
der liberalen Opposition viel Erfolg wünsche. Wir sind
sicher, dass Sie das Zeug dazu haben, ein guter Minister
zu werden,
({0})
und im Interesse unseres Landes wünschen wir Ihnen
das ausdrücklich.
({1})
- Schade, dass das Raunen bei den Sozialdemokraten im
Fernsehen nicht übertragen wird. Dieses Raunen ist mir
völlig unverständlich. Ist es klimatisch schon so weit,
dass etwas, was für Demokraten eine Selbstverständlichkeit sein sollte,
({2})
nämlich dass man einem neuen Minister Glück wünscht,
hier Gegenstand parteipolitischen Rumorens wird? Man
muss sich schon wundern!
({3})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres Wort muss gesagt
werden - auch wenn Sie es wiederum kommentieren
mögen -: Ich meine, dass wir mit Michael Glos einen
Bundeswirtschaftsminister hatten, dem wir trotz mancher Meinungsunterschiede zu Dank verpflichtet sind.
Die Lässigkeit, mit der jetzt abschätzig über den Kollegen Glos gesprochen wird, die versteckten Bemerkungen, aber auch die offenen Einführungen in Reden hier ich finde, so sollte man das nicht machen!
({4})
Eine zweite Bemerkung. Herr Finanzminister, Sie haben das Thema Bankenaufsicht angesprochen. Ich hatte
ursprünglich nicht vor, dazu etwas zu sagen; aber da Sie
dieses Thema angesprochen haben, will ich darauf kurz
eingehen. Sie haben sich gegen das gestellt, was Herr
Kollege Kauder in der letzten Debatte zum Konjunkturpaket erklärt hat. Mich verwundert das; denn wir hatten
die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung so
verstanden, dass genau das, nämlich eine Neuordnung
der Bankenaufsicht, stattfinden muss. Wir unterstützen
die Union, wenn sie die Renovierung der Bankenaufsicht jetzt angehen will. Aber da gehören keine faulen
Ausreden in dieses Haus, da gehört Handlung in dieses
Haus. Wenn man sieht, dass die Bankenaufsicht in den
letzten Jahren nicht ausreichend gewirkt hat, weil sie
zerfleddert war, muss man dies ändern.
({5})
Ich möchte jetzt auf das, was Herr Finanzminister
Steinbrück zum Konjunkturpaket wohltuend sachlich
vorgetragen hat, eingehen. Aus Sicht der liberalen Opposition ist dieses Konjunkturpaket enttäuschend. Es wird
wenig wirken; aber die Schulden werden unfassbar lange
bleiben. Das eigentliche Problem ist doch das Strukturproblem. Wenn man in einer solchen Situation - die
Lage ist besonders ernst - in unserem Lande etwas zum
Besseren wenden möchte, darf man keinen Bauchladen,
kein Sammelsurium von Maßnahmen beschließen und
da und dort mit der Gießkanne Steuergelder verteilen,
dann muss man einen großen Wurf wagen.
({6})
Wenn es stimmt, dass 50 Prozent der Wirtschaft Psychologie sind, dann wird man eine Wende in diesem Lande
zugunsten von Anstrengungen, Leistung und Investitionen mit diesem Sammelsurium von Maßnahmen nicht
erreichen. In einer großen Krise ist ein großer Wurf gefragt.
({7})
Das ist der große Unterschied zwischen den Konzepten, die in diesem Hause vertreten werden, zwischen
dem Konzept der Regierung und dem Konzept der liberalen Opposition. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich
hoffe, dass das, was Sie bis vor fünf Tagen, als Sie noch
Generalsekretär der CSU waren, zum Thema Steuersenkungen gesagt haben, auch jetzt, da Sie BundeswirtDr. Guido Westerwelle
schaftsminister sind, Ihr Denken prägen wird. Es wäre
gut für unser Land.
({8})
Wir führen am heutigen Tage im Deutschen Bundestag eine Debatte über eine zweifelsohne außergewöhnliche Lage in Deutschland und über ein vom Umfang her,
von der Schuldenaufnahme her, bisher noch nie gesehenes Konjunkturpaket.
Niemand bestreitet, dass Sie Ihr Bestes versuchen,
aber es gelingt Ihnen leider nicht. Das ist der Unterschied auch zu dem, was beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika am gestrigen Tage von
Präsident Obama mitgeteilt worden ist. Von dem Konjunkturpaket des amerikanischen Präsidenten, so haben
wir gestern mitgeteilt bekommen, gehen fast 300 Milliarden Dollar in Steuersenkungen, während Sie die
Steuersenkungen so schmalbrüstig anlegen, dass davon
wirklich kein konjunktureller Impuls, weder für die
Nachfrage noch für Investitionen, ausgehen kann.
({9})
Das ist das, was wir anders machen wollen und auch
anders machen würden. Wir sind der Überzeugung:
Wenn in einer solchen Lage ein großes Konjunkturpaket
beschlossen werden soll, wenn in einer solchen Lage der
Staat schon Schulden macht, dann sollte er damit wenigstens die Bürgerinnen und Bürger entlasten.
({10})
Das beste Konjunkturprogramm ist es, die Leistungsbereitschaft anzuregen.
({11})
Wenn die Menschen Lust auf Leistung haben, weil der
Staat ihnen mehr übrig lässt von dem,
({12})
was sie sich erarbeitet haben, dann springt die Konjunktur an - und nicht mit irgendwelchen Renovierungsprogrammen.
({13})
Nun hören wir meine, Damen und Herren, dass Sie
das ja täten. Da muss man klar sagen: Wir haben einen
unterschiedlichen Denkansatz. Sie sind der Überzeugung: Es ist klüger, von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen Steuerschecks auszustellen. Wir sagen: Es ist vernünftiger, nicht einzelne Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind, mit Steuerschecks zu
unterstützen. Ausnahmen wird es immer geben. Vernünftiger, als Branchen zu subventionieren, vernünftiger,
als Unternehmen nach Unternehmen an den Steuertropf
zu hängen, wäre es, die ganze Volkswirtschaft zu entlasten, alle, die arbeiten, zu entlasten. Mehr Mut bei den
Steuersenkungen - das braucht diese Republik, meine
sehr geehrten Damen und Herren!
({14})
Dann haben wir gehört - und das finden wir bemerkenswert -, dass das, was die FDP vorschlage, schon
deshalb verhindert werden müsse. Sie haben ja keinen
einzigen Antrag - das ist Ihr gutes Recht - der FDPFraktion, weder in den Ausschüssen noch hier im Hohen
Hause, in den letzten Wochen akzeptiert. Das muss man
nur zur Kenntnis nehmen; das ist Ihr Recht. Übrigens hat
Präsident Obama großen Wert darauf gelegt, dass er mit
allen politischen Kräften ins Gespräch kommt. Er hat
versucht, auch überparteilich ein Paket zu schnüren. Wir
halten fest: Diesen Versuch haben Sie zu keiner Stunde
ernsthaft gestartet.
({15})
Aber, meine Damen und Herren, das ist Ihr Recht. Sie
haben die Mehrheit, und wir werden ja sehen, wohin das
führt.
Aber dann wollen wir einmal über die Steuersenkungen reden, die wirklich nötig wären. Würde man nur die
Erhöhung der Freibeträge, die Sie jetzt häppchenweise
bis zum Jahr 2010 für die Familien pro Kopf auf mehr
als 8 000 Euro erhöhen wollen, vorziehen, dann müsste
der Staat 800 Millionen Euro mehr ausgeben. Diese Entlastung der Familien würde 800 Millionen Euro kosten.
Zum Vergleich das, was in diesem Paket steht: In dem
Paket geben Sie 100 Millionen Euro aus für die Erhöhung der Mittel für Entwicklungshilfe, und Sie geben
650 Millionen Euro aus für die Renovierung der Ministerien. Da sagen wir Ihnen: Das ist die falsche Prioritätensetzung. Die Entlastung der Familien wäre jetzt in
dieser Stunde richtig, um die Lage in Deutschland zu
wenden.
({16})
Was hat das denn mit einer Politik für Reiche zu tun?
Das ist doch reine Polemik, was da vorgetragen wird.
Die Freibeträge für Familien zu erhöhen, ist keine Politik für Reiche, sondern es sollte eigentlich der kleinste
gemeinsame Nenner jenseits der Parteigrenzen in diesem
Hause sein.
({17})
Man wundert sich darüber, dass Sie das nicht tun.
({18})
- Die Angaben der Bundesregierung dazu lauten:
0,8 Milliarden, also 800 Millionen Euro.
Das zweite Thema betrifft die Zinsschranke. Da
könnten Sie ja noch argumentieren und sagen: Wer die
Zinsschranke wieder abschaffen will, die mit der Unternehmensteuerreform beschlossen wurde, der will etwas
für Unternehmen tun. Ja - das sagen wir ausdrücklich -,
das ist richtig,
({19})
weil wir nämlich in einer Zeit leben, in der vor allen
Dingen der Mittelstand darunter leidet, dass er keine
Kredite mehr bekommt. Gerade weil der Mittelstand
hinsichtlich seiner Eigenkapitaldecke nicht so gut ausgestattet ist, ist es jetzt notwendig, wieder zu ändern, was
eingeführt wurde. Es ist ein Fehler, dass man den Mittelstand auch noch für Zinsen Steuern zahlen lässt. Das
muss geändert werden.
({20})
Wenn ich Ihr Programm richtig verstanden habe, dann
wollen Sie das übrigens auch.
Etwas, was die SPD und die CDU/CSU auf ihren Parteitagen beschlossen und in Interviews verkündet haben,
ist zum Beispiel die Senkung des Eingangssteuersatzes.
Das ist doch nun wirklich etwas, was wir hier gemeinsam beschließen könnten.
({21})
Sie beschließen die Senkung des Eingangssteuersatzes
von 15 auf 14 Prozent. Gleichzeitig sagen Sie, dass Sie
den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken müssten.
({22})
Damit wollen Sie in den Wahlkampf gehen; das hat der
Finanzminister in einem Interview mit der Bild am Sonntag angekündigt. Ich halte fest: Die SPD will den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken, die CDU/CSU
will den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent senken, wir
wollen das auch. Warum beschließen wir das dann nicht
jetzt, da die Lage so problematisch ist?
({23})
Was hat es mit irgendeiner Begünstigung von Reichen
zu tun, wenn man den Eingangssteuersatz senkt? Wir
bieten Ihnen an, dass wir das noch in dieser Stunde beschließen können. Tun wir etwas für die Empfänger kleinerer und mittlerer Einkommen! Das ist das Konjunkturprogramm, das Deutschland braucht.
({24})
Stattdessen sehen wir, wie die Gelder in den Länderhaushalten schon ausgegeben werden. Das sage ich übrigens überparteilich, damit wir uns hier nicht missverstehen. Wir alle kennen unsere jeweiligen Pappenheimer,
die ohne jeden Zweifel aus allen Parteien kommen. Dieses Thema kennen wir alle. Hierüber brauchen wir uns
hier im Deutschen Bundestag nicht zu beklagen. Es ist ja
auch bemerkenswert, dass diejenigen, die so viel Geld
bekommen, heute so umfangreich auf der Bundesratsbank vertreten sind. Das ist aber ein anderes Thema an
dieser Stelle.
({25})
- Ja, ich nehme das ausdrücklich zurück. Heute ist Bundesrat. Deswegen ist es nett, dass wenigstens Sie, Herr
Sellering, fehlen. Ich nehme das zurück.
In die Länderhaushalte werden schon Mittel für die
Renovierung der Finanzämter eingestellt. Das heißt,
über das Konjunkturpaket werden auch die Finanzämter
renoviert. Aber für Steuersenkungen ist kein Geld da. Ist
Ihnen eigentlich klar, welche Ironie es in dieser Stunde
ist, dass die Bürger erleben müssen, dass bei uns zu wenig passiert, während die Finanzämter renoviert werden?
Was für ein Konjunkturprogramm in dieser Republik!
({26})
Es ist richtig und auch vernünftig, dass Sie beispielsweise in die Bildung investieren. Das unterstützen wir
nachdrücklich, damit wir uns hier nicht missverstehen.
Das haben wir auch in den Ausschüssen unterstützt. Es
ist gut, dass das geschieht. Die Kritik der Grünen und
aus den anderen Reihen dieses Hauses ist übrigens
ebenso berechtigt. Es ist eben nicht richtig, dass man alleine die Gebäude saniert, während man nichts für Investitionen in die Köpfe bereitstellt und es keine Qualitätsverbesserung des Unterrichts gibt. Das wissen wir, und
ich denke, darin sind wir uns auch einig. Das wird sich
im Vollzug ändern müssen.
In die Straßen investieren Sie auch; das ist richtig.
Auch hier lohnt sich ein Blick ins Detail, um zu sehen,
wie es bei den Straßen tatsächlich aussieht: Tiefbau nein,
Hochbau ja. Mit anderen Worten: Die Straßen mit den
Löchern dürfen nicht mit diesen Mitteln saniert werden,
aber Lärmschutzwände dürfen darum herumgebaut werden. Da fragt man sich wirklich: Wie überzeugend ist die
Konsistenz eines solchen Programms?
({27})
Zur Abwrackprämie. Herr Finanzminister, Sie sagen, die Abwrackprämie werde der große Renner. Wir
wären Ihnen sehr verbunden, Herr Finanzminister, wenn
Sie jetzt irgendwann einmal veröffentlichen würden
- diese Zahlen haben Sie doch längst -, wie viele von
diesen angeblich super gekauften Autos eigentlich wirklich in Deutschland produziert werden. Das ist doch das
eigentliche Thema.
({28})
Ich will es Ihnen ganz offen sagen: Ich halte es für
völlig falsch, dass Sie mit der Abwrackprämie dazu beitragen, den Absatz kleiner asiatischer Autos zu erhöhen,
währen Sie mit der Kfz-Steuererhöhung gleichzeitig die
in Deutschland produzierende Automobilindustrie noch
einmal abwürgen.
({29})
Das halten wir für falsch, und das sagen wir an dieser
Stelle auch.
({30})
- Ich bitte die Kameramänner, nicht nur mich, sondern
bei dieser Unruhe auch die Herrschaften im Saal zu zeigen, weil das eine so bedeutende Stunde der Republik
ist. Die Bürgerinnen und Bürger werden sich darüber
dann auch eine Meinung bilden können.
({31})
Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren,
noch ist es unser Recht, dass wir unsere Punkte vortragen, auch wenn Sie noch die Mehrheit haben.
({32})
Sprechen wir noch einmal über die Krankenkassen,
auch wenn Ihnen das nicht gefallen mag, aber es ist
trotzdem notwendig. Sie verkaufen eine Senkung der
Krankenkassenbeiträge als Konjunkturprogramm. Das
ist in unseren Augen eine wirkliche Veräppelung der
Bürgerinnen und Bürger.
Was passiert hier? Erst haben Sie eine Gesundheitsreform beschlossen, die dazu geführt hat, dass zum
1. Januar dieses Jahres die höchsten Krankenkassenbeiträge gezahlt werden, die jemals bezahlt werden mussten. Ein paar Wochen später senken Sie nun mit Steuergeldern die Krankenkassenbeiträge. Das hat nichts mit
einem Konjunkturprogramm zu tun. Es wäre besser gewesen, die ganze Gesundheitsreform wieder einzustampfen. Das wäre ein Konjunkturprogramm. Zu solchen Strukturreformen fehlt Ihnen aber der Mut.
({33})
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich
noch eine Bemerkung zu den privaten Investitionen
machen. Sie haben einen ausschließlich staatlichen Blick
auf diese Dinge. Das halten wir für falsch. Sie sprechen
davon, welche Ausgaben der Staat tätigen müsse. Was
Sie aber schaffen sollten, ist eine Lösung der bürokratischen Bremsen beispielsweise für Investitionen. Heute
Morgen beschließen Sie das Konjunkturprogramm,
heute Mittag beschließen Sie die Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes. Wir sollten Investitionen nach
Deutschland einladen, aber nicht nach Hause schicken.
({34})
Allein bei den Flughäfen warten etwa 20 Milliarden Euro privater Mittel darauf, investiert zu werden.
Bringen Sie endlich Ihre Ideologie in die Geschichte hinein, damit das beschlossen werden kann! In der Energiewirtschaft warten 20 bis 40 Milliarden Euro privater
Gelder darauf, beschlossen zu werden. Steigen Sie aus
aus einer ideologischen Energiepolitik! Werden Sie wieder vernünftig! Das wäre ein Konjunkturprogramm für
unser Land.
({35})
Alles in allem muss man leider sagen: Die Schulden
werden bleiben, aber für die Konjunktur und für die Bürgerinnen und Bürger wird dabei sehr wenig herausspringen. Sie haben in Ihrer ersten Rede zu diesem Thema
gesagt, Frau Bundeskanzlerin, Sie würden das mit der
Schuldentilgung dann so überzeugend machen wie
beim Erblastentilgungsfonds. Das hat sich nun wirklich
als eine Posse herausgestellt; Herr Vizekanzler, das betrifft Sie übrigens auch. Sie haben gesagt, Sie würden
das genauso machen, wie Sie die Schulden beim Erblastentilgungsfonds zurückgezahlt haben. Heute stellen wir
fest, dass weniger als die Hälfte zurückgezahlt und mehr
als die Hälfte umgeschuldet wurde. Umschuldung ist
aber keine seriöse Finanzpolitik.
Wenn man etwas für die Konjunktur tut, was heute in
der Tat getan werden muss, dann entlastet die Bürgerinnen und Bürger, sorgt dafür, dass die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden! Das wäre wirklich
eine Wende für unser Land zum Guten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, auch wenn es Ihnen nicht gefallen hat, meine Damen und Herren von
den Regierungsparteien.
({36})
Das Wort hat nun der Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie, Freiherr zu Guttenberg.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Westerwelle, ich danke Ihnen zunächst sehr für die Glückwünsche. Die Rede hätte uns
gefallen, wenn sie denn schlüssig gewesen wäre.
({0})
Sie war es leider nicht.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe
das Amt des Bundeswirtschaftsministers in einer Wirtschaftskrise übernommen, wie sie das vereinte Deutschland noch nie erlebt hat, und zwar angesichts der Geschwindigkeit, in der sie uns ereilt hat, angesichts der
Gleichzeitigkeit, aber auch angesichts der Breite, wie sie
global eingetreten ist, und auch angesichts der Folgen
für unsere Konjunktur.
Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, in einer
sehr harten Wirtschaftskrise, aber nicht in einer Systemkrise, wie dies in diesen Tagen gern behauptet wird.
({2})
- Gerade von Ihnen. - Unser gewachsenes und unser Zukunftssystem - nicht für Sie, aber für uns - ist und bleibt
die soziale Marktwirtschaft.
({3})
Mit der sozialen Marktwirtschaft
({4})
- und nicht mit Zwischenrufen dieser Qualität ({5})
ist unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schutt
und Asche zu einer der weltweit führenden Wirtschaftsnationen aufgestiegen. Es ist bedrückend zu sehen, wie
viele - auch von jenen, die sich ihr verhaftet fühlen heute mit leichter Hand inflationär das Wort „soziale
Marktwirtschaft“ im Munde führen, es aber leider kaum
noch erklären können und - was so wichtig ist in dieser
Zeit - sie auch nicht mehr verteidigen können.
Diese ordnungspolitischen Leitplanken der sozialen
Marktwirtschaft dürfen in der Situation, in der wir uns
gerade befinden, nicht panisch abgerissen werden.
({6})
Sie dürfen eingeengt werden. Sie müssen möglicherweise in Teilen eingeengt, vielleicht auch in Teilen erweitert werden. Es ist sicherlich auch richtig, dass wir in
dieser äußerst schwierigen Lage nicht allein und isoliert
auf die Selbstheilungskräfte des Marktes vertrauen können.
({7})
Aber der Grundsatz bleibt richtig, dass der Staat lediglich den Ordnungsrahmen setzt, den Wettbewerb
garantiert und nur dann eingreift, wenn Marktversagen
vorliegt. Deswegen sind angesichts der Krise richtige
Maßnahmen getroffen worden: die Finanzmarktstabilisierung im Oktober letzten Jahres, das Konjunkturpaket I im November letzten Jahres und das zweite Konjunkturpaket, das wir heute hier debattieren.
Bei allem Kritteln, das wir heute auch schon gehört
haben: Noch nie wurde so schnell, so konsequent und so
entschlossen auf eine Krise reagiert.
({8})
Ludwig Erhard ist dieser Tage viel bemüht worden.
Auch er hätte in einer solchen Situation wahrscheinlich
zu knapsen gehabt. Das steht außer Frage. Aber die Leitlinie bleibt richtig, was das Verhältnis zwischen Staat
und Markt anbelangt. Auch er hätte sich wahrscheinlich
keinen Nachtwächterstaat gewünscht.
Mein ausdrücklicher Dank gilt in dieser Phase - da
die beschlossenen Maßnahmen meines Erachtens Wirkung zeigen werden - meinem Amtsvorgänger Michael
Glos.
({9})
Ich glaube, er hat sich ebenso entschlossen, beherzt und
mit viel Tatkraft auch für dieses Paket, aber vor allem für
dieses Land eingesetzt. Auch mir ist unbegreiflich, mit
welchem Stil, mit welcher Kollegialität manche mit einem umgehen, der sich wirklich um dieses Land verdient gemacht hat.
({10})
- Frau Künast, Sie sollten das nicht einfach nur in diesem Sinne aufgreifen.
In einer Krise werden gezwungenermaßen Grenzen
überschritten. In meinem Grundverständnis waren Konjunkturprogramme bislang auch Grenzen. Die Staatsverschuldung steigt. Auch wird eine Insolvenz als reinigender Mechanismus bei Banken bereits außer Kraft
gesetzt. Staatsbeteiligungen bei Banken haben eingesetzt. Selbst Enteignung wird gelegentlich mit allzu rasselnd lauter Stimme ernsthaft diskutiert.
Allerdings ist all das trotz allem keine Kurzschlusshandlung oder der bereits eingetrübte wirtschaftspolitische Kompass, sondern wir tun es für die Menschen in
unserem Lande, die erwarten dürfen, dass ein Gemeinwesen seine grundlegenden Aufgaben erfüllt, gerade
dann, wenn die Selbstheilungskräfte des Marktes nicht
greifen.
({11})
Wer müsste sich dann den Fragen stellen, wenn plötzlich
kein Geld mehr aus dem Geldautomaten käme? Wer
müsste sich dann den Fragen stellen, wenn die Gaslieferungen ausblieben? Wer müsste sich den Fragen stellen,
wenn plötzlich die Mülleimer aufgrund kommunaler
Zahlungsunfähigkeit nicht mehr geleert würden? Ja, es
wurden Grenzen überschritten. Aber wir müssen sie
überschreiten, weil sich einige am Marktsystem auch
versündigt haben. - Es ist interessant, zu sehen, welches
Lächeln von der Linken an dieser Stelle kommt.
Versündigt haben sich staatliche Institutionen in anderen Ländern, die den Geldhahn viel zu weit aufgedreht
haben, um eben einmal ein Wachstumsstrohfeuer zu entfachen, aber ebenso einige zutiefst unverantwortliche
Manager in Finanzinstituten, die nur um des schicken,
gierigen Profits willen das Vertrauen der Menschen
missbraucht und erschüttert haben.
({12})
Hierbei sind die Verantwortungsübernahme und das
Handeln in meinen Augen noch nicht wirklich in Kongruenz gebracht.
Grenzen müssen aber auch wieder zurückgezogen
werden. Wir haben sie überschritten, müssen sie aber in
Teilen wieder zurückführen, weil zu viel Staatsnachfrage
private Initiative und private Investitionen behindert,
weil jeder Eingriff in den Wettbewerb Folgeeingriffe
erzwingt; einige sehen wir derzeit.
({13})
Deswegen muss der Rahmen der sozialen Marktwirtschaft bleiben. Wer dies in einer Extremlage, in einer
Notsituation, in der wir uns befinden, selbstgefällig,
grundsätzlich und dauerhaft infrage stellt, der riskiert in
meinen Augen die Fundamente und die Zukunft unseres
Landes.
({14})
Was ist weiterhin zu tun? Wir haben konsequent
Märkte und Leistungsanreize zu stärken. Wir haben
ebenso konsequent den Arbeitsmarkt nicht durch weitere
Regulierungen zu strangulieren.
({15})
Wir haben den Wettbewerb auf den Energiemärkten weiter zu fördern.
Verehrter Kollege Westerwelle, das von Ihnen angesprochene Thema ist nicht vom Tisch. Jetzt spricht nicht
der Generalsekretär der CSU, sondern ein überzeugter
Bundeswirtschaftsminister. Möglichkeiten für Steuersenkungen, auch für eine Steuerstrukturreform, gehören
in meinen Augen in die Planung für die nächste Legislaturperiode, und zwar über das hinausgehend, was im
Konjunkturpaket II dargestellt wurde; das ist richtig.
({16})
Wir werden uns mühen und bemühen müssen. Wir
werden uns in diesen Tagen auch bemühen müssen, dass
wir über die Ausnahme einer „Ultissima Ratio“ hinaus
nicht zu leichtfertig mit dem Begriff Enteignung umgehen.
({17})
Ein Wort zum 100-Milliarden-Euro-Programm, das in
der Verantwortung meines Hauses liegt, zum Wirtschaftsfonds Deutschland. Hier muss der Fokus klar
sein. Ein eindeutiger Schwerpunkt liegt bei diesem Programm auf langfristig erhaltenswerten Firmen, die unverschuldet durch die Krise gefährdet sind. Ja, es geht
um den Erhalt von Arbeitsplätzen - das ist für uns ein
entscheidender Maßstab -, aber es geht nicht um den Erhalt um jeden Preis, vor allem nicht um den Preis der
Gefährdung von Arbeitsplätzen an anderen Orten und in
anderen Firmen.
({18})
Das wäre der falsche Ansatz.
({19})
Es geht auch darum, wenn wir ein solches Programm
auflegen, mit dem Geld der Steuerzahler verantwortlich
umzugehen.
({20})
Diese Verantwortung müssen wir wahrnehmen.
Über den nationalen Rahmen hinaus gilt es die jeweiligen Programme und Aktionen auf europäischer und internationaler Ebene abzustimmen. Gestatten Sie mir folgende Anmerkung: Der Begriff Freihandel ist weder
eine Phrase noch ein Schimpfwort, sondern eine Notwendigkeit. Dafür dürfen wir eintreten.
({21})
Das Gleiche gilt für den fairen Wettbewerb mit Blick auf
das, was bereits zum Protektionismus gesagt wurde. Unsere Maßnahmen kosten fraglos sehr viel Geld. Deswegen dürfen wir die nachfolgenden Generationen nicht
aus den Augen verlieren. Deswegen ist es richtig, dass
eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wird.
({22})
Wir wollen insgesamt stärker aus dieser Krise hervorgehen, als wir hineingeraten sind.
({23})
Diese Chance haben wir, und diese Chance sollten wir
nutzen. Wir sollten dieses Paket auch nutzen, um den
Menschen in unserem Lande wieder Mut zu machen.
Das bedeutet aber, dass wir Mut weitergeben und nicht
jedes Detail über Wochen und Monate hinweg diskutieren. Dieses Land braucht diesen Mut und ein Stück
Zuversicht. Dieses Land braucht die vermittelte Nachricht, dass wir uns nicht über Wochen und Monate hinweg um die Einzelheiten streiten, sondern dass wir gemeinsam bereit sind, den Menschen die Zuversicht, die
dieses Land in Ausnahmesituationen immer wieder ausgezeichnet hat, zu geben. Die Menschen in diesem Land
haben in Ausnahmesituationen immer wieder Außergewöhnliches geleistet. Das sollten wir durch eigenes Handeln unterstützen.
({24})
Deswegen sollten wir zuversichtlich an diese Aufgabe herangehen, das Haupt nicht neigen, sondern hoch
erhobenen Hauptes mit gesundem Selbstbewusstsein
ohne Hochmut, aber erfahren in der Bewältigung von
Krisen, mit dem entsprechenden Eigenmut, mit Zuversicht und mit klaren Linien, die die Bundesregierung
aufgezeigt hat, in dieses Jahr blicken. Ich glaube, das
können wir. Wir müssen nicht in Sack und Asche gehen,
sondern wir haben ein Konzept, das über das Jahr hinaus
trägt.
Herzlichen Dank.
({25})
Oskar Lafontaine ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident der Deutschen Bundesbank hat auf einer internationalen Konferenz festgestellt: Die Weltwirtschaft befindet sich im freien Fall. Ich benutze heute
lieber das Bild des Flächenbrandes. Von diesem Flächenbrand sind die Weltfinanzmärkte ebenso wie die gesamte Weltwirtschaft betroffen. Wenn ein Flächenbrand
festgestellt wird, dann muss man löschen. Die Löschfahrzeuge stehen bereit. Wir werfen aber der Bundesregierung vor, dass sie diese Löschfahrzeuge nicht einsetzt. Dies will ich jetzt im Einzelnen erläutern.
Der Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, es
gäbe kein Drehbuch. Es gibt aber sehr wohl Erfahrungen
und Maßnahmen, die andernorts gewirkt haben und auf
die wir jetzt zurückgreifen könnten. Die Bundeskanzlerin beklagt sich, sie stehe vor einer Nebelwand. Ich
glaube nicht, dass diese Analyse ausreichend ist, um mit
der gegenwärtigen Krise fertig zu werden.
({0})
Nun will ich konkret erläutern, welche Löschfahrzeuge
sie nicht einsetzt und damit in großem Umfang dazu beiträgt, dass weitere Milliarden sinnlos verschleudert werden.
Sie versuchen jetzt seit Monaten, den Interbankenhandel, den Fluss des Geldes zwischen den Banken, in
Gang zu setzen. Obwohl Sie das seit Monaten versuchen, gelingt Ihnen das nicht. Viele mittelständische Betriebe und sogar viele Großbetriebe, die hervorragende
Finanzstrukturen haben, beklagen sich darüber, dass die
Kreditbeschaffung immer schwieriger wird. Wenn Sie es
nicht endlich schaffen, dass der Interbankenhandel wieder in Gang kommt und die Kredite fließen, dann wird
die Wirtschaft immer weiter einbrechen. Deshalb dürfen
Sie nicht weiter zögern.
({1})
Ich rufe noch einmal das schwedische Modell - das
ist eine Erfahrung aus der Vergangenheit - in Erinnerung. Dieses Modell hat Erfolg gehabt. Sie können dabei
die Frage offen lassen, was Sie machen, wenn das System wieder funktioniert. Aber jetzt ist das schwedische
Modell die beste Lösung, um der Krise überhaupt Herr
zu werden.
Erstens. Sie erreichen mit diesem Modell, dass der
Geldfluss wieder in Gang kommt. Zurzeit belauern sich
die privaten Geschäftsbanken und geben keine Kredite
mehr, weder untereinander noch an Dritte, weil sie unsicher sind und die Risiken nicht kennen. Nur das schwedische Modell beseitigt diesen Zustand. Deshalb plädiere ich nachdrücklich für die Einführung dieses
Modells. Das heißt, Übernahme des Kreditsektors in öffentliche Verantwortung.
({2})
Zweitens. Nur das schwedische Modell stellt sicher,
dass keine Geschäfte außerhalb der Bücher getätigt werden. Zurzeit werden immer noch in großem Umfang Geschäfte außerhalb der Bücher getätigt.
Drittens. Nur das schwedische Modell stellt sicher,
dass keine Geschäfte mit Steueroasen getätigt werden.
Es wäre dringend notwendig, dass ein großer Industriestaat - die Bundesrepublik Deutschland ist das - darauf
hinwirkt, dass seine Kreditinstitute keine Geschäfte
mehr mit Steueroasen machen.
({3})
Viertens. Nur die öffentliche Verantwortung stellt sicher, dass kein Handeln mehr mit Schrottpapieren betrieben wird. Zurzeit werden in großem Umfang Verbriefungen bei den Banken in Anspruch genommen, es werden
in großem Umfang Kreditversicherungen getätigt usw.
Wenn wir jetzt nicht endlich eingreifen, dann handeln
wir völlig verantwortungslos und fahrlässig und sind
verantwortlich für die Verschleuderung weiterer Steuermilliarden.
({4})
Fünftens. Die Übernahme in öffentliche Verantwortung ist die billigste Lösung. Man kann das allein bei der
HRE sehen. Nur der Staat ist zurzeit in der Lage, zu billigen Konditionen zu refinanzieren. Wenn man die privaten Anteilseigner diese Refinanzierung sicherstellen
lässt, dann wird es nur teuer, und die Mittel, die wir bereitstellen müssen, werden nur größer. Erkennen Sie
doch, dass dieser einfache Zusammenhang von niemandem geleugnet werden kann!
({5})
Sechstens. Nur die Übernahme in öffentliche Verantwortung löst die Probleme, die mit der Bad Bank angesprochen worden sind. Es wäre ein Treppenwitz der
Weltgeschichte, wenn wir eine öffentliche Bad Bank einrichteten und dann den Privaten weiterhin die Geschäfte
und die zu erwartenden Gewinne überließen. Es kann so
nicht weitergehen, dass auf der einen Seite alle Verluste
und seien es Hunderte von Milliarden sozialisiert werden, während auf der anderen Seite eine Privatisierung
der Gewinne stattfindet.
({6})
Siebtens. Nur so stellen wir sicher, dass die Zinssenkungen der Zentralbank auch weitergegeben werden
können. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Dazu
hört man von Ihnen nichts. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller hat immer darauf hingewiesen, dass die Geldpolitik ziehen, aber nicht stoßen kann.
