Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/28/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Beschlüsse der Bundesregierung zum Pakt für Beschäftigung und Stabilität zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes. Das Wort für den fünfminütigen Einleitungsbericht gebe ich dem Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Meine Damen und Herren! Ich will auf die Details nicht eingehen, zumal ich die Hoffnung habe, dass Sie schon Gelegenheit hatten, das zu lesen, was an Unterlagen und Formulierungshilfen allen Fraktionen des Bundestages zur Verfügung gestellt worden ist. Die Einschätzung der Bundesregierung ist, dass wir uns in einer Situation befinden, wie sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ziemlich einmalig ist: Wir haben es mit einer weltweiten Rezession zu tun, die ein so exportabhängiges Land wie Deutschland, das 40 Prozent seines Bruttosozialproduktes in Außenwirtschaftsbeziehungen generiert, natürlich besonders hart trifft. Wir haben es mit einem regelrecht tektonischen Beben in der Finanzmarktarchitektur der Welt zu tun. Wir haben es darüber hinaus nicht mit einer Konjunktur-, sondern nach unserer Einschätzung durchaus mit einer Strukturkrise in einer der Leitindustrien zu tun, nämlich in der Automobilindustrie, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. In dieser Situation sind wir aufgefordert, uns antizyklisch zu verhalten. Dies hat die Bundesregierung in zwei Schritten gemacht. Ich meine das, was Bundestag und Bundesrat kurz vor Weihnachten verabschiedet haben, das erste Konjunkturpaket, und das, was Ihnen jetzt zur Beratung vorliegt: ein zweites Konjunkturpaket mit einem öffentlichen Impuls von 50 Milliarden Euro. Ich darf darauf hinweisen, dass die sogenannten automatischen Stabilisatoren zusätzlich Wirkung entfalten. Ich will damit sagen: Die konjunkturbedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben werden nicht durch ein diskretionäres Verhalten der Bundesregierung aufgefangen. Wir haben es darüber hinaus mit einer Reihe von Entwicklungen zu tun, die in dieser Situation gelegentlich etwas stärker betont werden dürfen. Ich denke beispielsweise an die fallenden Energie- und Rohstoffpreise, die für die Menschen, die noch vor einem halben Jahr an den Tankstellen und für Heizöl ganz andere Preise gezahlt haben, eine erhebliche Entlastung bedeuten. Wir haben es mit einer geringeren Inflationsentwicklung zu tun. Darum werden die Reallohnzuwächse in diesem Jahr erkennbar höher sein als in den vergangenen zwei bis drei Jahren. Wir haben keine Blaupause für eine Handlungsempfehlung in einer solchen Situation - weder die Bundesrepublik Deutschland noch andere Länder. Es ist darauf hinzuweisen, dass man die Maßnahmen anderer Länder vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausgangsbedingungen, Strukturen und Wettbewerbspotenziale nicht einfach kopieren kann. Ich glaube, dass die Bundesregierung mit ihren fünf Grundorientierungen etwas vorgelegt hat, das konzise ist: Erstens darf Geld in einem Konjunkturzyklus wie diesem nicht einfach verbrannt werden. Das war einer der Gründe, warum ich massiv gegen Konsumgutscheine eingetreten bin. Wir müssen Investitionen fördern, die über diesen Konjunkturzyklus hinaus einen Modernisierungseffekt haben. Zweitens muss eine Kreditklemme vermieden werden, und zwar nicht nur bei den kleinen und mittleren, sondern auch bei den größeren Unternehmen. Drittens sind Nachfrageimpulse zu setzen, allerdings anders akzentuiert. Mich wundert gelegentlich, dass von einigen politischen Kontrahenten der Eindruck vermittelt wird, als ob riesige Steuersenkungspotenziale nicht mit einer Neuverschuldung in erheblicher Dimension verbunden seien. Die Frage ist, welche Verteilungs- und Redetext Konjunktureffekte dies hätte. Diesbezüglich unterscheiden wir uns. Die vierte Orientierung ist: Eine Leitindustrie wie die Automobilindustrie ist mit einer Maßnahme zu unterstützen. Diese Maßnahme wird von diesem Markt - das ist erkennbar - sehr begrüßt, und zwar von Produzenten genauso wie von Händlern. Die Abwrackprämie entwickelt sich zum Renner. Fünftens ist in der Tat über eine Veränderung des Grundgesetzes dafür Sorge zu tragen, dass es einen größeren disziplinierenden Mechanismus gibt, damit man auf den Pfad der Konsolidierung zurückkehrt. Dies ist gleichzeitig damit zu verbinden, dass die Bundesgelder in einem Investitions- und Tilgungsfonds zusammengefasst werden, der völlig offen ist. Deshalb verstehe ich den Vorwurf, da würde etwas versteckt oder camoufliert, als Teil der politischen Auseinandersetzung. Faktisch ist das völlig offengelegt und wird, wie ich finde, mit dem Vorteil verbunden, dass wir hier eine Tilgungsregel gesetzlich verabredet haben, die - jedenfalls teilweise - bezogen auf den Erblastentilgungsfonds ihre Funktionsweise bereits gezeigt hat. Abschließend: Ein solcher antizyklischer Stimulus ist zwangsläufig mit einer höheren Verschuldung verbunden. Ich kann mich an viele Beiträge in diesem Hause von den unterschiedlichsten Seiten, von den Medien und von den wirtschaftswissenschaftlichen Expertisen im November und Dezember letzten Jahres erinnern, in denen die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen massiven Akzent zu setzen. Jetzt gibt es plötzlich ein Erstaunen darüber - das ist eine merkwürdige Lernkurve -, dass dies mit einer höheren Verschuldung verbunden ist. Mein Fazit lautet: Es kann keine unbefleckte Empfängnis von Konjunkturprogrammen geben, sondern es läuft darauf hinaus, dass wir erkennbar in eine Verschuldung hineingehen, die uns in der nicht obsolet gewordenen Zielsetzung, dass die öffentlichen Haushalte weiter konsolidiert werden müssen, um Jahre zurückwirft. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Ich höre Ihren Fragen jetzt gerne zu und hoffe, Ihnen einigermaßen kompetente Antworten zu geben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Thiele, bitte schön.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Minister, in einer solchen Situation ist klar, dass eine Regierung Schulden macht; das wird ja auch erfolgen. Aber es ist unter einer rot-grünen Koalition mit einem SPD-Finanzminister gesagt worden: Wir wollen keine Sondervermögen haben, sondern sie sollen ordentlich in den Haushalt integriert werden. Das ist 1999 beschlossen worden. Da frage ich mich: Warum bringen Sie diese Neuverschuldung jetzt nicht komplett in die Bundesschuld ein, sondern richten ein Sondervermögen „Investitions- und Tilgungsfonds“ mit 16,9 Milliarden Euro Ausgaben und 4,1 Milliarden Euro Zinsausgaben ein? Die Bundesschuld beträgt nahezu 1 000 Milliarden Euro. Was für einen Sinn hat es, daneben ein Sondervermögen als Zusatzschulden in der Größenordnung mit Zinsen von etwa 18 bis 20 Milliarden Euro zu errichten? Warum integrieren Sie das nicht gleich in die Schuld? Da drängt sich der Eindruck auf, dass das Absicht ist. Hans Eichel war es, glaube ich, der sich für Haushaltsklarheit und -wahrheit ausgesprochen hat. Deshalb wurde das Sondervermögen in die Bundesschuld integriert. Warum halten Sie sich nicht an den Grundsatz „Klarheit und Wahrheit“, sondern schaffen ein Sondervermögen, um den Eindruck zu erwecken, es finde eine Tilgung statt? Denn die Tilgung der gesamten Bundesschuld kann erst erfolgen, wenn der Bund Überschüsse macht. Solange er keine Überschüsse macht, wird die Verschuldung durch Neuverschuldung weiter ansteigen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Sie irren an mehreren Stellen, Herr Thiele. Denn es gibt erstens eine gesetzlich verabredete Schulden- bzw. Tilgungsregelung, die darauf hinausläuft, dass im ersten Jahr - will sagen: in diesem Jahr - all das vom Bundesbankgewinn, was oberhalb von 3,5 Milliarden Euro liegt - diese werden an den Bundeshaushalt abgeführt -, sofort zur Tilgung des Investitions- und Tilgungsfonds eingesetzt wird. Im nächsten Jahr wird alles, was oberhalb von 3 Milliarden Euro liegt, im übernächsten Jahr alles, was über 2,5 Milliarden Euro liegt, dafür eingesetzt. Das heißt, es gibt eine gesetzlich fixierte Tilgungsregelung, die ihre Funktionsfähigkeit bereits mit Blick auf ihren Teil bei der Tilgung des Erblastentilgungsfonds bewiesen hat. Insofern gibt es überhaupt keinen Zweifel. Dies ist übrigens die wesentliche Raison d’Être, der Grund, warum wir dieses Sondervermögen aufmachen: Wir wollen diese Beiträge des Bundes, 16,9 Milliarden Euro plus 4 Milliarden Euro Zinsen, bei einer Laufzeit von zehn Jahren - hoffentlich brauchen wir nicht die gesamte Laufzeit - in dieser extraordinären Situation sehr gezielt einer spezifischen Tilgungsregel unterwerfen. Dies halte ich in der jetzigen Situation für ein wichtiges Signal, nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern auch an die Märkte. Zweitens - das ist ein Argument, das den Finanzminister sehr stark bewegt - diszipliniere ich damit stärker die Vertreter aller Häuser hinsichtlich ihrer Begehrlichkeiten in zukünftigen Haushaltsverhandlungen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt nicht. Ich werde Sie wieder aufschreiben und fahre jetzt erst einmal in der Reihenfolge fort. Frau Lötzsch, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass uns allen die Papiere vorliegen. Wir haben natürlich versucht, die Papiere für diese Sitzung und diese Befragung ordentlich zu studieren. Darum habe ich eine Frage nach der AufDr. Gesine Lötzsch teilung der zusätzlichen Investitionsmittel. Sie sind ja im Gesetzentwurf vorgelegt, und zwar in der Anlage „Wirtschaftsplan des Sondervermögens“, und heißen im Haushaltsdeutsch: „die konjunkturunterstützenden Maßnahmen im Bereich der Investitionen des Bundes“ sowie Ausstattungsbedarf der Ressorts. Es geht also um die Investitionsmittel. Nun erklären Sie mir bitte, nach welchen Kriterien und Beweggründen Sie diese Mittel verteilt haben. Mir sind nämlich Ungleichgewichte aufgefallen, aber vielleicht können Sie der Öffentlichkeit hierüber Auskunft geben. Falls es kein Druckfehler ist, ist es so, dass im Rahmen dieser investitionsstützenden Maßnahmen das meiste Geld dem Einzelplan 14 - das ist das Bundesministerium für Verteidigung - zugutekommt: etwa 226 Millionen Euro; für militärische Beschaffungen, um das ganz klar zu sagen. Aber das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Beispiel erhält aus diesen zusätzlichen Mitteln nur 5 Millionen Euro. Können Sie uns erklären, was Sie bewogen hat, diese Ungleichgewichtung vorzuschlagen? Ich kann Ihnen nur sagen: Ich halte das für eine wirkliche Fehlgewichtung. ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Soweit ich Sie verstanden habe, Frau Lötzsch, heben Sie gar nicht auf alle Investitionsmittel ab, sondern spezifisch auf die 4 Milliarden Euro reine Bundesinvestitionen, von denen der überwiegende Teil in die Verkehrsinfrastruktur fließt und ein anderer Teil auf die Einzelpläne verteilt wird. Die dort festgelegten Beträge sind gemäß den Ressortverhandlungen für den jeweiligen Modernisierungsbedarf vorgesehen, den die Ressorts haben. Das ist völlig unstreitig. Es geht nicht darum, dass für die jeweiligen Ressorts ein fester Schlüssel à la Königstein festgelegt wird. Es hat darüber Kontakte zu den Ressorts mit Blick auf die Notwendigkeit des jeweiligen Modernisierungsbedarfes gegeben, der so schnell wie möglich durch solche zusätzlichen Mittel bedient werden soll, weil das Geld abfließen soll. Eine besondere politische Gewichtung ist weder beabsichtigt noch in meinen Augen erforderlich, sondern es geht darum, jetzt schnell einen konjunkturellen Impuls auszuüben. Das ist die Hauptzielsetzung, die wir in diesem Jahr so schnell wie möglich erreichen wollen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Haßelmann, bitte schön.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Finanzminister, meine Fragen beziehen sich auf den Komplex kommunale Investitionen. Nun muss ich das gar nicht mit meinen eigenen Worten sagen, sondern ich glaube, es gehört auch zu Ihren Redewendungen: Wie wollen Sie sicherstellen, dass das Geld, das den Kommunen direkt zukommen soll, nicht bei den Ländern „kleben“ bleibt? Ich bin sicherlich nicht die einzige Abgeordnete, die in den letzten Tagen in der kommunalen und regionalen Presse verschiedene detaillierte Einlassungen von Abgeordneten der Regierungsfraktionen über Summen für Investitionen in ihren jeweiligen Städten und Gemeinden lesen konnte. Als Beispiel nenne ich eine Einlassung des NRW-Staatssekretärs der CDU, Herr Kozlowski, der der Presse mitteilte, dass sicherlich demnächst kommunale Investitionsmittel unter anderem für den Weiterbau der A 33 und der A 30 in Ostwestfalen zur Verfügung stehen werden. Mich interessiert: Wie stellen Sie als Ministerium sicher, dass das Bundesgeld für die kommunalen Investitionen auch wirklich bei den Kommunen ankommt und nicht für Landesinvestitionen verwendet wird, die vonseiten der Länderregierungen vielleicht seit vielen Jahren wünschenswert erscheinen? Wie tragen Sie dafür Sorge, dass insbesondere Kommunen in Haushaltssicherung und notleidende Kommunen, zum Teil mit Nothaushalten - das betrifft zum Beispiel Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße -, davon profitieren. Mein Kenntnisstand aus Ihren Unterlagen oder Informationen ist bislang der, dass in jedem Fall Kofinanzierungsmittel vonseiten der Kommunen zur Verfügung gestellt werden müssen. Insbesondere Kommunen mit Nothaushalten können gar keine Kofinanzierung leisten; das wissen wir beide. Ich nenne als Beispiel Oberhausen mit negativem Eigenkapital. Mich interessiert, wie Sie sicherstellen, dass die notleidenden Kommunen diese Mittel bekommen und das Geld nicht bei den Ländern verbleibt.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Darf ich antworten, Frau Präsidentin?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, Sie waren vorher mit Ihren Antworten immer so schnell, dass ich mir jetzt gedacht habe: Sie sind so eingespielt, dass ich lieber nicht dazwischenreden sollte. - Aber ich gebe Ihnen gerne das Wort. Bitte schön! ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ich bemerke meine eigene Unhöflichkeit. ({0}) Sie sprechen ein entscheidendes Thema an: Wir nennen das die „klebrigen Hände“ der Länder. Nicht nur Sie haben Erfahrungen, sondern auch ich selber habe damit Erfahrungen gemacht, weil ich einmal auf der anderen Seite der Bank gesessen habe. Dieses Problem ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Es gibt eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern, in der einige Regularien festgelegt sind. Es ist gelungen, mit den Ländern einen klaren Prozentsatz zu vereinbaren, nach dem die 10 Milliarden Euro des Bundes plus die 3,3 Milliarden Euro, die die Länder für das kommunale Investitionsprogramm bereitstellen, auf die Kommunen verteilt werden sollen. Der Schlüssel ist 70 zu 30. 70 Prozent dieser insgesamt 13,3 Milliarden Euro sollen der kommunalen Infrastruktur zugutekommen, 30 Prozent der übergreifenden Infrastruktur, zum Beispiel Landeskrankenhäusern oder der Kommunikationsinfrastruktur. Die Kontrolle wird insbesondere durch einen bestimmten Abrechnungsmodus erfolgen. Der Bund wird sehr genau überprüfen, inwieweit Mittel zweckentfremdet worden sind. Die Verwendungszwecke sind nämlich klar definiert. Das gilt insbesondere für die Verwendung der Mittel im Bildungsbereich, aber auch in den einzelnen Infrastrukturbereichen. Es wird darauf ankommen, dass die Länder ihre Verantwortung wahrnehmen. Die rheinland-pfälzische Landesregierung tut dies bereits. Sie wird in einer ihrer nächsten Kabinettssitzungen entscheiden, dass das Land Rheinland-Pfalz den kommunalen Anteil der Kofinanzierung zunächst einmal vollständig übernimmt und dass erst dann überprüft wird, welche finanziell stärkere oder schwächere Kommune in welchem Ausmaß in der Lage ist, ihren Kofinanzierungsanteil aufzubringen. Für den Fall, dass ein Land diese Regelungen nicht übernehmen sollte, werden wir dafür sorgen, dass sich selbstverständlich auch finanzschwache Kommunen beteiligen können. Wir werden bei der KfW ein Programm auflegen, in dessen Rahmen der Kofinanzierungsanteil finanzschwacher Kommunen übernommen wird, wobei Zins und Tilgung gestundet werden. Ich möchte alle Kommunen bitten, über ihre kommunalen Spitzenverbände und über andere Selbstverwaltungseinrichtungen den notwendigen Druck auf ihre jeweilige Landesregierung auszuüben. Der Bund ist nicht in der Lage, gesetzliche Vorschriften festzulegen, weil dies mit den kommunalaufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten der Länder kollidieren würde, eingedenk der verfassungsrechtlichen Realität, dass die Kommunen nicht Bestandteil des Bundes, sondern Bestandteil der Länder sind. Dieses Problem haben wir im Visier. Im dritten Stockwerk dieses Hauses wird gerade mit 200 bis 300 Kommunalpolitikern über dieses Thema diskutiert.