Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Der in der 203. Sitzung am 30. Januar 2009 in erster
Lesung beratene und an die Ausschüsse überwiesene
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in
Deutschland auf Drucksache 16/11740 soll nachträglich
an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zur Mitberatung überwiesen werden.
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die wissenschaftliche
und technologische Zusammenarbeit auf dem Gebiet
der zivilen Sicherheit.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Frau Dr. Annette Schavan.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung das
Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten
von Amerika über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet
der zivilen Sicherheitsforschung beraten und ihm zugestimmt.
Gegenstand des Abkommens ist die gemeinsame Forschung in Bereichen, die aus der Perspektive der zivilen
Sicherheitsforschung Themen von strategischer Relevanz aufgreift. Das Abkommen ist Grundlage für bilateral geförderte Verbundforschung. In der ersten Phase ist
an fünf bis sechs Projekte gedacht. Einbezogen sind Forschungseinrichtungen und Hochschulen, Industrie und
Endnutzer, zum Beispiel Behörden und Infrastrukturbetreiber.
Deutschland hat ein vitales Interesse daran, dass der
transatlantische Personen-, Waren- und Informationsverkehr sicher ist und nicht durch einseitig festgelegte
Sicherheitsauflagen belastet wird. Daher sollen auf der
Basis des Abkommens Forschungs- und Entwicklungsprojekte initiiert werden, in deren Rahmen innovative
und auf gemeinsame Standards zielende Sicherheitslösungen entwickelt werden. Dies geschieht unter Einbeziehung der Wirtschaft, um die Wettbewerbsposition der
beteiligten Unternehmen und ihre Marktzugangschancen
in den USA zu stärken.
Das Abkommen ist bereits im vergangenen Jahr ausgehandelt worden. Es wird das erste Abkommen sein,
das wir im Rahmen des transatlantischen Bündnisses mit
der neuen Administration der Vereinigten Staaten abschließen. Ich gehe davon aus, dass wir das Abkommen
im kommenden Monat, im März, unterzeichnen können,
wenn die neue US-Heimatschutzministerin, Frau
Napolitano, Berlin besuchen wird.
Ich erwarte, dass sich die Zusammenarbeit im Bereich
der zivilen Forschung, was die ersten Projekte angeht,
vor allem auf den Schutz kritischer Infrastrukturen bzw.
auf die Sicherung von Warenketten konzentrieren wird.
Sie wissen möglicherweise, dass es vom US-Kongress
Sicherheitsauflagen bezüglich des Durchleuchtens sämtlicher Container von den Ausgangshäfen ausgehend
gibt; sie sollen ab 2012 umgesetzt werden. Zwischen der
Europäischen Union und den Vereinigten Staaten besteht
hierüber Dissens. Es fehlen Technologien, die das möglich machen. Es besteht generell der Eindruck, dass diese
erlassenen Sicherheitsauflagen den Warenverkehr behindern. Das ist ein klassisches Beispiel für das, was wir
meinen, wenn wir von der Sicherung von Warenketten
und Informationsketten - diese betreffen auch die Sicherung von Infrastruktur - sprechen. Sie müssen immer
beides berücksichtigen: auf der einen Seite den Sicherheitsaspekt und auf der anderen Seite die Verhinderung
von Behinderungen im Warenverkehr.
Das Abkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ist im Innovationsfeld Sicherheitstechnologien als Teil der Hightech-Strategie intendiert. Wir
haben damals, auch hier im Parlament, vereinbart, dass
Redetext
wir uns - wie in anderen Bereich auch - um internationale Abkommen bemühen werden. Erste Abkommen
sind mit Israel und Frankreich im letzten Jahr geschlossen worden. Jetzt geht es um das neue Abkommen mit
den USA.
Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen Sicherheit
und Wirtschaftlichkeit, und zwar durch innovative Lösungen. Ich sage ausdrücklich zweierlei:
Erstens. Das, was mit diesem Abkommen verbunden
ist, also auch die Konkretisierung in den einzelnen Projekten, ist zwischen allen beteiligten Häusern, speziell
dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium und dem
Verteidigungsministerium, besprochen.
Zweitens. Wir konzentrieren uns - so wie im gesamten Forschungsprogramm zur zivilen Sicherheit - nicht
allein auf technologische Lösungen, sondern werden in
alle Projekte damit verbundene relevante gesellschaftliche, soziale und ethische Fragestellungen ausdrücklich
einbeziehen. Denn innovative Lösungen bedeuten nicht
nur, technologisch voranzukommen, sondern auch ein
stringentes Konzept damit zu verbinden, das Freiheit einerseits und Sicherheit andererseits berücksichtigt.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich bitte, zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den
soeben berichtet wurde.
Mir liegen bereits Wortmeldungen vor. Die erste
Frage stellt Kollegin Pieper.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, über
welche Stärken verfügt die zivile Sicherheitsforschung
der USA konkret, die gemeinsamen FuE-Projekten Nutzen bringen könnten? Anders formuliert: Welche gemeinsamen Projekte verfolgen Sie konkret - auch bezüglich
einer eigenen kritischen Masse - durch eine enge Wissenschaftskooperation?
Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Für die Forschungsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und uns gilt zunächst einmal generell, dass es
auf beiden Seiten besondere Interessen gibt, was die Sicherheitsaspekte und Kompetenzen im Bereich der
Technologie angeht.
Wir glauben - ein Beispiel habe ich eben genannt -,
dass einige Auflagen zur Gewährleistung der Sicherheit
- diese Auffassung teilen wir mit anderen Mitgliedern
der Europäischen Union - nicht geeignet sind, eine gute
Verbindung zwischen den Sicherheitsaspekten einerseits
und der Frage der Wirtschaftlichkeit und des Funktionierens von Warenketten andererseits herzustellen. Deshalb
ist unser spezielles Interesse an der Zusammenarbeit mit
den Vereinigten Staaten, hier zu innovativen Lösungen
zu kommen. Die Kompetenzen in der Forschungslandschaft sind auf beiden Seiten entstanden, sowohl bei den
Hochschulen als auch bei den eigentlichen Infrastrukturbetreibern. Sie wissen, dass auf diesem Gebiet ein großer
Markt entstanden ist. Das Interesse muss sein, zu diesem
Markt auch international Zugang zu haben und hierfür
alle Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen.
Jetzt die Frau Kollegin Sitte. - Bitte.
Danke schön. - Zumindest bis gestern war sowohl der
Koalition als auch offensichtlich den maßgeblich Beteiligten nicht bekannt, was in diesem Regierungsabkommen geregelt werden soll. Insofern war diese Information ganz sicher, fast schon geheim, möchte ich sagen.
Dieses Abkommen muss offensichtlich vonseiten der
USA noch unterzeichnet werden.
Nun ist es so, dass es zwischen den USA und
Deutschland erhebliche Differenzen darüber gibt, was
die Standards sein sollen. Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung, dass es um die Definition von gemeinsamen
Standards geht. Umgekehrt wissen wir, dass wir gerade
zu den Positionen der USA in Sachen Sicherheitspolitik
hinsichtlich der Fragen der Grundrechte und der Freiheitsrechte oftmals sehr differente Auffassungen haben.
Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung auch, dass es um
die Definition von rechtlichen, ethischen und sozialwissenschaftlichen Fragen geht. Vor diesem Hintergrund
frage ich Sie: Was verbirgt sich konkret hinter dieser
Formulierung?
Zunächst einmal ist das kein Spezifikum nur des Abkommens mit den Vereinigten Staaten. Es ist die Besonderheit des Programms zur zivilen Sicherheitsforschung
in Deutschland, dass wir von vornherein gesagt haben:
Es geht nicht nur um die Optimierung von Technologie.
Vielmehr steht für uns die Weise, wie Technologie weiterentwickelt wird, in einem engen Zusammenhang mit
der Beantwortung von Fragen nach den Standards. Das
gilt für ethische und soziale Standards, die je nach kulturellem Kontext verschieden sind.
Deshalb ist die Besonderheit dieses zivilen Sicherheitsforschungsprogramms und der Abkommen, die wir
schließen - das gilt gleichermaßen für die Abkommen
mit Israel und Frankreich -, dass die Begleitforschung,
wie man sie früher nannte, in jedes Verbundforschungsprogramm hineinspielt. Ich sage: Ethische Fragen geben
zum Teil wesentlich die Richtung für das vor, was technologisch gewollt wird. Dahinter verbirgt sich also
nichts Spezifisches im Verhältnis zu Amerika, sondern
dahinter verbirgt sich das Spezifische unseres Programms.
Dass das geheim gewesen sein soll, kann ich nicht bestätigen. Das zivile Sicherheitsforschungsprogramm haBundesministerin Dr. Annette Schavan
ben wir im Ausschuss ausführlich besprochen und ist
zwischen allen Häusern abgestimmt worden. Es war
klar, dass wir mit Partnern, die hinsichtlich ihrer Definitionen und ihrer Vorstellungen im Zweifelsfall mit unseren differieren, zusammenarbeiten. Ich habe das Beispiel
eben genannt: Die Auflagen des US-Kongresses sehen
wir in Europa als keine optimale Lösung an. Wir brauchen andere Lösungen und eine bessere Verbindung, damit es wirtschaftlich wird.
Es gilt nicht nur für dieses Abkommen, sondern generell: Unsere zivile Sicherheitsforschung soll nicht nur
reine Technologieentwicklung sein, sondern jeweils den
gesamten Kontext beinhalten, also auch Bürgerrechte
und Gewährleistung von Freiheit.
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Frau Ministerin, da ich ein neugieriger Mensch bin:
Dieses Abkommen ist Thema der heutigen Kabinettssitzung gewesen. Darf ich Sie fragen, wie die Kabinettssitzung verlaufen ist? Wie lange ist über dieses Abkommen
diskutiert worden, und welche Minister haben sich an
dieser Diskussion beteiligt?
Jedes Thema, um das es geht, wird im Kabinett zunächst einmal vorgetragen. Über das heutige Thema
habe ich berichtet. Daraufhin hat sich der Bundesinnenminister zu Wort gemeldet. Dann ist dieses Abkommen
zustimmend zur Kenntnis genommen worden.
({0})
Wie lange hat diese Diskussion ungefähr gedauert:
drei oder fünf Minuten?
Zehn bis zwölf Minuten.
Frau Kollegin Sager, bitte.
Frau Ministerin, nach dem 11. September 2001, also
in der Zeit der Bush-Regierung, hat sich in den USA
eine andere Sicherheitsphilosophie entwickelt als in
Deutschland und in Europa insgesamt. Bei der Abwägung von Themen wie Datenschutzstandards, Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte kommen wir zu
anderen Ergebnissen als die Amerikaner. Ein Beispiel
für die unterschiedliche Sensibilität in diesen Fragen ist
die Diskussion, die in Europa und Deutschland über den
Einsatz des sogenannten Nacktscanners geführt wurde.
Wie soll Sorge dafür getragen werden, dass sich bei uns
im Rahmen der Kooperation mit den USA keine USStandards einschleichen? Oder umgekehrt: Kann dafür
Sorge getragen werden, dass Durchleuchtungstechnologien, die hierzulande keine Akzeptanz gefunden haben,
auch in den USA nicht zum Einsatz kommen?
An dem, was Sie gesagt haben - Beispiel: Nacktscanner -, wird deutlich, dass für die Forschung auf dem Gebiet der zivilen Sicherheit nicht nur nationale Initiativen,
sondern auch internationale Abkommen von Bedeutung
sind. Im internationalen Rahmen kann man sich noch intensiver als im nationalen Kontext mit kulturellen Aspekten und mit verschiedenen Zugängen zu bestimmten
Fragen, die nach unserem Verständnis mit Ethik und
Kultur zu tun haben, befassen.
Die Diskussion über den Einsatz des Nacktscanners
ist ein gutes Beispiel dafür, dass technologische Entwicklungen, die unserer Überzeugung nach die persönliche Integrität der Bürger und Bürgerinnen beschädigen,
in Deutschland und in Europa nicht akzeptiert werden.
Unsere Schlussfolgerung darf aber nicht lauten, dass
nichts passieren kann. Vielmehr müssen wir uns für
technologische Weiterentwicklungen einsetzen, die gewährleisten, dass keine Durchleuchtungsinstrumente
und -methoden angewendet werden, die den Bürger als
Ganzen betreffen. Ziel muss sein, dass nur das gefunden
wird, was gefunden werden soll. Das ist der klassische
Fall, über den diskutiert wird.
Es geht nicht darum, Maßstäbe anderer zu übernehmen, sondern darum, auch im internationalen Kontext in
einen Dialog einzutreten, in dessen Rahmen beide Aspekte berücksichtigt werden. Was technologische Weiterentwicklungen angeht, muss sichergestellt sein, dass
wir die Achtung der Menschenwürde, der Freiheit und
des Kulturbewusstseins auch im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen für selbstverständlich bzw. für notwendig halten.
Herr Kollege Barth.
Vielen Dank. - Im Moment gibt es in unserem Land
eine Menge großer Probleme. In den meisten Ausschüssen wurde heute über das Konjunkturpaket und ähnliche
Themen diskutiert. Mich würde interessieren, was die
Bundesregierung veranlasst hat, ausgerechnet dieses Abkommen zum Thema der heutigen Befragung der Bundesregierung zu machen.
({0})
Diese Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass wir, die
Abgeordneten, zu diesem Thema Fragen stellen sollen,
dies allerdings ohne Kenntnis des Abkommens tun müssen, weil wir keine entsprechende Vorlage erhalten haben.
({1})
Ich möchte Sie fragen: Wie ist es dazu gekommen, und
haben zumindest die Ministerien die Vorlage im Vorfeld
der heutigen Kabinettssitzung erhalten?
({2})
Ich finde nicht, dass Sicherheitsfragen - erst recht im
internationalen Kontext - Nebensächlichkeiten sind.
({0})
Dieses Thema ist genauso wichtig wie viele andere Themen, von denen die Zeitungen voll sind. Das Abkommen
ist im letzten Jahr ausgehandelt worden. Wir haben den
Wechsel der Administration abgewartet. Wir wissen,
dass die Heimatschutzministerin im nächsten Monat
nach Berlin kommen wird. Deshalb lag es jetzt nahe,
darüber im Kabinett zu entscheiden und dann zu unterschreiben.
Herr Kollege Röspel.
Ich stelle zunächst einmal fest, dass die Opposition
unterschiedlich gut vorbereitet ist.
Danke trotzdem, Frau Ministerin, dass Sie uns die
Möglichkeit geben, Nachfragen zu stellen. Wenn es bei
diesem Projekt zum Beispiel um die Sicherung von Warenketten geht, geht es auch um die Detektion von ABCWaffen. Meine Frage ist, inwieweit sichergestellt wird,
dass solche Forschung tatsächlich nur zivilen Zwecken
dient, dass gerade bei der Zusammenarbeit mit den USA
nicht militärische Sicherheitsforschung betrieben wird.
Es ist wie beim nationalen Sicherheitsforschungsprogramm sichergestellt, dass sich dieses Programm nicht
mit militärischer Sicherheitsforschung befasst und auch
nicht mit Zielen der Verteidigungspolitik. Hier gibt es
eine klare Unterscheidung; das ist in den Gesprächen
zwischen den beiden Häusern deutlich geworden.
Technologisches Know-how, industriell erworbenes
technisches Know-how, das im Kontext militärischer
Projekte eine Rolle spielt, kann grundsätzlich auch für
zivile Anwendungen genutzt werden. Zivile Sicherheitsforschung hingegen steht zwingend in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den jeweils definierten Zielen
und Standards sowie mit den ethischen Implikationen.
Herr Kollege Müller.
Frau Ministerin, wir freuen uns, dass insbesondere die
FDP Aufklärungsbedarf sieht. Vor diesem Hintergrund
würde mich interessieren, in welchem Umfang der Bereich der Sicherheitsforschung und der nachgelagerten
Industrien in diesen wirtschaftlich turbulenten Zeiten
Arbeitsplätze in Deutschland bietet und wie Sie die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Wirtschaftssektors einschätzen.
Nach der übereinstimmenden Überzeugung der Experten handelt es sich hierbei um eine zukunftsträchtige
Branche. Der Umsatz der Sicherheitstechnik und der damit verbundenen Dienstleistungen beträgt in Deutschland nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts schon
jetzt 10 Milliarden Euro. In einer aktuellen Studie des
Wirtschaftsministeriums wird sogar von einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro ausgegangen; das entspricht in etwa 100 000 Arbeitsplätzen.
Nach der Aussage des Fachverbandes BITKOM ist
der weltweite Markt für Sicherheitselektronik - um nur
dieses Segment zu nennen - in den vergangenen Jahren
um mehr als 60 Prozent gewachsen. Der Umsatz betrug
2000 rund 16,6 Milliarden Euro. 2005 betrug er bereits
26 Milliarden Euro. Es wird damit gerechnet, dass der
Jahresumsatz bis 2010 rund 40 Milliarden Euro erreicht.
Auf Deutschland bezogen summiert sich der Umsatz
2005 allein in diesem Segment auf knapp 2 Milliarden
Euro. Unbestritten gibt es ein starkes wirtschaftliches Interesse im nationalen Kontext, aber auch was die Teilhabe am internationalen Markt angeht.
Herr Kollege Tauss.
Frau Ministerin, ich finde es wichtig, dass Sie nicht
nur auf die bürgerrechtliche, sondern auch auf die ökonomische Bedeutung hingewiesen haben. Wir leben in
einer Welt mit kritischen Infrastrukturen, die angreifbar
sind, in der Bürgerrechte gefährdet werden können, in
der Forschungsgeheimnisse ausgespäht werden, in der
Wirtschaftsspionage betrieben wird etc. Insofern begrüße ich, dass es zu diesem bilateralen Abkommen mit
den Vereinigten Staaten von Amerika kommen wird.
Die neue Administration hat angekündigt, dass sie die
Bilateralität in Zukunft stärker betonen will. Konnten
Sie zwischen der alten und der neuen Administration
Unterschiede feststellen? Denkbar wäre ja eine Fortentwicklung des Abkommens, gerade unter den Gesichtspunkten Datenschutz, IT-Sicherheit, Privatsphäre; diese
Gesichtspunkte sind ja außerordentlich bedeutend für
dieses Programm.
Sie haben auf die kulturellen Unterschiede hingewiesen. Auch hier stellt sich die Frage, ob es durch solche
Abkommen, die, wie gesagt - ich wiederhole das -, außerordentlich begrüßenswert sind, möglicherweise zu einer kulturellen Annäherung kommen kann.
Die neue US-Administration hat das ausgehandelte
Abkommen unverändert übernommen. Auch deshalb,
weil es keinerlei Änderungen im Vergleich zum Abkommen mit der früheren Administration gibt, konnten wir
das Abkommen zu einem frühen Zeitpunkt im Kabinett
verabschieden.
Frau Kollegin Sitte.
Wir haben in der jüngsten Zeit in den Gesprächen mit
den großen deutschen, öffentlich finanzierten Forschungsorganisationen - unter anderem der FraunhoferGesellschaft - immer wieder vorgetragen bekommen,
dass man Auslandsstellen einrichten will. Es gibt ja auch
schon eine in den USA.
Inwieweit sind die in die Verhandlungen eingebunden, bzw. inwieweit ist beabsichtigt, die Forschungsorganisationen in die Erfüllung der einzelnen Punkte
dieses Regierungsabkommens mit einzubeziehen? Inwieweit kann man schon jetzt absehen, welche Partner in
den USA im wissenschaftlich-technologischen Bereich
beteiligt werden?