Ziehen heißt: Durch Erhöhung der Zinssätze kann man
eine sehr starke Konjunktur bremsen. Stoßen heißt: Man
kann eine schwache Konjunktur durch Senken der Zinssätze anregen. Das Stoßen ist in dem Moment nicht
möglich, in dem die Banken die Zinssenkung der Zentralbank nicht weitergeben. Ein öffentlicher Sektor wäre
aber dazu in der Lage. Er würde daher die notwendigen
konjunkturellen Impulse möglich machen. Das ist der
Grund, warum wir dafür plädieren.
({7})
Nun werden Sie sagen, das sei das typische Oppositionsgerede, zu sagen, die Bundesregierung tut nichts. Es
ist in höchstem Maße fahrlässig, was Sie zu verantworten haben. Ich zitiere hier die Welt:
Der Wettlauf um die besten Konzepte vorm globalen Finanzgipfel Anfang April in London gewinnt
an Tempo. Dabei ist zwischen Vorschlägen zu unterscheiden, die substanziell sind. Und jenen, die
nur zum Ziel haben, den Eindruck zu erwecken, als
tue man etwas.
Leider ist aus Berlin bislang vor allem Letzteres zu
vernehmen. Sowohl der Weltwirtschaftsrat, den
Bundeskanzlerin Angela Merkel in Davos erneut
vorschlug, als auch der Vorstoß, einen globalen Risikoatlas zu schaffen, klingen zwar gut. Aber sie
sind kaum dafür geeignet, die Welt schon bald entscheidend krisenfester zu machen.
Das ist der entscheidende Vorwurf. Während Sie jetzt löschen müssten, machen Sie Konferenzen der Feuerwehrmänner, verlangen irgendeinen Atlas und unterlassen die
wichtigsten Schritte, um das Finanzsystem wieder in
Ordnung zu bringen.
({8})
Es soll doch einmal jemand hier hintreten und sagen,
was Sie auf nationaler Ebene zur Reregulierung unternommen haben. Ich sage noch einmal: Nach wie vor gibt
es Geschäfte außerhalb der Bilanzen, nach wie vor gibt
es Geschäfte mit Steueroasen, nach wie vor gibt es die
Zulassung des Handels mit Schrottpapieren. Es ist doch
fahrlässig und verantwortungslos, dass der Staat da überhaupt nichts tut und weiterhin das Verschleudern von
Milliarden ermöglicht.
({9})
Wir haben Ihnen einen Katalog vorgelegt, der sich an
die Vorschläge des ehemaligen Bundeskanzlers Schmidt
anlehnt, der sich international auf diesem Gebiet als Experte ausgezeichnet hat. Sie hätten ihn nur beschließen
müssen. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, dazu ein
einziges Argument vorzutragen. Kein einziges Argument habe ich dazu gehört. Null. Nun haben wir Ihnen
heute einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der wiedergibt, was international renommierte Makroökonomen
vorgeschlagen haben, was jetzt zu tun ist. An der Spitze
ist der renommierteste Wachstumsforscher der Welt,
Bob Solow. Bob Solow hat mit zehn Makroökonomen
aus Europa ein Manifest vorgelegt, wie jetzt konjunkturell gegenzusteuern sei. Wir haben dieses Manifest zur
Beschlussfassung vorgelegt. Wir wissen, dass Sie alles,
was die Linke vorschlägt, aus ideologischen Vorbehalten
heraus ablehnen werden. Aber übernehmen Sie doch wenigstens, was die Finanzmarktregulierung und die Konjunktursteuerung angeht, die Konzepte international renommierter Makroökonomen.
({10})
Bob Solow und weitere Makroökonomen fordern, zur
Konjunktursteuerung mindestens 2 Prozent des Bruttosozialprodukts pro Jahr aufzuwenden, um die rasante
Talfahrt der Wirtschaft aufzuhalten. Schmidt hat Ihnen
vorgeschlagen, 3 bis 4 Prozent dafür aufzuwenden. Sie
meinen nach wie vor, Sie könnten es bei etwas mehr als
1 Prozent bewenden lassen. Allein die Kenntnis der
Grundrechenarten müsste Sie angesichts des freien Falls
der Wirtschaft zu der Einsicht bringen, dass Sie mit etwas mehr als 1 Prozent nicht auskommen werden, wenn
Sie selbst einen Rückgang der Wirtschaft um
2,25 Prozent prognostizieren. Sie handeln völlig fahrlässig und sind verantwortlich dafür, dass immer mehr
Menschen in Deutschland arbeitslos werden.
({11})
Die Makroökonomen mahnen weitere Zinssenkungen
an; diese Zinssenkungen werden demnächst wohl fällig.
Sie sagen ferner - das ist ganz entscheidend -: Sämtliche Klagen über nationale Maßnahmen, die durchgeführt werden, um dem Nachbarn Schaden zuzufügen
oder um ihm gegenüber Vorteile zu erreichen, sind dann
obsolet, wenn es endlich gelingt, die europäische
Finanzpolitik zu koordinieren. Man kann das nur unterstreichen. Ein einheitlicher Währungsraum hat ohne eine
stark koordinierte Fiskalpolitik keinen Sinn. Dieser Ratschlag der Makroökonomen ist dringend zu beherzigen.
Sie müssen europäisch koordinieren. Europäisch koordinieren heißt in diesem Fall: Jedes Land muss mindestens
2 Prozent des Bruttosozialproduktes aufwenden, um
konjunkturell gegenzusteuern. Wenn das geschieht, ist
jede Diskussion darüber, dass mehr italienische, deutsche oder französische Autos gekauft werden, hinfällig.
({12})
In diesem Manifest schlagen die Makroökonomen
auch eine verbesserte institutionalisierte Rolle der Finanzminister auf europäischer Ebene vor; sie regen die
Einrichtung eines Sekretariats an. Wie immer Sie das
nennen wollen - ich habe das hier schon öfter angeführt;
Jacques Delors hat immer von einer Wirtschaftsregierung gesprochen; der französische Präsident Sarkozy hat
ähnliche Vorschläge gemacht -, dahinter steht nur das
eine: Wenn man eine gemeinsame Währung hat, braucht
man eine koordinierte Finanz- und Wirtschaftspolitik;
sonst gibt es Verwerfungen und Schäden für alle Volkswirtschaften.
({13})
Die Makroökonomen schlagen selbstverständlich
auch vor, zu konsolidieren. Das ist kein Streitpunkt. Die
Frage ist nur, wie konsolidiert wird. Hier wird vorgeschlagen, keine starren Regeln zu beschließen, die sowieso nicht mehr beherzigt und bei jeder konjunkturellen Talfahrt gebrochen werden, sondern längerfristig
laufende Ausgaben durch laufende Einnahmen zu decken. Dieser Vorschlag ist viel sinnvoller als das Befolgen starrer Regeln, etwa der Maastricht-Kriterien, mit
denen wir in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen
gemacht haben.
Der wichtigste Punkt auch dieser Makroökonomen
ist, endlich den Finanzmarkt zu regulieren. Sie schlagen hierfür einfache und klare Regeln vor. Die von uns
immer wieder vorgetragenen Regeln - keine Geschäfte
mit Steueroasen, keinen Schrotthandel und keine Geschäfte außerhalb der Bilanz - sind so klar und so eindeutig, dass jeder ihrer Richtigkeit sofort und unverzüglich zustimmen kann.
({14})
Im Übrigen sagen diese Professoren selbstverständlich - um Herrn Kollegen Westerwelle anzusprechen -,
dass Steuersenkungen derzeit das am wenigsten geeignete Mittel sind.
({15})
Das alles ist doch wissenschaftlich untersucht. Sie werden in der angelsächsischen Nationalökonomie kaum jemanden finden, der sagt: Steuersenkungen sind das beste
Mittel, um konjunkturell gegenzusteuern.
({16})
- Soweit ich weiß, ist er kein renommierter amerikanischer Nationalökonom. Aber ich kann mich irren.
Wenn Sie das einmal nachlesen, stellen Sie fest: Dort
wird gesagt, dass bei öffentlichen Investitionen pro Dollar zwei bis drei Dollar Folgeinvestitionen hervorgerufen
werden, während bei Steuersenkungen allenfalls 70 Cent
von einem Dollar ausgegeben werden. Das sind Grundrechenarten, gegen die Sie hier immer wieder verstoßen,
Herr Kollege Westerwelle.
({17})
Es ist nun einmal so: Die Hälfte der Haushalte zahlt
keine Lohn- und Einkommensteuern. Wollen Sie die
Hälfte der Haushalte ausklammern, wenn Sie konjunkturell gegensteuern? Wollen Sie beim konjunkturellen Gegensteuern tatsächlich diejenigen ausklammern, die jeden Euro ausgeben würden? Wollen Sie nur diejenigen
bedienen, die ihre Euros teilweise auf die Sparkonten
bringen? Was hier vertreten wird, ist doch irrsinnig.
({18})
Das hat doch nur, wenn man so will, klientelpolitische
Gründe; ansonsten ist das völliger Nonsens, der hier vorgetragen wird.
Das gilt im Übrigen auch für Freibeträge. Eine Anhebung der Freibeträge, die Sie hier so vehement verteidigt haben, wird nur denen zugute kommen, die Steuern
zahlen. Aber die vielen, die keine Steuern zahlen, müssen anders unterstützt werden; und diese haben Unterstützung auch am nötigsten. Deshalb ist der Weg, den
Sie vorschlagen, falsch.
({19})
Insofern ist es auch kein Zufall, dass unsere Vorschläge - das hat, wie ich glaube, die Frankfurter Rundschau heute veröffentlicht - von der Mehrheit der Bevölkerung gebilligt werden. Sie kämen nämlich der
Mehrheit der Bevölkerung eher zugute als das, was bisher beschlossen wurde. Unsere Vorschläge sind: Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze, Verbesserungen bei den
Renten und eine Lohnentwicklung, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzt, das auszugeben, was sie notwendigerweise für ihre Familien
ausgeben müssen. Deshalb sagen wir noch einmal: Das
Konjunkturpaket muss auch sozial ausgewogen sein.
({20})
Sozial ausgewogen müssen insbesondere Hartz-IVSätze, Renten und Löhne sein.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zu etwas, das
mich wirklich mit Sorge erfüllt. Ich habe ja nichts dagegen, wenn eine Partei einen Höhenflug erlebt. Das sei ihr
gegönnt. Unter Sportlern muss man auch anderen Erfolg
gönnen.
({21})
- Sie wissen doch, dass es ein Auf und Ab gibt. - Ich
möchte allerdings noch zwei Dinge dazu sagen.
Dass die FDP - das habe ich gestern gelesen - in der
jetzigen Situation die gesetzliche Krankenversicherung vollständig privatisieren will, schlägt doch dem
Fass nun wirklich den Boden aus. Das ist unglaublich!
({22})
Deswegen sage ich Ihnen: Wir werden alles tun, um eine
schwarz-gelbe Mehrheit zu verhindern. Wir werden das
auch erreichen. Dafür stehen wir, meine sehr geehrten
Damen und Herren.
({23})
Das Gleiche trifft natürlich auch auf Ihre Ankündigung zu, die Rentnerinnen und Rentner zur Kasse zu
bitten, um die Milliarden, die da verschleudert worden
sind, in Zukunft bezahlen zu können. Was ist das denn
für ein asozialer Ansatz? Leider haben auch ein Abgeordneter der CDU und ein Abgeordneter der SPD vor einigen Wochen solche Äußerungen getätigt. Das ist doch
völlig unglaublich! Es müssen endlich einmal diejenigen
zur Kasse gebeten werden, die das Ganze verbrochen haben, und nicht die Bevölkerung.
({24})
Jetzt sage ich Ihnen noch etwas zu den Schulden.
Herr Kollege Lafontaine, Sie müssen sich jetzt ein
bisschen beeilen.
Ich beobachte die Uhr, Herr Präsident. - Schauen Sie
sich einmal die Vermögensbesteuerung anderer großer
Industriestaaten an. Die Zinsbelastung Deutschlands
liegt etwa bei 60 Milliarden Euro. Würden wir beispielsweise die englische Vermögensbesteuerung einführen,
erhielten wir alleine 100 Milliarden Euro aus der Vermögensbesteuerung. Daran sehen Sie, warum Sie nicht
erfolgreich arbeiten können. Wenn Sie die Ungleichgewichte bei Vermögen und bei Einkommen nicht beseitigen, wenn Sie es nicht schaffen, diejenigen, die die Profiteure der Entwicklungen der letzten Jahre waren, zur
Finanzierung der Staatsfinanzen heranzuziehen, dann
verschärfen Sie die Krise weiter. Das muss um jeden
Preis vermieden werden.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr von und zu Guttenberg, auch wir wünschen
Ihnen für Ihr Amt alles Gute und viel Erfolg, allerdings
nicht wegen der besonders ruhmreichen Bedingungen,
unter denen Sie ins Amt geraten sind, sondern weil wir
uns in einer Wirtschaftskrise befinden und es eigentlich
normal und vernünftig ist, dass ein Wirtschaftsminister
in einer solchen Zeit auch erfolgreich ist.
({0})
Dazu gehört aber, dass die politische Führung, insbesondere in Person der Kanzlerin, nicht nur zuschaut, was
passiert, abwartet und zaudert, sondern die politische
Führung tatsächlich übernimmt und konsistent Politik
gestaltet. Das war bei Ihrer Amtswerdung, Herr Wirtschaftsminister, nicht der Fall, wie wir alle an dem
Chaos letztes Wochenende sehen konnten.
({1})
Ich will gleich auf das Bild eingehen, Herr
Guttenberg, das Sie gezeichnet haben. Sie sagten, die
Regierung habe die Krise vom Finanzmarktschirm bis
zum heute vorliegenden Konjunkturpaket II beispielhaft
im Griff gehabt. Bei genauer Betrachtung der Wirklichkeit kann ich diese Einschätzung nicht teilen.
({2})
Fangen wir am Anfang an. Wir sehen heute - darüber
hat Herr Steinbrück nichts gesagt -, dass der Finanzmarktschirm von Anfang an falsch konstruiert war.
Deswegen haben wir ihn übrigens abgelehnt. Sie haben
damals, im Oktober 2008, Angst vor einer effektiven
Teilverstaatlichung gehabt. Sie haben nämlich aus ideologischen Gründen diesen Weg gefürchtet. Die Schwierigkeiten und Fehler, die daraus resultierten, sehen Sie
jetzt ganz deutlich: Der Finanzmarktschirm funktioniert
nämlich nicht. Er hat den Anspruch, die Wirtschaft mit
Krediten zu versorgen und zu erreichen, dass sich die
Banken gegenseitig Liquidität zur Verfügung stellen,
bisher nicht erfüllt. In der Hypo Real Estate, einer Bank,
die gerade noch 270 Millionen Euro wert ist, stecken inzwischen 102 Milliarden Euro. Da muss man doch wirklich fragen: Hat es funktioniert, ja oder nein? Ich sage
Ihnen: Es hat nicht funktioniert.
({3})
Deswegen ist es notwendig, dass Sie den Finanzmarktschirm jetzt endlich korrigieren, nämlich durch ein Gesetz, das das Ganze präziser fasst.
An die Union gerichtet sage ich: Nun ist Schluss mit
Ideologie! Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder
kauft der Staat den Herrn Flowers aus der HRE heraus
- dann muss er allein für ihn 500 oder 600 Millionen
Euro veranschlagen; für die anderen Anteilseigner vielleicht noch einmal die gleiche Summe; es wird also sehr
teuer -, oder Sie trauen sich endlich, das effektiv zu machen, damit die Bank wieder wirksam Kredite ausgeben
kann und mehr Glaubwürdigkeit gewinnt; in diesem Fall
dürfen Sie eine Enteignung aber nicht scheuen.
({4})
Herr Röttgen, es ist nicht die Stunde der ideologischen Konstruktionen in der Frage, was alles nicht sein
darf,
({5})
sondern jetzt muss effektiv gehandelt werden. Was wir
bei den Banken gegenwärtig machen, ist vergleichbar
mit einer Aktenvernichtungsmaschine: Oben wird das
Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hineingesteckt, unten kommt es zerhäckselt wieder heraus - ohne
jeden vernünftigen Effekt. Dafür ist diese Regierung
verantwortlich. Sie können jetzt nicht nach dem Motto
verfahren: So what? Es ist halt alles schwierig. Damit
haben wir nichts zu tun.
({6})
Ihre beiden Konjunkturprogramme wirken nicht so,
wie Sie es erwartet haben. Zum einen haben Sie zu
wenig tatsächlich direkt und schnell wirkende Konjunkturmaßnahmen eingebaut. Ich will das einmal an einem
Beispiel aufzeigen: 6 Milliarden Euro Steuersenkung
rückwirkend zum 1. Januar 2009; Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung zum 1. Juli. Sie glauben
doch nicht, dass jemand jetzt ins Einkaufen gerät und
den Binnenmarkt stärkt, wenn er erfährt: Es gibt eine
Steuersenkung und ein halbes Jahr später soll noch eine
Beitragssatzsenkung kommen und nach einem halben
Jahr eine weitere Steuersenkung. Da sind Sie unterkritisch. Damit werden Sie die Konjunktur nicht beleben.
({7})
Zum anderen sind die Investitionen zu gering.
13 Milliarden Euro Investitionen in den Gemeinden bei
einem Paket von 50 Milliarden Euro sind zu wenig. Das
Ganze wird auch nicht gesteuert, zum Beispiel im Sinne
von Bildung und Ökologie.
Wir lehnen das Konjunkturpaket II ab. 50 Milliarden
Euro auf Schulden - alle müssen doch wissen: das sind
Schulden der Zukunft -, ohne eine klare Richtung für
Klima, Bildung und soziale Gerechtigkeit, das kann
nicht den Effekt haben, dass man gestärkt aus der Krise
herauskommt.
({8})
Herr von und zu Guttenberg, Sie haben hier gesagt:
Wir werden stärker aus der Krise herauskommen, wenn
wir es richtig machen. - Dieser Gedanke ist attraktiv.
Aber dann muss man in der Krise jetzt so investieren,
dass man danach auch wirklich gestärkt aus ihr herauskommen kann. Wenn Sie auf die Weltwirtschaft schauen,
dann ist klar: Der neue Boom, der nach der Krise kommen wird, ist mit dem Begriff „grün“ richtig beschrieben; denn „grün“ heißt Investitionen in ökologische Modernisierung; „grün“ heißt Investitionen in Bildung, und
zwar in Beton und in Köpfe; „grün“ heißt mehr Investitionen in soziale Gerechtigkeit. Wenn Sie diese drei
Punkte nicht zielgenau umsetzen, dann gehen wir nicht
gestärkt, sondern geschwächt aus dieser Krise heraus.
({9})
Die anderen, zum Beispiel in den USA, haben das inzwischen begriffen.
Mich wundert, dass Sie, Herr von und zu Guttenberg
und Herr Westerwelle, jetzt schon wieder das Lied der
Steuersenkungen singen. Ich sage Ihnen einmal ganz
klar, Herr Westerwelle: Ich glaube nicht, dass durch
Steuersenkungen, wie sie die Regierung jetzt will - Sie
wollen das ja noch erweitern -, ein schneller Konjunktureffekt erreichen werden kann, und zwar aus folgendem Grund: In Deutschland zahlt die Hälfte der Haushalte gar keine Einkommensteuer mehr. Deswegen
müssen wir, wenn wir konjunkturell etwas erreichen
wollen, die Transferleistungen für die, die sehr wenig
haben, erhöhen, also zum Beispiel das Arbeitslosengeld II. Wer Konjunkturpolitik mit Gerechtigkeitspolitik
verbinden will, der muss an dieser Stelle ansetzen, der
muss etwas für die kleinen Leute tun und nicht für die,
die sowieso mehr haben.
({10})
Ich bin erstaunt über die FDP und ihre Konzeption.
Die Union scheint in dieser Frage ja von Westerwelle getrieben zu sein. Sie sagen, Sie haben etwas gegen Verschuldung, und wollen mit gigantischen Steuersenkungskonzepten in den Wahlkampf ziehen. Aber Sie werden
sie nicht finanzieren können. Solche Steuersenkungen
hätten keinen anderen Effekt, als dass neue Schulden
aufgehäuft würden und damit für die Zukunft Kürzungen
der Sozialleistungen vorprogrammiert wären. Anders
können Sie das nicht finanzieren.
({11})
Wir werden im nächsten Jahr eine Auseinandersetzung
genau über die Frage haben, ob es richtig war, jetzt billig
Steuersenkungen zu versprechen, dadurch die Verschuldung anzuheben und Kürzungen der Sozialleistungen
zulasten der kleinen Leute vorzubereiten.
({12})
Manches, was Sie, Herr Westerwelle, hier bringen, ist
Taschenspielerei. Sie reden von einer sofort machbaren
weiteren Senkung des Eingangssteuersatzes auf
12 Prozent. Aber wer sich das etwas genauer anschaut,
merkt, dass Sie das gar nicht beschließen. Die FDP hat
am 31. Mai 2008 auf ihrem Parteitag ein Steuerkonzept
mit Gesamtkosten in Höhe von 70 Milliarden Euro beschlossen.
({13})
Darin hat sie einen Eingangssteuersatz von insgesamt
19 Prozent vorgesehen. Das stellt man fest, wenn man
die Vorhaben der Herrschaften einmal genauer studiert.
({14})
Ich will es Ihnen erläutern, Herr Westerwelle: Sie haben 10 Prozent Eingangssteuersatz beim Bund; zusammen mit dem von Ihnen vorgesehenen Länderzuschlag
von bis zu 5 Prozent und dem Kommunalzuschlag von
bis zu 4 Prozent beim Eingangssteuersatz kommen Sie
nach Adam Riese auf 19 Prozent. Ich finde es schon ein
starkes Stück, Herr Westerwelle, dass Sie hier die Backen aufblasen und von 12 Prozent Eingangssteuersatz
reden, nachdem Sie im Mai selber bis zu 19 Prozent beschlossen haben. Da hört die Redlichkeit bei Ihnen auf.
({15})
- Es tut natürlich weh, wenn man seine eigenen Parteitagsbeschlüsse vor Augen geführt bekommt. Wenn das
jetzt ein alter Beschluss wäre, zum Beispiel von 1964,
dann könnte ich Ihr Geschrei verstehen, Herr Niebel.
Aber wenn Sie schreien, ist klar, dass ich ins Schwarze
getroffen habe. Das ist eine alte Erfahrung. Wir werden
das auch weiterhin so praktizieren.
({16})
Das Konjunkturprogramm II, das auf dem Tisch liegt,
ist ökologisch gesehen ein Blindflieger. Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, das wisst ihr auch. Deswegen
verstehe ich nicht, dass ihr euch jetzt so schwer tut, wenigstens im Rahmen der Kfz-Steuer-Reform eine etwas
stärkere ökologische Ausgestaltung vorzunehmen. Die
Ansicht, dass die Abwrackprämie ein so gigantischer Erfolg wäre, wie Herr Steinbrück vorhin dargestellt hat,
kann ich übrigens nicht teilen. Tatsächlich geschieht
nichts anderes, als dass Autokäufe, die für die nächsten
drei, vier Jahre geplant waren, auf dieses Jahr vorgezogen werden.
({17})
Ich frage Sie, Herr Steinbrück: Was wollen Sie eigentlich machen, wenn die Krise im nächsten Jahr anhält?
Was ist dann mit der Leitindustrie der Autobauer? Wir
sagen klar: Nur wer jetzt den Strukturwandel fördert
und andere und bessere Fahrzeuge unterstützt, trägt dazu
bei, dass wir aus der Krise besser herauskommen, als wir
in sie hineingegangen sind.
({18})
Ich möchte zum Abschluss noch etwas an den neuen
Wirtschaftsminister gerichtet sagen. Sie lesen hier in Ihrer ersten Rede - vielleicht verständlich - der Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft die Messe. Aber
Sie müssen sich eine Frage stellen: Wie können wir die
Marktwirtschaft in unserem Land so durch neue Rahmenbedingungen erneuern, dass sie wieder sozial wird?
Man kann sich doch nicht mehr einfach auf die soziale
Marktwirtschaft berufen, sondern muss feststellen, dass
die soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft diffundiert. Ich hätte von Ihnen erwartet - wir werden das von
Ihnen vor allem in den nächsten Monaten erwarten -,
dass Sie klar und deutlich beschreiben, welche Rahmenbedingungen, welche ordnungspolitischen Neusetzungen Sie für die Marktwirtschaft vorschlagen, damit sie
wieder sozial und vor allem ökologisch werden kann.
Ich sage Ihnen voraus: Es wird in Deutschland, in
Europa und auf der Welt keine erfolgreiche Marktwirtschaft mehr geben, die nicht das Thema Ökologie und
soziale Gerechtigkeit als Fundament hat und daraus ableitet, welche Rahmenbedingungen zu setzen sind. Allein das Predigen der alten sozialen Marktwirtschaft
wird die Probleme der Zukunft nach unserer Überzeugung nicht lösen können.
({19})
Das Wort erhält nun der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Herr Ministerpräsident Sellering.
({0})
Erwin Sellering, Ministerpräsident ({1}):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In einer Krise wie dieser kommt es
darauf an, rasch, überlegt und entschlossen zu handeln und vor allem gemeinsam. Diese Gemeinsamkeit zwischen Bund und Ländern ist in den letzten Wochen und
Monaten sehr gut gelungen. Wir haben gemeinsam das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz und das erste Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Wir werden jetzt
auch das zweite Konjunkturpaket gemeinsam auf den
Weg bringen.
({2})
In dieser Krise hat sich gezeigt, dass der Föderalismus
auch bei großem Zeitdruck handlungsfähig ist. Obwohl
heute der Bundesrat tagt, bin ich hier, um zu zeigen, dass
uns weiter an dieser guten Zusammenarbeit liegt,
({3})
damit wir gemeinsam diese Krise meistern können.
({4})
Die richtige Antwort ist: kein Aktionismus, sondern
Maßnahmen, die das Wachstum fördern und Werte
schaffen. Deshalb ist es richtig, der Wirtschaft mit Sonderprogrammen und Kredithilfen unter die Arme zu
greifen. Es ist richtig, die Bürger zu entlasten und dabei
vor allem den Familien zu helfen. Es ist richtig, öffentliche Investitionen vor Ort zu ermöglichen; denn das
stärkt die Konjunktur und schafft gleichzeitig Werte, die
bleiben. Deshalb sage ich ganz klar: Dieses Konjunkturpaket II ist insgesamt eine gute Sache.
Gut ist erstens, dass dieses Konjunkturpaket jetzt für
ganz Deutschland gilt. Da gab es ja mal andere Töne. Ich
freue mich, dass das, was wir jetzt beschlossen haben,
Ost und West gleichermaßen zugutekommt und nicht
gesagt wird: Jetzt ist der Westen an der Reihe. - Gerade
in einer Krise dürfen wir uns nicht auseinanderdividieren.
({5})
Diese Krise betrifft ganz Deutschland, und deshalb muss
sie in Deutschland gleichermaßen bekämpft werden.
Gut ist zweitens, dass dies ein Rettungspaket für den
Erhalt von Arbeitsplätzen geworden ist. Denn wir
müssen immer wieder deutlich machen, dass es uns nicht
darum geht, Banken oder Unternehmen als Selbstzweck
zu helfen, sondern immer mit Blick auf die Arbeitsplätze. Wir müssen aufpassen - dies dürfen wir nicht unterschätzen -, dass diese Vertrauenskrise bzw. dieser
Vertrauensverlust, der die Finanzmärkte und die Wirtschaft erschüttert hat, nicht das gesamte Wirtschaftssystem betrifft oder am Ende vielleicht sogar das Vertrauen
fehlt, dass unsere demokratischen Institutionen in der
Lage sind, mit dieser Krise fertig zu werden. Wir dürfen
nicht verkennen: Für viele Menschen draußen ist es sehr
schwer nachvollziehbar, welch riesige unvorstellbare
Milliardenbeträge nicht nur hier, sondern überall auf der
Welt von Staaten mit manchmal erschreckender Leichtigkeit bewegt werden. Die Bürgerinnen und Bürger vor
Ort fragen sich: Was bedeutet das für uns, für den Einzelnen? Was bedeutet das für den Fortgang der Sozialpolitik und der Umweltpolitik? Wir müssen sehr aufpassen, dass es nicht zu einer Vertrauenskrise kommt.
Unternehmen zu stützen, um Arbeitsplätze zu sichern,
kann ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern selbstverständlich nicht allein. Wir können keine eigenen Konjunkturprogramme auflegen; das würde uns überfordern.
Deshalb ist unser Bestreben - dies ist wichtig für uns -,
dass wir von der Krise betroffene Unternehmen unter
den Schutzschirm des Bundes bringen können. Dazu
sind wir auf gute Gespräche und eine gute Zusammenarbeit mit dem Bund angewiesen. Diese Zusammenarbeit
haben wir bisher erfahren. Ich hoffe, dass dies so weitergeht.
({6})
Meine Damen und Herren, viele der Unternehmen,
die die Krise meistern können, werden häufig für längere
Zeiträume nicht genug Beschäftigung haben. Dann geht
es darum, dass wir diesen Unternehmen helfen müssen,
ihre Fachkräfte zu halten. Ich will ganz deutlich sagen:
Das Programm, das Olaf Scholz aufgelegt hat, und die
Strategie, die er verfolgt, sind genau richtig. Die Geltungsdauer der Kurzarbeit verlängern, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, qualifizieren, statt zu entlassen - genau das brauchen wir.
({7})
Wir haben schon jetzt einen Fachkräftemangel im
Land. Auch in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern ist völlig klar, dass wir die Fachkräfte für die Zeit,
wenn es wieder weitergeht, halten müssen, und zwar
nicht nur in den Betrieben. Wir müssen vor allem auch
verhindern, dass sie das Land verlassen. Dafür bietet dieses Programm sehr gute Voraussetzungen. Das sind die
richtigen Weichenstellungen in dieser Krise.
Ich kann Ihnen berichten, dass Mecklenburg-Vorpommern dieses Paket in der letzten Woche in einer Sitzung
des Bündnisses für Arbeit vorgestellt hat. Das war
nicht nur eine Informationsveranstaltung, sondern es
kam auch zu einer Rückkopplung: Ist das, was wir tun,
Ministerpräsident Erwin Sellering ({8})
richtig? Müssen wir das noch ergänzen? - Dieses Paket
ist dort auf sehr viel Zustimmung gestoßen. Im Bündnis
für Arbeit sind die Sozialpartner und verschiedene Unternehmer vertreten, die selbstverständlich unterschiedlichen Parteien angehören. Ich habe Ihnen eine Botschaft
mitgebracht - das war das Ergebnis -: Da es jetzt darauf
ankommt, der Wirtschaft Vertrauen zu signalisieren,
müssen wir gemeinschaftlich sagen - so der allgemeine
Tenor im Bündnis für Arbeit -, dass dies ein gutes Paket
ist, dass dies eine Maßnahme ist, mit der wir diese Krise
meistern können; denn sonst werden wir es nicht schaffen, Vertrauen herzustellen. Ich finde es bemerkenswert,
dass das über die Parteigrenzen hinweg gelungen ist.
Das würde ich mir auch für dieses Haus etwas häufiger
wünschen.
({9})
Aus Sicht der Länder ist besonders wichtig - das ist
mein dritter Punkt -, dass dieses Konjunkturpaket ein
Investitionspaket geworden ist, das Investitionen vor
Ort ermöglicht. Wir können Kindergärten, Schulen und
Krankenhäuser davon profitieren lassen. Es ist gut, dass
es bleibende Investitionen gibt. Das ist sinnvoll, weil wir
damit Werte schaffen.
({10})
Mecklenburg-Vorpommern bekommt aus dem Investitionsprogramm für Länder und Kommunen vom Bund
237 Millionen Euro. Wir haben am letzten Dienstag im
Kabinett eine schnelle Umsetzung dieses Programms beschlossen. Wir sind eines der wenigen Länder, die keinen Nachtragshaushalt brauchen.
({11})
Deshalb ist es uns möglich, das demnächst im Finanzausschuss zu beschließen, sodass wir das dann sehr
schnell umsetzen können.
Ich will hervorheben, dass es für uns besonders wichtig ist, dass 65 Prozent der Mittel der Bildungsinfrastruktur zugute kommen sollen. Wir haben viele Vorgespräche mit dem Bund geführt, in denen wir darauf
hingewirkt haben. Wir sind froh, dass das dabei herausgekommen ist.
({12})
Es ist möglich, bessere Kitas, bessere Schulen und bessere Hochschulen zu schaffen. Das eröffnet unseren Kindern mehr Chancengleichheit von Anfang an. Das Wichtigste für die Zukunft dieses Landes ist es, dass wir die
Voraussetzungen dafür schaffen, dass niemand zurückgelassen wird, dass jeder mitgenommen wird, dass jede
Begabung gefördert wird. Unsere Kinder sind die Ingenieure, Forscher und Unternehmer von morgen. Wir
müssen ihnen das nötige Rüstzeug geben.
({13})
Meine Damen und Herren, der zweite Korb, die weiteren 35 Prozent, ermöglichen Investitionen in Krankenhäuser, Städtebau, ländliche Infrastruktur - zum Beispiel
eine bessere Breitbandversorgung - und andere Infrastrukturprojekte. Für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet das beispielsweise Investitionen in die Hafeninfrastruktur.
Ganz wichtig ist - das ist hier eben schon angeklungen -, dass die Kommunen vor Ort in die Lage versetzt
werden, das, was ihnen vom Bund zur Verfügung gestellt
wird, anzunehmen, also den nötigen Eigenanteil aufzubringen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele
Kommunen und Gemeinden, in denen eine Haushaltsnotlage herrscht. Wir haben uns entschlossen, die Regelung in dieser Krise nicht generell zu lockern. Unsere
Lösung ist folgende: Aus einem Fonds, den das Land
einrichtet, werden gezielt Zuschüsse geleistet, damit der
Eigenanteil aufgebracht werden kann. Ich glaube, das ist
wichtig und der richtige Weg.