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Weiß, bitte.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, im Gesamtpaket wird ein deutlicher arbeitsmarktpolitischer Schwerpunkt gesetzt. Regierung und Koalition wollen insbesondere das Instrument der Kurzarbeit attraktiver gestalten, es sozusagen gängiger machen. Könnten Sie darlegen, was sich die Regierung davon verspricht?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Obwohl die Sehnsucht danach groß ist, ist es sehr schwer, mit irgendwelchen Zahlen zu operieren, da diese auch eine Scheinrationalität darstellen könnten. Da wir alle uns bei der Prognose von Zahlen schon sehr häufig getäuscht haben, sollten wir damit sehr vorsichtig sein. Nehmen Sie es mir deshalb nicht übel, dass ich Ihnen keine konkreten Arbeitsplatzeffekte in Aussicht stellen kann. Richtig ist, dass die Maßnahmen zum Kurzarbeitergeld, insbesondere die geplante Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge - in diesem Fall geht es darum, dass Unternehmer bereit sind, ihre Beschäftigten in der Phase der Kurzarbeit zu qualifizieren, aber auch um andere Qualifizierungs- und Vermittlungsmaßnahmen -, in den Gesprächen, die die Bundeskanzlerin und viele Kabinettsmitglieder mit verschiedenen Verbänden und den Gewerkschaften geführt haben, sehr positiv aufgenommen wurden. Diese Maßnahmen werden den Haushalt der BA belasten, in welchem Ausmaß, ist allerdings sehr schwer abzuschätzen. Ob es dadurch im Laufe des Jahres 2010 zu einem völligen Verzehr der jetzigen Reserven der BA kommt, ist sehr konjunkturabhängig und abhängig davon, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Aufgrund der Maßnahmen, die in der Vergangenheit getroffen worden sind, schätzen wir den Arbeitsmarkt in der gegenwärtigen rezessiven Phase allerdings robuster als in früheren Jahren ein. Sollten die Reserven der BA zur Finanzierung dieser Maßnahmen, die als sehr sinnvoll und effektiv qualifiziert werden, aufgezehrt sein, müsste dieses Hohe Haus im Zuge der Haushaltsberatungen gegebenenfalls darüber entscheiden, ob man der BA ein Darlehen - keinen Zuschuss mehr, sondern ein Darlehen - gibt. Noch einmal: Eine Quantifizierung der Arbeitsmarkteffekte dieser Maßnahmen fällt sehr schwer. Ich scheue mich ein bisschen, sozusagen aus der Hüfte zu schießen und eine Prognose abzugeben, da diese von denjenigen, die sich mit diesem Zahlenwerk besser auskennen als ich, sehr schnell widerlegt werden könnte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, da wir gleich im Haushaltsausschuss noch die Möglichkeit des Gesprächs und der Diskussion haben werden, möchte ich nur auf eine aktuelle Forderung eingehen. Gestern hat der haushaltspolitische Sprecher der Union gefordert, Goldreserven zu verkaufen. Ich habe in diesem Zusammenhang ein Zitat mitgebracht, das Sie vielleicht interessiert: Die Aufforderung der Regierungskoalition an die Bundesbank zum Goldverkauf demaskiert das Scheitern der … Haushaltspolitik und ist ein verzweifelter Frontalangriff auf die Unabhängigkeit der Bundesbank. Dass der Kollege das gesagt hat, ist noch nicht lange her. Damals war er allerdings in der Opposition. Jetzt fordert er den Goldverkauf. ({0}) Herr Minister, wie ich lesen konnte, haben Sie sich erfreulicherweise gegen einen Verkauf von Gold ausgesprochen. Ich frage Sie: Könnten Sie den Kolleginnen und Kollegen von der Union noch einmal erklären, warum Sie dagegen sind, Gold zu verkaufen?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Gold macht sehr sinnlich. Der Vorschlag, Gold zu verkaufen, kommt immer wieder. Da ich mir selber zu Beginn meiner Amtszeit mit Begehrlichkeiten im Hinblick auf die Goldbestände der Bundesbank ein- oder zweimal den Mund verbrannt habe, erlaube ich mir, auf zweierlei hinzuweisen: Erstens. Wenn man über die Goldbestände der Bundesbank verfügen wollte, müsste man eine Novelle des Bundesbankgesetzes herbeiführen. Denn nach geltender Rechtslage kann der Bundesbankvorstand über die Goldbestände souverän verfügen. Zweitens. Es gibt ein internationales Abkommen, in dem Kontingente festgesetzt sind, wer wie viel Gold veräußern kann. Die Bundesbank macht von der Möglichkeit, Gold zu verkaufen, übrigens spärlich Gebrauch; im Wesentlichen veräußert sie Gold für die Prägung von Goldmünzen in Deutschland. Im Übrigen hätte der Verkauf von Gold Folgen für die Bilanz der Bundesbank. Das heißt, bevor man mit einem solchen Vorschlag in die Öffentlichkeit geht, ist man gut beraten, sich zunächst mit dem Präsidenten der Bundesbank zusammenzusetzen. Solche Vorschläge wirken sonst eher verwirrend in einer Zeit, in der sich die Nachrichten über die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, aneinanderreihen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass es um schnelle konjunkturelle Impulse geht. Nun ist ja strittig, ob die Maßnahmen tatsächlich konjunkturfördernd sind. Sind denn auch andere Maßnahmen beraten worden, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Ist zum Beispiel beraten worden, den Hartz-IV-Regelsatz anzuheben oder den Mehrwertsteuersatz auf Medikamente deutlich abzusenken oder die steuerliche Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten zu verbessern? Das wären Maßnahmen, die wirklich konjunkturfördernd sind.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ich widerspreche Ihnen: Ich habe den Eindruck, dass das Urteil der überwiegenden Mehrheit ist, dass unsere Konjunkturfördermaßnahmen durchaus schnell wirken können. Das entnehme ich insbesondere vielen Gesprächen mit Vertretern der Kommunen, die das kommunale Investitionsprogramm als sehr hilfreich empfinden, weil sich vieles direkt umsetzen lässt. Was die Einschätzung der Maßnahmen angeht, haben wir also einen Dissens. Natürlich sind weitere Maßnahmen debattiert worden. Alles, was mit der Mehrwertsteuer zu tun hat - den Mehrwertsteuersatz auf Medikamente reduzieren, zeitlich begrenzt die Mehrwertsteuersätze reduzieren -, ist einmütig verworfen worden, da der konjunkturelle Effekt solcher Maßnahmen zumindest stark bezweifelt wird. Ich behaupte, dass er so gut wie nicht spürbar wäre. Abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, in welchem Ausmaß eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent auf einen reduzierten Mehrwertsteuersatz den Konsum wirklich stärkt. Im Übrigen ist fraglich, ob die Hersteller bzw. die Dienstleister eine zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung an die Konsumenten weitergeben. Wer gibt Ihnen die Garantie dafür? Darüber hinaus wäre eine Mehrwertsteuersenkung mit Einnahmeverlusten in Milliardenhöhe verbunden. Der Nutzen wäre, denke ich, sehr gering. Dasselbe gilt mit Blick auf eine Erhöhung der Transferzahlungen. Auch was den konjunkturellen Impuls von Steuersenkungen angeht, gibt es einen Dissens zwischen Ihrer und unserer Auffassung. Wir können diesen Dissens nur feststellen. Die Bundesregierung hat sich von fünf Grundorientierungen leiten lassen, die ich bereits genannt habe. Dazu gehören vor allem: Investitionen fördern, eine Kreditklemme vermeiden, eine Leitindustrie unterstützen, einen Nachfrageimpuls geben. Wir haben deutlich gemacht, dass wir uns verschärften Konsolidierungsregeln unterwerfen werden. Was den Nachfrageimpuls betrifft, bitte ich zu bedenken, dass sich das Ganze als Summe der verschiedenen Puzzleteile ergibt: Wir haben den Kinderfreibetrag erhöht. Wir haben das Kindergeld erhöht. Wir haben den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 3,3 Prozent auf jetzt 2,8 Prozent gesenkt - eine Entlastung paritätisch für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer von jeweils 15 Milliarden Euro. ({0}) Wir reduzieren den Krankversicherungsbeitrag wieder. Zum 1. Januar 2009 wird der Krankenversicherungsbeitrag steuerlich anrechenbar; das entspricht einem Entlastungsvolumen von 9 Milliarden Euro. Der steuerliche Impuls, auf den sich die Koalition geeinigt hat - Erhöhung des Freibetrags, Rechtsverschiebung des Tarifes, Absenkung des Eingangssteuersatzes -, entlastet um weitere 6 Milliarden Euro. Wenn Sie die fünf oder sechs Bausteine, die ich beschrieben habe, zusammennehmen, kommen Sie auf einen durchaus nennenswerten Betrag, je nach Haushaltstypus und je nach Steuerklasse. Wenn Sie des Weiteren bedenken, dass die Energie- und Rohstoffpreise gesunken sind, sehen Sie, dass antizyklisch bei der Nachfrage etwas in Gang kommt, das sich durchaus stabilisierend auswirkt. In welchem Ausmaß, kann Ihnen vielleicht einer der vielen Wirtschaftswissenschaftler ausrechnen, die im Augenblick täglich im Fernsehen zu sehen sind.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kurth.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich möchte auch noch einmal die schnell wirksamen konjunkturellen Impulse aufgreifen, die Sie angesprochen haben. In dem Zusammenhang haben Sie ja auch erklärt, dass Sie Konsumgutscheine ablehnen. Ich nehme an, Sie hatten im Blick, dass durch direkte Investitionen mehr Folgeinvestitionen angestoßen werden. In dem Zusammenhang spricht man ja vom Multiplikatoreffekt. Wenn der Staat sich weiter verschuldet, dann sollen durch jeden Euro, den er mehr ausgibt, möglichst viele volkswirtschaftlich wirksame Folgeinvestitionen ausgelöst werden. Wie schätzen Sie in dem Zusammenhang in Ihrem Hause den Multiplikatoreffekt der Steuererleichterungen insbesondere mit Blick auf die Empfänger höherer Einkommen ein? Ist nicht vielmehr anzunehmen, dass sich lediglich die Sparquote erhöht und dass keinerlei Folgeinvestitionen und volkswirtschaftliche Wirkungen von dem Entlastungsvolumen ausgehen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Die Einschätzung teile ich weitestgehend. Wir haben uns schon in früheren Zeiten empirische Daten zu Steuersenkungsprogrammen anderer Länder angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Elastizität für einen längeren Zeitraum zwischen 0,4 und 0,5 schwankt. Das heißt, dass die Annahme, die häufig politisch vertreten wird, dass sich Steuersenkungen nämlich in relativ kurzer Zeit selbst finanzieren, eine Fehlannahme ist. ({0}) Durch die Untersuchungen, die man dazu heranziehen kann, wird das nicht bestätigt. Sie haben völlig recht, dass der Massenkonsum, den man durch Steuersenkungen erreichen will, nicht befördert wird, weil die Steuerbelastung in den unteren Einkommensetagen nicht das große Problem ist, sondern dort schlagen die Sozialversicherungsabgaben viel stärker zu Buche. Für die oberen Einkommensetagen ist durch das Bundesamt für Statistik klar belegt, dass diejenigen, die ein monatliches Nettoeinkommen von über 3 500 Euro haben, eine Sparquote von weit über 20 Prozent - 22 bis 23 Prozent - aufweisen. Im Übrigen ist nie ganz absehbar, wie ein zusätzlicher Konsumschub durch Steuersenkungen wirkt und welcher Konjunktureffekt dadurch erzielt wird. Wird das Geld für chinesisches Spielzeug, japanische Elektronik oder den Golfkurs auf Mallorca ausgegeben? Wo geht es hin, und was hat das mit der deutschen Konjunktur zu tun? ({1}) Deshalb sind wir zu einem Ergebnis gekommen, mit dem wir diesen Bedenken durchaus Rechnung tragen: Erhöhung des Freibetrages, Reduzierung des Eingangssteuersatzes und Rechtsverschiebung des Tarifs. Letzteres ist, wenn man den Freibetrag erhöht, in meinen Augen automatisch erforderlich, weil man es sonst mit Blick auf die Grenzbesteuerung bei den unteren Einkommen mit einem sehr viel stärker ansteigenden Ast zu tun hat. Damit ist etwas vorgelegt worden, von dem ich glaube, dass das stimmig ist. Im Übrigen darf ich hinzufügen und wiederholen: Im Rahmen einer Sitzung des Koalitionsausschusses habe ich versucht, die Wette einzugehen, dass mit Blick auf die öffentliche Haushaltslage am Ende dieses Jahres keine Regierung, egal wie sie sich politisch zusammensetzt, nach Koalitionsverhandlungen ein Steuersenkungsprogramm in einer Dimension wird beschließen können und wollen, das ausreicht, um den Mittelstandsbauch beseitigen zu können. Diese Wette halte ich aufrecht. ({2}) - Beschließen werden die es wegen der damit verbundenen Konsequenzen auch nicht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Einen Dialog kann ich jetzt nicht zulassen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das ist pure Leidenschaft.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Tillmann.

Antje Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003646, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich teile Ihre Auffassung, dass das kommunale Investitionsprogramm bei den Kommunen - den zuständigen Stadträten und Bürgermeistern - gut ankommt. Ich habe im Moment aber ein wenig die Sorge, dass Hoffnungen geschürt werden, die hinterher mit dem Programm nicht erfüllt werden, und dass die Stimmung dann kippt. Deshalb lautet meine erste Frage: Halten Sie es für möglich, dass nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz und dem darin genannten Förderbereich der Neubau von Fußballstadien gefördert wird? Zweite Frage. Wird es eine Handreichung zu diesen Förderbereichen geben - dabei denke ich insbesondere an sonstige Infrastrukturinvestitionen -, und wann kommt sie?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

In den Zweckbestimmungen, die auch in der Verwaltungsvereinbarung aufgeführt sind, sind die Bereiche aufgelistet, die durch dieses kommunale Investitionsprogramm erreicht werden sollen. Ich habe im Augenblick nicht ganz präsent, ob die Modernisierung von Sportstätten auch dabei ist. ({0}) - Gut. Wenn sie nicht enthalten ist, dann wird dies nicht möglich sein. Erkennbar herausgenommen ist der Übergang in die Verkehrsinfrastruktur, weil wir nicht wollen, dass das plötzlich nur ein bloßer Ersatz der Finanzierungsmittel ist, die wir nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bzw. auf der Basis dessen bereitstellen, was ohnehin im Bundesverkehrswegeplan steht. Ebenso werden keine Maßnahmen des Schienenpersonennahverkehrs finanziert, weil dies Gegenstand des Regionalisierungsgesetzes ist und durch die Mittel geleistet wird, die daraus zur Verfügung gestellt werden. Fazit ist: Es werden genau die Bereiche aufgelistet, die mit diesen kommunalen Investitionen erreicht werden sollen: Bildungsstätten im weitesten Sinne - von der Kita bis zur Hochschule - und Vorhaben im Bereich der kommunalen Infrastruktur. Ich habe bisher viele Kommunalvertreter gesprochen, die die unterschiedlichsten Parteien repräsentieren, die alle im Deutschen Bundestag vertreten sind. Sie sagen vor dem Hintergrund eines ungeheuren Nachholbedarfes, dass sie in der Lage sind, relativ schnell solche kommunalen Investitionsprojekte aus der Schublade zu ziehen. Daran ist mir insbesondere deshalb sehr gelegen, weil wir die vergaberechtlichen Rahmenbedingungen im Sinne einer Beschleunigung verbessern, wie mir Herr Schauerte gerade bestätigt hat.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Wissing.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich habe eine Frage im Zusammenhang mit der Hypo Real Estate. Sie haben am 29. September 2008 über die Schieflage der Hypo Real Estate und die staatlichen Rettungsmaßnahmen informiert. Dass dies nicht früher geschehen ist, haben Sie damals damit begründet, dass am Vortag die bayerische Landtagswahl stattgefunden habe: Sie hätten schon früher darüber Bescheid gewusst, wollten aber keinen Einfluss auf das Wahlergebnis ausüben. Tatsächlich sind am 29. September 2008 Ansprüche nach dem Umwandlungsgesetz verjährt. Meine Frage lautet: Wann haben Sie von diesen Ansprüchen und der Verjährungsfrist erfahren, und um welche Ansprüche in welcher Höhe handelt es sich, die mit Ablauf des 28. September 2008 verjährt sind?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Es tut mir leid; ich bin hier, um über das Konjunkturpaket der Bundesregierung Auskunft zu geben, und kann nicht aus dem Stand Fragen zu sehr komplexen Sachverhalten beantworten. Stellen Sie mir die Frage noch einmal schriftlich; dann beantworte ich sie gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Spieth.

