Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Beschlüsse der Bundesregierung zum Pakt für Beschäftigung und Stabilität zur
Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes.
Das Wort für den fünfminütigen Einleitungsbericht
gebe ich dem Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück.
Meine Damen und Herren! Ich will auf die Details
nicht eingehen, zumal ich die Hoffnung habe, dass Sie
schon Gelegenheit hatten, das zu lesen, was an Unterlagen und Formulierungshilfen allen Fraktionen des Bundestages zur Verfügung gestellt worden ist.
Die Einschätzung der Bundesregierung ist, dass wir
uns in einer Situation befinden, wie sie in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland ziemlich einmalig ist:
Wir haben es mit einer weltweiten Rezession zu tun, die
ein so exportabhängiges Land wie Deutschland, das
40 Prozent seines Bruttosozialproduktes in Außenwirtschaftsbeziehungen generiert, natürlich besonders hart
trifft. Wir haben es mit einem regelrecht tektonischen
Beben in der Finanzmarktarchitektur der Welt zu tun.
Wir haben es darüber hinaus nicht mit einer Konjunktur-,
sondern nach unserer Einschätzung durchaus mit einer
Strukturkrise in einer der Leitindustrien zu tun, nämlich
in der Automobilindustrie, und zwar nicht nur in
Deutschland, sondern auch in anderen Ländern.
In dieser Situation sind wir aufgefordert, uns antizyklisch zu verhalten. Dies hat die Bundesregierung in zwei
Schritten gemacht. Ich meine das, was Bundestag und
Bundesrat kurz vor Weihnachten verabschiedet haben,
das erste Konjunkturpaket, und das, was Ihnen jetzt zur
Beratung vorliegt: ein zweites Konjunkturpaket mit einem öffentlichen Impuls von 50 Milliarden Euro. Ich
darf darauf hinweisen, dass die sogenannten automatischen Stabilisatoren zusätzlich Wirkung entfalten. Ich
will damit sagen: Die konjunkturbedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben werden nicht durch ein diskretionäres Verhalten der Bundesregierung aufgefangen. Wir haben es darüber hinaus mit einer Reihe von
Entwicklungen zu tun, die in dieser Situation gelegentlich etwas stärker betont werden dürfen. Ich denke beispielsweise an die fallenden Energie- und Rohstoffpreise, die für die Menschen, die noch vor einem halben
Jahr an den Tankstellen und für Heizöl ganz andere
Preise gezahlt haben, eine erhebliche Entlastung bedeuten. Wir haben es mit einer geringeren Inflationsentwicklung zu tun. Darum werden die Reallohnzuwächse
in diesem Jahr erkennbar höher sein als in den vergangenen zwei bis drei Jahren.
Wir haben keine Blaupause für eine Handlungsempfehlung in einer solchen Situation - weder die Bundesrepublik Deutschland noch andere Länder. Es ist darauf
hinzuweisen, dass man die Maßnahmen anderer Länder
vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausgangsbedingungen, Strukturen und Wettbewerbspotenziale nicht
einfach kopieren kann. Ich glaube, dass die Bundesregierung mit ihren fünf Grundorientierungen etwas vorgelegt
hat, das konzise ist:
Erstens darf Geld in einem Konjunkturzyklus wie diesem nicht einfach verbrannt werden. Das war einer der
Gründe, warum ich massiv gegen Konsumgutscheine
eingetreten bin. Wir müssen Investitionen fördern, die
über diesen Konjunkturzyklus hinaus einen Modernisierungseffekt haben.
Zweitens muss eine Kreditklemme vermieden werden, und zwar nicht nur bei den kleinen und mittleren,
sondern auch bei den größeren Unternehmen.
Drittens sind Nachfrageimpulse zu setzen, allerdings
anders akzentuiert. Mich wundert gelegentlich, dass von
einigen politischen Kontrahenten der Eindruck vermittelt wird, als ob riesige Steuersenkungspotenziale nicht
mit einer Neuverschuldung in erheblicher Dimension
verbunden seien. Die Frage ist, welche Verteilungs- und
Redetext
Konjunktureffekte dies hätte. Diesbezüglich unterscheiden wir uns.
Die vierte Orientierung ist: Eine Leitindustrie wie die
Automobilindustrie ist mit einer Maßnahme zu unterstützen. Diese Maßnahme wird von diesem Markt - das
ist erkennbar - sehr begrüßt, und zwar von Produzenten
genauso wie von Händlern. Die Abwrackprämie entwickelt sich zum Renner.