({14})
Bezüglich des Konjunkturpakets II, aus dem wir den
Kommunen pauschal Gelder zur Verfügung stellen, haben wir mit den Kommunen in Gesprächen vereinbart,
dass sie im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung
ebenso verfahren. Sie sollen für den Landkreis genau definieren, welche Gemeinde einen bestimmten Anteil, sagen wir einmal: 15 Prozent, leisten kann und welche sich
nur 5 Prozent leisten kann. Das muss im Rahmen der
kommunalen Selbstverwaltung bestimmt werden.
In diesem Investitionspaket steckt für uns alle eine
große Chance, diese Krise zu meistern und die Bundesländer langfristig zu stärken. Diese Chance wollen wir
nutzen. Allerdings ist auch klar, dass das alles nur durch
eine der größten Nettoneuverschuldungen überhaupt
finanziert werden konnte. Deshalb ist es absolut richtig,
dass wir eine Schuldenbremse eingeführt und den
Schuldenabbau fest vereinbart haben. Dafür haben wir
in der gestrigen Sitzung der Föderalismuskommission
die Weichen gestellt. Es ist sehr zu begrüßen, dass das
geklappt hat. Ich muss allerdings auch deutlich sagen:
Wenn wir eine derart rigide Schuldenpolitik vereinbaren
und im Grundgesetz festschreiben, dann müssen sich
auch diejenigen, die immer über Steuersenkungen reden,
klar darüber sein, dass Steuersenkungen auf Jahre ausgeschlossen sind.
({15})
Ich will noch zwei kritische Bemerkungen zum
Schuldenabbau machen. Ich hätte mir gewünscht, dass
wir bei der Frage der Geber- und Nehmerländer nicht
nur auf den Schuldenstand sehen, sondern auch die
strukturelle Wirtschafts- und Finanzkraft etwas mehr berücksichtigen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass die
Konsolidierungshilfen so gestaltet werden, dass sie einen Anreiz zur Konsolidierung für alle Länder bieten.
Das ist nicht ganz so gelungen, wenn das für neun Jahre,
also für lange Zeit festgeschrieben wird.
Insgesamt ist es eine gute Lösung, die wir unbedingt
brauchen. Das vorliegende Paket ist überzeugend. Ich
möchte Sie bitten: Lassen Sie uns in Bund und Ländern
gemeinsam daran arbeiten, dass es ein Erfolg wird und
das Land weiter voranbringt.
Vielen Dank.
({16})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache darauf
aufmerksam, dass in der Zwischenzeit auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan vorliegt. Sie dürfte inzwischen im Plenum verteilt sein. Ich bitte Sie, das in der Zwischenzeit zur
Kenntnis zu nehmen.
Das Wort erhält nun die Bundesministerin Frau
Dr. Annette Schavan.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Soziale Marktwirtschaft und
Wohlstand für alle bedeuten heute, dass wir alles tun
müssen, um allen Bürgerinnen und Bürgern Teilhabe zu
ermöglichen. Weil Wohlstand für alle heute Teilnahmechancen für alle bedeutet, ist unser Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in
Deutschland mit unserer Überzeugung verbunden, dass
es Investitionen in Bildung und Forschung sind, die
Chancen für die Zukunft eröffnen. Sie tragen - Herr
Kuhn hat eben die Frage gestellt: Was bedeutet Stärkung
von sozialer Marktwirtschaft heute? - zu Weiterentwicklung und Erneuerung bei. Wohlstand für alle bedeutet
heute Bildung für alle.
Dieser Gesetzentwurf - Herr Sellering hat sich vor allem auf das Investitionsprogramm konzentriert, auch ich
will das tun - macht deutlich, dass wir gerade jetzt dazu
beitragen wollen, dass Deutschland nach der Überwindung dieser wirtschaftlich schwierigen Lage moderner,
innovativer und zukunftsfähiger sein wird. Deshalb ist
das Herzstück des Investitionsprogramms eine beispiellose Investition in Bildung und Forschung. Dafür stellen
Bund und Länder in den Jahren 2009 und 2010 über
11 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist das größte Investitionsprogramm für Bildung, das es je in Deutschland gegeben hat.
({0})
Durch die Finanzmittel stützen wir das heimische
Handwerk und den Handel, sichern Arbeitsplätze und erhöhen die Steuereinnahmen. Unser Grundsatz lautet:
Wenn schon neue Schulden aufgenommen werden, dann
sollen die Gelder vorrangig für solche Aufgaben ausgegeben werden, die der kommenden Generation unmittelbar zugute kommen. Damit sind die Sanierung und die
Modernisierung von Gebäuden sowie die neue technische Ausstattung von Kindertagesstätten, Schulen, Weiterbildungseinrichtungen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbunden. Sie sind
jetzt möglich. Dies ist nicht nur eine Investition in Beton, sondern auch eine Investition in die Modernisierung der Infrastruktur für Bildung und Forschung.
Das ist das Herzstück.
({1})
Jetzt sind die Modernisierung von Chemielaboren und
Physikräumen in den Schulen, die dringend notwendige
Investition in IT-Ausstattung in unseren Bildungseinrichtungen, die Erneuerung von Fachräumen in beruflichen Schulzentren, die Verbesserung von Räumlichkeiten
in den Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen kommunaler und gemeinnütziger Trägerschaft möglich. Ausdrücklich nenne ich auch die Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen freier Träger in
Deutschland, die von diesem Programm profitieren werden.
({2})
Und - wir haben schon mehrfach darüber gesprochen,
auch im Ausschuss -: Der erhebliche Sanierungsbedarf
in den Forschungsmuseen kann ebenso angegangen werden wie dringend notwendige Campussanierungen der
Helmholtz-Zentren bis hin zum Konzept „Green Campus“.
Den Fraunhofer-Instituten wird es möglich sein, Erweiterungsbauten durchzuführen und neue Kooperationen
mit der Wirtschaft einzugehen, etwa im Bereich der Bauphysik oder der therapeutischen Medizintechnik. Das sichert technologische Vorsprünge. Das sichert Arbeitsplätze.
Meine Damen und Herren, von den Bundesinvestitionen in Höhe von 4 Milliarden Euro stehen bis zu
500 Millionen Euro für die energetische Sanierung zur
Verfügung. Damit leisten wir einen positiven, maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz.
({3})
Schließlich - auch das möchte ich betonen - hat die
deutsche Automobilindustrie jetzt die einmalige Chance,
den Einstieg in die Elektromobilität zu schaffen; das
ist ein wichtiger Baustein des Investitionsprogramms,
über den der Haushaltsausschuss noch weitere Informationen bekommen wird. Wir wollen die anwendungsorientierte Forschung im Bereich der Mobilität fördern,
um die Marktfähigkeit alternativer Antriebstechnologien
zu beschleunigen. Das ist ein klassisches Beispiel für
das, worüber wir in den letzten Wochen mehrfach gesprochen haben. Neben allen Debatten über Steuersenkungen ist auch die Debatte über die Frage wichtig:
Welche Schritte sind jetzt die richtigen, um zentralen
Branchen, die in Schwierigkeiten geraten sind,
Zukunftschancen zu eröffnen? Das ist Innovationsförderung - auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages sind an diesem Thema interessiert, weshalb sie sich hier näher informieren lassen.
({4})
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dafür Sorge zu tragen
bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass
Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität wird.
Deshalb ist es wichtig, diese Möglichkeiten zu schaffen.
Ich nenne auch den Ansatz der Forschungsförderung
im Bereich des Mittelstandes. Hierzu gab es konkurrierende Ideen. Es gab den Vorschlag meines Hauses - ich
persönlich halte ihn für sehr wichtig -, jetzt in steuerli22286
che Anreize für Forschung und Entwicklung einzusteigen.
({5})
Wir haben allerdings vereinbart, zunächst einen anderen
Weg zu gehen. Die Ergebnisse müssen genau überprüft
werden. Generell gilt aber: In einer wirtschaftlich
schwierigen Lage müssen in den Bereichen Anreize geschaffen werden, in denen wir Innovationen fördern, in
denen Chancen für die Zukunft eröffnet werden und in
denen Raum für die Umsetzung neuer Ideen bei Forschung und Entwicklung geschaffen wird.
Meine Damen und Herren, das Investitionsprogramm für Bildung und Forschung - ich wiederhole:
es hat ein Volumen von mehr als 11 Milliarden Euro löst gemeinsam mit dem Hochschulpaket, der Exzellenzinitiative, dem Pakt für Forschung und Innovation, dem
Ganztagsschulprogramm, der Qualifizierungsinitiative
und der Hightech-Strategie - dies sind die Elemente unseres Zukunftsprogramms in dieser Legislaturperiode eine große Dynamik am Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland aus. Diese Dynamik am Bildungsund Forschungsstandort Deutschland ist die Voraussetzung dafür, dass trotz der schwierigen wirtschaftlichen
Situation Brücken in die Zukunft gebaut werden können.
Mit dem Investitionspakt von Bund und Ländern
muss und wird ein Qualitätspakt einhergehen, wie wir
ihn beim Bildungsgipfel in Dresden vereinbart haben.
Denn es ist richtig: Die Bildungsinfrastruktur ist das
eine, die Weiterentwicklung unseres Bildungssystems ist
das andere. Es handelt sich um zwei Seiten derselben
Medaille. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für neue Ideen,
für bessere Bildung, für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und für die Internationalisierung unseres
Wissenschafts- und Forschungssystems. Deshalb danke
ich den Regierungsfraktionen ausdrücklich dafür, dass
aus der Idee „100 000 Euro für jede Schule“ ein so überzeugendes und vielfältiges Investitionsprogramm für
Bildung und Forschung geworden ist. Ich bin davon
überzeugt, dass Deutschland mit diesem Investitionsprogramm stärker und attraktiver wird.
Vielen Dank.
({6})
Alexander Bonde ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Einlassungen der Bundesministerin für Bildung und Forschung brauchen eine Kommentierung.
({0})
Natürlich wissen wir alle, dass es Sinn macht, Schulen
energetisch zu sanieren. Wer aber den großen Bildungsaufbruch verkünden will, muss auch erklären, wie vom
energiesanierten Klassenzimmer Energie in den Unterricht kommen soll. Angesichts der Realität in unseren
Schulen - Unterricht, der nicht stattfindet - macht es
kaum einen Unterschied, ob das Klassenzimmer saniert
ist oder nicht.
({1})
Sie haben heute wie gestern in der Föderalismuskommission - es hieß ja schon zum zweiten Mal, das sei nun
die letzte Sitzung der Föderalismuskommission - die
Chance verspielt, etwas für die Qualität des Unterrichts zu tun. Wieder beschränken Sie sich auf den
Handwerker, der an der Schule baut, stecken aber nichts
in die Köpfe, die in der Schule das bewirken müssen,
was Sie hier angekündigt haben.
({2})
Auch beim Thema Bildungssoli passiert wenig.
Ich will die knappe Zeit, die mir zur Verfügung steht,
nutzen, um ein Thema anzusprechen, das der Bundesfinanzminister ausgespart hat: Wir verabschieden heute
auch den Nachtragshaushalt für 2009. Erst wenige
Wochen ist der Haushalt in Kraft, und schon muss nachgebessert werden. Angesichts des Lobes des Finanzministers für die Abwrackprämie stellt sich mir die
Frage: Was macht eigentlich der Finanzminister mit den
2 500 Euro, die er sich, so abgewrackt wie dieser Haushalt ist, verdient hätte?
({3})
- Wenn Sie hier buhen, Kollege Kampeter, dann lassen
Sie uns die Posten einmal durchgehen:
Die Steuerschätzung, auf der der Nachtragshaushalt
beruht, ist eine interne aus dem Haus des Ministers. Den
Steuerschätzerkreis zu fragen, hat er sich nicht getraut.
Es wird von Einnahmen ausgegangen, die mindestens
3 Milliarden Euro höher liegen als das, was wir erwarten
dürfen. Daran sieht man, warum er lieber auf Leute zugreift, die er direkt beeinflussen kann.
Für die Finanzierung des Arbeitslosengeldes II stellen
Sie nicht mehr ein, als man gebraucht hat, um 2008, was
ja ein gutes Jahr war, einigermaßen über die Runden zu
kommen. Den dramatischen Einbruch der Konjunktur
bilden Sie nicht ab. Auch hier blenden Sie Mehrkosten,
die voraussichtlich mehr als 2 Milliarden Euro betragen
werden, einfach aus.
Dass Sie Kosten und neue Schulden vor der Bevölkerung verstecken, hat in diesem Haushalt System. Große
Teile laufen in Schattenhaushalten. 16,7 Milliarden Euro
von dem, was Sie uns hier als Konjunkturpaket verkünden, gehen direkt in ein Sondervermögen, schlagen sich
also im Bundeshaushalt nicht nieder. Die Zahlen, die Sie
gegenüber den Medien und in der Öffentlichkeit angeben - eine Neuverschuldung von 36 Milliarden Euro -,
all das ist eine Fortsetzung von Tarnen, Tricksen und
Täuschen. Nicht einmal in der Krise sind Sie bereit,
Transparenz zu zeigen und die Zahlen auf den Tisch zu
legen.
({4})
Auch bei dem zweiten Sondervermögen, bei dem für
die Bankenrettung, verstecken Sie die relevante Neuverschuldung vor den Augen der Öffentlichkeit. Auch da
Tarnen, Tricksen, Täuschen, keine Ehrlichkeit in der
Krise, keine Transparenz im Haushalt.
Wenn man all das addiert, was Sie entweder bewusst
nicht in den Haushalt einstellen oder in Form von Sondervermögen vor den Augen der Öffentlichkeit verstecken,
kommt man für dieses Jahr auf eine Neuverschuldung
von 70 Milliarden Euro. Jetzt weilt Seine Verschuldetheit der Finanzminister nicht mehr auf der Regierungsbank. Schade; denn mit seinem Haushalt bricht er jeden
Verschuldungsrekord, den es in der deutschen Nachkriegsgeschichte gegeben hat. Das Schlimme daran: Es
ist ja nicht so, dass das alles nur auf die Finanzkrise und
die Wirtschaftskrise zurückzuführen wäre. Mit schuld
sind nämlich lang angelegte Verschuldungsstrukturen,
die diese Koalition zu verantworten hat.
({5})
Heute stellt sich wieder einmal heraus: Sie stecken
das Geld, das Ihnen durch die Verschuldung zur Verfügung steht, nicht in eine kohärente Idee. Man kann nicht
erkennen, dass diese Regierung eine Vorstellung hat, wie
sie mit dieser Krise umgehen will. Es ist nicht erkennbar,
dass sie in der Krise an Strukturen herangeht und so investiert, dass dieses Land nach der Krise fit ist. Eine
Leitidee ist in diesem Sammelsurium von Maßnahmen,
die Sie hier vorgestellt haben, wirklich nicht erkennbar.
Sie trauen sich nicht, die Frage der Ökologisierung unserer Wirtschaft anzugehen. Sie glauben, dass das Hinterherwerfen von Geld in der Krise eine Delle auffüllen
kann und man drübermarschiert. Aber ich sage Ihnen:
Wenn sich unsere Wirtschaft nicht ökologisiert, wenn
wir die Chance des Strukturwandels nicht ergreifen,
dann geht es nach der Krise eben nicht einfach so weiter
wie vorher. Das Schlimme an dieser Koalition ist: Sie
merkt gar nicht, dass sich Zeiten ändern und dass sich
Politik ändern muss. Mit Ihrem Konjunkturprogramm
von gestern bereiten Sie nichts für morgen vor.
({6})
Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für
die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Kollege Bonde, dass wir nicht bereit seien, uns
auf veränderte Zeiten einzustellen, ist ein Vorwurf, den
Sie weder der Bundesregierung noch der Großen Koalition machen können.
({0})
Die FDP hält uns vor, der Finanzminister hätte im
September, Oktober, November Konjunkturprogramme
ausgeschlossen. Richtig, das stimmt auch. Nur haben
sich die Zeiten dramatisch geändert. Schauen Sie allein
heute in die Nachrichten, die vom Wirtschaftseinbruch
({1})
und den EZB-Prognosen berichten. Die Krise ist weltweit spürbar. Die Einbrüche sind canyonartig tief.
({2})
Solch einen Einbruch von Nachfrage und Wachstumskräften habe ich mir persönlich nicht vorstellen können.
Von daher ist die Alternative, nichts zu tun, meines Erachtens keine Alternative, die dieses Land weiterbringt.
({3})
Ein kurzer Blick nicht nur auf den Nachtragshaushalt
2009, sondern auch auf den Etat 2008, dessen Jahresabschluss wir am Mittwoch hatten. So gute Zahlen werden
wir so bald nicht wieder sehen. 2008 hatten wir ein gesamtstaatliches Defizit von Null, Überschüsse in Kommunen und bei den Sozialversicherungen, bei den Ländern war es ausgeglichen, und im Bund gab es ein
kleines Minus. Das müssen wir im Vergleich zu anderen
Ländern, die damals schon ein viel deutlicheres Defizit
hatten, sehen.
Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen, die zeigen,
welche Belastungen für die nächste Legislatur durch
diese Krise entstehen werden. Herr Westerwelle, Sie haben ja heute sehr ordentlich chambriert mit dem Kollegen Guttenberg; ich weiß nicht, ob das vorgezogene
Koalitionsverhandlungen waren. Aber die Vorstellung,
man könne eine Steuerreform mit einer Nettoentlastung
auf Pump machen, ist vorbei.
({4})
Das können Sie vergessen. Diese Möglichkeit besteht
nicht.
({5})
Von daher sollten wir uns auch sehr genau ansehen,
was in anderen Ländern gemacht wird. Die USA legen
ein Konjunkturprogramm in einem Umfang von
789 Milliarden Dollar auf. Frankreich kündigt 26 Milliarden Euro an, China 1,5 Billionen Euro, Japan
380 Milliarden Euro. Die Defizite im Ausland: USA 8,5,
Großbritannien 8,8, Spanien 6,2, Irland 11 Prozent.
Wir gehen mit einem Volumen von 50 Milliarden
Euro an den Start. Das heißt in etwa, zusammen mit dem
ersten Programm: 1,75 Prozent Wachstumskraftstärkung auf zwei Seiten, kurzfristig Nachfrageerhöhung,
Kinderbonus in Höhe von 100 Euro, Senkung der Krankenkassenbeiträge
({6})
und zum Teil auch eine Entlastung im Steuertarif bei den
unteren Einkommensgruppen. Das wird kurzfristig wirken. Dazu kommt die Abwrackprämie. Herr
Carsten Schneider ({7})
Westerwelle, ich war doch einigermaßen irritiert, dass
Sie - ich weiß nicht, ob das nur mein Eindruck war - dafür plädiert haben: Deutsche, kauft deutsche Autos! Das ist schon eine Art von Protektionismus.
({8})
- Das ist Protektionismus, Herr Westerwelle. Das ist die
Buy-American-Klausel auf Deutsch.
({9})
Würden wir als exportorientierte Nation, als Exportweltmeister, vorangehen und eine rein deutsche Wirtschaftspolitik machen im dem Sinne, dass nur noch deutsche
Produkte gekauft werden sollen,
({10})
wären wir doch die größten Verlierer einer solchen Tendenz. Ich bin froh, dass der Bundesfinanzminister hier
wirtschaftspolitischen Sachverstand hat walten lassen.
({11})
Es ist ja wie mit den Wirtschaftsmeldungen und
Prognosen. In den Umfragen lagen Sie gestern noch bei
18 Prozent, heute liegen Sie bei 12 Prozent. Das geht ja
hin und her. Man sollte das alles nicht so ernst nehmen.
Es wäre besser, wenn Sie an dieser Stelle eine klare Linie verfolgen würden.
({12})
- Herr Westerwelle, Sie fragen, wo wir stehen. Wir
stehen auf dem Boden der Tatsachen. Wir sind vor Ihnen
und werden das natürlich auch bleiben.
({13})
Über dieses Programm haben einige Kollegen gesagt
- zum Beispiel Herr Kuhn -, dass das noch gar nicht
wirkt. Das wird heute erst beschlossen. Es kann ja noch
gar nicht wirken. Durch die sozialdemokratische Handschrift, die dieses Programm trägt, wird es eine entsprechende Wirkung haben.
({14})
Mit unserer Handschrift machen wir insbesondere klar,
dass wir erstens daran glauben, die Wirtschaftskraft des
Bürgers, mit der er zum Wachstum beiträgt, stärken zu
müssen, indem ihm mehr Netto in der Tasche belassen
wird. Zweitens müssen wir, weil wir an dieses Land
glauben, vor allen Dingen die Infrastruktur dieses Landes stärken. Dies ist auch für ein zukünftiges Wachstum
in diesem Land eine Grundvoraussetzung.
({15})
Deswegen werden allein vom Bund 10 Milliarden
Euro für die kommunale Infrastruktur bereitgestellt.
In der zweiten Jahreshälfte die öffentlichen Investitionen
vorzuziehen und voranzubringen, ist im Übrigen auch
das, was uns nicht nur der Präsident der Bundesbank,
sondern auch alle anderen halbwegs glaubwürdigen
Sachverständigen empfohlen haben. Das geht natürlich
nur noch im kommunalen Bereich, weil hier der höchste
Bedarf besteht.
Wir als Bund haben im Rahmen des Konjunkturprogramms I fast 3 Milliarden Euro für öffentliche Bauten
und die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt und
damit schon die wichtigsten Schritte getan. Dazu kommen jetzt zusätzliche Maßnahmen im Umfang von
4 Milliarden Euro Bundesinvestitionen. Mehr können
wir als Bund leider nicht unmittelbar investieren, weil
wir nicht mehr haben. Deswegen ist das ein klares Bekenntnis der Solidarität des Deutschen Bundestages mit
den kommunalen Vertretern vor Ort. Das wird sich auch
auszahlen.
({16})
Herr Bonde, natürlich können wir nicht die Lehrer an
den Schulen bezahlen, aber eine Sanierung bzw. ein
Neubau von Schulen und Kindergärten - wir investieren
dort 65 Prozent dieser 10 Milliarden Euro - ist ein klares
Zeichen dafür, dass wir dies als Priorität ansehen und als
das Zukunftsthema Nummer eins auf die Agenda setzen.
({17})
Ich erwarte natürlich, dass diese Maßnahmen in dem Bereich, in dem die Länderverantwortung originär ist, nämlich im Bildungsbereich, inhaltlich und personell mit einer entsprechenden Ausstattung nachvollzogen werden.
Herr zu Guttenberg hat heute sehr stark auf ordnungspolitische Grundsätze hingewiesen und seine Leitlinien
markiert. Das war in den letzten Wochen vom Wirtschaftsministerium nicht immer so zu hören. Im Hinblick auf die Bürgschaften und Kredite im Umfang
von 100 Milliarden Euro habe ich insbesondere wahrgenommen, dass jedem, der anfragt, geholfen wird, indem
er Bürgschaften und Kredite erhält.
Wir müssen sehr genau abwägen. Die Bürgschaften
bedeuten, dass der Bund für mögliche Ausfälle einstehen
muss. 100 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Von
daher haben wir uns als Haushaltsausschuss des Parlaments vorbehalten, vor jeder Gewährung eines Kredits
oder einer Bürgschaft mit einem Volumen von über
300 Millionen Euro gehört zu werden, sodass wir darüber informiert werden; denn erstens darf es nicht passieren, dass es hier zu einer deutlichen Marktverzerrung
kommt, und zweitens ist in einem solchen Fall und in
dieser ausgesprochen einmaligen Situation, in der viele
Grundsätze natürlich schön und gut sind, aber an das
tägliche Handeln angepasst werden müssen, eine größtmögliche Transparenz nötig.
Ich will nicht zurück in den Sozialismus, aus dem ich
einmal gekommen bin, indem wir jedes Unternehmen
übernehmen und verstaatlichen, weil wir denken, dass
wir das besser machen können. Herr Lafontaine, das
können wir nicht. Ich glaube, das ist eindeutig gezeigt
und bewiesen worden.
Carsten Schneider ({18})
Wenn wir dort ins Obligo gehen und vor allen Dingen
für Arbeitsplätze eintreten - um die geht es uns ja vor allen Dingen; es geht uns nicht, um das Beispiel Schaeffler
aufzugreifen, um die Milliarden der Frau Schaeffler,
sondern um die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer vor Ort
und um die Wirtschaftskraft, die dort entsteht -, dann
muss das sehr wohl abgewogen werden. Das darf nicht
zu einem Wettlauf führen, sodass Markteingriffe vorgenommen werden, die letztendlich dazu führen, dass wir
als Steuerzahler Risiken übernehmen, die nicht tragbar
sind. Das ist auch nicht unsere Aufgabe.
({19})
Ich möchte noch kurz einige Sätze zu dem Investitionsprogramm verlieren. Insbesondere im kommunalen Bereich gibt es die Sorge, dass die Investitionen des
Bundes in den Kommunen auch wirklich zusätzliche Investitionen sind und nicht die Ausgaben der Kommunen
durch Bundesausgaben ersetzt werden. Wir müssen sehr
genau auf den Referenzzeitraum schauen. Ich erwarte
eine Lösung in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium und der kommunalen Seite, damit diese
nicht überfordert wird. Es muss aber auch klar gemacht
werden, dass wir eine volkswirtschaftliche Wirkung erzielen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir
mit den Änderungen, die wir im parlamentarischen Verfahren noch vorgenommen haben - dieses Programm ist
zwar wohlbedacht, aber doch sehr schnell entschieden
worden; außerdem sind einige Sperren eingeführt worden, um diese Programme genauer zu untersetzen -,
nicht nur auf dem richtigen Weg sind, sondern dass wir
auch bei aller Unwägbarkeit, die es aktuell natürlich aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der besonderen
Verhältnisse gibt, mit unseren Maßnahmen zur Stärkung
der Binnennachfrage, zur Stärkung insbesondere der unteren Einkommen und zur Erhöhung der öffentlichen Investitionen letztlich eine Stärkung des Staates als Garant
für wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit
erreichen.
Mich verwundert es, dass die Opposition dem nicht
folgen wird. Ich hoffe, dass wir eine Zustimmung der
Länder, die maßgeblich von dem Programm profitieren,
im Bundesrat erreichen. Alles andere würde mich nicht
nur schwer enttäuschen, sondern auch in meiner politischen Erfahrung eines Besseren belehren.
Ich glaube, dass die gestern vereinbarte Schuldenbremse für die öffentlichen Finanzen ein Grundpfeiler
für das staatliche Handeln in schlechten Zeiten ist. Das
geht nur, wenn man in guten Zeiten anspart. Das ist in
der Vergangenheit aber immer vergessen worden. Herr
Kollege Bonde, deshalb haben wir einen Tilgungsfonds
eingerichtet, sodass diese Maßnahmen des Konjunkturprogramms nicht einfach zulasten der Bundesschuld gehen, sondern dass diese klar abrechenbar sind und dass
die politische Verantwortlichkeit klar ist. Außerdem ist
eine Regelung vorgesehen, wonach dieses Geld in guten
Zeiten zurückgezahlt wird, genauso wie es beim Erblastentilgungsfond in Höhe von fast 80 Milliarden Euro der
Fall gewesen ist, Herr Kollege Fricke.
Wir reden heute über 16 Milliarden Euro. Ich bin mir
sicher, dass wir - wenn nicht in der nächsten Legislaturperiode, dann aber in einem überschaubaren Zeitraum diese Schulden tilgen können.
Vielen Dank.
({20})
Das Wort erhält nun der Kollege Peter Götz für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland befindet sich wie viele andere Länder
in einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir
sind in einer Dimension betroffen, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hat. Unser Land steckt tief in
der Rezession. Um den Einbruch der Wirtschaft abzufedern, wurden richtige Maßnahmen getroffen, die zum
Teil bereits wirken.
Herr Kuhn, wenn in dieser Krise Deutschland aus der
Sicht ausländischer Investoren zum attraktivsten Standort gemacht wird und im Standortranking ganz vorn
steht, so kann die bisherige Politik dieser Bundesregierung so falsch nicht gewesen sein.
Wir werden die weltweite Rezession mit unseren
nationalen Entscheidungen nicht verhindern. Der Staat
kann und muss aber die Rezession dämpfen, damit die
Selbstheilungskräfte der Wirtschaft greifen. Über einzelne Rezepte kann man kräftig streiten.
Es ist auf jeden Fall richtig und konsequent, mit einem Bündel von Maßnahmen gegenzusteuern. Dazu gehören in einer solch schwierigen Situation auch zusätzliche Bauinvestitionen der öffentlichen Hand. Die Frage,
die wir uns stellen müssen und mussten, lautet: Wie
schaffen wir es, schnell sinnvolle Investitionen auf den
Weg zu bringen?
In den Schubladen der Rathäuser liegen viele fertige
Pläne. Sie warten darauf, umgesetzt zu werden. Deshalb
setzen wir genau an dieser Stelle an.
({0})
Allein im kommunalen Bereich gibt es einen Investitionsstau in einer Größenordnung von 700 Milliarden
Euro für die nächsten zwölf Jahre, der abgearbeitet werden muss. Mit 10 Milliarden Euro des Bundes zuzüglich
3,3 Milliarden Euro der Länder - also insgesamt 13,3 Milliarden Euro - wird für das Jahr 2009 und das Jahr 2010
ein Schwerpunkt für Zukunftsinvestitionen der Kommunen und der Länder gebildet, der sich in einer solchen
Dimension wirklich sehen lassen kann. Mindestens
70 Prozent des Gesamtvolumens sind zur Finanzierung
kommunaler Investitionen einzusetzen. Bis zu 30 Prozent können die Länder für ihre eigenen Vorhaben verwenden.
Dieses Investitionsprogramm hat das Ziel, vor allem
Innovationen, Bildung und Infrastruktur zu fördern, da22290
mit wir gestärkt aus der Krise, in der wir uns befinden,
herauskommen. Um es klar und deutlich zu sagen: Es ist
kein Rettungspaket für Länderfinanzen oder für klamme
kommunale Haushalte.
({1})
Es ist auch nicht das Ziel, dass konjunkturell bedingte
neue Haushaltslöcher durch Bundesmittel gestopft werden sollen.
Es ist den Ländern übrigens auch gestattet, ihren
Kommunen mehr als 70 Prozent der Mittel zuzuweisen.
So wollen Nordrhein-Westfalen 84 Prozent,
({2})
Sachsen 80 Prozent und das Saarland 75 Prozent der
Mittel an die Kommunen weiterleiten. Die Kommunen
sind am besten in der Lage, bedarfsgerecht zu entscheiden, welche Schulen oder Kindertagesstätten zusätzlich
zu den ohnehin geplanten Investitionen schnell in Angriff genommen werden können.
({3})
Wichtig ist uns dabei, dass auch finanzschwache
Kommunen mitmachen können. Denn gerade dort ist der
Investitionsstau besonders groß. Oft ist die Arbeitsmarktsituation in finanzschwachen Kommunen besonders schwierig. Entscheidend ist, dass Bund, Länder und
Kommunen gemeinsam der Wirtschaft einen kräftigen
Impuls geben.
Daneben bietet das Investitionspaket auch die
Chance, den Menschen mit kommunalen Investitionen
Hoffnung zu geben. Die Menschen in den Städten und
Gemeinden werden merken, dass in ihrem Umfeld trotz
der großen Krise eine neue Aufbruchstimmung und bessere Lebensbedingungen entstehen. Wenn Einrichtungen
der Kinderbetreuung in Ordnung gebracht, Schulen und
Krankenhäuser energetisch saniert werden und in kommunale Infrastruktur wie Kliniken investiert wird, dann
sichert dies Arbeitsplätze im heimischen Handwerk, ist
gut für Umwelt und Klima, verbessert die Wirtschaftlichkeit kommunaler Einrichtungen, schafft bleibende
Werte und stärkt nachhaltig den Wirtschaftsstandort
Deutschland.
Auch der dringend notwendige Ausbau der Informations- und Breitbandtechnologie macht unser Land zukunftsfähig. Gerade auf dem Gebiet des schnellen Internets besteht vor allem im ländlichen Raum dringender
Handlungsbedarf. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die
Bundesregierung mit ihrer Informationsstrategie auf
dem Gebiet des schnellen Internets voraussichtlich
nächste Woche ein Ergebnis vorlegen wird.
({4})
Eine gute Infrastruktur ist die Grundlage für eine gute
wirtschaftliche Entwicklung.
Noch nie hat der Bund so viel Geld in so kurzer Zeit
den Kommunen als Investitionshilfe angeboten. Viele
Länder haben bereits mit den Kommunen vereinbart,
nach welchen Schlüsseln die Mittel verteilt werden. Es
liegt nun in der Hand der Länder, dieses einmalige große
kommunale Investitionspaket bedarfsgerecht, schnell
und vor allem unbürokratisch umzusetzen.
Um die gewünschte Wirkung für die Konjunktur und
damit für die Bürger, die Wirtschaft und die Kommunen
zu erzielen, gilt: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Wir wollen, dass die Schulen und Kindergärten zügig renoviert
und energetisch auf Vordermann gebracht werden.
({5})
Deshalb haben wir die Vergabebedingungen gelockert. Auf zwei Jahre befristet hat der Bund die Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen auf 1 Million
Euro und für freihändige Vergaben auf 100 000 Euro angehoben. Wir empfehlen dringend, diese Lockerungen
auf die kommunale Ebene auszudehnen, damit auf den
Bauämtern lange Staus bei der Vergabe vermieden werden.
Heute verabschieden wir ein Mammutpaket. Wenn
wir uns nicht in kleinstaatlicher Kirchturmpolitik verhaspeln, dann kann es zu einer einmaligen Erfolgsgeschichte für unser Land, die Städte, Gemeinden und
Kreise, vor allem aber auch für die Bürgerinnen und
Bürger werden.