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, die Bundesregierung hat mit der Gesundheitsreform zur Umsetzung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 einen Beitragssatz von 15,5 Prozent festgelegt. Die Bundesregierung beabsichtigt jetzt, leider erst passgenau zwei Monate vor der Bundestagswahl eine Absenkung des Beitrags um 0,6 Prozentpunkte vorzunehmen. Vertreter der Bundesregierung haben zurückliegend darauf hingewiesen, dass es im Sinne von konjunkturankurbelnden Maßnahmen wichtig wäre, den Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, der nur von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Rentnerinnen und Rentnern gezahlt wird, abzuschaffen. Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung dazu bewegt, von diesen Positionen, die insbesondere Frau Gesundheitsministerin Schmidt vertreten hat, abzugehen und eine Absenkung vorzunehmen, von der nur 0,3 Prozentpunkte den Beitragszahlern - also den versicherten Rentnerinnen und Rentnern und Arbeitnehmern - und die übrigen 0,3 Prozentpunkte als besonderes Förderprogramm der Wirtschaft zugutekommen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das ist ganz einfach, Herr Abgeordneter. Das ist das Moment der Kompromissfindung als konstitutives Element in einer Koalition innerhalb einer parlamentarischen Demokratie. So schlicht ist das. Die SPD-Position war in der Tat, die Sonderbelastung von 0,9 Prozent mit den von Ihnen dargestellten Verteilungseffekten abzusenken, aber - man muss nicht lange drum herumreden - im Zusammenwirken der Gesamtkoalition ist dann das Ergebnis herausgekommen, den Beitrag um 0,6 Prozentpunkte paritätisch abzusenken, wovon Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Rentnerinnen und Rentner profitieren. Das ist das Ergebnis eines politischen Entscheidungsprozesses.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Schick.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich habe eine Frage zu der 36-MonatsRegelung, wozu es offensichtlich Gespräche zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung gab. Nach diesen Gesprächen - so die Medienberichterstattung - hat sich ein Mitglied des Leitungsausschusses des SoFFin für eine Änderung dieser Regelung ausgesprochen. Mich interessiert, ob die Medienberichterstattung richtig ist, dass Mitglieder des Leitungsausschusses des SoFFin offensichtlich nicht über die Gespräche zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission Bescheid wussten, und wie es dazu kommen konnte.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Diejenigen, die sich geäußert haben, wussten Bescheid. Wir versuchen heute, klarzustellen, dass wir das Echo aus Brüssel als unvollständig empfunden haben. Die Einigung, die wir mit Brüssel erzielt haben, lautet, dass eine 36-monatige Laufzeit festgelegt wird oder aber - jetzt kommt es; das ist gestern vom Sprecher der Brüsseler Kommission nicht deutlich gemacht worden und hat zur Verwirrung beitragen -, es zu einer Verlängerung im Zuge einer Einzelnotifizierung kommen kann. Das ist gestern bei den Angaben aus Brüssel weggefallen und hat zu diesen zugegebenermaßen nachvollziehbaren, aber für viele Beteiligte verwirrenden Darstellungen geführt. Es ist also im Zuge der Einzelnotifizierung eine Verlängerung möglich. Das ist das Ergebnis dessen, was wir mit Brüssel erreicht haben. Generell stellt sich die Frage im Hinblick auf das Finanzmarktstabilisierungsgesetz in laufenden Prüfungen, zu deren Ergebnissen ich allerdings erst Rede und Antwort stehe, wenn sie abgeschlossen sind. Dabei geht es darum, sich mit der Begrenzung des Cap im Hinblick auf die Bereitstellung von Garantien und Kapitalinjektionen zu befassen. Das werden wir im Zusammenhang mit der Frage tun, welche möglichen Nachjustierungen das Finanzmarktstabilisierungsgesetz - auch im Hinblick auf die Arbeit des Leitungs- und des Lenkungsausschusses - erfahren muss. Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung, wenn die Überlegungen abgeschlossen sind.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Romer, bitte.

Franz Romer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001879, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich möchte den 100-Milliarden-EuroBürgschaftsrahmen ansprechen. Ich glaube, das ist eine sehr wichtige Sache. Wie Sie wissen, gibt es in der Automobilindustrie schon seit Dezember letzten Jahres bzw. Januar dieses Jahres Kurzarbeit oder verlängerte Ferien. Das wirkt sich natürlich sehr stark auf die Zulieferer aus, und zwar nicht nur auf die großen wie Bosch, sondern vor allem auch auf die kleinen und mittelständischen Betriebe. Diese mussten sehr große finanzielle Vorleistungen erbringen, um Material, Werkzeuge und Maschinen zu kaufen. Nun bricht ihnen die Einnahmeseite weg, teilweise um bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass diese Betriebe bei der Liquidität am Ende sind, insbesondere diejenigen, die in den letzten Jahren umgestellt oder investiert haben und aufgrund dessen nur über eine sehr dünne Kapitaldecke verfügen. Nun ist es dringend notwendig, den betreffenden Betrieben schnell und rasch zu helfen. Vor Ort stelle ich immer wieder fest, dass dann, wenn die Hausbank eingeschaltet wird, die Frage gestellt wird: Wer übernimmt das Risiko? - Es dauert viel zu lange, bis den Betrieben Geld zur Verfügung gestellt wird, um die schwierige Zeit zu überbrücken. Hier wäre dringend rasche Hilfe notwendig. Das notwendige Geld haben wir bereits zur Verfügung gestellt. Was schlagen Sie vor, damit das Ganze schnell und rasch umgesetzt wird und die Betriebe wissen, an wen sie sich wenden müssen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Erstens. Bei der Abwicklung der Programme gilt zwingend das Hausbankenprinzip; anders geht es nicht. Sonst werden die Landesbürgschaftsbanken und die KfW nicht tätig sein können, weil sie sich dem Wettbewerbsprinzip unterwerfen würden. Zweitens. Ich bitte um Nachsicht, aber die Probleme, die gelegentlich in Einzelfällen auftauchen - ich komme gleich auf die makroökonomische Ebene zu sprechen -, sollten nicht leichtfertig und schnell den Aktivitäten der Bürgschaftsbanken zugeordnet werden. Gelegentlich hat das auch etwas mit den betreffenden Unternehmen zu tun. Ein Fachmann sagte mir neulich: Wenn die KfW bereit ist, bei den Bürgschaften ein Risiko von 90 Prozent zu übernehmen, während von der Hausbank verlangt wird, ein Risiko von 10 Prozent zu übernehmen, und gleichzeitig wird verlangt, dass die Hausbanken vollständig entlastet werden müssen, dann muss man genau wissen, was es bedeutet, ein Risiko zu 100 Prozent zu übernehmen. Wenn es eine Sparkasse, eine Genossenschaftsbank oder eine private Geschäftsbank gibt, die mit Blick auf eine solche Finanzierung von Betriebsmitteln oder Investitionen bei einem selber zu tragenden Risiko von 10 Prozent sagt: „Nein, das machen wir nicht“ - und zwar in Würdigung der Bonität oder des Geschäftsmodells des betreffenden Unternehmens -, dann lautet die Antwort von vielen: Dann sollte der Bund erst recht nicht 90 Prozent des Risikos über seine Einrichtungen übernehmen. Die Abwägung muss vor Ort stattfinden. Denjenigen Kreditinstituten, die an dem Bürgschaftsrahmen teilhaben wollen, bleibt die Prüfung der Anträge der betreffenden Unternehmen im Hinblick auf die Bonität nicht erspart. Sie müssen genau prüfen, ob die Kredite zurückgezahlt werden können. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass wir in unseren öffentlichen Reden von den Banken verlangen, sehr viel stärker auf die Bonität und die Risiken zu achten. Wir müssen aufpassen, dass es hier nicht zu Widersprüchen kommt. Insgesamt versuchen wir, das Verfahren zu beschleunigen. Mein Eindruck ist, dass das 15-Milliarden-EuroProgramm der KfW für den Mittelstand - das haben Sie angesprochen - sehr gut angenommen worden ist. Herr Schröder, der Vorstandsvorsitzende der KfW, hat uns mitgeteilt, dass relativ schnell erhebliche Summen in Anspruch genommen worden sind. Der Zufall will es, dass BMF und BMWi heute auf Ministerebene Kontakt hatten und darüber beraten, wie der auf 100 Milliarden Euro aufgestockte Bürgschaftsrahmen schnell zu mobilisieren ist, und zwar im Hinblick auf die Kreditversorgung nicht nur kleiner und mittlerer, sondern auch größerer Unternehmen. Dafür müssen aber gewisse Strukturen geschaffen werden. Ich sage Ihnen freimütig: Eben mal die Deckung des Kreditbedarfs eines größeren deutschen Unternehmens mitzufinanzieren, ist nicht Sinn des Bürgschaftsrahmens. Ohne auf einzelne Firmennamen eingehen zu wollen, sage ich Ihnen, dass offenbar einige große Unternehmen den Eindruck haben, dass sie sehr schnell mit 10, 11, 12, 13, 14 oder 15 Milliarden Euro unter den Schirm dieses 100-Milliarden-Euro-Bürgschaftsrahmen kommen. Das wird zu prüfen sein, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Interessenlage des Haushalts und des Steuerzahlers. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich nehme Sie gern wieder auf die Liste, aber ich fürchte, wir sind schon über die Zeit. Ich möchte noch einige Fragen zulassen, aber nicht mehr alle. Herr Thiele ist jetzt an der Reihe.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, jeder Bürger weiß, dass eine Schuld erst dann getilgt ist, wenn sie nicht mehr besteht. Bei einer Umschuldung werden alte Kredite durch neue ersetzt. Können Sie vor diesem Hintergrund die Aussage der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundesaußenministers und SPD-Kanzlerkandidaten FrankWalter Steinmeier bestätigen, dass der Erblastentilgungsfonds getilgt sei, oder ist nicht der größere Teil umgeschuldet worden?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Beides ist richtig. ({0}) Ihr Hinweis darauf, dass ein großer Teil von meinem Vorgänger auf den Bundeshaushalt transferiert worden ist, ist richtig, und der Hinweis von Herrn Steinmeier und der Bundeskanzlerin, wonach über die Tilgungsregelung und die Inanspruchnahme des Bundesbankgewinnes um die 35 Milliarden Euro - nach meiner Wahrnehmung, getilgt worden sind - ist ebenfalls richtig. Das ist, wie ich finde, ein völlig zutreffender Vergleich mit dem jetzt eingerichteten Fonds von knapp 21 Milliarden Euro. Die Hinweise der Kanzlerin und des Außenministers, dass wir mit solchen Mechanismen durchaus gute Chancen haben, in relativ kurzer Zeit über die Tilgungsregelung, die ich Ihnen vorhin genannt habe, und mittels Inanspruchnahme - in bestimmten Grenzen - des Bundesbankgewinnes diesen Fonds zu tilgen, sind völlig korrekt. Dies ist zutreffend. Dass darüber hinaus auch UMTS-Lizenzeinnahmen zur Tilgung des Erblastentilgungsfonds verwandt worden sind, will ich der Vollständigkeit halber hinzufügen, damit kein falscher Eindruck vermittelt wird. Im Übrigen betrug das Volumen des Erblastentilgungsfonds nach meinem Wissen 171 Milliarden Euro. Wir reden jetzt über ein Sondervermögen bzw. einen Investitionsund Tilgungsfonds von 21 Milliarden Euro. 35 Milliarden Euro des Erblastentilgungsfonds sind über die Bundesbankgewinne getilgt worden. Das sind 14 Milliarden Euro mehr, als das Volumen des jetzigen Fonds beträgt. Insofern sehe ich keinen Widerspruch zu den Aussagen der Kanzlerin und des Außenministers. ({1}) - Nein, das ist absolut zutreffend.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Dr. Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Bundesfinanzminister, es ist in der Politik manchmal schwierig, nicht zynisch zu werden. In Zeiten, in denen die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik gut war, waren Sie für eine Sozialpolitik und eine fehlende Arbeitsmarktpolitik verantwortlich, die dazu geführt hat, dass Kommunen oftmals kein Geld hatten, ihre Kitas zu pflegen und Schulen zu sanieren. Alleine meine Heimatstadt Leipzig hat einen Sanierungsstau von mindestens 200 Millionen Euro. Jetzt, da die Zeit schlecht ist, bekennt sich der Bund richtigerweise zu seiner Verantwortung und will Geld in die Hand nehmen, damit in den Kommunen tatsächlich etwas getan werden kann. Also sind uns die Kinder und die Bildung erst jetzt wichtig. Das finde ich schon katastrophal. Wie wollen Sie jetzt sicherstellen, dass das Geld dort tatsächlich eingesetzt wird? Sie sprachen vorhin, als Sie auf eine Frage antworteten, von der KfW. Jetzt wird Geld ausgegeben, um in Zeitungen zu annoncieren, dass die KfW Kredite vergibt. Ich dachte, das weiß man innerhalb der Bundesrepublik. Wie stellen sich die Möglichkeiten konkret dar? Wird es erhöhte Zinsen für eine Kommune bedeuten, wenn sie eine Stundung beantragt, oder nicht? Sie sagten des Weiteren, Sie seien für schnelle konjunkturelle Impulse. Warum werden dann die konjunkturellen Maßnahmen erst zum 1. Juli wirksam? Das betrifft die Senkung des Krankenversicherungsbeitrags. Hoffen Sie, dass die Menschen, beispielsweise diejenigen, die in Sachsen bei der AOK versichert sind, vergessen, dass sie ab 1. Januar 3 Prozent mehr zahlen müssen, und dass sie die Beitragssenkung als große Entlastung wahrnehmen? Dann habe ich noch eine Frage. ({0}) - Das ist wirklich ein wichtiges Problem. - Sie schlagen vor, dass die Regelsätze für die Kinder von Hartz-IVEmpfängern, die zwischen 6 und 13 Jahre alt sind, angehoben werden sollen. Warum nur für diese Kinder, und warum nicht für alle?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das war eine lange Frage mit einer Reihe von Unterstellungen und viel Stoff, auf den ich jetzt eingehen soll. Erstens. Ich teile Ihre Grundeinschätzung nicht, auch nicht mit Blick auf das, was Sie beklagen bezogen auf das Volumen von Sozialmaßnahmen, die aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. In diesem Bundeshaushalt werden von einem eingenommenen Steuereuro ungefähr 70 Cent für Sozialpolitik ausgegeben. Das widerspricht fundamental Ihrer Einschätzung, dass dieser Bundeshaushalt das ausstrahlt, was Sie hier immer unterstellen, nämlich soziale Kälte. Anders als Sie habe ich eher die Befürchtung, dass der Bundeshaushalt auf der investiven Seite in eine Schieflage kommt. Wir müssen gelegentlich lernen, dass wir erst einmal etwas erwirtschaften müssen, ehe wir es verteilen können. Da sind wir wahrscheinlich in einem ziemlichen Dissens. Zweitens. Ich teile Ihre Einschätzung der Finanzentwicklung und Finanzausstattung der Kommunen nicht. Nicht zuletzt mit Unterstützung dieses Hauses sind erhebliche Beiträge geleistet worden, um die Finanzausstattung der Kommunen zu verbessern. Die Kommunen haben im letzten Jahr - wenn ich Sie daran erinnern darf - einen Rekordüberschuss gehabt. Sie werden in diesem Jahr trotz der obwaltenden Bedingungen 2008 wahrscheinlich noch einmal einen größeren Überschuss haben, vermutlich in einer Dimension von 7 bis 8 Milliarden Euro. Insofern stimmt Ihre Annahme nicht, dass es den Kommunen - auch wegen der Politik der Bundesregierung - sehr viel schlechter gegangen ist; vielmehr ist es ihnen sehr viel besser gegangen. Ich gebe zu, dass die Divergenz zwischen finanzschwachen und finanzstarken Kommunen sich dabei weiter aufgefächert hat. Das heißt, die Verteilung innerhalb der kommunalen Familie ist nach wie vor ein Problem. Aber ansonsten haben sich die Ausgangsbedingungen für die Kommunen, das zu finanzieren, was Sie - teilweise auch ich - für nötig halten, durchaus verbessert. Sie haben in Ihrer Fragestellung auf die Einführung einer neuen Stufe des Regelsatzes bei Hartz-IV-Kindern zwischen 6 und 13 abgehoben - dies geht auf Berechnungen des zuständigen Bundesarbeitsministeriums zurück -; die Berechnungen für diejenigen, die zwischen 0 und 6 bzw. zwischen 14 und 18 Jahre alt sind, sind durchaus legal. Die nächste sogenannte EVS, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, ist abzuwarten; sie ist für die Festsetzung der Regelsätze maßgeblich. Fragen Sie mich nicht, wann die Ergebnisse vorliegen. Wie mir der Parlamentarische Staatssekretär Thönnes zuruft, wird dies 2010 sein. Sie haben zwei weitere Fragen gestellt, die mir nicht erinnerlich sind. Könnten Sie sie wiederholen?