Erstens. Bei der Diskussion über Auslandsinstitute
- etwa die Fraunhofer-Gesellschaft oder das MaxPlanck-Institut - geht es um andere Themen und nicht
um diesen Sektor.
Zweitens. Das Abkommen - das gilt auch für die damit verbundenen Prioritäten in der Forschung - ist
selbstverständlich unter Einbeziehung unserer Forschungsorganisationen zustande gekommen. Bei der
konkreten Umsetzung von Projekten wird dies auch so
sein. Verbundforschung heißt letztendlich, dass unsere
Forschungseinrichtungen und Hochschulen, aber eben
auch Unternehmen und vor allen Dingen Organisationen
beteiligt sind, die selbst über eine entsprechende Infrastruktur verfügen.
Ich kann Ihnen heute noch keine konkreten Partner
nennen. Wenn die entsprechenden Ausschreibungen erfolgt sind, wird sich zeigen, wer sich darauf konkret bewirbt.
Frau Kollegin Hinz.
Frau Ministerin, Sie haben vorhin erläutert, wie wichtig Ihnen die Einbindung sozialwissenschaftlicher und
ethischer Fragestellungen in die Sicherheitsforschung
ist. Sie wissen, dass wir als Grüne hinsichtlich der Einbindung dieser Aspekte in die bisherigen Forschungskonzepte durchaus kritisch sind.
Sie haben in Ihrer Presseerklärung geschrieben, dass
das Einbringen von rechtlichen, ethischen und sozialwissenschaftlichen Fragen auch bei der Zusammenarbeit
mit den USA zur Anwendung kommen soll. Ist dies tatsächlich im Abkommen geregelt, oder ist das nur ein formales Abkommen darüber, dass man zusammenarbeiten
will?
Da das Kabinett dieses Thema heute trotz der Konjunkturkrise als das Wichtigste ansieht, frage ich, ob es
möglich ist, die Entscheidung des Kabinetts, also den
Text des Abkommens, den Fraktionen noch heute Nachmittag schriftlich zu übermitteln.
Erstens. Selbstverständlich kann der Wortlaut des Abkommens den Fraktionen auch heute Nachmittag schon
zugestellt werden.
({0})
Es wird zugestellt. Das sage ich hiermit zu.
Zweitens. Das ist kein rein formales Abkommen, bei
dem diese Fragen später beantwortet werden, sondern
das ist, wie von mir gesagt, im Abkommen verankert.
Ich möchte noch einige Sätze dazu sagen: Es hat auch
bei der Entwicklung des nationalen Forschungsprogramms für die zivile Sicherheit durchaus zwei Stufen
gegeben. In der ersten Stufe, also ursprünglich, ist viel
von Begleitforschung gesprochen worden: Ethik, Sozialwissenschaften und juristische Fragen als Begleitung
technologischer Entwicklungen. Wir haben auf einem
großen Kongress hier in Berlin mit allen Experten noch
einmal die Frage diskutiert, ob das praktisch geht oder
ob das dazu führt, dass diejenigen, die die ethischen Fragen stellen, am Ende immer nur den Eindruck haben,
dass sie quasi darüber diskutieren sollen, was die Ingenieure tun.
Ich habe bei dieser Gelegenheit gesagt - das ist jetzt
auch entsprechend in den Forschungsprojekten so umgesetzt -: Wir reden da nicht über Begleitforschung, sondern wir reden da, etwa im Hinblick auf rechtliche und
ethische Probleme, über Fragen, die eine Treiberfunktion haben. Das heißt, sie bringen wesentlich die Klärung dessen voran, welche Ziele und welche Standards
formuliert werden. An ihnen werden sich dann die technologische Entwicklung und das, was damit möglich
wird, auszurichten haben. Das klassische Beispiel in diesem Zusammenhang, das zur Zeit des Kongresses in der
Öffentlichkeit diskutiert worden ist, ist der Nacktscanner.
Herr Kollege Koppelin.
Frau Ministerin, da Sie bekannt gegeben haben, dass
das Abkommen im letzten Jahr ausgehandelt worden ist,
darf ich Sie doch noch einmal fragen, welche Fachausschüsse des Bundestages in die Beratung eingebunden
worden sind, um auch das Fachwissen des Parlaments
mit einfließen zu lassen.
Da hier so süffisant bemerkt wurde, die FDP frage
konkret danach, darf ich Sie des Weiteren fragen: Ist nur
die Koalition informiert worden, und hat sie das Papier
erhalten und die Opposition nicht, oder haben alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Text des Abkommens bisher nicht erhalten?
({0})
Erster Teil der Antwort: Der Deutsche Bundestag und
die zuständigen Fachausschüsse haben eine HightechStrategie beraten und verabschiedet, in der es den Innovationsbereich zivile Sicherheitsforschung gibt. Das haben sie mit dem Auftrag an die Regierung verbunden,
sich um internationale Kooperation zu bemühen, und
zwar vor allem mit den für uns wirklich interessanten,
relevanten Partnern.
Wie ausgeführt, ist das mit Israel und Frankreich und
jetzt auch mit den USA erfolgt. Das ist eine Konkretisierung dessen gewesen, was wir hier miteinander beraten
und verabschiedet haben; denn jedem war klar - so wie
das für andere Forschungsfelder auch gilt -, dass man in
der zivilen Sicherheitsforschung nicht in einem rein
nationalen Kontext bleiben kann.
Zweitens. Das, was wir verhandeln, entspricht von
der Intention her exakt dem, was im verabschiedeten
Sicherheitsforschungsprogramm, das in den Fachausschüssen lange beraten worden ist, enthalten ist. Wir haben nichts verhandelt, was darüber hinausgeht, keine anderen Themen, keine anderen Projektansätze, keine
anderen Facetten, sondern nur das, was das Parlament
uns als Grundlage in die Hand gegeben hat.
({0})
- Die Abgeordneten sind durch das nationale Sicherheitsforschungsprogramm informiert, das wir verabschiedet haben. Der Text des Abkommens ist - genauso
wenig wie der Text des Abkommens mit Israel und
Frankreich - keiner Fraktion zugegangen.
Herr Kollege Barth.
Frau Ministerin, ich muss doch noch einmal nachhaken. Sie haben jetzt über die Hightech-Strategie berichtet. Diese haben wir im Ausschuss beraten; das ist richtig. Es gibt zwei weitere Abkommen - auch das ist
richtig -; zu denen hat es aber, zumindest soweit ich
mich erinnere, keine Regierungsbefragung bzw. Fragestunde gegeben.
({0})
Es war schon in der Schule so, dass wir, wenn wir zu einem Thema Fragen stellen wollten, dazu vorher Informationen bekommen mussten. Sonst kann man nämlich
keine vernünftigen Fragen stellen.
({1})
Ich frage jetzt noch einmal nach: Warum hat die Bundesregierung diese Befragung auf die Tagesordnung gesetzt, ohne denjenigen, die Fragen stellen, vorher Unterlagen zur Verfügung zu stellen, auf deren Basis man hier
sachgerecht Fragen stellen kann? Auch die Tatsache,
dass der Kollege Röspel nach einem grundlegenden Inhalt des Abkommens fragen muss, zeigt mir, dass selbst
die Koalition - noch sind Sie ja in der Koalition, Herr
Röspel; in der Opposition sind wir ({2})
offenbar nicht informiert worden ist. Warum also macht
die Bundesregierung ein Thema zum Gegenstand einer
Regierungsbefragung, ohne den Fraktionen dazu vorher
Unterlagen zur Vorbereitung zur Verfügung zu stellen?
({3})
Vermutlich weil dieses Abkommen genau in dem
Kontext steht, über den ausführlich beraten worden ist,
({0})
und weil es keine darüber hinausgehende Vereinbarung
gibt, von der man sagen müsste, sie entspricht nicht dem,
was im Parlament und in den Fachausschüssen behandelt
worden ist.
Frau Kollegin Sager, bitte.
Frau Ministerin, Sie haben selber darauf hingewiesen,
dass der Bereich Sicherheitstechnik und Sicherheitselektronik ein großer, florierender Markt ist, in dem Unternehmen auch in die Entwicklung erfolgreich investieren.
Wie wollen Sie dafür Sorge tragen, dass in diesem Bereich staatliche Forschungsgelder nicht für reine Mitnahmeeffekte verschleudert werden?
({0})
Frau Präsidentin, darf ich noch eine zweite Frage stellen?
Ich würde sagen, Sie lassen die Frau Ministerin auf
diese Frage antworten. Es gibt nämlich noch weitere
Wortmeldungen, und wir haben nur noch vier Minuten.
Wir fördern Projekte der Verbundforschung. Das bedeutet Investitionen sowohl der öffentlichen Hand als
auch der Unternehmen. Nicht wir fördern Forschung in
Unternehmen, sondern Unternehmen bringen sich mit
ihren Investitionen in Forschung in solche Verbünde ein.
Deshalb glaube ich, dass das Konstrukt der Verbundforschung geeignet ist, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzubringen. Dieselbe Frage würde sich in jedem InBundesministerin Dr. Annette Schavan
novationsfeld stellen. Wir sehen es als Grundprinzip der
Hightech-Strategie, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzubringen, aber nicht, indem alleine die öffentliche
Hand Wissenschaft und Wirtschaft fördert. Vielmehr soll
das, was die öffentliche Hand etwa in die Innovationsallianzen investiert, zu einem Mehrfachen an Investitionen in den Unternehmen führen.
Frau Kollegin Pieper, bitte.
Frau Ministerin, ich habe gerade von meinem Kollegen Tauss zumindest eine Kurzinformation zu dem Abkommen bekommen. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass Sie mich informiert haben.
({0})
Ich habe aber in dieser Kurzinformation nichts darüber
gefunden, ob es sich bei diesem sogenannten bilateralen
Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und
Deutschland um ein Abkommen handelt, das auch europäische FuE-Vereinbarungen einbezieht, zum Beispiel
das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm. Ferner ist für
mich wichtig zu wissen, welche Laufzeit das Abkommen hat und welche Finanzmittel von beiden Seiten dafür vorgesehen sind.
Erstens ist es ein bilaterales Abkommen. Zum 7. EUForschungsrahmenprogramm möchte ich sagen: Dort
spielt erstmals auch die Sicherheitsforschung eine Rolle.
Zweitens wird von Investitionen in Höhe von rund
30 Millionen Euro auf beiden Seiten ausgegangen.
Herr Kollege Müller, bitte.
Frau Ministerin, der ungestillte Wissensdrang und -durst
insbesondere der Kollegen der FDP zeigt, dass dieses
Thema zu Recht ausgewählt worden ist.
({0})
Frau Ministerin, können Sie uns und insbesondere
den Kollegen der FDP eine Vorstellung davon geben, wo
wir die deutsche Sicherheitsforschung im internationalen
Wettbewerb zu verorten haben? Sie haben eben zu Recht
darauf hingewiesen, dass wir der Sicherheitsforschung
auch im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm eine Plattform gegeben haben. Das war durchaus nicht immer unumstritten. Welche Erfolge haben wir insofern erzielt?
Wo steht die deutsche Sicherheitsforschung im internationalen Vergleich?
Die Ergebnisse der ersten Ausschreibung zeigen, dass
deutsche Akteure neben Frankreich an der Spitze stehen,
auch was die Nutzung der Möglichkeiten der Projektförderung im 7. Forschungsrahmenprogramm betrifft.
Deutschland liegt auf Platz zwei. Im Mittel des
6. Rahmenprogramms laufen 80 Prozent aller EU-Projekte mit deutscher Beteiligung. 20 Prozent aller EUFördermittel sind nach Deutschland geflossen. Die gleiche Entwicklung ist im 7. Forschungsrahmenprogramm
zu verzeichnen. Zudem haben wir jetzt erstmals im Rahmen der Hightech-Strategie auch ein nationales Programm, das weitere Synergieeffekte ermöglicht.
Was das in wirtschaftspolitischer Hinsicht oder für
den Innovationsstandort bedeutet, lässt sich daran sehen,
dass bereits heute in Deutschland 80 Prozent der sicherheitsrelevanten Infrastrukturen in privatwirtschaftlicher
Hand sind. Der Markt für Sicherheitslösungen wächst
um 7 bis 8 Prozent im Jahr. Das heißt, es handelt sich in
hohem Maße um einen innovationsrelevanten Faktor
bzw. eine bedeutsame Branche.
Herr Kollege Tauss.
Der Kollege Müller hat bereits eine ähnliche Frage
gestellt; insofern kann ich auf meine verzichten.
Ich bedanke mich sehr. - Dann hat die Kollegin Sager
das Wort.
Frau Ministerin, im Bereich der zivilen Sicherheit
gibt es einen wachsenden Bedarf an gut ausgebildetem
Personal. Hier haben sich zum Teil völlig neue Studiengänge und Qualifizierungswege entwickelt. Gibt es
Überlegungen, die Kooperation mit den USA auf die
Ausbildung und Qualifizierung von Personal für den zivilen Sicherheitsbereich auszuweiten?
Das jetzige Abkommen stellt eine völkerrechtliche
Grundlage für weitergehende Kooperationsmöglichkeiten dar. Bislang ist die Ausbildungsfrage nicht einbezogen.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für die freundliche Beantwortung aller Fragen.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung? - Frau Kollegin Pau.
Danke. - Vor dem Hintergrund mehrerer Agenturmeldungen, wonach der Bundesinnenminister und die Bundesministerin der Justiz der Auffassung sind, dass es
noch in dieser Legislaturperiode dringenden Handlungsbedarf im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes gibt,
frage ich die Bundesregierung: Hat sich das Kabinett mit
den aktuellen Vorgängen bei der Deutschen Bahn befasst, und hat die Bundesregierung vor, noch in dieser
Legislaturperiode dem Parlament entsprechende gesetzliche Regelungen zuzuleiten? Ich frage das vor dem
Hintergrund, dass noch im Herbst aus dem Arbeitsministerium beschieden wurde, dass es keinerlei Handlungsbedarf mehr in dieser Legislaturperiode gibt.
Herr Staatsminister Gröhe, bitte schön.
Frau Kollegin Pau, die von Ihnen angesprochenen
Themen waren nicht Gegenstand der Beratungen der
heutigen Kabinettssitzung. Wohl haben Sie den Agenturmeldungen auch entnehmen können, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und andere zuständige
Fachminister mit Vertretern der Gewerkschaften, des
Datenschutzes und der Arbeitgeber zu einem Gespräch
in allernächster Zeit zusammenkommen werden. Danach
wird gegebenenfalls über weiteren Handlungsbedarf regierungsintern beraten werden.
Herr Kollege Koppelin.
Ich habe eine Frage zur heutigen Kabinettssitzung.
Nachdem sich in den letzten Tagen verschiedene Minister zum Zustand der Koalition und zu Ihren Kollegen geäußert haben - ich denke an Herrn Gabriel oder den
Vizekanzler, der sich sehr negativ über die Kanzlerin geäußert hat; ich könnte noch andere anführen; das will ich
aber aufgrund der Zeit nicht -, darf ich fragen, ob die
Kanzlerin in der heutigen Kabinettssitzung etwas zur
Zusammenarbeit in der Koalition bis zur Bundestagswahl gesagt hat. Hat sie vielleicht das Kabinett sogar ermahnt? Hat sie einzelne Minister angesprochen, oder ist
man einfach zur Tagesordnung übergegangen?
({0})
Die Beratungen am heutigen Tag im Kabinett waren
von einem guten Miteinander aller Kabinettsmitglieder
aus beiden Koalitionsfraktionen geprägt.
({0})
Insofern gab es in dieser Sitzung überhaupt keinen Anlass zur Ermahnung.
Ich beende die Fragerunde zu den Themen der heutigen Kabinettssitzung.
Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich
die Regierungsbefragung.
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatsminister, sehr
herzlich für die Beantwortung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 16/11844 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Frage 1 der Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen beantwortet
der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Weisung des amtierenden NATO-Oberbefehlshabers Bantz John Craddock an
die Kommandeure der NATO-Schutztruppe ISAF in Afghanistan, dort mutmaßliche Drogenhändler ohne weitere Geheimdienstaufklärung und Beweiserhebung über etwaige Terrorverbindungen zu töten sowie deren Einrichtungen zu
zerstören ({0}), und haben sich
Bundeswehreinheiten an solchen Capture-or-Kill-Operationen
bereits beteiligt bzw. werden dies tun?
Bitte schön, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ströbele,
eine Weisung mit dem von Ihnen zitierten Inhalt an die
Kommandeure der NATO-Truppe ISAF in Afghanistan
hat es nach Kenntnis der Bundesregierung nicht gegeben. Sie beziehen sich mit Ihrer Frage möglicherweise
auf Presseberichte, die einen internen Briefwechsel des
SACEUR mit dem unmittelbar nachgeordneten Befehlshaber in Brunssum zum Inhalt hatten. Die Bundesregierung nimmt zu derartigen internen Vorgängen innerhalb
der NATO keine Stellung. Ich kann Ihnen versichern,
dass die Bundeswehr das, was sie in Afghanistan tut, im
Einklang mit dem vom Bundestag beschlossenen Mandat tut, auch im Bereich der Drogenbekämpfung.
Ihre Nachfrage.
Herr Staatssekretär, wie steht denn die Bundesregierung
grundsätzlich zu dem auch in Afghanistan angewandten
Kampfmittel der extralegalen Tötung, also der Methode,
dass von Drohnen oder auch von Flugzeugen aus Personen, die vorher elektronisch oder in welcher Weise auch
immer identifiziert worden sind, durch gezielte Raketenschüsse getötet werden, und dazu, dass bei diesen Aktionen immer wieder zahlreiche Zivilpersonen getötet werden? Wie steht die Bundesregierung zu der Anwendung
dieser Methode, nicht nur gegen mögliche Drogenhändler,
sondern auch in der sonstigen Kriegsführung?
Herr Kollege Ströbele, innerhalb der NATO gibt es
ganz genau definierte Verfahren, die festlegen, ob auf
Einrichtungen oder Personen mit militärischen Mitteln
gewirkt werden soll und darf. Die Bandbreite dieser
Wirkmittel reicht vom Beobachten über das Aufklären
bis hin zum Einsatz von sogenannten kinetischen Wirkmitteln. Lassen Sie mich eines deutlich sagen: Das vom
Bundestag erteilte Mandat umfasst nicht das Recht, Zielpersonen unter Anwendung tödlicher militärischer Gewalt wegen einer lediglich vermuteten Gefahr für ISAF
gezielt zu liquidieren, wie es manchmal in Presseberichten heißt. Der Einsatz der militärischen Gewalt muss in
jedem Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit sowie der völkerrechtlichen Grundprinzipien erfolgen.
Sie haben noch eine Frage.
Ist der Bundesregierung bekannt, dass solche extralegalen gezielten Tötungen von den Alliierten praktiziert
werden, und was unternimmt die Bundesregierung, damit eine solche Art von Kampfführung in Afghanistan
nicht stattfindet, und zwar auch deshalb, weil das zu einer erheblichen zusätzlichen Ablehnung der ausländischen Truppen in Afghanistan durch die dortige Zivilbevölkerung führt?
Sie haben recht, Herr Ströbele. Der übermäßige Einsatz von Gewalt führt zu einem Sinken der Zustimmung
der afghanischen Bevölkerung zu dem ISAF-Einsatz.