Fünftens ist in der Tat über eine Veränderung des
Grundgesetzes dafür Sorge zu tragen, dass es einen größeren disziplinierenden Mechanismus gibt, damit man
auf den Pfad der Konsolidierung zurückkehrt. Dies ist
gleichzeitig damit zu verbinden, dass die Bundesgelder
in einem Investitions- und Tilgungsfonds zusammengefasst werden, der völlig offen ist. Deshalb verstehe ich
den Vorwurf, da würde etwas versteckt oder camoufliert,
als Teil der politischen Auseinandersetzung.
Faktisch ist das völlig offengelegt und wird, wie ich
finde, mit dem Vorteil verbunden, dass wir hier eine Tilgungsregel gesetzlich verabredet haben, die - jedenfalls
teilweise - bezogen auf den Erblastentilgungsfonds ihre
Funktionsweise bereits gezeigt hat.
Abschließend: Ein solcher antizyklischer Stimulus ist
zwangsläufig mit einer höheren Verschuldung verbunden. Ich kann mich an viele Beiträge in diesem Hause
von den unterschiedlichsten Seiten, von den Medien und
von den wirtschaftswissenschaftlichen Expertisen im
November und Dezember letzten Jahres erinnern, in denen die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen massiven Akzent zu setzen. Jetzt gibt es plötzlich ein Erstaunen darüber - das ist eine merkwürdige Lernkurve -,
dass dies mit einer höheren Verschuldung verbunden ist.
Mein Fazit lautet: Es kann keine unbefleckte Empfängnis von Konjunkturprogrammen geben, sondern es
läuft darauf hinaus, dass wir erkennbar in eine Verschuldung hineingehen, die uns in der nicht obsolet gewordenen Zielsetzung, dass die öffentlichen Haushalte weiter
konsolidiert werden müssen, um Jahre zurückwirft.
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Ich höre Ihren Fragen jetzt gerne zu und hoffe, Ihnen einigermaßen kompetente Antworten zu geben.
Herr Thiele, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Minister, in einer solchen Situation ist klar, dass eine Regierung Schulden macht; das
wird ja auch erfolgen. Aber es ist unter einer rot-grünen
Koalition mit einem SPD-Finanzminister gesagt worden:
Wir wollen keine Sondervermögen haben, sondern sie
sollen ordentlich in den Haushalt integriert werden. Das
ist 1999 beschlossen worden. Da frage ich mich: Warum
bringen Sie diese Neuverschuldung jetzt nicht komplett
in die Bundesschuld ein, sondern richten ein Sondervermögen „Investitions- und Tilgungsfonds“ mit 16,9 Milliarden Euro Ausgaben und 4,1 Milliarden Euro Zinsausgaben ein? Die Bundesschuld beträgt nahezu
1 000 Milliarden Euro. Was für einen Sinn hat es, daneben ein Sondervermögen als Zusatzschulden in der Größenordnung mit Zinsen von etwa 18 bis 20 Milliarden
Euro zu errichten? Warum integrieren Sie das nicht
gleich in die Schuld?
Da drängt sich der Eindruck auf, dass das Absicht ist.
Hans Eichel war es, glaube ich, der sich für Haushaltsklarheit und -wahrheit ausgesprochen hat. Deshalb
wurde das Sondervermögen in die Bundesschuld integriert. Warum halten Sie sich nicht an den Grundsatz
„Klarheit und Wahrheit“, sondern schaffen ein Sondervermögen, um den Eindruck zu erwecken, es finde eine
Tilgung statt? Denn die Tilgung der gesamten Bundesschuld kann erst erfolgen, wenn der Bund Überschüsse
macht. Solange er keine Überschüsse macht, wird die
Verschuldung durch Neuverschuldung weiter ansteigen.
Sie irren an mehreren Stellen, Herr Thiele. Denn es
gibt erstens eine gesetzlich verabredete Schulden- bzw.
Tilgungsregelung, die darauf hinausläuft, dass im ersten
Jahr - will sagen: in diesem Jahr - all das vom Bundesbankgewinn, was oberhalb von 3,5 Milliarden Euro liegt
- diese werden an den Bundeshaushalt abgeführt -, sofort zur Tilgung des Investitions- und Tilgungsfonds eingesetzt wird. Im nächsten Jahr wird alles, was oberhalb
von 3 Milliarden Euro liegt, im übernächsten Jahr alles,
was über 2,5 Milliarden Euro liegt, dafür eingesetzt. Das
heißt, es gibt eine gesetzlich fixierte Tilgungsregelung,
die ihre Funktionsfähigkeit bereits mit Blick auf ihren
Teil bei der Tilgung des Erblastentilgungsfonds bewiesen hat. Insofern gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Dies ist übrigens die wesentliche Raison d’Être, der
Grund, warum wir dieses Sondervermögen aufmachen:
Wir wollen diese Beiträge des Bundes, 16,9 Milliarden
Euro plus 4 Milliarden Euro Zinsen, bei einer Laufzeit
von zehn Jahren - hoffentlich brauchen wir nicht die gesamte Laufzeit - in dieser extraordinären Situation sehr
gezielt einer spezifischen Tilgungsregel unterwerfen.