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön, Frau Höll. Erinnerung ist möglich.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe nach konkreten Finanzierungsbedingungen für Kommunen gefragt, wenn sie zum Beispiel die Möglichkeit einer Stundung bei der KfW in Anspruch nehmen. Außerdem habe ich gefragt, warum konjunkturelle Maßnahmen wie die Senkung des Krankenkassenbeitrages erst ab dem 1. Juli gelten sollen; schließlich sind Sie für schnelle konjunkturelle Impulse. Warum wollen Sie - wir sind jetzt im Januar - bis Juli warten?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Eine Teilantwort auf Ihre erste Frage ist in dem enthalten, was ich der Kollegin Haßelmann gesagt habe. Wir sind bereit, dafür zu sorgen, dass die KfW den Kofinanzierungsanteil von finanzschwachen Kommunen übernimmt - unter Stundung von Tilgung und Zinsen. Wir erwarten allerdings gleichzeitig, dass das Modell Rheinland-Pfalz in denjenigen Ländern kopiert wird, in denen man bereit ist, den Kofinanzierungsanteil für finanzschwache Kommunen zu übernehmen. Wir alle können darauf dringen - auch Sie als Bundestagsabgeordnete -, dass dies in den Ländern gemacht wird. Ich halte das für eine richtige Maßnahme. Meine Antwort auf Ihre andere Frage lautet: Wir haben versucht, ein Datum zu wählen, das - sowohl mit Blick auf die Steuersenkungen als auch mit Blick auf die Rentenerhöhungen als auch mit Blick auf günstigere Krankenversicherungsbeiträge am 1. Juli - dazu beiträgt, dass das Ganze als Gesamtpaket wahrgenommen wird. Der Kinderbonus wird wahrscheinlich schon vorher ausgezahlt werden können, wenn Bundestag und Bundesrat die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Es ging darum, in einem - wenn Sie so wollen - Aplomb dazu beizutragen, dass es einen Nachfrageimpuls gibt, den die Leute spürbar wahrnehmen können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Letzte in dieser Fragerunde ist die Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Steinbrück, ich will gleich nachfragen. Wenn das Modell Rheinland-Pfalz so toll ist und wirklich sichert, dass das Geld bei den Kommunen ankommt, warum legen wir, der Bund, das dann nicht fest? Schließlich sind wir diejenigen, die das Geld für Investitionen zur Verfügung stellen: über 10 Milliarden Euro. Da könnten wir doch sagen: Wir erwarten von den Ländern, dass sie mittragen, dass analog zum Modell Rheinland-Pfalz - es ist mir jetzt im Detail nicht präsent; aber es muss seinen Grund haben, dass Sie es so loben - vorgegangen wird. Oder glauben Sie, dass wir über die Verwaltungsverfahren detailliert regeln könnten, dass sich die Zuweisung zum Beispiel an Parametern wie „Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner“, „Kreditrahmen in einer Kommune“ etc. orientiert? Alle diese Parameter könnte der Bund doch festlegen, ohne in eine Debatte zu geraten, wie Sie sie vorhin angesprochen haben, nämlich nach dem Motto: Sind die Kommunen abgeleitete Instanz der Länder? Können wir als Bund direkt zugreifen? - Wir könnten bestimmte Sachen gesetzlich festlegen. Beabsichtigen Sie, das im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch zu tun, oder sagen Sie: „Das überlassen wir völlig den Ländern; wir geben nur das Geld, und den Rest regeln die Länder“? Mein letzter Punkt in dem Kontext: Beabsichtigen Sie, gesetzlich festzuschreiben, dass die Länder, wenn sie die Mittel nicht zweckgebunden vergeben, die Zuschüsse an den Bund zurückzahlen müssen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Letzteres ist Bestandteil des Abrechnungsmodus, mit dem das aber erst ex post festgestellt wird. Das stimmt mit unserem Bemühen überein, jetzt so unbürokratisch und schnell wie möglich - um es umgangssprachlich auszudrücken - Zug in den Kamin zu bekommen. Da gerät man in einen Spagat. Will man das so unbürokratisch wie möglich in Gang setzen, damit das in der aktuellen Konjunktursituation wirkt, oder zieht man außer Hosenträgern, Gürtel und Sockenhaltern noch Korsettstangen ein? Bürokratische und verfahrensleitende Auflagen machen es natürlich schwerer. Wir entscheiden uns so, dass es so schnell wie möglich wirkt. Ihre erste Frage, Frau Haßelmann, beantwortet sich verfassungsrechtlich. Der Bund ist nicht in der verfassungsrechtlichen Position, den Ländern bezüglich der Behandlung der Kommunen Vorschriften machen zu können, weil der Bund die kommunalaufsichtliche Zuständigkeit der Länder nicht überregeln kann. Das heißt, das müssen die Länder selbst entscheiden. Dass man das kontrollieren kann, dass insbesondere in der Verwaltungsvereinbarung bestimmte Verfahren vorgesehen sind, dass es den Abrechnungsmodus gibt, dass sich die Länder durch entsprechende Hinweise auch selbst gebunden haben, dass es beim Volumen insbesondere über den Verteilungsschlüssel von 70 : 30 - 70 Prozent des Volumens soll den Kommunen zugutekommen -, wenn man so will, Leitplanken gibt, will ich nur wiederholen. Im Übrigen: Die Länder werden einer Extrembeobachtung ausgesetzt sein, nämlich durch die Kommunen, durch den Bund und, wie ich glaube, auch durch die Öffentlichkeit, nämlich mit Blick darauf, dass wirklich das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllt wird, dass die Gelder an die Kommunen weitergereicht werden und dass vor allem finanzschwache Kommunen nicht buchstäblich schlechtergestellt werden als finanzstärkere Kommunen. Insofern glaube ich, dass es genügend Hinweise dafür gibt, dass die Zweckbestimmungen eingehalten werden und die kommunale Investitionstätigkeit auch finanzschwacher Kommunen in Gang gesetzt werden kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Vielen Dank, Herr Minister. ({0}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 16/11715 Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf. Einige Fragen werden schriftlich beantwortet, nämlich aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie die Frage 1 von Herrn Fell, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die beiden Fragen der Kollegin Tackmann - das sind die Fragen 2 und 3 -, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit die beiden Fragen des Kollegen Terpe; das sind die Fragen 4 und 5. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Rainder Steenblock auf: Wie gestaltet sich der Fortgang der EU-Beobachtermission in Georgien, die inhaltliche wie auch zeitliche und strategische Ausrichtung des Mandats sowie die politische Situation vor Ort in Georgien und speziell in Südossetien? Ich bitte Herrn Gloser um Beantwortung der Frage.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Steenblock, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Lage in Georgien, insbesondere in den Gebieten um die Verwaltungsgrenzen zwischen Südossetien, Abchasien und dem übrigen Georgien ist ruhig, aber nicht stabil. Der bisherige Verlauf der EU-Beobachter-Mission ist ein Erfolg für die Europäische Union; denn die russischen Truppen haben sich aus den an die abtrünnigen Gebiete grenzenden sogenannten Pufferzonen zurückgezogen. Diejenigen, die aus diesen Zonen geflüchtet sind, sind dorthin zurückgekehrt. Die volle Erfüllung des Mandats wird allerdings erschwert durch den fehlenden Zugang zu Abchasien und Südossetien sowie den Mangel an Gesprächskanälen mit Russland vor Ort. Die Mission bemüht sich weiterhin, vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen zu entwickeln. Über die weitere mögliche inhaltliche und zeitliche Ausrichtung des Mandats wird insbesondere im Lichte der bevorstehenden Genfer Gespräche und der Entwicklungen bei den anderen internationalen Präsenzen in Georgien zu beraten sein. Die politische Lage in Georgien ist nach zwei kurzfristigen Kabinettsumbildungen im Oktober und Dezember 2008 weitgehend unverändert. Trotz deutlicher Kritik aus Oppositions-, aber auch aus den eigenen Reihen an Präsident Michail Saakaschwili deutet sich auf Regierungsseite kein Wechsel an. Forderungen nach Neuwahlen, wie sie unter anderem von der früheren Parlamentspräsidentin und jetzigen Vorsitzenden einer Oppositionspartei, Nino Burdschanadse, erhoben werden, finden nach wie vor wenig Widerhall. Die De-facto-Regime Südossetien und Abchasien sowie Russland haben am 16. Dezember 2008, wie bereits im Freundschaftsvertrag zwischen Russland und den Regimen vom 17. September 2008 vereinbart, formell sogenannte diplomatische Beziehungen mit Russland aufgenommen und „Botschafter“ ausgetauscht. Der russischen Anerkennung Südossetiens und Abchasiens folgte bislang nur Nicaragua. Über die politischen Entwicklungen innerhalb des südossetischen De-facto-Regimes und dessen Verhältnis zu Russland liegen der Bundesregierung derzeit keine verlässlichen Informationen vor. Priorität hat für uns, alle Prozesse, die der Konfliktbewältigung und nachhaltigen Stabilisierung der Region dienen, zu unterstützen. Vorrangig gilt es dabei derzeit, eine internationale Präsenz in ganz Georgien herzustellen und, wo vorhanden, nach Möglichkeit zu stärken.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine Nachfrage, Herr Steenblock? - Bitte schön.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, ich habe gehört, dass mittlerweile auch die Hamas Abchasien anerkannt hat; aber das gehört nicht zum Inhalt meiner Frage. Nachdem Sie gesagt haben, dass die Schwierigkeit darin liegt, dass die Beobachtermission der EU nicht Zugang zu ganz Georgien hat, möchte ich Sie fragen, wie sich denn die Zusammenarbeit mit den anderen internationalen Strukturen dort darstellt. Es gibt ja das UNOMIG-Mandat, das bis zum 15. Februar verlängert worden ist. Es gibt die im Grunde genommen ausgesetzte OSZE-Mission. Hier stellt sich die Frage, wie diese weitergeht, weil deren Mitglieder ja noch vor Ort sind. Dann gibt es die Initiative des Europarates. Der Menschenrechtskommissar Herr Hammarberg ist meines Wissens der einzige europäische Vertreter, der sowohl nach Südossetien als auch nach Abchasien reisen kann und mit den Russen und den Georgiern im Gespräch ist. Wie gestaltet sich also die Zusammenarbeit mit den Vertretern dieser drei Organisationen - UNOMIG, OSZE und Europarat - vor Ort? Welche Interessen vertritt insbesondere die Bundesrepublik zur Förderung dieser Zusammenarbeit?

Not found (Gast)

In der Tat war es von Anfang an wichtig, dass eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen erfolgt. Ich kann Ihnen zunächst einmal sagen, dass gerade zwischen der EU-Beobachtermission, die ja nur die Grenzgebiete umfasst, und UNOMIG ein sehr intensiver Austausch stattfindet. Des Weiteren ist zu sagen: Wir alle wissen, dass das Mandat der OSZE-Mission aufgrund des Vetos der Russen nicht verlängert worden ist. Diese Mission befindet sich sozusagen in einer Auslaufphase. Griechenland, das derzeit den OSZE-Vorsitz innehat, versucht ja gerade, ein neues Mandat zu schaffen. Darüber finden intensive Gespräche, auch mit Russland, statt, allerdings bisher ohne Erfolg. Aus unserer Sicht kann ich also feststellen, dass es bezüglich der Zusammenarbeit mit den von Ihnen genannten Institutionen keine Reibungsverluste gibt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine weitere Frage. - Bitte, Herr Steenblock.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, ich höre, dass sich die Situation in den Grenzregionen doch deutlich verschärft hat, dass es immer wieder zu bewaffneten - nicht unbedingt militärischen - Auseinandersetzungen kommt, die von Banden oder Kriminellen auf beiden Seiten - insgesamt ist die Lage wohl sehr instabil - angezettelt werden, dass außerdem die Russen den Checkpoint Perewi wieder besetzt haben, ohne, wie eigentlich abgesprochen, das mit der EU-Beobachtermission zu besprechen, und dass die EU-Beobachtermission dort durch die Russen in ihrer Arbeit behindert wird. All das deutet ja eher darauf hin, dass das Konfrontationspotenzial zunimmt, als darauf, dass sich die Situation dort entspannt. Teilt das Auswärtige Amt die Einschätzung, dass es zu neuer Eskalation insbesondere auf der Ebene der unkontrollierten, zum Teil aber auch von Russland unterstützten bewaffneten Bewegungen in dieser Region gerade von Südossetien aus kommt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Steenblock, ich gebe Ihnen natürlich recht, dass es bei der von Ihnen genannten Grenzstation in der Tat zu Problemen gekommen ist, vor allem deswegen, weil ja zunächst ein Rückzug stattgefunden hat und es dann ohne Ankündigung wieder zu einer Besetzung gekommen ist. Weiterhin sollte man aber sehen, dass man einerseits bei den Gesprächen in Genf einen Modus gefunden hat, natürlich nicht mit den Erfolgen, mit denen wir vielleicht gerechnet haben, und dass es andererseits auch kleine Schritte gibt, die zwar noch keine Normalisierung darstellen, aber die man auch bewerten muss. Dazu gehört beispielsweise, dass die Gasversorgung nach der Reparatur der Pipeline in Georgien unter anderem für Südossetien wieder möglich ist. Das ist, wie gesagt, ein kleiner Schritt. Ich will das weder überdramatisieren noch herunterspielen. Jedenfalls sind wir nicht dort, wo wir eigentlich hinwollten. Aber wir müssen die Chance gerade der Genfer Gespräche nutzen, um zum einen Verschiedenes, unter anderem die Flüchtlingsrückkehr, zu klären und zum anderen Stabilität in den Zonen, wie Sie es beschrieben haben, herbeizuführen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Sarrazin, bitte schön.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, in den europäisch-russischen Beziehungen, aber auch für die georgische Seite ist die Frage, wie es zum Ausbruch des Krieges kommen konnte, immer noch von großer Bedeutung und Gegenstand vieler Gespräche und Debatten. Darum frage ich Sie nach dem aktuellen Stand der Untersuchung der auslösenden Momente des Krieges durch die unabhängige Kommission.