Deswegen tun die Bundesregierung, aber auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten, die an diesem Einsatz
beteiligt sind, alles, um einen übermäßigen Einsatz militärischer Gewalt zu verhindern. Die Intervention von
General Ramms in diesem Zusammenhang ist sicher ein
deutliches Indiz dafür.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die
Fragen 3 und 4 des Kollegen Dr. Ilja Seifert werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Brigitte Pothmer auf:
Wird die Bundesregierung eine Befragung aller ehemaligen und jetzigen Beschäftigten der Asse durchführen und erheben, inwieweit ungeschützt und/oder ohne Dosimeter in Arbeitsbereichen und/oder mit Materialien gearbeitet wurde,
von denen eine Strahlenbelastung ausging, um so aktiv an der
Aufklärung der Umstände, die zu einer Leukämieerkrankung
eines ehemaligen Asse-Mitarbeiters geführt haben und in deren Zusammenhang die Staatsanwaltschaft Braunschweig
jetzt erneut Vorermittlungen gegen den früheren Betreiber der
Asse eingeleitet hat, beizutragen?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Frau Kollegin Pothmer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die
Bundesregierung wird selbstverständlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Aufklärung der Umstände, die zu
der Leukämieerkrankung eines ehemaligen Mitarbeiters
auf der Asse geführt haben, beitragen. Das Bundesamt
für Strahlenschutz, wie Sie wissen seit dem 1. Januar
2009 zuständig für den Betrieb der Schachtanlage Asse,
wird nach Prüfung der diesbezüglichen Akten über weitere Maßnahmen entscheiden. Die entsprechenden Akten sind durch das BfS von dem ehemaligen Betreiber
angefordert, aber bislang noch nicht zugestellt worden.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie sich vorstellen, das
Bundesamt für Strahlenschutz aufzufordern, durch Befragung von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob noch weitere
ehemalige Beschäftigte an Krebs oder an Leukämie erkrankt sind?
Frau Kollegin Pothmer, zurzeit finden umfangreiche
Untersuchungen des neuen Betreibers BfS auf der Asse
statt. Dabei geht es sowohl um die Aktenlage als auch
um die Befragung von Mitarbeitern. Sollten in diesem
Zusammenhang Hinweise auftauchen, wird das BfS dem
natürlich nachgehen. Der betroffene Mitarbeiter - seine
Geschichte geht zurzeit durch die Medien - ist der Auffassung, dass er aufgrund seiner Tätigkeit auf der Asse
erkrankt ist. Das BfS wird dazu eine gutachterliche Stellungnahme veranlassen. Über eine Arbeitsanamnese soll
untersucht werden, ob es einen ursächlichen Zusammenhang geben könnte. Damit will man zur Aufklärung beitragen. Dafür sind aber entsprechende Akten notwendig.
Sie sollen nach Auskunft des bisherigen Betreibers, des
Helmholtz-Zentrums, kurzfristig mit einer Spedition auf
der Asse angeliefert werden.
Frau Pothmer, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Derzeit ist es so, dass auch durch die Befragung von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Versuch unternommen wird, Klarheit darüber zu gewinnen, was in den
unterschiedlichen Kammern der Asse eigentlich eingelagert worden ist. Wir wissen, dass die Akten, die dort zur
Verfügung gestellt worden sind, nicht hinreichend all das
dokumentieren, was geschehen ist. Glauben Sie nicht,
dass angesichts der Löchrigkeit der Akten - davon wissen wir - eine Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unumgänglich ist, um genauere Erkenntnisse zu
gewinnen?
Frau Kollegin, die Aktenlage wird noch einmal dahin
gehend sorgfältig überprüft, ob die Informationen, mit
denen das niedersächsische Umweltministerium im letzten Herbst den Statusbericht erstellt hat, vollständig waren oder ob es möglicherweise weitere Informationen
gibt. Sie wissen, dass das BfS gerade gestern in einer
Pressemitteilung über neue Erkenntnisse informiert hat,
die durch diese Recherchearbeiten zutage getreten sind.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereiches. - Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin Klug, für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Die Fragen 6
und 7 der Kollegin Cornelia Hirsch werden schriftlich
beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Frage 8 des Kollegen Volker Beck und die
Frage 9 des Abgeordneten Omid Nouripour werden
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen 10 und 11 der Kollegin
Silke Stokar von Neuforn werden ebenfalls schriftlich
beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Schummer
auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung, die Handlungsempfehlungen des Schlussberichts der Enquete-Kommission
„Kultur in Deutschland“ ({0}) zu
den Verwertungsgesellschaften im Sinne der kulturtreibenden
Vereine umzusetzen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr
Kollege Schummer, die Enquete-Kommission „Kultur in
Deutschland“ hat in ihrem Schlussbericht insgesamt
14 Empfehlungen abgegeben. Davon richten sich sieben
Empfehlungen an den Bundestag, zwei Empfehlungen
richten sich an die Verwertungsgesellschaften, zwei weitere Empfehlungen richten sich direkt an die GEMA,
und drei Empfehlungen richten sich an die Bundesregierung.
Die Bundesregierung wird die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
zur kollektiven Rechtewahrnehmung in einem strukturierten Dialog mit den Verwertungsgesellschaften aufgreifen. Ziel des hierzu eingerichteten „Runden Tisches
des Bundesministeriums der Justiz mit den Verwertungsgesellschaften“ - das ist der Titel - ist es, sich so weit als
möglich über die erforderlichen Neuerungen im System
der kollektiven Rechtewahrnehmung zu verständigen.
Die Auftaktveranstaltung hat am 9. Februar, also vorgestern, unter Beteiligung der Bundesministerin der
Justiz stattgefunden. Neben den Vorständen und Geschäftsführern der Verwertungsgesellschaften und der
Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes haben daran auch Mitglieder des Deutschen Bundestages,
insbesondere Mitglieder der Enquete-Kommission, teilgenommen.
Dieser Auftaktveranstaltung werden vier Arbeitsgruppensitzungen folgen, in denen die einzelnen Handlungsempfehlungen sowie darüber hinausgehende Themen mit Bezug zu den Verwertungsgesellschaften
diskutiert werden. Vermutlich werden die Arbeitsgruppensitzungen dazu führen, dass sich in einigen Punkten
Änderungen in der Praxis der Verwertungsgesellschaften
als erforderlich, aber auch als ausreichend erweisen. Soweit darüber hinaus gesetzliche Korrekturen nötig wären, würden diese im Rahmen eines sogenannten dritten
Korbes zur Urheberrechtsnovelle - in Klammern: so er
denn erforderlich wird - in Angriff genommen.
Ihre Frage, sehr geehrter Herr Kollege Schummer,
zielt vermutlich auf die an die GEMA adressierten
Handlungsempfehlungen Nr. 9 und Nr. 10. In der Empfehlung Nr. 9 empfiehlt die Enquete-Kommission der
GEMA, bei ihren Abrechungsmodellen die besondere
Situation der gemeinnützigen Strukturen, also unserer
musiktreibenden Vereine, vor allem auf dem Lande, stärker zu berücksichtigen. In der Empfehlung Nr. 10 empfiehlt die Enquete-Kommission der GEMA, in ihrer
Satzung festzulegen, wann und unter welchen Umständen Gesamtverträge abgeschlossen werden können.
Beide Empfehlungen wurden am runden Tisch mit
sämtlichen Verwertungsgesellschaften diskutiert, auch
um die Sensibilität aller Verwertungsgesellschaften für
ehrenamtliches kulturelles Engagement zu erhöhen.
Ich möchte jedoch nochmals darauf hinweisen, dass
sich diese Empfehlungen ausdrücklich an die GEMA
richten, sodass wenig Raum für ein Tätigwerden der
Bundesregierung ist.
Auch die Handlungsempfehlung Nr. 8, die sich an den
Deutschen Bundestag richtet und eine Revision des
Wortlauts von § 52 Urheberrechtsgesetz zum Ziel hat, ist
am runden Tisch erörtert worden. Dabei soll die Praxis
der Anwendung des Begriffs „abgegrenzter Personenkreis“ durch die Verwertungsgesellschaften eruiert und
diskutiert werden. Diese Empfehlung wird außerdem
Gegenstand der schriftlichen Konsultationen mit den beteiligten Kreisen zu einem möglichen dritten Korb zum
Urheberrecht sein. Das heißt, wir schreiben sie an und
stellen Fragen, zum Beispiel ob da noch etwas zu machen ist.
Das Bundesministerium der Justiz steht zu diesen
Themen auch in engem Kontakt mit dem Beauftragten
der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Ist denn vonseiten der Bundesregierung vorgesehen,
dass im Rahmen des strukturierten Dialogs mit den Verwertungsgesellschaften und des runden Tisches auch die
andere Seite, die ehrenamtlich tätigen kulturtreibenden
Vereine, eingeladen werden, um einen wirklichen Austausch beider Seiten unter politischer Regie zu organisieren?
Herr Schummer, diese Frage kann ich weder mit Ja
noch mit Nein beantworten. Der runde Tisch hat die Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, deren Sitzungen jetzt
folgen werden. Dort werden alle bekannten Fragen behandelt. Ich bin wie Sie Wahlkreisabgeordneter und
weiß, worum es hauptsächlich geht, nämlich um Abrechnungen der GEMA, die unsere musiktreibenden Vereine
manchmal sehr drücken. Dies wird mit Sicherheit dort
zur Sprache kommen. Ich kann Ihnen im Moment allerdings nicht sagen, dass man die Vereine mit dazulädt; ich
glaube, das wird eher nicht der Fall sein. Das betrifft die
unmittelbar Betroffenen, nicht die Nutzer.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Können wir denn gemeinsam unsere kulturtreibenden
Vereine, die ja ehrenamtlich tätig sind, ermutigen, indem
wir sagen, dass eine stärkere Kontrolle über die
1,24 Milliarden Euro, die jährlich über die GEMA verteilt werden, stattfinden wird und dass die Politik noch in
dieser Legislaturperiode entsprechend handeln wird?
Ich weiß nicht, ob wir noch in dieser Legislaturperiode zu einer gesetzlichen Regelung kommen werden. Ich glaube, das wird eher nicht der Fall sein, Herr
Schummer. Wir sind ja mit der GEMA im Gespräch.
Nur, wir müssen die Eigenständigkeit der GEMA achten, und können ihr nicht etwas oktroyieren, was wir
vielleicht gern hätten. Hier ist politische Arbeit gefragt,
die der Deutsche Bundestag leisten kann, nämlich gegenüber den Verwertungsgesellschaften, vor allem gegenüber der GEMA, deutlich zu machen, was man erwartet.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Die Fragen 13 und 14
der Kollegin Cornelia Behm werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 15 und 16 des Kollegen
Alexander Ulrich. Die Frage 17 des Kollegen Bodo
Ramelow und die Frage 18 der Kollegin Brigitte
Pothmer werden ebenfalls schriftlich beantwortet,
ebenso die Fragen 19 und 20 der Kollegin Irmingard
Schewe-Gerigk.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Achim Großmann bereit.
Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Jan Mücke werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 23 des
Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung, aktive Eisenbahnverkehrsinfrastrukturpolitik zu betreiben, wenn sie über viele
Dinge im Bereich der DB Netz AG keine Informationen besitzt, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage „Umsetzung von Projekten des Neubaus, Ausbaus
und der Erhaltung der Bundesschienenwege in Bayern“ auf
Bundestagsdrucksache 16/11730 hervorgeht, und welchen
Einfluss hat der Bund auf die DB Netz AG?
Herr Staatssekretär, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege
Hofreiter, ich habe mir die Kleine Anfrage noch einmal
durchgelesen und gedacht, die Frage müsse ironisch gemeint sein. Aber Sie bekommen von mir natürlich eine
ernst gemeinte Antwort.
Es gilt der gesamte Kanon verkehrspolitischen Verhaltens, den Sie kennen: Er reicht von der Grundlage im
Grundgesetz über das Bundesschienenwegeausbaugesetz, die Haushaltsgesetzgebung und die Finanzierungsvereinbarung für Neubau und Bestand bis hin zu Sonderprogrammen wie den beiden Konjunkturprogrammen.
Näheres finden Sie in den jährlichen Schienenwegeausbauberichten.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Präsidentin, könnte der sehr geschätzte Herr
Staatssekretär auch die zweite Frage beantworten, weil
sie mit der ersten Frage in einem engen Sachzusammenhang steht? Anschließend würde ich die Zusatzfragen
bündeln, sofern sich welche ergeben.
Wenn Sie es wünschen, macht der Herr Staatssekretär
das ganz bestimmt. - Ich rufe daher auch Ihre Frage 24
auf:
Aus welchen Gründen liegen der Bundesregierung keine
Informationen beispielsweise zum Abbau von Überholgleisen, zu Weichen und Gleisanschlüssen vor, obwohl das Eisenbahn-Bundesamt in dem einen oder anderen Fall doch involviert sein dürfte, und warum kann die Bundesregierung keine
konkreten Angaben zur Höhe der Mittel für bestimmte Projekte aus dem Arbeitsplatzprogrammm Bauen und Verkehr,
APBV, machen?
Die Frau Präsidentin kennt mich sehr gut. - Bereits in
der Antwort zu den Fragen 14 bis 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/1810 wurde ausgeführt, dass dem Eisenbahn-Bundesamt keine Statistiken über Planfeststellungen oder Genehmigungen gemäß § 18 Allgemeines
Eisenbahngesetz vorliegen, die den Rückbau von Gleisinfrastruktur betreffen. Angesichts der für den Zeitraum
vom Jahr 2000 bis zur Beantwortung dieser Kleinen Anfrage im Juni 2006 genannten rund 3 000 Rückbaumaßnahmen, die in jeweils eigenständigen Verfahren genehmigt wurden, ist die Erhebung derartiger Statistiken, die
keinen praktischen Nutzen erwarten lassen, mit der auch
vom Deutschen Bundestag erhobenen Forderung nach
Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung nicht vereinbar. Im
Übrigen wird auf die Antworten 14 bis 18 der genannten
Kleinen Anfrage verwiesen.
Das „Arbeitsplatzprogramm Bau und Verkehr“ wurde
mit der Bahn so vereinbart, dass die Mittel konjunkturwirksam und effizient verbaut werden können. Dazu ist
eine flexible Strategie nötig. Wenn beispielsweise bei einem Projekt Mittel schneller abfließen können und bei
einem anderen Projekt nicht vorhersehbare Probleme zu
Verzögerungen führen, muss es möglich sein, auf solche
Prozesse zu reagieren.
Jetzt Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr
Staatssekretär, Sie räumen also ein, dass die Bundesregierung über keinerlei Informationen verfügt, wie sich
die Kapazität des Schienennetzes in Deutschland entwickelt, wofür wir die 100-prozentige Verantwortung sowohl nach Grundgesetz als auch nach den untergesetzlichen Regelungen haben? Räumen Sie hiermit ein, dass
es keinerlei Statistiken darüber gibt, wie sich Zahl und
Umfang der Ausweichgleise, der Weichen und der Anschlussgleise entwickeln, die überwiegend mit Steuergeldern gefördert wurden? Sie haben ja bereits in Ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage gesagt, dass Sie nichts
darüber wissen. Bestätigen Sie dies jetzt hier allen Ernstes mündlich?
In gar keiner Weise, Herr Dr. Hofreiter. Das habe ich
nicht gesagt, und das können Sie meiner Antwort auch
nicht entnehmen. Ich habe davon gesprochen - Sie erinnern sich -, dass es rund 3 000 Rückbaumaßnahmen in
dem von mir beschriebenen Zeitraum gab, die - ich lese
es noch einmal vor - „in jeweils eigenständigen Verfahren genehmigt wurden“. Das heißt, wir schauen uns bei
jeder Maßnahme an, was dort zurückgebaut werden
muss, und haben damit natürlich die Übersicht darüber,
wie sich das Netz verändert.
Sie kennen die Regelungen im Allgemeinen Eisenbahngesetz. Danach ist ein strenges Verfahren für den
Rückbau von Gleisen vorgesehen. Von daher kann ich in
keiner Weise ersehen, wieso es so sein sollte, dass wir
keine Kenntnis über unser Netz hätten. Wir prüfen doch
in jedem einzelnen Falle, ob diese Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht.
Das wird ja immer besser. Das heißt, Sie räumen jetzt
ein, dass Sie unsere Kleine Anfrage nicht beantwortet
haben - hier hatten Sie ja einfach Nein gesagt -, obwohl
Sie das, wie Sie jetzt gestehen, alles wissen. Das Parlament aber soll das nicht erfahren; wahrscheinlich deswegen nicht, weil es in vielen Regionen der Republik
Empörung gäbe, wenn man wüsste, wie stark das Eisenbahnnetz in den letzten Jahren beschädigt worden ist.
Verstehe ich das so richtig?
In gar keiner Weise. Herr Dr. Hofreiter, wir verstehen
uns immer sehr gut. Ich kenne auch Ihre Fragestellungen. Ich darf noch einmal meine Antwort vorlesen, damit wir auch dieses Missverständnis auf Ihrer Seite ausräumen können. Es verhält sich so, dass wir die
Maßnahmen kennen, aber keine Gesamtstatistik darüber
führen. Das habe ich wie folgt begründet:
… ist die Erhebung derartiger Statistiken, die keinen praktischen Nutzen erwarten lassen, mit der
auch vom Deutschen Bundestag erhobenen Forderung nach Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung
nicht vereinbar.
Das heißt, wir folgen den Grundsätzen des Deutschen
Bundestages. Wir schauen uns die Einzelmaßnahmen an;
da diesen aber nur eine recht geringe Bedeutung zukommt, führen wir darüber keine Statistiken. Dies wäre
nur mit sehr viel methodischem Aufwand möglich, verspricht aber keinen Nutzen.
Das wird ja immer besser. Das heißt, dass jetzt der
Herr Staatssekretär beurteilt, was für die Fraktionen des
Deutschen Bundestages von Nutzen ist und was nicht.
Sie wissen also über die 3 000 Maßnahmen Bescheid.
Ich glaube, zumindest unsere Fraktion würde auch sehr
gerne darüber Bescheid wissen. Könnten Sie uns diese
Informationen vielleicht zukommen lassen? Wir sind
nämlich der Meinung, dass sie von Nutzen sind.
Auch da unterliegen Sie einer Fehlinterpretation, Herr
Dr. Hofreiter. Es handelt sich um Verwaltungshandeln.
Sie dürfen jetzt nicht aus meiner Antwort folgern, dass
ich persönlich mich mit kleinsten Anträgen beschäftige.
Sie wissen ganz genau, dass beispielsweise vor der Einführung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
40 000 und mehr Anträge gestellt wurden, die die Förderung von Gleisbaumaßnahmen betrafen. Sie wollen doch
nicht allen Ernstes unterstellen, dass es für den Deutschen Bundestag von Nutzen wäre, jede Kleinstmaßnahme zu kennen. Ich finde, auch hier muss das Prinzip
der Verhältnismäßigkeit gelten.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Da wir von Ihnen zu diesem Sachverhalt keine Antworten bekommen, weder schriftlich noch mündlich,
möchte ich Sie fragen, ob Sie uns vielleicht zum zweiten
Themenkomplex wenigstens ansatzweise und ungefähr
mitteilen können - angesichts der Vielzahl der Maßnahmen gerne auch schriftlich -, welche Maßnahmen durch
das Konjunkturpaket gefördert werden. Ich weiß, dass
man hier flexibel die Gelder hin- und herschieben können muss usw. Aber vielleicht können Sie uns ungefähre
Angaben machen. Damit wäre uns schon sehr geholfen.
Sie haben ja die Liste der Projekte. Der Darstellung
der Projekte im Bundesverkehrswegeplan und im Bundesschienenwegeausbaugesetz können Sie entnehmen,
wie hoch die Gesamtkosten für die Projekte in etwa sind.
