Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/11/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Sitzung ist eröffnet. Der in der 203. Sitzung am 30. Januar 2009 in erster Lesung beratene und an die Ausschüsse überwiesene Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland auf Drucksache 16/11740 soll nachträglich an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zivilen Sicherheit. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Annette Schavan.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zivilen Sicherheitsforschung beraten und ihm zugestimmt. Gegenstand des Abkommens ist die gemeinsame Forschung in Bereichen, die aus der Perspektive der zivilen Sicherheitsforschung Themen von strategischer Relevanz aufgreift. Das Abkommen ist Grundlage für bilateral geförderte Verbundforschung. In der ersten Phase ist an fünf bis sechs Projekte gedacht. Einbezogen sind Forschungseinrichtungen und Hochschulen, Industrie und Endnutzer, zum Beispiel Behörden und Infrastrukturbetreiber. Deutschland hat ein vitales Interesse daran, dass der transatlantische Personen-, Waren- und Informationsverkehr sicher ist und nicht durch einseitig festgelegte Sicherheitsauflagen belastet wird. Daher sollen auf der Basis des Abkommens Forschungs- und Entwicklungsprojekte initiiert werden, in deren Rahmen innovative und auf gemeinsame Standards zielende Sicherheitslösungen entwickelt werden. Dies geschieht unter Einbeziehung der Wirtschaft, um die Wettbewerbsposition der beteiligten Unternehmen und ihre Marktzugangschancen in den USA zu stärken. Das Abkommen ist bereits im vergangenen Jahr ausgehandelt worden. Es wird das erste Abkommen sein, das wir im Rahmen des transatlantischen Bündnisses mit der neuen Administration der Vereinigten Staaten abschließen. Ich gehe davon aus, dass wir das Abkommen im kommenden Monat, im März, unterzeichnen können, wenn die neue US-Heimatschutzministerin, Frau Napolitano, Berlin besuchen wird. Ich erwarte, dass sich die Zusammenarbeit im Bereich der zivilen Forschung, was die ersten Projekte angeht, vor allem auf den Schutz kritischer Infrastrukturen bzw. auf die Sicherung von Warenketten konzentrieren wird. Sie wissen möglicherweise, dass es vom US-Kongress Sicherheitsauflagen bezüglich des Durchleuchtens sämtlicher Container von den Ausgangshäfen ausgehend gibt; sie sollen ab 2012 umgesetzt werden. Zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten besteht hierüber Dissens. Es fehlen Technologien, die das möglich machen. Es besteht generell der Eindruck, dass diese erlassenen Sicherheitsauflagen den Warenverkehr behindern. Das ist ein klassisches Beispiel für das, was wir meinen, wenn wir von der Sicherung von Warenketten und Informationsketten - diese betreffen auch die Sicherung von Infrastruktur - sprechen. Sie müssen immer beides berücksichtigen: auf der einen Seite den Sicherheitsaspekt und auf der anderen Seite die Verhinderung von Behinderungen im Warenverkehr. Das Abkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ist im Innovationsfeld Sicherheitstechnologien als Teil der Hightech-Strategie intendiert. Wir haben damals, auch hier im Parlament, vereinbart, dass Redetext wir uns - wie in anderen Bereich auch - um internationale Abkommen bemühen werden. Erste Abkommen sind mit Israel und Frankreich im letzten Jahr geschlossen worden. Jetzt geht es um das neue Abkommen mit den USA. Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit, und zwar durch innovative Lösungen. Ich sage ausdrücklich zweierlei: Erstens. Das, was mit diesem Abkommen verbunden ist, also auch die Konkretisierung in den einzelnen Projekten, ist zwischen allen beteiligten Häusern, speziell dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium, besprochen. Zweitens. Wir konzentrieren uns - so wie im gesamten Forschungsprogramm zur zivilen Sicherheit - nicht allein auf technologische Lösungen, sondern werden in alle Projekte damit verbundene relevante gesellschaftliche, soziale und ethische Fragestellungen ausdrücklich einbeziehen. Denn innovative Lösungen bedeuten nicht nur, technologisch voranzukommen, sondern auch ein stringentes Konzept damit zu verbinden, das Freiheit einerseits und Sicherheit andererseits berücksichtigt. Vielen Dank.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Mir liegen bereits Wortmeldungen vor. Die erste Frage stellt Kollegin Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, über welche Stärken verfügt die zivile Sicherheitsforschung der USA konkret, die gemeinsamen FuE-Projekten Nutzen bringen könnten? Anders formuliert: Welche gemeinsamen Projekte verfolgen Sie konkret - auch bezüglich einer eigenen kritischen Masse - durch eine enge Wissenschaftskooperation?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Forschungsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und uns gilt zunächst einmal generell, dass es auf beiden Seiten besondere Interessen gibt, was die Sicherheitsaspekte und Kompetenzen im Bereich der Technologie angeht. Wir glauben - ein Beispiel habe ich eben genannt -, dass einige Auflagen zur Gewährleistung der Sicherheit - diese Auffassung teilen wir mit anderen Mitgliedern der Europäischen Union - nicht geeignet sind, eine gute Verbindung zwischen den Sicherheitsaspekten einerseits und der Frage der Wirtschaftlichkeit und des Funktionierens von Warenketten andererseits herzustellen. Deshalb ist unser spezielles Interesse an der Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, hier zu innovativen Lösungen zu kommen. Die Kompetenzen in der Forschungslandschaft sind auf beiden Seiten entstanden, sowohl bei den Hochschulen als auch bei den eigentlichen Infrastrukturbetreibern. Sie wissen, dass auf diesem Gebiet ein großer Markt entstanden ist. Das Interesse muss sein, zu diesem Markt auch international Zugang zu haben und hierfür alle Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Jetzt die Frau Kollegin Sitte. - Bitte.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Zumindest bis gestern war sowohl der Koalition als auch offensichtlich den maßgeblich Beteiligten nicht bekannt, was in diesem Regierungsabkommen geregelt werden soll. Insofern war diese Information ganz sicher, fast schon geheim, möchte ich sagen. Dieses Abkommen muss offensichtlich vonseiten der USA noch unterzeichnet werden. Nun ist es so, dass es zwischen den USA und Deutschland erhebliche Differenzen darüber gibt, was die Standards sein sollen. Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung, dass es um die Definition von gemeinsamen Standards geht. Umgekehrt wissen wir, dass wir gerade zu den Positionen der USA in Sachen Sicherheitspolitik hinsichtlich der Fragen der Grundrechte und der Freiheitsrechte oftmals sehr differente Auffassungen haben. Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung auch, dass es um die Definition von rechtlichen, ethischen und sozialwissenschaftlichen Fragen geht. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Was verbirgt sich konkret hinter dieser Formulierung?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Zunächst einmal ist das kein Spezifikum nur des Abkommens mit den Vereinigten Staaten. Es ist die Besonderheit des Programms zur zivilen Sicherheitsforschung in Deutschland, dass wir von vornherein gesagt haben: Es geht nicht nur um die Optimierung von Technologie. Vielmehr steht für uns die Weise, wie Technologie weiterentwickelt wird, in einem engen Zusammenhang mit der Beantwortung von Fragen nach den Standards. Das gilt für ethische und soziale Standards, die je nach kulturellem Kontext verschieden sind. Deshalb ist die Besonderheit dieses zivilen Sicherheitsforschungsprogramms und der Abkommen, die wir schließen - das gilt gleichermaßen für die Abkommen mit Israel und Frankreich -, dass die Begleitforschung, wie man sie früher nannte, in jedes Verbundforschungsprogramm hineinspielt. Ich sage: Ethische Fragen geben zum Teil wesentlich die Richtung für das vor, was technologisch gewollt wird. Dahinter verbirgt sich also nichts Spezifisches im Verhältnis zu Amerika, sondern dahinter verbirgt sich das Spezifische unseres Programms. Dass das geheim gewesen sein soll, kann ich nicht bestätigen. Das zivile Sicherheitsforschungsprogramm haBundesministerin Dr. Annette Schavan ben wir im Ausschuss ausführlich besprochen und ist zwischen allen Häusern abgestimmt worden. Es war klar, dass wir mit Partnern, die hinsichtlich ihrer Definitionen und ihrer Vorstellungen im Zweifelsfall mit unseren differieren, zusammenarbeiten. Ich habe das Beispiel eben genannt: Die Auflagen des US-Kongresses sehen wir in Europa als keine optimale Lösung an. Wir brauchen andere Lösungen und eine bessere Verbindung, damit es wirtschaftlich wird. Es gilt nicht nur für dieses Abkommen, sondern generell: Unsere zivile Sicherheitsforschung soll nicht nur reine Technologieentwicklung sein, sondern jeweils den gesamten Kontext beinhalten, also auch Bürgerrechte und Gewährleistung von Freiheit.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Koppelin, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, da ich ein neugieriger Mensch bin: Dieses Abkommen ist Thema der heutigen Kabinettssitzung gewesen. Darf ich Sie fragen, wie die Kabinettssitzung verlaufen ist? Wie lange ist über dieses Abkommen diskutiert worden, und welche Minister haben sich an dieser Diskussion beteiligt?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Jedes Thema, um das es geht, wird im Kabinett zunächst einmal vorgetragen. Über das heutige Thema habe ich berichtet. Daraufhin hat sich der Bundesinnenminister zu Wort gemeldet. Dann ist dieses Abkommen zustimmend zur Kenntnis genommen worden. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie lange hat diese Diskussion ungefähr gedauert: drei oder fünf Minuten?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Zehn bis zwölf Minuten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Sager, bitte.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, nach dem 11. September 2001, also in der Zeit der Bush-Regierung, hat sich in den USA eine andere Sicherheitsphilosophie entwickelt als in Deutschland und in Europa insgesamt. Bei der Abwägung von Themen wie Datenschutzstandards, Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte kommen wir zu anderen Ergebnissen als die Amerikaner. Ein Beispiel für die unterschiedliche Sensibilität in diesen Fragen ist die Diskussion, die in Europa und Deutschland über den Einsatz des sogenannten Nacktscanners geführt wurde. Wie soll Sorge dafür getragen werden, dass sich bei uns im Rahmen der Kooperation mit den USA keine USStandards einschleichen? Oder umgekehrt: Kann dafür Sorge getragen werden, dass Durchleuchtungstechnologien, die hierzulande keine Akzeptanz gefunden haben, auch in den USA nicht zum Einsatz kommen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

An dem, was Sie gesagt haben - Beispiel: Nacktscanner -, wird deutlich, dass für die Forschung auf dem Gebiet der zivilen Sicherheit nicht nur nationale Initiativen, sondern auch internationale Abkommen von Bedeutung sind. Im internationalen Rahmen kann man sich noch intensiver als im nationalen Kontext mit kulturellen Aspekten und mit verschiedenen Zugängen zu bestimmten Fragen, die nach unserem Verständnis mit Ethik und Kultur zu tun haben, befassen. Die Diskussion über den Einsatz des Nacktscanners ist ein gutes Beispiel dafür, dass technologische Entwicklungen, die unserer Überzeugung nach die persönliche Integrität der Bürger und Bürgerinnen beschädigen, in Deutschland und in Europa nicht akzeptiert werden. Unsere Schlussfolgerung darf aber nicht lauten, dass nichts passieren kann. Vielmehr müssen wir uns für technologische Weiterentwicklungen einsetzen, die gewährleisten, dass keine Durchleuchtungsinstrumente und -methoden angewendet werden, die den Bürger als Ganzen betreffen. Ziel muss sein, dass nur das gefunden wird, was gefunden werden soll. Das ist der klassische Fall, über den diskutiert wird. Es geht nicht darum, Maßstäbe anderer zu übernehmen, sondern darum, auch im internationalen Kontext in einen Dialog einzutreten, in dessen Rahmen beide Aspekte berücksichtigt werden. Was technologische Weiterentwicklungen angeht, muss sichergestellt sein, dass wir die Achtung der Menschenwürde, der Freiheit und des Kulturbewusstseins auch im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen für selbstverständlich bzw. für notwendig halten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Barth.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Im Moment gibt es in unserem Land eine Menge großer Probleme. In den meisten Ausschüssen wurde heute über das Konjunkturpaket und ähnliche Themen diskutiert. Mich würde interessieren, was die Bundesregierung veranlasst hat, ausgerechnet dieses Abkommen zum Thema der heutigen Befragung der Bundesregierung zu machen. ({0}) Diese Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass wir, die Abgeordneten, zu diesem Thema Fragen stellen sollen, dies allerdings ohne Kenntnis des Abkommens tun müssen, weil wir keine entsprechende Vorlage erhalten haben. ({1}) Ich möchte Sie fragen: Wie ist es dazu gekommen, und haben zumindest die Ministerien die Vorlage im Vorfeld der heutigen Kabinettssitzung erhalten? ({2})

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ich finde nicht, dass Sicherheitsfragen - erst recht im internationalen Kontext - Nebensächlichkeiten sind. ({0}) Dieses Thema ist genauso wichtig wie viele andere Themen, von denen die Zeitungen voll sind. Das Abkommen ist im letzten Jahr ausgehandelt worden. Wir haben den Wechsel der Administration abgewartet. Wir wissen, dass die Heimatschutzministerin im nächsten Monat nach Berlin kommen wird. Deshalb lag es jetzt nahe, darüber im Kabinett zu entscheiden und dann zu unterschreiben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Röspel.

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich stelle zunächst einmal fest, dass die Opposition unterschiedlich gut vorbereitet ist. Danke trotzdem, Frau Ministerin, dass Sie uns die Möglichkeit geben, Nachfragen zu stellen. Wenn es bei diesem Projekt zum Beispiel um die Sicherung von Warenketten geht, geht es auch um die Detektion von ABCWaffen. Meine Frage ist, inwieweit sichergestellt wird, dass solche Forschung tatsächlich nur zivilen Zwecken dient, dass gerade bei der Zusammenarbeit mit den USA nicht militärische Sicherheitsforschung betrieben wird.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Es ist wie beim nationalen Sicherheitsforschungsprogramm sichergestellt, dass sich dieses Programm nicht mit militärischer Sicherheitsforschung befasst und auch nicht mit Zielen der Verteidigungspolitik. Hier gibt es eine klare Unterscheidung; das ist in den Gesprächen zwischen den beiden Häusern deutlich geworden. Technologisches Know-how, industriell erworbenes technisches Know-how, das im Kontext militärischer Projekte eine Rolle spielt, kann grundsätzlich auch für zivile Anwendungen genutzt werden. Zivile Sicherheitsforschung hingegen steht zwingend in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den jeweils definierten Zielen und Standards sowie mit den ethischen Implikationen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Müller.

Carsten Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003815, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, wir freuen uns, dass insbesondere die FDP Aufklärungsbedarf sieht. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, in welchem Umfang der Bereich der Sicherheitsforschung und der nachgelagerten Industrien in diesen wirtschaftlich turbulenten Zeiten Arbeitsplätze in Deutschland bietet und wie Sie die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Wirtschaftssektors einschätzen.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Nach der übereinstimmenden Überzeugung der Experten handelt es sich hierbei um eine zukunftsträchtige Branche. Der Umsatz der Sicherheitstechnik und der damit verbundenen Dienstleistungen beträgt in Deutschland nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts schon jetzt 10 Milliarden Euro. In einer aktuellen Studie des Wirtschaftsministeriums wird sogar von einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro ausgegangen; das entspricht in etwa 100 000 Arbeitsplätzen. Nach der Aussage des Fachverbandes BITKOM ist der weltweite Markt für Sicherheitselektronik - um nur dieses Segment zu nennen - in den vergangenen Jahren um mehr als 60 Prozent gewachsen. Der Umsatz betrug 2000 rund 16,6 Milliarden Euro. 2005 betrug er bereits 26 Milliarden Euro. Es wird damit gerechnet, dass der Jahresumsatz bis 2010 rund 40 Milliarden Euro erreicht. Auf Deutschland bezogen summiert sich der Umsatz 2005 allein in diesem Segment auf knapp 2 Milliarden Euro. Unbestritten gibt es ein starkes wirtschaftliches Interesse im nationalen Kontext, aber auch was die Teilhabe am internationalen Markt angeht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, ich finde es wichtig, dass Sie nicht nur auf die bürgerrechtliche, sondern auch auf die ökonomische Bedeutung hingewiesen haben. Wir leben in einer Welt mit kritischen Infrastrukturen, die angreifbar sind, in der Bürgerrechte gefährdet werden können, in der Forschungsgeheimnisse ausgespäht werden, in der Wirtschaftsspionage betrieben wird etc. Insofern begrüße ich, dass es zu diesem bilateralen Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika kommen wird. Die neue Administration hat angekündigt, dass sie die Bilateralität in Zukunft stärker betonen will. Konnten Sie zwischen der alten und der neuen Administration Unterschiede feststellen? Denkbar wäre ja eine Fortentwicklung des Abkommens, gerade unter den Gesichtspunkten Datenschutz, IT-Sicherheit, Privatsphäre; diese Gesichtspunkte sind ja außerordentlich bedeutend für dieses Programm. Sie haben auf die kulturellen Unterschiede hingewiesen. Auch hier stellt sich die Frage, ob es durch solche Abkommen, die, wie gesagt - ich wiederhole das -, außerordentlich begrüßenswert sind, möglicherweise zu einer kulturellen Annäherung kommen kann.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Die neue US-Administration hat das ausgehandelte Abkommen unverändert übernommen. Auch deshalb, weil es keinerlei Änderungen im Vergleich zum Abkommen mit der früheren Administration gibt, konnten wir das Abkommen zu einem frühen Zeitpunkt im Kabinett verabschieden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Sitte.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir haben in der jüngsten Zeit in den Gesprächen mit den großen deutschen, öffentlich finanzierten Forschungsorganisationen - unter anderem der FraunhoferGesellschaft - immer wieder vorgetragen bekommen, dass man Auslandsstellen einrichten will. Es gibt ja auch schon eine in den USA. Inwieweit sind die in die Verhandlungen eingebunden, bzw. inwieweit ist beabsichtigt, die Forschungsorganisationen in die Erfüllung der einzelnen Punkte dieses Regierungsabkommens mit einzubeziehen? Inwieweit kann man schon jetzt absehen, welche Partner in den USA im wissenschaftlich-technologischen Bereich beteiligt werden?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Erstens. Bei der Diskussion über Auslandsinstitute - etwa die Fraunhofer-Gesellschaft oder das MaxPlanck-Institut - geht es um andere Themen und nicht um diesen Sektor. Zweitens. Das Abkommen - das gilt auch für die damit verbundenen Prioritäten in der Forschung - ist selbstverständlich unter Einbeziehung unserer Forschungsorganisationen zustande gekommen. Bei der konkreten Umsetzung von Projekten wird dies auch so sein. Verbundforschung heißt letztendlich, dass unsere Forschungseinrichtungen und Hochschulen, aber eben auch Unternehmen und vor allen Dingen Organisationen beteiligt sind, die selbst über eine entsprechende Infrastruktur verfügen. Ich kann Ihnen heute noch keine konkreten Partner nennen. Wenn die entsprechenden Ausschreibungen erfolgt sind, wird sich zeigen, wer sich darauf konkret bewirbt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Hinz.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben vorhin erläutert, wie wichtig Ihnen die Einbindung sozialwissenschaftlicher und ethischer Fragestellungen in die Sicherheitsforschung ist. Sie wissen, dass wir als Grüne hinsichtlich der Einbindung dieser Aspekte in die bisherigen Forschungskonzepte durchaus kritisch sind. Sie haben in Ihrer Presseerklärung geschrieben, dass das Einbringen von rechtlichen, ethischen und sozialwissenschaftlichen Fragen auch bei der Zusammenarbeit mit den USA zur Anwendung kommen soll. Ist dies tatsächlich im Abkommen geregelt, oder ist das nur ein formales Abkommen darüber, dass man zusammenarbeiten will? Da das Kabinett dieses Thema heute trotz der Konjunkturkrise als das Wichtigste ansieht, frage ich, ob es möglich ist, die Entscheidung des Kabinetts, also den Text des Abkommens, den Fraktionen noch heute Nachmittag schriftlich zu übermitteln.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Erstens. Selbstverständlich kann der Wortlaut des Abkommens den Fraktionen auch heute Nachmittag schon zugestellt werden. ({0}) Es wird zugestellt. Das sage ich hiermit zu. Zweitens. Das ist kein rein formales Abkommen, bei dem diese Fragen später beantwortet werden, sondern das ist, wie von mir gesagt, im Abkommen verankert. Ich möchte noch einige Sätze dazu sagen: Es hat auch bei der Entwicklung des nationalen Forschungsprogramms für die zivile Sicherheit durchaus zwei Stufen gegeben. In der ersten Stufe, also ursprünglich, ist viel von Begleitforschung gesprochen worden: Ethik, Sozialwissenschaften und juristische Fragen als Begleitung technologischer Entwicklungen. Wir haben auf einem großen Kongress hier in Berlin mit allen Experten noch einmal die Frage diskutiert, ob das praktisch geht oder ob das dazu führt, dass diejenigen, die die ethischen Fragen stellen, am Ende immer nur den Eindruck haben, dass sie quasi darüber diskutieren sollen, was die Ingenieure tun. Ich habe bei dieser Gelegenheit gesagt - das ist jetzt auch entsprechend in den Forschungsprojekten so umgesetzt -: Wir reden da nicht über Begleitforschung, sondern wir reden da, etwa im Hinblick auf rechtliche und ethische Probleme, über Fragen, die eine Treiberfunktion haben. Das heißt, sie bringen wesentlich die Klärung dessen voran, welche Ziele und welche Standards formuliert werden. An ihnen werden sich dann die technologische Entwicklung und das, was damit möglich wird, auszurichten haben. Das klassische Beispiel in diesem Zusammenhang, das zur Zeit des Kongresses in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, ist der Nacktscanner.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, da Sie bekannt gegeben haben, dass das Abkommen im letzten Jahr ausgehandelt worden ist, darf ich Sie doch noch einmal fragen, welche Fachausschüsse des Bundestages in die Beratung eingebunden worden sind, um auch das Fachwissen des Parlaments mit einfließen zu lassen. Da hier so süffisant bemerkt wurde, die FDP frage konkret danach, darf ich Sie des Weiteren fragen: Ist nur die Koalition informiert worden, und hat sie das Papier erhalten und die Opposition nicht, oder haben alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Text des Abkommens bisher nicht erhalten? ({0})