({6})
Wir brauchen dazu den Schulterschluss aller politischen
Ebenen. Dann werden wir stärker aus der Krise herauskommen, als wir hineingegangen sind. Das ist anstrengend, aber es lohnt sich.
Herzlichen Dank.
({7})
Als Nächster spricht der Kollege Steffen Kampeter
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich will an diesem Punkt der Debatte den Wortbeitrag des Bundesfinanzministers zur Bankenaufsicht
aufgreifen. Wir in der Union sind der Auffassung: Wir
brauchen eine Veränderung in der Bankenaufsicht.
({0})
In den vergangenen zehn Jahren ist nicht alles in der
Bankenaufsicht optimal gelaufen.
({1})
Vieles, über das wir heute reden, hätte bei einer vernünftigeren und vor allen Dingen bei einer geschlossen, einheitlich agierenden Bankenaufsicht sicherlich nicht so
passieren können. Deswegen sind wir von der Union gemeinsam mit weiten Teilen dieses Hauses für eine orgaSteffen Kampeter
nisatorische Zusammenfassung der Bankenaufsicht unter dem Dach der Deutschen Bundesbank.
({2})
Der Bundesfinanzminister hat betont, er denke immer
noch darüber nach, wie er das machen werde. Ich finde,
es ist langsam Zeit. Wir müssen die Sache so hinbekommen, dass wir die Banken beaufsichtigen und effektiv
kontrollieren. Den Parteienstreit über die Effektivierung
der Bankenaufsicht sollten wir schnell und rasch zu einem Ende führen.
({3})
Ich will aber auch versöhnlich gegenüber dem Bundesfinanzminister sein. Ich kann garantieren, dass wir
ihn sehr viel anständiger behandeln werden, wenn er aus
dem Amt scheidet, als er heute über Michael Glos gesprochen hat.
({4})
Das war nicht nur kleinkariert, sondern auch unangemessen. Das sollte für den Umgang von Kabinettsmitgliedern nicht stilbildend sein, weder von aktuellen noch
von zukünftigen.
Eine weitere Anmerkung. Wir verkünden heute ein
Stück weit die Erfolge bzw. die gewünschten Erfolge unseres Konjunkturprogramms. Aber die zusätzlichen
Schulden, die wir in einer Größenordnung von etwa
50 Milliarden Euro heute festschreiben, haben auch ihren Preis. Deswegen will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Schuldenbremse, auf die sich Bund
und Länder gestern geeinigt haben, ganz besonders
wichtig und ein integraler Bestandteil dieses schuldenfinanzierten Konjunkturprogramms ist.
({5})
Man darf nicht nur über die Wohltaten reden, die man
verkündet, sondern man muss auch deutlich machen,
dass wir eine Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen haben und dass diese Verantwortung
nun einen grundgesetzlichen Charakter bekommt. Das
ist wichtig und eine notwendige Ergänzung zu dem expansiven Impuls. Ich möchte all denjenigen, die in der
Föderalismusreformkommission mitgearbeitet haben
- stellvertretend nenne ich namentlich unsere Sprecherin, die Kollegin Tillmann -, herzlich danken. Man
braucht für das Bohren dicker Bretter viel Zeit. Hier handelt es sich um einen klugen Erfolg. Dem zolle ich sehr
viel Respekt.
({6})
Der Bundeswirtschaftsminister hat in seiner klaren
und ordnungspolitisch strukturierten Rede unter anderem zur Steuerpolitik Stellung genommen. Wir von der
Union wissen um die Sorgen und Nöte derjenigen, die in
diesem Land Einkommensteuer zahlen, die morgens aufstehen, den ganzen Tag arbeiten und abends vielleicht
nicht früh ins Bett kommen. Sie werden insbesondere im
mittleren Einkommensbereich belastet. Es ist unser Anliegen - im Verbund mit strikter Haushaltskonsolidierung und der Umsetzung der Schuldenbremse -, in der
nächsten Legislaturperiode alle Entlastungsmöglichkeiten und vor allen Dingen die Vereinfachungsoptionen im
deutschen Steuerrecht zu mobilisieren, die die Leistungsträger im mittleren Bereich unserer Gesellschaft
nach vorne bringen und sie motivieren, wieder etwas zu
leisten. Das ist das Anliegen der Union.
({7})
Ich will deutlich machen: Wir hätten in der Steuerpolitik mehr machen können, wenn die SPD nicht so auf
der Bremse gestanden hätte.
({8})
Es wundert mich schon, dass der Bundesfinanzminister,
nachdem er Steuersenkungen abgelehnt hat, in dieser
Woche als stellvertretender Parteivorsitzender der SPD
ebensolche gefordert hat. Wir wären bereit gewesen, beispielsweise in Sachen Pendlerpauschale mehr zu machen. Das ist auf den erbitterten Widerstand des Bundesfinanzministers gestoßen. Ich finde, man sollte hier so
handeln, wie man auch in der Öffentlichkeit redet. Das
macht Glaubwürdigkeit in der Politik aus.
({9})
Im Zusammenhang mit dem Sachverhalt, dass wir
hier eine schwierige Zeit haben, will ich auf einige
Punkte eingehen, die wir im Haushaltsausschuss am
Konjunkturprogramm präzisiert haben. Ein Punkt betrifft das enorme zusätzliche Bürgschaftsvolumen. Wir
haben analog zu dem Bereich, den wir bei der SoFFin
haben, jetzt auch einen Lenkungsausschuss für Bürgschaften von der Bundesregierung eingefordert.
Wir wollen damit zweierlei erreichen: erstens eine rasche Umsetzung der notwendigen Bürgschaftsentscheidungen in der Exekutive. Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Da, wo Not am Mann oder an der Frau in
der Firma ist, soll geholfen werden. Zweitens: eine klare
parlamentarische Kontrolle in diesem Bereich. Es muss
deutlich werden: In der sozialen Marktwirtschaft kann
der Staat dort helfen, wo es notwendig ist. Aber er ist
kein Reparaturbetrieb für unternehmerisches Versagen.
Deswegen gibt es Begrenzungen dessen, was der Staat
mit Bürgschaften in dieser sozialen Marktwirtschaft leisten kann.
({10})
Herr Kampeter, Herr Koppelin möchte Ihnen gerne
eine Zwischenfrage stellen.
Nein. - Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wir haben das Zusätzlichkeitskriterium in dem Investitionsprogramm für die Kommunen definiert. Dieses Zusätzlichkeitskriterium soll deutlich machen: Es handelt
sich bei dem Angebot an die Kommunen nicht um ein
Umschuldungsprogramm zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden, sondern wir alle stehen zu unserer staatspolitischen Verantwortung. Der Bund hält seine Investi22292
tionen und legt zusätzlich noch etwas drauf. Wir erwarten von den anderen Gebietskörperschaftsebenen genau
das Gleiche: das Niveau der Investitionen nicht nur beibehalten, sondern im Rahmen des zusätzlichen Impulsprogramms steigern. Zusätzliche Investitionen sind
konjunkturpolitisch sinnvoll, notwendig und geboten.
Deswegen war es richtig, diese Veränderung und Präzisierung in diesem Programm vorzunehmen.
({0})
Insgesamt machte ich keinen Hehl daraus, dass wir
Haushälter uns gewünscht hätten, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode nicht einen Haushalt mit einer solchen Nettokreditaufnahme vorgelegt hätten. Es bleibt
in der Abwägung aller politischen und haushaltspolitischen Aspekte allerdings richtig, dass wir im Verbund
mit unseren europäischen Partnern und im transatlantischen Verbund dieses politische Signal setzen. Es bleibt
aber auch richtig, dass wir den nachfolgenden Generationen sagen: Mit der Einführung der Schuldenbremse
werden wir das, was wir jetzt an zusätzlichen Schulden
machen, wieder ausgleichen. Wir bleiben verantwortungsbewusst, nicht nur heute, sondern perspektivisch
auch für die nachfolgenden Generationen.
Danke schön.
({1})
Die Kollegin Patricia Lips hat jetzt für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Im Mittelpunkt der heutigen Debatte stehen
Maßnahmen, die zur Sicherung von Beschäftigung und
Stabilität in Deutschland beitragen sollen. Auch ich
möchte noch einmal betonen, wie wichtig jede einzelne
Maßnahme ist. Diese Maßnahmen sind für die Kommunen, die Familien, die Betriebe und für die Menschen in
diesem Land insgesamt in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Aber gestatten Sie mir, dass ich gegen Ende der heutigen Debatte ein Thema in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücke, das heute bisher eher am Rande Erwähnung fand, aber - lassen Sie mich das sagen - in den
vergangenen Wochen die Öffentlichkeit doch sehr stark
beherrschte. Es geht um die Neuregelung der KfzSteuer. Sie war bereits deutlich vor der Krise Bestandteil
des Koalitionsvertrages. Sie muss aber im Zusammenhang mit dem heute zu beschließenden Konjunkturpaket
diskutiert werden. Wir wollen den Menschen auch in
diesem Bereich Planungssicherheit geben.
({0})
Es wird deutlich - und dies ist das Besondere -, dass
im Gegensatz zu nahezu allen anderen Punkten des Konjunkturprogramms diese Neuregelung auf eine über die
Krise hinausgehende Zukunft angelegt ist. Ich will grob
das Wichtigste noch einmal aufzeigen: Alle zahlen ab
dem 1. Juli dieses Jahres einen Sockelbetrag, der sich
nach dem Hubraum bemisst und dessen Höhe je nach
Antriebsart gestaltet ist. Darauf setzt die CO2-Komponente auf. Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid - das
eigentliche Kernstück - wird für die weitere Berechnung
zugrunde gelegt, ohne dass es Grenzen nach oben gibt.
Gleich mehrere Ziele werden mit diesem Gesetz verfolgt. Erstens. Es soll der Umwelt stärker gerecht werden
als bisher. Zweitens. Es soll bereits beim Kauf eine Lenkungswirkung hin zu sparsameren Pkw erzielen. Drittens. Es sollen damit auch bei der Industrie entsprechende Impulse zur Entwicklung sparsamerer Motoren
gesetzt werden. Viertens. Es soll natürlich auch das bisherige Steueraufkommen - wir haben es eben gehört - in
Zeiten wie diesen zumindest annähernd stabil bleiben.
Lassen Sie mich aber noch einen Punkt nennen, den
wir bei unserer Bewertung keinesfalls vergessen dürfen.
Gestatten Sie mir, dass ich etwas sage, was bei aller Diskussion um Sockelbeträge und Schadstoffhöhen in meinen Augen bei diesem Thema immer wieder zu kurz
kam: In Deutschland stehen zurzeit wie anderenorts
viele Tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel, gerade in
dieser Branche. Dabei spreche ich bei weitem nicht allein von den namhaften Zentren und Marken, sondern
vor allem von den vielen kleinen und mittleren Zulieferern in diesem Bereich. Das gilt für den Kleinwagen
ebenso wie für die Premiumklasse. Uns geht es um den
Erhalt dieser Arbeitsplätze in allen Regionen.
({1})
Wir stehen nicht für Protektionismus, den manch ein
europäischer Nachbar zurzeit betreibt. Wir haben dies
heute Morgen bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht.
Wir sollten aber gerade deshalb aufpassen, dass wir im
Übereifer von Forderungen nach Regelungen und Zielen
am Ende nicht selbst eigene Arbeitsplätze gefährden,
schon gar nicht jetzt und heute. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht staatstragend morgens vor den Kameras den Protektionismus geißeln, um ebendiesen dann
hier populistisch einzufordern.
({2})
Man kann sich sicherlich bei allen Maßnahmen, die
heute Morgen besprochen wurden, immer ein Mehr
wünschen. Man kann sich auch einen anderen Weg der
Umsetzung wünschen. Ich bin jedoch der Überzeugung,
dass wir vor dem Hintergrund des Gesagten, wenn man
alle Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket zusammennimmt, heute einen guten, einen wichtigen und einen
richtigen Schritt gehen. Lassen Sie uns dieses Paket
kraftvoll beschließen, um der Krise wirkungsvoll entgegenzutreten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Gesetzentwurf zur Sicherung von Beschäftigung und
Stabilität in Deutschland.
Nach § 31 unserer Geschäftsordnung liegen drei Er-
klärungen der Kollegin Silvia Schmidt und der Kollegen
Klaus-Peter Willsch und Dr. Axel Berg vor.1)
Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11801 und
16/11825, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD auf Drucksache 16/11740 in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Hierzu liegen zwei Ände-
rungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir
zuerst abstimmen. Wir beginnen mit dem Änderungsan-
trag auf Drucksache 16/11926, zu dem die Fraktion Die
Linke namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzu-
nehmen.
Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das scheint
der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat, das aber tun möchte? - Das
kann ich nicht erkennen. Dann schließe ich die Abstim-
mung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen.
Da wir drei weitere Abstimmungen über Änderungs-
anträge der Fraktion Die Linke durchführen möchten,
wäre es gut, wenn sich die Pulke nach Fraktionen sortie-
1) Anlagen 2 bis 4
ren könnten, sodass ich sehen kann, wer wie abstimmen
möchte.
Wir beginnen mit dem Änderungsantrag auf Drucksache 16/11924. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung durch die
einbringende Fraktion und gegen die Stimmen des Restes des Hauses abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 16/11925: Wer
stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Ergebnis wie
vorher abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 16/11927: Wer
stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Damit ist auch
dieser Änderungsantrag bei Zustimmung durch die Fraktion Die Linke und gegen die Stimmen des Restes des
Hauses abgelehnt.
Jetzt unterbreche ich die Sitzung bis zum Vorliegen
des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung.
({0})
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke - Drucksache 16/11926 - zu dem von den
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland bekannt: Abgegeben
wurden 558 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 94, mit
Nein haben gestimmt 463. Es gab 1 Enthaltung. Damit
ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 558;
davon
ja: 94
nein: 463
enthalten: 1
Ja
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Elke Reinke
Paul Schäfer ({0})
Volker Schneider
({1})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Marieluise Beck ({2})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({3})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({4})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({5})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({6})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Dr. Gerhard Schick
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({7})
Veronika Bellmann
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({8})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({9})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({10})
Dirk Fischer ({11})
Axel E. Fischer ({12})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({13})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Andreas Jung ({14})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({15})
Volker Kauder
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({16})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({17})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({18})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({19})
Stefan Müller ({20})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({21})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({22})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({23})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({24})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt ({25})
Ingo Schmitt ({26})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({27})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({28})
Gerald Weiß ({29})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({30})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({31})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({32})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({33})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({34})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({35})
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({36})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({37})
Frank Hofmann ({38})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({39})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({40})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({41})
Michael Müller ({42})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({43})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({44})
Michael Roth ({45})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({46})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({47})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({48})
Silvia Schmidt ({49})
Renate Schmidt ({50})
Heinz Schmitt ({51})
Carsten Schneider ({52})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({53})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({54})
Dr. Rainer Wend
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
({55})
Heidi Wright
Uta Zapf
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({56})
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({57})
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther ({58})
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({59})
Markus Löning
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({60})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({61})
Enthalten
SPD
Ottmar Schreiner
Jetzt bitte ich diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter
Beratung bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Ablehnung durch die Oppositionsfraktionen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben,
und die anderen, sich zu setzen. - Die Gegenstimmen! Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in der dritten Beratung bei Zustimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die Opposition angenommen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11954? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag gegen die Stimmen der einbringenden Fraktion mit den Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11952? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
und mit den Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11951? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen, bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und
mit den Stimmen des Hauses im Übrigen ebenfalls abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11900 und
16/11931, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD auf Drucksache 16/11741 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei
Zustimmung des gesamten Hauses angenommen.
Wir kommen jetzt zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD namentlich ab. Ich weise darauf hin, dass
zur Annahme des Gesetzentwurfes die Mehrheit von
zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages
erforderlich ist, also mindestens 408 Stimmen.
Jetzt bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer,
ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das
scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Mein Eindruck ist, dass alle Mitglieder des Hauses,
die das wollten, ihre Stimme abgegeben haben. Gibt es
noch jemanden, der das nicht getan hat? - Das scheint
nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später mitgeteilt.
Wir kommen jetzt zu weiteren Abstimmungen, zunächst über den von den Fraktionen der CDU/CSU und
der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung
der Kraftfahrzeugsteuer und Änderung anderer Gesetze.
Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksachen 16/11900 und
16/11931, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD auf Drucksache 16/11742 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer dem Gesetzentwurf
zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die
Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke
angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge
sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen mit dem Titel „Klimaschutz im Verkehr Kfz-Steuer schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen“.
Der Ausschuss empfiehlt hier unter Buchstabe c seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksachen 16/11900 und
16/11931, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch Koalition
und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Mit mehr Gerechtigkeit die
Krise überwinden“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11895 und
16/11932, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11746 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die
Koalition und die Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die
Grünen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Großbanken vergesellschaften“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 16/11896 und
16/11933, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11747 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die
Koalition, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der
Fraktion der FDP mit dem Titel „Schulden des Bundes
durch das Konjunkturpaket II vollständig im Bundeshaushalt etatisieren - Kein Sondervermögen Investitions- und Tilgungsfonds“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11922, den
Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11743 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalition, bei Gegenstimmen der Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Konjunkturprogramm gegen die drohende Wirtschaftskrise“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11646, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/10619
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die
Grünen und bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke
angenommen.
Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/11646 empfiehlt der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11023
mit dem Titel „Nachhaltig investieren in Klima, Bildung,
soziale Gerechtigkeit“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die
Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die
Koalition und die FDP und bei Gegenstimmen vom
Bündnis 90/Die Grünen und von der Linken angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und
Soziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Gerechtigkeit und Chancen statt
Ausgrenzung und Armut“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11899,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/11755 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung
durch die Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP und bei
Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11877 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Damit sind Sie offensichtlich einverstanden? - Dann ist das so beschlossen.
Jetzt komme ich zur Bekanntgabe des von den
Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten
Ergebnisses der namentlichen Abstimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes,
Art. 106, 106 b, 107 und 108: Abgegeben wurden
562 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 562 Kolleginnen
und Kollegen, mit Nein keiner und keine Enthaltungen.
Damit ist der Gesetzentwurf mit der erforderlichen
Mehrheit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 562;
davon
ja: 562
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({62})
Veronika Bellmann
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({63})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({64})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({65})
Dirk Fischer ({66})
Axel E. Fischer ({67})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({68})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({69})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({70})
Volker Kauder
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({71})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({72})
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({73})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({74})
Stefan Müller ({75})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({76})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({77})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({78})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({79})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt ({80})
Ingo Schmitt ({81})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({82})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({83})
Gerald Weiß ({84})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({85})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({86})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({87})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({88})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({89})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({90})
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({91})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({92})
Frank Hofmann ({93})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({94})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({95})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({96})
Michael Müller ({97})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({98})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({99})
Michael Roth ({100})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({101})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({102})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({103})
Silvia Schmidt ({104})
Renate Schmidt ({105})
Heinz Schmitt ({106})
Carsten Schneider ({107})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({108})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({109})
Dr. Rainer Wend
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
({110})
Heidi Wright
Uta Zapf
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({111})
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({112})
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther ({113})
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({114})
Markus Löning
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({115})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({116})
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Elke Reinke
Paul Schäfer ({117})
Volker Schneider
({118})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Marieluise Beck ({119})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({120})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({121})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({122})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({123})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
fraktionslos
Gert Winkelmeier
({124})
Nachdem die Stellungnahme des Bundesrates zwischenzeitlich verteilt worden ist, rufe ich jetzt den
Tagesordnungspunkt 26 b auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung eines Nachtrags zum
Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr
2009 ({125})
- Drucksachen 16/11700, 16/11701 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({126})
- Drucksachen 16/11800, 16/11921 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({127})
Dr. Gesine Lötzsch
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP vor.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Daher kommen
wir gleich zur Abstimmung. Der Haushaltsausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung
anzunehmen, Drucksachen 16/11700, 16/11701, 16/11800
und 16/11921. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? -
Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zu-
stimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die
Opposition angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz-
entwurf zustimmen wollen, bitte ich, jetzt aufzustehen. -
Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetz-
entwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmen-
verhältnis wie zuvor angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11923.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegen-
stimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschlie-
ßungsantrag bei Zustimmung durch die Fraktionen der
FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen und bei Ableh-
nung der übrigen Fraktionen abgelehnt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a und b auf:
27 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Verbraucherpolitischer Bericht 2008
- Drucksache 16/9163 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({128})
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ESL-Milch verbindlich kennzeichnen
- Drucksache 16/11881 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({129})
Ausschuss für Gesundheit
Zu dem Bericht der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Mit der Eröffnung der Aussprache bitte ich als erste
Rednerin die Bundesministerin Ilse Aigner zu Wort.
({130})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir
beraten heute den Verbraucherpolitischen Bericht 2008,
der alle etwa 80 Millionen Einwohner, Bürgerinnen und
Bürger, Verbraucherinnen und Verbraucher der Bundesrepublik Deutschland betrifft. In diesem Bericht ist
dokumentiert, was in den letzten Jahren dieser Regierungsperiode verbraucherpolitisch stattgefunden hat. Ich
denke beispielsweise an die Charta „Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt“, den Aktionsplan zu Allergien, den Aktionsplan für gesunde Ernährung und mehr
Bewegung, die Verbesserung der Lebensmittelüberwachung und das Datenschutzgesetz.
({0})
Viele Vorhaben sind abgeschlossen, viele wurden auf
den Weg gebracht und sind bei den Fraktionen in guten
Händen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie wurden
- das wissen Sie - vor meiner Amtszeit gestartet. Deswegen befindet sich das Bild meines Vorgängers in diesem Bericht.
({1})
Lassen Sie mich deshalb einen Blick in die Zukunft
werfen. Sie wollen schließlich wissen, wie es weitergeht.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass mein Leitbild der mündige Verbraucher ist. Das hat oberste Priorität.
({2})
Wir setzen auf Markttransparenz und Information. Das
führt zu mehr Flexibilität und zu mehr Selbstbestimmung. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen in allen
Lebensbereichen und zu jeder Zeit in der Lage sein, ihre
eigenen, persönlichen Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen. Sie müssen mit den Unternehmen auf Augenhöhe agieren. Nur dann haben sie
wirklich faire Marktchancen.
({3})
Die unglaublichen Vorkommnisse im Zusammenhang
mit Finanzberatungen haben uns eines gezeigt: Es gibt
noch immer Konstellationen, in denen sich Verbraucher
und Wirtschaft nicht auf Augenhöhe gegenüberstehen.
({4})
Zu undurchsichtig sind die vermeintlichen Empfehlungen mancher Finanzberater. Fachleute sprechen hier von
einer asymmetrischen Information. Aber auch in anderen Branchen wurden Verbraucher Opfer von unlauterem
Wettbewerb und Datenmissbrauch. An dieser Stelle ist
die Verbraucherpolitik gefordert. Ich verstehe mich als
Anwalt aller Verbraucherinnen und Verbraucher.
({5})
- Anwältin. Danke schön, Herr Koppelin, das ist korrekt.
({6})
- So viel Zeit muss sein; da haben Sie recht.
Wir haben bereits viele Felder im Blick, in denen wir
in nächster Zeit Maßnahmen umsetzen werden: der
Schutz der persönlichen Daten, der Schutz vor unerlaubter Telefonwerbung, die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, die Stärkung der Fahrgastrechte und auch die
Qualitätsmerkmale von Pflegeheimen. Diese Liste könnte
man fortsetzen. Ich will mich jetzt in erster Linie auf einen Punkt konzentrieren, der nicht unwesentlich mit der
Debatte, die wir vorhin geführt haben, und mit den gerade stattgefundenen Abstimmungen im Zusammenhang
steht.
Die globale Finanzkrise hat auch Deutschland massiv
getroffen. Sie stellt uns vor besondere Herausforderungen. Es ist deshalb dringende Aufgabe des Staates, die
negativen Auswirkungen, wo immer es geht, einzudämmen. Deshalb haben wir einen Rettungsschirm über die
Banken gespannt. Es geht hier aber nicht nur um die
Banken, sondern in erster Linie auch um die Verbraucherinnen und Verbraucher.
({7})
- So ist es.
Der Kollege Karl-Theodor zu Guttenberg hat es heute
in seiner Rede angesprochen. Was hilft es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, wenn die Wirtschaft, wenn
die Banken zusammenbrechen? Deshalb ist dieser Rettungsschirm für die Verbraucherinnen und Verbraucher
existenziell wichtig.
({8})
Zusätzlich hat unsere Bundeskanzlerin eine Garantieerklärung für die privaten Spareinlagen abgegeben. Haben Sie sich einmal vorgestellt, wie die Stimmung bei
den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewesen wäre,
wenn dies nicht geschehen wäre?
({9})
Das war ein ganz wichtiges Signal. Es zeigt ihnen: Wir
nehmen eure Sorgen und Nöte ernst. Wir stehen hinter
euch.
Die Finanzkrise ist trotzdem bei den Menschen angekommen. Viele haben Geld verloren. Ende letzten Jahres hatten wir eine Telefonhotline geschaltet. Über
140 000 Anrufer hatten uns innerhalb weniger Wochen
um Hilfe gebeten. Das zeigt die Brisanz. Viele Einzelschicksale stecken dahinter. Ich habe aufgrund des Gutachtens über die Finanzmarktberatung, das wir kurz vor
Weihnachten veröffentlicht haben, viele Zuschriften bekommen. Das alles sind Einzelschicksale.
Es geht zum Beispiel um ein älteres Ehepaar. Sie haben ihr gesamtes Geld für die Altersvorsorge angelegt.
Leider sind sie so beraten worden, dass sie ihr Geld in
Lehman-Zertifikaten angelegt haben.
({10})
Als sie die Berater angerufen haben, wurde abgewiegelt.
Die Quintessenz: Sie haben alles verloren.
({11})
Ich bekam auch einen Brief von einer 80-jährigen
Dame, die schilderte, dass sie in der Bank mehrfach darauf hingewiesen hat, dass sie ein Sparbuch möchte und
bewusst auf eine in Aussicht gestellte Rendite verzichtet.
Trotzdem wurde ihr geraten, sie solle sich auf andere
Anlageformen konzentrieren. Es wurde ihr einiges vorgelegt, das sie dann auch unterschrieben hat. Noch
schlimmer ist: Sie konnte es fast nicht mehr lesen; vier
Wochen später hatte sie eine Augenoperation. Das geht
unter die Haut.
Hier geht es nicht um irgendetwas,
({12})
hier geht es um die Zukunft. Bei uns in Deutschland
muss jeder, der Mittel gegen Kopfschmerzen verkauft,
eine bestandene Prüfung nachweisen. Wenn es aber um
die Zukunftsinvestitionen geht, gibt es leider sehr unterschiedliche Qualitätsmerkmale. Deshalb ist es dringend
erforderlich, dass wir in diesem Bereich einige Themen
schwerpunktmäßig anpacken.
({13})
Ich will Ihnen nur ein paar Stichworte nennen. Es
geht erstens um die Frage der Qualifikation; diese habe
ich bereits angesprochen. Zweitens geht es um die Fragen: Ist ein Verbraucher in der Lage, auf Augenhöhe mit
dem Berater zu kommunizieren? Weiß er, was er fragen
soll? Wird ihm etwas vorgelegt, das er vielleicht gar
nicht versteht?
Ich denke, es ist wichtig, dass wir jetzt geeignete
Maßnahmen ergreifen. Das tun wir auch. Schon in der
nächsten Woche wird im Kabinett darüber beraten, dass
jedem Kunden ein Protokoll ausgehändigt werden soll,
in dem festgehalten ist, was der Berater gesagt hat. So
kann der Kunde in Zukunft im Zweifelsfall nachweisen,
wie er beraten worden ist. Diese Regelung soll von längeren Verjährungsfristen flankiert werden. Damit werden wir meines Erachtens einen großen Schritt in die
richtige Richtung machen. Dieses Vorhaben, das, wie
gesagt, schon in der nächsten Woche im Kabinett beraten
wird, ist ein richtiger Ansatzpunkt, um dieses Thema anzugehen.
({14})
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die
Situation der Mitarbeiter hinweisen.
({15})
- Ja, das gilt auch für die Mitarbeiterinnen. Sie haben
völlig recht. Ich bitte um Nachsicht. - In einem Zeitungsartikel vom heutigen Tage ist zu lesen, dass sich
viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sogar dopen, weil
sie sich unter Druck gesetzt fühlen. Ich will die Situation
aber nicht dramatisieren.
Man muss prüfen, ob die Anreizsysteme immer geeignet sind, ob die Belange der Kunden im Vordergrund
stehen oder ob vielleicht andere Umstände stärker in den
Vordergrund treten sollten.
({16})
Das Anreizsystem müssen wir also dringend hinterfragen.
Auch wenn es noch viele offene Fragen gibt, möchte
ich mich beim Ausschuss bedanken. Er hat bereits eine
Anhörung zu diesem Thema durchgeführt.
({17})
Auch wenn Frau Höfken gerade leider nicht hier ist,
möchte ich darauf hinweisen, dass mein Haus am
10. März dieses Jahres eine große Tagung zu diesem
Thema veranstalten wird. Sie alle sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ob Vertrauen vorhanden ist, hängt in besonderem Maße davon ab, ob die
Menschen mit Zuversicht in die Zukunft blicken und
wieder investieren. Das ist ein essenzieller Aspekt. Eine
wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der
Wirtschaftsstandort Deutschland,
({18})
den wir im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken müssen.
({19})
Nachdem ich mich doch etwas länger beim Finanzmarkt aufgehalten habe, möchte ich nun noch ein paar
Ausführungen zu anderen Themen, die mir wichtig sind
und die teilweise bereits auf unserer Tagesordnung stehen oder demnächst beraten werden, machen.
Zur Nährwertkennzeichnung nur so viel: Ich habe einen runden Tisch einberufen, um mich mit allen Argumenten im Detail beschäftigen zu können. Auf europäischer Ebene werde ich mich für das „1 plus 4“-Modell
und für die Einführung einer verpflichtenden prozentualen Angabe der Nährwerte einsetzen;
({20})
die Wirtschaft will diese Regelung nicht, aber ich will
sie. Außerdem unterstütze ich alle Bemühungen, die
zum Ziel haben, für eine bessere visuelle Darstellung zu
sorgen.
({21})
Dafür bitte ich Sie um Unterstützung.
Bis diese verpflichtenden Regelungen auf europäischer Ebene getroffen worden sind, können wir in
Deutschland keine verpflichtenden Regelungen einführen. Momentan gibt es nur freiwillige Lösungen.
({22})
Diese sind nur mit der Wirtschaft und nicht gegen die
Wirtschaft möglich.
({23})
Sehr geehrte Damen und Herren, ich werde im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher für eine
transparente, nachvollziehbare und aussagekräftige Lösung kämpfen. Auch dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
({24})
Der Kollege Hans-Michael Goldmann hat jetzt für die
FDP-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir beraten heute den Verbraucherpolitischen
Bericht 2008. Frau Neu-Ministerin Aigner hat das sehr
geschickt gemacht: Sie ist kaum auf diesen Bericht eingegangen. Er ist es auch nicht wert, dass man sich ausführlich mit ihm beschäftigt.
({0})
Von der Bevölkerung wird er völlig richtig eingeschätzt: Nur 29 Prozent der Verbraucher sind mit ihrer
Situation zufrieden, 8 Prozent der Verbraucher stimmen
der Aussage zu, dass sich die Bundesregierung wirkungsvoll für den Verbraucher engagiert - ich wiederhole: 8 Prozent -, und die Hälfte der Befragten ist unzufrieden. Was der Minister, der vorher in diesem Amt war,
getan hat, wusste kein Einziger der Befragten. Manche
derjenigen, die gefragt wurden, ob sie einen Politiker
kennen, der gute Verbraucherpolitik macht, haben sich
sogar auf Frau Künast besonnen.
({1})
Ich denke, daran wird deutlich, dass wir in diesem Bereich unheimlich viel Zeit verloren haben. Liebe Frau
Ministerin, in Ihrem neuen Amt können Sie leider nichts
erben, weil es nichts zu erben gibt.
({2})
Wir müssen uns bemühen, die Verbraucherpolitik mit
etwas mehr Power anzugehen; denn es gibt Probleme,
die dringend gelöst werden müssen. Eines dieser Probleme sind die unerlaubten Telefonanrufe. Sie sind
nicht nur ein Ärgernis, sondern wir Liberale lehnen diesen Eingriff in den persönlichen Bereich auch unter
rechtlichen Gesichtspunkten entschieden ab. Jeder von
Ihnen, der ältere Verwandte hat - ich zum Beispiel habe
eine Mutter, die 94 Jahre alt ist -, weiß ganz genau, dass
ältere Menschen durch solche Telefonanrufe total verunsichert werden. Auch für andere sind sie ein großes Ärgernis. Man wird nämlich häufig aus der Arbeit gerissen,
weil irgendjemand irgendetwas anbieten will. Wir müssen endlich zu Regelungen kommen, die vernünftig sind.
Frau Aigner, Sie müssen sich gegenüber Frau Zypries
durchsetzen. Wir brauchen für diesen Bereich eine klare
Regelung. Ich werde nachher ein paar Details erläutern.
({3})
Nächstes Thema, die Bahnkunden. Jetzt wird eine
Entschädigung vorgesehen; aber das, was vorgesehen
ist, ist viel zu wenig, es ist im Grunde genommen europäisch schwach. Wir als FDP haben gefordert, dass
schon bei weniger Verspätung eine Entschädigung gezahlt wird. Ich denke, dass wir damit hundertprozentig
richtigliegen. Ich bin enttäuscht davon, dass wir in dieser
Frage seitens der CDU/CSU keine Unterstützung erfahren haben; im Ausschuss hat die CDU/CSU doch immer
an unserer Seite gekämpft.
({4})
Julia Klöckner, du hast mehrfach angesprochen, dass du
für die 30-Minuten-Regelung bist.