Wir haben diese Kosten nicht in das Konjunkturprogramm übernommen, weil - das habe ich Ihnen gerade
erläutert - ansonsten die 20, 30 oder 50 Millionen Euro,
die vielleicht für das Vorziehen von Maßnahmen bei bestehenden Bauvorhaben nötig sind, bei anderen Projekten, die erst noch begonnen werden, fehlen würden. Indem wir nun aber das Vorziehen von Maßnahmen durch
Übersteuerung von Projekten finanzieren, schaffen wir
den finanziellen Spielraum, um auch Projekte, die erst in
den nächsten Jahren begonnen werden, durchfinanzieren
zu können. Diese Übersteuerung ist der Grund dafür,
warum wir uns so schwertun, einzelne Zahlen zu nennen. Wir wissen nämlich im Moment nicht, in welchem
Maße wir die Bauarbeiten auf den Strecken A 1 und A 2
beschleunigen können, also ob wir es schaffen, 10, 20
oder gar 70 Millionen Euro mehr zu verbauen.
Ich werde mir die Mühe machen, Ihnen die Projekte
noch einmal zu beschreiben. Wenn Sie aber in Ihrer gewohnt charmanten Art versuchen sollten, den Nachweis
zu führen, dass wir das Geld an der einen oder anderen
Stelle nicht ausgegeben haben, werde ich auf meine sehr
umfangreichen Antworten, die ich heute gegeben habe,
verweisen.
Die Frage 25 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 26 der Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch.
Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie viele der 148 strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
gegen Beschäftigte der Deutschen Bahn AG, die von 2000 bis
2007 durchgeführt wurden ({0}),
wurden von Wolfgang Schaupensteiner in seiner damaligen
Funktion als Oberstaatsanwalt in Hessen geleitet, bevor er
dann Chief Compliance Officer bei der Deutschen Bahn AG
wurde?
Sehr geehrte Frau Kollegin Pau, für Fragen nach der
vorherigen Tätigkeit des Chief Compliance Officer der
Deutschen Bahn AG, Herrn Wolfgang Schaupensteiner,
als Oberstaatsanwalt in Hessen ist das Land Hessen als
ehemaliger Dienstherr von Herrn Schaupensteiner zuständig.
Ihre Zusatzfragen.
Danke, Herr Staatssekretär. - Ich komme zur aktuellen Tätigkeit des Herrn Schaupensteiner. Wie bewertet
die Bundesregierung die Tatsache, dass die Deutsche
Bahn AG zur Bekämpfung der Korruption eine zentrale
Compliance-Organisation institutionell eingesetzt, sie
mit Ermittlungsaufgaben betraut und ihr weitgehende
Befugnisse übertragen hat? Ist das nicht ein Akt von
Selbstjustiz innerhalb eines Unternehmens? Sind Sie
nicht mit mir der Auffassung, dass es bei einem Anfangsverdacht notwendig wäre, die entsprechenden
Strafverfolgungsbehörden mit diesen Dingen zu konfrontieren?
Die Deutsche Bahn AG ist ein aktienrechtlich geführtes Unternehmen. Die Führungsorgane dieses Unternehmens sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die
Hauptversammlung. Sie wissen, dass es in großen internationalen Konzernen - die DB AG ist ein international
agierender Konzern - sinnvoll ist, Compliance-Abteilungen aufzubauen. Ich darf Sie an das Beispiel Siemens
erinnern, wo es versäumt wurde, eine entsprechende
Struktur zu schaffen.
Ich würde hier unterscheiden zwischen der Einrichtung einer vernünftig arbeitenden Compliance-Organisation und dem, was diese Compliance-Organisation machen kann. Sie hat im Unternehmen keinerlei Rechte
hinsichtlich der Dienstaufsicht, sondern sie muss andere
Funktionen wahrnehmen. Wir klären dies zurzeit in einer
Anhörung mit Vertretern der Deutschen Bahn - ich habe
sie kurz verlassen, um hier Ihre Fragen zu beantworten -, in der natürlich auch Herr Schaupensteiner dazu
befragt wird.
Wir sind mitten in der Sachaufklärung. Es wird sich
herausstellen, ob strafrechtliche, datenschutzrechtliche
oder andere Tatbestände vorliegen. Daraus muss man
dann Konsequenzen ziehen. Ich habe das Gefühl, dass
wir auf einem ganz guten Wege sind, auch wenn das Parlament, der Verkehrsausschuss, die Regierung und unser
Ministerium der Auffassung sind, dass die Aufklärung
zügiger und transparenter hätte vonstatten gehen können.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Aufgrund der Sachaufklärung im Ausschuss und aus
öffentlichen Äußerungen ist uns bekannt geworden, dass
Herr Schaupensteiner der Ansicht ist, dass die Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz zu unbestimmt sind.
Daraus leitet er seine Legitimation für die Überwachung
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab. Teilt die
Bundesregierung seine Ansicht, und teilt sie meine Ansicht, dass wir dringend ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz brauchen, welches den Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts entspricht?
Man kann das, was bei der Deutschen Bahn AG gelaufen ist, erst bewerten, wenn das Schlussprotokoll und
die Feststellungen des Berliner Datenschutzbeauftragten
wie auch des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung vorliegen; denn es geht bei dem Daten-Screening
auch um Beamte, und nach dem Beamtengesetz gelten
andere datenschutzrechtliche Bestimmungen. Warten
wir also ab, was dabei herauskommt.
Eine Schlussfolgerung könnte sein, dass wir präzisieren müssen, was im Korruptionsbekämpfungsgesetz und
in den verschiedenen Datenschutzgesetzen angelegt ist.
Darüber wird sicherlich zu sprechen sein. Unabhängig
davon spricht einiges dafür - ich nehme ausdrücklich
keine Schlussbewertung vor -, dass Vorfälle im Unternehmen stattgefunden haben, die schon nach der bestehenden datenschutzrechtlichen Gesetzeslage so nicht
hätten passieren dürfen.
Herr Kollege Schneider, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sagten eben, dass Sie jetzt bei
der Aufklärungsarbeit sind. Dass Sie das so betont haben, hat mich insoweit etwas überrascht, als die ersten
Informationen zu diesen Vorgängen auf den Sommer des
letzten Jahres zurückdatieren. Darf ich Ihre Anmerkung
so verstehen, dass Sie in der Zwischenzeit nichts in Bezug auf die Aufklärung getan haben? Oder können Sie
mir darlegen, was seit August letzten Jahres passiert ist?
Wir befinden uns natürlich schon länger in der Aufklärung; da haben Sie recht. Ich bezog meine Antwort
zunächst auf die Frage von Frau Pau. Man kann ein Fazit
erst dann ziehen, wenn man vorher Sachaufklärung betrieben hat. Das ist, glaube ich, deutlich geworden.
Sowohl die DB AG als auch das Parlament haben sich
im Mai/Juni letzten Jahres mit ersten Vorfällen befasst.
Da geisterte eine Datenschutzaffäre bei der Deutschen
Telekom durch die Medien. Sie kennen die Abfolge dessen, was dort in Rede steht. Es gab dann auf einer von
der Bahn eingerichteten Internetseite den Hinweis, dass
die Firma Network auch mit der Deutschen Bahn AG zusammengearbeitet hat. Das war Anlass für das Ministerium, den Prüfungsausschuss um Informationen zu bitten. Das heißt, wir - auch der Deutsche Bundestag haben in den Gremien des Konzerns darüber gesprochen. In der Folge sind ständig Fragen gestellt worden,
und der Stand der Aufklärung durch den Konzern ist uns
jeweils übermittelt worden. Das können Sie im Zwischenbericht nachlesen, der den Fraktionen gestern ausgehändigt worden ist.
Das Fazit dieser Berichterstattungen aus den Konzernen war jeweils, dass man mit der Aufarbeitung noch
nicht fertig sei. Das heißt, es lagen immer nur Zwischenberichte vor. Es gab dann in der Prüfungsausschusssitzung im Dezember den Hinweis, dass man seitens der
Bahn fertig sei, man uns aber den Schlussbericht noch
nicht geben könne, weil der Berliner Datenschutzbeauftragte noch Fragen habe. Das habe ich dem Vorsitzenden
des Verkehrsausschusses am 9. Januar, bevor irgendetwas in der Presse stand, mitgeteilt. Von daher sind wir
mitten in der Aufklärung.
Im Hinblick darauf, dass ich gesagt habe, wir seien
jetzt in der Aufklärung, sollten Sie wissen, dass die Bahn
selber - das hat sie eben auch im Ausschuss klargemacht in der Zwischenzeit feststellen musste, dass sie, was die
Strukturen in ihrem Hause angeht, zu gutgläubig war
und dass jetzt etwas an das Tageslicht kommt, was vorher in vielen Befragungen und bei der Überprüfung der
Akten nicht sichtbar wurde.
Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie heißt die britische Muttergesellschaft der Network
Deutschland GmbH, die laut Bericht des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Dr. Alexander
Dix, für die internationale Ausrichtung der Network Deutschland GmbH sorgte, mit der dann wiederum die Beauftragung
der Network Deutschland GmbH begründet wurde, und in
welcher Beziehung steht sie zu der Argen GmbH in Köln?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Abgeordnete Pau, die Frage betrifft Sachverhalte, die in die unternehmerische Zuständigkeit der
Deutschen Bahn AG fallen und nur von dieser beantwortet werden können. Der Bundesregierung liegen dazu
keine Informationen vor.
({0})
Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe den Zwischenbericht, der
uns gestern zugeleitet wurde, gelesen und dort erfahren,
dass es nur bei der allerersten Beauftragung der Network
Deutschland GmbH einen schriftlichen Auftrag gegeben
hat. Ich wüsste gern: In welcher Form wurden die bisher
bekannten 43 Projekte allein mit Network Deutschland
eigentlich in Auftrag gegeben? Irgendjemand muss diePetra Pau
sen Auftrag doch mündlich oder schriftlich formuliert,
die zumindest an manchen Stellen eingegangenen Ergebnisberichte entgegengenommen und eine entsprechende
Bezahlung veranlasst haben. In welcher Art und Weise
ist das abgewickelt worden?
Diese Frage hätten Sie eben im Ausschuss an die
Deutsche Bahn AG stellen müssen. Wir haben darauf bis
jetzt noch keine schlüssige Antwort bekommen. Folgende Fragen wollen wir dringend aufgeklärt haben:
Wer genau ist involviert gewesen? Wer genau hat Aufträge vergeben? Wer genau hat von den Resultaten dieser Aufträge erfahren? Wann hat man davon erfahren? Diesen Fragen wird derzeit nachgegangen.
Sie können eine weitere Zusatzfrage stellen.
Ich habe diese Frage natürlich an den Eigentümer der
Deutschen Bahn gestellt. Insofern betrifft diese Frage
nicht nur den Konzern. Auch wir haben da Verantwortung.
Ich wüsste gern - falls Sie das nach den Aufklärungsbemühungen inzwischen schon wissen -: Welche Firmen haben insgesamt für die Deutsche Bahn seit 1998
bei der Ermittlung von Korruptionsverdachtsfällen und
anderen Straftaten ermittelt? Waren diese Firmen auch
international vernetzt, und kennen Sie eventuell die internationalen Partner, um die es hier geht?
Frau Pau, diese Frage können Sie mir nicht ernsthaft
stellen wollen. Sie haben den Zwischenbericht gelesen.
Es ist die Aufgabe des Vorstandes des Konzerns, uns
darüber zu informieren, was im Konzern passiert ist.
Jetzt sagt der Vorstand, dass er von vielem nicht gewusst
hat. Wir fragen nach. Die Beantwortung ist Aufgabe der
Organe der Aktiengesellschaft; ich habe sie eben genannt. Es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass diese
Aufklärung im Konzern geleistet wird.
Ich selbst habe die Sondersitzung des Prüfungsausschusses veranlasst, die am 30. Januar stattgefunden hat.
Wir sind als Eigentümer tätig geworden. Es sollte eine
zweite Sondersitzung des Prüfungsausschusses stattfinden; sie fällt aber terminlich mit einer Aufsichtsratssitzung zusammen. Wir werden uns in dieser Aufsichtsratssitzung über den Stand der Aufklärung informieren
lassen, auch über den Bericht. Darüber ist in der Presse
schon einiges veröffentlicht worden. Wir werden mit Sicherheit externe Fachleute beauftragen, die Lampe ganz
tief in den Konzern zu halten und uns die Fragen zu beantworten, die vom Vorstand nicht beantwortet werden
können.
Herr Kollege Schneider, bitte.
Ich befürchte, dass meine Frage ähnlich beantwortet
wird wie die vorhergehenden. Ich stelle sie trotzdem;
vielleicht ist das für Sie eine Hilfe bei der Formulierung
der Fragen, die Sie dem Konzern noch stellen werden.
Ich möchte wissen, ob es den üblichen Gepflogenheiten in Konzernen entspricht, dass Aufträge, wie sie im
Fall der DB AG vergeben wurden, weder mit Zielvorgaben schriftlich fixiert noch durch ein kaufmännisches
Bestätigungsschreiben in irgendeiner Form legitimiert
bzw. dokumentiert werden. Welche Kenntnis hat die
Bundesregierung darüber, wie die Bezahlung der Firmen
erfolgte? Wenigstens das müsste sich doch nachvollziehen lassen. Gab es Erfolgsprämien für die Ermittlung
und Überführung mutmaßlicher Straftäter?
Ich verstehe Ihr Interesse, aber Sie verwischen die
Verantwortlichkeiten. Es ist nicht an der Bundesregierung, das zu wissen. Die Frage ist, was der Konzern tut.
Er wird von den Organen beaufsichtigt, die ich eben genannt habe. Wir betreiben zurzeit mit diesen Organen die
komplette Sachaufklärung. Sie können sicher sein, dass
wir auch diese Frage, die uns umtreibt - ich kann überhaupt nicht verstehen, wie man ohne schriftliche Grundlage Aufträge vergeben kann -, beantworten werden.
Wir werden feststellen, warum das passiert ist.
Es gibt den Code of Conduct. Wir werden die Unternehmensrichtlinien in den nächsten Monaten mit Sicherheit so ausgestalten, dass sichergestellt ist, dass so etwas
nicht wieder passieren kann.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Nicolette
Kressl zur Verfügung.
Die Frage 29 des Kollegen Koppelin wird schriftlich
beantwortet, ebenso die Frage 30 der Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch. Die Frage 31 des Kollegen HansChristian Ströbele wird schriftlich beantwortet, ebenso
die Frage 32 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. Die
Frage 33 des Kollegen Omid Nouripour wird ebenfalls
schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt die Frage 34 der Kollegin Britta
Haßelmann auf:
Was bleibt den Kommunen per Saldo von den im zweiten
Konjunkturpaket vorgesehenen Investitionshilfen, wenn man
die steuerlichen Mindereinnahmen der Kommunen aufgrund
des ersten Konjunkturpaketes - Maßnahmepaket Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung - und des zweiten
Konjunkturpaketes - Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung
und Stabilität in Deutschland - einschließlich der indirekten
Minderung der Einnahmen über den Steuerverbund zum Abzug bringt?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin
Haßelmann, eine Aufrechnung der Investitionshilfen für
die Kommunen mit Steuermindereinnahmen aus den
beiden Konjunkturpaketen der Regierung ist unserer
Überzeugung nach in der Sache nicht gerechtfertigt.
Mit den Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung durch
Wachstumsstärkung im Konjunkturpaket I stabilisiert die
Bundesregierung die Investitionsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft und damit auch die kommunale Steuerbasis.
Mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz als einem zentralen
Bestandteil des zweiten Konjunkturpakets - ich nenne es
auch das Herzstück des Konjunkturpakets -, dem Konjunkturpaket zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland, wird vor allem die örtliche Wirtschaft als Auftragnehmer für nachhaltige Investitionen in
die kommunale Infrastruktur gefördert, was wiederum
eine verbesserte Einnahmesituation der Kommunen zur
Folge hat. Darüber hinaus begünstigen die Verbesserungen im Einkommensteuertarif das verfügbare Einkommen
und stärken die private Nachfrage. Eine Stabilisierung der
wirtschaftlichen Entwicklung als Folge der Maßnahmen
im Rahmen unserer Konjunkturpakete kommt den Kommunen zukünftig beim örtlichen Steueraufkommen zugute, was im Moment natürlich noch nicht in Euro und
Cent zu berechnen ist.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin
Kressl, Frau Staatssekretärin, wie Sie sicherlich nachvollziehen können, kann ich Ihre Antwort nicht nachvollziehen. Sie haben uns als Vertreterin der Bundesregierung selbst Auskunft darüber gegeben, wie hoch die
Steuermindereinnahmen bei den Kommunen sein werden, mit denen aufgrund der Konjunkturpakete I und II
zu rechnen ist. Ich frage Sie daher an dieser Stelle noch
einmal.
Die Bundesregierung hat uns gegenüber erklärt, dass
infolge des Konjunkturpakets I mit jährlichen Steuerbelastungen in Höhe von 1,075 Milliarden Euro zu rechnen
ist und infolge des Konjunkturpakets II mit jährlichen
Steuerbelastungen in Höhe von 1,073 Milliarden Euro,
ohne die Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge und die indirekte Wirkung über den Steuerverbund
einzubeziehen.
Ich gehe davon aus, dass es Ihnen möglich sein
müsste, die beiden Faktoren, die ich zuletzt genannt
habe, hinzuzuaddieren und mir als Parlamentarierin die
Gesamtsumme der Steuerausfälle, die durch Steuersenkungen und die erhöhte steuerliche Absetzbarkeit von
Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung entstehen, zu nennen.
Liebe Kollegin Haßelmann, Ihre Frage war eine andere. Sie haben gefragt: Was bleibt den Kommunen übrig? Sie haben nicht nach den Steuermindereinnahmen
gefragt. Die Antwort auf die Frage, was den Kommunen
übrig bleibt, bedarf für mich einer makroökonomischen
Betrachtung; hier besteht ein Bezug zur nächsten Frage.
Die Höhe der Steuermindereinnahmen ist kein Geheimnis, da wir - so ist es von der Geschäftsordnung vorgeschrieben - zu jedem Gesetzentwurf, der heutzutage beschlossen wird, ein Finanztableau vorlegen. Die Frage,
was den Kommunen übrig bleibt, beinhaltet die Unterstellung, dass mit den Maßnahmen keine positiven wirtschaftlichen Effekte verbunden sind. Deswegen lege ich
Wert darauf, meine Antwort auf Ihre Frage 34 zu bestätigen. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum
Sie das nicht nachvollziehen können.
Ihre zweite Frage.
Ich frage Sie jetzt als Zweites, ob Sie mir in Zahlen
darlegen können, welche Steuerbelastungen bzw. -ausfälle durch die Konjunkturpakete I und II entstehen.
Können Sie mir darüber hinaus die weiteren Steuerbelastungen bzw. -ausfälle in den Kommunen darlegen, die
durch die veränderte steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung und indirekt über den Steuerverbund entstehen?
Liebe Kollegin Haßelmann, selbstverständlich beantworte ich diese Frage, die sich rein formal auf die Steuermindereinnahmen bezieht, gerne. Die erwarteten
Steuermindereinnahmen der Kommunen aus beiden
Konjunkturpaketen belaufen sich auf 2,15 Milliarden
Euro. Ich betone noch einmal: Darin sind nicht die gesamten makroökonomischen Effekte einbezogen, sondern hierbei handelt es sich um die reinen Steuermindereinnahmen.