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Erster Teil der Antwort: Der Deutsche Bundestag und die zuständigen Fachausschüsse haben eine HightechStrategie beraten und verabschiedet, in der es den Innovationsbereich zivile Sicherheitsforschung gibt. Das haben sie mit dem Auftrag an die Regierung verbunden, sich um internationale Kooperation zu bemühen, und zwar vor allem mit den für uns wirklich interessanten, relevanten Partnern. Wie ausgeführt, ist das mit Israel und Frankreich und jetzt auch mit den USA erfolgt. Das ist eine Konkretisierung dessen gewesen, was wir hier miteinander beraten und verabschiedet haben; denn jedem war klar - so wie das für andere Forschungsfelder auch gilt -, dass man in der zivilen Sicherheitsforschung nicht in einem rein nationalen Kontext bleiben kann. Zweitens. Das, was wir verhandeln, entspricht von der Intention her exakt dem, was im verabschiedeten Sicherheitsforschungsprogramm, das in den Fachausschüssen lange beraten worden ist, enthalten ist. Wir haben nichts verhandelt, was darüber hinausgeht, keine anderen Themen, keine anderen Projektansätze, keine anderen Facetten, sondern nur das, was das Parlament uns als Grundlage in die Hand gegeben hat. ({0}) - Die Abgeordneten sind durch das nationale Sicherheitsforschungsprogramm informiert, das wir verabschiedet haben. Der Text des Abkommens ist - genauso wenig wie der Text des Abkommens mit Israel und Frankreich - keiner Fraktion zugegangen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Barth.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, ich muss doch noch einmal nachhaken. Sie haben jetzt über die Hightech-Strategie berichtet. Diese haben wir im Ausschuss beraten; das ist richtig. Es gibt zwei weitere Abkommen - auch das ist richtig -; zu denen hat es aber, zumindest soweit ich mich erinnere, keine Regierungsbefragung bzw. Fragestunde gegeben. ({0}) Es war schon in der Schule so, dass wir, wenn wir zu einem Thema Fragen stellen wollten, dazu vorher Informationen bekommen mussten. Sonst kann man nämlich keine vernünftigen Fragen stellen. ({1}) Ich frage jetzt noch einmal nach: Warum hat die Bundesregierung diese Befragung auf die Tagesordnung gesetzt, ohne denjenigen, die Fragen stellen, vorher Unterlagen zur Verfügung zu stellen, auf deren Basis man hier sachgerecht Fragen stellen kann? Auch die Tatsache, dass der Kollege Röspel nach einem grundlegenden Inhalt des Abkommens fragen muss, zeigt mir, dass selbst die Koalition - noch sind Sie ja in der Koalition, Herr Röspel; in der Opposition sind wir ({2}) offenbar nicht informiert worden ist. Warum also macht die Bundesregierung ein Thema zum Gegenstand einer Regierungsbefragung, ohne den Fraktionen dazu vorher Unterlagen zur Vorbereitung zur Verfügung zu stellen? ({3})

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Vermutlich weil dieses Abkommen genau in dem Kontext steht, über den ausführlich beraten worden ist, ({0}) und weil es keine darüber hinausgehende Vereinbarung gibt, von der man sagen müsste, sie entspricht nicht dem, was im Parlament und in den Fachausschüssen behandelt worden ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Sager, bitte.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben selber darauf hingewiesen, dass der Bereich Sicherheitstechnik und Sicherheitselektronik ein großer, florierender Markt ist, in dem Unternehmen auch in die Entwicklung erfolgreich investieren. Wie wollen Sie dafür Sorge tragen, dass in diesem Bereich staatliche Forschungsgelder nicht für reine Mitnahmeeffekte verschleudert werden? ({0}) Frau Präsidentin, darf ich noch eine zweite Frage stellen?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich würde sagen, Sie lassen die Frau Ministerin auf diese Frage antworten. Es gibt nämlich noch weitere Wortmeldungen, und wir haben nur noch vier Minuten.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Wir fördern Projekte der Verbundforschung. Das bedeutet Investitionen sowohl der öffentlichen Hand als auch der Unternehmen. Nicht wir fördern Forschung in Unternehmen, sondern Unternehmen bringen sich mit ihren Investitionen in Forschung in solche Verbünde ein. Deshalb glaube ich, dass das Konstrukt der Verbundforschung geeignet ist, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzubringen. Dieselbe Frage würde sich in jedem InBundesministerin Dr. Annette Schavan novationsfeld stellen. Wir sehen es als Grundprinzip der Hightech-Strategie, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzubringen, aber nicht, indem alleine die öffentliche Hand Wissenschaft und Wirtschaft fördert. Vielmehr soll das, was die öffentliche Hand etwa in die Innovationsallianzen investiert, zu einem Mehrfachen an Investitionen in den Unternehmen führen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pieper, bitte.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, ich habe gerade von meinem Kollegen Tauss zumindest eine Kurzinformation zu dem Abkommen bekommen. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass Sie mich informiert haben. ({0}) Ich habe aber in dieser Kurzinformation nichts darüber gefunden, ob es sich bei diesem sogenannten bilateralen Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland um ein Abkommen handelt, das auch europäische FuE-Vereinbarungen einbezieht, zum Beispiel das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm. Ferner ist für mich wichtig zu wissen, welche Laufzeit das Abkommen hat und welche Finanzmittel von beiden Seiten dafür vorgesehen sind.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Erstens ist es ein bilaterales Abkommen. Zum 7. EUForschungsrahmenprogramm möchte ich sagen: Dort spielt erstmals auch die Sicherheitsforschung eine Rolle. Zweitens wird von Investitionen in Höhe von rund 30 Millionen Euro auf beiden Seiten ausgegangen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Müller, bitte.

Carsten Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003815, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, der ungestillte Wissensdrang und -durst insbesondere der Kollegen der FDP zeigt, dass dieses Thema zu Recht ausgewählt worden ist. ({0}) Frau Ministerin, können Sie uns und insbesondere den Kollegen der FDP eine Vorstellung davon geben, wo wir die deutsche Sicherheitsforschung im internationalen Wettbewerb zu verorten haben? Sie haben eben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir der Sicherheitsforschung auch im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm eine Plattform gegeben haben. Das war durchaus nicht immer unumstritten. Welche Erfolge haben wir insofern erzielt? Wo steht die deutsche Sicherheitsforschung im internationalen Vergleich?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Die Ergebnisse der ersten Ausschreibung zeigen, dass deutsche Akteure neben Frankreich an der Spitze stehen, auch was die Nutzung der Möglichkeiten der Projektförderung im 7. Forschungsrahmenprogramm betrifft. Deutschland liegt auf Platz zwei. Im Mittel des 6. Rahmenprogramms laufen 80 Prozent aller EU-Projekte mit deutscher Beteiligung. 20 Prozent aller EUFördermittel sind nach Deutschland geflossen. Die gleiche Entwicklung ist im 7. Forschungsrahmenprogramm zu verzeichnen. Zudem haben wir jetzt erstmals im Rahmen der Hightech-Strategie auch ein nationales Programm, das weitere Synergieeffekte ermöglicht. Was das in wirtschaftspolitischer Hinsicht oder für den Innovationsstandort bedeutet, lässt sich daran sehen, dass bereits heute in Deutschland 80 Prozent der sicherheitsrelevanten Infrastrukturen in privatwirtschaftlicher Hand sind. Der Markt für Sicherheitslösungen wächst um 7 bis 8 Prozent im Jahr. Das heißt, es handelt sich in hohem Maße um einen innovationsrelevanten Faktor bzw. eine bedeutsame Branche.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Kollege Müller hat bereits eine ähnliche Frage gestellt; insofern kann ich auf meine verzichten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich bedanke mich sehr. - Dann hat die Kollegin Sager das Wort.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, im Bereich der zivilen Sicherheit gibt es einen wachsenden Bedarf an gut ausgebildetem Personal. Hier haben sich zum Teil völlig neue Studiengänge und Qualifizierungswege entwickelt. Gibt es Überlegungen, die Kooperation mit den USA auf die Ausbildung und Qualifizierung von Personal für den zivilen Sicherheitsbereich auszuweiten?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Das jetzige Abkommen stellt eine völkerrechtliche Grundlage für weitergehende Kooperationsmöglichkeiten dar. Bislang ist die Ausbildungsfrage nicht einbezogen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die freundliche Beantwortung aller Fragen. Gibt es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung? - Frau Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Vor dem Hintergrund mehrerer Agenturmeldungen, wonach der Bundesinnenminister und die Bundesministerin der Justiz der Auffassung sind, dass es noch in dieser Legislaturperiode dringenden Handlungsbedarf im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes gibt, frage ich die Bundesregierung: Hat sich das Kabinett mit den aktuellen Vorgängen bei der Deutschen Bahn befasst, und hat die Bundesregierung vor, noch in dieser Legislaturperiode dem Parlament entsprechende gesetzliche Regelungen zuzuleiten? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass noch im Herbst aus dem Arbeitsministerium beschieden wurde, dass es keinerlei Handlungsbedarf mehr in dieser Legislaturperiode gibt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Staatsminister Gröhe, bitte schön.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Pau, die von Ihnen angesprochenen Themen waren nicht Gegenstand der Beratungen der heutigen Kabinettssitzung. Wohl haben Sie den Agenturmeldungen auch entnehmen können, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und andere zuständige Fachminister mit Vertretern der Gewerkschaften, des Datenschutzes und der Arbeitgeber zu einem Gespräch in allernächster Zeit zusammenkommen werden. Danach wird gegebenenfalls über weiteren Handlungsbedarf regierungsintern beraten werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine Frage zur heutigen Kabinettssitzung. Nachdem sich in den letzten Tagen verschiedene Minister zum Zustand der Koalition und zu Ihren Kollegen geäußert haben - ich denke an Herrn Gabriel oder den Vizekanzler, der sich sehr negativ über die Kanzlerin geäußert hat; ich könnte noch andere anführen; das will ich aber aufgrund der Zeit nicht -, darf ich fragen, ob die Kanzlerin in der heutigen Kabinettssitzung etwas zur Zusammenarbeit in der Koalition bis zur Bundestagswahl gesagt hat. Hat sie vielleicht das Kabinett sogar ermahnt? Hat sie einzelne Minister angesprochen, oder ist man einfach zur Tagesordnung übergegangen? ({0})

Not found (Gast)

Die Beratungen am heutigen Tag im Kabinett waren von einem guten Miteinander aller Kabinettsmitglieder aus beiden Koalitionsfraktionen geprägt. ({0}) Insofern gab es in dieser Sitzung überhaupt keinen Anlass zur Ermahnung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich beende die Fragerunde zu den Themen der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Regierungsbefragung. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatsminister, sehr herzlich für die Beantwortung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 16/11844 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Frage 1 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Weisung des amtierenden NATO-Oberbefehlshabers Bantz John Craddock an die Kommandeure der NATO-Schutztruppe ISAF in Afghanistan, dort mutmaßliche Drogenhändler ohne weitere Geheimdienstaufklärung und Beweiserhebung über etwaige Terrorverbindungen zu töten sowie deren Einrichtungen zu zerstören ({0}), und haben sich Bundeswehreinheiten an solchen Capture-or-Kill-Operationen bereits beteiligt bzw. werden dies tun? Bitte schön, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Thomas Kossendey (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001188

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ströbele, eine Weisung mit dem von Ihnen zitierten Inhalt an die Kommandeure der NATO-Truppe ISAF in Afghanistan hat es nach Kenntnis der Bundesregierung nicht gegeben. Sie beziehen sich mit Ihrer Frage möglicherweise auf Presseberichte, die einen internen Briefwechsel des SACEUR mit dem unmittelbar nachgeordneten Befehlshaber in Brunssum zum Inhalt hatten. Die Bundesregierung nimmt zu derartigen internen Vorgängen innerhalb der NATO keine Stellung. Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundeswehr das, was sie in Afghanistan tut, im Einklang mit dem vom Bundestag beschlossenen Mandat tut, auch im Bereich der Drogenbekämpfung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Nachfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wie steht denn die Bundesregierung grundsätzlich zu dem auch in Afghanistan angewandten Kampfmittel der extralegalen Tötung, also der Methode, dass von Drohnen oder auch von Flugzeugen aus Personen, die vorher elektronisch oder in welcher Weise auch immer identifiziert worden sind, durch gezielte Raketenschüsse getötet werden, und dazu, dass bei diesen Aktionen immer wieder zahlreiche Zivilpersonen getötet werden? Wie steht die Bundesregierung zu der Anwendung dieser Methode, nicht nur gegen mögliche Drogenhändler, sondern auch in der sonstigen Kriegsführung?

Thomas Kossendey (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001188

Herr Kollege Ströbele, innerhalb der NATO gibt es ganz genau definierte Verfahren, die festlegen, ob auf Einrichtungen oder Personen mit militärischen Mitteln gewirkt werden soll und darf. Die Bandbreite dieser Wirkmittel reicht vom Beobachten über das Aufklären bis hin zum Einsatz von sogenannten kinetischen Wirkmitteln. Lassen Sie mich eines deutlich sagen: Das vom Bundestag erteilte Mandat umfasst nicht das Recht, Zielpersonen unter Anwendung tödlicher militärischer Gewalt wegen einer lediglich vermuteten Gefahr für ISAF gezielt zu liquidieren, wie es manchmal in Presseberichten heißt. Der Einsatz der militärischen Gewalt muss in jedem Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie der völkerrechtlichen Grundprinzipien erfolgen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Frage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist der Bundesregierung bekannt, dass solche extralegalen gezielten Tötungen von den Alliierten praktiziert werden, und was unternimmt die Bundesregierung, damit eine solche Art von Kampfführung in Afghanistan nicht stattfindet, und zwar auch deshalb, weil das zu einer erheblichen zusätzlichen Ablehnung der ausländischen Truppen in Afghanistan durch die dortige Zivilbevölkerung führt?