Dies halte ich in der jetzigen Situation für ein wichtiges
Signal, nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern auch an
die Märkte.
Zweitens - das ist ein Argument, das den Finanzminister sehr stark bewegt - diszipliniere ich damit stärker die Vertreter aller Häuser hinsichtlich ihrer Begehrlichkeiten in zukünftigen Haushaltsverhandlungen.
({0})
Jetzt nicht. Ich werde Sie wieder aufschreiben und
fahre jetzt erst einmal in der Reihenfolge fort. Frau
Lötzsch, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie
haben zu Recht darauf verwiesen, dass uns allen die Papiere vorliegen. Wir haben natürlich versucht, die Papiere für diese Sitzung und diese Befragung ordentlich
zu studieren. Darum habe ich eine Frage nach der AufDr. Gesine Lötzsch
teilung der zusätzlichen Investitionsmittel. Sie sind ja im
Gesetzentwurf vorgelegt, und zwar in der Anlage „Wirtschaftsplan des Sondervermögens“, und heißen im
Haushaltsdeutsch: „die konjunkturunterstützenden Maßnahmen im Bereich der Investitionen des Bundes“ sowie
Ausstattungsbedarf der Ressorts. Es geht also um die Investitionsmittel. Nun erklären Sie mir bitte, nach welchen Kriterien und Beweggründen Sie diese Mittel verteilt haben. Mir sind nämlich Ungleichgewichte
aufgefallen, aber vielleicht können Sie der Öffentlichkeit
hierüber Auskunft geben.
Falls es kein Druckfehler ist, ist es so, dass im Rahmen
dieser investitionsstützenden Maßnahmen das meiste
Geld dem Einzelplan 14 - das ist das Bundesministerium
für Verteidigung - zugutekommt: etwa 226 Millionen
Euro; für militärische Beschaffungen, um das ganz klar
zu sagen. Aber das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Beispiel erhält aus diesen
zusätzlichen Mitteln nur 5 Millionen Euro. Können Sie
uns erklären, was Sie bewogen hat, diese Ungleichgewichtung vorzuschlagen? Ich kann Ihnen nur sagen: Ich
halte das für eine wirkliche Fehlgewichtung.
({0})
Soweit ich Sie verstanden habe, Frau Lötzsch, heben
Sie gar nicht auf alle Investitionsmittel ab, sondern spezifisch auf die 4 Milliarden Euro reine Bundesinvestitionen, von denen der überwiegende Teil in die Verkehrsinfrastruktur fließt und ein anderer Teil auf die Einzelpläne
verteilt wird. Die dort festgelegten Beträge sind gemäß
den Ressortverhandlungen für den jeweiligen Modernisierungsbedarf vorgesehen, den die Ressorts haben. Das
ist völlig unstreitig. Es geht nicht darum, dass für die jeweiligen Ressorts ein fester Schlüssel à la Königstein
festgelegt wird. Es hat darüber Kontakte zu den Ressorts
mit Blick auf die Notwendigkeit des jeweiligen Modernisierungsbedarfes gegeben, der so schnell wie möglich
durch solche zusätzlichen Mittel bedient werden soll,
weil das Geld abfließen soll.
Eine besondere politische Gewichtung ist weder beabsichtigt noch in meinen Augen erforderlich, sondern
es geht darum, jetzt schnell einen konjunkturellen Impuls auszuüben. Das ist die Hauptzielsetzung, die wir in
diesem Jahr so schnell wie möglich erreichen wollen.
Frau Haßelmann, bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Finanzminister,
meine Fragen beziehen sich auf den Komplex kommunale Investitionen. Nun muss ich das gar nicht mit meinen eigenen Worten sagen, sondern ich glaube, es gehört
auch zu Ihren Redewendungen: Wie wollen Sie sicherstellen, dass das Geld, das den Kommunen direkt zukommen soll, nicht bei den Ländern „kleben“ bleibt?