Außerdem kann ich Ihnen versichern: Dem Gesetzentwurf, durch den die verfassungsrechtlich vorgegebene Entlastung in Form der erhöhten steuerlichen Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge geregelt
wird - Sie haben ihn angesprochen -, wird ein Finanztableau beigefügt, dem Sie die dadurch zu erwartenden
Steuermindereinnahmen entnehmen können. Da wir bezüglich dieses Gesetzentwurfes noch bei der Ressortabstimmung sind, will ich dem endgültigen Ergebnis, das
ins Kabinett kommen wird, nicht vorgreifen. Das hielte
ich an der Stelle der Bundesregierung für nicht akzeptabel.
Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Britta
Haßelmann:
In welchen Teilen kann die Bundesregierung die Einschätzung des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung, IMK, bestätigen, dass den Kommunen aufgrund der
in Frage 34 genannten steuerlichen Mindereinnahmen in 2009
30 Prozent und in 2010 knapp 60 Prozent der zusätzlichen Investitionsmittel und unter Berücksichtigung der höheren steuVizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
erlichen Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Kranken- und
Pflegeversicherung ab 2010 sogar fast 80 Prozent 2010 wieder entzogen werden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin Haßelmann, Sie beziehen sich auf eine
Einschätzung des Institutes für Makroökonomie. Wir
werden die Einschätzung dieses Institutes zum quantitativen Ausmaß von steuerlichen Mindereinnahmen in der
makroökonomischen Wirkung nicht kommentieren und
bewerten. Wenn ich ehrlich bin, erwarte ich von einem
Institut für Makroökonomie, dass es nicht nur Steuermindereinnahmen zusammenzählt, sondern auch die Effekte, die ich vorhin angesprochen habe, einschätzt. Insofern werde ich das nicht kommentieren; wir halten die
Aufrechnung der Gesamtwirkungen für nicht sachgerecht.
Im Übrigen will ich die Gelegenheit nutzen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dieses Investitionspaket
für die Kommunen von allen kommunalen Spitzenverbänden mehrfach und ausdrücklich begrüßt worden ist,
damit hier nicht der Eindruck entsteht, wir würden etwas
Schlechtes für die Kommunen tun.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Dann sind Ihnen sicherlich alle Stellungnahmen der
kommunalen Spitzenverbände bekannt, in denen durchaus darauf hingewiesen wird, dass es zu erheblichen
Steuerausfällen bzw. Steuermindereinnahmen und auch
zu verschiedenen direkten Minderungen der Steuereinnahmen aufgrund des Konjunkturpaketes kommt. Auch
die kommunalen Spitzenverbände befürchten Ausfälle in
Milliardenhöhe. Würden Sie sich denn deren Auffassung
anschließen, wenn Sie schon die Auffassung des Institutes in der Hans-Böckler-Stiftung infrage stellen?
Frau Kollegin, ich habe vorhin deutlich gemacht, dass
formal über die Höhe der Steuermindereinnahmen - das
betrifft nicht nur die Kommunen - völlige Klarheit
herrscht, weil wir bei beiden Konjunkturpaketen ein entsprechendes Finanztableau vorgelegt haben. Insofern
muss darüber nicht spekuliert werden.
Ich will aber auf Folgendes hinweisen: Das Ziel der
Konjunkturpakete war, gegenzusteuern und den Abschwung aufzuhalten. Sie dürfen nicht vergessen, dass
die Steuermindereinnahmen durch die Rezession, die wir
nicht hätten abfedern können, wenn wir nicht mit politischen Maßnahmen gegengesteuert hätten, ungleich dramatischer hätten sein können. Das Ganze wird sich immer im Bereich der Spekulationen bewegen.
Ich will noch einmal deutlich machen: Die Zahlen
sind klar. Die makroökonomische Wirkung ist schwer
einzuschätzen. Wir gehen aber davon aus, dass wir nun
genau diesen Einbruch bei den Steuereinnahmen durch
das Abfedern der Rezession aufhalten können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Was ich nicht nachvollziehen kann, Frau Staatssekretärin, ist, warum Sie
zum jetzigen Zeitpunkt die Höhe der Ausfälle sowohl
bei den Krankenversicherungsbeiträgen als auch bei der
Pflegeversicherung im Zuge des indirekten Steuerverbundes noch nicht benennen können. Ich komme gerade
aus dem Fachausschuss. Dort haben wir die Beschlüsse
zum Konjunkturpaket schon gefasst. Es handelt sich am
Freitag also nur noch um die zweite und dritte Lesung.
Von daher müssten doch jetzt viele der Dinge, die Sie
gerade in Ihrer Beantwortung angesprochen haben, darzulegen sein.
Mich interessiert darüber hinaus, warum Sie trotz Ihrer makroökonomischen Betrachtung und dem Wissen
darum, dass die Kommunen sehr stark von der Gewerbesteuer abhängig sind, bei der Konjunktureinschätzung
nicht auch von drastischen Steuermindereinnahmen ausgehen.
Den ersten Teil Ihrer Frage konnte ich nicht genau
nachvollziehen. Ich bin nicht sicher, ob es sich dabei
nicht um ein Missverständnis handelt. Ich habe gesagt:
Zur Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen - das ist nicht Teil des Konjunkturpaketes - kann ich Ihnen die konkreten Zahlen dann
vorlegen, wenn es einen Kabinettsentwurf mit dem dazugehörigen Finanztableau gibt. Als Antwort auf Ihre
Fragen zu den Konjunkturpaketen I und II habe ich die
entsprechende Zahl von 2 Milliarden Euro genannt. Insofern dürfte es da keine Unklarheiten mehr geben.
Die Steuermindereinnahmen, die sich aus der Abwärtsbewegung der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben, will ich nicht leugnen. Ich will aber noch einmal
deutlich machen: Das Ziel dieser Konjunkturpakete ist
- wir sind durchaus zuversichtlich, den Abschwung damit abzufedern -, dass wir beispielsweise mit kommunalen Investitionen der Region Aufträge zukommen lassen,
was wieder zu vermehrten Gewerbesteuereinnahmen der
Kommunen führen kann.
Wir sind damit am Ende dieses Themenbereiches.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Wir sind aber auch am Ende unserer
Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15.35 Uhr.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Führungsverantwortung der Bundeskanzlerin in Zeiten der Wirtschaftskrise
({0})
Ich eröffne die Aussprache. Zur Begründung der Aktuellen Stunde hat die Kollegin Renate Künast vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass weder das Bundeskanzleramt noch die Bundesregierung in Gestalt leibhaftiger Minister anwesend
sind, werte ich nicht als Ignoranz gegenüber der Opposition oder dem Parlament, sondern schlicht und einfach
als Zeichen dafür, dass die Nerven in der Großen Koalition blank liegen und sie so viele Krisen zu managen haben, dass sie hier nicht anwesend sein können.
({0})
- Na ja, ein Sprichwort lautet: Einer ist keiner. Von dieser einen Ausnahme abgesehen ist kein Minister anwesend.
({1})
Hier und heute geht es nicht um Michael Glos; mit
diesem Thema mussten sich in den letzten Tagen viele
von uns befassen. Was uns heute beschäftigen muss, ist
die Bundeskanzlerin: eine Bundeskanzlerin ohne wirtschaftspolitische Linie, aber mit Nebenkanzler. Das hat
es noch nicht oft gegeben. Früher gab es so etwas nur bei
den Päpsten;
({2})
auch mit diesem Thema hat sich die Kanzlerin ja sehr intensiv beschäftigt.
Auch wenn die Bundeskanzlerin es nicht für nötig
hält, heute hier zu sein, möchte ich ihr sagen: Die CDU/
CSU stellt seit fast dreieinhalb Jahren die größte Fraktion in diesem Hause. Die Kanzlerin hat damals den
Auftrag bekommen, die Richtlinien der Politik zu bestimmten und zu führen. Im Augenblick tut sie das aber
nicht. Stattdessen sieht die Situation so aus, dass die
drittgrößte Industrienation der Welt ihre Wirtschaftspolitik nach den Regularien der Stammesfürsten in Bayern
ausrichtet: Mann, katholisch, Oberfranke.
({3})
Was sollen eigentlich diejenigen, die von Deutschland
fordern, im Rahmen der EU eine Führungsrolle zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen, davon halten?
Ich kann Ihnen nur sagen: Das letzte Wochenende war
der wirtschaftspolitische Offenbarungseid der Bundeskanzlerin und der CDU/CSU. Sie haben keine Linie und
kein Ziel.
({4})
Es ist schon beachtlich, wie jemand, der das Wort
„christlich“ im Namen führt, seinen Bundeswirtschaftsminister so behandeln kann - von Seehofer gemobbt,
von Merkel ignoriert -, dass der am Ende nichts anderes
tun kann, als zu sagen: Ich bin ein Minister, holt mich
hier raus! - Christen müssten vor Scham ein rotes Gesicht bekommen.
({5})
Das alles in einer Situation, in der die Menschen Sorgen haben. Da draußen gibt es real existierende Menschen, die auf Kurzarbeit sind, und Zeitarbeiter, die
längst entlassen worden sind und sich fragen, wie sie einen Job finden sollen. In solch einer Zeit erlauben Sie
sich derart persönlich-egoistische Spielchen. Sie sollten
sich schämen!
({6})
Die Wirtschaft, egal ob groß oder klein, fragt sich:
Wie unterstützt uns die Politik eigentlich in dieser Situation? Wie kommen wir aus der Krise heraus? - Die
Kanzlerin hat an diesem Pult verkündet: Wir wollen gut
durch die Krise kommen und nach der Krise besser dastehen. - Ich sage Ihnen: Mit so einer Kanzlerin kommen wir nicht gut durch die Krise und stehen nach der
Krise erst recht nicht besser da.
({7})
Man muss Michel Glos, den hier, glaube ich, die
meisten mögen - außer in den Reihen der Koalition vielleicht -, eines lassen: Sein Rückzug hat den Vorhang
aufgezogen, hat Licht auf die wirtschaftspolitische Orientierungslosigkeit der CDU/CSU geworfen.
Aber das ist nur eine Station auf der wirtschaftspolitischen Irrfahrt, die Sie zum Besten gegeben haben.
Ludwig Erhard dreht sich wahrscheinlich stündlich im
Grabe.
({8})
Um diese wirtschaftspolitische Irrfahrt einmal darzustellen, muss man gar nicht so weit zurückgehen, es reicht,
sich die jüngere Geschichte anzuschauen: Kein Mensch
weiß, was die Kanzlerin eigentlich will. Vor der letzten
Bundestagswahl stand sie für marktradikal. Ich erinnere
mich daran, wie sie hier stand und die Konzepte des
Wirtschaftsflügels vertrat - damals hatte die CDU/CSU
noch einen Wirtschaftsflügel, mit dem Vormann
Friedrich Merz; damals hatten Sie noch etwas zu sagen,
meine Herren -: Nichts konnte rabiat genug sein, kein
Einschnitt konnte tief genug sein. Zur Sozialpolitik hat
sie eiskalt erklärt: Das Geld fürs Soziale müsse zunächst
einmal verdient werden.
({9})
Kein Hauch von Mitgefühl oder Sorge! Die Hauptsache
war, dass keiner durch Steuern belastet werden sollte.
Die Medien haben geschrieben: Toll, Maggie Thatcher
auf Deutsch! - Das war die Erwartung.
Als Nächstes - das war ja nicht alles - hat sie versucht, den Sozialdemokraten das Wasser abzugraben, indem sie die überzeugendere Sozialdemokratin gegeben
hat.
Jetzt will sie doch wieder Steuererleichterungen für
Reiche. Was soll eigentlich Paul Kirchhof denken, den
Sie damals rausgeworfen haben?
({10})
Meine Damen und Herren, wir erleben eine Zeit der
größten Wirtschaftskrise, der größten Verschuldung und
der größten politischen Krise seit langem, und zwar in
Gestalt der wirtschaftspolitischen Orientierungslosigkeit, des Richtungsstreites innerhalb der Union. Eine
Kanzlerin, die eine Kanzlerin sein will, muss diesen
Richtungsstreit entscheiden. Genau das fordern wir von
ihr ein.
({11})
Stattdessen hat sie ihre Richtlinienkompetenz faktisch
bis zur Unkenntlichkeit wegmoderiert. Im Augenblick
hat Politik bei Ihnen nur einen Maßstab, und der heißt
Seehofer bzw. „Wie kommt die CSU bei der Bundestagswahl im Herbst über die 5-Prozent-Hürde?“. Das ist
aber nicht das Interesse des Landes.
({12})
Beim Umweltgesetzbuch hat sie schlicht und einfach
weggehört, obwohl der Mittelstand auf die Entbürokratisierung wartet. Die Kanzlerin hat wirtschaftspolitisch
nichts getan. Auch beim Konjunkturpaket ist keine
Handschrift der Kanzlerin zu erkennen. Das ist nur ein
Sammelsurium der Forderungen der Lobbyisten.
Ich sage eines als letzten Gedanken: Frau Merkel, Sie
waren einmal in Bayern und haben gesagt: Wo die Bayern sind, da wollen wir auch hin. - Ich sage Ihnen: Wir
wollen kein Mobbing, wir wollen kein Personalgerangel,
wir wollen keine Stammesfürsten, sondern wir wollen,
dass einer dieses Land in die Zukunft führt und dass die
Automobilindustrie, die chemische Industrie, der Maschinenbau, dem es schlecht geht, und die Umwelttechnologie auf Zukunft getrimmt werden.
Frau Künast.
Wenn Sie das nicht können, Frau Merkel, dann sind
Sie fehl am Platz.
({0})
Das Wort hat der Kollege Laurenz Meyer von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Künast, schon der Titel der Aktuellen Stunde bringt
ein Werturteil zum Ausdruck. Darüber, was Sie in Ihrer
Rede vorgetragen haben, kann ich mich nur wundern. Es
ist wirklich nicht die Zeit für Karnevalsreden, Frau
Künast,
({0})
sondern es geht darum, sich mit den wirklich harten Fakten und dem zu beschäftigen, was zu tun ist.
Wenn ich mir die Vorschläge der Opposition in der
letzten Zeit anschaue, dann kann ich nur sagen: Führung
zu zeigen heißt nicht, sich von der Opposition und - das
möchte ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich dazu sagen - von Medien sowie Experten treiben zu lassen;
denn dieselben, die vor kurzer Zeit noch gesagt haben,
dass das alles zu lange dauert, haben anschließend gesagt, dass das zu schnell geht und zu teuer ist. Das ist die
Wirklichkeit, mit der wir leben müssen.
Es geht darum, dass wir eine eigene Linie verfolgen,
den Ernst der Lage begreifen - das habe ich aus Ihrer
Rede nicht heraushören können -, dann sorgfältig analysieren und anschließend umfassend und konsequent
handeln. Komischerweise sind die Länder - auch in Europa -, die erst große Sprüche gemacht haben, lange nicht
so weit wie wir, und vor allen Dingen stehen sie nicht so
da wie wir.
Schauen Sie sich gerade heute einmal die Berliner
Zeitung an: „Standort Deutschland wird zum Krisengewinner“. Deutschland ist die Nummer eins für Investitionen ausländischer - zum Beispiel amerikanischer - Investoren. Selbst Osteuropa, das so viel gepriesen wurde,
steht im Ansehen auf einmal hinter Deutschland, weil
unsere deutschen Eigenschaften wie beispielsweise Zuverlässigkeit plötzlich eine größere Rolle spielen als
manches, worüber in Bezug auf den Lohn vorher diskutiert worden ist.
({1})
Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, was zum
Beispiel Herr Sarkozy im November 2008 gesagt hat.
Ich finde so etwas prickelnd; das kann man hier vielleicht einmal zitieren, Herr Präsident. Er hat gesagt:
„Frankreich arbeitet daran, Deutschland denkt darüber
Laurenz Meyer ({2})
nach.“ - Das war so ein typischer Sarkozy-Spruch.
Sarkozy ist manchmal unglaublich schnell in seinen Äußerungen, und er ist auch in seinem Handeln etwas anders gestrickt als wir.
Anschließend, im Januar 2009, hat er gesagt - auch
das darf ich zitieren -: Wenn Angela es gestattet, möchte
ich Ihnen heute gern etwas sagen: „Angela arbeitet, ich
denke darüber nach.“
({3})
Meine Damen und Herren, das muss man einmal zur
Kenntnis nehmen. Sie aber plustern sich hier auf. Konkrete Gegenvorschläge von Ihnen habe ich auch nicht
gesehen.
Wenn wir es grundsätzlich betrachten, so ist in Bezug
auf das Programm, das wir jetzt verabschieden, eines bemerkenswert: Alles das, was wir an Maßnahmen machen, stand schon vorher auf der Agenda. Wir beschleunigen es jetzt. Sei es das Thema Bildung oder das Thema
Familie, seien es die internationalen Finanzmarktregeln
oder auch das Thema Klimaschutz - alles das ist lange
vorher auf die Agenda gesetzt worden.
Wenn Ihnen einzelne Punkte nicht gefallen, dann sollten Sie nicht so aggressiv reagieren. Ich sage Ihnen in
Bezug auf das Umweltgesetzbuch - dieser Punkt hängt
nämlich in gewisser Weise auch mit Ihnen eng zusammen -: In der Hand eines gutwilligen Umweltministers
ist das Umweltgesetzbuch, das Herr Gabriel vorgelegt
hat, prima und in Ordnung; deswegen sind auch einige
von uns dafür.
({4})
Aber sobald eine grüne Umweltsenatorin es in die Hand
bekommen würde, wäre es ein Missgriff; denn mit einem solchen Umweltgesetzbuch hätte beispielsweise das
Kohlekraftwerk in Hamburg nachträglich verhindert
werden können, und das wollen wir einfach nicht.
({5})
Wir wollen nicht zulassen, dass daraus in der Hand böswilliger und ideologisch aufgeplusterter Menschen plötzlich ein Mittel wird, um die Entwicklung von Wirtschaftskraft zu verhindern.
({6})
Der Höhepunkt dieser Krise ist noch lange nicht erreicht.
({7})
Wir werden deshalb hart weiterarbeiten müssen, um Vertrauen zu schaffen und optimistisch in die Zukunft
schauen zu können. Das, meine ich, müssen wir gemeinsam tun. Da haben auch Sie eine verdammte Pflicht und
Schuldigkeit. Wir müssen jetzt so Dinge wie Kurzarbeit
akzeptieren, Maßnahmen, die wir, insbesondere was die
Finanzierung angeht, wahrscheinlich vor sechs Monaten
allesamt nicht für möglich und konsensfähig gehalten
hätten. Aber es ist richtig und notwendig, um das Vertrauen der Menschen in unserem Land in die Bewältigung der Krise zu stärken. Dass das bisher funktioniert
hat, sehen Sie spätestens dann, wenn Sie sich die Finanzierungsraten für Staatsanleihen ansehen. Da steht
Deutschland in einer Art und Weise da wie kein anderes
Land in Europa. Es muss einem bald angst werden um
den Euro, wenn man sieht, wie unterschiedlich die Länder in Europa dastehen. Länder wie Italien, Spanien,
Portugal, erst recht Griechenland und - mein Gott noch
eins - auch Frankreich sind in einer völlig anderen
Situation. Dass wir so gut dastehen, wird allemal etwas
mit Regierungshandeln zu tun haben.
({8})
Deswegen finde ich es richtig, wenn wir weiterhin in
Ruhe nachdenken und präzise handeln. Komischerweise
sind wir das einzige Land in Europa, das sowohl für das
Bankensystem als auch für die Realwirtschaft noch in
dieser Woche ein komplettes Programm verabschieden
wird.