Thomas Kossendey (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001188

Sie haben recht, Herr Ströbele. Der übermäßige Einsatz von Gewalt führt zu einem Sinken der Zustimmung der afghanischen Bevölkerung zu dem ISAF-Einsatz. Deswegen tun die Bundesregierung, aber auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten, die an diesem Einsatz beteiligt sind, alles, um einen übermäßigen Einsatz militärischer Gewalt zu verhindern. Die Intervention von General Ramms in diesem Zusammenhang ist sicher ein deutliches Indiz dafür.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen 3 und 4 des Kollegen Dr. Ilja Seifert werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Brigitte Pothmer auf: Wird die Bundesregierung eine Befragung aller ehemaligen und jetzigen Beschäftigten der Asse durchführen und erheben, inwieweit ungeschützt und/oder ohne Dosimeter in Arbeitsbereichen und/oder mit Materialien gearbeitet wurde, von denen eine Strahlenbelastung ausging, um so aktiv an der Aufklärung der Umstände, die zu einer Leukämieerkrankung eines ehemaligen Asse-Mitarbeiters geführt haben und in deren Zusammenhang die Staatsanwaltschaft Braunschweig jetzt erneut Vorermittlungen gegen den früheren Betreiber der Asse eingeleitet hat, beizutragen? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Frau Kollegin Pothmer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung wird selbstverständlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Aufklärung der Umstände, die zu der Leukämieerkrankung eines ehemaligen Mitarbeiters auf der Asse geführt haben, beitragen. Das Bundesamt für Strahlenschutz, wie Sie wissen seit dem 1. Januar 2009 zuständig für den Betrieb der Schachtanlage Asse, wird nach Prüfung der diesbezüglichen Akten über weitere Maßnahmen entscheiden. Die entsprechenden Akten sind durch das BfS von dem ehemaligen Betreiber angefordert, aber bislang noch nicht zugestellt worden.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, könnten Sie sich vorstellen, das Bundesamt für Strahlenschutz aufzufordern, durch Befragung von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob noch weitere ehemalige Beschäftigte an Krebs oder an Leukämie erkrankt sind?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Frau Kollegin Pothmer, zurzeit finden umfangreiche Untersuchungen des neuen Betreibers BfS auf der Asse statt. Dabei geht es sowohl um die Aktenlage als auch um die Befragung von Mitarbeitern. Sollten in diesem Zusammenhang Hinweise auftauchen, wird das BfS dem natürlich nachgehen. Der betroffene Mitarbeiter - seine Geschichte geht zurzeit durch die Medien - ist der Auffassung, dass er aufgrund seiner Tätigkeit auf der Asse erkrankt ist. Das BfS wird dazu eine gutachterliche Stellungnahme veranlassen. Über eine Arbeitsanamnese soll untersucht werden, ob es einen ursächlichen Zusammenhang geben könnte. Damit will man zur Aufklärung beitragen. Dafür sind aber entsprechende Akten notwendig. Sie sollen nach Auskunft des bisherigen Betreibers, des Helmholtz-Zentrums, kurzfristig mit einer Spedition auf der Asse angeliefert werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Pothmer, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Derzeit ist es so, dass auch durch die Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Versuch unternommen wird, Klarheit darüber zu gewinnen, was in den unterschiedlichen Kammern der Asse eigentlich eingelagert worden ist. Wir wissen, dass die Akten, die dort zur Verfügung gestellt worden sind, nicht hinreichend all das dokumentieren, was geschehen ist. Glauben Sie nicht, dass angesichts der Löchrigkeit der Akten - davon wissen wir - eine Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unumgänglich ist, um genauere Erkenntnisse zu gewinnen?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Frau Kollegin, die Aktenlage wird noch einmal dahin gehend sorgfältig überprüft, ob die Informationen, mit denen das niedersächsische Umweltministerium im letzten Herbst den Statusbericht erstellt hat, vollständig waren oder ob es möglicherweise weitere Informationen gibt. Sie wissen, dass das BfS gerade gestern in einer Pressemitteilung über neue Erkenntnisse informiert hat, die durch diese Recherchearbeiten zutage getreten sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereiches. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Klug, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Die Fragen 6 und 7 der Kollegin Cornelia Hirsch werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Frage 8 des Kollegen Volker Beck und die Frage 9 des Abgeordneten Omid Nouripour werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen 10 und 11 der Kollegin Silke Stokar von Neuforn werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach. Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Schummer auf: Wann gedenkt die Bundesregierung, die Handlungsempfehlungen des Schlussberichts der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ({0}) zu den Verwertungsgesellschaften im Sinne der kulturtreibenden Vereine umzusetzen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Schummer, die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat in ihrem Schlussbericht insgesamt 14 Empfehlungen abgegeben. Davon richten sich sieben Empfehlungen an den Bundestag, zwei Empfehlungen richten sich an die Verwertungsgesellschaften, zwei weitere Empfehlungen richten sich direkt an die GEMA, und drei Empfehlungen richten sich an die Bundesregierung. Die Bundesregierung wird die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zur kollektiven Rechtewahrnehmung in einem strukturierten Dialog mit den Verwertungsgesellschaften aufgreifen. Ziel des hierzu eingerichteten „Runden Tisches des Bundesministeriums der Justiz mit den Verwertungsgesellschaften“ - das ist der Titel - ist es, sich so weit als möglich über die erforderlichen Neuerungen im System der kollektiven Rechtewahrnehmung zu verständigen. Die Auftaktveranstaltung hat am 9. Februar, also vorgestern, unter Beteiligung der Bundesministerin der Justiz stattgefunden. Neben den Vorständen und Geschäftsführern der Verwertungsgesellschaften und der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes haben daran auch Mitglieder des Deutschen Bundestages, insbesondere Mitglieder der Enquete-Kommission, teilgenommen. Dieser Auftaktveranstaltung werden vier Arbeitsgruppensitzungen folgen, in denen die einzelnen Handlungsempfehlungen sowie darüber hinausgehende Themen mit Bezug zu den Verwertungsgesellschaften diskutiert werden. Vermutlich werden die Arbeitsgruppensitzungen dazu führen, dass sich in einigen Punkten Änderungen in der Praxis der Verwertungsgesellschaften als erforderlich, aber auch als ausreichend erweisen. Soweit darüber hinaus gesetzliche Korrekturen nötig wären, würden diese im Rahmen eines sogenannten dritten Korbes zur Urheberrechtsnovelle - in Klammern: so er denn erforderlich wird - in Angriff genommen. Ihre Frage, sehr geehrter Herr Kollege Schummer, zielt vermutlich auf die an die GEMA adressierten Handlungsempfehlungen Nr. 9 und Nr. 10. In der Empfehlung Nr. 9 empfiehlt die Enquete-Kommission der GEMA, bei ihren Abrechungsmodellen die besondere Situation der gemeinnützigen Strukturen, also unserer musiktreibenden Vereine, vor allem auf dem Lande, stärker zu berücksichtigen. In der Empfehlung Nr. 10 empfiehlt die Enquete-Kommission der GEMA, in ihrer Satzung festzulegen, wann und unter welchen Umständen Gesamtverträge abgeschlossen werden können. Beide Empfehlungen wurden am runden Tisch mit sämtlichen Verwertungsgesellschaften diskutiert, auch um die Sensibilität aller Verwertungsgesellschaften für ehrenamtliches kulturelles Engagement zu erhöhen. Ich möchte jedoch nochmals darauf hinweisen, dass sich diese Empfehlungen ausdrücklich an die GEMA richten, sodass wenig Raum für ein Tätigwerden der Bundesregierung ist. Auch die Handlungsempfehlung Nr. 8, die sich an den Deutschen Bundestag richtet und eine Revision des Wortlauts von § 52 Urheberrechtsgesetz zum Ziel hat, ist am runden Tisch erörtert worden. Dabei soll die Praxis der Anwendung des Begriffs „abgegrenzter Personenkreis“ durch die Verwertungsgesellschaften eruiert und diskutiert werden. Diese Empfehlung wird außerdem Gegenstand der schriftlichen Konsultationen mit den beteiligten Kreisen zu einem möglichen dritten Korb zum Urheberrecht sein. Das heißt, wir schreiben sie an und stellen Fragen, zum Beispiel ob da noch etwas zu machen ist. Das Bundesministerium der Justiz steht zu diesen Themen auch in engem Kontakt mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist denn vonseiten der Bundesregierung vorgesehen, dass im Rahmen des strukturierten Dialogs mit den Verwertungsgesellschaften und des runden Tisches auch die andere Seite, die ehrenamtlich tätigen kulturtreibenden Vereine, eingeladen werden, um einen wirklichen Austausch beider Seiten unter politischer Regie zu organisieren?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Schummer, diese Frage kann ich weder mit Ja noch mit Nein beantworten. Der runde Tisch hat die Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, deren Sitzungen jetzt folgen werden. Dort werden alle bekannten Fragen behandelt. Ich bin wie Sie Wahlkreisabgeordneter und weiß, worum es hauptsächlich geht, nämlich um Abrechnungen der GEMA, die unsere musiktreibenden Vereine manchmal sehr drücken. Dies wird mit Sicherheit dort zur Sprache kommen. Ich kann Ihnen im Moment allerdings nicht sagen, dass man die Vereine mit dazulädt; ich glaube, das wird eher nicht der Fall sein. Das betrifft die unmittelbar Betroffenen, nicht die Nutzer.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können wir denn gemeinsam unsere kulturtreibenden Vereine, die ja ehrenamtlich tätig sind, ermutigen, indem wir sagen, dass eine stärkere Kontrolle über die 1,24 Milliarden Euro, die jährlich über die GEMA verteilt werden, stattfinden wird und dass die Politik noch in dieser Legislaturperiode entsprechend handeln wird?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich weiß nicht, ob wir noch in dieser Legislaturperiode zu einer gesetzlichen Regelung kommen werden. Ich glaube, das wird eher nicht der Fall sein, Herr Schummer. Wir sind ja mit der GEMA im Gespräch. Nur, wir müssen die Eigenständigkeit der GEMA achten, und können ihr nicht etwas oktroyieren, was wir vielleicht gern hätten. Hier ist politische Arbeit gefragt, die der Deutsche Bundestag leisten kann, nämlich gegenüber den Verwertungsgesellschaften, vor allem gegenüber der GEMA, deutlich zu machen, was man erwartet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Die Fragen 13 und 14 der Kollegin Cornelia Behm werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 15 und 16 des Kollegen Alexander Ulrich. Die Frage 17 des Kollegen Bodo Ramelow und die Frage 18 der Kollegin Brigitte Pothmer werden ebenfalls schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 19 und 20 der Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann bereit. Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Jan Mücke werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Wie beabsichtigt die Bundesregierung, aktive Eisenbahnverkehrsinfrastrukturpolitik zu betreiben, wenn sie über viele Dinge im Bereich der DB Netz AG keine Informationen besitzt, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Umsetzung von Projekten des Neubaus, Ausbaus und der Erhaltung der Bundesschienenwege in Bayern“ auf Bundestagsdrucksache 16/11730 hervorgeht, und welchen Einfluss hat der Bund auf die DB Netz AG? Herr Staatssekretär, bitte.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Hofreiter, ich habe mir die Kleine Anfrage noch einmal durchgelesen und gedacht, die Frage müsse ironisch gemeint sein. Aber Sie bekommen von mir natürlich eine ernst gemeinte Antwort. Es gilt der gesamte Kanon verkehrspolitischen Verhaltens, den Sie kennen: Er reicht von der Grundlage im Grundgesetz über das Bundesschienenwegeausbaugesetz, die Haushaltsgesetzgebung und die Finanzierungsvereinbarung für Neubau und Bestand bis hin zu Sonderprogrammen wie den beiden Konjunkturprogrammen. Näheres finden Sie in den jährlichen Schienenwegeausbauberichten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, könnte der sehr geschätzte Herr Staatssekretär auch die zweite Frage beantworten, weil sie mit der ersten Frage in einem engen Sachzusammenhang steht? Anschließend würde ich die Zusatzfragen bündeln, sofern sich welche ergeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wenn Sie es wünschen, macht der Herr Staatssekretär das ganz bestimmt. - Ich rufe daher auch Ihre Frage 24 auf: Aus welchen Gründen liegen der Bundesregierung keine Informationen beispielsweise zum Abbau von Überholgleisen, zu Weichen und Gleisanschlüssen vor, obwohl das Eisenbahn-Bundesamt in dem einen oder anderen Fall doch involviert sein dürfte, und warum kann die Bundesregierung keine konkreten Angaben zur Höhe der Mittel für bestimmte Projekte aus dem Arbeitsplatzprogrammm Bauen und Verkehr, APBV, machen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Frau Präsidentin kennt mich sehr gut. - Bereits in der Antwort zu den Fragen 14 bis 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1810 wurde ausgeführt, dass dem Eisenbahn-Bundesamt keine Statistiken über Planfeststellungen oder Genehmigungen gemäß § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz vorliegen, die den Rückbau von Gleisinfrastruktur betreffen. Angesichts der für den Zeitraum vom Jahr 2000 bis zur Beantwortung dieser Kleinen Anfrage im Juni 2006 genannten rund 3 000 Rückbaumaßnahmen, die in jeweils eigenständigen Verfahren genehmigt wurden, ist die Erhebung derartiger Statistiken, die keinen praktischen Nutzen erwarten lassen, mit der auch vom Deutschen Bundestag erhobenen Forderung nach Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung nicht vereinbar. Im Übrigen wird auf die Antworten 14 bis 18 der genannten Kleinen Anfrage verwiesen. Das „Arbeitsplatzprogramm Bau und Verkehr“ wurde mit der Bahn so vereinbart, dass die Mittel konjunkturwirksam und effizient verbaut werden können. Dazu ist eine flexible Strategie nötig. Wenn beispielsweise bei einem Projekt Mittel schneller abfließen können und bei einem anderen Projekt nicht vorhersehbare Probleme zu Verzögerungen führen, muss es möglich sein, auf solche Prozesse zu reagieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Jetzt Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie räumen also ein, dass die Bundesregierung über keinerlei Informationen verfügt, wie sich die Kapazität des Schienennetzes in Deutschland entwickelt, wofür wir die 100-prozentige Verantwortung sowohl nach Grundgesetz als auch nach den untergesetzlichen Regelungen haben? Räumen Sie hiermit ein, dass es keinerlei Statistiken darüber gibt, wie sich Zahl und Umfang der Ausweichgleise, der Weichen und der Anschlussgleise entwickeln, die überwiegend mit Steuergeldern gefördert wurden? Sie haben ja bereits in Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage gesagt, dass Sie nichts darüber wissen. Bestätigen Sie dies jetzt hier allen Ernstes mündlich?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

In gar keiner Weise, Herr Dr. Hofreiter. Das habe ich nicht gesagt, und das können Sie meiner Antwort auch nicht entnehmen. Ich habe davon gesprochen - Sie erinnern sich -, dass es rund 3 000 Rückbaumaßnahmen in dem von mir beschriebenen Zeitraum gab, die - ich lese es noch einmal vor - „in jeweils eigenständigen Verfahren genehmigt wurden“. Das heißt, wir schauen uns bei jeder Maßnahme an, was dort zurückgebaut werden muss, und haben damit natürlich die Übersicht darüber, wie sich das Netz verändert. Sie kennen die Regelungen im Allgemeinen Eisenbahngesetz. Danach ist ein strenges Verfahren für den Rückbau von Gleisen vorgesehen. Von daher kann ich in keiner Weise ersehen, wieso es so sein sollte, dass wir keine Kenntnis über unser Netz hätten. Wir prüfen doch in jedem einzelnen Falle, ob diese Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das wird ja immer besser. Das heißt, Sie räumen jetzt ein, dass Sie unsere Kleine Anfrage nicht beantwortet haben - hier hatten Sie ja einfach Nein gesagt -, obwohl Sie das, wie Sie jetzt gestehen, alles wissen. Das Parlament aber soll das nicht erfahren; wahrscheinlich deswegen nicht, weil es in vielen Regionen der Republik Empörung gäbe, wenn man wüsste, wie stark das Eisenbahnnetz in den letzten Jahren beschädigt worden ist. Verstehe ich das so richtig?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