({5})
Dennoch hast du die Ein-Stunden-Regelung, die Nichtregelung, die jetzt kommt, klaglos geschluckt. Es lohnt
sich nicht einmal, dass diese Regelung kommt; denn in
ein paar Monaten greift das europäische Gesetz. Bei diesem Thema ist meiner Meinung nach nicht gut, nicht
konsequent gearbeitet worden.
Ich möchte etwas Grundsätzliches sagen, was im Verbraucherpolitischen Bericht interessanterweise überhaupt nicht angesprochen wird: Ich meine die Bildungsherausforderungen, vor denen wir stehen. Die Punkte,
die Sie angesprochen haben, Frau Aigner, zum Beispiel
das Zehnpunkteprogramm - das ist alles Geblubber, dabei kommt nichts heraus, da ist kein Fleisch an den Knochen. Wir müssen konsequent dafür sorgen, dass der
Verbraucher die Qualifikationen hat, die er braucht, um
am Markt teilzunehmen. Das geht nur durch Bildung,
Bildung, Bildung; das geht nur durch Information.
({6})
Deshalb stellen wir zu jedem Haushalt, obwohl wir
hier sonst die großen Sparer sind - ({7})
- Dass ihr nach dem, was ihr heute Morgen verabschiedet habt, noch den Mut habt, an dieser Stelle zu lachen,
finde ich bemerkenswert.
({8})
Nur damit ihr wisst, worum es heute Morgen ging: Es
ging um 50 Milliarden Euro. Bei den Anträgen, die wir
im Ausschuss stellen, um die Verbraucherzentralen zu
stärken, geht es um wenige Zehntausend Euro, und
selbst dagegen stimmt ihr.
({9})
Liebe Freunde, den Verbraucherschutz stärken, das
geht nur durch Bildung. Frau Aigner, ich finde es gut,
dass Sie die Finanzmarktberatung angesprochen haben. Sie waren ja zum Teil bei der Anhörung dabei. Ich
will auf die Äußerungen der Banken und der Sparkassen
nicht eingehen; aber die können sich ja bessern. Es gibt
in diesem Bereich ein großes Defizit; die Verbraucherzentralen sind ja innerhalb kürzester Zeit mit Hunderttausenden von Anfragen überrollt worden. Sie müssen
uns auch sagen, Frau Aigner, und zwar schnell, wer die
Information derjenigen, die sich über Bankgeschäfte informieren wollen, bezahlen soll. Ich meine jetzt die allgemeine Information; denn dass für das Beratungsgespräch die Banken zuständig sind, ist ja klar.
Wir wollen den Bankkunden aber auch Informationen
geben, die über die Haltung des Einzelunternehmens hinausgehen. Sie haben die Idee eines Protokolls angesprochen. Wir haben gestern auch mit Bankvertretern
darüber gesprochen. Wir sind uns einig: Sobald der
Kunde eine Bank betritt, ist es mit dem Protokoll einfach. Ein Problem bekommen wir jedoch bei Telefonberatungen. Auch für Telefonberatungen müssen wir eine
klare Lösung finden; denn viele Bankgeschäfte werden
am Telefon abgeschlossen. Natürlich müssen Datenschutzgesichtspunkte - das, was besprochen wird, ist ja
vertraulich - berücksichtigt werden. Vielleicht wäre es
eine gute Idee, wenn in dem Telefongespräch, nachdem
man sich allgemein unterhalten hat, als Signal gesagt
würde: Jetzt komme ich in den Abfrageteil, zu dem, was
ich protokollieren muss. Ich frage Sie jetzt konkret zu
den verschiedenen Punkten. Dieser Teil muss meiner
Meinung nach aufgezeichnet werden.
Die Leistungsfähigkeit der Verbraucherschutzorganisationen ist uns ein wichtiges Anliegen; wir werden dieses Anliegen konsequent weiter verfolgen.
Zur Lebensmittelkennzeichnung. Bei „visuell“
- wenn es um die Ampel geht - werde ich allergisch.
Vielleicht können wir uns darauf verständigen, zu sagen:
Was die EU macht, muss gut sein. - Was die EU macht,
wird meiner Meinung nach auch gut sein. Wir können
uns darüber unterhalten, ob wir eine Angabe bezogen
auf die Portion oder bezogen auf 100 Gramm wollen
- von mir aus auch beides -; aber was die EU macht,
muss breite Gültigkeit haben. Es geht nicht, dass jeder
Nationalstaat eine Sonderregelung trifft, dass der eine einen Schlüssel verlangt, der andere ein Biosiegel, der
nächste glückliche Tiere. Wir müssen vielmehr versuchen, auf der europäischen Ebene eine möglichst große
Einheitlichkeit herzustellen. Sie haben die Eins-plusvier-Regelung - auf der Vorderseite der Verpackung die
Kalorienangabe, auf der Rückseite die ergänzenden Angaben zu den Nährwerten - angesprochen. Einverstanden! Wir müssen versuchen, das möglichst in nationaler
Einheit hinzukriegen. Das sollte meiner Meinung nach
aber nach dem Freiwilligkeitsprinzip geschehen.
({10})
Wir geben in solchen Fragen nicht auf. Die Wirtschaft ist
hier gefordert, und die Wirtschaft kann das auch regeln.
Wenn die Wirtschaft gute Lösungen auf den Weg bringt,
brauchen wir uns überhaupt nicht groß einzumischen.
({11})
ESL-Milch. Ich bin dafür, dass wir uns um diesen Bereich nicht zu viele Gedanken machen.
({12})
Ich glaube, eine einfache Kennzeichnung ist überhaupt
kein Problem. Das Prinzip der Freiwilligkeit kann auch
in dieser Frage Geltung bekommen, und damit ist das
Thema im Grunde genommen vom Tisch.
({13})
- Liebe Frau Dobrinski-Weiß, wenn wir in dem Bereich
jeder Sonderfertigung oder Sondererstellung alles kennzeichnen wollten, dann brauchten wir keinen Beipackzettel, sondern ein Beipackbuch. Ich denke, das sollte
nicht unser Weg sein.
({14})
Ich bin nach wie vor überzeugt: Kluge Einzelhändler,
kluge Mittelständler und kluge Wirtschaftsunternehmen
sind die natürlichen Partner - ich hoffe zumindest, dass
sie sich so empfinden - der Verbraucher; denn sie werden ihre guten Produkte auch nur dann an den Mann
oder an die Frau bringen können, wenn die Verbraucher
gut informiert sind.
Das Verbraucherinformationsgesetz ist untauglich.
Es ist zu schmal angelegt; das wissen Sie. Das Verbraucherinformationsgesetz wird im Moment von großen Organisationen - man kann es ruhig sagen: von Greenpeace - missbraucht, indem sie jede Menge Anfragen an
Behörden richten, in denen sie Unternehmen an den
Pranger stellen, ohne dafür eine Grundlage zu haben. Sie
treten an die Behörde heran, die Behörde ist völlig überfordert mit der Anfrage, sodass sie auch den Interessen
des einzelnen Verbrauchers nicht mehr gerecht werden
kann. Und wenn der einzelne Verbraucher Informationen
bekommt, muss er dafür auch Geld bezahlen, und zwar
zu viel Geld. Der einzelne Verbraucher nimmt seine
Rechte dann nicht in Anspruch. Das ist sehr schwierig;
denn wenn Sie eine Rechnung über 500 Euro bekommen, kommt das für Sie im Grunde genommen nicht infrage.
Deswegen brauchen wir dringend - und zwar früher,
als es bis jetzt vorgesehen war - eine Novellierung des
Verbraucherinformationsgesetzes, und zwar dergestalt,
dass deutlich wird: Das Verbraucherinformationsgesetz
ist die Grundlage dafür, dass der Verbraucher ein vernünftiger, ein informierter Marktteilnehmer sein kann. Wir wollen den mündigen, den informierten Verbraucher, der dann auch ein kluger Partner im Markt ist.
Die unerlaubten Werbeanrufe habe ich schon angesprochen. Lassen Sie uns doch eine Regelung mit dieser
Vorwahlnummer finden, Frau Aigner. Ich finde das gar
nicht so verkehrt. Natürlich kommt ein solcher Anruf
auch schon in der Privatsphäre an; aber wenn im Display
die Nummer 0500 erscheint und jeder weiß, dass das der
Code für - in Anführungsstrichen - unerlaubte Werbeanrufe ist, dann wären wir doch schon ein ganzes Stück
weiter. Ich meine, wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob dieser Vorschlag von uns nicht ein guter Vorschlag ist.
({15})
Lassen Sie mich noch etwas sagen zur Produktsicherheit. Ich bin wirklich für viel Europa, aber wenn
das Ergebnis einer europäischen Einigung ist, dass unser
GS-Zeichen durch ein ES-Zeichen abgelöst wird, das ein
niedrigeres Niveau hat und so im Grunde genommen den
Chinesen noch mehr Möglichkeiten gibt, unsere Märkte
mit Produkten zu überspülen, die geringeren Standards
entsprechen, als wir sie beim GS-Zeichen abgesichert
haben, dann sind wir meiner Meinung nach auf dem falschen Weg.
Unser Fazit ist: Der Verbraucher ist eine der tragenden Säulen der Marktwirtschaft. Marktteilnahme setzt
Einkommen voraus. Deswegen finde ich auch das klug,
was Sie vorhin beim Konjunkturprogramm angesprochen haben, auch wenn die Ausrichtung bei uns eine andere wäre. Wir würden auf eine Steuerreform setzen.
Wir müssen auch klar sagen, Frau Aigner: Eine Mehrwertsteuererhöhung ist im Grunde genommen das Verbraucherschädlichste, was man überhaupt machen kann;
({16})
denn damit nimmt man dem Verbraucher das Geld zur
Teilhabe.
Wir brauchen Entscheidungsfähigkeit durch Information und Bildung. Wir brauchen mündige Verbraucher,
die gut informiert sind und die auch beurteilen können,
was die Gesamtheit eines Produktes ausmacht. Sie müssen zum Beispiel wissen: Was ist der Gehalt eines Ökoproduktes? Sie müssen zum Beispiel auch darüber informiert sein, dass es Kinderarbeit in der Welt gibt. Sie
müssen im Grunde genommen den ganzen Weg der Produktion durchdringen können. Es gibt also zukünftig
noch viele Aufgaben für eine kluge Verbraucherpolitik.
Wir helfen Ihnen gerne dabei.
Herzlichen Dank.
({17})
Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren!
Gestern veröffentlichte Stern TV einen PreisvergleichsElvira Drobinski-Weiß
test und kürte den billigsten Discounter. Doch welchen
Preis hat dieser Preis? Sind im Erdbeerjoghurt für
29 Cent wirklich Erdbeeren? Können Erzeuger und Beschäftigte von solchen Preisen leben? Ist das T-Shirt für
2 Euro seinen Preis wert?
Letztes Frühjahr geriet ein Textildiscounter mit solchen Preisen in die Schlagzeilen: „Kinderarbeit nicht
ausgeschlossen“ berichtete der Spiegel im Mai 2008.
Dadurch zeigt sich: Der Preis für Billig kann sehr hoch
sein.
({0})
In der Süddeutschen Zeitung stand im Februar 2009
„Schuften für 42 Euro im Monat“ in den Entwicklungsländern, damit in Deutschland billige Kleidung angeboten und verkauft werden kann. Verbraucher, die über solche Missstände informiert sind, werden wohl kaum noch
zu solchen Produkten greifen. Und das ist gut so.
Die Verbraucher wollen nicht nur ein gutes Produkt,
sie interessieren sich auch für die ökologischen und
sozialen Bedingungen der Produktion, den Umgang mit
Ressourcen, die Arbeitsbedingungen und Löhne, die
Knebelung von Zulieferern und Ähnliches. Ein nachhaltiger, sozial- und umweltverträglicher Konsum setzt
informierte Verbraucher voraus. Deshalb sind die im
Verbraucherpolitischen Bericht 2008 genannten Informationsvorhaben wichtig. Verbraucher müssen verantwortlich handelnde Unternehmen und nachhaltig erzeugte Produkte besser erkennen können.
({1})
Dadurch werden dann auch die Preise transparenter.
Uns geht es hier nicht allein um die Verbraucher, sondern auch und vor allem um die Unternehmen. Die Unternehmen müssen stärker als bisher gesellschaftliche
Verantwortung übernehmen. Das geht aber nicht freiwillig, Herr Kollege Goldmann. Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales hat gerade ein Forum zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen eingesetzt, von dem wir neue Impulse erwarten dürfen.
({2})
- Nein, nicht „oh Gott“.
Mehr Transparenz auf dem Markt ist das Stichwort
für die „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung. Das ist eine
große Errungenschaft für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
({3})
Mit großer Mehrheit lehnen sie gentechnisch veränderte Lebensmittel und den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab.
({4})
80 Prozent der GVO-Pflanzen landen aber im Tierfutter,
ohne dass die Verbraucherin und der Verbraucher das erkennen können; denn im EU-Recht ist hier eine Lücke.
Es ist keine Kennzeichnung vorgeschrieben.
({5})
Wer keine Ökoprodukte kauft, war bisher gezwungen,
mit dem Einkauf von Milch, Eiern oder Fleisch und daraus gefertigten Produkten den GVO-Anbau zu unterstützen. Mit der „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung
können die Verbraucher jetzt die Erzeugnisse erkennen,
bei denen bewusst auf die Fütterung mit gentechnisch
veränderten Pflanzen verzichtet wurde.
({6})
Gerade das ist denjenigen, die an dem GVO-Anbau verdienen, aber ein Dorn im Auge.
({7})
Deshalb wird Unsinn verbreitet, wie zum Beispiel,
dass „Ohne Gentechnik“-Produkte bis zu 0,9 Prozent
GVOs enthalten würden.
({8})
Das ist sachlich falsch. Damit werden die Verbraucher
verwirrt. Auch aus der CDU/CSU-Fraktion sind manchmal solche unrichtigen Äußerungen zur Kennzeichnung
zu hören. Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie
doch nach. Oder fragen Sie einfach im Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach.
Es ist sogar zu einer Verschärfung gegenüber der alten
NLV-Regelung gekommen.
({9})
Danach galt tatsächlich der Schwellenwert von
0,9 Prozent. Das muss hier auch einmal öffentlich deutlich gemacht werden.
({10})
Wir brauchen jetzt dringend die schon vereinbarte Informationskampagne; denn die Verbraucher müssen korrekt und gut informiert werden.
({11})
Immerhin gibt es einige Unternehmen, die mit „Ohne
Gentechnik“-Produkten auf dem Markt sind. Auch ihnen
gegenüber ist es unverantwortlich, wenn wir es weiterhin den Lobbyisten überlassen, die Regelung aus eigennützigen Motiven heraus in Misskredit zu bringen und
Unsinn zu verbreiten. Frau Ministerin, dagegen müssen
wir angehen,
({12})
und hier müssen wir für Aufklärung sorgen - am besten in Zusammenarbeit mit den Verbraucherverbänden.
({13})
Wir müssen für eine Orientierung sorgen - am besten
mit einem einheitlichen Logo.
({14})
Ein weiteres Thema, das uns sehr beschäftigt hat, ist
das Spielzeug. Bei diesem Thema sind wir uns alle hier
sicher einig, geht es doch um den Schutz der kleinsten
Verbraucher, nämlich der Kinder. Frau Ministerin, ich
bin Ihnen für die klaren Worte dankbar; denn in der Tat
sind die Anforderungen gemäß der Spielzeugrichtlinie
nicht ausreichend. Die nötigen Konsequenzen aus den
Spielzeugskandalen wurden leider nicht gezogen. In
manchen Punkten gibt es sogar Verschlechterungen, beispielsweise bei den Migrationswerten für Schwermetalle. Sie liegen zum Teil - zum Beispiel beim Blei - höher als nach der bisherigen Regelung. Außerdem ist
weiterhin keine Überprüfung der Spielzeugsicherheit
durch unabhängige Dritte vorgeschrieben. Das ist dramatisch; denn auf der Spielwarenmesse in Nürnberg
wurde bei Stichproben jedes vierte Produkt beanstandet.
50 davon hatten so schwere Mängel, dass sie in der EU
nicht auf den Markt gebracht werden dürfen.
Um für ihre Kinder auf Nummer sicher zu gehen,
sollten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf
auf das GS-Zeichen achten. Auch die Spielzeughersteller stehen in der Verantwortung, wenn es um die Sicherheit der Kinder geht. Sie sind aufgefordert, nur Produkte
mit GS-Zeichen anzubieten. Hierbei zeigt sich, wie groß
die Verantwortung der Unternehmen ist; denn bei Gesundheit und Sicherheit der Kinder darf es keine Kompromisse geben.
({15})
Ich appelliere an die Spielzeuganbieter, sich freiwillig
der Überprüfung durch Dritte zu unterziehen. Ich rate
Eltern, im Interesse ihrer Kinder auf das GS-Zeichen zu
achten, das eine geprüfte Sicherheit durch unabhängige
Dritte anzeigt.
({16})
Damit können Hersteller ihre Produkte labeln, wenn
diese einer freiwilligen unabhängigen Sicherheitsprüfung unterzogen wurden. Ich denke, dafür sollten wir
uns alle miteinander einsetzen.
Herzlichen Dank.
({17})
Jetzt hat Karin Binder für die Fraktion Die Linke das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Der Verbraucherpolitische
Bericht 2008 der Bundesregierung zählt vor allem die
EU-Vorgaben auf, die von der Bundesregierung umgesetzt wurden. Es ist mehr oder weniger eine Art Hausaufgabenheft, das abgearbeitet wurde, und zeugt leider
nicht von viel Eigeninitiative.
Ich hatte die Hoffnung, dass durch den Wechsel von
Herrn Minister Seehofer auf Frau Ministerin Aigner etwas mehr Schwung in die Sache hineinkommt. Diese
Hoffnung gebe ich auch noch nicht auf, wenngleich ich
das Gefühl habe, dass man noch ein bisschen Unterstützung braucht.
Deshalb haben wir heute einen Entschließungsantrag
in die Debatte eingebracht. Auf der Drucksache 16/11907
haben wir eine kleine Hilfestellung bzw. Handreichung
vorgelegt.
({0})
- Man muss sich auf wesentliche Dinge konzentrieren,
Herr Kollege Zöllmer. Diese will ich nun benennen.
({1})
Es ist klar, dass wir in unserem Fachbereich sehr viele
Vorgaben von der EU bekommen. Das stellt ein gewisses Problem dar; denn die volle Harmonisierung innerhalb der EU ist aus meiner Sicht ein sehr langfristiges
Ziel. Im Augenblick dürfen wir auf keinen Fall Richtlinien oder Vorgaben einfach eins zu eins umsetzen; denn
damit befördern wir in der EU nichts. Wir wollen, dass
Standards angehoben werden. Wir wollen, dass Schutz
verbessert wird. Das erreicht man aber nicht, indem man
der EU folgt und alles auf dem kleinstmöglichen Level
harmonisiert.
Die Regierung bzw. wir sollten im Rahmen der Verbraucherschutzpolitik deutlich machen, dass wir zwar
Mindeststandards über die EU definieren, dass aber höhere Standards in den einzelnen Mitgliedstaaten selbstverständlich zu schützen sind.
({2})
Es müssen Spielräume gegeben sein, dass jedes Mitgliedsland höhere Standards anwenden kann. Nur so erreichen wir, dass auch in den anderen Mitgliedstaaten
langfristig Schutzstandards verbessert werden.
({3})
- Das Problem ist, dass im Augenblick sehr viele Vorgaben eins zu eins umgesetzt werden und uns erklärt wird,
es gebe keine Spielräume. Dies betrifft unter anderem
das Thema der Ampel. Ich denke, für die Lebensmittelkennzeichnung wäre es ein Fortschritt, wenn wir die
Spielräume so nutzen würden, dass es für die Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig eine klare und
eindeutige Kennzeichnung gibt. Ich freue mich, dass Sie
versuchen, eine verbindliche Kennzeichnung durchzusetzen.
({4})
- Mit der Ampel ist es für alle Menschen auf einen Blick
sofort klar und erkennbar, was positiv und was vielleicht
nicht ganz so positiv ist. Wir sollten aber auf jeden Fall
auf Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen.
({5})
Die Ampel ist aber nur ein Teil. Ich denke, es geht insgesamt um eine Lebensmittelkennzeichnung, bei der wir
erreichen müssen, dass Spielräume gegeben sind und
dass höhere Standards angewendet werden können. Damit sind wir bei der Verbraucherinformation. Das Verbraucherinformationsgesetz haben Sie erfreulicherweise bereits angesprochen. Seine Novellierung ist
dringend notwendig.
Die vorliegenden Erfahrungen der Verbraucherverbände und der Organisationen sind so dramatisch, dass
ich meine, man müsste sofort handeln, statt die Novellierung auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben, bis
irgendwelche Evaluierungen stattgefunden haben. Ich
denke, die Evaluierungen sind bereits durch die Verbände erfolgt, und sie belegen, dass die jetzige Regelung
ein Bürokratiemonster ist, das den Menschen keinen
ausreichenden Zugang zu Informationen verschafft, und
dass die Behörden mit der Auskunft, die sie zu erteilen
hätten, völlig überfordert sind.
Lassen Sie uns doch den Weg beschreiten, die Auskunft direkt bei den Firmen einzuholen durch einen Anspruch auf Information beim Hersteller oder Händler.
({6})
Denn ihnen liegen die Informationen vor. Der kostspielige Weg über die Behörden ist nicht notwendig. Er wird
von den meisten Menschen nicht beschritten, weil sie die
Kosten scheuen. Von daher sollte die Novellierung lieber
jetzt als später erfolgen.
({7})
Ein weiteres wichtiges Thema ist der Datenschutz.
Das haben Sie auch angesprochen. Wir müssen unbedingt verhindern, dass Daten durch Versandhandel im
Internet von Firmen wie eBay, der heutzutage selbstverständlich geworden ist, in falsche Hände geraten. Man
muss persönliche Daten angeben. Wie soll die Ware den
Käufer erreichen, wenn er nicht wenigstens seine
Adresse angibt? Oft muss auch die Bankverbindung angegeben werden.
Klar ist, dass diese Daten geschützt werden müssen.
Dazu gehört zunächst einmal eine Einverständniserklärung. Wenn man seine Zustimmung im jeweiligen Fall
nicht erteilt, dann wandern die Daten nirgendwo anders
hin. Ein Unternehmen, das die persönlichen Daten weitergibt, macht sich strafbar. Das muss künftig der Fall
sein. Nur so verhindern wir, dass die Datensammlung zu
einem Datenmissbrauch führt.
({8})
Weitere Themen, die durch die Finanzkrise sehr wichtig geworden sind, sind einerseits der Anlegerschutz
und andererseits die Verbraucherkredite. Hier sind dringend Maßnahmen notwendig. Zum Thema Anlegerschutz haben wir bereits im Dezember einen Antrag eingebracht. Frau Aigner, ich hoffe, Sie nehmen ihn zur
Beratung mit ins Kabinett.
({9})
- Ich finde, dass Frau Aigner viele unserer Vorschläge
aufgegriffen hat, unter anderem die Verjährung und das
Protokoll.
({10})
Wenn noch unser Vorschlag zum Prospekt mit einbezogen wird, der klar definieren muss, in welche Geldanlage
die Menschen investieren, dann ist das sicherlich ein
sinnvoller Schritt.
Ich denke, der Finanz-TÜV, der überprüft, ob die Prospekte wahrheitsgemäß sind und zwischen risikobehafteter und sicherer Anlage unterscheiden, bietet eine Hilfestellung. Ich finde, das kann man im Kabinett ruhig
aufgreifen und dann umsetzen.
({11})
Aber damit nicht genug. Die Finanzkrise bewirkt,
dass unglaublich viele Menschen ohne eigenes Verschulden in Schulden geraten. Wahrscheinlich werden dieses
Jahr viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Viele
werden Probleme haben, ihre Ausgaben zu bestreiten.
({12})
Wir werden vermutlich eine Schwemme von Fällen erleben, in denen Menschen Kredite nicht mehr ohne Hilfe
abtragen können.
Der Ausbau der unabhängigen Finanzberatung ist
dringend notwendig. Das ist meines Erachtens ein sehr
wichtiger Punkt; denn ich sehe die Verkäufer und Verkäuferinnen in den Banken und Finanzinstituten nicht als
unabhängige Berater an. Sie sind provisionsorientiert
und verkaufen daher ein bestimmtes Produkt. Eine wirkliche Beratung muss durch eine unabhängige Stelle erfolgen. Dazu muss die finanzielle und materielle Ausstattung der Verbraucherberatung gewährleistet sein.
Gleichzeitig müssen wir uns über die Schuldnerberatung
Gedanken machen, die ebenfalls entsprechend ausgestattet werden muss. Damit können wir in der Finanzkrise
den Menschen Hilfestellung bieten. Wenn dieser Ausbau
nicht erfolgt, nicht mit Bundesmitteln unterstützt wird,
dann sehe ich ziemlich schwarz. Deshalb lautet meine
ganz große Bitte an die Regierung, sich im Zusammenhang mit der Finanzkrise hier zu engagieren, die Verbraucherverbände personell und materiell ausreichend
auszustatten und die Schuldnerberatung entsprechend zu
unterstützen; denn die Menschen werden diese Hilfe
brauchen.
({13})
Frau Ministerin, Sie haben vom Leitbild des mündigen Verbrauchers gesprochen. Das eine ist: Es gibt natürlich noch viel mehr Verbraucherinnen. Das andere ist:
Ich will viel lieber die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzen, selbstbestimmt als Konsumentinnen und Konsumenten am Markt teilzunehmen
sowie tatsächlich eine Wahl im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten und aufgrund guter Informationen zu
treffen. Sie unterstellen eigentlich, dass die Menschen
heute noch nicht mündig sind. Das tue ich nicht. Ich
möchte selbstbestimmte und selbstbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich hoffe, dass Sie sich in diesem Sinn einsetzen werden.
Danke schön.
({14})
Die Kollegin Nicole Maisch hat jetzt das Wort für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Gäste! Ich denke, der Grund, warum die
Ministerin in ihrer Rede nur zwei Minuten auf den Verbraucherpolitischen Bericht 2008 verwandt hat, ist, dass
wir über einen Ladenhüter debattieren. Der Verbraucherpolitische Bericht 2008 verstaubt seit April 2008 in den
Schubladen des Ministeriums. Im Einzelhandel würde
man ihn zudem eine Mogelpackung nennen.
({0})
Viel Luft, wenig Inhalt! Dieser Verbraucherpolitische
Bericht ist eigentlich ein Fall für die Verbraucherzentrale; denn wer in den Datenbanken Ihres Ministeriums
nachschaut, findet genau ein einziges Gesetz, das federführend von Ihrem Haus im verbraucherpolitischen Bereich auf den Weg gebracht wurde, nämlich das Verbraucherinformationsgesetz. Herr Goldmann und Frau
Binder haben dazu schon einiges gesagt. Frau Höfken
wird das Übrige zu diesem nicht besonders wirksamen
Gesetz sagen.
({1})
In dreieinhalb Jahren Großer Koalition sind die Verbraucherinnen und Verbraucher in die zweite Reihe Ihrer
Politik zurückgerückt. Daran hat leider auch der Ministerinnenwechsel nichts geändert. Denn Frau Aigner arbeitet weiter in guter Horst-Seehofer-Tradition: Pressemitteilungen, Fototermine auf der Grünen Woche,
Ankündigungen. Das reicht nicht als Regierungshandeln.
({2})
- Darüber braucht man sich nicht totzulachen. Das ist eigentlich eher traurig. - Gerade in Krisenzeiten muss man
ein bisschen mehr Butter bei die Fische geben.
({3})
Es geht auch anders, wenn man den Leistungsgedanken im Regierungshandeln etwas mehr berücksichtigt
und sich zum Beispiel an der vorletzten Verbraucherministerin orientiert. Auch diese hatte das Ministerium in
Krisenzeiten übernommen und dann innerhalb weniger
Wochen den Verbraucherschutz neu strukturiert.
({4})
Ich erinnere nur an das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie das Biosiegel. Das alles geht ganz
schnell, wenn man nur will und nicht nur dem Stillstand
das Wort redet.
Da meine Zeit begrenzt ist, will ich Ihnen nur zwei
Beispiele nennen. Zur Finanzkrise: Was antworten Sie
eigentlich den Wählerinnen und Wählern auf die Frage,
wie Sie in Zukunft mehr Sicherheit auf den Finanzmärkten schaffen wollen? Wir hören Ankündigungen, und es
wird Mitgefühl mit den Lehman-Geschädigten gezeigt.
Aber bisher haben Sie es noch nicht einmal geschafft,
der Justizministerin das Recht auf ein Girokonto abzupressen. Das wäre eine ganz kleine Sache. Diese „gammelt“ seit Ewigkeiten in den Ausschüssen. Aber Sie
schaffen es nicht, die SPD-Ministerin davon zu überzeugen, dass jeder Bankkunde das Recht auf ein Girokonto
hat.
({5})
Es ist nicht so, dass die CSU nicht durchsetzungsfähig
wäre. Beim Umweltgesetzbuch ging das irgendwie ganz
schnell. Vielleicht schicken Sie einmal Herrn Söder zu
Frau Zypries. Dann klappt das vielleicht mit einem Girokonto für alle.
({6})
Neben der Finanzkrise gibt es noch mehr Themen.
Bei den Verbraucherrechten gibt es eine ganze Liste
verbraucherpolitischer Gesetze, die seit Ewigkeiten in
den Ausschüssen liegen. Nehmen wir als Beispiel die
Fahrgastrechte. Wir haben im Ausschuss ewig darüber
debattiert. Das war teilweise wie Szenen einer Ehe.
Staatssekretäre aus dem Justizministerium und dem Verbraucherministerium lieferten sich Wortgefechte im
Ausschuss. Die Union forderte, dass Fahrgäste bereits
nach einer halben Stunde Verspätung eine EntschädiNicole Maisch
gung erhalten sollen. Das wurde von Minister Seehofer
in der Presse wieder und wieder angekündigt. Die SPD
war auf dem Standpunkt, dass eine Entschädigung ab einer Stunde Verspätung ausreichend ist und die Richtlinie
eins zu eins umgesetzt werden soll. Wer hat sich durchgesetzt? Die SPD, und zwar zum Schaden der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich wünsche mir, dass eine
Verbraucherministerin mit ein bisschen mehr Verve für
ihre Klientel, nämlich alle Verbraucherinnen und Verbraucher, kämpft.
({7})
Die unerlaubte Telefonwerbung ist eine ähnlich unendliche Geschichte. Horst Seehofer, Frau Aigner und
Frau Klöckner - viele Verbraucherpolitiker der Union
haben uns immer und immer wieder eine schriftliche Bestätigung versprochen. Haben wir sie schon? Nein. Ich
frage mich, ob sich auch dieses Mal die SPD durchsetzen und eine schriftliche Bestätigung verhindern wird,
und zwar zum Schaden der Verbraucher. Es wird spannend sein, zu sehen, ob sich die Union auf dem Gebiet
des Verbraucherschutzes irgendwann einmal durchsetzt.
Meine Redezeit neigt sich dem Ende zu. Ich möchte
gerne noch eine Bemerkung zu den sozialen und ökologischen Aspekten im Bereich Konsum machen. Die Kollegin Drobinski-Weiß hat dazu erfreulicherweise sehr
viel gesagt. Wenn dieses Thema der SPD so wichtig ist,
dann frage ich mich, warum Sie den Haushaltstitel zur
Verbraucherinformation, nachhaltiger Konsum, im
Vergleich zu rot-grünen Zeiten so deutlich zurückgefahren haben. Das finde ich schade. Es ist in der Argumentation auch nicht konsequent. Wenn ein Thema wichtig
ist, muss man dafür Haushaltsmittel zur Verfügung stellen.
({8})
Wir wünschen uns, dass die Union ihre ministerielle
Restlaufzeit im Verbraucherministerium nutzt, damit die
Jahre der Großen Koalition nicht vollständig verlorene
Jahre für den Verbraucherschutz waren.
Ich bedanke mich.
({9})
Jetzt hat Julia Klöckner für die Fraktion der CDU/
CSU das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Verbraucherschutzministerin, liebe Ursula Heinen - Herr Müller war
auch gerade da -, ich bedanke mich bei Ihnen und beim
Ministerium für Verbraucherschutz sehr herzlich; denn
Ihnen ist das Handeln wichtiger als Ankündigungen. Ich
bin sehr dankbar, dass Frau Aigner heute in die Zukunft
geblickt hat. Der Verbraucherschutzbericht, der uns vorliegt und den wir alle lesen können, zeigt den Status quo,
den wir erreicht haben.
Frau Maisch, Sie haben eben gesagt, dieser Bericht
sei ein Ladenhüter. Ich weiß, dass Ihre Partei, speziell
Frau Künast, sehr viel Wert auf mediale Aufarbeitung
und die Vermarktung von Ideen in Zusammenarbeit mit
vielen Agenturen gelegt hat. Aber letztlich ist mit der
grünen Taube auf dem Dach dem Verbraucher nicht geholfen. Wichtig ist, was herauskommt.
({0})
„Umwege sind auch Wege.“ Was meinen Sie, von wem
dieses Zitat ist? Es ist von Ihrer ehemaligen Verbraucherschutzministerin, Frau Künast. Sie ist zu viele Umwege gegangen und deshalb nicht angekommen.
Frau Maisch, man hat Ihnen angemerkt, dass es Ihnen
ein wenig schwer gefallen ist, hier eine kritische Rede zu
halten. Das liegt natürlich daran, dass die Fahrgastrechte
in der Zeit von Frau Künast ein Problem waren, dass die
Telefonwerbung in der Zeit von Frau Künast ein Problem war, dass der Datenschutz in der Zeit von Frau
Künast ein Problem war, dass die Verbraucherinformation in der Zeit von Frau Künast ein Problem war.