({9})
Das ist vernünftig überlegt, breit angelegt und wird
schnell verabschiedet, weil die Krise es so verlangt. Dass
das in Deutschland so gut funktioniert, darauf sollten wir
alle gemeinsam ein bisschen stolz sein und es uns nicht
gegenseitig kaputtreden. Von Ihnen lassen wir es uns
ganz bestimmt nicht kaputtreden.
({10})
Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem der Titel zu dieser Aktuellen Stunde mehrfach
gewechselt hat, habe ich mich die ganze Zeit gefragt,
was eigentlich aktuell ist an dem jetzigen Titel der Aktuellen Stunde.
({0})
Die Wirtschaftskrise ist hochaktuell, allerdings nicht
ganz neu. Wir beschäftigen uns in jeder Sitzungswoche
intensiv damit. Dass die Kanzlerin nicht führt, ist leider
auch nicht aktuell, Frau Kollegin Künast;
({1})
denn das erleben wir auch schon seit einigen Wochen.
Deshalb frage ich mich verzweifelt, was eigentlich an
dieser Aktuellen Stunde so aktuell ist.
({2})
Aber ich will versuchen, einigen der Zitate, die Herr
Meyer leider ausgelassen hat, Aktualität zu verschaffen.
Ich finde es schon bemerkenswert - ich habe eben bei
der Rede des geschätzten Kollegen Meyer genau darauf
geachtet -, wie sehr die Koalitionsfraktionen sich gegenseitig unterstützen. Es war schon sehr bemerkenswert,
wie Sie auf der sozialdemokratischen Seite es geschafft
haben, während der Rede letztendlich Ihres Redners
keine Beifallsbekundungen abzugeben.
Ich muss schon sagen, geschätzte Kolleginnen und
Kollegen: In Wahrheit spielen sich hier doch Szenen einer Ehe ab. Da wirft der Vorsitzende der Sozialdemokraten, der den Koalitionsvertrag mit unterschrieben hat,
der Union „undemokratisches Verhalten“ in der Art eines „Zentralkomitees“ vor. Die Union erwidert daraufhin - ich habe der Rednerliste entnommen, dass der Kollege Bernhardt die Gelegenheit bekommt, dies hier
ausführlich darzustellen -:
Herr von Guttenberg ist fähig, ein Ministeramt zu
übernehmen. Allerdings ist er bisher als Außenpolitiker aufgetreten … Uns fehlen die jungen Politiker
mit wirtschaftspolitischer Ausstrahlung, wie sie ein
Friedrich Merz hat.
Wie recht er hat.
({3})
Unterstützung für einen neuen Bundesminister, wie
sie hier gerade der Kollege Meyer bekundet hat, sieht
anders aus. Man fragt sich also verzweifelt: Existiert die
Koalition noch? Hat sie noch eine einzige gemeinsame
Richtung?
({4})
Oder erleben wir hier, wie sich drei Parteien langsam
voneinander entfernen, ohne zu wissen, in welche Richtung sie laufen sollen?
Ich wundere mich allerdings auch, dass der Kollege
Meyer den Eindruck erweckt, der Zustand der deutschen
Wirtschaft sei darin begründet, dass die Regierung so
formidabel gehandelt hat. Erfreulicherweise ist der
Großteil dessen, was wir in der Wirtschaft erleben, noch
privates Handeln.
({5})
Erfreulicherweise sind unsere Mittelständlerinnen und
Mittelständler, die Unternehmerinnen und Unternehmer,
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem
Land viel flexibler, viel kreativer und viel erfindungsreicher, als viele - mit Ausnahme der FDP -, die hier sitzen, glauben.
({6})
Deshalb finden sie Lösungen entsprechend der wirtschaftlichen Situation. Deshalb stellen sie ihre Unternehmen gemeinsam neu auf. Erfreulicherweise ist man dadurch nicht auf die Diskussionen innerhalb einer nur
schwer handlungsfähigen Bundesregierung angewiesen.
Gott sei Dank sind die meisten der Unternehmerinnen
und Unternehmer auch nicht darauf angewiesen, jetzt
noch für wenige Wochen einen neuen Bundeswirtschaftsminister zu haben.
Der Bundeswirtschaftsminister jedenfalls wird als einer der dienstkürzesten Minister in diesem Haus in die
Geschichte eingehen. 14 Jahre hat Ludwig Erhard durchgehalten. Damit ist er der dienstälteste Bundeswirtschaftsminister. Herr zu Guttenberg wird es auf etwas
mehr als 14 Wochen bringen. Er wird sicher nicht als
Bundeswirtschaftsminister, sondern als Bundeswahlkampfminister in die Geschichte eingehen. Das ist
schließlich auch sein Job; das wird offen zugegeben.
({7})
Was mich aber doch in dieser Debatte wundert, ist,
wie wenig die Union am Ende noch zu dem steht, was
sie mal vertreten hat. Wenn außerhalb Ihrer Reihen darauf hingewiesen wird, dass Michael Glos der letzte Mohikaner der Ordnungspolitik in diesem Kabinett war,
({8})
dann müsste doch eigentlich ein Aufschrei durch Ihre
Reihen gehen. Sie müssten sich als Ordnungspolitiker
und als auf der Basis der sozialen Marktwirtschaft handelnde Politiker positionieren. Sie dürften nicht den Eindruck erwecken, dass es Ihnen eigentlich ganz recht ist,
dass dieser Teil Ihres Programms jetzt von niemandem
mehr vertreten wird.
({9})
Wir können nur an Sie appellieren, Ihr ordnungspolitisches Gewissen wiederzufinden, Widerstand gegen die
Staatswirtschaftler auf der anderen Seite in diesem Haus
zu leisten
({10})
und sich mit uns gemeinsam dafür einzusetzen, dass wir
in Deutschland die soziale Marktwirtschaft erhalten und
in diesem Zusammenhang an die Kräfte der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer denken und diese stärken. Sie dürfen nicht
den Eindruck erwecken, als könnten wir mit einzelnen,
kleinen Konjunkturprogrammen unsere stabile und
große Wirtschaft nachhaltig beeinflussen.
Gott sei Dank werden mehr als 90 Prozent der Gesamtinvestitionen in Deutschland von privaten Unternehmen und Haushalten getätigt und eben nicht von der
öffentlichen Hand. Deshalb wäre es viel wichtiger, sich
darauf zu konzentrieren, diese 90 Prozent zu stärken,
statt hier weiter darüber zu streiten, ob ein paar hundert
Millionen Euro in das eine oder andere Progrämmchen
gesteckt werden. Das ist der völlig falsche Weg. Es
stimmt: falsche Richtung, keine Führung. Das ist aber
leider nicht neu. Deshalb warten wir auf den September.
Herzlichen Dank.
({11})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Berg von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
enttäuschende Botschaft für die Opposition gleich zu
Beginn: Die Regierung ist voll und ganz handlungsfähig.
({0})
- Man muss nicht immer hier sitzen, um handlungsfähig
zu sein. Man kann Handlungen tatsächlich auch woanders vorbereiten und tätigen. ({1})
Sie beweist das mit den zwei Konjunkturpaketen, die sie
beschlossen hat und die allseits gelobt werden.
({2})
Sie hat das nicht zuletzt mit der raschen Beschlussfassung über diese Pakete bewiesen. Wir haben das mit unseren zügigen und konstruktiven parlamentarischen Beratungen unterstützt.
Auch inhaltlich wurden die Weichen richtig gestellt.
({3})
- Doch, ich glaube das. Obwohl es mir schwerfällt, gegen Ihre Zwischenrufe anzuschreien, versuche ich es. Sie hat das mit einem ausgewogenen Verhältnis von
Ausgaben zur Stützung der Konjunktur einerseits und
der Höhe der Neuverschuldung, die wir begrenzen wollen, andererseits geschafft.
Die Regierung hat mit Peer Steinbrück einen sozialdemokratischen Finanzminister, der seiner Verantwortung in der Krise voll und ganz gerecht wurde.
({4})
Er hat ohne Zögern die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um den Finanzmarkt zu stabilisieren.
Mit Frank-Walter Steinmeier haben wir einen Vizekanzler, der mit seinem Konzept für das Konjunkturpaket die Grundlage dafür geliefert hat, dass wir diese
Krise effektiv bekämpfen können.
({5})
Wir sind also durchaus zufrieden mit der aktuellen
Entwicklung. Wir haben klare Vorstellungen davon, was
in diesen Zeiten zu tun ist, und die Bundesregierung hat
die Kraft, das auch umzusetzen.
Worum geht es? Es geht nicht um kabarettistische
Auftritte à la Döring oder Künast.
({6})
Wir wollen Unternehmen stärken und Arbeitsplätze sichern bzw. neue schaffen.
In den letzten Jahren war die Große Koalition darin sehr
erfolgreich. Rot-Grün hat entsprechend vorgearbeitet. Die
Arbeitslosigkeit ist drastisch zurückgegangen. Zurzeit
müssen wir allerdings befürchten - das ist ein ernstzunehmendes Thema -, dass die Einbrüche in den Auftragsbüchern auch zu Einbrüchen auf dem Arbeitsmarkt führen.
Olaf Scholz hat daher mit den Kurzarbeiterregelungen
und den notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen einen
Puffer geschaffen, mit dem Produktionsausfälle abgefedert werden können.
({7})
Wir haben Kredit- und Bürgschaftsprogramme aufgelegt, die Banken und Unternehmen unter die Arme greifen. Das sichert Arbeitsplätze und die Existenz von vielen kleinen und großen Unternehmen.
({8})
Wir sorgen für den flächendeckenden Ausbau der
Breitbandinfrastruktur und für die Modernisierung und
den weitergehenden Ausbau der Energienetze.
Alle Maßnahmen, die ich eben genannt habe, und
noch viele mehr stammen aus dem Steinmeier-Papier.
Das wird Ihnen nicht entgangen sein.
({9})
Das heißt, dieses Papier ist nicht nur diskutiert, sondern
auch umgesetzt worden. Das beweist die konstruktive
Zusammenarbeit im Kabinett und die Kompetenz und
Durchsetzungsstärke unserer Ministerinnen und Minister.
Morgen wird der neue Wirtschaftsminister vereidigt.
Wir jedenfalls wünschen Freiherrn zu Guttenberg alles
Gute in seinem neuen Amt und sichern ihm zu, dass er
auf eine faire Zusammenarbeit mit der SPD bauen kann,
({10})
auch wenn die Umstände, wie er in sein Amt gekommen
ist, nur als abenteuerlich zu bezeichnen sind.
Der Umgang von Teilen der CSU mit der Kanzlerin
auch in dieser Frage hat uns sehr abgeschreckt. Die Regierungsfähigkeit des Kabinetts war aber zu keinem
Zeitpunkt gefährdet.
({11})
Wir weisen - das darf ich abschließend festhalten - mit
Abscheu und Empörung zurück, was in dieser Aktuellen
Stunde vorgebracht wurde, nämlich dass die Führungsverantwortung der Kanzlerin nicht gewährleistet sei.
({12})
Wir als Koalitionspartner haben keinen Zweifel daran.
({13})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Axel Troost von
der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich
ist das Verfahren, wie Bundeswirtschaftsminister Glos
am Wochenende seinen Dienst quittiert hat und wie sein
Nachfolger bestimmt wurde, eine Blamage. Natürlich
darf man als Parlamentarier fragen, ob die Bundeskanzlerin ihre Regierung wirklich noch im Griff hat. Aber als
Opposition sollten wir nicht die gleichen Fehler machen
wie die Bundesregierung, nämlich die Öffentlichkeit mit
Personaldebatten zu irritieren. Meine Fraktion hat wenig
von der Wirtschaftspolitik von Herrn Glos gehalten. Ich
sehe wenig Hoffnung, dass das bei Herrn zu Guttenberg
anders werden wird.
({0})
Lassen Sie uns daher nicht über Personalien, sondern
lieber über Politikinhalte reden. Entscheidend ist doch
die Frage, wohin die Bundeskanzlerin mit ihrer Regierung steuern will. Wir beobachten in den letzten Monaten, dass wichtige Glaubenssätze der neoliberalen Politik
der letzten 20 Jahre
({1})
in einer außerordentlich schwierigen Krise außerordentlich schnell über Bord geworfen werden. Konjunkturprogramme sind auf einmal in und nicht mehr des Teufels. Der Einstieg des Staates als Retter privater Banken
wird zum geeigneten Mittel. Für all das sind nach all den
Jahren des Sozialabbaus auf einmal Milliardenbeträge
verfügbar.
In einer solchen Situation ist es angemessen, noch
einmal nach den ursprünglichen Interessenlagen zu fragen. Es ist zwar richtig, dass der Neoliberalismus als
quasi religionsartige Ideologie, dass ausschließlich die
Steuerungsfähigkeit der Märkte funktioniert, ein fanatisches Ausmaß angenommen hat. Aber das darf nicht
darüber hinwegtäuschen, dass der Neoliberalismus die
gesellschaftspolitische Fassade für eine dahinterliegende
interessengeleitete Politik war und ist. In der aktuellen
Krisensituation ist es für die Kapitalseite attraktiver, einen starken Staat zu fordern; denn sie hat im Augenblick
Angst um ihre Kapitalanlagen. Damals wie heute sind es
die Kapitalbesitzer, die Reichen und die Superreichen,
die profitieren, früher vom Rückzug des Staates, von der
Privatisierung, von Spekulationsmöglichkeiten, heute
von Bankenrettungsplänen und Konjunkturprogrammen.
Wir können hier lange die Führungsfähigkeit der Bundeskanzlerin infrage stellen sowie auf das Regierungschaos und das Personalchaos schimpfen. Eines kann
man der Bundeskanzlerin aber nicht vorwerfen: dass sie
die Leute aus den Augen verliert, für deren Interessen sie
sich einsetzt, genauso wie das die vorangegangenen
Bundesregierungen getan haben.
In diesem Zusammenhang ist die Föderalismuskommission mit der sogenannten Schuldenbremse ein trauriges Beispiel aus der letzten und dieser Woche. Genauso
wie beim Stabilitätspakt der EU wird hier mit der Schuldenbremse ein formaler Sachzwang geschaffen. Heute
werden die Banken mit Milliardenbeträgen saniert. In
wenigen Jahren kann dann eine Bundesregierung behaupten, für Arbeitslosengeld II, Wohngeld und Zuschüsse zur Rentenversicherung sei kein Geld mehr da,
weil keine Verschuldung mehr möglich sei. Dazu sagen
wir in der Tat: Es ist notwendig, die Banken nicht pleitegehen zu lassen, hier Sanierungsschritte zu machen.
Aber es stellt sich die Frage: Wer zahlt all dies? Das dürfen nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sein,
sondern das müssen diejenigen sein, die sich über Jahre
und Jahrzehnte eine goldene Nase verdient haben. Deswegen sagen wir: Wir müssen Geld über eine Zwangsabgabe, eine Zwangsanleihe, die Vermögen- und Erbschaftsteuer und vieles andere mehr beschaffen; denn
nur so können wir gewährleisten, dass nun diejenigen,
die bisher profitiert haben, in die Finanzierungsverantwortung einbezogen werden.
({2})
Das liegt aber eben nicht im Interesse der herrschenden
Eliten dieses Landes. Um die Interessen dieser Eliten abzusichern, fehlt es der Bundesregierung leider nicht an
Führung. Von dieser Führung, meine Damen und Herren, möchte ich nicht mehr haben.
Danke schön.
({3})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Frau
Künast, was ist eigentlich stringente, konsistente, nachhaltige Politik?
({0})
Ich will Ihnen ein Beispiel vom heutigen Tag nennen.
Heute haben Sie im Bundestagausschuss für Wirtschaft
und Technologie gegen das Konjunkturpaket II gestimmt,
({1})
haben parallel dazu aber beschlossen, dass Sie in Hamburg und Bremen zustimmen.
({2})
Das ist die Doppelkopfpolitik der Grünen.
({3})
Das haben Sie nur gemacht, weil Sie die FDP ärgern
wollten, aber das ist doch keine klare Politik. Was wollen Sie denn eigentlich? Das liegt wahrscheinlich daran,
dass Sie überall mit Doppelspitzen arbeiten. Die linke
weiß nicht, was die rechte tut, wahrscheinlich ist das Ihre
Politik.
Gerade in dieser Finanzmarktkrise hat die Bundeskanzlerin Richtlinienkompetenz bewiesen. Es hat es
noch nie in diesem Hohen Hause gegeben,
({4})
dass ein Paket mit einem Volumen von 500 Milliarden
Euro innerhalb von einer Woche von A bis Z durchgezogen wurde. Ich bin einem Teil der Opposition, in dem
Fall der FDP, dankbar, dass sie mitgemacht hat. Sie von
der Linken haben sich verweigert; das kennen wir von
Ihnen. Sie, Frau Künast, müssten selber wissen, was Bastapolitik bedeutet; denn wir haben erst einmal die Schäden Ihrer Bastapolitik beseitigen müssen. Auch Sie haben darunter gelitten; das haben Sie selbst einmal
zugegeben. Wir mussten danach aufräumen; denn als Sie
aufgehört haben, in der Regierung zu sitzen, haben Sie
uns „freundlicherweise“ 5 Millionen Arbeitslose hinterlassen. Die Krise hat uns überhaupt nur deshalb nicht so
stark wie andere Länder getroffen, weil wir eine vernünftige Politik unter Angela Merkel und in dieser Großen Koalition gemacht haben.
({5})
Wir haben dafür gesorgt, dass wir gestärkt in das Verfahren zur Bewältigung der Krise gegangen sind. Gott sei
Dank sind wir dazu besser in der Lage als alle anderen
Länder. Ich gehe davon aus, dass die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer und die Unternehmen ihre Hausaufgaben in dieser Phase gemacht haben, sodass wir diese
Krise besser überstehen.
Ich möchte in dem Zusammenhang auch den Bundeswirtschaftsminister Michael Glos erwähnen, der einen
guten Anteil daran gehabt hat.
({6})
Mit Karl-Theodor zu Guttenberg hat der Herr Bundespräsident gestern den Nachfolger von Michael Glos benannt. Auch an dieser Entscheidung hat die Bundeskanzlerin - sie hat das nie so lauthals gemacht wie andere vor
ihr ({7})
maßgeblich Anteil gehabt. Natürlich hat sie verfassungsrechtlich die Personalentscheidung zu treffen. Das weiß
sie ganz genau. Sie hat dabei natürlich auch die Koalitionspartner zu berücksichtigen.
({8})
Das ist ihr mit dem Vorschlag von Herrn zu Guttenberg
sicherlich leichter gefallen, als das bei Gerhard Schröder
mit Ihnen, Herr Trittin, und mit Herrn Fischer der Fall
war; denn Schröder musste Ihnen, Herr Trittin, erst einmal beibringen, wer Koch und wer Kellner ist. Sie können sich sicherlich noch daran erinnern.
({9})
Nun versuchen beispielsweise Sie, Herr Kuhn, dem
neuen Wirtschaftsminister Kompetenz abzusprechen, so
nach dem Motto: Der hat keine Ahnung von Wirtschaftspolitik. - Dabei hat er das familiäre Rüstzeug, er ist Unternehmer, und er ist ein mit summa cum laude promovierter Politik- und Rechtswissenschaftler.
Das ist natürlich - da muss ich Ihnen recht geben nicht mit den großartigen Qualifikationen des größten
Politikers und Staatsmannes, des „Grögaz“, des größten
Grünen aller Zeiten, zu vergleichen. Ich habe einmal in
seiner Vita nachgelesen, welchen Werdegang er genommen hat.