In gar keiner Weise. Herr Dr. Hofreiter, wir verstehen uns immer sehr gut. Ich kenne auch Ihre Fragestellungen. Ich darf noch einmal meine Antwort vorlesen, damit wir auch dieses Missverständnis auf Ihrer Seite ausräumen können. Es verhält sich so, dass wir die Maßnahmen kennen, aber keine Gesamtstatistik darüber führen. Das habe ich wie folgt begründet: … ist die Erhebung derartiger Statistiken, die keinen praktischen Nutzen erwarten lassen, mit der auch vom Deutschen Bundestag erhobenen Forderung nach Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung nicht vereinbar. Das heißt, wir folgen den Grundsätzen des Deutschen Bundestages. Wir schauen uns die Einzelmaßnahmen an; da diesen aber nur eine recht geringe Bedeutung zukommt, führen wir darüber keine Statistiken. Dies wäre nur mit sehr viel methodischem Aufwand möglich, verspricht aber keinen Nutzen.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das wird ja immer besser. Das heißt, dass jetzt der Herr Staatssekretär beurteilt, was für die Fraktionen des Deutschen Bundestages von Nutzen ist und was nicht. Sie wissen also über die 3 000 Maßnahmen Bescheid. Ich glaube, zumindest unsere Fraktion würde auch sehr gerne darüber Bescheid wissen. Könnten Sie uns diese Informationen vielleicht zukommen lassen? Wir sind nämlich der Meinung, dass sie von Nutzen sind.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Auch da unterliegen Sie einer Fehlinterpretation, Herr Dr. Hofreiter. Es handelt sich um Verwaltungshandeln. Sie dürfen jetzt nicht aus meiner Antwort folgern, dass ich persönlich mich mit kleinsten Anträgen beschäftige. Sie wissen ganz genau, dass beispielsweise vor der Einführung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung 40 000 und mehr Anträge gestellt wurden, die die Förderung von Gleisbaumaßnahmen betrafen. Sie wollen doch nicht allen Ernstes unterstellen, dass es für den Deutschen Bundestag von Nutzen wäre, jede Kleinstmaßnahme zu kennen. Ich finde, auch hier muss das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gelten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da wir von Ihnen zu diesem Sachverhalt keine Antworten bekommen, weder schriftlich noch mündlich, möchte ich Sie fragen, ob Sie uns vielleicht zum zweiten Themenkomplex wenigstens ansatzweise und ungefähr mitteilen können - angesichts der Vielzahl der Maßnahmen gerne auch schriftlich -, welche Maßnahmen durch das Konjunkturpaket gefördert werden. Ich weiß, dass man hier flexibel die Gelder hin- und herschieben können muss usw. Aber vielleicht können Sie uns ungefähre Angaben machen. Damit wäre uns schon sehr geholfen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sie haben ja die Liste der Projekte. Der Darstellung der Projekte im Bundesverkehrswegeplan und im Bundesschienenwegeausbaugesetz können Sie entnehmen, wie hoch die Gesamtkosten für die Projekte in etwa sind. Wir haben diese Kosten nicht in das Konjunkturprogramm übernommen, weil - das habe ich Ihnen gerade erläutert - ansonsten die 20, 30 oder 50 Millionen Euro, die vielleicht für das Vorziehen von Maßnahmen bei bestehenden Bauvorhaben nötig sind, bei anderen Projekten, die erst noch begonnen werden, fehlen würden. Indem wir nun aber das Vorziehen von Maßnahmen durch Übersteuerung von Projekten finanzieren, schaffen wir den finanziellen Spielraum, um auch Projekte, die erst in den nächsten Jahren begonnen werden, durchfinanzieren zu können. Diese Übersteuerung ist der Grund dafür, warum wir uns so schwertun, einzelne Zahlen zu nennen. Wir wissen nämlich im Moment nicht, in welchem Maße wir die Bauarbeiten auf den Strecken A 1 und A 2 beschleunigen können, also ob wir es schaffen, 10, 20 oder gar 70 Millionen Euro mehr zu verbauen. Ich werde mir die Mühe machen, Ihnen die Projekte noch einmal zu beschreiben. Wenn Sie aber in Ihrer gewohnt charmanten Art versuchen sollten, den Nachweis zu führen, dass wir das Geld an der einen oder anderen Stelle nicht ausgegeben haben, werde ich auf meine sehr umfangreichen Antworten, die ich heute gegeben habe, verweisen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 25 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 26 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Petra Pau auf: Wie viele der 148 strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Beschäftigte der Deutschen Bahn AG, die von 2000 bis 2007 durchgeführt wurden ({0}), wurden von Wolfgang Schaupensteiner in seiner damaligen Funktion als Oberstaatsanwalt in Hessen geleitet, bevor er dann Chief Compliance Officer bei der Deutschen Bahn AG wurde?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sehr geehrte Frau Kollegin Pau, für Fragen nach der vorherigen Tätigkeit des Chief Compliance Officer der Deutschen Bahn AG, Herrn Wolfgang Schaupensteiner, als Oberstaatsanwalt in Hessen ist das Land Hessen als ehemaliger Dienstherr von Herrn Schaupensteiner zuständig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Staatssekretär. - Ich komme zur aktuellen Tätigkeit des Herrn Schaupensteiner. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Deutsche Bahn AG zur Bekämpfung der Korruption eine zentrale Compliance-Organisation institutionell eingesetzt, sie mit Ermittlungsaufgaben betraut und ihr weitgehende Befugnisse übertragen hat? Ist das nicht ein Akt von Selbstjustiz innerhalb eines Unternehmens? Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass es bei einem Anfangsverdacht notwendig wäre, die entsprechenden Strafverfolgungsbehörden mit diesen Dingen zu konfrontieren?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Deutsche Bahn AG ist ein aktienrechtlich geführtes Unternehmen. Die Führungsorgane dieses Unternehmens sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Sie wissen, dass es in großen internationalen Konzernen - die DB AG ist ein international agierender Konzern - sinnvoll ist, Compliance-Abteilungen aufzubauen. Ich darf Sie an das Beispiel Siemens erinnern, wo es versäumt wurde, eine entsprechende Struktur zu schaffen. Ich würde hier unterscheiden zwischen der Einrichtung einer vernünftig arbeitenden Compliance-Organisation und dem, was diese Compliance-Organisation machen kann. Sie hat im Unternehmen keinerlei Rechte hinsichtlich der Dienstaufsicht, sondern sie muss andere Funktionen wahrnehmen. Wir klären dies zurzeit in einer Anhörung mit Vertretern der Deutschen Bahn - ich habe sie kurz verlassen, um hier Ihre Fragen zu beantworten -, in der natürlich auch Herr Schaupensteiner dazu befragt wird. Wir sind mitten in der Sachaufklärung. Es wird sich herausstellen, ob strafrechtliche, datenschutzrechtliche oder andere Tatbestände vorliegen. Daraus muss man dann Konsequenzen ziehen. Ich habe das Gefühl, dass wir auf einem ganz guten Wege sind, auch wenn das Parlament, der Verkehrsausschuss, die Regierung und unser Ministerium der Auffassung sind, dass die Aufklärung zügiger und transparenter hätte vonstatten gehen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aufgrund der Sachaufklärung im Ausschuss und aus öffentlichen Äußerungen ist uns bekannt geworden, dass Herr Schaupensteiner der Ansicht ist, dass die Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz zu unbestimmt sind. Daraus leitet er seine Legitimation für die Überwachung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab. Teilt die Bundesregierung seine Ansicht, und teilt sie meine Ansicht, dass wir dringend ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz brauchen, welches den Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts entspricht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Man kann das, was bei der Deutschen Bahn AG gelaufen ist, erst bewerten, wenn das Schlussprotokoll und die Feststellungen des Berliner Datenschutzbeauftragten wie auch des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung vorliegen; denn es geht bei dem Daten-Screening auch um Beamte, und nach dem Beamtengesetz gelten andere datenschutzrechtliche Bestimmungen. Warten wir also ab, was dabei herauskommt. Eine Schlussfolgerung könnte sein, dass wir präzisieren müssen, was im Korruptionsbekämpfungsgesetz und in den verschiedenen Datenschutzgesetzen angelegt ist. Darüber wird sicherlich zu sprechen sein. Unabhängig davon spricht einiges dafür - ich nehme ausdrücklich keine Schlussbewertung vor -, dass Vorfälle im Unternehmen stattgefunden haben, die schon nach der bestehenden datenschutzrechtlichen Gesetzeslage so nicht hätten passieren dürfen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schneider, bitte.

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie sagten eben, dass Sie jetzt bei der Aufklärungsarbeit sind. Dass Sie das so betont haben, hat mich insoweit etwas überrascht, als die ersten Informationen zu diesen Vorgängen auf den Sommer des letzten Jahres zurückdatieren. Darf ich Ihre Anmerkung so verstehen, dass Sie in der Zwischenzeit nichts in Bezug auf die Aufklärung getan haben? Oder können Sie mir darlegen, was seit August letzten Jahres passiert ist?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir befinden uns natürlich schon länger in der Aufklärung; da haben Sie recht. Ich bezog meine Antwort zunächst auf die Frage von Frau Pau. Man kann ein Fazit erst dann ziehen, wenn man vorher Sachaufklärung betrieben hat. Das ist, glaube ich, deutlich geworden. Sowohl die DB AG als auch das Parlament haben sich im Mai/Juni letzten Jahres mit ersten Vorfällen befasst. Da geisterte eine Datenschutzaffäre bei der Deutschen Telekom durch die Medien. Sie kennen die Abfolge dessen, was dort in Rede steht. Es gab dann auf einer von der Bahn eingerichteten Internetseite den Hinweis, dass die Firma Network auch mit der Deutschen Bahn AG zusammengearbeitet hat. Das war Anlass für das Ministerium, den Prüfungsausschuss um Informationen zu bitten. Das heißt, wir - auch der Deutsche Bundestag haben in den Gremien des Konzerns darüber gesprochen. In der Folge sind ständig Fragen gestellt worden, und der Stand der Aufklärung durch den Konzern ist uns jeweils übermittelt worden. Das können Sie im Zwischenbericht nachlesen, der den Fraktionen gestern ausgehändigt worden ist. Das Fazit dieser Berichterstattungen aus den Konzernen war jeweils, dass man mit der Aufarbeitung noch nicht fertig sei. Das heißt, es lagen immer nur Zwischenberichte vor. Es gab dann in der Prüfungsausschusssitzung im Dezember den Hinweis, dass man seitens der Bahn fertig sei, man uns aber den Schlussbericht noch nicht geben könne, weil der Berliner Datenschutzbeauftragte noch Fragen habe. Das habe ich dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses am 9. Januar, bevor irgendetwas in der Presse stand, mitgeteilt. Von daher sind wir mitten in der Aufklärung. Im Hinblick darauf, dass ich gesagt habe, wir seien jetzt in der Aufklärung, sollten Sie wissen, dass die Bahn selber - das hat sie eben auch im Ausschuss klargemacht in der Zwischenzeit feststellen musste, dass sie, was die Strukturen in ihrem Hause angeht, zu gutgläubig war und dass jetzt etwas an das Tageslicht kommt, was vorher in vielen Befragungen und bei der Überprüfung der Akten nicht sichtbar wurde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Petra Pau auf: Wie heißt die britische Muttergesellschaft der Network Deutschland GmbH, die laut Bericht des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Dr. Alexander Dix, für die internationale Ausrichtung der Network Deutschland GmbH sorgte, mit der dann wiederum die Beauftragung der Network Deutschland GmbH begründet wurde, und in welcher Beziehung steht sie zu der Argen GmbH in Köln? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Abgeordnete Pau, die Frage betrifft Sachverhalte, die in die unternehmerische Zuständigkeit der Deutschen Bahn AG fallen und nur von dieser beantwortet werden können. Der Bundesregierung liegen dazu keine Informationen vor. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich habe den Zwischenbericht, der uns gestern zugeleitet wurde, gelesen und dort erfahren, dass es nur bei der allerersten Beauftragung der Network Deutschland GmbH einen schriftlichen Auftrag gegeben hat. Ich wüsste gern: In welcher Form wurden die bisher bekannten 43 Projekte allein mit Network Deutschland eigentlich in Auftrag gegeben? Irgendjemand muss diePetra Pau sen Auftrag doch mündlich oder schriftlich formuliert, die zumindest an manchen Stellen eingegangenen Ergebnisberichte entgegengenommen und eine entsprechende Bezahlung veranlasst haben. In welcher Art und Weise ist das abgewickelt worden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Diese Frage hätten Sie eben im Ausschuss an die Deutsche Bahn AG stellen müssen. Wir haben darauf bis jetzt noch keine schlüssige Antwort bekommen. Folgende Fragen wollen wir dringend aufgeklärt haben: Wer genau ist involviert gewesen? Wer genau hat Aufträge vergeben? Wer genau hat von den Resultaten dieser Aufträge erfahren? Wann hat man davon erfahren? Diesen Fragen wird derzeit nachgegangen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie können eine weitere Zusatzfrage stellen.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe diese Frage natürlich an den Eigentümer der Deutschen Bahn gestellt. Insofern betrifft diese Frage nicht nur den Konzern. Auch wir haben da Verantwortung. Ich wüsste gern - falls Sie das nach den Aufklärungsbemühungen inzwischen schon wissen -: Welche Firmen haben insgesamt für die Deutsche Bahn seit 1998 bei der Ermittlung von Korruptionsverdachtsfällen und anderen Straftaten ermittelt? Waren diese Firmen auch international vernetzt, und kennen Sie eventuell die internationalen Partner, um die es hier geht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Pau, diese Frage können Sie mir nicht ernsthaft stellen wollen. Sie haben den Zwischenbericht gelesen. Es ist die Aufgabe des Vorstandes des Konzerns, uns darüber zu informieren, was im Konzern passiert ist. Jetzt sagt der Vorstand, dass er von vielem nicht gewusst hat. Wir fragen nach. Die Beantwortung ist Aufgabe der Organe der Aktiengesellschaft; ich habe sie eben genannt. Es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass diese Aufklärung im Konzern geleistet wird. Ich selbst habe die Sondersitzung des Prüfungsausschusses veranlasst, die am 30. Januar stattgefunden hat. Wir sind als Eigentümer tätig geworden. Es sollte eine zweite Sondersitzung des Prüfungsausschusses stattfinden; sie fällt aber terminlich mit einer Aufsichtsratssitzung zusammen. Wir werden uns in dieser Aufsichtsratssitzung über den Stand der Aufklärung informieren lassen, auch über den Bericht. Darüber ist in der Presse schon einiges veröffentlicht worden. Wir werden mit Sicherheit externe Fachleute beauftragen, die Lampe ganz tief in den Konzern zu halten und uns die Fragen zu beantworten, die vom Vorstand nicht beantwortet werden können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schneider, bitte.