Ich bin sicherlich nicht die einzige Abgeordnete, die
in den letzten Tagen in der kommunalen und regionalen
Presse verschiedene detaillierte Einlassungen von Abgeordneten der Regierungsfraktionen über Summen für Investitionen in ihren jeweiligen Städten und Gemeinden
lesen konnte. Als Beispiel nenne ich eine Einlassung des
NRW-Staatssekretärs der CDU, Herr Kozlowski, der der
Presse mitteilte, dass sicherlich demnächst kommunale
Investitionsmittel unter anderem für den Weiterbau der
A 33 und der A 30 in Ostwestfalen zur Verfügung stehen
werden.
Mich interessiert: Wie stellen Sie als Ministerium sicher, dass das Bundesgeld für die kommunalen Investitionen auch wirklich bei den Kommunen ankommt und
nicht für Landesinvestitionen verwendet wird, die vonseiten der Länderregierungen vielleicht seit vielen Jahren wünschenswert erscheinen? Wie tragen Sie dafür
Sorge, dass insbesondere Kommunen in Haushaltssicherung und notleidende Kommunen, zum Teil mit Nothaushalten - das betrifft zum Beispiel Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße -, davon profitieren.
Mein Kenntnisstand aus Ihren Unterlagen oder Informationen ist bislang der, dass in jedem Fall Kofinanzierungsmittel vonseiten der Kommunen zur Verfügung gestellt werden müssen. Insbesondere Kommunen mit
Nothaushalten können gar keine Kofinanzierung leisten;
das wissen wir beide. Ich nenne als Beispiel Oberhausen
mit negativem Eigenkapital. Mich interessiert, wie Sie
sicherstellen, dass die notleidenden Kommunen diese
Mittel bekommen und das Geld nicht bei den Ländern
verbleibt.
Darf ich antworten, Frau Präsidentin?
Herr Minister, Sie waren vorher mit Ihren Antworten
immer so schnell, dass ich mir jetzt gedacht habe: Sie
sind so eingespielt, dass ich lieber nicht dazwischenreden sollte. - Aber ich gebe Ihnen gerne das Wort. Bitte
schön!
({0})
Ich bemerke meine eigene Unhöflichkeit.
({0})
Sie sprechen ein entscheidendes Thema an: Wir nennen das die „klebrigen Hände“ der Länder. Nicht nur Sie
haben Erfahrungen, sondern auch ich selber habe damit
Erfahrungen gemacht, weil ich einmal auf der anderen
Seite der Bank gesessen habe. Dieses Problem ist nicht
ganz von der Hand zu weisen.
Es gibt eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern, in der einige Regularien festgelegt sind. Es ist gelungen, mit den Ländern einen klaren Prozentsatz zu
vereinbaren, nach dem die 10 Milliarden Euro des Bundes plus die 3,3 Milliarden Euro, die die Länder für das
kommunale Investitionsprogramm bereitstellen, auf die
Kommunen verteilt werden sollen.
Der Schlüssel ist 70 zu 30. 70 Prozent dieser insgesamt 13,3 Milliarden Euro sollen der kommunalen Infrastruktur zugutekommen, 30 Prozent der übergreifenden
Infrastruktur, zum Beispiel Landeskrankenhäusern oder
der Kommunikationsinfrastruktur.
Die Kontrolle wird insbesondere durch einen bestimmten Abrechnungsmodus erfolgen. Der Bund wird
sehr genau überprüfen, inwieweit Mittel zweckentfremdet worden sind. Die Verwendungszwecke sind nämlich
klar definiert. Das gilt insbesondere für die Verwendung
der Mittel im Bildungsbereich, aber auch in den einzelnen Infrastrukturbereichen.
Es wird darauf ankommen, dass die Länder ihre Verantwortung wahrnehmen. Die rheinland-pfälzische Landesregierung tut dies bereits. Sie wird in einer ihrer
nächsten Kabinettssitzungen entscheiden, dass das Land
Rheinland-Pfalz den kommunalen Anteil der Kofinanzierung zunächst einmal vollständig übernimmt und dass
erst dann überprüft wird, welche finanziell stärkere oder
schwächere Kommune in welchem Ausmaß in der Lage
ist, ihren Kofinanzierungsanteil aufzubringen.
Für den Fall, dass ein Land diese Regelungen nicht
übernehmen sollte, werden wir dafür sorgen, dass sich
selbstverständlich auch finanzschwache Kommunen beteiligen können. Wir werden bei der KfW ein Programm
auflegen, in dessen Rahmen der Kofinanzierungsanteil
finanzschwacher Kommunen übernommen wird, wobei
Zins und Tilgung gestundet werden.