({10})
Er war immerhin bis zum zehnten Schuljahr auf dem
Gymnasium. Das musste er ohne Abschluss verlassen.
Er brach eine Lehre als Fotograf ab, danach arbeitete er
als Spielwarenverkäufer, wenn wir Straßenkämpfer einmal nicht als Beruf werten.
({11})
1976 legte er eine einzige Prüfung erfolgreich ab, nämlich die Prüfung zur Erlangung des Personenbeförderungsscheins; er wurde nämlich anschließend Taxifahrer.
Er war dann Aushilfe in einem Buchladen und hatte
schauspielerische Kurzauftritte. Das hat ihn natürlich für
seine spätere Vita hier im Deutschen Bundestag qualifiziert. Das alles sind also Topqualifikationen für einen
Außenminister. Es ist klar, dass Schröder damals seine
geballte Richtlinienkompetenz mobilisieren musste, um
den überhaupt zum Außenminister zu machen.
({12})
Dann einem Einserjuristen vorzuwerfen, er sei für einen
solchen Job nicht geeignet, das ist schon kühn, Frau
Künast.
({13})
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass ich Ihnen
klarmachen konnte, dass solche Debatten, wie wir sie
heute hier führen, angesichts der Tatsache, dass sich unser Land noch nie in einer so schweren Krise befunden
hat, nicht ins Parlament passen. Wir sollten uns mit Ernst
an unsere Aufgaben begeben. Mich ärgert es, dass Sie
uns die Zeit, die wir brauchen, um dieses Land aus der
Krise zu führen, mit solchen Debatten stehlen. Wir arbeiten daran und machen keinen Klamauk.
({14})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Scheel vom
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Irgendwie
hat man das Gefühl, es gibt in der Union ziemlich viel
Verwirrung. Mittlerweile erscheinen schon die Redebeiträge der eigenen Kollegen peinlich. Aber gut!
Man schaue sich einmal an, wie die derzeitige Situation in der Bevölkerung diskutiert wird. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich: Wer regiert dieses Land eigentlich? Manche haben den Eindruck, dass dies Horst
Seehofer ist. Das zeigt, dass es mit der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin nicht weit her ist. Das zeigt auch,
dass wir es hier anscheinend mit einem „BastaSeehofer“ und nicht mit einer Kanzlerin zu tun haben,
die vorgibt, was für dieses Land notwendig ist.
({0})
Angesichts dieser sehr schwierigen Finanzkrise und
angesichts der wirtschaftlichen Situation sehen wir, dass
die Bürger und Bürgerinnen erwarten, dass regiert wird.
Gleichzeitig wird hier, in der realen Politik, abgetaucht.
Das stärkt nicht das notwendige Vertrauen in die Politik.
Man sieht, dass vielmehr ein ziemliches Chaos in dem,
was Sie wollen oder nicht wollen, ausgebrochen ist.
Ich gebe Ihnen ein ganz einfaches, klares Beispiel:
Heute hat es innerhalb der Großen Koalition um die
Frage, was wir für den Klimaschutz tun - Stichwort
„Kfz-Steuer“ -, ein ziemliches Schmierentheater gegeben. Es sollte so sein, dass große Dieselfahrzeuge in Zukunft stärker mit Steuern belastet werden. Die Union
hätte es mitgetragen; die SPD hat es gebremst. Die
Kanzlerin stellt sich auf die Eisscholle und sagt: Klimaschutz und Arbeitsplätze. Sobald es allerdings um Taten
geht, sind Sie nicht in der Lage, dies umzusetzen, und
die Kanzlerin taucht ab und schweigt.
({1})
Es reicht auch nicht, in der Welt herumzufliegen und
von anderen die Regulierung der Finanzmärkte einzufordern, wie es die Bundeskanzlerin unlängst getan hat.
Man muss zu Hause das tun, was man von anderen verlangt. Wenn man weiß, dass deutsche Banken mit
114 Milliarden Euro in der Steueroase Cayman Islands
und mit 52 Milliarden Euro auf Jersey engagiert sind,
dann muss man sich schon fragen: Wo ist die Ansage
von Angela Merkel, dass das nicht geht? Das kratzt nämlich auch an Deutschlands Glaubwürdigkeit.
({2})
Wenn man sich die Untätigkeit und das Gewährenlassen in Bezug auf das Wirtschaftsministerium anschaut,
dann erkennt man, dass die heutige Diskussion durchaus
einen Sinn hat. Angela Merkel hat in diesem Zusammenhang den Vogel abgeschossen. Sie ist seit drei Jahren der
Meinung, dass Michi Glos als Wirtschaftsminister nicht
das bringt, wovon sie glaubt, dass es für dieses Land gut
ist.
({3})
Dennoch hat sie das Ganze drei Jahre lang laufen lassen.
Bundesminister und Bundesministerin sind per Gesetz
an die Richtlinien der Kanzlerin gebunden und nicht an
die Richtlinien des bayerischen Ministerpräsidenten.
Auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen.
({4})
Wir hätten schon erwartet, dass spätestens im Herbst,
nach dem Wahldebakel der CSU, die Chance zu einer
Kabinettsumbildung genutzt worden wäre und dass man
dieses Amt so besetzt hätte, wie man es hat besetzen
wollen. Faktisch hat die Bundeskanzlerin aber nichts getan. Sie ist aus Feigheit vor Horst Seehofer - das muss
man klar sagen - hier zurückgewichen. Es ging um den
Regionalproporz in Bayern und nicht um eine klare Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Das beschädigt Ihre Umfragewerte, und davon profitiert die FDP im Moment.
Wir würden uns von der Kanzlerin in dieser Krise einmal etwas mehr Mut wünschen; ich verweise auf das,
was jetzt vonseiten der FDP vorgeschlagen wird. Die
Kanzlerin sagt: Das ist egal; die Wählerwanderungen
finden innerhalb des konservativen Wählerspektrums
statt; ein paar von der Union gehen halt zur FDP; die
kommen schon irgendwann zurück. Besser wäre es, den
Mut zu haben, zu sagen, dass die FDP in dieser Krise
kein Konzept hat, dass die Umsetzung der Vorschläge,
Steuern in diesen Größenordnungen zu senken, die
Staatsverschuldung weiter nach oben treibt und dass das
alles in dieser Krise keinen Beitrag dazu leistet, das
Richtige zu tun.
({5})
- Das müssen Sie sich anhören.
Gigantische Staatsverschuldung, falsch angelegtes Bankenrettungspaket, schlechtes Konjunkturpaket - dazu kam
es, weil für jeden im Kabinett ein bisschen was dabei
sein sollte. Das ist aber kein Ausdruck von Führungskompetenz; vielmehr sehen wir hier ein ganz klares Führungsdefizit.
({6})
Ich erwarte auch, dass man in der Krise ein klareres
Bild über die Finanzlage abgibt.
({7})
Der Nachtragshaushalt ist unehrlich. Er ist unseriös. Er
ist auch intransparent. Es gibt massenweise Schattenhaushalte. Wir haben jetzt mitbekommen, dass die Bundeskanzlerin nicht einmal weiß, wie die Haushaltspolitik
funktioniert, wie das mit den Schattenhaushalten in der
Vergangenheit war, wie die abbezahlt worden sind und
wie die Tilgungssituation ist.
({8})
Die Bürger und Bürgerinnen würden sich schon erhoffen, dass ihr Steuergeld vernünftig verwaltet wird, dass
es für Dinge ausgegeben wird, die für die Zukunft Sinn
machen, die für die Zukunft, für unsere Kinder, notwendig sind,
({9})
und dass es nicht verpufft, nur um es irgendwelchen Regionalleuten recht zu machen und Lobbyinteressen zu
bedienen.
({10})
Wir wünschen uns hier Geradlinigkeit, Klarheit nach
vorn
({11})
und Transparenz in der Haushalts- und Finanzpolitik.
Angela Merkel muss einmal sagen, wo es langgeht; anscheinend bekommen die es im Kabinett sonst nicht hin.
Danke.
({12})
Das Wort hat der Kollege Florian Pronold von der
SPD-Fraktion.
({0})
Niederbayer! Das ist ein großer Unterschied!
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe die Kritik der Grünen an der Führungskompetenz
der Bundeskanzlerin in keiner Weise.
({1})
Ich will das auch ausführen.
Ich habe mich zuerst gefragt: Was ist der Anlass für
diese Aktuelle Stunde, die Frage der fehlenden Richtlinienkompetenz oder die Frage der Führungsfähigkeit
der Bundeskanzlerin?
Zur Frage der Richtlinienkompetenz. Dafür ist tatsächlich ein äußerer Anlass gegeben. Aber der hätte eine
Nachhilfestunde für den Herrn Glos notwendig gemacht,
keine Aktuelle Stunde für den Deutschen Bundestag;
denn: Die Bundeskanzlerin ist diejenige, die darüber entscheidet, wer Bundesminister ist, und nicht Horst
Seehofer.
({2})
Wenn sich der Herr Glos in der Frage seines Rücktritts
sozusagen an die falsche Person wendet, ist tatsächlich
Aufklärungsbedarf gegeben, aber mit Sicherheit nicht
für die Parlamentarier und Parlamentarierinnen hier in
Form einer Aktuellen Stunde, sondern für den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister.
Zur zweiten Frage, die die Aktuelle Stunde begründen
könnte, nämlich ob in der Führungskompetenz der Bundeskanzlerin Defizite auszumachen sind,
({3})
so wie es die Grünen hier unterstellen. Es gibt natürlich
Anlässe - sie haben ihren Ursprung in der Staatskanzlei
in Bayern -, die zumindest Fragezeichen zulassen.
({4})
Ich schaue mir einmal an, was beim Umweltgesetzbuch
geschehen ist. Wenn die Frau Bundeskanzlerin als grüner Klimaengel durch die Welt schwebt und tolle Sachen
verkündet, aber dann, wenn es im Deutschen Bundestag
darauf ankommt, gegenüber ihrer eigenen Fraktion und
insbesondere gegenüber der CSU in München leider
nicht die Stärke hat, das Umweltgesetzbuch durchzusetzen, dann kann man hier zu Recht ein Fragezeichen anbringen.
({5})
Dieselbe Frage könnte man natürlich auch beim
aktuellen Beispiel der Koalitionsvereinbarung zum
Thema „Mindestlohn und Leiharbeit“ stellen.
({6})
- Ich komme gleich zur Antwort. - Auch hier ist die
Frage, ob sich die Kanzlerin gegen Horst Seehofer
durchsetzen und das umsetzen wird, was sie in der Großen Koalition vereinbart hat.
Ich habe gesehen, Kollege Michelbach spricht nach
mir. Das freut mich; denn auch der Kollege Michelbach
ist in den letzten Wochen dadurch aufgefallen, dass er
die Kanzlerin für mangelnde Durchsetzungsfähigkeit öffentlich kritisiert hat.
({7})
Ich freue mich darauf, zu hören, wie er sie gleich verteidigt.
({8})
Aber auch beim Konjunkturpaket ist es wirklich eine
spannende Sache mit dem Fragezeichen; denn gerade die
CSU und Horst Seehofer haben dabei vieles aufgehalten;
das hätte anders schneller und besser gehen können.
({9})
Aber was diese von den Grünen beantragte Aktuelle
Stunde falsch macht, ist Folgendes: Sie haben ein völlig
falsches Verständnis von Führung, und das verwundert
mich. Ich dachte, bei Ihnen gäbe es noch eine Reminiszenz an die antiautoritäre Zeit. Ich finde, dass die Bundeskanzlerin wirklich ein modernes Führungsverständnis hat.
({10})
Sie sieht, dass mit Frank-Walter Steinmeier ein Vizekanzler da ist, der alle Eckpunkte des Konjunkturprogramms aufgeschrieben hat.
({11})
Sie sieht, dass ein Wolfgang Tiefensee da ist, der mit einem Infrastrukturprogramm die Konjunktur wieder ankurbelt. Sie sieht, dass ein Olaf Scholz es bei der Frage
des Kurzarbeitergeldes richtig macht. Sie sieht, dass
Peer Steinbrück der Richtige ist, um die Finanzkrise zu
meistern.
({12})
Dafür muss man sie doch loben. Es ist ein Zeichen von
moderner Führungskompetenz, dass sie sich hier voll auf
Peer Steinbrück verlässt und nicht auf Michael Glos, der
das auch entsprechend beklagt hat. Ich halte dies also für
einen Ausdruck moderner Führungskultur.
({13})
Der Kollege Heil hat einmal gesagt, die Große Koalition sei durch folgende Arbeitsteilung gekennzeichnet:
Die Sozialdemokraten arbeiteten im Maschinenraum,
und andere versuchten, sich auf dem Sonnendeck zu
sonnen. Jetzt wird deutlich, dass die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht nur im Maschinenraum,
sondern auch auf der Kommandobrücke das Sagen haben.
({14})
Deswegen ist es gut, wenn sich eine Bundeskanzlerin
auf dem Sonnendeck auch bei Regen darauf verlassen
kann, dass die Führungsmannschaft gute Arbeit leistet.
Dies ist ein Ausdruck von Führungsstärke, wofür sie nur
Lob verdient.
Herzlichen Dank.
({15})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans Michelbach
von der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist eine Tatsache: Die Bundeskanzlerin hat
den Auftrag der Wähler zur Übernahme der Richtlinienkompetenz aktiv und erfolgreich genutzt. Die Große
Koalition tritt der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise
verantwortungsvoll entgegen. Alle Versuche, hier zwischen einer sozialdemokratischen Handschrift und einer
bürgerlichen Handschrift zu unterscheiden, führen uns
nicht weiter.
({0})
Tatsache ist auch, dass wir Erfolge bei der Bekämpfung
der Krise zu verzeichnen haben. Das europäisch und international gut abgestimmte Krisenmanagement hat der
deutschen Politik weltweit Respekt verschafft.
({1})
Das Vorurteil von der Ohnmacht der Politik in Zeiten der
Globalisierung hat erst einmal ausgedient.
({2})
Machen wir unsere politische Arbeit doch nicht
schlechter, als sie ist! Es ist Ausdruck einer Fehleinschätzung, wie wir hier in einer solchen aktuellen Stunde
mit den Erfolgen der gemeinsam von uns betriebenen
Politik umgehen. Was sollen denn die Bürgerinnen und
Bürger draußen denken, wenn wir uns hier in kleinkarierter Weise auseinanderdividieren?
Es geht in dieser Zeit um eine Richtlinienkompetenz
für eine praxisnahe, pragmatische Politik, die natürlich
auf den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft
stattfinden muss. Von daher wäre es völlig falsch, wenn
man Krisengewinnler spielen wollte. Marktgläubigkeit
und Staatsverachtung sind jetzt ebenso gescheitert wie
vorher Staatsgläubigkeit und Marktverachtung. Natürlich sehe ich die Gefahr, dass enttäuschtes Marktvertrauen in übertriebenes Staatsvertrauen umschlägt, und
unterschätze sie nicht.
({3})
Wir müssen sehen, die Marktwirtschaft ist immer noch
das beste Wirtschaftssystem.
({4})
Die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin spiegelt die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft
wider. Deswegen wende ich mich dagegen, dass in einer
Großen Koalition einige glauben, eine Rutschbahn in
den Staatskapitalismus sei der richtige Weg. Da müssen
wir Grenzen setzen. Wenn darüber innerhalb einer
Koalition diskutiert wird, dann ist diese Diskussion zum
Aufzeigen der Grenzen notwendig.
({5})
Wir müssen diese Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft wahren und jede Rutschbahn in den Staatskapitalismus verhindern, weil er den durch diese Krise
hervorgerufenen Herausforderungen nicht angemessen
ist.
({6})
Wir müssen die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns
wieder stärker zur Geltung kommen lassen: Anstand und
Aufrichtigkeit, Rücksicht und Verantwortungsbereitschaft sowie die Orientierung an dauerhaften Werten
sind besser als die Gier nach dem schnellen Geld. Mit
diesen Werten hat unser Land ein Wirtschaftswunder geschaffen, und mit diesen Werten wird Deutschland auch
aus dieser Krise herauskommen, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
({7})
Mir steht es an, dem bisherigen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos herzlichen Dank zu sagen. Dieser
Mann hat als ordnungspolitisches Gewissen für seine
Überzeugung gekämpft und sich um unser Land verdient
gemacht.
({8})
Deshalb ist es wichtig, dass jetzt mit Karl-Theodor zu
Guttenberg die Wirtschaftskompetenz der Union fortgeführt wird.
({9})
Er wird ihr zu weiterer Durchschlagskraft verhelfen.
Seine Wirtschaftspolitik wird immer an dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft ausgerichtet sein.
Ich glaube, dass wir bald feststellen können, dass er
seine Arbeit erfolgreich machen wird. Karl-Theodor zu
Guttenberg kann nämlich - darüber freuen wir uns ({10})
eigene Tätigkeit in einem mittelständischen Unternehmen vorweisen. Dieser Mann redet nicht wie der Blinde
von der Farbe, sondern hat Praxiserfahrung und kann so
praxisnah und erfolgreich agieren. Auch ihm kommt zukünftig die Aufgabe zu, das ordnungspolitische Gewissen dieser Großen Koalition zu sein. Er ist kein Proporzminister, wie hier behauptet wurde, sondern ein fähiger,
junger, tatkräftiger Kollege, den ich seit vielen Jahren
sehr schätze.
Denjenigen, die sich gegen die Übertragung des Amtes
an diesen Franken verstiegen haben, kann ich, der ich ja
selber ein Franke bin - das kann ich nicht verleugnen -,
abschließend nur sagen:
({11})
Man muss Gott danken, dass es gibt tüchtige Franken.
Danke schön.
({12})
Das Wort hat jetzt der Kollege Martin Dörmann von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich
will noch einmal auf den Wortbeitrag von Frau Scheel
zurückkommen. Frau Scheel, ich habe durchaus Verständnis, dass die Opposition angesichts der aktuellen
Lage den von der Union verschuldeten Strafstoß hier ins
Plenum gebracht hat, zumal es sich wohl vorher um ein
Foul aus den eigenen Reihen gehandelt hat. Zu diesem
Schluss komme ich jedenfalls, wenn ich die Aussagen
nachvollziehe, die ich im Moment von Herrn Glos lese.
Ich möchte aber auch auf das Problem Richtlinienkompetenz zu sprechen kommen. Ich glaube, wir sollten
dem Publikum nichts vormachen. Ich kann mich nicht
erinnern, dass in den letzten Jahren oder Jahrzehnten irgendein Kanzler von seiner Richtlinienkompetenz in
Streitfragen Gebrauch gemacht hat. Darüber, wie diese
zu verstehen ist, streiten sich ja die Staatsrechtler. Selbst
Helmut Schmidt war am Ende seiner achtjährigen Kanzlerschaft stolz, dass er es immer geschafft hat, Kompromisse hinzubekommen, und nie von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch musste. In Zeiten von Großen
Koalitionen, wo beide Parteien fast gleich stark sind,
wäre es auch nicht richtig, sich darauf zu berufen. Ich
hätte es als spannend empfunden, zu sehen, wie Sie
reagiert hätten, wenn Herr Schröder unabhängig von
irgendwelchen Koalitionsverträgen von seiner Richtlinienkompetenz gegenüber Herrn Trittin oder irgendjemand anderem Gebrauch gemacht hätte.