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich befürchte, dass meine Frage ähnlich beantwortet wird wie die vorhergehenden. Ich stelle sie trotzdem; vielleicht ist das für Sie eine Hilfe bei der Formulierung der Fragen, die Sie dem Konzern noch stellen werden. Ich möchte wissen, ob es den üblichen Gepflogenheiten in Konzernen entspricht, dass Aufträge, wie sie im Fall der DB AG vergeben wurden, weder mit Zielvorgaben schriftlich fixiert noch durch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben in irgendeiner Form legitimiert bzw. dokumentiert werden. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, wie die Bezahlung der Firmen erfolgte? Wenigstens das müsste sich doch nachvollziehen lassen. Gab es Erfolgsprämien für die Ermittlung und Überführung mutmaßlicher Straftäter?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich verstehe Ihr Interesse, aber Sie verwischen die Verantwortlichkeiten. Es ist nicht an der Bundesregierung, das zu wissen. Die Frage ist, was der Konzern tut. Er wird von den Organen beaufsichtigt, die ich eben genannt habe. Wir betreiben zurzeit mit diesen Organen die komplette Sachaufklärung. Sie können sicher sein, dass wir auch diese Frage, die uns umtreibt - ich kann überhaupt nicht verstehen, wie man ohne schriftliche Grundlage Aufträge vergeben kann -, beantworten werden. Wir werden feststellen, warum das passiert ist. Es gibt den Code of Conduct. Wir werden die Unternehmensrichtlinien in den nächsten Monaten mit Sicherheit so ausgestalten, dass sichergestellt ist, dass so etwas nicht wieder passieren kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl zur Verfügung. Die Frage 29 des Kollegen Koppelin wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 30 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. Die Frage 31 des Kollegen HansChristian Ströbele wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 32 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. Die Frage 33 des Kollegen Omid Nouripour wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt die Frage 34 der Kollegin Britta Haßelmann auf: Was bleibt den Kommunen per Saldo von den im zweiten Konjunkturpaket vorgesehenen Investitionshilfen, wenn man die steuerlichen Mindereinnahmen der Kommunen aufgrund des ersten Konjunkturpaketes - Maßnahmepaket Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung - und des zweiten Konjunkturpaketes - Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland - einschließlich der indirekten Minderung der Einnahmen über den Steuerverbund zum Abzug bringt? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin Haßelmann, eine Aufrechnung der Investitionshilfen für die Kommunen mit Steuermindereinnahmen aus den beiden Konjunkturpaketen der Regierung ist unserer Überzeugung nach in der Sache nicht gerechtfertigt. Mit den Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung im Konjunkturpaket I stabilisiert die Bundesregierung die Investitionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und damit auch die kommunale Steuerbasis. Mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz als einem zentralen Bestandteil des zweiten Konjunkturpakets - ich nenne es auch das Herzstück des Konjunkturpakets -, dem Konjunkturpaket zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland, wird vor allem die örtliche Wirtschaft als Auftragnehmer für nachhaltige Investitionen in die kommunale Infrastruktur gefördert, was wiederum eine verbesserte Einnahmesituation der Kommunen zur Folge hat. Darüber hinaus begünstigen die Verbesserungen im Einkommensteuertarif das verfügbare Einkommen und stärken die private Nachfrage. Eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung als Folge der Maßnahmen im Rahmen unserer Konjunkturpakete kommt den Kommunen zukünftig beim örtlichen Steueraufkommen zugute, was im Moment natürlich noch nicht in Euro und Cent zu berechnen ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin Kressl, Frau Staatssekretärin, wie Sie sicherlich nachvollziehen können, kann ich Ihre Antwort nicht nachvollziehen. Sie haben uns als Vertreterin der Bundesregierung selbst Auskunft darüber gegeben, wie hoch die Steuermindereinnahmen bei den Kommunen sein werden, mit denen aufgrund der Konjunkturpakete I und II zu rechnen ist. Ich frage Sie daher an dieser Stelle noch einmal. Die Bundesregierung hat uns gegenüber erklärt, dass infolge des Konjunkturpakets I mit jährlichen Steuerbelastungen in Höhe von 1,075 Milliarden Euro zu rechnen ist und infolge des Konjunkturpakets II mit jährlichen Steuerbelastungen in Höhe von 1,073 Milliarden Euro, ohne die Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge und die indirekte Wirkung über den Steuerverbund einzubeziehen. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen möglich sein müsste, die beiden Faktoren, die ich zuletzt genannt habe, hinzuzuaddieren und mir als Parlamentarierin die Gesamtsumme der Steuerausfälle, die durch Steuersenkungen und die erhöhte steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung entstehen, zu nennen.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Liebe Kollegin Haßelmann, Ihre Frage war eine andere. Sie haben gefragt: Was bleibt den Kommunen übrig? Sie haben nicht nach den Steuermindereinnahmen gefragt. Die Antwort auf die Frage, was den Kommunen übrig bleibt, bedarf für mich einer makroökonomischen Betrachtung; hier besteht ein Bezug zur nächsten Frage. Die Höhe der Steuermindereinnahmen ist kein Geheimnis, da wir - so ist es von der Geschäftsordnung vorgeschrieben - zu jedem Gesetzentwurf, der heutzutage beschlossen wird, ein Finanztableau vorlegen. Die Frage, was den Kommunen übrig bleibt, beinhaltet die Unterstellung, dass mit den Maßnahmen keine positiven wirtschaftlichen Effekte verbunden sind. Deswegen lege ich Wert darauf, meine Antwort auf Ihre Frage 34 zu bestätigen. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie das nicht nachvollziehen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Frage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich frage Sie jetzt als Zweites, ob Sie mir in Zahlen darlegen können, welche Steuerbelastungen bzw. -ausfälle durch die Konjunkturpakete I und II entstehen. Können Sie mir darüber hinaus die weiteren Steuerbelastungen bzw. -ausfälle in den Kommunen darlegen, die durch die veränderte steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung und indirekt über den Steuerverbund entstehen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Liebe Kollegin Haßelmann, selbstverständlich beantworte ich diese Frage, die sich rein formal auf die Steuermindereinnahmen bezieht, gerne. Die erwarteten Steuermindereinnahmen der Kommunen aus beiden Konjunkturpaketen belaufen sich auf 2,15 Milliarden Euro. Ich betone noch einmal: Darin sind nicht die gesamten makroökonomischen Effekte einbezogen, sondern hierbei handelt es sich um die reinen Steuermindereinnahmen. Außerdem kann ich Ihnen versichern: Dem Gesetzentwurf, durch den die verfassungsrechtlich vorgegebene Entlastung in Form der erhöhten steuerlichen Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge geregelt wird - Sie haben ihn angesprochen -, wird ein Finanztableau beigefügt, dem Sie die dadurch zu erwartenden Steuermindereinnahmen entnehmen können. Da wir bezüglich dieses Gesetzentwurfes noch bei der Ressortabstimmung sind, will ich dem endgültigen Ergebnis, das ins Kabinett kommen wird, nicht vorgreifen. Das hielte ich an der Stelle der Bundesregierung für nicht akzeptabel.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Britta Haßelmann: In welchen Teilen kann die Bundesregierung die Einschätzung des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung, IMK, bestätigen, dass den Kommunen aufgrund der in Frage 34 genannten steuerlichen Mindereinnahmen in 2009 30 Prozent und in 2010 knapp 60 Prozent der zusätzlichen Investitionsmittel und unter Berücksichtigung der höheren steuVizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner erlichen Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 2010 sogar fast 80 Prozent 2010 wieder entzogen werden? Frau Staatssekretärin, bitte.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Frau Kollegin Haßelmann, Sie beziehen sich auf eine Einschätzung des Institutes für Makroökonomie. Wir werden die Einschätzung dieses Institutes zum quantitativen Ausmaß von steuerlichen Mindereinnahmen in der makroökonomischen Wirkung nicht kommentieren und bewerten. Wenn ich ehrlich bin, erwarte ich von einem Institut für Makroökonomie, dass es nicht nur Steuermindereinnahmen zusammenzählt, sondern auch die Effekte, die ich vorhin angesprochen habe, einschätzt. Insofern werde ich das nicht kommentieren; wir halten die Aufrechnung der Gesamtwirkungen für nicht sachgerecht. Im Übrigen will ich die Gelegenheit nutzen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dieses Investitionspaket für die Kommunen von allen kommunalen Spitzenverbänden mehrfach und ausdrücklich begrüßt worden ist, damit hier nicht der Eindruck entsteht, wir würden etwas Schlechtes für die Kommunen tun.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann sind Ihnen sicherlich alle Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände bekannt, in denen durchaus darauf hingewiesen wird, dass es zu erheblichen Steuerausfällen bzw. Steuermindereinnahmen und auch zu verschiedenen direkten Minderungen der Steuereinnahmen aufgrund des Konjunkturpaketes kommt. Auch die kommunalen Spitzenverbände befürchten Ausfälle in Milliardenhöhe. Würden Sie sich denn deren Auffassung anschließen, wenn Sie schon die Auffassung des Institutes in der Hans-Böckler-Stiftung infrage stellen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Frau Kollegin, ich habe vorhin deutlich gemacht, dass formal über die Höhe der Steuermindereinnahmen - das betrifft nicht nur die Kommunen - völlige Klarheit herrscht, weil wir bei beiden Konjunkturpaketen ein entsprechendes Finanztableau vorgelegt haben. Insofern muss darüber nicht spekuliert werden. Ich will aber auf Folgendes hinweisen: Das Ziel der Konjunkturpakete war, gegenzusteuern und den Abschwung aufzuhalten. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Steuermindereinnahmen durch die Rezession, die wir nicht hätten abfedern können, wenn wir nicht mit politischen Maßnahmen gegengesteuert hätten, ungleich dramatischer hätten sein können. Das Ganze wird sich immer im Bereich der Spekulationen bewegen. Ich will noch einmal deutlich machen: Die Zahlen sind klar. Die makroökonomische Wirkung ist schwer einzuschätzen. Wir gehen aber davon aus, dass wir nun genau diesen Einbruch bei den Steuereinnahmen durch das Abfedern der Rezession aufhalten können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Was ich nicht nachvollziehen kann, Frau Staatssekretärin, ist, warum Sie zum jetzigen Zeitpunkt die Höhe der Ausfälle sowohl bei den Krankenversicherungsbeiträgen als auch bei der Pflegeversicherung im Zuge des indirekten Steuerverbundes noch nicht benennen können. Ich komme gerade aus dem Fachausschuss. Dort haben wir die Beschlüsse zum Konjunkturpaket schon gefasst. Es handelt sich am Freitag also nur noch um die zweite und dritte Lesung. Von daher müssten doch jetzt viele der Dinge, die Sie gerade in Ihrer Beantwortung angesprochen haben, darzulegen sein. Mich interessiert darüber hinaus, warum Sie trotz Ihrer makroökonomischen Betrachtung und dem Wissen darum, dass die Kommunen sehr stark von der Gewerbesteuer abhängig sind, bei der Konjunktureinschätzung nicht auch von drastischen Steuermindereinnahmen ausgehen.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Den ersten Teil Ihrer Frage konnte ich nicht genau nachvollziehen. Ich bin nicht sicher, ob es sich dabei nicht um ein Missverständnis handelt. Ich habe gesagt: Zur Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen - das ist nicht Teil des Konjunkturpaketes - kann ich Ihnen die konkreten Zahlen dann vorlegen, wenn es einen Kabinettsentwurf mit dem dazugehörigen Finanztableau gibt. Als Antwort auf Ihre Fragen zu den Konjunkturpaketen I und II habe ich die entsprechende Zahl von 2 Milliarden Euro genannt. Insofern dürfte es da keine Unklarheiten mehr geben. Die Steuermindereinnahmen, die sich aus der Abwärtsbewegung der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben, will ich nicht leugnen. Ich will aber noch einmal deutlich machen: Das Ziel dieser Konjunkturpakete ist - wir sind durchaus zuversichtlich, den Abschwung damit abzufedern -, dass wir beispielsweise mit kommunalen Investitionen der Region Aufträge zukommen lassen, was wieder zu vermehrten Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen führen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Themenbereiches. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Wir sind aber auch am Ende unserer Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15.35 Uhr. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Führungsverantwortung der Bundeskanzlerin in Zeiten der Wirtschaftskrise ({0}) Ich eröffne die Aussprache. Zur Begründung der Aktuellen Stunde hat die Kollegin Renate Künast vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass weder das Bundeskanzleramt noch die Bundesregierung in Gestalt leibhaftiger Minister anwesend sind, werte ich nicht als Ignoranz gegenüber der Opposition oder dem Parlament, sondern schlicht und einfach als Zeichen dafür, dass die Nerven in der Großen Koalition blank liegen und sie so viele Krisen zu managen haben, dass sie hier nicht anwesend sein können. ({0}) - Na ja, ein Sprichwort lautet: Einer ist keiner. Von dieser einen Ausnahme abgesehen ist kein Minister anwesend. ({1}) Hier und heute geht es nicht um Michael Glos; mit diesem Thema mussten sich in den letzten Tagen viele von uns befassen. Was uns heute beschäftigen muss, ist die Bundeskanzlerin: eine Bundeskanzlerin ohne wirtschaftspolitische Linie, aber mit Nebenkanzler. Das hat es noch nicht oft gegeben. Früher gab es so etwas nur bei den Päpsten; ({2}) auch mit diesem Thema hat sich die Kanzlerin ja sehr intensiv beschäftigt. Auch wenn die Bundeskanzlerin es nicht für nötig hält, heute hier zu sein, möchte ich ihr sagen: Die CDU/ CSU stellt seit fast dreieinhalb Jahren die größte Fraktion in diesem Hause. Die Kanzlerin hat damals den Auftrag bekommen, die Richtlinien der Politik zu bestimmten und zu führen. Im Augenblick tut sie das aber nicht. Stattdessen sieht die Situation so aus, dass die drittgrößte Industrienation der Welt ihre Wirtschaftspolitik nach den Regularien der Stammesfürsten in Bayern ausrichtet: Mann, katholisch, Oberfranke. ({3}) Was sollen eigentlich diejenigen, die von Deutschland fordern, im Rahmen der EU eine Führungsrolle zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen, davon halten? Ich kann Ihnen nur sagen: Das letzte Wochenende war der wirtschaftspolitische Offenbarungseid der Bundeskanzlerin und der CDU/CSU. Sie haben keine Linie und kein Ziel. ({4}) Es ist schon beachtlich, wie jemand, der das Wort „christlich“ im Namen führt, seinen Bundeswirtschaftsminister so behandeln kann - von Seehofer gemobbt, von Merkel ignoriert -, dass der am Ende nichts anderes tun kann, als zu sagen: Ich bin ein Minister, holt mich hier raus! - Christen müssten vor Scham ein rotes Gesicht bekommen. ({5}) Das alles in einer Situation, in der die Menschen Sorgen haben. Da draußen gibt es real existierende Menschen, die auf Kurzarbeit sind, und Zeitarbeiter, die längst entlassen worden sind und sich fragen, wie sie einen Job finden sollen. In solch einer Zeit erlauben Sie sich derart persönlich-egoistische Spielchen. Sie sollten sich schämen! ({6}) Die Wirtschaft, egal ob groß oder klein, fragt sich: Wie unterstützt uns die Politik eigentlich in dieser Situation? Wie kommen wir aus der Krise heraus? - Die Kanzlerin hat an diesem Pult verkündet: Wir wollen gut durch die Krise kommen und nach der Krise besser dastehen. - Ich sage Ihnen: Mit so einer Kanzlerin kommen wir nicht gut durch die Krise und stehen nach der Krise erst recht nicht besser da. ({7}) Man muss Michel Glos, den hier, glaube ich, die meisten mögen - außer in den Reihen der Koalition vielleicht -, eines lassen: Sein Rückzug hat den Vorhang aufgezogen, hat Licht auf die wirtschaftspolitische Orientierungslosigkeit der CDU/CSU geworfen. Aber das ist nur eine Station auf der wirtschaftspolitischen Irrfahrt, die Sie zum Besten gegeben haben. Ludwig Erhard dreht sich wahrscheinlich stündlich im Grabe. ({8}) Um diese wirtschaftspolitische Irrfahrt einmal darzustellen, muss man gar nicht so weit zurückgehen, es reicht, sich die jüngere Geschichte anzuschauen: Kein Mensch weiß, was die Kanzlerin eigentlich will. Vor der letzten Bundestagswahl stand sie für marktradikal. Ich erinnere mich daran, wie sie hier stand und die Konzepte des Wirtschaftsflügels vertrat - damals hatte die CDU/CSU noch einen Wirtschaftsflügel, mit dem Vormann Friedrich Merz; damals hatten Sie noch etwas zu sagen, meine Herren -: Nichts konnte rabiat genug sein, kein Einschnitt konnte tief genug sein. Zur Sozialpolitik hat sie eiskalt erklärt: Das Geld fürs Soziale müsse zunächst einmal verdient werden. ({9}) Kein Hauch von Mitgefühl oder Sorge! Die Hauptsache war, dass keiner durch Steuern belastet werden sollte. Die Medien haben geschrieben: Toll, Maggie Thatcher auf Deutsch! - Das war die Erwartung. Als Nächstes - das war ja nicht alles - hat sie versucht, den Sozialdemokraten das Wasser abzugraben, indem sie die überzeugendere Sozialdemokratin gegeben hat. Jetzt will sie doch wieder Steuererleichterungen für Reiche. Was soll eigentlich Paul Kirchhof denken, den Sie damals rausgeworfen haben? ({10}) Meine Damen und Herren, wir erleben eine Zeit der größten Wirtschaftskrise, der größten Verschuldung und der größten politischen Krise seit langem, und zwar in Gestalt der wirtschaftspolitischen Orientierungslosigkeit, des Richtungsstreites innerhalb der Union. Eine Kanzlerin, die eine Kanzlerin sein will, muss diesen Richtungsstreit entscheiden. Genau das fordern wir von ihr ein. ({11}) Stattdessen hat sie ihre Richtlinienkompetenz faktisch bis zur Unkenntlichkeit wegmoderiert. Im Augenblick hat Politik bei Ihnen nur einen Maßstab, und der heißt Seehofer bzw. „Wie kommt die CSU bei der Bundestagswahl im Herbst über die 5-Prozent-Hürde?“. Das ist aber nicht das Interesse des Landes. ({12}) Beim Umweltgesetzbuch hat sie schlicht und einfach weggehört, obwohl der Mittelstand auf die Entbürokratisierung wartet. Die Kanzlerin hat wirtschaftspolitisch nichts getan. Auch beim Konjunkturpaket ist keine Handschrift der Kanzlerin zu erkennen. Das ist nur ein Sammelsurium der Forderungen der Lobbyisten. Ich sage eines als letzten Gedanken: Frau Merkel, Sie waren einmal in Bayern und haben gesagt: Wo die Bayern sind, da wollen wir auch hin. - Ich sage Ihnen: Wir wollen kein Mobbing, wir wollen kein Personalgerangel, wir wollen keine Stammesfürsten, sondern wir wollen, dass einer dieses Land in die Zukunft führt und dass die Automobilindustrie, die chemische Industrie, der Maschinenbau, dem es schlecht geht, und die Umwelttechnologie auf Zukunft getrimmt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Künast.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn Sie das nicht können, Frau Merkel, dann sind Sie fehl am Platz. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Laurenz Meyer von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Künast, schon der Titel der Aktuellen Stunde bringt ein Werturteil zum Ausdruck. Darüber, was Sie in Ihrer Rede vorgetragen haben, kann ich mich nur wundern. Es ist wirklich nicht die Zeit für Karnevalsreden, Frau Künast, ({0}) sondern es geht darum, sich mit den wirklich harten Fakten und dem zu beschäftigen, was zu tun ist. Wenn ich mir die Vorschläge der Opposition in der letzten Zeit anschaue, dann kann ich nur sagen: Führung zu zeigen heißt nicht, sich von der Opposition und - das möchte ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich dazu sagen - von Medien sowie Experten treiben zu lassen; denn dieselben, die vor kurzer Zeit noch gesagt haben, dass das alles zu lange dauert, haben anschließend gesagt, dass das zu schnell geht und zu teuer ist. Das ist die Wirklichkeit, mit der wir leben müssen. Es geht darum, dass wir eine eigene Linie verfolgen, den Ernst der Lage begreifen - das habe ich aus Ihrer Rede nicht heraushören können -, dann sorgfältig analysieren und anschließend umfassend und konsequent handeln. Komischerweise sind die Länder - auch in Europa -, die erst große Sprüche gemacht haben, lange nicht so weit wie wir, und vor allen Dingen stehen sie nicht so da wie wir. Schauen Sie sich gerade heute einmal die Berliner Zeitung an: „Standort Deutschland wird zum Krisengewinner“. Deutschland ist die Nummer eins für Investitionen ausländischer - zum Beispiel amerikanischer - Investoren. Selbst Osteuropa, das so viel gepriesen wurde, steht im Ansehen auf einmal hinter Deutschland, weil unsere deutschen Eigenschaften wie beispielsweise Zuverlässigkeit plötzlich eine größere Rolle spielen als manches, worüber in Bezug auf den Lohn vorher diskutiert worden ist. ({1}) Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, was zum Beispiel Herr Sarkozy im November 2008 gesagt hat. Ich finde so etwas prickelnd; das kann man hier vielleicht einmal zitieren, Herr Präsident. Er hat gesagt: „Frankreich arbeitet daran, Deutschland denkt darüber Laurenz Meyer ({2}) nach.“ - Das war so ein typischer Sarkozy-Spruch. Sarkozy ist manchmal unglaublich schnell in seinen Äußerungen, und er ist auch in seinem Handeln etwas anders gestrickt als wir. Anschließend, im Januar 2009, hat er gesagt - auch das darf ich zitieren -: Wenn Angela es gestattet, möchte ich Ihnen heute gern etwas sagen: „Angela arbeitet, ich denke darüber nach.“ ({3}) Meine Damen und Herren, das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Sie aber plustern sich hier auf. Konkrete Gegenvorschläge von Ihnen habe ich auch nicht gesehen. Wenn wir es grundsätzlich betrachten, so ist in Bezug auf das Programm, das wir jetzt verabschieden, eines bemerkenswert: Alles das, was wir an Maßnahmen machen, stand schon vorher auf der Agenda. Wir beschleunigen es jetzt. Sei es das Thema Bildung oder das Thema Familie, seien es die internationalen Finanzmarktregeln oder auch das Thema Klimaschutz - alles das ist lange vorher auf die Agenda gesetzt worden. Wenn Ihnen einzelne Punkte nicht gefallen, dann sollten Sie nicht so aggressiv reagieren. Ich sage Ihnen in Bezug auf das Umweltgesetzbuch - dieser Punkt hängt nämlich in gewisser Weise auch mit Ihnen eng zusammen -: In der Hand eines gutwilligen Umweltministers ist das Umweltgesetzbuch, das Herr Gabriel vorgelegt hat, prima und in Ordnung; deswegen sind auch einige von uns dafür. ({4}) Aber sobald eine grüne Umweltsenatorin es in die Hand bekommen würde, wäre es ein Missgriff; denn mit einem solchen Umweltgesetzbuch hätte beispielsweise das Kohlekraftwerk in Hamburg nachträglich verhindert werden können, und das wollen wir einfach nicht. ({5}) Wir wollen nicht zulassen, dass daraus in der Hand böswilliger und ideologisch aufgeplusterter Menschen plötzlich ein Mittel wird, um die Entwicklung von Wirtschaftskraft zu verhindern. ({6}) Der Höhepunkt dieser Krise ist noch lange nicht erreicht. ({7}) Wir werden deshalb hart weiterarbeiten müssen, um Vertrauen zu schaffen und optimistisch in die Zukunft schauen zu können. Das, meine ich, müssen wir gemeinsam tun. Da haben auch Sie eine verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Wir müssen jetzt so Dinge wie Kurzarbeit akzeptieren, Maßnahmen, die wir, insbesondere was die Finanzierung angeht, wahrscheinlich vor sechs Monaten allesamt nicht für möglich und konsensfähig gehalten hätten. Aber es ist richtig und notwendig, um das Vertrauen der Menschen in unserem Land in die Bewältigung der Krise zu stärken. Dass das bisher funktioniert hat, sehen Sie spätestens dann, wenn Sie sich die Finanzierungsraten für Staatsanleihen ansehen. Da steht Deutschland in einer Art und Weise da wie kein anderes Land in Europa. Es muss einem bald angst werden um den Euro, wenn man sieht, wie unterschiedlich die Länder in Europa dastehen. Länder wie Italien, Spanien, Portugal, erst recht Griechenland und - mein Gott noch eins - auch Frankreich sind in einer völlig anderen Situation. Dass wir so gut dastehen, wird allemal etwas mit Regierungshandeln zu tun haben. ({8}) Deswegen finde ich es richtig, wenn wir weiterhin in Ruhe nachdenken und präzise handeln. Komischerweise sind wir das einzige Land in Europa, das sowohl für das Bankensystem als auch für die Realwirtschaft noch in dieser Woche ein komplettes Programm verabschieden wird. ({9}) Das ist vernünftig überlegt, breit angelegt und wird schnell verabschiedet, weil die Krise es so verlangt. Dass das in Deutschland so gut funktioniert, darauf sollten wir alle gemeinsam ein bisschen stolz sein und es uns nicht gegenseitig kaputtreden. Von Ihnen lassen wir es uns ganz bestimmt nicht kaputtreden. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring für die FDP-Fraktion. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem der Titel zu dieser Aktuellen Stunde mehrfach gewechselt hat, habe ich mich die ganze Zeit gefragt, was eigentlich aktuell ist an dem jetzigen Titel der Aktuellen Stunde. ({0}) Die Wirtschaftskrise ist hochaktuell, allerdings nicht ganz neu. Wir beschäftigen uns in jeder Sitzungswoche intensiv damit. Dass die Kanzlerin nicht führt, ist leider auch nicht aktuell, Frau Kollegin Künast; ({1}) denn das erleben wir auch schon seit einigen Wochen. Deshalb frage ich mich verzweifelt, was eigentlich an dieser Aktuellen Stunde so aktuell ist. ({2}) Aber ich will versuchen, einigen der Zitate, die Herr Meyer leider ausgelassen hat, Aktualität zu verschaffen. Ich finde es schon bemerkenswert - ich habe eben bei der Rede des geschätzten Kollegen Meyer genau darauf geachtet -, wie sehr die Koalitionsfraktionen sich gegenseitig unterstützen. Es war schon sehr bemerkenswert, wie Sie auf der sozialdemokratischen Seite es geschafft haben, während der Rede letztendlich Ihres Redners keine Beifallsbekundungen abzugeben. Ich muss schon sagen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: In Wahrheit spielen sich hier doch Szenen einer Ehe ab. Da wirft der Vorsitzende der Sozialdemokraten, der den Koalitionsvertrag mit unterschrieben hat, der Union „undemokratisches Verhalten“ in der Art eines „Zentralkomitees“ vor. Die Union erwidert daraufhin - ich habe der Rednerliste entnommen, dass der Kollege Bernhardt die Gelegenheit bekommt, dies hier ausführlich darzustellen -: Herr von Guttenberg ist fähig, ein Ministeramt zu übernehmen. Allerdings ist er bisher als Außenpolitiker aufgetreten … Uns fehlen die jungen Politiker mit wirtschaftspolitischer Ausstrahlung, wie sie ein Friedrich Merz hat. Wie recht er hat. ({3}) Unterstützung für einen neuen Bundesminister, wie sie hier gerade der Kollege Meyer bekundet hat, sieht anders aus. Man fragt sich also verzweifelt: Existiert die Koalition noch? Hat sie noch eine einzige gemeinsame Richtung? ({4}) Oder erleben wir hier, wie sich drei Parteien langsam voneinander entfernen, ohne zu wissen, in welche Richtung sie laufen sollen? Ich wundere mich allerdings auch, dass der Kollege Meyer den Eindruck erweckt, der Zustand der deutschen Wirtschaft sei darin begründet, dass die Regierung so formidabel gehandelt hat. Erfreulicherweise ist der Großteil dessen, was wir in der Wirtschaft erleben, noch privates Handeln. ({5}) Erfreulicherweise sind unsere Mittelständlerinnen und Mittelständler, die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land viel flexibler, viel kreativer und viel erfindungsreicher, als viele - mit Ausnahme der FDP -, die hier sitzen, glauben. ({6}) Deshalb finden sie Lösungen entsprechend der wirtschaftlichen Situation. Deshalb stellen sie ihre Unternehmen gemeinsam neu auf. Erfreulicherweise ist man dadurch nicht auf die Diskussionen innerhalb einer nur schwer handlungsfähigen Bundesregierung angewiesen. Gott sei Dank sind die meisten der Unternehmerinnen und Unternehmer auch nicht darauf angewiesen, jetzt noch für wenige Wochen einen neuen Bundeswirtschaftsminister zu haben. Der Bundeswirtschaftsminister jedenfalls wird als einer der dienstkürzesten Minister in diesem Haus in die Geschichte eingehen. 14 Jahre hat Ludwig Erhard durchgehalten. Damit ist er der dienstälteste Bundeswirtschaftsminister. Herr zu Guttenberg wird es auf etwas mehr als 14 Wochen bringen. Er wird sicher nicht als Bundeswirtschaftsminister, sondern als Bundeswahlkampfminister in die Geschichte eingehen. Das ist schließlich auch sein Job; das wird offen zugegeben. ({7}) Was mich aber doch in dieser Debatte wundert, ist, wie wenig die Union am Ende noch zu dem steht, was sie mal vertreten hat. Wenn außerhalb Ihrer Reihen darauf hingewiesen wird, dass Michael Glos der letzte Mohikaner der Ordnungspolitik in diesem Kabinett war, ({8}) dann müsste doch eigentlich ein Aufschrei durch Ihre Reihen gehen. Sie müssten sich als Ordnungspolitiker und als auf der Basis der sozialen Marktwirtschaft handelnde Politiker positionieren. Sie dürften nicht den Eindruck erwecken, dass es Ihnen eigentlich ganz recht ist, dass dieser Teil Ihres Programms jetzt von niemandem mehr vertreten wird. ({9}) Wir können nur an Sie appellieren, Ihr ordnungspolitisches Gewissen wiederzufinden, Widerstand gegen die Staatswirtschaftler auf der anderen Seite in diesem Haus zu leisten ({10}) und sich mit uns gemeinsam dafür einzusetzen, dass wir in Deutschland die soziale Marktwirtschaft erhalten und in diesem Zusammenhang an die Kräfte der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken und diese stärken. Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, als könnten wir mit einzelnen, kleinen Konjunkturprogrammen unsere stabile und große Wirtschaft nachhaltig beeinflussen. Gott sei Dank werden mehr als 90 Prozent der Gesamtinvestitionen in Deutschland von privaten Unternehmen und Haushalten getätigt und eben nicht von der öffentlichen Hand. Deshalb wäre es viel wichtiger, sich darauf zu konzentrieren, diese 90 Prozent zu stärken, statt hier weiter darüber zu streiten, ob ein paar hundert Millionen Euro in das eine oder andere Progrämmchen gesteckt werden. Das ist der völlig falsche Weg. Es stimmt: falsche Richtung, keine Führung. Das ist aber leider nicht neu. Deshalb warten wir auf den September. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Berg von der SPD-Fraktion. ({0})