Not found (Gast)

Sie wissen, dass wir diese Untersuchung im Europäischen Rat, auch auf Initiative Deutschlands und mit Unterstützung anderer EU-Mitgliedstaaten, beschlossen haben. Sie wird von einer Schweizer Diplomatin geleitet. Alle betroffenen Institutionen sind sich klar darüber, dass wir keinen Einfluss auf die Untersuchungskommission nehmen wollen. Konkret sagen lässt sich lediglich, dass als Perspektive angestrebt wird, dass der Untersuchungsbericht im Sommer vorliegt. Das heißt, weder die EU noch andere Institutionen, zum Beispiel OSZE, Europarat oder UN, nehmen Einfluss in der Form, dass zum Beispiel Zwischenberichte gefordert werden. Ich bitte um Verständnis, dass wir der Kommission die Zeit geben. Im Sommer werden wir dann möglicherweise einen Bericht über die Ursachen erhalten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herzlichen Dank. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 7 des Kollegen Seifert wird schriftlich beantwortet. Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Ulrich sind zurückgezogen worden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Ich rufe die Fragen 10 und 11 des Kollegen Hofreiter auf: Warum wird - wie aus den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf den Bundestagsdrucksachen 16/10577 und 16/11521 ersichtlich - Kostensteigerungen bei Bundesfernstraßenbauprojekten seitens der zuständigen Ministerien in der Regel immer zugestimmt, oder welche Fälle von Nichtzustimmung zu Kostensteigerungen bei Bundesfernstraßenbauprojekten sind der Bundesregierung bekannt? Wie ist die Antwort der Bundesregierung „Die regelmäßige Analyse der Investitionsaufwendungen zeigt - bis auf die Steigerungen der Baukosten auf Grund der Baupreisentwicklungen - seit Jahren keine signifikanten Veränderungen der jeweils verausgabten Kosten“ ({0}) vor dem Hintergrund zu verstehen, dass beispielsweise allein bei 210 Bundesfernstraßenbauprojekten des aktuellen Bedarfsplans Kostensteigerungen von über 15 Prozent - in der Summe entspricht das 4 558 Millionen Euro - und bei 18 Bundesfernstraßenbauprojekten des aktuellen Bedarfsplans Kostensteigerungen von mindestens 100 Prozent aufgetreten sind - in der Summe entspricht das 395 Millionen Euro -, und warum wurde nicht einmal beim „Ausreißer“ hinsichtlich der relativen Kostenüberschreitung - Bundesautobahn 66, Fulda-Süd-Autobahndreieck Fulda, Kostenüberschreitung von 720 Prozent - eingeschritten? Ich gebe dem Kollegen Achim Großmann als Parlamentarischem Staatssekretär das Wort zur Beantwortung der Fragen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da die Fragen inhaltlich zusammenhängen, möchte ich sie gemeinsam beantworten. Die Aussage „Die regelmäßige Analyse der Investitionsaufwendungen zeigt … seit Jahren keine signifikanten Veränderungen der jeweils verausgabten Kosten“ bezog sich auf einen Vergleich der jeweils verausgabten Kosten. Zur Beantwortung wurden für die Jahre 2003, 2005 und 2007 analysierte Kostenaufwendungen für Bundesfernstraßen herangezogen. Deshalb muss ich jetzt, Herr Kollege, ein bisschen ins Detail gehen. Durchschnittskosten von realisierten, im Bau befindlichen oder geplanten Bundesfernstraßenprojekten für den zweistreifigen Neubau pro Kilometer lagen 2003 bei 3,8 Millionen Euro, 2005 bei 4,0 Millionen Euro und 2007 bei 3,9 Millionen Euro. Für den vierstreifigen Neubau lagen sie 2003 bei 7,9 Millionen Euro, 2005 bei 8,3 Millionen Euro und 2007 bei 8,2 Millionen Euro. Für die sechsstreifige Erweiterung lagen sie 2003 bei 7,2 Millionen Euro, 2005 bei 7,4 Millionen Euro und 2007 bei 7,2 Millionen Euro. Daher ist die Aussage, dass im Durchschnitt grundsätzlich keine signifikanten Veränderungen der jeweils verausgabten Kosten erkennbar sind, hier nochmals zu bestätigen. Es trifft allerdings zu, dass in Einzelfällen wesentlich höhere Kosten, als der Baupreisentwicklung geschuldet, auftreten. Dies hat im Wesentlichen folgende Gründe: In den Bedarfsplan wurden neben detailliert geplanten Projekten, für die genehmigte Entwürfe vorlagen oder die sich bereits im Baurechtsverfahren befanden, auch Projekte in sehr frühen Planungsstadien aufgenommen. Für diese fast noch virtuellen Maßnahmen gibt es natürlich keine genauen Kostenabschätzungen. Man zieht hier Erfahrungswerte ähnlich gelagerter und realisierter Projekte heran. Erst im weiteren Verlauf der Planungen, wenn die verschiedenen Varianten untersucht wurden, die Trassierung erfolgt ist und damit die Länge und der Querschnitt sowie die erforderlichen Bauwerke festliegen, sind projektspezifische Besonderheiten erkennbar, die dann zu anderen Kosten als den ursprünglich angenommen führen können. Höhere Kosten sind vielfach durch spezifische örtliche Anforderungen bedingt, die zu Planungsänderungen führen. Hierzu zählen unter anderem Anforderungen des Umwelt- und Lärmschutzes. Das sind zum Beispiel längere Brücken, zusätzliche Tunnelbauwerke, längere und/ oder höhere Lärmschutzeinrichtungen, andere Streckenführungen zur Umfahrung neu festgelegter Schutzgebiete, verbunden mit einer veränderten Gradientenführung, die unter anderem zu erheblichem Mehrbedarf an Bodenbewegungen führt. Weitere Gründe für Planungsänderungen sind: Erst bei der Bauausführung kann ein Mehraufwand aufgrund von schlechteren Bodenverhältnissen festgestellt werden. Oder: Bei der vorgesehenen Autobahnerweiterung war nur der Anbau zusätzlicher Fahrstreifen geplant, aber bei der Aufstellung des Bauentwurfs musste festgestellt werden, dass auch die vorhandenen Fahrbahnen grundhaft erneuert werden müssen. Oder: die Umsetzung höherer Sicherheitsanforderungen in Tunneln gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie. Sie wissen, dass gerade die Tunnelrichtlinien in den letzten Jahren immer weiterentwickelt worden sind. Ergeben sich im Rahmen der Projektplanung solche wesentlichen Planungsänderungen und damit verbunden höhere Kosten, so werden diese in der Regel im bilateralen Gespräch zwischen Bund und Land vorabgestimmt. Bei Kostensteigerungen, die nicht nachvollziehbar sind, werden zusätzliche Begründungen von den Ländern gefordert. Gegebenenfalls werden die Länder aufgefordert, kostengünstigere Alternativen zu wählen. Erst bei plausiblen Nachweisen und wenn sinnvolle Alternativen nicht existieren werden die Projekte mit den ermittelten Kosten in den Bundeshaushalt, in den Straßenbauplan, eingestellt. Soweit die Planungsänderungen plausibel, nachvollziehbar und begründet dargestellt sind, erfolgt bei einer wesentlichen Kostenerhöhung eine Überprüfung des ursprünglich ermittelten Nutzen/Kosten-Verhältnisses, um nachzuweisen, ob die Bauwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit der Maßnahme weiterhin gegebenen ist. Die Antwort auf die Frage 3 in der von Ihnen genannten Kleinen Anfrage zum Kostenanstieg von Projekten war auf den Vergleich zwischen den Kosten zum Zeitpunkt der Bedarfsplanaufstellung und den genehmigten Kosten bezogen. Hieraus kann somit nicht für alle Fälle die tatsächliche Kostensteigerung abgeleitet werden. Bei 40 von den 214 genannten Projekten waren nicht die Gesamtkosten zum Zeitpunkt der Bedarfsplanaufstellung, sondern die im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen genannten Kosten ab dem Jahr 2003 aufgeführt. Somit waren bei diesen Projekten bereits Finanzmittel in Höhe von rund 800 Millionen Euro verausgabt. Das genannte Volumen der Kostensteigerungen in Höhe von 4,6 Milliarden Euro reduziert sich daher um diese 800 Millionen Euro auf 3,8 Milliarden Euro. Zu diesen Projekten mit Ausgaben vor 2003 gehört auch das Vorhaben Autobahn A 66, Fulda-Süd-Fulda. Die genehmigten Gesamtkosten betragen 41 Millionen Euro. Im Bedarfsplan stehen aber nur 5 Millionen Euro, weil vor 2003 bereits 35 Millionen Euro verausgabt wurden. Die Kostensteigerung beträgt also nicht 36 Millionen Euro, sondern nur 1 Million Euro; das sind nur 2 Prozent und nicht 720 Prozent, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung uns glauben machen wollten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Hofreiter, Ihre Zusatzfragen.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vorab will ich sagen: Die 36 Millionen Euro waren in der Antwort Ihres Ministeriums auf unsere Frage enthalten. Wir haben nur eine Umrechnung in Prozent vorgenommen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann trifft die Aussage des bayerischen Innenministeriums zu, dass die Berechnung des Bundesverkehrsministeriums völlig falsch ist. Ist es korrekt, dass es einen systematischen Fehler Ihrerseits gab, den Sie bei der Beantwortung der Frage zugegeben haben?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich will Ihre Frage etwas differenzierter beantworten, Herr Kollege Hofreiter. Ihre Frage haben wir genau beantwortet; denn Sie haben nach den eingestellten Kosten im Bedarfsplan gefragt. Trotzdem habe ich mich darüber geärgert, dass wir nicht ungefragt darauf hingewiesen haben, dass schon vorher Mittel verausgabt worden sind. Ich kann also die Reaktion der Bayern verstehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine weitere Nachfrage, Herr Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe noch eine Frage zu dem, was Sie vorher geantwortet haben. Wie oft kommt es denn vor, dass die Kostensteigerungen nicht plausibel dargelegt werden konnten und die Länder dann umplanen mussten?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen. Aber ich bin sehr oft damit konfrontiert, dass Abgeordnete, Bürgermeister, Landräte, die Auftragsverwaltung der Länder sowie Verkehrsminister und Staatssekretäre der Länder mit mir über solche Projekte sprechen wollen und wir hin und wieder Wünschen, die vorgetragen werden, einen Riegel vorschieben müssen, weil die vorgeschlagenen Varianten aus unserer Sicht wirtschaftlich nicht realisierbar sind. Das passiert in Einzelfällen immer wieder. Wie hoch die Gesamtzahl ist, kann ich Ihnen, wie gesagt, aus dem Stegreif nicht beantworten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Hofreiter, Ihre dritte Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe nicht danach gefragt, wer etwas vorschlägt. Sie haben ja davon gesprochen, dass die Höhe der Kosten erst einmal geschätzt wird, weil man sich in einem sehr frühen Stadium befindet; Sie haben es „virtuelle Projekte“ genannt. Dann wird die Planung exakter. Wenn die Planung exakt ist, stellt man ab und zu fest, dass die Kosten stark nach oben gehen. Es ist ja nicht irgendjemand - ein Landrat oder ein Bürgermeister -, der die Planungen durchführt, sondern die Auftragsverwaltung. Meine Frage lautet: Wie oft weist das Bundesverkehrsministerium die Planung an die Auftragsverwaltung zurück und sagt: „Bitte neu planen!“, weil die Kostensteigerungen nicht plausibel dargelegt werden konnten? Es geht mir also nicht um theoretische Dinge oder um den Fall, dass mit Bürgermeistern gesprochen wird, sondern ganz konkret um die Beziehung zwischen Auftragsverwaltung und Verkehrsministerium.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Hofreiter, wenn Bürgermeister kommen, geht es um ganz konkrete Varianten: Die Auftragsverwaltung hat zum Beispiel eine bestimmte Variante vorgeschlagen, und aus der Region kommt die Bitte, eine andere Variante zu wählen, deren Kosten unter Umständen höher sind. - Das ist der eine Fall. Natürlich gibt es auch den Fall - das passiert auf Arbeitsebene; deshalb müssen wir den „Gesehen“-Vermerk aufbringen -, dass in Fachgesprächen zum Beispiel gesagt wird: „Wir müssen an den technischen Bauwerken sparen“ oder: „Wir müssen die Anbindung an eine andere Straße unterlassen.“ Es gibt oft den Wunsch, mehr Straßen anzubinden. Das gehört in den Zusammenhang der Überführung und Unterführung von Wirtschaftswegen; Sie kennen das. In vielen Details spricht der Bund bzw. unsere Verwaltung mit der jeweiligen Auftragsverwaltung und kümmert sich um die wirtschaftlichste Durchführung eines Projektes. Dabei haben wir gute Ergebnisse erzielt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Hofreiter? Bitte schön.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sie weichen der Frage aus, Herr Großmann. Es geht mir nicht um den normalen Arbeitsprozess. Ich versuche vielmehr, zu klären, wie genau die Kontrolle der Auftragsverwaltung durch das Bundesverkehrsministerium funktioniert, vor dem Hintergrund, dass es im Vergleich zur Vorplanung eine Kostensteigerung geben kann. Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie genau diese Kontrolle stattfindet, frage ich, wie oft, nachdem die Planung der Auftragsverwaltung beim Bundesverkehrsministerium eingereicht wurde, zum Beispiel Folgendes vorkommt: Bei der Vorabplanung wusste man nicht, dass es ein sehr schwieriges geologisches Problem gibt - ein Tunnel muss zum Beispiel durch eine Karsthöhle gebaut werden, oder der Untergrund ist weitaus weniger tragend, als ursprünglich vermutet wurde -, und das Verkehrsministerium sagt dann: So geht es nicht. Die Auftragsverwaltung muss es anders machen. - Oder sagt dann das Verkehrsministerium wie das Bundesfinanzministerium, das grundsätzlich sagt, bei Kostensteigerungen von über 15 Prozent habe es noch keinen Fall gegeben, in dem ein Vorhaben nicht genehmigt worden sei, zur Auftragsverwaltung: „Ihr habt es schon richtig gemacht; das ist so in Ordnung“? Wie oft tritt der ganz konkrete Fall, den Sie dargestellt haben, nämlich dass plausible Kostensteigerungen nicht vom Bundesverkehrsministerium akzeptiert werden, ein? Ist dies in 10 Prozent der Fälle so? Kommt es wie beim Finanzministerium nie vor? Kommt es in 50 Prozent der Fälle vor? Ich möchte nur ein Gefühl dafür bekommen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Genau auf diese Frage - das war Ihre zweite Nachfrage - habe ich bereits geantwortet, dass ich Ihnen keine Zahlen nennen kann. Ich habe Ihnen gesagt, dass diese Situation im ganz normalen Vollzug im Alltag immer wieder vorkommt. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, ob dies in 10 Prozent oder 15 Prozent der Fälle so ist. Diese Zahlen habe ich, obwohl ich viel dokumentiere, nicht auf meiner Festplatte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Frage 12 des Kollegen Volker Beck und die Frage 13 des Kollegen Ilja Seifert werden schriftlich beantwortet. Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Zunächst geht es um die Frage 14 der Kollegin Kotting-Uhl: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, inwiefern der ehemalige Betreiber der Schachtanlage Asse II ({0}) ausreichende Maßnahmen für den Gesundheitsschutz des in der Asse II tätigen Personals getroffen hat, und welche Aufzeichnungen existieren zu den Radioaktivitätswerten, die die vom Asse-II-Personal getragenen Dosimeter maßen? Frau Klug.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin Kotting-Uhl, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die in der Asse tätigen Personen wurden grundsätzlich seit Beginn der Einlagerung im Hinblick auf die berufliche Strahlenexposition gemäß den Anforderungen der jeweils gültigen Strahlenschutzverordnung überwacht. Hierzu gehören die Messung der äußeren Strahlenexposition mit Dosimetern, die von einer behördlich bestimmten Stelle ausgewertet werden, also die amtliche Dosimetrie, sowie zusätzlich eine Messung mit sogenannten nicht amtlichen Dosimetern, an denen die Personendosis sofort ablesbar ist. Die Ergebnisse der dosimetrischen Überwachung wurden gemäß § 42 Strahlenschutzverordnung registriert und dokumentiert. Der Istzustand des Betriebs der Schachtanlage Asse II wurde hinsichtlich der strahlenschutzrelevanten Aspekte und zum vorhandenen radioaktiven Inventar im Jahr 2008 vom TÜV Nord im Auftrag des niedersächsischen Umweltministeriums begutachtet. Der TÜV Nord hat die Dokumentation der dosimetrischen Überwachung stichprobenartig eingesehen und bestätigt, dass keine Dosen oberhalb der Nachweisgrenzen registriert wurden und dass die betreibereigenen Inkorporationskontrollen keine Hinweise auf messtechnisch erfasste Inkorporationen ergeben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kotting-Uhl, Ihre Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich zitiere jetzt aus der Braunschweiger Zeitung von diesem Montag. Dort wird unter anderem aus dem Bericht des Landes von 2008 wie folgt zitiert: „Die Maßnahmen zur Ermittlung der Personendosis und zur Emissionsüberwachung sind angemessen.“ Das Wort „angemessen“ bezieht sich, wie vorher ausgeführt wurde, darauf, dass die Asse als Forschungsbergwerk betrieben wurde. Dann heißt es weiter: Aber sie entsprächen eben nicht dem in kerntechnischen Anlagen üblichen Standard. Dazu noch ein weiteres Zitat aus derselben Zeitung von Montag, das den Asse-Mitarbeiter, der jetzt an Leukämie erkrankt ist, betrifft. Ein Kollege von ihm sagte der Zeitung: Wir haben keine Dosimeter gehabt. Der ehemalige Betreiber der Asse sagt - das entspricht auch Ihrer eben gegebenen Antwort -, es habe Dosimeter gegeben, und beruft sich darauf, dass keine Grenzwertüberschreitungen beispielsweise von Tritium verzeichnet wurden. Nun liegen aber Dokumente des ehemaligen Betreibers vor, die belegen, dass die Tritium-Grenzwerte in der Asse Ende der 80er-Jahre bereits um das 20-Fache überschritten wurden. Der entscheidende Knackpunkt scheint also zu sein, ob die vorhandenen Dosimeter auch tatsächlich getragen wurden oder gleichsam sicher im Schrank hingen, während das AssePersonal der Radioaktivität ohne Dosimeter ausgesetzt war. Daher meine Frage: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie konsequent das AssePersonal die Dosimeter tatsächlich getragen hat, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass das von der Braunschweiger Zeitung geschilderte Verhalten in der Asse der Wahrheit entspricht?