({1})
Für all diese Probleme gab es nie eine Lösung. Ein Gesetzentwurf zur Verbraucherinformation ist noch nicht
einmal in den Bundestag gekommen.
Wir als CDU/CSU-Fraktion haben mit unserem
Koalitionspartner ein Verbraucherinformationsgesetz
auf den Weg gebracht mit der Maßgabe, es nach zwei
Jahren zu evaluieren. Niemand kann schließlich voraussagen, ob etwas erfolgreich implementiert wird. Wir haben ein Gesetz mit einem Rechtsanspruch auf Zugang zu
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger verabschiedet. Wir haben zum Beispiel die Frist zur Beantwortung einer Anfrage im Gegensatz zu dem Entwurf
von Frau Künast, in dem zwei Monate vorgesehen waren, halbiert. Ein anderes Beispiel ist die Ausnahme bei
Rechtsverstößen. Die Möglichkeit, bei Rechtsverstößen
Auskünfte zu erhalten, haben wir durchgesetzt. Dazu
hatte Frau Künast in ihrem Gesetzentwurf keinerlei Regelungen vorgesehen. Frau Künast hatte damals vor, die
Auskunft bei Daten über Rechtsverstöße kostenpflichtig
zu machen. Wir haben durchgesetzt, dass diese Auskunft
kostenfrei ist. - Frau Künast hatte noch nicht einmal einen Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht.
Jetzt können Sie natürlich sagen: Wir wünschen uns
die 100-Prozent-Regelung. Den Verbraucherinnen und
Verbrauchern ist aber nicht geholfen, wenn sie wissen,
was Sie als Politiker gerne machen würden, aber letztlich keinerlei rechtliche Handhabe erhalten.
Ich bin etwas enttäuscht, dass Sie, Herr Kollege
Goldmann, sagten, der Verbraucherpolitische Bericht
2008 zeige, dass wir leider überhaupt nichts erreicht hätten. Wir haben mehr Transparenz im Telekommunikationsbereich erreicht. - Sie zucken mit den Schultern,
aber für viele junge Leute ist das sehr viel wert; denn im
Telekommunikationsbereich sind viele junge Leute bei
den Angaben von Abos - Stichwort: Klingeltöne - in
Fallen hineingerutscht.
({2})
Wir haben jetzt mehr Transparenz und bessere Regelungen.
({3})
Es gibt zum Beispiel mehr Beratung und Transparenz
für Versicherte. Wir haben an Versicherungsvermittler
ganz hohe Standards angelegt. So müssen sie einen Berufsnachweis erbringen und eine Berufshaftpflicht vorweisen. All das sind Dinge, die die Verbraucherinnen
und Verbraucher aktuell spüren.
Ich erinnere auch an die sogenannten Roamingpreise.
Es handelt sich dabei um die Auslandstarife für Handygespräche. Der Wirtschaftsminister und der Verbraucherschutzminister haben sich zusammengesetzt und auf
europäischer Ebene Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher durchgesetzt. Letztlich zählt
doch das, was bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt; nicht Ankündigungen zählen, sondern
das Handeln.
({4})
Dass wir mit der Bundesregierung besser fahren als
mit irgendwelchen schönen Vorschlägen von der linken
Seite, der grünen Seite oder der FDP-Seite, sehen wir daran, dass wir in diesem Jahr auf die Zielgerade kommen.
Ich nenne die Telefonwerbung. - Sie lachen, Frau
Maisch.
({5})
Wir haben über Telefonwerbung schon debattiert, als wir
noch in der Opposition waren und Sie die Verbraucherschutzministerin, Frau Künast, gestellt haben. Damals
gab es noch nicht einmal einen Gesetzentwurf, über den
man beraten konnte. Wir sind jetzt so weit, dass wir zum
Beispiel die Widerspruchsfristen erweitern. Bei der Telefonwerbung gibt es in der Tat das Problem, dass gerade
älteren Leuten, die überhaupt nicht angerufen werden
wollen, ein Vertrag untergeschoben wird, zu dem sie niemals ihre Zustimmung erteilt haben. Das ist bei Lotterieverträgen so, und das ist beispielsweise bei Verträgen
über Zeitschriftenabonnements so.
({6})
Das hätte man auch schon damals ändern können.
({7})
Das Problem hätte man schon zu der Zeit, als Frau
Künast Verbraucherschutzministerin war, lösen können.
({8})
Uns geht es jetzt darum, eine Widerrufsfrist festzusetzen. Das wird einige Verbesserungen bringen. Wir werden ein Bußgeld einführen,
({9})
wir werden die Rufnummerunterdrückung untersagen
und vieles weitere mehr.
Es gibt ein Problem in der Verbraucherpolitik. Verbraucherpolitik ist eine Herausforderung für alle Bereiche, sie ist eine Querschnittsaufgabe. Deshalb schlagen
wir als Union vor, es dem Bürger etwas einfacher zu machen, damit er weiß, wie er sich informieren kann. Wir
wollen ein Verbrauchertelefon mit einer zentralen Telefonnummer einführen, das eine Lotsenfunktion wahrnimmt. Das ist der Punkt. Letztlich ersetzen Verbote
nicht den Verstand.
({10})
Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger befähigen,
selbst aktive Teilnehmer am Markt zu sein. Es wird auf
Dauer nichts produziert, was nicht von den Bürgerinnen
und Bürgern gekauft und abgenommen wird. Ich möchte
die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot holen und danach fragen, welche Verantwortung letztlich jeder Einzelne übernimmt.
({11})
Wer für 13 Euro vom Flughafen Hahn nach Berlin fliegt,
um dann gegen Lohndumping am Brandenburger Tor zu
demonstrieren, der hat beim Rechnen nicht aufgepasst.
({12})
Wir alle sitzen in einem Boot. Wenn wir bewusst konsumieren, bewusst einkaufen und den Bürger in der Schule
bilden - es ist uns wichtig, dass wir Verbraucherbildung als Querschnittsaufgabe in den Schulen verankern -, dann sehe ich eine große Chance, dass die Politik, die die Bundesregierung vorantreibt, nämlich ein
Miteinander und kein Gegeneinander der Beteiligten in
der Wirtschaft zu unterstützen, Erfolg hat.
Möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn
Goldmann zulassen? - Bitte schön.
Die Einrichtung eines Verbrauchertelefons finde ich
spannend, vor allen Dingen, weil Sie das jetzt ansprechen, die Ministerin das aber nicht gemacht hat. Was die
Bankproblematik betrifft, so hat es, glaube ich, 160 000
oder 200 000 Anrufe gegeben. Meine erste Frage lautet:
Wie viele Telefone wollt ihr denn einrichten? Zweite
Frage: Wo wollt ihr sie einrichten, in den Ländern oder
auf Bundesebene? Wie wollt ihr die Verbraucherzentralen einbinden, die so etwas schon machen? Muss das geHans-Michael Goldmann
setzlich geregelt werden, oder ist das eine Idee, die gerade einmal heute Mittag guttut, weil in dem Bericht im
Grunde genommen nichts steht?
Herr Goldmann, erst einmal danke für Ihre Frage. Im Bericht steht einiges.
({0})
Wenn Sie ihn durchlesen, erkennen Sie, was die Verbraucherinnen und Verbraucher für sich selbst an Neuerungen verbuchen können.
Zu Ihrer Anmerkung, dass die Ministerin das nicht erwähnt hat: Sie hatte zehn Minuten Redezeit. Wenn Sie
dem zustimmen würden, dass sie 30 Minuten Redezeit
bekommt, hätte sie viel mehr ansprechen können.
({1})
Jetzt komme ich auf Ihre Frage zu sprechen, wie wir
dieses Vorhaben umsetzen wollen. Zum einen sind die
Verbraucherzentralen wichtig.
({2})
Wir danken den Verbraucherzentralen für die schnelle
Arbeit. Ich danke auch der Bundesregierung für die Bereitstellung der Mittel, wodurch diese Beratungsleistung
überhaupt erst erbracht werden konnte.
({3})
Zum anderen stellt sich jetzt die Frage, Herr Goldmann:
Sollen nicht diejenigen, die zu diesem Beratungsnotstand beigetragen haben - das sind zum Beispiel die
Banken -,
({4})
eine anbieterunabhängige Beratung freiwillig mitfinanzieren? Dann können sich die Bürgerinnen und Bürger
informieren, ohne dass der Informant eine vorgefertigte
Meinung hat, weil er nur eines will, nämlich sein Produkt verkaufen, und verschweigt, dass er dafür Provision
bekommt.
({5})
Das Verbrauchertelefon ist anders angedacht: Es soll
eine einzige Nummer haben und eine Lotsenfunktion erfüllen. Wenn sich jemand zum Beispiel an Behörden
wenden möchte oder weiter informieren möchte, dann
kann er diese Nummer anrufen. Sehr hilfreich ist da die
Stiftung Warentest. Herr Goldmann, wir müssen also
komplex denken.
({6})
Es hilft wenig, einmal eine Forderung aufzustellen und
das Erreichte kleinzureden.
({7})
Nicht umsonst bekomme ich als Verbraucherbeauftragter
viele Schreiben von Verbraucherinnen und Verbrauchern, in denen sie sich dafür bedanken, dass sich die
Bundesregierung letztlich um ihre Anliegen kümmert.
({8})
- Am besten rufen Sie in meinem Büro an. Ich habe gute
Leute; wir können Ihnen immer helfen.
({9})
Herr Goldmann, Ihnen kann geholfen werden. Ganz so
schlimm sieht es ja noch nicht aus.
({10})
Ich möchte mit dem Hinweis schließen, dass wir das
Thema Fahrgastrechte aufgreifen werden. In diesem
Zusammenhang muss ich das Thema „halbe Stunde“
aufgreifen. Ich selbst bin davon überzeugt, dass der Verbraucher ab einer halben Stunde Verspätung eine Entschädigung bekommen muss; denn er tritt in Vorleistung. Er zahlt für ein Ticket, und dann wird eine nur
mangelhafte Leistung erbracht. Das ist so, als ob er einen
Liter Milch kauft, die Packung aber nur 750 Milliliter
enthält. Wenn das so ist, kann man nicht verlangen, dass
der Verbraucher den kompletten Preis zahlt.
({11})
Genauso wie die Verbraucherschutzministerkonferenz hätten wir als Union dies gern durchgesetzt. Leider
geht das nur, wenn die nötige Mehrheit vorhanden ist.
Das heißt, unser Koalitionspartner muss zustimmen. Ich
darf darauf hinweisen, Herr Goldmann: Die FDP-Wirtschafts- und -Verkehrspolitiker
({12})
in den Ländern sagen etwas anderes.
({13})
Insofern bin ich froh, wenn wir eines erreichen: eine
Verbesserung für die Verbraucherinnen und Verbraucher
bei der Entschädigung; letztlich sollten sie einen Anspruch auf Erstattung der Taxi- und Übernachtungskosten haben und einen anderen, höherwertigen Zug benutzen können. Das - nicht die Ankündigung - ist es, was
für die Verbraucherinnen und Verbraucher zählt. Ich
danke allen, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Bürgerinnen und Bürger souverän werden können und auf
gleicher Augenhöhe mit denen stehen, die etwas anbieten.
Herzlichen Dank.
({14})
Jetzt hat die Kollegin Ulrike Höfken das Wort für
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr
geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die
CDU/CSU hat in den Zeiten von Rot-Grün jahrelang als
Blockierer im Bundesrat gesessen, sie hat jede Novelle
und jede Reform im Bereich Verbraucherschutz blockiert,
({0})
aber jetzt tritt hier Frau Aigner auf nach dem Motto
„Hier werden Sie geholfen“. Was ist denn das für ein Niveau?
Frau Künast und Rot-Grün haben in den entsprechenden Bundesämtern neue Strukturen geschaffen und damit Meilensteine gesetzt, Stichworte: Eierkennzeichnung, Gentechnikgesetz, Verbraucherschutz bei der
Altersvorsorge. Letztendlich gilt nicht das, was in irgendwelchen Schubladen von Ministerien landet, sondern das, was als Vorschlag öffentlich diskutiert wird,
({1})
etwa der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, wie es hätte aussehen sollen.
({2})
Frau Aigner, gut gemeint ist nicht gut gemacht. Nach
mehr als 100 Tagen Amtszeit sollten Sie nicht als - so
wurde getitelt - „Ministerin der Konjunktive“ in die Geschichte des Bundestages eingehen. Wir haben unsere
Kritik am Verbraucherinformationsgesetz schon lange
ganz klar geäußert. Herr Goldmann und die Damen und
Herren von der SPD und der Linken, wir sollten gemeinsam zu einer Reform kommen. Es ist doch offensichtlich, dass dieses Verbraucherinformationsgesetz nur
noch in Anführungsstrichen existiert und zu einem Verhinderungsgesetz geworden ist: Es wirkt gegen die Informationsfreiheit, die unseren Bürgern zusteht.
({3})
Das hat auch die Umfrage von Foodwatch gezeigt:
Knapp 80 Prozent aller Anfragen blieben unbeantwortet, die schwarzen Schafe wurden fast nie genannt, gesetzliche Fristen teilweise massiv überschritten und in einigen Fällen Gebühren von mehr
als 1 000 Euro festgesetzt.
({4})
Auf diese Art und Weise bleibt doch jeder Wissensdurst
der Verbraucher auf der Strecke. So können wir nicht mit
den Leuten umgehen. Wir brauchen hier eine Reform,
und zwar noch in dieser Legislaturperiode.
({5})
Frau Höfken, möchten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Klöckner zulassen?
Ja.
Bitte schön.
Herzlichen Dank. - Ist Ihnen bewusst, Frau Höfken,
dass der Gesetzentwurf zum VIG von Frau Künast vorsah, dass generell kostendeckende Gebühren erhoben
werden sollten? Ist Ihnen das bekannt? Wenn nicht,
würde ich Ihnen den abschließenden Entwurf des VIG
von Frau Künast gerne in Ihr Büro schicken.
({0})
Frau Klöckner, Sie haben das jetzt zum 99. Mal gesagt.
({0})
Diese Regelung ist ein Ergebnis der Verhandlungen mit
dem Bundesrat. Sie haben sie auf Biegen und Brechen
durchgedrückt, kritisieren sie jetzt aber quasi in Umkehrung der Tatsachen. Ich würde Ihnen vorschlagen, einmal in einen Spiegel zu schauen.
({1})
Frau Klöckner, Sie dürfen sich wieder setzen.
Bei der Lebensmittelkennzeichnung war es das gleiche Spiel. Minister Seehofer hat hier herumgehampelt,
aber es ist doch ganz klar: Es gibt 800 000 adipöse Kinder. Das heißt, es gibt ganz schwerwiegende Fehlentwicklungen im Bereich der Ernährung. Hier muss gehandelt werden.
({2})
Der Direktor der Charité hatte recht, als er sagte: Es handelt sich um Körperverletzung, Kinder eine solche Entwicklung nehmen zu lassen. Die Ampel-Kennzeichnung
ist bestimmt keine Patentlösung, aber sie bietet Orientierung. Sie können sich hier nicht hinter der EU
verstecken. In Ihrem eigenen Bericht äußern Sie, Frau
Ministerin, dass den Etikettierungs- und Kennzeichnungsvorschriften eine enorme Bedeutung zukommt.
Handeln Sie auch danach, und verstecken Sie sich nicht
hinter der EU!
({3})
Ein Beispiel für die Missachtung geltender Gesetze
und bestehender Verordnungen auf der Bundesebene ist
der Umgang mit der ESL-Milch. Die Bezeichnung „länger haltbar“ soll jetzt zusätzlich zu dem Aufdruck
„Frischmilch“ als freiwillige Kennzeichnung eingeführt
werden. Das finde ich unglaublich. Erstens werden damit - das ist doch ganz klar - die Verbraucher irregeführt. Zweitens wird echte Frischmilch, die ja mehr Vitamine enthält und deren Produktionsprozess mehr Geld
kostet, die also insgesamt ein besseres Produkt ist,
schlichtweg vom Markt gedrängt. Dem leisten Sie Vorschub, indem Sie, wie ich finde, in unverantwortlicher
Weise gegen bestehende Gesetze eine derartige freiwillige Kennzeichnung dulden. Ich denke, das geht nicht
an, wie hier mit Kennzeichnungs- und Etikettierungspflichten umgegangen wird.
({4})
Sehenden Auges wird hier eine Marktbereinigung zulasten der Verbraucherinteressen akzeptiert.
Ein letztes Wort zum Thema Nanotechnologie. Wir
haben eine Reihe von Veranstaltungen und Kongressen
dazu durchgeführt. Wir wissen inzwischen, dass viele
entsprechende Produkte auf dem Markt sind. Diese Produkte sind aber nicht zugelassen. Ich finde, hier dürfen
die Menschen nicht zu unfreiwilligen Versuchskaninchen werden. Wir brauchen dringend eine Regelung für
die Zulassung dieser Produkte. Die Vorlage entsprechender Risikobewertungen darf nicht weiter verzögert werden. Ich fordere Sie auf, hier schnell etwas zu tun.
Vielen Dank.
({5})
Jetzt spricht die Kollegin Marlies Volkmer für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Gäste! Im Verbraucherpolitischen Bericht der
Bundesregierung heißt es in Bezug auf Lebensmittelkennzeichnung:
Die Bundesregierung sieht den Schwerpunkt einer
Verbesserung dieses Kennzeichnungsrechts darin,
dass die mit der Etikettierung vermittelten Informationen klar, übersichtlich und vor allem gut lesbar
präsentiert werden.
Sehr richtig! Man muss aber auch danach handeln.
Zu Zeiten von Horst Seehofer wurde eine freiwillige
Vereinbarung mit der Industrie über die Kennzeichnung
der Lebensmittel getroffen. Diese freiwillige Kennzeichnung wird den Anforderungen nicht gerecht. Diese
Kennzeichnung ist nicht klar, weil sie keinen einheitlichen Prinzipien folgt. Die Kennzeichnung ist nicht übersichtlich, und die Kennzeichnung ist auch nicht lesbar;
denn man muss eine Lupe nehmen, damit man überhaupt
lesen kann, was auf der Rückseite steht. Das ist der
Grund dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher
diese Kennzeichnung in ihre Kaufentscheidung kaum
einbeziehen. Das haben Sie in Ihrem Bericht auch beklagt.
Das kann man aber sehr leicht ändern. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen eine klare und einheitliche Kennzeichnung auf der Vorderseite. Sie wollen
sich sehr schnell, mit einem Blick, darüber informieren,
wie hoch zum Beispiel der Zuckergehalt oder der Fettgehalt im Frühstücksmüsli ist. Eine solche einfache und
schnelle Orientierung ist mit der Ampel-Kennzeichnung möglich. Deswegen möchten Verbraucherinnen
und Verbraucher die farbliche Kennzeichnung mit einer
Ampel.
({0})
Mitnichten geht es darum, wie die Industrie immer
und immer wieder sagt, Olivenöl oder Äpfel zu kennzeichnen. Wir wollen auch nicht das Käsebrot mit dem
Schokoriegel vergleichen.
({1})
Für die Verbraucherinnen und Verbraucher soll bei zusammengesetzten Produkten auf einen Blick erkennbar
sein, welches Produkt in der Warengruppe wie viel Zucker, Fette, gesättigte Fettsäuren und Salz enthält, um die
individuelle Kaufentscheidung zu erleichtern. Das ist
keine Bevormundung, sondern das glatte Gegenteil.
Durch eine solche Kennzeichnung werden die Verbraucherinnen und Verbraucher erst in die Lage versetzt, sich
wirklich informiert zu entscheiden.
({2})
Befragungen in Großbritannien haben gezeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Ampel-Kennzeichnung sehr wohl verstanden haben. Wir trauen das den
Konsumentinnen und Konsumenten hierzulande auch
zu.
({3})
Die Verbraucherschutzminister der Länder haben vor
fünf Monaten von der Bundesregierung einhellig gefordert, sich auf EU-Ebene für eine verpflichtende AmpelKennzeichnung einzusetzen. Frau Klöckner, die bayerische Verbraucherschutzministerin hat das vor einer Woche noch einmal bekräftigt. Frau Aigner, wir möchten,
dass Sie das umsetzen; unsere Unterstützung haben Sie
dabei.
({4})
Das gilt auch für die aktuelle Frage der Kennzeichnung von Frischmilch bzw. Milch. Aus unserer Sicht
führt kein Weg an einer verbindlichen Kennzeichnung
vorbei. Die Kennzeichnung muss eindeutig sein.
({5})
Wer Frischmilch mit „traditionell hergestellt“ kennzeichnen will, der offenbart eher literarische als verbraucherpolitische Kompetenz.
({6})
Bei „traditionell hergestellt“ denkt man eher an den
Melkschemel, vielleicht auch an Rohmilch.
({7})
Frischmilch muss Frischmilch bleiben und soll auch so
heißen. Dieser Grundsatz gilt auch für die H-Milch.
Beide Kennzeichnungen sind gut eingeführt. Jeder Käufer weiß, was in der Packung ist.
Das Wort „ESL-Milch“ haben viele Verbraucherinnen
und Verbraucher sicher noch nie gehört. Dahinter verbirgt sich Milch, die nach relativ neuen Verfahren hergestellt wird. Sie ist länger haltbar und deswegen eben
nicht frisch, weshalb der Begriff „frisch“ auf der Packung nichts zu suchen hat.
({8})
Wir möchten diese Milch einfach als Milch bezeichnen,
Herr Goldmann; zusätzlich muss das Herstellungsverfahren - hocherhitzt oder gefiltert - auf der Verpackung
erscheinen.
({9})
Das ist nicht der Streit um des Kaisers Bart; denn wie die
Milch behandelt wird, entscheidet über Geschmack und
über Inhaltsstoffe.
({10})
Deshalb muss die Verkehrsbezeichnung eindeutig sein.
Wer Frischmilch kaufen will, soll auch Frischmilch bekommen.
({11})
Wer Frischmilch produziert, darf nicht benachteiligt
werden, indem die hocherhitzte oder gefilterte ESLMilch, die länger haltbar ist, als Frischmilch deklariert
wird. ESL-Milch wird von den Handelsketten möglicherweise lieber abgenommen, weil sie länger haltbar
ist. Auch das sollten wir noch vor der Sommerpause regeln, Frau Aigner.
({12})
Peter Bleser spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz intensiven Zuhörens konnte ich eine Fundamentalkritik an
der Ministerin nicht vernehmen.
({0})
Es waren sich nicht alle einig, was die Nährwertkennzeichnung angeht. Aber ansonsten ist die Ministerin
- unterschiedlich nuanciert - gelobt worden.
({1})
Das war auch berechtigt; denn Frau Aigner hat genau
das gemacht, was sie in ihrer jetzt etwas über 100 Tage
langen Amtszeit richtigerweise tun musste: Sie hat - in
Fortsetzung von Seehofers Politik - neue Akzente gesetzt. Wir werden sehen, wie diese in der Praxis umgesetzt werden. Sie hat Beispiele dafür genannt.
({2})
Ich glaube, es ist sichtbar geworden: Wir, die Union,
sind die treibende Kraft beim Verbraucherschutz.
({3})
Das wird auch draußen, zum Beispiel vom Verbraucherschutzverband, so gesehen. Gebremst werden wir von
der Opposition, teilweise aber auch vom Koalitionspartner.
({4})
Es ist ein schwieriges Geschäft - dafür kann ich Ihnen
Beispiele nennen -, sich für die Verbraucher einzusetzen. Das Wort „Verbraucherschutz“ ist noch relativ jung;
heute wird es wahrscheinlich mit Anglizismen bezeichnet. Es wurde geschaffen, um den Schutz der Verbraucher zu verbessern. Diesen Schutz brauchen sie auch
heute noch; denn sie stehen nach wie vor großen und
mächtigen Anbietern gegenüber, die nicht immer mit
lauteren Methoden am Markt auftreten.
Herr Bleser, möchten Sie eine Zwischenfrage von
Frau Happach-Kasan zulassen?
Ja, gerne.
Bitte.
Herr Kollege Bleser, Sie haben gerade deutlich gesagt, Verbraucher brauchen Schutz.
Richtig.
Ich gehe einmal davon aus, dass Sie damit auch meinen, dass Verbraucher Schutz vor Irreführung brauchen.
({0})
- Danke für den Beifall aus der SPD. - In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf die „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung ansprechen, die von der Großen
Koalition beschlossen worden ist, und Sie fragen, ob Ihnen die Untersuchung der Universität Gießen bekannt
ist, in deren Rahmen nachgefragt worden ist, was denn
Verbraucher mit einer solchen Kennzeichnung verbinden. Dabei wurde festgestellt, dass Verbraucherinnen
und Verbraucher bei der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung davon ausgehen, dass in diesen Produkten wirklich
keinerlei Gentechnik enthalten ist, dass beispielsweise in
der Fütterung keine Vitamine oder Aminosäuren verwandt worden sind, die mit gentechnischen Methoden
hergestellt worden sind.
Ich verstehe Ihre Frage, Frau Happach-Kasan.
Ich möchte wissen: Ist das Ihre Vorstellung vom
Schutz des Verbrauchers vor Irreführung?
Wenn ich jetzt nicht an dieser Stelle stehen würde,
würde ich sagen: Dafür könnte ich Sie knutschen.
({0})
Die Frage ist sehr gut; denn auch an diesem Beispiel
wird die Haltung der Union deutlich. Wir von der Union
wollten eine Prozesskennzeichnung, bei der die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ nur dann hätte verwendet
werden dürfen, wenn im Prozess keine Gentechnik eingesetzt worden ist. Wir haben einen Kompromiss finden
müssen - ich sage es ganz offen; so ist das nun einmal in
einer Koalition -, nach dem nach der EU-Bio-Verordnung auch solche Produkte mit „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet werden dürfen,
({1})
in denen Enzyme und Vitamine, die gentechnisch verändert hergestellt worden sind, enthalten sind,
({2})
bei denen Tiere zum Beispiel in einem gewissen Zeitraum mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert worden sind. Aber es ist trotzdem nicht gelogen. Deswegen
haben wir den Kompromiss mitgetragen.
Klar ist: Es ist eine Kennzeichnung analog zur EUBio-Verordnung, und damit weiß jeder, der die Kennzeichnung sieht, dass es sein kann, dass im Produktionsprozess gentechnisch veränderte Produkte eingesetzt
worden sind.
({3})
Insofern gebe ich Ihnen recht, und ich bedaure, dass
nicht mehr durchsetzbar war. Aber immerhin ist es nicht
unwahr, sondern es ist eine Möglichkeit, die von wenigen Wirtschaftsbeteiligten bisher genutzt wird.
({4})
Meine Damen und Herren, ich habe von einem Ungleichgewicht zwischen Verbrauchern und Anbietern gesprochen. Das ist nach wie vor der Fall. Deswegen brauchen wir eine aktive Verbraucherschutzpolitik. Das
Ungleichgewicht ist zum Teil durch neue Technologien,
insbesondere das Internet, bedingt. Wir haben auch
durch die Globalisierung der Märkte sehr widersprüchliche Regelungen. Wir sehen an der Finanzkrise, welche
Wirkungen das haben kann. Deswegen haben wir als
Union das zentrale Ziel ausgegeben: mehr Rechte, mehr
Information und mehr Waffengleichheit
({5})
für die Verbraucher, damit sie auf Augenhöhe am Marktgeschehen teilnehmen können. Dafür haben wir einiges
getan; auf das Verbraucherinformationsgesetz ist schon
mehrfach hingewiesen worden.
Herr Goldmann, Sie haben es angesprochen: Dass die
Behörden von Greenpeace lahmgelegt werden, ist die
Folge davon, dass sich diese Organisation dieses Verhalten zum Geschäftsmodell gemacht hat.
({6})
Das darf man auch an dieser Stelle des Deutschen Bundestages einmal zur Sprache bringen.
({7})
Anstatt dem Verbraucher, der Sorgen und Informationsbedürfnisse hat, die Möglichkeit zu geben, sich bei den
Behörden zu informieren, legt Greenpeace die Behörden
systematisch mit Anfragen lahm, weil man glaubt, irgendeinen Skandal entdecken und für sich nutzen zu
können.
Meine Damen und Herren, die Ohne-GentechnikKennzeichnung habe ich schon angesprochen. Frau Ministerin hat es richtigerweise gesagt: Wir stehen in vielen
Bereichen erst am Anfang. Da geht es um die Telefonwerbung, die jetzt gesetzlich geregelt werden soll. Wir
wollen die aktive Bestätigung des Kunden vorsehen, ob
er einen Vertrag abschließt oder nicht.
Alle noch anstehenden Rechtsetzungen - zum Beispiel zu den Fahrgastrechten und im Finanzdienstleistungsbereich - sind natürlich richtig und wichtig; sie helfen weiter. Aber sie reichen nicht aus; denn der
Verbraucher kann das nicht allein bewältigen. Er braucht
Hilfe und Informationen, um sich entsprechend positionieren zu können. Deswegen haben wir in der Koalition
die Verbraucherschutzzentralen und die Stiftung Waren22316
test von Anfang an unterstützt. Wir haben die entsprechenden Mittel bereitgestellt, um auch hier eine entsprechende Ausstattung sicherstellen zu können.
({8})
Zurzeit beschäftigen wir uns mit zwei weiteren Themen - eines wurde schon angesprochen, das andere aber
noch nicht ausreichend -: mit dem Thema Datenschutz
und dem Thema Nährwertkennzeichnung. Ich will im
Hinblick auf den Datenschutz eines deutlich machen:
Das Internet vergisst nichts. Wir haben ungeahnte Möglichkeiten bei der Sammlung, Speicherung und Auswertung von Daten. Das erleben wir auch bei aktuellen
Skandalen, zum Beispiel bei der Bahn. Deswegen hilft
es nicht, wenn wir Rechtsetzungen allein auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse vornehmen. Ich glaube
- das ist jetzt eine Ankündigung -, dass wir ein Gutachten brauchen, um nach technischen und rechtlichen
Möglichkeiten zu suchen, die Bürgerrechte zu schützen.
Nach unserer Auffassung hat jeder Bürger das Recht auf
Selbstbestimmung hinsichtlich seiner eigenen Daten.
Dieses Recht darf nicht durch wirtschaftliche Erwägungen abgeschwächt werden.
({9})
Ich sage das ganz deutlich im Zusammenhang mit dem
Listenprivileg. Nicht wenige Versandhäuser, aber auch
Teile der Gewerkschaften sind an uns herangetreten mit
dem Wunsch, dass man das nicht so eng sehen solle. Das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aus meiner Sicht ein Grundrecht, das nicht zur Disposition steht.
Das sollten wir uns alle auf die Fahnen schreiben;
({10})
denn ansonsten erleben wir aufgrund der Entwicklung,
die noch möglich ist - wir stehen, wie Sie wissen, erst
am Anfang -, den einen oder anderen Exzess. Ich
glaube, wir sind uns einig: Wenn wir das schaffen, können wir weiterkommen.
Ich will das zweite Thema ansprechen - denn hier unterscheiden sich die Linien in diesem Haus klar -: das
Thema Nährwertkennzeichnung. Die Union richtet ihre
Politik auf den mündigen Verbraucher aus.
({11})
Deshalb sind wir wie die gesamte Wissenschaft für eine
Nährwertkennzeichnung, welche dem Verbraucher hilft,
seine Ernährung am Tagesbedarf an Nährstoffen auszurichten und zu lernen, wie man sich mit unterschiedlichen Zutaten ernähren kann und dass Essen und Bewegung zwei Seiten eines gesunden Menschen sind.
({12})
Da unterscheiden wir uns fundamental. Sie wollen dem
Bürger vorschreiben, was er macht.
({13})
Sie wollen ihn mit einer Ampel-Kennzeichnung belasten. Ich sage Ihnen: Das spricht dem Bürger die eigene
Urteilsfähigkeit ab. Ampeln gehören an eine Straßenkreuzung und nicht auf Lebensmittel.
({14})
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass ungeregelte Märkte
zu Chaos und schwersten Schädigungen führen. Das erleben wir jetzt. Wir haben vor einer guten Stunde ein Gesetz verabschiedet, mit dem gigantische Summen in den
Markt gepumpt werden, damit die gröbsten Verschiebungen vermieden werden können. Heute kann man das
Fazit ziehen - Frau Ministerin Aigner hat das sehr deutlich gemacht -: Wir, die Union, haben die Verbraucherpolitik in das Zentrum unserer Politik gerückt. Darauf
sind wir sehr stolz.
({15})
Das Wort hat nun Kollege Manfred Zöllmer, SPDFraktion.
- Es ist doch nicht schlecht, wenn man sich freut. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weiß
Amazon, was ich verdiene? Weiß Google mehr über
mich als ich selber? Das sind Fragen, die sich heute viele
Verbraucherinnen und Verbraucher stellen.
Das Internet nimmt in der Reihe der unverzichtbaren
Dinge in unserem Leben inzwischen Platz 5 ein und liegt
damit sogar vor dem Auto. Es hat unser Leben in kürzester Zeit revolutioniert, obwohl es noch ganz jung ist. In
Deutschland sind inzwischen über 2 Millionen Nutzer
bei Facebook registriert. Bei privaten Verkäufen über
das Internet liegt Deutschland in Europa an der Spitze.
Jeder vierte Deutsche hat 2007 seine Reise im Internet
gebucht, und 35 Prozent der Deutschen führen ihre Konten online.