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die enttäuschende Botschaft für die Opposition gleich zu Beginn: Die Regierung ist voll und ganz handlungsfähig. ({0}) - Man muss nicht immer hier sitzen, um handlungsfähig zu sein. Man kann Handlungen tatsächlich auch woanders vorbereiten und tätigen. ({1}) Sie beweist das mit den zwei Konjunkturpaketen, die sie beschlossen hat und die allseits gelobt werden. ({2}) Sie hat das nicht zuletzt mit der raschen Beschlussfassung über diese Pakete bewiesen. Wir haben das mit unseren zügigen und konstruktiven parlamentarischen Beratungen unterstützt. Auch inhaltlich wurden die Weichen richtig gestellt. ({3}) - Doch, ich glaube das. Obwohl es mir schwerfällt, gegen Ihre Zwischenrufe anzuschreien, versuche ich es. Sie hat das mit einem ausgewogenen Verhältnis von Ausgaben zur Stützung der Konjunktur einerseits und der Höhe der Neuverschuldung, die wir begrenzen wollen, andererseits geschafft. Die Regierung hat mit Peer Steinbrück einen sozialdemokratischen Finanzminister, der seiner Verantwortung in der Krise voll und ganz gerecht wurde. ({4}) Er hat ohne Zögern die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um den Finanzmarkt zu stabilisieren. Mit Frank-Walter Steinmeier haben wir einen Vizekanzler, der mit seinem Konzept für das Konjunkturpaket die Grundlage dafür geliefert hat, dass wir diese Krise effektiv bekämpfen können. ({5}) Wir sind also durchaus zufrieden mit der aktuellen Entwicklung. Wir haben klare Vorstellungen davon, was in diesen Zeiten zu tun ist, und die Bundesregierung hat die Kraft, das auch umzusetzen. Worum geht es? Es geht nicht um kabarettistische Auftritte à la Döring oder Künast. ({6}) Wir wollen Unternehmen stärken und Arbeitsplätze sichern bzw. neue schaffen. In den letzten Jahren war die Große Koalition darin sehr erfolgreich. Rot-Grün hat entsprechend vorgearbeitet. Die Arbeitslosigkeit ist drastisch zurückgegangen. Zurzeit müssen wir allerdings befürchten - das ist ein ernstzunehmendes Thema -, dass die Einbrüche in den Auftragsbüchern auch zu Einbrüchen auf dem Arbeitsmarkt führen. Olaf Scholz hat daher mit den Kurzarbeiterregelungen und den notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen einen Puffer geschaffen, mit dem Produktionsausfälle abgefedert werden können. ({7}) Wir haben Kredit- und Bürgschaftsprogramme aufgelegt, die Banken und Unternehmen unter die Arme greifen. Das sichert Arbeitsplätze und die Existenz von vielen kleinen und großen Unternehmen. ({8}) Wir sorgen für den flächendeckenden Ausbau der Breitbandinfrastruktur und für die Modernisierung und den weitergehenden Ausbau der Energienetze. Alle Maßnahmen, die ich eben genannt habe, und noch viele mehr stammen aus dem Steinmeier-Papier. Das wird Ihnen nicht entgangen sein. ({9}) Das heißt, dieses Papier ist nicht nur diskutiert, sondern auch umgesetzt worden. Das beweist die konstruktive Zusammenarbeit im Kabinett und die Kompetenz und Durchsetzungsstärke unserer Ministerinnen und Minister. Morgen wird der neue Wirtschaftsminister vereidigt. Wir jedenfalls wünschen Freiherrn zu Guttenberg alles Gute in seinem neuen Amt und sichern ihm zu, dass er auf eine faire Zusammenarbeit mit der SPD bauen kann, ({10}) auch wenn die Umstände, wie er in sein Amt gekommen ist, nur als abenteuerlich zu bezeichnen sind. Der Umgang von Teilen der CSU mit der Kanzlerin auch in dieser Frage hat uns sehr abgeschreckt. Die Regierungsfähigkeit des Kabinetts war aber zu keinem Zeitpunkt gefährdet. ({11}) Wir weisen - das darf ich abschließend festhalten - mit Abscheu und Empörung zurück, was in dieser Aktuellen Stunde vorgebracht wurde, nämlich dass die Führungsverantwortung der Kanzlerin nicht gewährleistet sei. ({12}) Wir als Koalitionspartner haben keinen Zweifel daran. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Axel Troost von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist das Verfahren, wie Bundeswirtschaftsminister Glos am Wochenende seinen Dienst quittiert hat und wie sein Nachfolger bestimmt wurde, eine Blamage. Natürlich darf man als Parlamentarier fragen, ob die Bundeskanzlerin ihre Regierung wirklich noch im Griff hat. Aber als Opposition sollten wir nicht die gleichen Fehler machen wie die Bundesregierung, nämlich die Öffentlichkeit mit Personaldebatten zu irritieren. Meine Fraktion hat wenig von der Wirtschaftspolitik von Herrn Glos gehalten. Ich sehe wenig Hoffnung, dass das bei Herrn zu Guttenberg anders werden wird. ({0}) Lassen Sie uns daher nicht über Personalien, sondern lieber über Politikinhalte reden. Entscheidend ist doch die Frage, wohin die Bundeskanzlerin mit ihrer Regierung steuern will. Wir beobachten in den letzten Monaten, dass wichtige Glaubenssätze der neoliberalen Politik der letzten 20 Jahre ({1}) in einer außerordentlich schwierigen Krise außerordentlich schnell über Bord geworfen werden. Konjunkturprogramme sind auf einmal in und nicht mehr des Teufels. Der Einstieg des Staates als Retter privater Banken wird zum geeigneten Mittel. Für all das sind nach all den Jahren des Sozialabbaus auf einmal Milliardenbeträge verfügbar. In einer solchen Situation ist es angemessen, noch einmal nach den ursprünglichen Interessenlagen zu fragen. Es ist zwar richtig, dass der Neoliberalismus als quasi religionsartige Ideologie, dass ausschließlich die Steuerungsfähigkeit der Märkte funktioniert, ein fanatisches Ausmaß angenommen hat. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Neoliberalismus die gesellschaftspolitische Fassade für eine dahinterliegende interessengeleitete Politik war und ist. In der aktuellen Krisensituation ist es für die Kapitalseite attraktiver, einen starken Staat zu fordern; denn sie hat im Augenblick Angst um ihre Kapitalanlagen. Damals wie heute sind es die Kapitalbesitzer, die Reichen und die Superreichen, die profitieren, früher vom Rückzug des Staates, von der Privatisierung, von Spekulationsmöglichkeiten, heute von Bankenrettungsplänen und Konjunkturprogrammen. Wir können hier lange die Führungsfähigkeit der Bundeskanzlerin infrage stellen sowie auf das Regierungschaos und das Personalchaos schimpfen. Eines kann man der Bundeskanzlerin aber nicht vorwerfen: dass sie die Leute aus den Augen verliert, für deren Interessen sie sich einsetzt, genauso wie das die vorangegangenen Bundesregierungen getan haben. In diesem Zusammenhang ist die Föderalismuskommission mit der sogenannten Schuldenbremse ein trauriges Beispiel aus der letzten und dieser Woche. Genauso wie beim Stabilitätspakt der EU wird hier mit der Schuldenbremse ein formaler Sachzwang geschaffen. Heute werden die Banken mit Milliardenbeträgen saniert. In wenigen Jahren kann dann eine Bundesregierung behaupten, für Arbeitslosengeld II, Wohngeld und Zuschüsse zur Rentenversicherung sei kein Geld mehr da, weil keine Verschuldung mehr möglich sei. Dazu sagen wir in der Tat: Es ist notwendig, die Banken nicht pleitegehen zu lassen, hier Sanierungsschritte zu machen. Aber es stellt sich die Frage: Wer zahlt all dies? Das dürfen nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sein, sondern das müssen diejenigen sein, die sich über Jahre und Jahrzehnte eine goldene Nase verdient haben. Deswegen sagen wir: Wir müssen Geld über eine Zwangsabgabe, eine Zwangsanleihe, die Vermögen- und Erbschaftsteuer und vieles andere mehr beschaffen; denn nur so können wir gewährleisten, dass nun diejenigen, die bisher profitiert haben, in die Finanzierungsverantwortung einbezogen werden. ({2}) Das liegt aber eben nicht im Interesse der herrschenden Eliten dieses Landes. Um die Interessen dieser Eliten abzusichern, fehlt es der Bundesregierung leider nicht an Führung. Von dieser Führung, meine Damen und Herren, möchte ich nicht mehr haben. Danke schön. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Künast, was ist eigentlich stringente, konsistente, nachhaltige Politik? ({0}) Ich will Ihnen ein Beispiel vom heutigen Tag nennen. Heute haben Sie im Bundestagausschuss für Wirtschaft und Technologie gegen das Konjunkturpaket II gestimmt, ({1}) haben parallel dazu aber beschlossen, dass Sie in Hamburg und Bremen zustimmen. ({2}) Das ist die Doppelkopfpolitik der Grünen. ({3}) Das haben Sie nur gemacht, weil Sie die FDP ärgern wollten, aber das ist doch keine klare Politik. Was wollen Sie denn eigentlich? Das liegt wahrscheinlich daran, dass Sie überall mit Doppelspitzen arbeiten. Die linke weiß nicht, was die rechte tut, wahrscheinlich ist das Ihre Politik. Gerade in dieser Finanzmarktkrise hat die Bundeskanzlerin Richtlinienkompetenz bewiesen. Es hat es noch nie in diesem Hohen Hause gegeben, ({4}) dass ein Paket mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro innerhalb von einer Woche von A bis Z durchgezogen wurde. Ich bin einem Teil der Opposition, in dem Fall der FDP, dankbar, dass sie mitgemacht hat. Sie von der Linken haben sich verweigert; das kennen wir von Ihnen. Sie, Frau Künast, müssten selber wissen, was Bastapolitik bedeutet; denn wir haben erst einmal die Schäden Ihrer Bastapolitik beseitigen müssen. Auch Sie haben darunter gelitten; das haben Sie selbst einmal zugegeben. Wir mussten danach aufräumen; denn als Sie aufgehört haben, in der Regierung zu sitzen, haben Sie uns „freundlicherweise“ 5 Millionen Arbeitslose hinterlassen. Die Krise hat uns überhaupt nur deshalb nicht so stark wie andere Länder getroffen, weil wir eine vernünftige Politik unter Angela Merkel und in dieser Großen Koalition gemacht haben. ({5}) Wir haben dafür gesorgt, dass wir gestärkt in das Verfahren zur Bewältigung der Krise gegangen sind. Gott sei Dank sind wir dazu besser in der Lage als alle anderen Länder. Ich gehe davon aus, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen ihre Hausaufgaben in dieser Phase gemacht haben, sodass wir diese Krise besser überstehen. Ich möchte in dem Zusammenhang auch den Bundeswirtschaftsminister Michael Glos erwähnen, der einen guten Anteil daran gehabt hat. ({6}) Mit Karl-Theodor zu Guttenberg hat der Herr Bundespräsident gestern den Nachfolger von Michael Glos benannt. Auch an dieser Entscheidung hat die Bundeskanzlerin - sie hat das nie so lauthals gemacht wie andere vor ihr ({7}) maßgeblich Anteil gehabt. Natürlich hat sie verfassungsrechtlich die Personalentscheidung zu treffen. Das weiß sie ganz genau. Sie hat dabei natürlich auch die Koalitionspartner zu berücksichtigen. ({8}) Das ist ihr mit dem Vorschlag von Herrn zu Guttenberg sicherlich leichter gefallen, als das bei Gerhard Schröder mit Ihnen, Herr Trittin, und mit Herrn Fischer der Fall war; denn Schröder musste Ihnen, Herr Trittin, erst einmal beibringen, wer Koch und wer Kellner ist. Sie können sich sicherlich noch daran erinnern. ({9}) Nun versuchen beispielsweise Sie, Herr Kuhn, dem neuen Wirtschaftsminister Kompetenz abzusprechen, so nach dem Motto: Der hat keine Ahnung von Wirtschaftspolitik. - Dabei hat er das familiäre Rüstzeug, er ist Unternehmer, und er ist ein mit summa cum laude promovierter Politik- und Rechtswissenschaftler. Das ist natürlich - da muss ich Ihnen recht geben nicht mit den großartigen Qualifikationen des größten Politikers und Staatsmannes, des „Grögaz“, des größten Grünen aller Zeiten, zu vergleichen. Ich habe einmal in seiner Vita nachgelesen, welchen Werdegang er genommen hat. ({10}) Er war immerhin bis zum zehnten Schuljahr auf dem Gymnasium. Das musste er ohne Abschluss verlassen. Er brach eine Lehre als Fotograf ab, danach arbeitete er als Spielwarenverkäufer, wenn wir Straßenkämpfer einmal nicht als Beruf werten. ({11}) 1976 legte er eine einzige Prüfung erfolgreich ab, nämlich die Prüfung zur Erlangung des Personenbeförderungsscheins; er wurde nämlich anschließend Taxifahrer. Er war dann Aushilfe in einem Buchladen und hatte schauspielerische Kurzauftritte. Das hat ihn natürlich für seine spätere Vita hier im Deutschen Bundestag qualifiziert. Das alles sind also Topqualifikationen für einen Außenminister. Es ist klar, dass Schröder damals seine geballte Richtlinienkompetenz mobilisieren musste, um den überhaupt zum Außenminister zu machen. ({12}) Dann einem Einserjuristen vorzuwerfen, er sei für einen solchen Job nicht geeignet, das ist schon kühn, Frau Künast. ({13}) Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass ich Ihnen klarmachen konnte, dass solche Debatten, wie wir sie heute hier führen, angesichts der Tatsache, dass sich unser Land noch nie in einer so schweren Krise befunden hat, nicht ins Parlament passen. Wir sollten uns mit Ernst an unsere Aufgaben begeben. Mich ärgert es, dass Sie uns die Zeit, die wir brauchen, um dieses Land aus der Krise zu führen, mit solchen Debatten stehlen. Wir arbeiten daran und machen keinen Klamauk. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Scheel vom Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Irgendwie hat man das Gefühl, es gibt in der Union ziemlich viel Verwirrung. Mittlerweile erscheinen schon die Redebeiträge der eigenen Kollegen peinlich. Aber gut! Man schaue sich einmal an, wie die derzeitige Situation in der Bevölkerung diskutiert wird. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich: Wer regiert dieses Land eigentlich? Manche haben den Eindruck, dass dies Horst Seehofer ist. Das zeigt, dass es mit der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin nicht weit her ist. Das zeigt auch, dass wir es hier anscheinend mit einem „BastaSeehofer“ und nicht mit einer Kanzlerin zu tun haben, die vorgibt, was für dieses Land notwendig ist. ({0}) Angesichts dieser sehr schwierigen Finanzkrise und angesichts der wirtschaftlichen Situation sehen wir, dass die Bürger und Bürgerinnen erwarten, dass regiert wird. Gleichzeitig wird hier, in der realen Politik, abgetaucht. Das stärkt nicht das notwendige Vertrauen in die Politik. Man sieht, dass vielmehr ein ziemliches Chaos in dem, was Sie wollen oder nicht wollen, ausgebrochen ist. Ich gebe Ihnen ein ganz einfaches, klares Beispiel: Heute hat es innerhalb der Großen Koalition um die Frage, was wir für den Klimaschutz tun - Stichwort „Kfz-Steuer“ -, ein ziemliches Schmierentheater gegeben. Es sollte so sein, dass große Dieselfahrzeuge in Zukunft stärker mit Steuern belastet werden. Die Union hätte es mitgetragen; die SPD hat es gebremst. Die Kanzlerin stellt sich auf die Eisscholle und sagt: Klimaschutz und Arbeitsplätze. Sobald es allerdings um Taten geht, sind Sie nicht in der Lage, dies umzusetzen, und die Kanzlerin taucht ab und schweigt. ({1}) Es reicht auch nicht, in der Welt herumzufliegen und von anderen die Regulierung der Finanzmärkte einzufordern, wie es die Bundeskanzlerin unlängst getan hat. Man muss zu Hause das tun, was man von anderen verlangt. Wenn man weiß, dass deutsche Banken mit 114 Milliarden Euro in der Steueroase Cayman Islands und mit 52 Milliarden Euro auf Jersey engagiert sind, dann muss man sich schon fragen: Wo ist die Ansage von Angela Merkel, dass das nicht geht? Das kratzt nämlich auch an Deutschlands Glaubwürdigkeit. ({2}) Wenn man sich die Untätigkeit und das Gewährenlassen in Bezug auf das Wirtschaftsministerium anschaut, dann erkennt man, dass die heutige Diskussion durchaus einen Sinn hat. Angela Merkel hat in diesem Zusammenhang den Vogel abgeschossen. Sie ist seit drei Jahren der Meinung, dass Michi Glos als Wirtschaftsminister nicht das bringt, wovon sie glaubt, dass es für dieses Land gut ist. ({3}) Dennoch hat sie das Ganze drei Jahre lang laufen lassen. Bundesminister und Bundesministerin sind per Gesetz an die Richtlinien der Kanzlerin gebunden und nicht an die Richtlinien des bayerischen Ministerpräsidenten. Auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen. ({4}) Wir hätten schon erwartet, dass spätestens im Herbst, nach dem Wahldebakel der CSU, die Chance zu einer Kabinettsumbildung genutzt worden wäre und dass man dieses Amt so besetzt hätte, wie man es hat besetzen wollen. Faktisch hat die Bundeskanzlerin aber nichts getan. Sie ist aus Feigheit vor Horst Seehofer - das muss man klar sagen - hier zurückgewichen. Es ging um den Regionalproporz in Bayern und nicht um eine klare Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Das beschädigt Ihre Umfragewerte, und davon profitiert die FDP im Moment. Wir würden uns von der Kanzlerin in dieser Krise einmal etwas mehr Mut wünschen; ich verweise auf das, was jetzt vonseiten der FDP vorgeschlagen wird. Die Kanzlerin sagt: Das ist egal; die Wählerwanderungen finden innerhalb des konservativen Wählerspektrums statt; ein paar von der Union gehen halt zur FDP; die kommen schon irgendwann zurück. Besser wäre es, den Mut zu haben, zu sagen, dass die FDP in dieser Krise kein Konzept hat, dass die Umsetzung der Vorschläge, Steuern in diesen Größenordnungen zu senken, die Staatsverschuldung weiter nach oben treibt und dass das alles in dieser Krise keinen Beitrag dazu leistet, das Richtige zu tun. ({5}) - Das müssen Sie sich anhören. Gigantische Staatsverschuldung, falsch angelegtes Bankenrettungspaket, schlechtes Konjunkturpaket - dazu kam es, weil für jeden im Kabinett ein bisschen was dabei sein sollte. Das ist aber kein Ausdruck von Führungskompetenz; vielmehr sehen wir hier ein ganz klares Führungsdefizit. ({6}) Ich erwarte auch, dass man in der Krise ein klareres Bild über die Finanzlage abgibt. ({7}) Der Nachtragshaushalt ist unehrlich. Er ist unseriös. Er ist auch intransparent. Es gibt massenweise Schattenhaushalte. Wir haben jetzt mitbekommen, dass die Bundeskanzlerin nicht einmal weiß, wie die Haushaltspolitik funktioniert, wie das mit den Schattenhaushalten in der Vergangenheit war, wie die abbezahlt worden sind und wie die Tilgungssituation ist. ({8}) Die Bürger und Bürgerinnen würden sich schon erhoffen, dass ihr Steuergeld vernünftig verwaltet wird, dass es für Dinge ausgegeben wird, die für die Zukunft Sinn machen, die für die Zukunft, für unsere Kinder, notwendig sind, ({9}) und dass es nicht verpufft, nur um es irgendwelchen Regionalleuten recht zu machen und Lobbyinteressen zu bedienen. ({10}) Wir wünschen uns hier Geradlinigkeit, Klarheit nach vorn ({11}) und Transparenz in der Haushalts- und Finanzpolitik. Angela Merkel muss einmal sagen, wo es langgeht; anscheinend bekommen die es im Kabinett sonst nicht hin. Danke. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Florian Pronold von der SPD-Fraktion. ({0})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Niederbayer! Das ist ein großer Unterschied! ({0}) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe die Kritik der Grünen an der Führungskompetenz der Bundeskanzlerin in keiner Weise. ({1}) Ich will das auch ausführen. Ich habe mich zuerst gefragt: Was ist der Anlass für diese Aktuelle Stunde, die Frage der fehlenden Richtlinienkompetenz oder die Frage der Führungsfähigkeit der Bundeskanzlerin? Zur Frage der Richtlinienkompetenz. Dafür ist tatsächlich ein äußerer Anlass gegeben. Aber der hätte eine Nachhilfestunde für den Herrn Glos notwendig gemacht, keine Aktuelle Stunde für den Deutschen Bundestag; denn: Die Bundeskanzlerin ist diejenige, die darüber entscheidet, wer Bundesminister ist, und nicht Horst Seehofer. ({2}) Wenn sich der Herr Glos in der Frage seines Rücktritts sozusagen an die falsche Person wendet, ist tatsächlich Aufklärungsbedarf gegeben, aber mit Sicherheit nicht für die Parlamentarier und Parlamentarierinnen hier in Form einer Aktuellen Stunde, sondern für den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister. Zur zweiten Frage, die die Aktuelle Stunde begründen könnte, nämlich ob in der Führungskompetenz der Bundeskanzlerin Defizite auszumachen sind, ({3}) so wie es die Grünen hier unterstellen. Es gibt natürlich Anlässe - sie haben ihren Ursprung in der Staatskanzlei in Bayern -, die zumindest Fragezeichen zulassen. ({4}) Ich schaue mir einmal an, was beim Umweltgesetzbuch geschehen ist. Wenn die Frau Bundeskanzlerin als grüner Klimaengel durch die Welt schwebt und tolle Sachen verkündet, aber dann, wenn es im Deutschen Bundestag darauf ankommt, gegenüber ihrer eigenen Fraktion und insbesondere gegenüber der CSU in München leider nicht die Stärke hat, das Umweltgesetzbuch durchzusetzen, dann kann man hier zu Recht ein Fragezeichen anbringen. ({5}) Dieselbe Frage könnte man natürlich auch beim aktuellen Beispiel der Koalitionsvereinbarung zum Thema „Mindestlohn und Leiharbeit“ stellen. ({6}) - Ich komme gleich zur Antwort. - Auch hier ist die Frage, ob sich die Kanzlerin gegen Horst Seehofer durchsetzen und das umsetzen wird, was sie in der Großen Koalition vereinbart hat. Ich habe gesehen, Kollege Michelbach spricht nach mir. Das freut mich; denn auch der Kollege Michelbach ist in den letzten Wochen dadurch aufgefallen, dass er die Kanzlerin für mangelnde Durchsetzungsfähigkeit öffentlich kritisiert hat. ({7}) Ich freue mich darauf, zu hören, wie er sie gleich verteidigt. ({8}) Aber auch beim Konjunkturpaket ist es wirklich eine spannende Sache mit dem Fragezeichen; denn gerade die CSU und Horst Seehofer haben dabei vieles aufgehalten; das hätte anders schneller und besser gehen können. ({9}) Aber was diese von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde falsch macht, ist Folgendes: Sie haben ein völlig falsches Verständnis von Führung, und das verwundert mich. Ich dachte, bei Ihnen gäbe es noch eine Reminiszenz an die antiautoritäre Zeit. Ich finde, dass die Bundeskanzlerin wirklich ein modernes Führungsverständnis hat. ({10}) Sie sieht, dass mit Frank-Walter Steinmeier ein Vizekanzler da ist, der alle Eckpunkte des Konjunkturprogramms aufgeschrieben hat. ({11}) Sie sieht, dass ein Wolfgang Tiefensee da ist, der mit einem Infrastrukturprogramm die Konjunktur wieder ankurbelt. Sie sieht, dass ein Olaf Scholz es bei der Frage des Kurzarbeitergeldes richtig macht. Sie sieht, dass Peer Steinbrück der Richtige ist, um die Finanzkrise zu meistern. ({12}) Dafür muss man sie doch loben. Es ist ein Zeichen von moderner Führungskompetenz, dass sie sich hier voll auf Peer Steinbrück verlässt und nicht auf Michael Glos, der das auch entsprechend beklagt hat. Ich halte dies also für einen Ausdruck moderner Führungskultur. ({13}) Der Kollege Heil hat einmal gesagt, die Große Koalition sei durch folgende Arbeitsteilung gekennzeichnet: Die Sozialdemokraten arbeiteten im Maschinenraum, und andere versuchten, sich auf dem Sonnendeck zu sonnen. Jetzt wird deutlich, dass die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht nur im Maschinenraum, sondern auch auf der Kommandobrücke das Sagen haben. ({14}) Deswegen ist es gut, wenn sich eine Bundeskanzlerin auf dem Sonnendeck auch bei Regen darauf verlassen kann, dass die Führungsmannschaft gute Arbeit leistet. Dies ist ein Ausdruck von Führungsstärke, wofür sie nur Lob verdient. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Tatsache: Die Bundeskanzlerin hat den Auftrag der Wähler zur Übernahme der Richtlinienkompetenz aktiv und erfolgreich genutzt. Die Große Koalition tritt der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise verantwortungsvoll entgegen. Alle Versuche, hier zwischen einer sozialdemokratischen Handschrift und einer bürgerlichen Handschrift zu unterscheiden, führen uns nicht weiter. ({0}) Tatsache ist auch, dass wir Erfolge bei der Bekämpfung der Krise zu verzeichnen haben. Das europäisch und international gut abgestimmte Krisenmanagement hat der deutschen Politik weltweit Respekt verschafft. ({1}) Das Vorurteil von der Ohnmacht der Politik in Zeiten der Globalisierung hat erst einmal ausgedient. ({2}) Machen wir unsere politische Arbeit doch nicht schlechter, als sie ist! Es ist Ausdruck einer Fehleinschätzung, wie wir hier in einer solchen aktuellen Stunde mit den Erfolgen der gemeinsam von uns betriebenen Politik umgehen. Was sollen denn die Bürgerinnen und Bürger draußen denken, wenn wir uns hier in kleinkarierter Weise auseinanderdividieren? Es geht in dieser Zeit um eine Richtlinienkompetenz für eine praxisnahe, pragmatische Politik, die natürlich auf den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft stattfinden muss. Von daher wäre es völlig falsch, wenn man Krisengewinnler spielen wollte. Marktgläubigkeit und Staatsverachtung sind jetzt ebenso gescheitert wie vorher Staatsgläubigkeit und Marktverachtung. Natürlich sehe ich die Gefahr, dass enttäuschtes Marktvertrauen in übertriebenes Staatsvertrauen umschlägt, und unterschätze sie nicht. ({3}) Wir müssen sehen, die Marktwirtschaft ist immer noch das beste Wirtschaftssystem. ({4}) Die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin spiegelt die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft wider. Deswegen wende ich mich dagegen, dass in einer Großen Koalition einige glauben, eine Rutschbahn in den Staatskapitalismus sei der richtige Weg. Da müssen wir Grenzen setzen. Wenn darüber innerhalb einer Koalition diskutiert wird, dann ist diese Diskussion zum Aufzeigen der Grenzen notwendig. ({5}) Wir müssen diese Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft wahren und jede Rutschbahn in den Staatskapitalismus verhindern, weil er den durch diese Krise hervorgerufenen Herausforderungen nicht angemessen ist. ({6}) Wir müssen die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns wieder stärker zur Geltung kommen lassen: Anstand und Aufrichtigkeit, Rücksicht und Verantwortungsbereitschaft sowie die Orientierung an dauerhaften Werten sind besser als die Gier nach dem schnellen Geld. Mit diesen Werten hat unser Land ein Wirtschaftswunder geschaffen, und mit diesen Werten wird Deutschland auch aus dieser Krise herauskommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Mir steht es an, dem bisherigen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos herzlichen Dank zu sagen. Dieser Mann hat als ordnungspolitisches Gewissen für seine Überzeugung gekämpft und sich um unser Land verdient gemacht. ({8}) Deshalb ist es wichtig, dass jetzt mit Karl-Theodor zu Guttenberg die Wirtschaftskompetenz der Union fortgeführt wird. ({9}) Er wird ihr zu weiterer Durchschlagskraft verhelfen. Seine Wirtschaftspolitik wird immer an dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft ausgerichtet sein. Ich glaube, dass wir bald feststellen können, dass er seine Arbeit erfolgreich machen wird. Karl-Theodor zu Guttenberg kann nämlich - darüber freuen wir uns ({10}) eigene Tätigkeit in einem mittelständischen Unternehmen vorweisen. Dieser Mann redet nicht wie der Blinde von der Farbe, sondern hat Praxiserfahrung und kann so praxisnah und erfolgreich agieren. Auch ihm kommt zukünftig die Aufgabe zu, das ordnungspolitische Gewissen dieser Großen Koalition zu sein. Er ist kein Proporzminister, wie hier behauptet wurde, sondern ein fähiger, junger, tatkräftiger Kollege, den ich seit vielen Jahren sehr schätze. Denjenigen, die sich gegen die Übertragung des Amtes an diesen Franken verstiegen haben, kann ich, der ich ja selber ein Franke bin - das kann ich nicht verleugnen -, abschließend nur sagen: ({11}) Man muss Gott danken, dass es gibt tüchtige Franken. Danke schön. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Martin Dörmann von der SPD-Fraktion.