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich habe natürlich auch die Zitate in der Braunschweiger Zeitung gelesen. Ihr Zitat aus dem Statusbericht des niedersächsischen Umweltministeriums ist richtig. Dort wird festgestellt, dass die Maßnahmen zur Ermittlung der Personendosis und zur Emissionsüberwachung grundsätzlich angemessen waren, da die Anlage bisher nach Bergrecht betrieben wurde, dass aber der Strahlenschutz in der Anlage „nicht dem in kerntechnischen Anlagen üblichen Standard“ entspricht - dies ist ein weiteres Zitat aus dem Statusbericht - und deshalb die innerbetrieblichen Regeln künftig an diesen Erfordernissen auszurichten sind. Das heißt, die Maßnahmen waren angemessen und nicht substanziell defizitär, entsprechen aber nicht dem heutigen Standard. Daher enthielt der Statusbericht die ganz klare Empfehlung, dass die Strahlenschutzanweisung grundlegend neu auszurichten sei und eindeutiger festgelegt werden müsse, welche Anlagenbereiche zum Kontrollbereich und welche zum übrigen Bereich gehören und wo, wann und von wem die Dosimeter zu tragen sind. Genau dies setzt der neue Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz, jetzt um und kommt damit der eben dargestellten Empfehlung unmittelbar nach. Ob und bei welchen Mitarbeitern es bei dem bisherigen Betreiber in der Vergangenheit zu Versäumnissen gekommen ist, darüber liegen uns im Bundesumweltministerium keine Erkenntnisse vor. Ich habe der Braunschweiger Zeitung auch ein Zitat von Ihnen entnommen, in dem es heißt, dass Ihnen Unterlagen vorlägen. Sie wissen, dass nach den Aussagen eines Mitarbeiters, der an Leukämie erkrankt ist, staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen eingeleitet wurden. Ich kann Ihnen nur empfehlen, wenn Sie dazu Unterlagen haben, diese der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, herauszufinden, ob es hier in der Vergangenheit Versäumnisse und Verfehlungen gab.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine weitere Nachfrage?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich danke Ihnen für den Hinweis. Allerdings bin ich nach wie vor der Auffassung, dass es Aufgabe des Parlaments ist, zum Beispiel mithilfe eines Untersuchungsausschusses herauszufinden, um welche Verfehlungen es bei der Asse ging. Aber damit stehen wir, abgesehen von den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linken, im Parlament allein. Deswegen bitte ich darum, zu akzeptieren, dass wir hier noch weiter Fragen stellen müssen, um schneller als die Staatsanwaltschaft ein bisschen Klarheit zu erlangen. Ich komme auf einen anderen Punkt zu sprechen. Ich beziehe mich weiterhin auf die Braunschweiger Zeitung, die sich erfreulicherweise als erste mit diesem neuen Aspekt im Asse-Desaster befasst hat. Das folgende Zitat stammt von Herrn Haury, dem Sprecher der HelmholtzGesellschaft: „Die Aufenthaltszeit von Herrn Duranowitsch - das ist der an Leukämie Erkrankte; das wissen Sie wahrscheinlich, Frau Klug vor den Einlagerungskammern, bezogen auf seine gesamte Arbeitszeit bei der Asse, wird auf rund eine Stunde geschätzt“ … Direkten Umgang mit radioaktiven Stoffen habe Duranowitsch nicht gehabt, in Bereiche mit radioaktiven Stoffen sei er nicht gekommen. Herr Duranowitsch selber sagt: Ich war in allen zugänglichen Kammern, auch mit Atommüll. Zu einer Messstelle mussten wir mit dem Boot über einen Laugensumpf fahren, da kam man sonst gar nicht hin. Ich möchte damit die Dimension klarmachen, um die es hier geht. Dazu habe ich eine Frage: Was unternimmt die Bundesregierung - jenseits der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen -, um angesichts dieser nicht unbedingt zusammenpassenden Aussagen zur Wahrheit zu kommen? Ich meine, dass man das nicht einfach so stehen lassen kann. Auch wenn die Anstrengungen jetzt darauf gerichtet sind, alles besser zu machen - das sehe ich ein, und das nimmt ja auch seinen Lauf -, glaube ich, dass man auch auf die Fakten zurückschauen muss, um Vertrauen aufzubauen. Man muss schauen, wo man ein bisschen schlampig mit den Vorgaben umgegangen ist.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben die Aussage des ehemaligen Mitarbeiters zitiert. Ich finde, dass man diese Aussage sehr ernst nehmen muss. Deshalb gibt es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Es gibt die Aussage des Helmholtz-Zentrums, dass dieser ehemalige Mitarbeiter als Geotechniker keinen Zugang zu den Einlagerungsbereichen gehabt habe und deshalb von einer Kontamination nicht betroffen sein könne. Ich weiß aber auch, dass hier Aussage gegen Aussage steht. Es wird Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, herauszufinden, wer recht hat. Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit bei der Asse immer mal wieder negative Überraschungen erleben mussten, zum Beispiel die, dass die Aktenlage nicht mit der Realität übereinstimmte. Ich kann das auch für diesen Fall nicht ausschließen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, genau das zu ermitteln. Sie können sicher sein, dass, sobald der neue Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz, eigene Erkenntnisse hat, diese der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden. Mir sind keine eigenen Erkenntnisse bekannt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Hill möchte nachfragen.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, weg von der Staatsanwaltschaft, hin zum normalen Leben: Angesichts der Untersuchungen, der Optionsvergleiche und allem anderen, was man zurzeit anstellt, möchte ich gerne wissen, welchen Kenntnisstand wir zur Rückholbarkeit der radioaktiven Stoffe aus dem Bergwerk Asse II im Einzelnen haben. Was sind derzeit die wesentlichen Erkenntnisse?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Herr Kollege Hill, es gibt noch keine Erkenntnisse, die eine abschließende Bewertung dieser Frage zulassen. Sie wissen, dass wir eine Arbeitsgruppe „Optionenvergleich“ eingerichtet haben. Diese Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, genau das zu ermitteln. Diese Arbeitsgruppe hat ihre zusammenfassende Stellungnahme zu dieser Frage heute abschließend beraten und wird diese zeitnah der Öffentlichkeit vorstellen. Daraus ergibt sich der weitere Bedarf für Gutachten, in denen insbesondere die Frage der Rückholbarkeit bzw. der Notwendigkeit der Rückholung von Abfällen zu prüfen sein wird. Bis zum Ende des Jahres wird es eine Entscheidung darüber geben, nach welchem Konzept die Asse stillgelegt wird und ob eine Rückholung notwendig ist oder nicht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Menzner hat eine Frage.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte noch einmal auf die Sicherheit der Arbeiter zurückkommen. In der örtlichen Presse gibt es unterschiedliche Darstellungen, was natürlich zu einer massiven Verunsicherung in der Bevölkerung führt, sofern die Verunsicherung unter den gegebenen Umständen überhaupt noch zu steigern ist. Sie haben zu Recht gesagt, dass die Staatsanwaltschaft den konkreten Fall klären muss. An Sie als Staatssekretärin richte ich aber die Frage: Was gedenkt das Ministerium zu tun, um die notwendige Transparenz herzustellen und das begründete Misstrauen und die Ängste in der Bevölkerung abzubauen? Die Menschen müssen immer wieder feststellen, dass sich das, was ihnen erzählt wird, später als falsch herausstellt und alles viel schlimmer und dramatischer als ursprünglich dargestellt ist.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Vielen Dank für diese Frage. - Es ist richtig, dass in der Vergangenheit sehr viel Vertrauen vor Ort in die rechtmäßige und sichere Betreibung dieser Anlage zerstört wurde. Das ist der Grund dafür, dass es zum 1. Januar dieses Jahres einen Betreiberwechsel gegeben hat. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist jetzt zuständig. Die Anlage wird in Zukunft nach Atomrecht behandelt. Das bietet die Gewähr, dass Entscheidungen bezüglich der Asse künftig nach Stand der Wissenschaft und Technik getroffen werden. Das ist angesichts der Situation vor Ort nicht ganz einfach; aber das Bundesamt für Strahlenschutz hat von Anfang an auf Betreiben des Bundesumweltministeriums größten Wert auf Transparenz und auf breite Öffentlichkeitsbeteiligung gelegt. Deshalb haben wir vor Ort eine Informationsstelle eingerichtet, die die Öffentlichkeit breit informiert und einbindet sowie auf die Fragen und die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner eingeht, um, wie gesagt, größtmögliche Transparenz herzustellen. Ich denke, das sind wir den Menschen vor Ort schuldig.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Hofreiter hat eine Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, in der Braunschweiger Zeitung wird noch etwas anderes Ungewöhnliches berichtet, nämlich dass ein Teil der Fässer bereits beschädigt angekommen ist bzw. vor der Einlagerung beschädigt war. Welche Erkenntnisse hat Ihr Haus oder haben die nachgeordneten Behörden dazu?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Genau das ist auch eine Aufgabe, die das Bundesamt für Strahlenschutz als neuer Betreiber als Allererstes angegangen ist. Das Abfallinventar wird genau geprüft, und mit den zuständigen Behörden vor Ort, also auch dem niedersächsischen Umweltministerium und dem Landesbergamt, widmet man sich diesen Fragen noch einmal genau: Was ist tatsächlich eingelagert? Welche Unterlagen gibt es dazu? Welche Augenzeugenberichte - darauf werde ich bei der Beantwortung der nächsten Frage noch eingehen - gibt es, die man heranziehen kann, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen und daraus Rückschlüsse zu ziehen, die helfen, jetzt die richtigen Entscheidungen für den weiteren Umgang zu treffen?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Nachfrage kommt von der Kollegin Pothmer.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme noch einmal auf den verletzten Mitarbeiter zurück. Wäre der Umgang mit kontaminierter Lauge mit einer Strahlung von 3 Megabecquerel nicht genehmigungspflichtig gewesen? Da ist doch der Grenzwert überschritten. Wenn ja, um ein Wievielfaches ist der Grenzwert bei 3 Megabecquerel überschritten?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich kann diese Zahl nicht bestätigen, weil uns diese Erkenntnisse nicht vorliegen. Ich kann deshalb auch nicht bestätigen, dass es zu einer solchen Belastung gekommen ist. Richtig ist, dass es bisher in der Anlage keine Strahlenschutzumgangsgenehmigung gab; die Einsetzung einer solchen wurde jetzt vom neuen Betreiber veranlasst. Das ist eines der Defizite, das im Statusbericht des niedersächsischen Umweltministeriums genannt wurde.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herzlichen Dank. - Ich komme jetzt zur Frage 15 der Kollegin Kotting-Uhl: Welche Informationen zu den fraglichen Sonderverpackungen, die sich in Kammer 4 auf der 750-Meter-Sohle des Bergwerks Asse II befinden sollen, finden sich in der Asse-IIDokumentation, und welche technischen Möglichkeiten existieren, durch Messungen - beispielsweise über Sonden etc. Erkenntnisse über den Inhalt dieser Behälter zu gewinnen? Frau Klug.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Diese Frage beantworte ich wie folgt: Informationen über die sogenannten Sonderverpackungen in Kammer 4 auf der 750-MeterSohle liegen aus Dokumenten der Schachtanlage Asse II und aus einer Zeitzeugenbefragung vor. Bei den Dokumenten handelt es sich im Einzelnen um erstens zwei Schreiben der Transnuklear an die damalige Gesellschaft für Umwelt und Gesundheit, GSF, vom 21. September 1970 und 17. Dezember 1970, in denen unter anderem der Inhalt und die Herkunft der radioaktiven Abfälle in den Sonderverpackungen beschrieben werden. Zweitens handelt es sich um einen Änderungsantrag der GSF zur Genehmigung der Einlagerung von Sonderverpackungen aus Zinkblech vom 1. Dezember 1970. Drittens gibt es eine Billigung der Einlagerung von Sonderverpackungen des Bergamtes Wolfenbüttel vom 1. Februar 1971 und viertens eine Einlagerungsdokumentation, eine sogenannte Fasskontrolle, der Schachtanlage Asse. Die Zeitzeugenbefragung erbrachte insbesondere Informationen über den Einlagerungsort der Sonderverpackungen in der Kammer 4. Diese lagern ungefähr 15 Meter östlich des westlichen Kammerzuganges unmittelbar am Nordstoß. Aus den Beschreibungen des Zeitzeugen und den oben genannten Dokumenten geht hervor, dass es sich bei den Sonderverpackungen um zugelötete würfelförmige Zinkblechkisten mit einer Kantenlänge von 50 Zentimetern handelt, von denen jeweils acht Stück in einem Gestell von circa 1,1 Meter Kantenlänge untergebracht wurden. Von diesen lagern zehn Stück, jeweils zwei Stück übereinandergestapelt, in der Kammer 4. In dem genannten Schreiben der Transnuklear an die GSF wird erläutert, dass die Kisten aus dem Kernkraftwerk Gundremmingen stammten und dass der Inhalt im Wesentlichen aus Schutt, Kombinationen, Isoliermaterial, Blech, Handschuhen, PE-Folien und Glas bestehe. Die Aktivität, nicht spezifiziert nach Strahlungsart, wird je Kiste mit 0,1 bis 0,2 Curie abgeschätzt. Die Dosisleistung der radioaktiven Abfälle wird mit durchschnittlich 200 Milliröntgen pro Stunde und maximal 1 Röntgen pro Stunde angegeben. In den Einlagerungslisten liegen die Werte in 10 Zentimeter Abstand aber nur zwischen 5 Milliröntgen und 15 Milliröntgen pro Stunde, was den Einlagerungsbedingungen entspricht. Außer durch die Auswertung der Dokumentation von den Abfallabliefernden und der Eingangskontrolle könnten Erkenntnisse über den Inhalt der Behälter nur durch radiochemische Vollanalysen gewonnen werden, die jedoch eine repräsentative Beprobung der Behälterinhalte erfordern würde. Diese Beprobung dürfte unter den gegebenen Umständen nahezu unmöglich sein. Angaben zu - auch erneut gemessenen - Dosisleistungswerten, zum Beispiel durch Sonden, die in den Grubenbau eingebracht werden könnten, liefern nur Aussagen im Hinblick darauf, welche Maßnahmen des Strahlenschutzes für den Umgang mit den Abfällen erParl. Staatssekretärin Astrid Klug forderlich wären. Die Dosisleistungswerte liefern keine Aussage zum radioaktiven Inventar der Behälter.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Klug, für die Ausführungen. Ich muss gestehen: So manches rauschte an mir vorbei; es waren ja sehr viele technische Details. - Ich halte fest: Die Idee einer stichprobenartigen Ermittlung des Inhalts über Sonden, die vom BfS ins Gespräch gebracht wurde, ist hinfällig. Sie haben begründet, dass diese Maßnahme eigentlich keinen Erkenntnisgewinn bringt, wenn ich das richtig verstanden habe. Heißt das jetzt, dass man sich bei der Frage, was nicht nur in diesen, sondern auch in anderen Behältern enthalten ist, allein auf die Dokumente verlassen muss?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Darüber ist noch nicht abschließend entschieden. Ich habe Ihnen die Vor- und Nachteile aufgezeigt und dargelegt, welche Erkenntnisgewinne von diesem aufwendigen und risikobehafteten Verfahren ausgingen. Die Unterlagen werden ausgewertet. Das ist der derzeitige Erkenntnisstand. Ich habe die Antwort so ausführlich vorgetragen, weil ich denke, dass dies an dieser Stelle einmal dokumentiert sein sollte. Ich musste den Text dreimal lesen - Sie können es nachlesen -, um das Ganze besser nachvollziehen zu können. Das ist der derzeitige Erkenntnisstand. Sie wissen aber, dass das BfS weitere Untersuchungen betreibt und dass man mit Experten und auch mit den Behörden vor Ort im Gespräch ist. Es wird irgendwann zu entscheiden sein, ob an dieser Stelle ein weiterer Erkenntnisgewinn notwendig ist, um zu wissen, wie die Belastung in der Kammer ist, und um vielleicht doch herauszufinden, was genau der Inhalt dieser Sonderverpackungen ist. Dies wird aber erstens nicht einfach herauszufinden sein; zweitens wissen Sie, dass diese Kammer derzeit nicht stabil ist und die Einführung von Sonden mit einem Risiko behaftet ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Ich danke Ihnen erst einmal ausdrücklich für diese ausführliche Beantwortung der Frage. Ich werde sie mit Sicherheit auch dreimal lesen, weil das durchaus einen Erkenntnisgewinn bringt. Dazu muss man es aber erst einmal verstehen. Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass die Kammer 4 im Moment ein Sonderfall ist und man sehr vorsichtig damit ist, diese Kammer anzubohren oder auf andere Weise in diese Kammer einzudringen. Es gibt aber noch andere Kammern und Behältnisse, von denen nicht ganz geklärt ist, was sie enthalten. Es gibt zum Beispiel 14 000 Behälter mit - so nennt sich das - verlorenen Betonabschirmungen. Dies lässt darauf schließen, dass sich darin mittelaktiver Abfall befindet und nicht schwachaktiver, worunter diese 14 000 Behälter eigentlich fallen. Wenn man die Einführung von Sonden in die Kammer 4 aufgrund der genannten Problematik ausklammert: Gibt es im BfS Überlegungen, in anderen Kammern, bei denen man nichts über den Inhalt weiß und sich auf Vermutungen verlassen muss, nachzuschauen und hier vielleicht Sonden einzuführen?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich kenne natürlich nicht die Detailüberlegungen des BfS. Sie können aber sicher sein, dass man sich dort mit genau diesen Fragen befasst und dass man sie auch beantworten wird. Dass sich das BfS zuerst Kammer 4 zugewendet hat, hat mit den mikroseismischen Aktivitäten zu tun. Diese Kammer ist gefährdet. Daher hat man das dort vorhandene Abfallinventar zuerst und besonders genau untersucht. Es ist allerdings Aufgabe des BfS und der Arbeitsgruppe Optionenvergleich, sich diesem Thema zu widmen, damit Ende dieses Jahres eine abschließende Entscheidung, was mit der Asse geschieht, getroffen werden kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege HansKurt Hill das Wort.