Das Internet führt auf der einen Seite zu nicht gekannter Konsumentenmacht: bei Preisvergleichen, in Blogs,
in Konsumentenportalen. Da werden Unternehmen in
kürzester Zeit gezwungen, miese Produkte schnell vom
Markt zu nehmen. Geschädigte können sich zusammenschließen. Wir haben das im Bereich Energie sehr deutlich gemerkt. Wir wissen aber, dass das Internet auch andere Überraschungen bietet: Viren, Phishing, Cyberbullying,
Abzocke, Täuschung und Betrug. Die Macht der Konsumenten und Konsumentenschutz sind also zwei Seiten
einer Medaille. Aufgrund der Veränderungen bei den
Einkaufs- und Kommunikationsgewohnheiten der VerManfred Zöllmer
braucherinnen und Verbraucher, die ich eben beschrieben habe, muss sich die Verbraucherpolitik völlig neuen
Herausforderungen stellen. Das tut die Große Koalition.
In einer nie dagewesenen Weise werden von Unternehmen, sozialen Netzwerken und Onlinediensten persönliche Daten gesammelt, verkauft, verschoben und
verknüpft. Zum Teil werden sie gezielt und zum Teil versteckt abgefragt, zum Teil werden sie aber auch naiv
oder gutgläubig durch die Verbraucherinnen und Verbraucher preisgegeben. Dies gilt insbesondere für jüngere Leute.
Die vielfältigen Skandale der letzten Zeit zeigen eines: Wir brauchen einen sorgfältigeren und transparenteren Umgang mit persönlichen Daten. Ich bin sehr froh,
dass der Kollege Bleser eben auf das Selbstbestimmungsrecht hingewiesen hat. Die Selbstbestimmung
über die eigenen Daten muss in der Tat im Mittelpunkt
unserer Politik stehen. Dieser Anspruch muss von der
Gesetzgebung aufgenommen und die Politik an die Bedingungen der modernen Informationsgesellschaft angepasst werden. Das gilt heute nicht mehr nur für den
Staat, wie es in der Vergangenheit der Fall war, sondern
in besonderem Maße auch für die Wirtschaft.
Deshalb beschäftigen wir uns in drei Gesetzesvorhaben mit Fragen des Datenschutzes, die im Interesse der
Verbraucherinnen und Verbraucher liegen. Die erste
Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes sieht mehr
Transparenz in Scoringverfahren vor, damit Konsumenten und Kreditnehmer Entscheidungen über Bonität und
Zinssätze - dabei geht es schließlich um das Geld der
Verbraucherinnen und Verbraucher - nachvollziehen
können. Wir brauchen Transparenz und eine Verwirklichung der Prinzipien Datensparsamkeit und Nichtdiskriminierung. Ich sage sehr deutlich: Georeferenzdaten haben beim Scoring nichts zu suchen. Wir wollen keine
Ausgrenzung von Menschen, nur weil sie im vermeintlich falschen Stadtteil leben.
({0})
Daneben geht es insbesondere um den Wegfall des
Listenprivilegs. Das Listenprivileg bevorteilt das Direktmarketing in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Hier gibt
es sehr unterschiedliche Interessen: die werbetreibende
Wirtschaft auf der einen Seite und die Bürgerinnen und
Bürger, die zu Recht verlangen, dass ihre Daten nicht
zum Handelsobjekt werden, auf der anderen Seite.
({1})
Ein „Weiter so!“ darf es auf diesem datenschutzrechtlichen Gebiet nicht geben. Ich bin dem Kollegen Bleser
sehr dankbar dafür, dass er diesbezüglich für die CDU/
CSU-Fraktion sehr deutlich Position bezogen hat. Das
hat man bisher so nicht gehört.
({2})
- Ja, auch Staatssekretärin Heinen hat das in dieser Woche auf einer Veranstaltung so gemacht. Ich bin sehr gespannt, ob das, was hier so markig verkündet worden ist,
letztendlich Eingang ins Gesetz findet.
({3})
Wir sind jedenfalls bereit, dies umzusetzen. Jetzt ist es
an der CDU/CSU, uns hierbei zu unterstützen.
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung werden wir die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern, damit der unerlaubte
Eingriff in die Privatsphäre drastisch verringert wird.
({4})
Die Vorschläge, die bisher auf dem Tisch liegen, sind effizient und wirksam. Sie knüpfen an das bewährte Widerrufsrecht an. Wir werden dies gesetzlich umsetzen.
Bei allen Entscheidungen müssen die Interessen der
Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig eine noch
stärkere Rolle spielen. Deshalb möchte ich sehr deutlich
sagen: Hände weg von der Privatkopie! Wer die Privatkopie weiter einschränken will - hier gibt es massive
Versuche vonseiten der Wirtschaft, auf die Politik Einfluss zu nehmen -, wird die Folgen dieser verbraucherunfreundlichen Politik direkt zu spüren bekommen.
({5})
Das Beispiel des Digital Rights Managements bei Musikdownloads zeigt: Wer Verbraucherinteressen mit Füßen tritt, muss dafür mit Umsatzrückgang bezahlen.
({6})
Der technische und wirtschaftliche Wandel zeigt: Verbraucherpolitik war noch nie so wertvoll wie heute. Sie
sehen, Frau Ministerin, dass Sie - anders als Ihr Vorgänger, der nur ein geringes Interesse an diesen Themen
hatte - stark, beharrlich und durchsetzungsfähig sein
müssen. Unsere Unterstützung haben Sie. Wir Sozialdemokraten werden in dieser Koalition die treibende Kraft
in der Verbraucherschutzpolitik bleiben.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat nun Kollegin Waltraud Wolff für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Werte Gäste! In dieser Debatte haben wir immer wieder die Worte „Transparenz“ und „Sicherheit für
die Verbraucher“ gehört. Es ist uns allen klar, dass das
notwendig ist. Aber Sonntagsreden reichen nicht aus.
Wir müssen etwas tun.
Auch ich habe viele Anfragen und Briefe bezüglich
dieser berühmten ESL-Milch bekommen. Ich wette,
viele der Zuschauer hier haben davon noch nichts gehört,
Waltraud Wolff ({0})
({1})
weil sie die Milch in dem Glauben gekauft haben, sie
würden frische Milch kaufen. Das ist das Problem. Darum geht es uns.
({2})
Was die Frische der Milch angeht, dürfen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht täuschen.
({3})
Was macht das BMELV? Es verhandelt mit den Herstellern und mit dem Handel. Das Ergebnis ist, dass ESLMilch Frischmilch mit dem Zusatz „länger haltbar“
bleibt. Das ist doch Täuschung; das ist keine Transparenz.
({4})
Wir reden über Verbraucherschutzpolitik. Über uns befindet sich die Kuppel. Wir könnten sie rein theoretisch
auch als eckig mit dem Zusatz „ohne Kanten“ bezeichnen. Dennoch bleibt die Kuppel rund. Darum sage ich:
Hocherhitzt ist hocherhitzt, und Frischmilch ist Frischmilch.
({5})
Die SPD schlägt drei Kennzeichnungen vor: „frisch“
für frische Milch, „Milch“ für ESL-Milch, und „HMilch“; diese Kennzeichnung hat sich bewährt.
({6})
Das ist eindeutig; das ist klar. Das entspricht den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir wollen keine Bezeichnungen, die uns der Handel abfordert,
sondern eine Bezeichnung, die nichts verschleiert.
Sehr geehrte Frau Aigner,
({7})
die letzten Monate der Amtszeit Ihres Vorgängers, Herrn
Seehofer, waren vom Engagement für Bayern geprägt;
das will ich einmal so ausdrücken.
({8})
Er hat viele Baustellen, geradezu - ich möchte es einmal
so nennen - verbraucherpolitische Baulücken hinterlassen. Ich könnte es auch landwirtschaftlich ausdrücken;
aber das lasse ich jetzt lieber. Bisher haben Sie leider
noch nicht begonnen, diese Baulücken zu schließen. Sie
haben noch nicht angefangen, den Keller zu bauen, geschweige denn ein Haus.
Die erste Baustelle ist das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Als es um die Gammelfleischskandale ging, hat sich Herr Seehofer als einer der Ersten für
den Informantenschutz eingesetzt. Wir alle erinnern uns
noch an den Lkw-Fahrer, der den Mut hatte, den Gammelfleischskandal aufzudecken. Er hat von Ihrem Ministerium die Goldene Ehrenplakette erhalten. Ich möchte
aus einer Pressemitteilung zitieren, was Herr Seehofer
bei der Verleihung gesagt hat:
Die Auszeichnung solle Bewusstsein bilden und
präventiv wirken. Auch der Politik gebe ein
Engagement dieser Art Gelegenheit zu überlegen,
was verbessert werden müsse. So will die Bundesregierung im Herbst den arbeitsrechtlichen Schutz
von Informanten wie Miroslaw Strecker gesetzlich
verankern.
- Gemeint ist der Herbst 2007. Bis heute ist aber nichts
geregelt. Die Union hat dies im Bundestag verhindert.
({9})
- Ich lasse keine Zwischenfrage zu, Peter.
({10})
- Nein, nicht weil sonst die Wahrheit ans Licht kommt,
sondern weil ich dir nicht die Chance geben möchte,
dazu noch einmal Stellung zu nehmen.
({11})
Dass Herr Seehofer die Verleihung der Goldenen Plakette ernst genommen hat, nehme ich ihm ab. Mehr als
ein schönes Foto ist dabei aber nicht herausgekommen.
({12})
Frau Ministerin, ich weiß nicht, ob Herr Seehofer Ihnen vor Ihrem Amtsantritt gesagt hat, dass die CDU/
CSU-Fraktion ein Bremsklotz ist. Das ist aber auch egal.
Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht es nämlich nicht um die Ankündigung von Maßnahmen, sondern um ihre Umsetzung.
({13})
Sie erwarten mehr. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten auch mehr als nur gute Produktqualität.
Die Nachfrage nach Bio- und regionalen Produkten
macht deutlich, dass ihnen auch Nachhaltigkeit - dieses
Stichwort ist in der heutigen Debatte schon erwähnt
worden - wichtig ist. Dazu gehören auch Tierschutz und
artgerechte Haltung. Im Koalitionsvertrag haben wir
beispielsweise vereinbart, einen Tierschutz-TÜV einzuWaltraud Wolff ({14})
führen. Das ist die offene Baustelle Nummer zwei. Die
Union blockiert.
({15})
Die dritte Baustelle ist die Grüne Gentechnik. Herr
Seehofer und Herr Söder machen für Bayern deutlich,
dass sie die größten Gegner der Grünen Gentechnik sind,
und auf Bundesebene blockiert die Union. Das kann so
nicht weitergehen.
Auch die Finanzmarktkrise ist bereits angesprochen
worden. Frau Ministerin, auch Sie haben Beispiele genannt und darauf hingewiesen, dass manche Menschen
um ihr Erspartes gebracht wurden. Es ist deutlich geworden: Es handelte sich nicht immer um Beraterbanken,
sondern auch um Drückerkolonnen. Wir müssen also
handeln. Aus diesem Grund schlägt die SPD, wie in der
Presse schon oft zu lesen war, vor, einen Finanz-TÜV
einzuführen.
({16})
Wir wollen eine bessere Beratung und Aufklärung
und eine bessere Dokumentation. Für den Streitfall
muss auch die Beweislage verbessert werden. Wir setzen
uns im Hinblick auf den Finanzmarkt für einen Marktwächter ein - aus unserer Sicht ist er unerlässlich -, der
im Interesse der Verbraucherinnen und der Verbraucher
tätig sein soll. Finanzprodukte und ihr Vertrieb sollen
unter die Lupe genommen werden. Werden Missstände
aufgedeckt, muss gegen sie vorgegangen werden, nach
dem Motto „Schnüffeln, bellen, beißen“.
Wir sind uns alle einig, dass wir im Bereich der
Finanzdienstleistungen mehr Verbraucherschutz brauchen. Die Union hat dazu, wie der Presse zu entnehmen
ist, mehrere Vorschläge gemacht; es ist ja häufig so, dass
solche Vorschläge in der Presse zu lesen sind. Frau
Aigner, überzeugen Sie Ihre Fraktion, diese Vorschläge
zu unterstützen - denn die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Hilfe und Ergebnisse -, und machen
Sie bitte nicht die nächste Baustelle auf!
Danke schön.
({17})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Peter Bleser.
Liebe Frau Kollegin Wolff, da Sie keine Zwischenfrage zulassen wollten, möchte ich den Sachverhalt jetzt
im Rahmen einer Kurzintervention klarstellen.
({0})
- Natürlich.
Wir könnten das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch im Deutschen Bundestag noch heute verabschieden,
({1})
wenn es zum Inhalt hätte, dass das Bußgeld bei entsprechendem Fehlverhalten von 30 000 Euro auf 50 000 Euro
erhöht wird und dass jeder, dem nicht gesetzeskonforme
Ware, zum Beispiel Gammelfleisch, angeboten wird,
verpflichtet ist, dies den Behörden zu melden. Diese
deutliche Verbesserung könnten wir noch heute beschließen. Was wir dagegen nicht machen können, ist, einen
Denunziantenschutz zu beschließen.
({2})
Wir wollen nicht, dass, wenn Ordnungswidrigkeiten in
einem Betrieb vorkommen, ein Mitarbeiter dafür, dass er
sein Unternehmen anschwärzt, Kündigungsschutz erhält.
Bei einer solchen Regelung wäre Missbrauch Tür und
Tor geöffnet.
({3})
Wenn es hingegen um Straftaten geht, besteht - ein solches Urteil könnte Ihnen bereits der Pförtner des Gerichts ausstellen - Kündigungsschutz für den Mitarbeiter.
({4})
Kollegin Wolff.
Ich bedanke mich herzlich, dass ich dazu noch einmal
Stellung nehmen darf.
Sehr geehrter Herr Bleser, Sie werden doch nicht die
lobende Auszeichnung seitens des Vorgängers von Frau
Aigner mit der Medaille seines Bundesministeriums als
„Denunziantenschutz“ bezeichnen.
({0})
Herr Seehofer wollte genau diesen Informantenschutz
einführen, und dazu hatte er nicht nur die Unterstützung
der SPD, sondern, glaube ich, auch die der anderen Fraktionen, die auf dieser Seite des Hauses sitzen. Was Sie
hier vorbringen, richtet sich gegen Ihr eigenes Haus. Ich
denke nicht, dass diese Antwort die richtige sein kann.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/9163 und 16/11881 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Wir kommen zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11907. Interfraktionell ist vereinbart, über den Entschließungsantrag auf
Wunsch der Fraktion Die Linke abweichend von der Geschäftsordnung sofort abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann verfahren
wir so. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung
der Grünen abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna
Lührmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der
Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in
der Zukunft
- Drucksache 16/5955 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna
Lührmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Begleitgesetzes zum Gesetz zur
Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft ({0})
- Drucksache 16/5954 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
- Drucksache 16/10384 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({2})
Roland Claus
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Petra
Merkel für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter
und dritter Lesung die Gesetzentwürfe von Bündnis 90/
Die Grünen aus dem Jahr 2007. Wir haben diese Gesetzentwürfe im Haushaltsausschuss bereits im September
2008 abgelehnt.
Bei dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der
Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft
- ein wunderbarer Titel! - geht es unter anderem um das,
worum wir uns in den letzten beiden Jahren in der
Föderalismuskommission II bemüht haben: einen Weg
zu finden, wie die Schulden des Bundes und auch der
Länder begrenzt werden können.
Seit dem Ende der Föderalismuskommission I diskutieren wir über Regelungen für die Finanzströme zwischen Bund und Ländern. Es geht somit um etwas mehr
als um eine Schuldenregel. 2007 hat sich, wie in der
Föderalismuskommission I vorgesehen, eine Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung
der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, kurz: Föderalismuskommission II, gegründet. Auftrag dieser Kommission war es, Vorschläge zur Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen zu erarbeiten.
Gestern hat die letzte Sitzung dieser Kommission
stattgefunden.
({0})
- Eine allerletzte, Herr Bonde, in der es um rein Redaktionelles gehen soll, wird am 5. März stattfinden. Im Anschluss werden die Ausführungsgesetze erarbeitet, und
die parlamentarischen Beratungen werden folgen, damit
wir die notwendigen Gesetzesänderungen bis zum
Sommer beschließen können. Dazu brauchen wir, wie
Sie wissen, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und
im Bundesrat. Schon deshalb müssen die Ergebnisse der
Föderalismuskommission II, insbesondere die Schuldenregel, die eingeführt werden soll, konsensfähig sein.
Die Gesetzentwürfe der Grünen sind mit „Sicherung
der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft“ gut überschrieben. Doch leider stammen diese
Gesetzentwürfe von Juli 2007, sind unter komplett anderen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfasst
worden, als wir sie derzeit haben.
„Sicherung der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft“ - genau das muss auch eine
Schuldenregel sicherstellen, und deswegen nenne ich einige Punkte, die ich als wesentliche Kriterien für eine
neue Schuldenregelung sehe: Sie muss besser sein als
die, die wir im Augenblick im Grundgesetz haben. - In
Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern erfahren wir,
dass das Anhäufen von Schulden und damit verbunden
das verstärkte Anwachsen des Schuldenberges viele
Menschen sehr verunsichert. Das ist auch verständlich,
und deswegen müssen wir klarstellen, dass wir nur bedingt Schulden machen wollen.
Die Schuldenregel muss allerdings auch einen handlungsfähigen Staat und ein starkes Parlament gewährleisten. Sie muss den Konjunkturzyklus beachten, und
sie muss generationengerecht sein.
Wir haben uns in der gestrigen Kommissionssitzung
auf eine neue Schuldenregel verständigt, und darüber
werden wir noch ausführlich beraten.
In den letzten Monaten - das wissen Sie alle - haben
sich die Bedingungen dramatisch verändert. In diesen
schwierigen Zeiten fiel nun auch das Ende der
Föderalismuskommission II und damit auch die Entscheidung über eine neue Schuldenregel. Das erschien
einigen angesichts der derzeitigen Belastungen und der
Petra Merkel ({1})
Summen, die wir in die Hand nehmen, um die Wirtschaftskrise zu überstehen, widersprüchlich. Während
die einen fanden, eine neue Schuldenregel brauche man
gerade jetzt, fanden die anderen, die Zeit, in der wir jegliche Schuldengrenzen überschreiten, sei nicht der richtige Zeitpunkt, um so etwas einzuführen.
Wenn wir eine neue, bessere Regelung zur Verschuldungsbegrenzung finden wollen, dann müssen wir sie in
der Praxis testen, wo sie sich bewähren muss, und zwar
auch im extremsten Fall, den wir vorher wahrscheinlich
so gar nicht konstruiert hätten. Man testet doch auch
keine Geländewagen auf dem Parkplatz oder in der Garage.
({2})
Zurück zu Ihren Gesetzentwürfen. Warum haben Sie
eigentlich Ihre alten Gesetzentwürfe herausgeholt und
auf die Tagesordnung setzen lassen, habe ich mich gefragt. Sie wissen, dass eine Schuldenregel nur eine
Chance haben wird, wenn wir über Fraktionsgrenzen
hinweg arbeiten, über Koalitionsgrenzen hinweg übrigens auch. Es wird nur gemeinsam mit Bund und den
Ländern gelingen. Dazu wurde die Föderalismuskommission eingesetzt. Deshalb kann ich die Gesetzentwürfe
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt nicht nachvollziehen. Sollten sie als Vehikel dazu dienen, eine Diskussion über die Föderalismusreform zu führen, sind sie
nicht tauglich, weil wir die konkreten Texte brauchen,
um darüber zu diskutieren. Die werden zurzeit erarbeitet
und erst im März vorliegen. Dann wird die parlamentarische Arbeit losgehen bzw. weitergehen.
Wenn Sie aber die Gesetzentwürfe herausgeholt haben, um uns eine nicht zukunftsfähige Haushaltspolitik
vorzuwerfen, dann ist Ihr Vorhaben auch misslungen.
Wir haben vorhin das zweite Konjunkturpaket verabschiedet, und eines ist doch klar: Wir machen keine
Schulden, um uns unverantwortlich gegenüber dem
Steuerzahler zu verhalten. Schulden sind kein Selbstzweck. Wir machen im Moment Schulden, weil wir angesichts der Weltwirtschaftskrise alles uns Mögliche unternehmen wollen, um die Auswirkungen auf unser Land
abzumildern, um Menschen in Beschäftigung zu halten,
um aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Über das
Konjunkturpaket II haben wir aber bereits in aller Ausführlichkeit diskutiert; das müssen wir an dieser Stelle
nicht mehr tun.
Noch einmal ganz deutlich: Hätten wir nicht in der
Vergangenheit mit Finanzminister Steinbrück einen Weg
der Konsolidierung verfolgt, dann wären wir jetzt nicht
handlungsfähig und hätten jetzt nicht die Möglichkeit
und nicht die Mittel, um so agieren zu können, wie wir
es tun.
Ihre Gesetzentwürfe sind im September 2008 - das
sagte ich bereits - im Haushaltsausschuss abgelehnt
worden. Ablehnung empfehle ich heute auch. Da sie die
Handschrift von Anja Hajduk tragen, ein Gruß nach
Hamburg. In der Zwischenzeit hat sie längst eine andere
Funktion.
Ich habe mir für heute noch eine gute Tat vorgenommen und schenke Ihnen deshalb jetzt Zeit und beende
meine Rede.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns
allen eine gute Beratung.
({3})
Das Wort hat nun Kollege Otto Fricke für die FDPFraktion.
({0})
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Merkel, herzlichen Dank für das kleine Geschenk. - Ich will anfangen mit einem Satz aus dem
Buch der Bücher. Auch bei Schulden geht es ja um das
große Ganze, wo wir hin wollen. Im zweiten Korintherbrief finden wir einen schönen Satz, der die Schulden
und die Frage, warum wir keine Schulden machen sollten, genau betrifft:
Denn die Kinder sollen nicht für die Eltern Schätze
sammeln, sondern die Eltern für die Kinder.
Ein eigentlich ganz einfacher Satz, aber er beinhaltet
nichts anderes als unseren Generationenvertrag, den wir
alle als Politiker in den letzten Jahrzehnten verletzt haben.
({0})
Deswegen sage ich ganz bewusst: Der Gesetzentwurf
der Grünen ist eine gute Tat, er zeigt in die richtige Richtung, er ist aber noch nicht das, was wir als FDP wollen.
Ich will ausdrücklich positiv hervorheben, dass Sie mit
den Ansätzen, die Verfassung zu verändern, die entsprechenden Haushaltsordnungen zu verändern usw., in die
richtige Richtung gehen. Das gilt insbesondere für das
Top-Down-Verfahren. Dabei wird festgelegt, wo sich der
Deckel der Ausgaben befindet, und unterhalb dieses Deckels muss sich geeinigt werden, wie viel Geld ausgegeben wird.
Bisher war es demgegenüber so, dass 20 Minister
- oder wie viele es auch immer gerade sind - im Kabinett sitzen, von denen jeder sagt, dass er gerne ein bisschen mehr hätte. Das kann nicht mehr der richtige Weg
sein; denn die Große Koalition hat deutlich gezeigt:
Wenn die Schwarzen sagen, dass sie 1 Milliarde Euro
mehr brauchen, dann sagen die Roten nicht Nein, sondern dann wollen sie auch 1 Milliarde Euro mehr. So ist
es auch umgekehrt gewesen. So war das auch beim
Nachtragshaushalt, und so ist das auch bei dem sogenannten Konjunkturpaket.
({1})
Ich muss den Grünen aber doch deutlich sagen, dass
auch sie, wie immer, Ausnahmen machen. Sie lassen
viele Ausnahmen zu, sodass doch etwas anderes zulässig
ist. Geben wir alle - auch wir als hier noch anwesende
Haushälter - doch unumwunden zu, dass es Zeiten gibt,
in denen Ausnahmen notwendig sind! Sie müssen aber
eben die Ausnahme sein.
Wenn Sie sich die Vergangenheit anschauen, dann sehen Sie, dass es schon immer Schuldenbremsen gab. In
jedem Land auf der ganzen Welt gibt es Schuldenbremsen: auf jeder kommunalen Ebene und auf jeder Landesebene. Komischerweise gelingt es keinem dieser Länder,
die Schulden wirklich zu bremsen. Das liegt an einem
Grundkriterium, das man, wie ich finde, der Bevölkerung draußen auch sagen muss. Es geht um die Frage,
wem man Sympathie entgegenbringt und mehr glaubt.
Der eine sagt: Entschuldigung, wir haben Schulden.
Das können wir uns nicht leisten, weil das zulasten zukünftiger Generationen geht. Es kann nicht sein, dass wir
unseren Kindern Schulden bzw. noch mehr Schulden
hinterlassen, während wir noch einen anderen Haushalt
vorgefunden haben. - Der andere steht hier und sagt: Na
ja, ich verstehe, das wir das müssen. Wir können es uns
in einem so reichen Land wie Deutschland nicht leisten,
dieses nicht zu erhöhen, jenes nicht zu tun und dafür
kein Geld auszugeben.
Die Sympathie liegt immer bei demjenigen, der Geld
ausgibt. Liebe Bürger, ich sage das einmal ganz deutlich:
Es ist Ihr Geld. Es sind Ihre Steuern, es sind keine Geschenke, die der Staat Ihnen macht. Das sind Geschenke,
die Sie nachher selber bezahlen müssen.
({2})
Weil das so ist, fragt sich die Politik immer wieder,
wie sie das vielleicht doch noch tun kann und ob sie vielleicht doch noch eine Ausnahme machen kann; denn sie
bekommt ja immer noch Geld. Der Normalbürger, der
über seine Verhältnisse lebt, bekommt kein Geld mehr.
Der Staat geht dagegen an den Kapitalmarkt, auf dem
ihm die Leute, andere Staaten usw. sagen, dass sie der
Bundesrepublik Deutschland weiterhin zusätzliches
Geld geben.
Wenn man akzeptiert, dass die Politik immer wieder
- egal welche Partei, welche Fraktion und in welchem
Jahrzehnt - mehr Geld ausgegeben hat, als sie hatte,
dann muss man auch erkennen, dass Regelungen, bei denen auch nur eine sehr kleine Lücke gelassen wird, zur
Folge haben, dass wir weiter Schulden machen werden.
Hier setzt dann auch die FDP mit ihrer Kritik an dem
Vorschlag der Grünen an, von dem ich weiß, dass etwas
anderes gewollt ist.
Anders als große Teile meiner Fraktion bin ich persönlich übrigens der Meinung, dass das auch bei der jetzt
geplanten Schuldenbremse so sein wird. Wir werden das
in den Ausführungsgesetzes sehen: Es wird wieder so
sein. An irgendeiner Stelle steht: wenn nicht besondere
Voraussetzungen vorliegen. Wer definiert dann, ob diese
„besonderen Voraussetzungen“ vorliegen? Das tut die
Politik wieder selbst.
({3})
- Ja, schön. Sie sagen: „Natürlich“. - Was wird die Politik dann tun? Genauso hat die Große Koalition das 1969
schon einmal getan - spiegelbildlich. Damals war die
Lösung, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festzustellen.
({4})
Wer hat festgestellt, dass das gesamtwirtschaftliche
Gleichgewicht gestört war? Das war die Politik. Sie hat
diese Dinge immer festgestellt: Entweder war die Arbeitslosigkeit zu hoch, oder das Wachstum war zu niedrig. Es konnte aber auch sein, dass es ein hohes Wachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit gab. Dann stieg
eben die Arbeitslosigkeit zu schnell an.
({5})
- Doch, sie war beteiligt, aber verdammt noch mal: Versucht doch einmal, zu akzeptieren, dass wir uns auch selber misstrauen müssen. Politiker, die sich selber nicht
misstrauen, erzählen der Bevölkerung, dass sie alles lösen können. Man muss sich selber misstrauen und sich
als Politiker deswegen auch Grenzen setzen. - Das heißt
für mich an dieser Stelle ganz klar, dass es primär ein
Schuldenverbot geben muss.
({6})
- Kollegin Merkel, das ist meine Position. Ich sehe das
so. Wenn Sie eine andere haben, dann akzeptiere ich sie.
Ich sage nur: Meine Erfahrung als Vorsitzender des
Haushaltsausschusses ist, dass uns am Ende - auch vor
dem Bundesverfassungsgericht - immer gesagt wird,
dass wir, wenn wir als Politiker die Ausnahmen für das
Schuldenmachen definieren, auch Schulden aufnehmen
dürfen. Das Ergebnis sehen wir, wenn wir die überschuldeten Kommunalhaushalte und Länderhaushalte sowie
den überschuldeten Bundeshaushalt betrachten.
An dieser Stelle will ich noch eines sagen: Bei der
jetzt geplanten Schuldenbremse gibt es auch ein schönes
Kontrollkonto für den Fall, dass man doch einmal zu
viele Schulden macht. Man erkennt bei dem, was die Föderalismuskommission getan hat, schon, dass man sich
misstraut. Diese Schulden können bis auf 37,5 Milliarden Euro anwachsen. Da haben wir sie schon wieder.
Dann kann man ohne weiteres 37 Milliarden Euro
Schulden machen, und dann wird es abgebaut.
Was hören wir denn jetzt von den Ministerpräsidenten? Was hören wir aus Schleswig-Holstein? Was hören
wir vom Berliner Regierenden Bürgermeister? Dieser
sagt: Gut, dann beschließen wir das heute, aber spätere
Generationen werden sich an dieser Stelle doch nicht daran halten.
Dazu kann ich Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie jetzt
schon bei Geburt einer neuen Schuldenbremse sehen,
dass sich viele Politiker gar nicht daran halten wollen,
weil sie über das Geldausgeben zum Ausdruck bringen
wollen, was die richtige Politik ist, dann laufen wir wieder in genau denselben Fehler.
({7})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe
zwar acht Minuten Redezeit, aber morgen ist Valentinstag. Dann werde ich meiner Frau eine Blume schenken.
Es muss gar nicht so viel sein, auch wenn die Floristen
gleich anrufen werden. Entscheidend aber ist: Da ich nur
meiner Frau diese Blume schenken kann, aber nicht den
hier anwesenden Damen, schenke ich den anwesenden
Damen die restlichen anderthalb Minuten meiner Redezeit.
Herzlichen Dank.
({8})
Ein großzügiges Geschenk. - Nun hat Herr Kollege
Jochen-Konrad Fromme von der CDU/CSU-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich bin dankbar dafür, dass wir die Debatte jetzt führen. Anlässe kann es gar nicht genug geben, um vor dem gesamten Haus auch einmal die Finanzthemen auszubreiten. Die Tatsache, dass der Antrag
überholt ist, spielt gar keine Rolle. Er war ein Meilenstein einer Debatte.
Wo stehen wir? Vom gesamten Haushalt von 290 Milliarden Euro entfallen 43 Milliarden Euro auf die Zinsen.
In Ihrem Antrag ist noch von 39 Milliarden Euro die
Rede. Daran kann man erkennen, wie schnell sich das
entwickeln kann. Auf Schuldenbergen können Kinder
nicht spielen. Deswegen müssen wir etwas unternehmen,
und deswegen müssen wir etwas verändern.
Herr Kollege Fricke, eines teile ich nicht. Ich bin der
Meinung, dass Schuldenbremsen wirken. Wenn Sie die
Entwicklung genau beobachten, dann stellen Sie fest,
dass die Kommunen besser dran sind als Bund und Länder. Das hat nichts damit zu tun, dass es in den Kommunen die besseren Politiker gibt, sondern das hat etwas damit zu tun, dass sie tilgen müssen. Auf das TilgenMüssen werde ich im Laufe meiner Rede noch zurückkommen; denn das ist der Casus knacksus.
Schulden an sich sind weder gut noch böse. Das ist
wie das Feuer: Es kann wärmen, es kann verzehren. Deshalb sind staatliche Schulden möglicherweise grundsätzlich sinnvoll, nämlich dann, wenn man damit in die energetische Sanierung eines alten Haus investiert und
dadurch mehr Heizkosten spart, als man für Zinsen und
Abschreibung aufwenden muss. Deswegen kommt es
auf den richtigen Umgang mit Schulden an, aber nicht
auf die Tatsache an sich.
Was ist in Deutschland falsch gelaufen? Wie sind wir
in diesen Zustand hineingekommen? Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die letzte Große Koalition hat im Jahr
1969 das Haushaltsrecht verändert. Seinerzeit hatten wir
praktisch ein absolutes Schuldenverbot. Nur bei sogenannten werbenden Maßnahmen, wenn den Ausgaben
innerhalb eines Etats Einnahmen gegenüberstanden,
konnte man Schulden machen. Man musste sie aber im
gleichen Fachetat im gleichen Titel tilgen. Deshalb hat
es bis dahin praktisch keinen Schuldenaufbau in
Deutschland gegeben, obwohl dies in den Aufbaujahren
sicherlich sinnvoller gewesen wäre.
1969 haben wir die Verschuldungsmöglichkeiten
durch zwei Begriffe ergänzt. Zum einen haben wir gesagt, dass Investitionen mit Schulden finanziert werden
können. Zum anderen haben wir außerhalb der Investitionen die Kreditaufnahme zur Bekämpfung von Konjunkturschwächen zugelassen.
Beides hat im Ergebnis dazu geführt - deshalb ist es
so falsch gelaufen -, dass wir konsumtive Ausgaben mit
Krediten finanziert haben. Das war der Grundfehler.
Warum ist das so passiert? Wenn wir ein Auto kaufen,
dann steht das als Investition in unseren Gruppierungsvorschriften und darf mit Kredit finanziert werden. Aus
Haushaltssicht ist das Thema Auto mit dem Autokauf
abgeschlossen. In Wahrheit ist es natürlich anders; denn
erst dann, wenn das Auto benutzt wird, setzt der Werteverzehr ein. Dieser spiegelt sich im Haushalt jedoch
nicht wider. Deshalb haben wir konsumtive Ausgaben
im Haushalt in großem Umfang mit Schulden finanziert.