Martin Dörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003517, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal auf den Wortbeitrag von Frau Scheel zurückkommen. Frau Scheel, ich habe durchaus Verständnis, dass die Opposition angesichts der aktuellen Lage den von der Union verschuldeten Strafstoß hier ins Plenum gebracht hat, zumal es sich wohl vorher um ein Foul aus den eigenen Reihen gehandelt hat. Zu diesem Schluss komme ich jedenfalls, wenn ich die Aussagen nachvollziehe, die ich im Moment von Herrn Glos lese. Ich möchte aber auch auf das Problem Richtlinienkompetenz zu sprechen kommen. Ich glaube, wir sollten dem Publikum nichts vormachen. Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Jahren oder Jahrzehnten irgendein Kanzler von seiner Richtlinienkompetenz in Streitfragen Gebrauch gemacht hat. Darüber, wie diese zu verstehen ist, streiten sich ja die Staatsrechtler. Selbst Helmut Schmidt war am Ende seiner achtjährigen Kanzlerschaft stolz, dass er es immer geschafft hat, Kompromisse hinzubekommen, und nie von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch musste. In Zeiten von Großen Koalitionen, wo beide Parteien fast gleich stark sind, wäre es auch nicht richtig, sich darauf zu berufen. Ich hätte es als spannend empfunden, zu sehen, wie Sie reagiert hätten, wenn Herr Schröder unabhängig von irgendwelchen Koalitionsverträgen von seiner Richtlinienkompetenz gegenüber Herrn Trittin oder irgendjemand anderem Gebrauch gemacht hätte. ({0}) Ich glaube also, Richtlinienkompetenz ist in diesem Zusammenhang nicht das richtige Stichwort. Vielmehr sollten wir alle miteinander einen Moment lang selbstkritisch überlegen, was wir nach draußen kommunizieren. Selbstverständlich darf man nicht immer sagen, dass alles gut gelaufen ist. Ich denke, die Umstände geben uns als Sozialdemokraten Anlass zur Sorge, weil ein beMartin Dörmann stimmtes Bild in der Öffentlichkeit entstanden ist. Dem können wir nur durch gutes Handeln entgegenwirken. Das wollen wir. Ich danke aber auch Herrn Glos dafür, dass er in den vergangenen Jahren mit uns eine gute Kommunikation gepflegt hat. Wir hätten uns einen noch besseren Wirtschaftsminister wünschen können, beispielsweise hätte Peer Steinbrück dieses Amt in Personalunion mit dem des Finanzministers wunderbar ausüben können. ({1}) Dieser Vorschlag war ja auch schon auf dem Tisch. Aber der Koalitionsvertrag sieht etwas anderes vor. Das Zepter des Handelns lag sozusagen aufseiten der CSU. Ich will ausdrücklich betonen, dass wir die Zusammenarbeit mit dem neuen Wirtschaftsminister Herrn zu Guttenberg sehr konstruktiv angehen werden. Ich freue mich schon auf die Diskussionen. Ich möchte nun auf die Inhalte zu sprechen kommen und deutlich machen, dass die SPD inhaltlich an vielen Stellen innerhalb dieser Großen Koalition etwas Gutes erreicht hat. In der Politik geht es nämlich nicht in erster Linie um Richtlinien, sondern vielmehr um Leitlinien. An vielen Stellen wird deutlich, dass Sozialdemokraten diese Leitlinien mitprägen. Das ist ja auch gut so. Insofern stimme ich dem Kollegen Pronold ausdrücklich zu, dass es auch ein Zeichen von Führungsstärke sein kann, nämlich der Kanzlerin an dieser Stelle, wenn sie den Rat von guten sozialdemokratischen Ministern wie beispielsweise Peer Steinbrück sucht, gute Vorschläge der Sozialdemokraten aufnimmt und diese auch entsprechend umsetzt. Dabei hat sie unsere volle Unterstützung. ({2}) Ganz aktuell sehen wir das beim Konjunkturpaket II. Es trägt sozialdemokratische Handschrift. Es ist im Wesentlichen von fünf Leitlinien geprägt. Unsere erste Leitlinie lautet, auf Investitionen, insbesondere in den Kommunen, zu setzen, damit Infrastruktur aufgebaut wird, und zwar schwerpunktmäßig im Bildungsbereich. Wir sagen nämlich: Wenn wir schon Schulden machen müssen - das müssen wir in diesen Zeiten -, dann bitte für solche Dinge, die sich für die nachfolgenden Generationen positiv auswirken und die sie nach vorne bringen. ({3}) Die SPD versteht sich als Kommunalpartei. Wir haben dafür gesorgt, dass die Gewerbesteuer erhalten geblieben ist. Wir stehen dafür, dass das Geld bei den Kommunen vor Ort ankommt. Das Gleiche gilt für die Unternehmen, die durch Bürgschaftsprogramme und durch Kreditprogramme der KfW unterstützt werden. Der zweite Bereich. In diesen schweren Zeiten müssen wir für Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger sorgen. Die Sozialdemokraten sagen aber auch: Das muss sozial gerecht, also mit einem klaren Schwerpunkt auf den unteren Einkommen, erfolgen. ({4}) Für diese Einkommensgruppe muss es zu Steuersenkungen und zu einer Absenkung des Krankenkassenbeitrages kommen. Der dritte Bereich. Wir brauchen gezielte Hilfen für Branchen, die besonders betroffen sind - dazu zählt die Automobilindustrie - und von denen sehr viele Arbeitsplätze in Deutschland abhängig sind. Deshalb haben wir die Umweltprämie bzw. Abwrackprämie - wie immer Sie sie nennen wollen - durchgesetzt. Die Grünen sagen an dieser Stelle, dass mit dieser Prämie, was das Thema Umweltschutz angeht, nicht das Ei des Kolumbus gefunden wurde. ({5}) Darauf sage ich nur: Sie haben den Sinn des Konjunkturprogramms nicht verstanden. ({6}) Wir müssen in einer Krisensituation Prioritäten setzen. Die Priorität ist, Arbeitsplätze zu erhalten. Der vierte Bereich. Wir begrenzen die Verschuldung. Es kann nicht sein - das sage ich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Linken -, dass wir die zukünftigen Generationen so belasten, dass es am Ende zu negativen Effekten führt. Der fünfte Bereich ist uns Sozialdemokraten besonders wichtig. Wir wollen den Arbeitsmarkt erhalten. Dank der verbesserten Kurzarbeiterregelungen haben wir dafür gesorgt, dass es in diesem Jahr 250 000 Arbeitslose weniger geben wird - so die Experten -, als ohne diese Regelungen zu erwarten wäre. Sie sehen: Dies ist ein ausgewogenes Paket, was in den Anhörungen insgesamt durchaus bestätigt wurde, obwohl es den einen oder anderen gibt, der andere Wünsche hat. Herr Döring, was ich aber überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass Sie das Argument „Das sind ja nur Milliönchen“ anführen. Ich kann denjenigen Kollegen nur recht geben, die hier schon angemerkt haben, dass gerade die FDP, die sich rühmt, Wirtschaftspartei zu sein, kein Konzept vorlegt. Einerseits kritisieren Sie die Verschuldung, andererseits fordern Sie mehr Entlastungen. Wir wissen genau, welche Klientel Sie in erster Linie entlasten wollen. Das passt alles nicht zusammen; das alles ist kein Konzept. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Dörmann, kommen Sie bitte zum Schluss.