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin Klug, in Anbetracht der zu erwartenden Ereignisse, sprich: der Errichtung eines Atomendlagers in Frankreich, also in der Nähe des Saarlandes, beschäftigt mich nach wie vor die Frage der Rückholbarkeit der Abfälle aus der Asse; denn vielleicht kommt es in Frankreich eines Tages zu einem ähnlichen Vorfall wie in Deutschland. Als vorsichtiger Kaufmann frage ich Sie erstens: Was meint die Bundesregierung, wie hoch die finanziellen Mittel wären, die man für eine mögliche Rückholung der Abfälle aus der Asse II benötigen würde? Zweitens würde mich interessieren, inwiefern sich die Atomwirtschaft bereit erklärt hat, sich an der Finanzierung zu beteiligen.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Sehr geehrter Herr Kollege Hill, ich verstehe Ihre Ungeduld und Neugier. Sie möchten gerne wissen, was mit der Asse passiert und welche Entscheidungen getroffen werden. Ich kann aber nur wiederholen, dass diese Entscheidung noch nicht getroffen wurde, dass es weiterer Untersuchungen bedarf, dass es eine Arbeitsgruppe gibt, die sich mit genau dieser Frage beschäftigt und eine Empfehlung abgeben wird und dass das Bundesamt für Strahlenschutz dann eine Entscheidung treffen wird. Das wird Ende dieses Jahres geschehen. Leider kann diese Entscheidung nicht früher getroffen werden, weil das BfS dafür bestimmte Erkenntnisse braucht, die derzeit noch nicht abschließend vorliegen. Was die Kosten angeht, so wissen Sie, dass der Bund schon immer die Finanzverantwortung für die Asse II hat, weil der Betreiber der Anlage eine bundeseigene Einrichtung war, die bisher beim Bundesforschungsministerium angesiedelt war. Jetzt ist das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Deshalb hat nun das Bundesumweltministerium die Finanzverantwortung für die Asse II. Es gibt keine rechtliche Handhabe, jemand anderen, auch nicht diejenigen, die ihre Abfälle dort eingelagert haben, in die Finanzverantwortung zu nehmen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Dorothée Menzner hat eine weitere Nachfrage.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich habe eine Nachfrage zu den Sonderverpackungen in Kammer 4. Mittlerweile ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass die Kammer 4 wohl doch deutlich instabiler ist, als lange Zeit angenommen wurde, und dass hier von relativ konkreten Gefahren auszugehen ist. Können Sie mir und vor allen Dingen der Öffentlichkeit bitte folgende Fragen beantworten: Welche Überlegungen gibt es - das gilt auch im Hinblick auf einen möglichen Optionenvergleich -, die fraglichen Behälter oder einen größeren Teil des Inventars dieser Kammer umzulagern? Welche konkreten Probleme machen es momentan unmöglich, dies in Angriff zu nehmen? Welche Optionen werden von Ihnen bzw. vom BfS miteinander verglichen, um zu prüfen, ob auf diesem Wege eine Minimierung der Gefahren möglich ist?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich kann nur wiederholen, dass diese Entscheidung noch nicht getroffen worden ist. Wenn uns alle Erkenntnisse und eine Empfehlung vorliegen, wird entsprechend entschieden. Es werden keine Optionen ausgeschlossen. Alle Optionen werden geprüft, und am Ende wird verantwortlich entschieden. Die einzige Option, die wir ausgeschlossen haben, ist die sofortige Verfüllung der Kammer 4; dies wurde bereits von dem einen oder anderen in der Region gefordert. Wir lehnen diese Option deshalb ab, weil durch eine Verfüllung die Beantwortung der Frage, was Inhalt der Sonderverpackungen ist, für alle Zukunft ausgeschlossen würde. Wir haben auch vor Ort immer wieder versprochen, dass wir keine vollendeten Tatsachen schaffen werden. Ob es in Zukunft vielleicht notwendig ist, diese Frage zu beantworten, werden die weiteren Beratungen ergeben. Es werden vor Ort allerdings keine vollendeten Tatsachen geschaffen, die irgendwelche Optionen für die Zukunft ausschließen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich wollte mich schon bei Ihnen bedanken, Frau Staatssekretärin; aber es gibt noch eine Nachfrage der Kollegin Stokar. - Bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, ich bitte um Entschuldigung, dass Ihre zahlreichen Antworten, das werde bis Ende des Jahres geprüft, gerade die Abgeordneten aus Niedersachsen nicht beruhigen können. Es besteht ja nach wie vor der Verdacht, dass sich im Tiefenaufschluss, in den Kammern unter dem Bergwerk, auch hochradioaktives Material befindet. Meine Frage: Wird mithilfe von Sonden oder durch sonstige technische Untersuchungen versucht, herauszufinden, ob dem so ist? Man kann ja nicht einfach Beton draufkippen und vor dem, was aus dem Atommüll wird, die Augen verschließen.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Sie sagen selbst, dass lediglich ein Verdacht besteht. Es gibt keine Erkenntnisse darüber, ob in der Asse hochradioaktives Material eingelagert ist. Das Bundesamt für Strahlenschutz prüft das Abfallinventar sehr sorgfältig und nutzt alle Wege, um mehr über die in der Asse eingelagerten Abfälle herauszufinden. Erst wenn wir wissen, was für Abfälle eingelagert sind, welche Instabilitäten es in der Asse gibt und ob eine Absicherung der Asse möglich ist, wird endgültig entschieden, wie wir vorgehen. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist seit gerade einmal 28 Tagen Betreiber dieser Anlage. Beim BfS ist die Asse in den besten Händen, die man sich nur vorstellen kann. Sie müssen dem BfS jetzt eine Chance geben, zu entscheiden, wie in Zukunft verantwortlich mit der Asse umgegangen werden kann. In der Vergangenheit war das ja nicht immer so.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatssekretärin. - Eine zweite Nachfrage ist nicht möglich, Kollegin Stokar. Die Frage 16 der Kollegin Höhn wird schriftlich beantwortet; sie befasst sich mit den Rechtsnachfolgern der an der Einlagerung von Atommüll in der Schachtanlage Asse II beteiligten Unternehmen. Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Brigitte Pothmer werden aufgrund der Regelungen in Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde ebenfalls schriftlich beantwortet, da diese Fragen in einem anderen Tagesordnungspunkt unserer Sitzungswoche behandelt werden. Auch diese Fragen befassen sich mit der Asse, allerdings geht es in diesem Fall um Gebühren nach § 21 b des Atomgesetzes. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung. Vizepräsidentin Petra Pau Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Monika Lazar auf: Aus welchen Haushaltstiteln welcher Etats könnte eine am 21. Januar 2009 erstmals im Innenausschuss des Deutschen Bundestags diskutierte Überbrückungsfinanzierung für das Nazi-Aussteigerprojekt „EXIT-Deutschland“ gezahlt werden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Bei dem Projekt „EXIT-Deutschland“ handelt es sich um ein zivilgesellschaftliches Aussteigerprojekt. Es gibt darüber hinaus staatliche Aussteigerprojekte. Dieses zivilgesellschaftliche Projekt ist sehr wichtig; denn jeder Versuch, jungen Menschen eine Brücke zum Ausstieg aus dieser Szene zu bauen, verdient Förderung. Wir haben die Situation heute Morgen im Innenausschuss in extenso behandelt, Frau Kollegin Lazar. Deshalb will ich in aller Kürze sagen: Das Projekt „EXITDeutschland“ ist vom 1. Juli 2007 bis zum 30. September 2008 im Rahmen des XENOS-Sonderprogramms „Beschäftigung, Bildung und Teilhabe vor Ort“ durch das dafür zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit 175 000 Euro, die ursprünglich aus dem Europäischen Sozialfonds kommen, gefördert worden. In Zukunft wird aller Voraussicht nach wieder in diesem Rahmen eine Förderung möglich sein, allerdings wohl erst ab April 2009. Es stellt sich die Frage, ob eine Überbrückungsfinanzierung möglich ist. Die infrage kommenden Ressorts der Bundesregierung haben dies geprüft. Insbesondere das Programm „Vielfalt tut gut“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wäre in Betracht gekommen. Die Prüfung hat allerdings ergeben, dass eine konkrete Förderung wegen der Besonderheiten des Programms „EXIT-Deutschland“ leider nicht möglich ist. Es gibt eine Möglichkeit der Überbrückungsfinanzierung - allerdings aus dem Bereich des Bundesministeriums des Innern -, und zwar aus den vorhandenen übertragenen Mitteln des Bündnisses für Demokratie und Toleranz. Dieses Bündnis ist eine vom BMI und BMJ gegründete Einrichtung sui generis - eigener Art -, deren Finanzierung allein aus dem Einzelplan 06 - Bundesinnenministerium - getragen wird. Hier wäre eine Finanzierung nach den Vorschriften denkbar. Das Bundesministerium des Innern würde eine solche Finanzierung auch befürworten. Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass eine Entscheidung nur mit Zustimmung des Beirates dieses Bündnisses möglich ist. Das Bundesinnenministerium ist ebenso wie das Bundesjustizministerium in diesem Beirat vertreten. Eine Sondersitzung des Beirates ist inzwischen terminiert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Wie Sie schon sagten, haben wir heute im Innenausschuss schon über dieses Thema gesprochen. Für mich ist aber noch eine Frage offengeblieben. Es geht um die Höhe der Mittel. Von EXIT-Deutschland wurden 80 000 Euro angegeben. Nun würde ich gerne wissen, ob diese Eigenangabe überprüft worden ist; denn EXIT-Deutschland konnte in den letzten Monaten Spenden akquirieren, weshalb die Summe vielleicht etwas geringer wird. Des Weiteren würde mich der Haushaltsübertrag interessieren. Mir liegt ein Schreiben des Geschäftsführers des Bündnisses für Demokratie und Toleranz von Mitte Dezember vor, in dem es schon um einen generellen Übertrag geht. Damals wurde EXIT-Deutschland noch nicht angegeben, wahrscheinlich weil sich die Verantwortlichen von EXIT-Deutschland noch nicht beim Bündnis für Demokratie und Toleranz gemeldet hatten. Mich würde zum einen interessieren, ob der Haushaltsübertrag schon genehmigt ist, und zum anderen, ob es einen neuen Antrag des Geschäftsführers gibt, dass auch EXIT-Deutschland in den Übertrag einbezogen werden soll.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin, wir müssen die Reihenfolge genau einhalten. Das eine ist, dass das Bündnis im letzten Jahr unabhängig von EXIT-Deutschland nicht alle Mittel, die in seinem Haushalt zur Verfügung gestellt wurden, verausgaben konnte, was nicht zum ersten Mal der Fall ist. Das zeigt im Übrigen, dass die Bundesregierung die Arbeit im Hinblick auf die Eindämmung von Extremismus, Rechts- und Linksextremismus gleichermaßen, sehr ernst nimmt und auch die nötigen Mittel dafür zur Verfügung stellt. Diese nicht verausgabten Haushaltsmittel würden normalerweise zum Ende des Haushaltsjahres verfallen. Aufgrund der Bedeutung der Aufgabe haben wir schon in der Vergangenheit gesagt, dass wir es für richtig halten, diese Haushaltsreste, die einen erheblichen Umfang haben, zu übertragen. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, inwieweit das verwaltungstechnisch bereits genehmigt ist, aber gehen Sie davon aus, dass in der Bundesregierung politisch die Bereitschaft und der Wille vorhanden sind, dies zu tun, und dass das auch erfolgen wird. Der zweite Punkt ist, dass die endgültige Förderung von EXIT-Deutschland davon abhängt, dass beim Bündnis ein entsprechender Antrag gestellt wird. Wir haben heute Morgen gehört, dass dies inzwischen auf gutem Weg ist. Dieser Antrag muss von der Geschäftsführung des Bündnisses im Hinblick auf den tatsächlichen Finanzierungsbedarf geprüft werden; dann muss der Beirat darüber entscheiden. Wie ich aus meiner eigenen Tätigkeit im Beirat weiß, gehören Sie ihm an. Ich bitte herzlich um Verständnis, dass wir diesen Prüfungen vonseiten des BMI an dieser Stelle nicht vorgreifen können. Wir werden die Geschäftsstelle des Bündnisses im Rahmen unserer Möglichkeiten aber selbstverständlich dabei unterstützen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie noch eine weitere Nachfrage?

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es gibt Bestrebungen, außer dem Bündnis für Demokratie und Toleranz auch die Bundeszentrale für politische Bildung einzubeziehen. Dahin gehend hat sich der Vorsitzende des Innenausschusses, Edathy, in der letzten Woche in der Ausschusssitzung geäußert; es gibt auch eine Äußerung des Geschäftsführers des Bündnisses für Demokratie und Toleranz dazu. Nun würde mich interessieren, ob die Bundeszentrale für politische Bildung jetzt völlig von der Finanzierung ausgenommen ist oder ob geprüft wird, welche Mittel das Bündnis für Demokratie und Toleranz geben kann und welche Mittel die Bundeszentrale für politische Bildung geben kann. Können Sie mir schon vor der Sondersitzung des Beirates des Bündnisses für Demokratie und Toleranz Auskunft darüber erteilen, ob die Summe vielleicht auf beide Institutionen, die beide durch das Innenministerium finanziert werden, gesplittet werden kann?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Es ist richtig, Frau Kollegin Lazar, dass beide Titel aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums finanziert werden. Richtig ist aber auch, dass wir vom Bundesinnenministerium nicht den Entscheidungen der zuständigen Stellen vorgreifen möchten. Wie Sie wissen, sind auch mit dem Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung Gespräche geführt worden, in die auch der Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz eingebunden war. Ich hoffe, dass wir letzten Endes eine sachgerechte Lösung finden werden, die die überbrückende Fortführung des Aussteigerprogramms gewährleistet, bis die ordnungsgemäße Finanzierung im Rahmen des BMAS wiederhergestellt ist. Deshalb bitte ich herzlich um Verständnis, dass die genauen Einzelheiten - das heißt, ob gegebenenfalls auch aus dem Titel der Bundeszentrale bzw. in welcher Höhe finanzielle Leistungen erfolgen erst dann beurteilt werden können, wenn die genaue Situation im Hinblick auf EXIT bekannt ist. Dabei spielt beispielsweise auch eine Rolle, inwieweit in der Zwischenzeit Mittel von anderer Seite akquiriert werden konnten. Das kann ich heute nicht abschließend beurteilen. Ich gehe davon aus, dass EXIT selbst die erforderlichen Angaben dazu machen wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zu Frage 20 der Kollegin Stokar von Neuforn: Sieht die Bundesregierung angesichts der sich häufenden Datenschutzskandale bei privaten Stellen - zuletzt bei der Deutschen Bahn AG - über die bisher bekannten Vorschläge zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes - unter anderem Verschärfung der Bußgeldvorschriften - hinaus nicht die Notwendigkeit, auch für die Betroffenen selbst zivilrechtliche Ansprüche - wie beispielsweise Schadensersatz für erlittene immaterielle Schäden durch die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte - einzuführen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es ist bekanntlich ein alter Juristengrundsatz, dass ein Blick ins Gesetzbuch die Rechtsfindung fördert. Im konkreten Fall hat unser Blick ins Gesetzbuch ergeben, dass das Bundesdatenschutzgesetz in den §§ 7 und 8 bereits Schadensersatzpflichten gegenüber Betroffenen enthält, soweit ihnen durch eine nach dem Bundesdatenschutzgesetz oder anderen Vorschriften über den Datenschutz unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung ihrer personenbezogenen Daten ein Schaden zugefügt wird. Neben den Ansprüchen aus dem Bundesdatenschutzgesetz bestehen darüber hinaus die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche sowohl nach Deliktsrecht als auch gegebenenfalls nach Vertragsrecht fort. Im Rahmen der deliktischen Ansprüche kann dann auch gegebenenfalls ein Anspruch auf Geldentschädigung für eventuell erlittene immaterielle Schäden - auf die es Ihnen in Ihrer Frage besonders ankommt - geltend gemacht werden. Insofern sieht die Bundesregierung derzeit keine Regelungslücke und auch keine Notwendigkeit, weitere zivilrechtliche Ansprüche einzuführen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wenn die Bürgerinnen und Bürger wie in den letzten Tagen in der Presse verfolgen, dass mehrere Hundert Bedienstete der Deutschen Bahn AG mitsamt ihrer Ehepartner bespitzelt wurden und die Daten aller Neukunden der Telekom im Internet sichtbar waren, dann werfen sie durchaus einen Blick ins Gesetz und fragen sich, wie sie ihren Anspruch durchsetzen können. Bislang ist es leider so geregelt, dass sie als einzelne Bürgerinnen und Bürger den Schaden nachweisen müssen. Dafür müssen sie erst einmal informiert sein. Deswegen lautet meine konkrete Frage an die Bundesregierung: Sind Sie bereit, angesichts der sich häufenden Datenpannen in diesen Fällen eine Informationspflicht für Unternehmen einzuführen und damit die Beweislastumkehr zuzulassen sowie - das halte ich für einen klugen Vorschlag, der auch zur Entlastung der Gerichte beiträgt - ein pauschales Mindestbußgeld von 100 Euro für jeden, der von einer Datenschutzpanne betroffen ist, in das Gesetz aufzunehmen? In den letzten sechs Monaten voller Datenschutzskandale gab es zwar Ankündigungen der Bundesregierung, aber nicht einmal einen Hauch eines Gesetzentwurfs zur Verbesserung des Datenschutzrechts.