Wir haben das Ganze noch potenziert. Wenn wir der
Meinung waren, es herrschte eine Konjunkturkrise - daran waren alle Parteien dieses Hauses beteiligt; wir waren auch nicht viel besser als die anderen -, dann haben
wir sogar einfach Einnahmen durch Schulden ersetzt und
damit strukturelle Defizite mit Krediten finanziert, ohne
- das ist der Schlüssel, und deswegen unterscheiden wir
uns von den Kommunen - diese Schulden zu tilgen.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir mit der Schuldenbremse, auf die wir uns jetzt geeinigt haben, einen
Paradigmenwechsel vollzogen haben, indem wir gesagt
haben: Wenn in Zukunft Schulden aufgenommen werden - ich gehe gleich darauf ein, in welchen Situationen
das möglich ist -, dann müssen sie gleichzeitig mit einer
Tilgungsverpflichtung versehen werden. Dieser Paradigmenwechsel wird zu einer entsprechenden Änderung
führen.
Es wird vier Fälle geben, in denen Schulden möglich
sind. Das ist erstens bei einer Soll-Ist-Abweichung der
Fall. Das heißt, wenn sich der Haushalt schlechter entwickelt, als wir es in den Haushaltsberatungen vorausgesehen haben, dann werden die Abweichungen von der zulässigen Kreditaufnahme auf einem Konto festgehalten,
und wenn ein bestimmter Saldo überschritten wird, müssen diese Schulden getilgt werden. Das ist völlig in Ordnung, weil man in den Abläufen flexibel sein muss.
Als zweiter Fall ist vorgesehen - das ist uns als Union
sehr schwer gefallen, aber in einer Koalition muss man
eben Kompromisse schließen -, dass nach wie vor eine
strukturelle Verschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugelassen werden soll. Das heißt, bisher können wir, wenn wir uns an die rechtlichen Vorgaben halten, Schulden in Höhe der Investitionen von
24 Milliarden Euro machen. In Zukunft werden es nur
noch 8,5 Milliarden Euro sein.
Das ist eine Verbesserung. Aber ich sage deutlich:
Wenn wir es frei hätten entscheiden können, dann hätten
wir die Neuverschuldung auf null gesetzt. Denn für uns
ist völlig klar, was für jeden Haushalt gilt: Auch der
Staat kann nur das ausgeben, was er einnimmt. Deswegen müssen Ausgaben und Einnahmen im Einklang stehen. Aber es ist ein Kompromiss, der zu einer Verbesserung führt.
Der dritte Fall: In einem konjunkturellen Zyklus gibt
es Abweichungen. Wir erleben es gerade, dass Wirtschaft nicht geradlinig verläuft; es geht auf und ab.
Wenn man es richtig macht, dann ist es völlig in Ordnung, dass man im Abschwung mehr ausgeben kann.
Das muss dann aber im Aufschwung wieder zurückgeführt werden. Die Krux der letzten Regelung bestand darin, dass dieser Mechanismus gefehlt hat. Das werden
wir jetzt durch ein Konjunkturkonto regeln, damit Transparenz geschaffen wird und wir uns selber unter Druck
setzen, dass die Mehrausgaben in der Abschwungphase
in der Aufschwungsphase wieder zurückgeführt werden
bzw. dass wir in einer Aufschwungphase Rücklagen für
solche Fälle bilden.
({0})
Der vierte Fall: In Notsituationen wie etwa bei Naturkatastrophen - die also auf Ursachen zurückgehen, die
der Mensch nicht beeinflussen kann - oder in Krisen, die
zwar von Menschen verursacht sind, aber nicht auf politische Entscheidungen zurückgehen wie möglicherweise
die derzeitige Finanzkrise,
({1})
muss eine Kreditaufnahme sofort mit einem Tilgungsplan versehen werden, damit der Zwang besteht, die
Schulden zurückzuführen. Hinter dem Tilgungsplan
steht folgende Überlegung: Was ich heute mehr ausgebe,
das habe ich an Konsumkraft vorweggenommen. Ich
kann durch Kredite meine Konsumkraft nicht verändern.
Ich kann nur den Zeitpunkt bestimmen, wann ich das
Geld ausgebe. Wenn ich die Ausgabe vorziehe, dann
muss ich das Geld zurückführen. Das heißt, ich bin in
den Folgejahren gezwungen, den Kredit zurückzuzahlen.
Darum ging es auch Ihnen, lieber Kollege Fricke.
Politiker sind in der Regel schwach und suchen nach
Auswegen.
({2})
Deswegen brauchen wir Mechanismen, die das darstellen. Genau das haben wir umgesetzt. Deswegen ist das
ein großer Schritt in die richtige Richtung.
({3})
Ich werbe dafür, dass alle das mit unterstützen, auch
wenn es nicht hundertprozentig das Konzept ist, das sich
der Einzelne vorgestellt hat. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es auch für mich einen Wermutstropfen
enthält. Aber solange es besser ist als die bestehenden
Regelungen, ist jeder eingeladen, zuzustimmen. Wir
brauchen auch die Zustimmung im Bundesrat. Das heißt,
wir brauchen eine breite politische Mehrheit.
Manche fragen, warum das Konzept nicht umfassender oder besser ist. Das ist immer möglich. Aber wir haben Bundesländer, die derzeit noch nicht in der Lage
sind, das von heute auf morgen umzusetzen. Deswegen
brauchen wir einen Hilfsplan. Für diesen Hilfsplan, bei
dem Bund und Länder jeweils die Hälfte aufbringen,
brauchen wir eine gewisse Zeit, um die Bundesländer in
die Lage zu versetzen, dem folgen zu können. Deswegen
kann ich damit sehr gut leben.
Wir werden jetzt versuchen müssen, in den Normen
unterhalb der grundgesetzlichen Ebene die Regelungen
so zu präzisieren, dass ein Ausweichen unmöglich wird.
({4})
Man kann nicht alles in der Verfassung regeln. Wichtig
war mir aber, dass das Verschuldungsverbot, die Ausnahmefälle und die Tilgungspflicht ins Grundgesetz aufgenommen werden. Ich sage es noch einmal: Weil die
Kommunen immer eine Tilgungspflicht hatten, sind sie
nun besser dran. Das liegt nicht daran, dass sie über die
besseren Politiker verfügen. Vielmehr ist ihnen qua Aufsicht aufgegeben, zu tilgen. Wir brauchen einen ähnlichen Mechanismus.
Ich bin dankbar, dass die Grünen mit ihren Anträgen,
wenn auch frühzeitig, in einem Stadium, in dem das
Konzept noch gar nicht feststand, immer wieder Anstöße
gegeben haben. Wir sind aber Ihrem Grundkonzept jedenfalls, was den Nettoinvestitionsbegriff betrifft, nicht
gefolgt, und zwar aus gutem Grund. Der Nettoinvestitionsbegriff hätte viel zu viele Interpretationsspielräume
zugelassen. Deswegen glaube ich, dass unser Weg besser
ist.
Ich hätte mir gewünscht - das will ich im Hinblick
auf eine Debatte sagen, die auf uns zukommt -, dass wir
unser Haushalts- und Rechnungswesen viel stärker verändert hätten, es zum Beispiel mit Abschreibungen versehen hätten, um den Werteverzehr deutlich zu machen.
Wenn die Vorgänge transparent wären und wenn wir das
im Rahmen der Modernisierung des Haushaltsrechts hätten implementieren können - das System bestimmt das
Denken der Menschen -, dann wären wir an dieser Stelle
viel besser geworden als jetzt, wo wir den halben Weg
der erweiterten Kameralistik gehen. Wir konnten dem
Vorschlag, sich an den Nettoinvestitionen zu orientieren,
nicht folgen, weil er zu viele Dinge offengelassen hätte.
Da das, was vorliegt, besser ist als das, was wir haben, kann jeder guten Gewissens mitmachen. Stimmen
Sie dem Gesetzentwurf zu, wenn wir ihn einbringen!
Setzen Sie sich in den Bundesländern dafür ein, dass der
Bundesrat ebenfalls zustimmt! Dann haben wir etwas für
unsere Kinder und Kindeskinder getan.
Schönen Dank.
({5})
Das Wort hat nun Roland Claus für die Fraktion Die
Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Uns liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die vorsehen, die Staatsverschuldung zu begrenzen. Das klingt
ganz gut. Die Gesetzentwürfe stammen aus guter, alter
Zeit und sind etwa eineinhalb Jahre alt. Nun geschieht
etwas Sonderbares: Regierung und Koalition lehnen erstens diese Gesetzentwürfe ab, führen zweitens eine
Schuldenbremse ein und nehmen drittens die höchsten
Kredite in der Geschichte der Bundesrepublik auf, und
das alles an einem einzigen Tag.
Hinzu kommt: Es werden 10 Milliarden Euro Investitionen für alle deutschen Städte und Gemeinden beschlossen; das finden wir gut. Aber wir entscheiden am
gleichen Tag über eine zusätzliche Garantie für die angeschlagene Hypo Real Estate, nachdem bereits Stützungsmaßnahmen mit einem Volumen von 92 Milliarden Euro
erfolgten und der Bund Garantien in Höhe von 87 Milliarden Euro hält.
Deshalb sagen wir Ihnen: Der Weg, am gleichen Tag
die Aufnahme der höchsten Schulden in der Geschichte
der Bundesrepublik zu beschließen und dann am Nachmittag zu sagen: „Wir haben uns eine Schuldenbremse
ausgedacht“, ist nichts anderes als eine Irreführung der
Öffentlichkeit. Niemand weiß, was uns die Bankenkrise
kostet. Niemand kann sagen, wie hoch die Schulden
sind, die wir zu begrenzen haben. Die Regierung beantwortet die Frage nicht, wer die Zeche zahlen soll. Aber
wir beschließen dann munter über Schuldenbremsen.
Ich traf gestern einen erfolgreichen und dennoch mit
mir befreundeten Unternehmer. Er hat mir geschildert, er
sei zu sieben Banken gegangen und habe siebenmal die
Auskunft bekommen, dass er keinen Kredit bekommen
werde. Ich sage Ihnen das, weil die meisten Deutschen
inzwischen eine Schuldenbremse haben. Bei der Verkäuferin handelt es sich um den herabgesetzten Dispo. Bei
Hartz-IV-Familien legt das die Arge fest. Diesen Familien sagt die Bundesregierung mit dem Ansatz der Schuldenbremse: Der Besuch einer Musikschule ist für eure
Kinder nicht drin, vielleicht wieder für eure Enkel; aber
ihr werdet schuldenfrei sein. - Das ist doch ein absurder
Vorgang.
({0})
Wir müssen das soziale Gefüge in diesem Land wieder
in Ordnung bringen, bevor wir über Schuldenbremsen
reden. Wenn wir das soziale Gefüge nicht in Ordnung
bringen, dann wird die von Ihnen vorgeschlagene Schuldenbremse die Schwächsten der Gesellschaft treffen.
Das ist die Wahrheit, die auf den Tisch gehört.
({1})
Natürlich klingt es nicht schlecht, Herr Kollege
Fromme, wenn Sie sagen: Auf Schuldenbergen können
Kinder nicht spielen. Aber ich muss Sie daran erinnern,
dass wir ein Land mit wachsender Kinderarmut sind.
Auf den Trümmern Ihrer gescheiterten Finanz- und Sozialpolitik können Kinder noch viel weniger spielen.
({2})
Wir haben den ganzen Tag über die Krise geredet.
Hier ist gesagt worden, die Politik sei daran nicht schuld.
Wir müssen Sie daran erinnern, dass diese Finanzmarktspekulationen im Zusammenhang mit den Fonds vom
Deutschen Bundestag unter einer rot-grünen Regierung
2004 erst zugelassen wurden. Die Linke ist in dieser Situation frei von Häme und Genugtuung, weil wir natürlich wissen, dass die Folgen einer solchen Krise in aller
Regel nicht deren Verursacher tragen, sondern die kleinen Leute. Das halten wir für einen Skandal.
Wir sagen auch: Das Instrument einer Schuldenbremse klingt gut, aber es taugt nichts. Mein Kollege
Axel Troost hat das bereits in der ersten Lesung vorgetragen und statt einer Schuldenbremse etwas anderes
vorgeschlagen, nämlich eine Steuersenkungsbremse.
Das heißt im Klartext: Wir müssen über die Einnahmen
des Staates reden und entscheiden. Kollege Troost hat im
September 2007 dazu gesagt:
Die angebotsorientierten Steuersenkungen haben
hauptsächlich Unternehmen und Spitzenverdiener
entlastet und deswegen gerade nicht zu Wachstum
geführt.
Ich habe mir die Zwischenrufe - wie gesagt, das war
eine andere Zeit - angeschaut. Ihm wurde vorgehalten,
wir wollten doch nur Schulden machen, und es kam der
Spruch: „Und warum haben wir so viel Wachstum?“ Ich möchte die Koalition gerne fragen, ob sie diese Zwischenrufe aufrechterhält oder zurücknehmen will.
({3})
Es war und ist richtig: Wir müssen die Einnahmen
von Bund, Ländern und Kommunen auf eine tragfähige
Grundlage stellen. Die ganze Kritik an den Finanzmärkten und Spekulationen, die jetzt so in Mode gekommen
ist, macht doch nur einen Sinn, wenn der Staat tatsächlich handlungsfähig ist.
Nun lese ich dieser Tage über Finanzminister Peer
Steinbrück, dass er sich eine höhere Besteuerung von besonders hohen Einkommen vorstellen könnte und dass er
Börsenumsätze besteuern will. All diese Vorschläge hat
er noch vor einigen Tagen in diesem Hause für unmöglich erklärt. Deshalb haben wir gleich in den zuständigen
Ausschüssen nachgefragt, wie denn der Bundesfinanzminister diese Vorschläge, die er öffentlich gemacht hat,
umsetzen will. Da wird uns gesagt, er habe diese Vorschläge als stellvertretender SPD-Vorsitzender gemacht.
Das klang so wie: Das war nicht so ernst gemeint.
Die Bundesregierung handelt als Getriebene ihrer falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie haben heute
eine Schuldenbremse abgelehnt, eine andere eingeführt
und die höchsten Schulden in der Geschichte zu verantworten. Sie haben weder für das eine noch das andere
ein Konzept. Da fällt einem doch nur Shakespeare ein:
Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. - Nur:
Zustimmen können wir dem nicht.
({4})
Das Wort hat nun Alexander Bonde, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, der Beitrag eben hat deutlich gemacht, weshalb
wir darüber diskutieren müssen, welche Auswirkungen
Schulden haben. Herr Claus, Ihr Fraktionsvorsitzender
führt sich hier zwar immer wie ein Weltökonom auf,
aber das dürfen Sie nicht glauben. Woher Sie die Formel
haben, Schulden ist gleich sozial, weiß ich nicht. Das
wahre Leben zeigt etwas anderes: Natürlich ist eine massive Staatsverschuldung immer eine Umverteilung von
unten nach oben. Dass gerade Sie nicht in der Lage sind,
das zu kapieren, spricht Bände.
({0})
Ich will sagen, warum wir heute über diese Frage diskutieren müssen. Ein aktueller Anlass ist die Rekordverschuldung, aber es gibt noch einen anderen Grund.
Schauen wir einmal in die Geschichte, und betrachten
die Entwicklung der Staatsverschuldung! 1960 hatte die
Bundesrepublik Deutschland umgerechnet 28 Milliarden
Euro Schulden, und zwar Bund, Länder und Gemeinden.
Heute beträgt die Verschuldung für alle Gebietskörperschaften 1 500 Milliarden Euro. Gemessen am BIP bedeutet das einen Anstieg von 20 auf über 65 Prozent. Ich
finde, das ist der Moment, um innezuhalten und zu überlegen: Was hat das eigentlich mit Nachhaltigkeit zu tun?
({1})
Wir Grünen haben den Slogan: Wir haben die Erde von
unseren Kindern nur geborgt. - Hier ist die Handlungsfähigkeit von Politik gefragt, zu sagen: Kann ich einen
solch ethischen Grundsatz tatsächlich in konkretes Handeln umsetzen?
({2})
Wenn man diese Entwicklung stoppen will, dann
braucht man verbindliche Verschuldungsregeln auf allen
Ebenen; gleichzeitig muss die Handlungsfähigkeit auf
allen politischen Ebenen sichergestellt sein.
Heute diskutieren wir unseren Vorschlag, nachdem
gestern die Föderalismuskommission getagt hat. Bei dieser Kommission gibt es ein Kuriosum. Sie hat letzte Woche zum letzten Mal getagt, sie hat am Donnerstag dieser
Woche zum letzten Mal getagt, und sie wird am 5. März
erneut zum letzten Mal tagen.
({3})
Wir sind gespannt, wie viele letzte Male sie noch tagen
wird. Jedes Mal wurde abends der große Durchbruch
verkündet, obwohl nichts fixiert war. Deshalb finde ich
es interessant, dass die Kollegin Merkel hier gesagt hat,
man könne darüber noch nicht diskutieren, weil es nichts
gebe, während ihr Fraktionsvorsitzender gestern Abend
verkündet hat: Großer Durchbruch, alles in trockenen
Tüchern. - Wir werden noch viel Spaß mit vielen letzten
Sitzungen und vielen weiteren Durchbrüchen haben, die
wir gemeinsam bewundern dürfen.
({4})
Ein bisschen erinnert einen das an den Gesundheitsfonds
und viele andere großkoalitionäre Veranstaltungen.
({5})
Aber zurück zum Thema. Was bedeutet der Durchbruch, den Sie gestern Abend erneut verkündet haben,
konkret? Die Länder sollen bis zum Jahr 2020 bei den
Schulden auf null, der Bund soll die Schuldenaufnahme
ab 2016 auf 0,35 Prozent des BIP begrenzen. Das ist
sehr ambitioniert, wenn man sich die Zeitschiene anschaut. Wir können ja einmal durchgehen, wer von der
Ministerpräsidentenriege und vom Kabinett in den
Jahren 2016 und 2020 noch im Amt ist. Wir wünschen
gute Gesundheit, und die werden einige brauchen, um
die Zeit noch selber zu erleben. Schauen Sie sich zusätzlich an, was im Jahre 2019 passieren wird. Dann stehen
neue Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich an,
die Finanzierung des Ostens über den Soli läuft aus, und
die Zinshilfe für Altschulden der Länder läuft aus. Das
heißt, dann wird die Föderalismuskommission IV, V, VI
oder VII beieinander sitzen. Mit Verlaub, es glaubt doch
niemand, dass die heute beschlossene ambitionierte Regelung dann noch etwas wert ist;
({6})
denn es gibt keine strukturierte Übergangsregelung dafür, wie die Länder und der Bund von heute nach morgen
kommen sollen. Wir alle sind lange genug im Geschäft,
um zu wissen, dass diese Regelung nur Zeit kauft und
eine abschließende Regelung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag projiziert wird. Im Jahr 2019 wird etwas ganz
anderes herauskommen.
Wir legen Ihnen heute unser Zukunftshaushaltsgesetz
und das entsprechende Begleitgesetz vor, um eine Schuldenregelung vorzuschlagen, die konjunkturell atmet, die
tatsächlich gleich greift und die die Frage - darauf hat
der Kollege Fromme schon hingewiesen -, wie viel Verschuldung man noch zulässt, an die Nettoinvestitionen
koppelt. Es geht also darum, die künftige Schuldenaufnahme nur zu erlauben, wenn Investitionen getätigt werden, die auch bei einer Grenzwertbetrachtung und unter
der Berücksichtigung von Abschreibungen einen tatsächlichen Mehrwert bringen und tatsächlich zur Innovation und zum Nutzen zukünftiger Generationen beitragen. Insofern finde ich es schade, dass gerade Sie,
Kollege Fromme, der Sie die Frage der Abschreibungen
in unserer Haushaltspolitik neu betrachtet sehen wollen,
nicht bereit sind, diesen Weg weiter zu gehen. Das wäre
besser als die Lösung, die die Koalition vorschlägt. Sie
lässt eine Verschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des
BIP zu, egal ob für konsumtive oder investive Zwecke.
Sie setzt keinerlei qualitative Anreize. Wir finden, dass
eine wirkliche Schuldenbremse die Frage der Qualität
des Staatshaushalts mit im Auge behalten muss.
({7})
Entscheidend ist, dass die Regelung das konjunkturelle Atmen und das Investieren in die Bildung und andere Bereiche erlaubt. Der Staat muss auf allen Ebenen
weiterhin handlungsfähig bleiben. Das Konzept der
Schuldenbremse muss auf einer soliden Legitimation basieren, was eine große Herausforderung an die Politik
darstellt, weil sie sich selbst beschränken muss; denn die
Gefahr, als Großkoalitionär wieder mit großen Programmen das Volk zu beglücken, ist groß, ebenso die Gefahr,
mit Geschenken durch die Rathäuser zu ziehen, wie wir
es jetzt wieder erleben.
({8})
Wir haben zu Ihrem Modell eine weitere Differenz.
Bei dem Konzept einer Schuldenbremse braucht man
eine sinnvolle Lösung für die Altschulden von den besonders verschuldeten Ländern und Gemeinden. Die
Kommunen spielen bei dem, was die Föderalismuskommission macht, keine Rolle. Das ist ein entscheidender
Schwachpunkt; denn wir alle wissen, dass die Länder
reihenweise versuchen werden, die Wirkung ihrer Verschuldungsgrenzen bei den Kommunen abzuladen.
({9})
Auch in dieser Beziehung genügt Ihr Modell nicht dem
Anspruch, Handlungsfähigkeit auf allen Ebenen zu gewährleisten. Deshalb stellen wir heute unser Modell zur
Abstimmung.
({10})
Wir haben viel in der Föderalismuskommission erlebt. Da gab es einen bayerischen Ministerpräsidenten,
dem eigentlich nur die Handtasche fehlte, um als Maggie
Thatcher durchzugehen, den Sie vom Baum herunterkaufen mussten, der verlangt hat, dass irgendwo in der
Konzeption die Null auftaucht, und sei es zu einem Zeitpunkt, den keiner für realistisch hält.
Ich habe den Eindruck, Sie haben sich mit Ihrem Modell der Schuldenbremse an der entscheidenden Frage
vorbeigedrückt. Jedes Auto mit solch einer Bremse
kommt nicht auf den Markt, und zwar zu Recht. Es täte
Ihnen wirklich gut, sich noch einmal grundsätzlich mit
der Frage zu befassen: Welche Modelle wirken wirklich?
Das, was die Föderalismuskommission bisher beschlossen hat - da können Sie noch so viele letzte Sitzungen
abhalten -, wird der Aufgabenstellung und der Dimension des Ganzen nicht gerecht.
({11})
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem
Kollegen Norbert Barthle, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Die heutige Debatte ist ein schönes
Beispiel dafür, dass mancher Gesetzentwurf von der Realität eingeholt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf
stammt vom 4. Juli 2007. Die erste Lesung war am
20. September 2007, also zu einer Zeit, da die Welt noch
ganz anders aussah. Zu diesem Thema hat die Kollegin
Merkel schon das Notwendige gesagt.
Die Lage des Bundeshaushalts hat sich im Verhältnis
zu den damaligen unhaltbaren Zuständen - Rot-Grün regierte noch - deutlich verbessert: Wir haben die Nettoneuverschuldung zurückgeführt. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts war wirklich greifbar nahe.
({0})
Jetzt, im Frühjahr 2009, hat sich die Situation grundlegend verändert. Wir erleben hautnah, dass die Rede
vom „globalen Dorf“ uns alle trifft. Wenn in New York
eine Bank pleitegeht, dann gibt es in Deutschland Entlassungen, und in China bricht die Produktion ein.
Auch deshalb hat die Bundesregierung, gestützt von
den meisten in diesem Hause versammelten Kolleginnen
und Kollegen, sehr viel Geld in die Hand genommen
- die Grundlage dafür haben wir mit unserem heute früh
gefassten Beschluss gelegt -, damit unsere Bürgerinnen
und Bürger aus dieser Krise wieder herauskommen. Wir
von der Union sind davon überzeugt: Dieses Konjunktur- und Investitionsprogramm ist im Grunde die einzig
verantwortbare Alternative. Es gibt keine Möglichkeiten, sich zurückzulehnen und zuzuschauen. Man muss
selbst tätig werden. Das hat nicht nur der Sachverständigenrat bestätigt, sondern auch die Anhörung, die wir im
Haushaltsausschuss am Montag dieser Woche durchgeführt haben.
Deshalb rate ich all den schlauen Kritikern, die schon
jetzt von der Unwirksamkeit dieser Maßnahmen überzeugt sind: Habt doch etwas Geduld! Lasst die Maßnahmen erst einmal wirken! Erinnert euch daran, dass wir
für diese globale Krise - wie seinerzeit für die deutsche
Wiedervereinigung - keine Blaupause haben, dass wir
sozusagen auf Sicht fahren! Lasst deshalb das Beckmessern! Lasst die Polemik weg! Tragt zur Lösung der Probleme bei! Werdet eurer staatsbürgerlichen Verantwortung gerecht! Dann ist uns allen geholfen.
({1})
Ich habe schon erwähnt: Die Krise zwingt uns, viel
Geld in die Hand zu nehmen, neue Schulden zu machen.
Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wir haben
es ein Stück weit der soliden Arbeit dieser Großen
Koalition in den vergangenen drei Jahren zu verdanken,
dass wir jetzt überhaupt in der Lage sind, so zu handeln.
({2})
Wo stünden wir, wenn wir diesen Prozess nicht durchlaufen hätten? Man muss auch feststellen: Im Vergleich
zu anderen Ländern der Eurozone stehen wir jetzt viel
besser da. Damit haben wir die Chance, besser aus dieser
Krise herauszukommen.
Den Abgeordnetenkollegen von den Grünen rate ich
an dieser Stelle zu etwas mehr Demut. Kollege Bonde,
als Sie an der Regierung beteiligt waren, war die Haushaltsdisziplin nämlich weit von den Ansprüchen entfernt, die aus dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf resultieren und die Sie heute aufstellen. Auch daran
muss man erinnern.
({3})
Jetzt befinden wir uns in einer Krise. Wegen oder
vielleicht sogar trotz dieser Krise hat sich die Große
Koalition vorgenommen, eine Schuldenbremse einzuführen. Über eines sind wir uns einig - da hat Kollege
Fricke recht -: Der bisherige Art. 115 Grundgesetz wirkt
nicht. Zu oft wurde die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt. Dieser Ausweg war
allzu leicht gangbar. Nur deshalb konnte es geschehen,
dass wir jetzt einen Schuldenberg von 1,5 Billionen Euro
aufgetürmt haben.
Ich will an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, unserem haushaltspolitischen Sprecher, Steffen Kampeter,
und unserem Fraktionsvorsitzenden, Volker Kauder, ein
großes Lob auszusprechen. In den Beratungen zu diesem
Konjunkturpaket wurde ein klarer geistiger Zusammenhang zwischen dem Konjunkturpaket und dem Aufnehmen einer Schuldenbremse ins Grundgesetz hergestellt.
Das war richtig; das war sinnvoll; das war gut. Das hat
dabei geholfen, dass wir die Schuldenbremse jetzt bekommen.
Ich bin auch der Auffassung, dass das Zeitfenster für
diese Schuldenbremse immer noch offen ist und die Voraussetzungen gut sind; denn wir hatten im vergangenen
Jahr gesamtstaatlich gesehen einen ausgeglichenen
Haushalt und haben auch eine gute politische Gesamtkonstellation: die Große Koalition im Bund und die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. All
das sind Argumente, die dafür sprechen, die Gunst der
Stunde zu nutzen.
Ich will an dieser Stelle meinem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und unserem Kollegen Peter Struck
({4})
für die bisher in dieser Kommission geleistete Arbeit
danken. Nebenbei bemerkt: Günther Oettinger hat auch
die Kommissionsmitglieder von der FDP und von
Bündnis 90/Die Grünen gelobt und ihnen dafür gedankt,
dass sie nicht als Bremser, sondern als treibende Kräfte
gewirkt haben. Ich schließe mich dem an.
Die Botschaft ist klar und eindeutig: Wir machen
zwar neue Schulden, aber gleichzeitig führen wir strenge
Regeln ein, gemäß denen in der Zukunft feste Rückzahlungsverpflichtungen vorgesehen sind. Damit wird das
ungebremste Schuldenwachstum der vergangenen Jahre
beendet. Das stellt, wie der Kollege Fromme richtig gesagt hat, einen Paradigmenwechsel in der politischen
Landschaft dieser Republik dar. Auf diesen Paradigmenwechsel können wir, wie ich glaube, ein Stück weit stolz
sein.
({5})
Lassen Sie mich noch eine weitere kleine Anmerkung
als Baden-Württemberger machen: Aus Sicht der Geberländer wäre es, kurzfristig betrachtet, kein Schaden gewesen, wenn die Kommission zu keinem Ergebnis gekommen wäre;
({6})
denn diese hätten weiterhin keine Schulden gemacht,
hätten keine Solidaritätsverpflichtungen übernommen,
und die anderen Länder hätten weiter Schulden machen
können.
({7})
Längerfristig betrachtet fiele uns das natürlich auf die
Füße. Das wissen alle. Das wissen Gott sei Dank auch
die Geberländer. Deshalb waren die Geberländer bereit,
sich im Rahmen dieser Föderalismuskommission dazu
zu verpflichten, sich solidarisch mit den Empfängerländern, die überschuldet sind, zu zeigen, für diese einzustehen und ihnen entsprechend zu helfen. Das halte ich
für ein gutes Signal in dieser schwierigen Zeit. Auch das
muss einmal gesagt werden.
({8})
Lassen Sie mich mit der Anmerkung schließen, dass
damit für uns Haushälter die Arbeit noch lange nicht zu
Ende ist. Wir haben innerhalb des Haushaltsrechts noch
viel zu regeln. Es wird um die Frage doppische Haushaltsführung oder Kameralistik gehen, die Definition des
Investitionsbegriffes wird uns beschäftigen und Weiteres
mehr. Wir sind da aber guter Dinge.
Jetzt bleibt nur noch eines zu sagen: Wir empfehlen
die Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfes.
Danke.
({9})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sicherung
der Handlungsfähigkeit von Haushaltspolitik in der Zukunft. Der Haushaltsausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/10384, den
Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/5955 abzulehnen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Damit entfällt nach
unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Abstimmung über den von der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Zukunftshaushaltsgesetz-Begleitgesetzes. Unter Nr. 2 seiner BeVizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
schlussempfehlung empfiehlt der Haushaltsausschuss
auf Drucksache 16/10384, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5954
abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses gegen die
Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Auch hier entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über den Zugang von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Nachrichtendiensten
zum Visa-Informationssystem ({0})
- Drucksache 16/11569 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache 16/11887 Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Grindel
Michael Hartmann ({2})
Gisela Piltz
Ulla Jelpke
Wolfgang Wieland
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. -
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Folgende Kolle-
ginnen und Kollegen geben ihre Reden zu Protokoll:
Reinhard Grindel, Michael Hartmann, Gisela Piltz, Ulla
Jelpke und Josef Winkler.1)
Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/11887, den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung auf Drucksache 16/11569 anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal-
tungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der FDP und
der Linken bei Enthaltung der Grünen in zweiter Bera-
tung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzent-
wurf ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie in der
zweiten Beratung angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a und 30 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines
Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des
1) Anlage 5
Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksache 16/10730 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({3})
- Drucksache 16/11898 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fritz
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({4})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Frank Schäffler, Martin Zeil, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirt-
schaft - Die europäische Alternative zu
Wirtschaftsprotektionismus und Ausländer-
diskriminierung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rahmenbedingungen für eine nachhaltige
internationale Investitionspolitik schaffen -
Multilaterale Regeln für Staatsfonds entwi-
ckeln
- Drucksachen 16/6997, 16/9612, 16/11898 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fritz
Auch hier ist interfraktionell vorgeschlagen, die
Reden zu Protokoll zu nehmen. Folgende Kolleginnen
und Kollegen geben ihre Reden zu Protokoll: Erich G.
Fritz, Rolf Hempelmann, Gudrun Kopp, Ulla Lötzer,
Wolfgang Strengmann-Kuhn.2)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirt-
schaftsverordnung. Der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie empfiehlt unter Nr. 1 seine Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/11898, den Gesetzentwurf
der Bundesregierung auf Drucksache 16/10730 in der
Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der beiden Regierungsfrak-
tionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktio-
nen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
2) Anlage 6
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie zuvor
angenommen.
Tagesordnungspunkt 30 b. Wir setzen die Abstimmung
über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Drucksache 16/11898 fort.
Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
FDP auf Drucksache 16/6997 mit dem Titel „Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft - Die europäische
Alternative zu Wirtschaftsprotektionismus und Ausländerdiskriminierung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von
CDU/CSU, SPD und Linken gegen die Stimmen der
FDP bei Enthaltung der Grünen angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner
Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9612
mit dem Titel „Rahmenbedingungen für eine nachhaltige
internationale Investitionspolitik schaffen - Multilaterale Regeln für Staatsfonds entwickeln“. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der Linken und der Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 31:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick
Döring, Miriam Gruß, Horst Friedrich ({5}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie - Den Bau von Kindertageseinrichtungen
in Deutschland erleichtern
- Drucksache 16/11665 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({6})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Es ist interfraktionell vereinbart, auch die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu nehmen. -
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Folgende Kolle-
ginnen und Kollegen haben ihre Reden zu Protokoll ge-
geben: Peter Götz, Petra Weis, Patrick Döring, Heidrun
Bluhm und Bettina Herlitzius.1)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11665 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 32:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({7}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Lothar Bisky, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE
Anpassung der Sozialgesetzgebung für Kul-
tur-, Medien- und Filmschaffende
- Drucksachen 16/6080, 16/11809 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gitta Connemann
Auch hier werden die Reden zu Protokoll gegeben.
Es handelt sich um die Reden der folgenden Kolleginnen
und Kollegen: Gitta Connemann, Angelika Krüger-
Leißner, Dirk Niebel, Lothar Bisky und Brigitte
Pothmer.2)
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11809, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/6080 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen
angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. März 2009, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein
freundliches Wochenende.