Martin Dörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003517, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. Es geht hier nicht um Richtlinienkompetenz, sondern um die Kompetenz bei den Leitlinien der Politik. Die Sozialdemokraten und auch die Große Koalition sind da gut aufgestellt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst drei Bemerkungen zu Ihrer Rede, Frau Kollegin Künast, machen. Die erste Bemerkung. Die Opposition beantragt normalerweise eine Aktuelle Stunde, damit die Regierung ins schlechte Licht gerückt wird, damit also Minuspunkte aufgezeigt werden. Die von Ihnen beantragte Aktuelle Stunde hat aber dafür gesorgt, dass die Regierung Pluspunkte sammeln konnte. ({0}) Denn die Große Koalition hatte Gelegenheit, die Leistungen dieser Regierung aufzuzeigen. Die können sich sehen lassen. Das hat sicherlich jeder Zuschauer mitbekommen. ({1}) Die zweite Bemerkung. Stellen Sie sich einmal vor, die Finanzkrise hätte uns während Ihrer Regierungszeit erreicht. Wie stand es um Deutschland am Ende dieser Zeit? Wir waren Schlusslicht in Europa. ({2}) Es wäre zu einer Katastrophe gekommen. Heute trifft uns die Krise zu einem Zeitpunkt, wo wir gut aufgestellt sind. Die dritte Bemerkung. Ich weiß nicht, wie unter RotGrün damals Minister gemacht worden sind. Ich hatte den Eindruck, Joschka Fischer hat es für seine Partei alleine gemacht. Mit der Richtlinienkompetenz ist es in einer Koalition so eine Sache. Eine starke Führungspersönlichkeit - das ist nun einmal unsere Bundeskanzlerin - zeichnet sich dadurch aus, dass sie in der Lage ist, Kompromisse zu finden, mit denen beide Koalitionspartner leben können. Das ist die schwierige Aufgabe einer Bundeskanzlerin in einer Koalition. Dies ist unserer Bundeskanzlerin hervorragend gelungen. ({3}) Die Koalitionsfraktionen nutzen natürlich die Chance, aufzuzeigen, wie gut die eigenen Minister sind. Herr Kollege Dörmann, Sie haben einen vergessen: Herrn Tiefensee. Zu ihm wird wahrscheinlich der Generalsekretär noch etwas sagen. ({4}) Ich will aber auf Folgendes hinweisen: Die Große Koalition hat in den letzten drei Jahren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland grundlegend verbessert: ({5}) Wir haben 2 Millionen Arbeitslose weniger. Mit über 40 Millionen Beschäftigten haben wir die höchste Zahl in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht. Das, was wir zum Thema „Sanierung der Staatsfinanzen“ vorzuzeigen haben, kann sich sehen lassen. ({6}) Wenn Sie unsere wirtschaftliche Situation mit der der anderen europäischen Nationen vergleichen, dann können Sie mir nur zustimmen, wenn ich sage: Unsere derzeitige Situation ist deutlich besser als die aller anderen Länder in Europa. Dennoch hat diese Regierung unter Leitung der von Ihnen kritisierten Bundeskanzlerin mehr Maßnahmen beschlossen, um mit dieser Krise fertig zu werden, als die anderen Regierungen in Europa. Sarkozy hat einen Vorteil: Er ist in der Lage, kleine Leistungen groß zu verkaufen. ({7}) Nur, wenn Sie die von uns beschlossenen Maßnahmen - insbesondere die, die wir am Freitag beschließen werden - in Relation zu unserem Bruttosozialprodukt sehen und dies mit der Situation in den anderen Ländern vergleichen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis: Wir haben zwar eine hervorragende Situation im Vergleich zu den anderen Ländern, haben aber mehr Maßnahmen ergriffen als die anderen. Das zeigt doch: Unter Führung dieser Bundeskanzlerin sind wir auf einem hervorragenden Weg. Ich sage mit aller Deutlichkeit: Vieles spricht dafür, dass wir zu den Volkswirtschaften gehören, die aus dieser Krise gestärkt hervorgehen können. Bei dem wichtigen Thema der Staatsverschuldung sieht es zurzeit so aus, dass wir trotz der enorm hohen neuen Schulden, die wir machen müssen - es wäre zu teuer, wenn wir jetzt keine neuen Schulden machen würden; um es klar zu sagen: was wäre los, wenn wir nichts machen würden! -, wahrscheinlich das einzige Land in Europa sind, das die Chance hat, in diesem Jahr sogar das 3-Prozent-Kriterium einzuhalten. Diese Aktuelle Stunde hat deutlich gemacht: Die Große Koalition hat gute Arbeit geleistet. Die Bundeskanzlerin hat diese Große Koalition gut geführt. Es ist ihr immer gelungen, tragfähige Kompromisse zu finden. Das wird, je näher die Bundestagswahl heranrückt, natürlich immer schwieriger. Aber wie ich unsere Bundeskanzlerin kenne, wird sie das auch im nächsten halben Jahr hinbekommen. ({8}) Deutschland kann davon ausgehen, dass wir diese schwere Wirtschaftskrise unter einer guten und starken Führung gut überstehen werden. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat das Wort der Kollege Hubertus Heil von der SPD-Fraktion. ({0})

Hubertus Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Künast, ich finde, wir sollten ein paar Dinge auseinanderhalten und dürfen nicht alles durcheinanderwerfen. Deshalb ist meine Frage: Was werfen Sie der Kanzlerin vor? Was werfen Sie Frau Merkel vor, um genau zu sein? Sie wollen der Bundeskanzlerin doch nicht etwa vorwerfen, dass sie starke Ministerinnen und Minister hat? ({0}) Das ist etwas Vernünftiges; das ist deutlich geworden. Wir haben eine andere Diskussion zu führen - man muss sie allerdings ernsthaft führen -, nämlich die Diskussion über die unterschiedlichen Parteien. Das hat uns aber im Sommer zu beschäftigen. Was meine ich mit all dem? Man muss feststellen - aus Gründen der Fairness sollte auch die Opposition in der Lage sein, das zu attestieren -, dass die Bundesregierung in dieser schwierigen Gesamtsituation handlungsfähig ist. ({1}) - Sie können zwar Maßnahmen kritisieren; aber die Handlungsfähigkeit dieser Regierung können Sie nicht ernsthaft bestreiten. ({2}) Ich hielte es für richtig, wenn Sie zumindest das anerkennen würden. Denn vor dem Hintergrund dessen, dass wir die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen haben, muss das gesamte Parlament, also Opposition und Regierungsfraktionen, mithelfen, dass aus einer Wirtschaftskrise keine Demokratiekrise wird. Das sollte man einmal deutlich machen. ({3}) Insofern werbe ich darum, dass Sie zumindest anerkennen, dass diese Bundesregierung in einer Situation, die nicht in Deutschland, sondern auf den internationalen Finanzmärkten, aus den USA kommend, verursacht wurde, schnell und richtig reagiert hat, dass sie zugepackt hat. ({4}) Stellen Sie sich einmal vor, was geschehen wäre, wenn wir im Herbst den Zusammenbruch einer deutschen Bank zugelassen hätten, wie wir es in den USA mit Lehman Brothers erlebt haben. Ich sage Ihnen etwas zum Thema Hypo Real Estate: Wenn man sich vor Augen führt, was in diesem Laden gelaufen ist, können sich einem die Nackenhaare aufstellen; das ist richtig. Wenn wir aber nicht Verantwortung übernommen hätten und weiterhin Verantwortung übernehmen würden, wenn wir den Zusammenbruch dieser Bank zugelassen hätten, dann wären die Folgen - das sagen uns alle Experten mindestens so schwerwiegend wie bei Lehman Brothers gewesen. ({5}) Es geht nicht darum, Bankern zu helfen. Es geht darum, dass wir in unserer Volkswirtschaft die richtige Politik machen; denn das liegt im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Sparerinnen und Sparer und des Mittelstandes, der mit Krediten versorgt werden muss. Insofern bitte ich Sie, Frau Künast, die Themen auseinanderzuhalten. Wir haben in dieser Situation richtig und mit Augenmaß, aber auch konsequent reagiert. Das spiegelt sich auch im Konjunkturpaket wider. Das andere ist der Anlass für diese Aktuelle Stunde, der Rücktritt, sagen wir: der Vorgang Michael Glos am vergangenen Wochenende. Das war Gegenstand öffentlicher Erörterungen. Ich fand den Ablauf in vielerlei Hinsicht schwierig, um nicht zu sagen: würdelos. Das ist aber ein Problem der CSU; darüber sollten wir in diesem Haus nicht diskutieren. ({6}) Über einen anderen Punkt muss man ernsthaft reden. Wir müssen differenzieren: Das eine ist die Kritik an der Kanzlerin, die in ihrer Regierung starke Ministerinnen und Minister hat. Ich finde diese Kritik unangebracht. Es ist gut, wenn man starke Ministerinnen und Minister hat. Das andere ist die Frage, ob Leute, die nicht im Kabinett sind, von außen mitregieren. Unter Kurt Georg Kiesinger gab es schon einmal eine Große Koalition in Deutschland. Er hat die Koalition gut moderiert und hatte auch starke Ministerinnen und Minister. Ein Problem hatte er aber nicht: Der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß war Bundesminister und hat in der damaligen, kleineren Wirtschaftskrise zusammen mit dem sozialdemokratischen Minister Schiller das Ganze gut hinbekommen. Er hat das gut moderiert. An der einen oder anderen Stelle ist es problematisch - das lässt sich nicht leugnen -, wenn Horst Seehofer aus Bayern meint - er steht übrigens gar nicht in dem entsprechenden Artikel des Grundgesetzes; ich habe nachgeschaut -, des Profils der CSU wegen die Arbeit der Bundesregierung blockieren zu müssen. Das betrifft das Umweltgesetzbuch. Dazu gab es eine Vereinbarung; an die hat man sich aber nicht gehalten. ({7}) Frau Merkel hat in diesem Zusammenhang als CDUVorsitzende - ich spreche jetzt nicht über sie als Kanzlerin - nicht ihrer eigenen Überzeugung entsprechend gehandelt. Das ist etwas, was wir zu Recht kritisieren. Das weiß die deutsche Öffentlichkeit. Aus meiner Sicht muss man das auseinanderhalten: Das eine ist das Verhalten der Kanzlerin in einem Kabinett mit starken Ministerinnen und Minister; das andere ist die Frage, ob sich Parteien darauf verlassen können, dass die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Wir werden darauf achten, dass die Vereinbarungen dieser Großen Koalition eingehalten werden. Das sage ich an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen unseres Koalitionspartners, an CDU und CSU, gerichtet. Das betrifft - ich sage das an dieser Stelle sehr deutlich - auch die Vereinbarung zur Lohnuntergrenze für Zeit- und Leiharbeit. ({8}) - Ich habe das UGB gerade genannt. Das ist ein ärgerlicher Vorgang. ({9}) Dazu kann ich nur sagen, dass die CDU-Umweltministerin von Baden-Württemberg, Frau Gönner, vollkommen recht hat: Wir waren handlungsfähig und einigungsfähig; nur das Reingrätschen von Herrn Seehofer - wie ich finde, ohne Sinn und Verstand - hat dazu geführt, dass dieses wichtige Projekt, das eine Herzensangelegenheit der Bundeskanzlerin, der früheren Bundesumweltministerin Angela Merkel, war, gestoppt wurde. Das ist ein ärgerlicher Vorgang. Nichtsdestotrotz ist diese Bundesregierung handlungsfähig. Sie muss es auch weiterhin sein; denn wir haben noch eine Fülle von Arbeit zu erledigen. Beispielsweise das Thema Hypo Real Estate wird uns bei der Bewältigung der Finanzkrise weiterhin beschäftigen. Es geht um pragmatisches Handeln. Es geht darum, den Zusammenbruch zu verhindern und dafür zu sorgen, dass wir eine öffentliche Kontrolle dieses Unternehmens erreichen. Deswegen müssen wir handlungsfähig bleiben. Es geht nicht nur um die Bewältigung der Symptome dieser Krise, sondern auch darum, zu fragen, welche Konsequenzen wir ziehen, welche Regeln wir jetzt auf den Finanzmärkten durchsetzen wollen. Meine Bitte an dieser Stelle ist, einen Ideenwettbewerb auszurichten. Wir müssen dafür sorgen, dass aus dieser Krise Konsequenzen gezogen werden und dass man nicht zur Tagesordnung übergeht nach dem Motto: Jetzt muss der Staat helfen, dann soll er sich wieder zurückziehen. Diese Finanzmarktkrise lehrt, dass funktionierende Märkte Regeln brauchen. Wer dies nicht begriffen hat, hat den Schuss nicht gehört. Ich befürchte, einige in diesem Haus haben den Schuss nicht gehört; denn sie verharmlosen schon jetzt, was passiert ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Heil, bitte.

Hubertus Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Große Koalition muss ihre Arbeit weiterhin leisten. ({0}) Wir werden nach dem 27. September dieses Jahres in einer anderen Konstellation mit Frank-Walter Steinmeier als Bundeskanzler unser Land sicher nach vorne führen. Das ist unser Ziel. ({1}) Aber wir sind bereit, in dieser Koalition unter der Moderation von Angela Merkel weiterzuarbeiten. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. Februar 2009, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.