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Stokar, Sie haben weit offen stehende Türen eingerannt; denn wir haben uns vor dem Hintergrund der von Ihnen genannten Vorgänge sehr detailliert mit diesen Fragen befasst. Das Bundesinnenministerium ist das Verfassungsministerium und damit auch dafür zuständig, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das den Bürgerinnen und Bürgern zusteht, wirksam geltend gemacht werden kann. Es gab in den vergangenen Monaten zwei Gesetzesinitiativen meines Hauses dazu. Das eine ist der Gesetzentwurf zum Scoring, der bereits im Sommer letzten Jahres vom Kabinett verabschiedet wurde und der insbesondere die Informations- und Auskunftsrechte der Betroffenen im Hinblick auf die Tätigkeit von Auskunfteien ganz erheblich stärkt. Das andere ist: Wir haben vor dem Hintergrund der bekannt gewordenen Vorfälle in der zweiten Hälfte des letzten Jahres eine Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz auf den Weg gebracht. Diese Novelle sieht zum einen ein Datenschutzauditsiegel, das den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Sicherheit gewährleisten soll, und zum anderen konkrete Maßnahmen vor, um die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken. Dazu gehören ein erhöhter Bußgeldrahmen, mehr Bußgeldtatbestände und die neu geschaffene Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung. Wir haben das von Ihnen angesprochene Problem der Informationspflicht gesehen und auch geregelt. Das heißt, es gibt künftig bei Datenschutzpannen eine Informationspflicht auch gegenüber den Betroffenen. Somit schaffen wir mehr Transparenz und die Möglichkeit, seine Rechte wahrzunehmen und geltend zu machen. Wie Sie wissen, haben wir in diesem Gesetzentwurf zudem das sogenannte Listenprivileg erheblich eingeschränkt. Künftig gibt es das Erfordernis, die Einwilligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger einzuholen. Dort, wo Ausnahmen von diesem Einwilligungserfordernis fortbestehen, haben wir das Widerspruchsrecht der Betroffenen gestärkt. Das ist eine Reihe ganz konkreter, fassbarer Verbesserungen für Millionen Bürgerinnen und Bürger. Über die beiden Gesetzentwürfe, die das Kabinett beschlossen hat, beraten derzeit die zuständigen Parlamentsausschüsse. Selbstverständlich kann die Bundesregierung den Beratungen und der Entscheidungsfindung des Parlaments nicht vorgreifen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Frage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich habe eine konkrete Nachfrage. Ich habe den Eindruck, dass es eine neue, ganz interessante Arbeitsteilung in der Großen Koalition gibt. Diese sieht wie folgt aus: Es gibt einen Skandal. Der Innenminister gibt eine Presseerklärung heraus. Das Kabinett beschließt. Danach hat sich die Große Koalition darauf verständigt, dass gar nichts mehr passiert. - Wir warten seit Monaten. Angekündigt wurde die Behandlung dieser vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwürfe im Dezember. Nun haben wir Ende Januar. Die Beratungen über diese Gesetzentwürfe wurden auch nicht auf die Tagesordnung für die Sitzungen im Februar gesetzt. Ich weiß zwar, dass Sie, die Bundesregierung, nicht die Verantwortung dafür tragen. Sie haben allerdings alle Ihre Machtmittel eingesetzt, um zum Beispiel das BKAGesetz im beschleunigten Verfahren durch die Fraktionen und das Parlament zu bringen. Meine konkreten Fragen an Sie lauten: Welche Gespräche führen Sie mit den Fraktionen, damit der Kabinettsentwurf tatsächlich dem Innenausschuss zugeleitet wird, und wie intensiv ist Ihr Einsatz, damit das, was vom Kabinett beschlossen und vom Innenminister befürwortet wird, auch im Parlament so beschlossen wird? Ich habe das Gefühl, dass die Beratungen so lange aufgeschoben werden, bis der Druck der Lobbyisten dazu führt, dass Ihre Vorschläge aufgeweicht sind. Wir werden dann keine Verbesserungen im Datenschutz erreichen.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Stokar, wir haben immerhin einen Fortschritt erreicht; denn Sie haben nun konzediert, dass die Bundesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hat. Wir haben nach den Vorfällen schnell und effizient gehandelt. Wir haben Vorschläge eingebracht, die weitreichender sind als das, was manche für möglich gehalten hätten, selbst bei optimistischer Betrachtungsweise. Das Bundeskabinett hat sehr zügig die entsprechenden Gesetzentwürfe verabschiedet. Wir haben sie im Übrigen auch sehr schnell in den zuständigen Ministerien des Innern und der Justiz erarbeitet. Das war kein leichtes Unterfangen; denn wir mussten auch verfassungsrechtliche Vorgaben beachten. Nun liegen diese Vorschläge beim Bundesrat, und sie müssen im Bundesrat und im Bundestag beraten werden. Ich als Vertreter der Bundesregierung kann, das wiederhole ich, hier und heute keine Empfehlungen oder Ratschläge an das Parlament richten. Sie haben Gesetzentwürfe zitiert, die in einem zügigen Verfahren verabschiedet worden sind. Deshalb ist die Bundesregierung sehr optimistisch, dass das Parlament die Dringlichkeit und die Notwendigkeit dieser Gesetzgebungsvorhaben hoch einschätzen wird und dass es möglich sein wird, sie vor Ablauf der Legislaturperiode ordnungsgemäß zu beraten und zu verabschieden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Die Frage 21 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet, weil das Thema der Frage, nämlich die Haltung der Bundesregierung zur Aufnahme unschuldiger Insassen bei Auflösung des Gefangenenlagers in Guantánamo, in dieser Woche noch auf der Tagesordnung steht. Vizepräsidentin Petra Pau Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl zur Verfügung. Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich beantwortet. Bei diesen Fragen geht es um die Pflichten zur Meldung von faulen Krediten an die Bankenaufsicht und die Konsequenzen für die Bankenvorstände, wenn sie diesen Pflichten nicht nachkommen, sowie um die Information des Deutschen Bundestages über die Gesamtheit der faulen Kredite. Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Christine Scheel auf: Plant die Bundesregierung eine Lösung für die sogenannten toxischen Wertpapiere in den Bankbilanzen, bei der der Staat die Wertpapiere im Tausch gegen Ausgleichsforderungen in Höhe des Wertes zum Bilanzstichtag übernimmt, und wie soll diese Lösung konkret aussehen ({0})? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Kollegin Scheel, Sie erlauben, dass ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das ist der Fall. Dann rufe ich auch Frage 25 der Kollegin Christine Scheel auf: Welche Vorteile verspricht sich die Bundesregierung von der Gründung solch einer Zweckgesellschaft - Bad Bank light im Verhältnis zu der Übernahme von sogenannten intelligenten Staatsbeteiligungen an den jeweiligen Banken, um die anstehenden Marktbereinigungen im Welfinanzmarkt zu organisieren und abzusichern, und welcher finanzielle Höchstrahmen insgesamt und pro Institut ist vorgesehen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Es gibt keine aktuellen Planungen in der Bundesregierung für eine nationale Bad Bank oder eine entsprechende Bad Bank light. Natürlich überprüft die Bundesregierung das bestehende Instrumentarium des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes regelmäßig und laufend im Hinblick auf mögliche und notwendige Verbesserungen. Wenn die Bundesregierung zu dem Ergebnis kommt, dass aufgrund geänderter Rahmenbedingungen Anpassungen erforderlich sind, wird sie dem Parlament selbstverständlich entsprechende Vorschläge vorlegen, mit dem Parlament darüber diskutieren und, wie beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz, um die erforderliche Mehrheit werben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben jetzt die Möglichkeit zu insgesamt vier Nachfragen. Bitte.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schauen wir einmal, ob das nötig ist. - Danke, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung. Mitte Februar werden die Bilanzen der Banken für das letzte Quartal 2008 vorliegen. Nach all dem, was wir bislang wissen, schauen diese Bilanzen nicht sehr gut aus. Das heißt, es gibt einen sehr hohen Abschreibungsbedarf. Die Bundesregierung hat zugesichert, dass sie, was die Kreditvergabe anbelangt, alles tut, was notwendig ist, um den Interbankenhandel wieder anzuregen und diese Papiere in irgendeiner Form bilanziell so zu bewerten, dass sie etwas unschädlicher wirken. - Ich fasse das jetzt einmal so zusammen. Welche Maßnahmen planen Sie denn jetzt bis Mitte Februar? Denn es wird von einer zweiten Änderung mit Blick auf SoFFin und die Maßnahmen, die mit diesen schlechten Papieren verbunden sind, gesprochen. Dazu stehen verschiedene Überlegungen an. Was ist denn der aktuelle Stand?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Es ist richtig, dass in den Zeitungen von verschiedensten Überlegungen zu lesen war, wobei ich schon in der Aktuellen Stunde, die wir zum gleichen Thema in der letzten Woche hatten, deutlich gemacht habe, dass wir uns an diesen öffentlichen Spekulationen, zum Beispiel wie sogenannte toxische Wertpapiere bewertet werden können, nicht beteiligen werden. Es ist vor allem darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des bestehenden Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, was die Garantien, die Rekapitalisierung und die Übernahme solcher Wertpapiere betrifft, durchaus ein Instrument vorhanden ist. Sie wissen - Herr Bundesminister Steinbrück hat es vorhin in der Regierungsbefragung angesprochen -, dass im Rahmen einer Einzelnotifizierung auch eine unbefristete Regelung möglich ist. Die Anwendung dieses Instruments wäre durchaus eine der Möglichkeiten, auf die Problematik, die Sie richtig analysiert haben, einzugehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, es ist bekannt, dass die Bundesregierung den Weg der Schaffung einer großen Bad Bank nicht gehen will - das haben sowohl Sie als auch der Herr Minister so gesagt -, dass es über das Finanzmarktstabilisierungsgesetz aber Wege gäbe, im Einzelfall nach Prüfung und in Absprache mit der EU hier eine Lösung zu finden. Ein anderer Weg besteht darin - das wurde im Haushaltsausschuss von Kollegen der Koalition, vor allen Dingen von Abgeordneten der Union, insbesondere von Herrn Kampeter, angesprochen -, mit Ausgleichszahlungen Abhilfe zu schaffen. Ist das Thema Ausgleichszahlungen vom Tisch oder spielt es noch eine Rolle?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Die Frage der Ausgleichszahlungen ist, da wiederhole ich mich, zum Gegenstand von Spekulationen von Zeitungen - auch ich habe sie gelesen - geworden. Das Ganze hat natürlich auch einen Bezug zu der Frage: Wie ist nach der deutschen Einheit in den 90er-Jahren vorgegangen worden? Selbstverständlich schauen wir uns noch einmal an, wie das damals gelaufen ist. Ich muss noch einmal deutlich machen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Vor allem existiert im Rahmen der SoFFin bereits eine Möglichkeit. Wir werden unsere Vorschläge öffentlich und vor allem gegenüber dem Parlament dann unterbreiten, wenn klar ist, was für einen Weg es geben sollte. Ich will mich auch da wiederholen - ich habe es bereits in der letzten Woche gesagt -: Ich glaube, dass es ein Stück weit zur Verwirrung beitragen kann, wenn ständig neue Varianten diskutiert werden. Daran will sich die Bundesregierung in dieser Form nicht beteiligen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre dritte Nachfrage, bitte.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Interessanterweise ist es so, dass die Varianten innerhalb der Koalition diskutiert werden, und das öffentlich. Das sei einmal dahingestellt. Das heißt, Sie kritisieren Ihre eigenen Leute - aber gut. Mich würde jetzt einmal interessieren - ich habe es vorhin angesprochen -, wie die zeitliche Situation im Hinblick auf das vierte Quartal ist. In dem einen oder anderen Fall besteht wohl ein relativ dringender Handlungsbedarf. Können Sie bestätigen, dass es ein Vorhaben gibt - wie auch immer es im Detail aussieht -, bis Mitte Februar einen klaren Vorschlag für eine zweite Rettungsaktion zu machen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Das kann ich nicht. Ich habe beschrieben, dass im Bereich des SoFFin Möglichkeiten existieren und dass diese Möglichkeiten in die Überlegungen einbezogen werden. Das bedeutet, dass für diesen Bereich nicht automatisch eine gesetzliche Änderung oder ein neuer Rettungsplan auf den Weg gebracht werden muss. Ich kann eine entsprechende Aussage also nicht treffen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre letzte Nachfrage, bitte.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine letzte Frage ist: Können Sie sicherstellen, dass der vom Parlament eingesetzte Ausschuss, bestehend aus Kollegen und Kolleginnen aus der Mitte des Parlamentes, frühzeitig genug über die Ergebnisse unterrichtet wird, sodass eine parlamentarische Mitwirkung an diesem Punkt überhaupt noch möglich ist? Es sollte nicht so sein, dass sich die Regierung festgelegt hat und wir das am Ende bloß noch abnicken können.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Frau Kollegin, ich als Vertreterin der Bundesregierung gehöre diesem Geheimgremium nicht an. Sie wissen, bei wem die Federführung liegt. Soweit ich informiert bin, wird dort sehr regelmäßig und sehr intensiv über die jeweils aktuelle Lage unterrichtet. Außerdem wird über Möglichkeiten, darauf zu reagieren, debattiert. Wie Sie wissen - es handelt sich nicht ohne Grund um ein Geheimgremium -, darf ich hier nichts Weiteres darstellen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Nouripour werden schriftlich beantwortet. Darin geht es um den Zeitpunkt des Abschlusses der Rückzahlung der Eigenkapitalhilfen des Bundes durch die Commerzbank AG sowie den Zeitrahmen von gesetzlichen Maßnahmen zur Tilgung der Schulden aus den Konjunkturpaketen I und II. Diese Fragestellung ist auch anderweitig Gegenstand der Tagesordnung dieser Sitzungswoche. Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Silke Stokar auf: Ist es nach Auffassung der Bundesregierung ein angemessener Beitrag zur Wiederherstellung des öfffentlichen Vertrauens in die staatliche Finanzaufsicht, wenn der Bundesrat auf Initiative der schwarz-gelben Koalition in Bayern in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes ({0}) eine Informationssperre für den Bereich der Finanz-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht verlangt, während andererseits der neue US-Präsident Barack Obama angeordnet hat, die Regelungen zur Informationsfreiheit künftig großzügig anzuwenden und Regierungsdokumente nur noch „aus wichtigen Gründen“ unter Verschluss zu halten ({1})? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Kollegin, die Bundesregierung hat am 21. Januar 2009 in ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes zugesagt - ich vermute, darauf beziehen Sie sich in Ihrer Frage -, dass sie das Anliegen des Bundesrates prüfen wird. Diese Prüfung ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Antwort „Wir prüfen noch“ kenne ich schon. Ich möchte dennoch die Gelegenheit nutzen, mehr zu erfahren. Mich hat schon verwundert, dass die FDP in Bayern sozusagen als erste Amtshandlung jetzt ausgerechnet das Informationsfreiheitsgesetz angreift, gerade in einer Krise. Wie stehen Sie zu der Aussage, dass nur durch Transparenz Vertrauen geschaffen werden kann, und zu dem Ansinnen aus Bayern, in dieser Phase den Finanzund Versicherungssektor mit einer Informationssperre zu belegen, also mit unseren Geheimdiensten gleichzusetzen? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass wir gerade in diesem Bereich mehr Informationszugang brauchen anstatt weniger?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrte Frau Kollegin Stokar, wir haben den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EG-Richtlinie heute im Finanzausschuss erstmalig beraten. Ich habe deutlich gemacht, dass wir als Bundesregierung noch in der Prüfphase sind und dass zwischen notwendigen Informationsrechten und verfassungsrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abzuwägen sein wird. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Es wird auch eine Anhörung geben. Ich will noch einmal betonen, dass eine Abwägung zwischen diesen verschiedenen Rechten und Notwendigkeiten stattfinden wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, diesen Prozess der Abwägung mit Blick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gerade im Finanzsektor haben die Ministerien in meinem Beisein nächtelang durchgeführt, als wir unter Rot-Grün ein Minimum an Informationsfreiheitsgesetz geschaffen haben. Muss ich Ihre Ausführungen jetzt so verstehen, dass ausgerechnet diese Krise und der Vertrauensverlust dazu führen sollen, dass die Errungenschaften des Informationsfreiheitsgesetzes - damit wurde ein Hauch von Transparenz auch in den Finanzsektor hineingebracht zurückgenommen werden und sich die Bundesregierung leider gemeinsam mit Bayern und gemeinsam mit der FDP für Geheimhaltung und für eine Informationssperre im Finanzsektor einsetzt?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich kann gut verstehen, dass Sie noch einmal den Versuch unternehmen, über meine Aussage „Wir prüfen“ hinaus mehr zu erfahren. Ich habe Ihnen beschrieben, dass wir, wie in der Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates formuliert, das Anliegen prüfen. Das ist noch nicht abgeschlossen. Die Schlussfolgerung, die in Ihrer Frage implizit enthalten war, will ich ausdrücklich nicht bestätigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatssekretärin. Die Frage 29 der Kollegin Ina Lenke wird schriftlich beantwortet. Darin geht es um anhängige Verfahren zur Absetzbarkeit der Betreuungskosten bei der Lohn- und Einkommensteuer. Die Frage 30 des Kollegen Hans-Josef Fell wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Darin geht es um die Haltung der EU-Kommission zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen und die Zielsetzung der Bundesregierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29. Januar 2009, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.