({0})
Ich glaube also, Richtlinienkompetenz ist in diesem Zusammenhang nicht das richtige Stichwort. Vielmehr sollten wir alle miteinander einen Moment lang selbstkritisch überlegen, was wir nach draußen kommunizieren.
Selbstverständlich darf man nicht immer sagen, dass
alles gut gelaufen ist. Ich denke, die Umstände geben
uns als Sozialdemokraten Anlass zur Sorge, weil ein beMartin Dörmann
stimmtes Bild in der Öffentlichkeit entstanden ist. Dem
können wir nur durch gutes Handeln entgegenwirken.
Das wollen wir.
Ich danke aber auch Herrn Glos dafür, dass er in den
vergangenen Jahren mit uns eine gute Kommunikation
gepflegt hat. Wir hätten uns einen noch besseren Wirtschaftsminister wünschen können, beispielsweise hätte
Peer Steinbrück dieses Amt in Personalunion mit dem
des Finanzministers wunderbar ausüben können.
({1})
Dieser Vorschlag war ja auch schon auf dem Tisch. Aber
der Koalitionsvertrag sieht etwas anderes vor. Das Zepter des Handelns lag sozusagen aufseiten der CSU.
Ich will ausdrücklich betonen, dass wir die Zusammenarbeit mit dem neuen Wirtschaftsminister Herrn zu
Guttenberg sehr konstruktiv angehen werden. Ich freue
mich schon auf die Diskussionen.
Ich möchte nun auf die Inhalte zu sprechen kommen
und deutlich machen, dass die SPD inhaltlich an vielen
Stellen innerhalb dieser Großen Koalition etwas Gutes
erreicht hat. In der Politik geht es nämlich nicht in erster
Linie um Richtlinien, sondern vielmehr um Leitlinien.
An vielen Stellen wird deutlich, dass Sozialdemokraten
diese Leitlinien mitprägen. Das ist ja auch gut so. Insofern stimme ich dem Kollegen Pronold ausdrücklich zu,
dass es auch ein Zeichen von Führungsstärke sein kann,
nämlich der Kanzlerin an dieser Stelle, wenn sie den Rat
von guten sozialdemokratischen Ministern wie beispielsweise Peer Steinbrück sucht, gute Vorschläge der Sozialdemokraten aufnimmt und diese auch entsprechend umsetzt. Dabei hat sie unsere volle Unterstützung.
({2})
Ganz aktuell sehen wir das beim Konjunkturpaket II.
Es trägt sozialdemokratische Handschrift. Es ist im Wesentlichen von fünf Leitlinien geprägt.
Unsere erste Leitlinie lautet, auf Investitionen, insbesondere in den Kommunen, zu setzen, damit Infrastruktur aufgebaut wird, und zwar schwerpunktmäßig im Bildungsbereich. Wir sagen nämlich: Wenn wir schon
Schulden machen müssen - das müssen wir in diesen
Zeiten -, dann bitte für solche Dinge, die sich für die
nachfolgenden Generationen positiv auswirken und die
sie nach vorne bringen.
({3})
Die SPD versteht sich als Kommunalpartei. Wir haben dafür gesorgt, dass die Gewerbesteuer erhalten geblieben ist. Wir stehen dafür, dass das Geld bei den
Kommunen vor Ort ankommt. Das Gleiche gilt für die
Unternehmen, die durch Bürgschaftsprogramme und
durch Kreditprogramme der KfW unterstützt werden.
Der zweite Bereich. In diesen schweren Zeiten müssen wir für Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger
sorgen. Die Sozialdemokraten sagen aber auch: Das
muss sozial gerecht, also mit einem klaren Schwerpunkt
auf den unteren Einkommen, erfolgen.
({4})
Für diese Einkommensgruppe muss es zu Steuersenkungen und zu einer Absenkung des Krankenkassenbeitrages kommen.
Der dritte Bereich. Wir brauchen gezielte Hilfen für
Branchen, die besonders betroffen sind - dazu zählt die
Automobilindustrie - und von denen sehr viele Arbeitsplätze in Deutschland abhängig sind. Deshalb haben wir
die Umweltprämie bzw. Abwrackprämie - wie immer
Sie sie nennen wollen - durchgesetzt. Die Grünen sagen
an dieser Stelle, dass mit dieser Prämie, was das Thema
Umweltschutz angeht, nicht das Ei des Kolumbus gefunden wurde.
({5})
Darauf sage ich nur: Sie haben den Sinn des Konjunkturprogramms nicht verstanden.
({6})
Wir müssen in einer Krisensituation Prioritäten setzen.
Die Priorität ist, Arbeitsplätze zu erhalten.
Der vierte Bereich. Wir begrenzen die Verschuldung.
Es kann nicht sein - das sage ich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Linken -, dass wir die zukünftigen Generationen so belasten, dass es am Ende zu negativen Effekten führt.
Der fünfte Bereich ist uns Sozialdemokraten besonders wichtig. Wir wollen den Arbeitsmarkt erhalten.
Dank der verbesserten Kurzarbeiterregelungen haben
wir dafür gesorgt, dass es in diesem Jahr 250 000 Arbeitslose weniger geben wird - so die Experten -, als
ohne diese Regelungen zu erwarten wäre.
Sie sehen: Dies ist ein ausgewogenes Paket, was in
den Anhörungen insgesamt durchaus bestätigt wurde,
obwohl es den einen oder anderen gibt, der andere Wünsche hat.
Herr Döring, was ich aber überhaupt nicht verstehen
kann, ist, dass Sie das Argument „Das sind ja nur Milliönchen“ anführen. Ich kann denjenigen Kollegen nur
recht geben, die hier schon angemerkt haben, dass gerade die FDP, die sich rühmt, Wirtschaftspartei zu sein,
kein Konzept vorlegt. Einerseits kritisieren Sie die Verschuldung, andererseits fordern Sie mehr Entlastungen.
Wir wissen genau, welche Klientel Sie in erster Linie
entlasten wollen. Das passt alles nicht zusammen; das alles ist kein Konzept.
({7})
Herr Kollege Dörmann, kommen Sie bitte zum
Schluss.
Ich komme zum Schluss.
Es geht hier nicht um Richtlinienkompetenz, sondern
um die Kompetenz bei den Leitlinien der Politik. Die
Sozialdemokraten und auch die Große Koalition sind da
gut aufgestellt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich will zunächst drei Bemerkungen zu Ihrer
Rede, Frau Kollegin Künast, machen.
Die erste Bemerkung. Die Opposition beantragt normalerweise eine Aktuelle Stunde, damit die Regierung
ins schlechte Licht gerückt wird, damit also Minuspunkte aufgezeigt werden. Die von Ihnen beantragte
Aktuelle Stunde hat aber dafür gesorgt, dass die Regierung Pluspunkte sammeln konnte.
({0})
Denn die Große Koalition hatte Gelegenheit, die Leistungen dieser Regierung aufzuzeigen. Die können sich
sehen lassen. Das hat sicherlich jeder Zuschauer mitbekommen.
({1})
Die zweite Bemerkung. Stellen Sie sich einmal vor,
die Finanzkrise hätte uns während Ihrer Regierungszeit
erreicht. Wie stand es um Deutschland am Ende dieser
Zeit? Wir waren Schlusslicht in Europa.
({2})
Es wäre zu einer Katastrophe gekommen. Heute trifft
uns die Krise zu einem Zeitpunkt, wo wir gut aufgestellt
sind.
Die dritte Bemerkung. Ich weiß nicht, wie unter RotGrün damals Minister gemacht worden sind. Ich hatte
den Eindruck, Joschka Fischer hat es für seine Partei alleine gemacht. Mit der Richtlinienkompetenz ist es in
einer Koalition so eine Sache. Eine starke Führungspersönlichkeit - das ist nun einmal unsere Bundeskanzlerin - zeichnet sich dadurch aus, dass sie in der Lage ist,
Kompromisse zu finden, mit denen beide Koalitionspartner leben können.
Das ist die schwierige Aufgabe einer Bundeskanzlerin in einer Koalition. Dies ist unserer Bundeskanzlerin
hervorragend gelungen.
({3})
Die Koalitionsfraktionen nutzen natürlich die Chance,
aufzuzeigen, wie gut die eigenen Minister sind. Herr
Kollege Dörmann, Sie haben einen vergessen: Herrn
Tiefensee. Zu ihm wird wahrscheinlich der Generalsekretär noch etwas sagen.
({4})
Ich will aber auf Folgendes hinweisen: Die Große
Koalition hat in den letzten drei Jahren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland grundlegend
verbessert:
({5})
Wir haben 2 Millionen Arbeitslose weniger. Mit über
40 Millionen Beschäftigten haben wir die höchste Zahl
in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht. Das, was
wir zum Thema „Sanierung der Staatsfinanzen“ vorzuzeigen haben, kann sich sehen lassen.
({6})
Wenn Sie unsere wirtschaftliche Situation mit der der
anderen europäischen Nationen vergleichen, dann können Sie mir nur zustimmen, wenn ich sage: Unsere derzeitige Situation ist deutlich besser als die aller anderen
Länder in Europa. Dennoch hat diese Regierung unter
Leitung der von Ihnen kritisierten Bundeskanzlerin mehr
Maßnahmen beschlossen, um mit dieser Krise fertig zu
werden, als die anderen Regierungen in Europa. Sarkozy
hat einen Vorteil: Er ist in der Lage, kleine Leistungen
groß zu verkaufen.
({7})
Nur, wenn Sie die von uns beschlossenen Maßnahmen
- insbesondere die, die wir am Freitag beschließen werden - in Relation zu unserem Bruttosozialprodukt sehen
und dies mit der Situation in den anderen Ländern vergleichen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis: Wir haben
zwar eine hervorragende Situation im Vergleich zu den
anderen Ländern, haben aber mehr Maßnahmen ergriffen als die anderen. Das zeigt doch: Unter Führung dieser Bundeskanzlerin sind wir auf einem hervorragenden
Weg.
Ich sage mit aller Deutlichkeit: Vieles spricht dafür,
dass wir zu den Volkswirtschaften gehören, die aus dieser Krise gestärkt hervorgehen können. Bei dem wichtigen Thema der Staatsverschuldung sieht es zurzeit so
aus, dass wir trotz der enorm hohen neuen Schulden, die
wir machen müssen - es wäre zu teuer, wenn wir jetzt
keine neuen Schulden machen würden; um es klar zu sagen: was wäre los, wenn wir nichts machen würden! -,
wahrscheinlich das einzige Land in Europa sind, das die
Chance hat, in diesem Jahr sogar das 3-Prozent-Kriterium einzuhalten.
Diese Aktuelle Stunde hat deutlich gemacht: Die
Große Koalition hat gute Arbeit geleistet. Die Bundeskanzlerin hat diese Große Koalition gut geführt. Es ist
ihr immer gelungen, tragfähige Kompromisse zu finden.
Das wird, je näher die Bundestagswahl heranrückt, natürlich immer schwieriger. Aber wie ich unsere Bundeskanzlerin kenne, wird sie das auch im nächsten halben
Jahr hinbekommen.
({8})
Deutschland kann davon ausgehen, dass wir diese
schwere Wirtschaftskrise unter einer guten und starken
Führung gut überstehen werden.
({9})
Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat das
Wort der Kollege Hubertus Heil von der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Künast, ich finde, wir sollten ein paar
Dinge auseinanderhalten und dürfen nicht alles durcheinanderwerfen. Deshalb ist meine Frage: Was werfen
Sie der Kanzlerin vor? Was werfen Sie Frau Merkel vor,
um genau zu sein? Sie wollen der Bundeskanzlerin doch
nicht etwa vorwerfen, dass sie starke Ministerinnen und
Minister hat?
({0})
Das ist etwas Vernünftiges; das ist deutlich geworden.
Wir haben eine andere Diskussion zu führen - man muss
sie allerdings ernsthaft führen -, nämlich die Diskussion
über die unterschiedlichen Parteien. Das hat uns aber im
Sommer zu beschäftigen.
Was meine ich mit all dem? Man muss feststellen
- aus Gründen der Fairness sollte auch die Opposition in
der Lage sein, das zu attestieren -, dass die Bundesregierung in dieser schwierigen Gesamtsituation handlungsfähig ist.
({1})
- Sie können zwar Maßnahmen kritisieren; aber die
Handlungsfähigkeit dieser Regierung können Sie nicht
ernsthaft bestreiten.
({2})
Ich hielte es für richtig, wenn Sie zumindest das anerkennen würden. Denn vor dem Hintergrund dessen, dass
wir die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen haben, muss das gesamte Parlament,
also Opposition und Regierungsfraktionen, mithelfen,
dass aus einer Wirtschaftskrise keine Demokratiekrise
wird. Das sollte man einmal deutlich machen.
({3})
Insofern werbe ich darum, dass Sie zumindest anerkennen, dass diese Bundesregierung in einer Situation, die
nicht in Deutschland, sondern auf den internationalen
Finanzmärkten, aus den USA kommend, verursacht
wurde, schnell und richtig reagiert hat, dass sie zugepackt hat.
({4})
Stellen Sie sich einmal vor, was geschehen wäre,
wenn wir im Herbst den Zusammenbruch einer deutschen Bank zugelassen hätten, wie wir es in den USA
mit Lehman Brothers erlebt haben. Ich sage Ihnen etwas
zum Thema Hypo Real Estate: Wenn man sich vor Augen führt, was in diesem Laden gelaufen ist, können sich
einem die Nackenhaare aufstellen; das ist richtig. Wenn
wir aber nicht Verantwortung übernommen hätten und
weiterhin Verantwortung übernehmen würden, wenn wir
den Zusammenbruch dieser Bank zugelassen hätten,
dann wären die Folgen - das sagen uns alle Experten mindestens so schwerwiegend wie bei Lehman Brothers
gewesen.
({5})
Es geht nicht darum, Bankern zu helfen. Es geht darum,
dass wir in unserer Volkswirtschaft die richtige Politik
machen; denn das liegt im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Sparerinnen und Sparer und
des Mittelstandes, der mit Krediten versorgt werden
muss.
Insofern bitte ich Sie, Frau Künast, die Themen auseinanderzuhalten. Wir haben in dieser Situation richtig
und mit Augenmaß, aber auch konsequent reagiert. Das
spiegelt sich auch im Konjunkturpaket wider. Das andere ist der Anlass für diese Aktuelle Stunde, der Rücktritt, sagen wir: der Vorgang Michael Glos am vergangenen Wochenende. Das war Gegenstand öffentlicher
Erörterungen. Ich fand den Ablauf in vielerlei Hinsicht
schwierig, um nicht zu sagen: würdelos. Das ist aber ein
Problem der CSU; darüber sollten wir in diesem Haus
nicht diskutieren.
({6})
Über einen anderen Punkt muss man ernsthaft reden.
Wir müssen differenzieren: Das eine ist die Kritik an der
Kanzlerin, die in ihrer Regierung starke Ministerinnen
und Minister hat. Ich finde diese Kritik unangebracht. Es
ist gut, wenn man starke Ministerinnen und Minister hat.
Das andere ist die Frage, ob Leute, die nicht im Kabinett
sind, von außen mitregieren. Unter Kurt Georg Kiesinger
gab es schon einmal eine Große Koalition in Deutschland. Er hat die Koalition gut moderiert und hatte auch
starke Ministerinnen und Minister. Ein Problem hatte er
aber nicht: Der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef
Strauß war Bundesminister und hat in der damaligen,
kleineren Wirtschaftskrise zusammen mit dem sozialdemokratischen Minister Schiller das Ganze gut hinbekommen. Er hat das gut moderiert.
An der einen oder anderen Stelle ist es problematisch
- das lässt sich nicht leugnen -, wenn Horst Seehofer aus
Bayern meint - er steht übrigens gar nicht in dem entsprechenden Artikel des Grundgesetzes; ich habe nachgeschaut -, des Profils der CSU wegen die Arbeit der
Bundesregierung blockieren zu müssen. Das betrifft das
Umweltgesetzbuch. Dazu gab es eine Vereinbarung; an
die hat man sich aber nicht gehalten.
({7})
Frau Merkel hat in diesem Zusammenhang als CDUVorsitzende - ich spreche jetzt nicht über sie als Kanzlerin - nicht ihrer eigenen Überzeugung entsprechend gehandelt. Das ist etwas, was wir zu Recht kritisieren. Das
weiß die deutsche Öffentlichkeit.
Aus meiner Sicht muss man das auseinanderhalten:
Das eine ist das Verhalten der Kanzlerin in einem Kabinett mit starken Ministerinnen und Minister; das andere
ist die Frage, ob sich Parteien darauf verlassen können,
dass die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Wir werden darauf achten, dass die Vereinbarungen dieser Großen Koalition eingehalten werden. Das sage ich an die Adresse der Kolleginnen und
Kollegen aus den Reihen unseres Koalitionspartners, an
CDU und CSU, gerichtet. Das betrifft - ich sage das an
dieser Stelle sehr deutlich - auch die Vereinbarung zur
Lohnuntergrenze für Zeit- und Leiharbeit.
({8})
- Ich habe das UGB gerade genannt. Das ist ein ärgerlicher Vorgang.
({9})
Dazu kann ich nur sagen, dass die CDU-Umweltministerin von Baden-Württemberg, Frau Gönner, vollkommen
recht hat: Wir waren handlungsfähig und einigungsfähig; nur das Reingrätschen von Herrn Seehofer - wie ich
finde, ohne Sinn und Verstand - hat dazu geführt, dass
dieses wichtige Projekt, das eine Herzensangelegenheit
der Bundeskanzlerin, der früheren Bundesumweltministerin Angela Merkel, war, gestoppt wurde. Das ist ein ärgerlicher Vorgang.
Nichtsdestotrotz ist diese Bundesregierung handlungsfähig. Sie muss es auch weiterhin sein; denn wir
haben noch eine Fülle von Arbeit zu erledigen. Beispielsweise das Thema Hypo Real Estate wird uns bei
der Bewältigung der Finanzkrise weiterhin beschäftigen.
Es geht um pragmatisches Handeln. Es geht darum, den
Zusammenbruch zu verhindern und dafür zu sorgen,
dass wir eine öffentliche Kontrolle dieses Unternehmens
erreichen. Deswegen müssen wir handlungsfähig bleiben.
Es geht nicht nur um die Bewältigung der Symptome
dieser Krise, sondern auch darum, zu fragen, welche
Konsequenzen wir ziehen, welche Regeln wir jetzt auf
den Finanzmärkten durchsetzen wollen.
Meine Bitte an dieser Stelle ist, einen Ideenwettbewerb auszurichten. Wir müssen dafür sorgen, dass aus
dieser Krise Konsequenzen gezogen werden und dass
man nicht zur Tagesordnung übergeht nach dem Motto:
Jetzt muss der Staat helfen, dann soll er sich wieder zurückziehen. Diese Finanzmarktkrise lehrt, dass funktionierende Märkte Regeln brauchen. Wer dies nicht begriffen hat, hat den Schuss nicht gehört. Ich befürchte,
einige in diesem Haus haben den Schuss nicht gehört;
denn sie verharmlosen schon jetzt, was passiert ist.
Herr Kollege Heil, bitte.
Diese Große Koalition muss ihre Arbeit weiterhin
leisten.
({0})
Wir werden nach dem 27. September dieses Jahres in einer anderen Konstellation mit Frank-Walter Steinmeier
als Bundeskanzler unser Land sicher nach vorne führen.
Das ist unser Ziel.
({1})
Aber wir sind bereit, in dieser Koalition unter der Moderation von Angela Merkel weiterzuarbeiten.
({2})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. Februar 2009,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.