Ich möchte alle Kommunen bitten, über ihre kommunalen Spitzenverbände und über andere Selbstverwaltungseinrichtungen den notwendigen Druck auf ihre jeweilige Landesregierung auszuüben. Der Bund ist nicht
in der Lage, gesetzliche Vorschriften festzulegen, weil
dies mit den kommunalaufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten der Länder kollidieren würde, eingedenk der verfassungsrechtlichen Realität, dass die Kommunen nicht
Bestandteil des Bundes, sondern Bestandteil der Länder
sind. Dieses Problem haben wir im Visier. Im dritten
Stockwerk dieses Hauses wird gerade mit 200 bis
300 Kommunalpolitikern über dieses Thema diskutiert.
Herr Weiß, bitte.
Herr Minister, im Gesamtpaket wird ein deutlicher arbeitsmarktpolitischer Schwerpunkt gesetzt. Regierung
und Koalition wollen insbesondere das Instrument der
Kurzarbeit attraktiver gestalten, es sozusagen gängiger
machen. Könnten Sie darlegen, was sich die Regierung
davon verspricht?
Obwohl die Sehnsucht danach groß ist, ist es sehr
schwer, mit irgendwelchen Zahlen zu operieren, da diese
auch eine Scheinrationalität darstellen könnten. Da wir
alle uns bei der Prognose von Zahlen schon sehr häufig
getäuscht haben, sollten wir damit sehr vorsichtig sein.
Nehmen Sie es mir deshalb nicht übel, dass ich Ihnen
keine konkreten Arbeitsplatzeffekte in Aussicht stellen
kann.
Richtig ist, dass die Maßnahmen zum Kurzarbeitergeld, insbesondere die geplante Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge - in diesem Fall geht es darum,
dass Unternehmer bereit sind, ihre Beschäftigten in der
Phase der Kurzarbeit zu qualifizieren, aber auch um andere Qualifizierungs- und Vermittlungsmaßnahmen -, in
den Gesprächen, die die Bundeskanzlerin und viele Kabinettsmitglieder mit verschiedenen Verbänden und den
Gewerkschaften geführt haben, sehr positiv aufgenommen wurden.
Diese Maßnahmen werden den Haushalt der BA belasten, in welchem Ausmaß, ist allerdings sehr schwer
abzuschätzen. Ob es dadurch im Laufe des Jahres 2010
zu einem völligen Verzehr der jetzigen Reserven der BA
kommt, ist sehr konjunkturabhängig und abhängig davon, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Aufgrund der
Maßnahmen, die in der Vergangenheit getroffen worden
sind, schätzen wir den Arbeitsmarkt in der gegenwärtigen rezessiven Phase allerdings robuster als in früheren
Jahren ein.
Sollten die Reserven der BA zur Finanzierung dieser
Maßnahmen, die als sehr sinnvoll und effektiv qualifiziert werden, aufgezehrt sein, müsste dieses Hohe Haus
im Zuge der Haushaltsberatungen gegebenenfalls darüber entscheiden, ob man der BA ein Darlehen - keinen
Zuschuss mehr, sondern ein Darlehen - gibt.
Noch einmal: Eine Quantifizierung der Arbeitsmarkteffekte dieser Maßnahmen fällt sehr schwer. Ich scheue
mich ein bisschen, sozusagen aus der Hüfte zu schießen
und eine Prognose abzugeben, da diese von denjenigen,
die sich mit diesem Zahlenwerk besser auskennen als
ich, sehr schnell widerlegt werden könnte.
Herr Koppelin.
Herr Minister, da wir gleich im Haushaltsausschuss
noch die Möglichkeit des Gesprächs und der Diskussion
haben werden, möchte ich nur auf eine aktuelle Forderung eingehen. Gestern hat der haushaltspolitische Sprecher der Union gefordert, Goldreserven zu verkaufen.
Ich habe in diesem Zusammenhang ein Zitat mitgebracht, das Sie vielleicht interessiert:
Die Aufforderung der Regierungskoalition an die
Bundesbank zum Goldverkauf demaskiert das
Scheitern der … Haushaltspolitik und ist ein verzweifelter Frontalangriff auf die Unabhängigkeit
der Bundesbank.
Dass der Kollege das gesagt hat, ist noch nicht lange her.
Damals war er allerdings in der Opposition. Jetzt fordert
er den Goldverkauf.
({0})
Herr Minister, wie ich lesen konnte, haben Sie sich erfreulicherweise gegen einen Verkauf von Gold ausgesprochen. Ich frage Sie: Könnten Sie den Kolleginnen
und Kollegen von der Union noch einmal erklären, warum Sie dagegen sind, Gold zu verkaufen?
Herr Minister.
Gold macht sehr sinnlich. Der Vorschlag, Gold zu
verkaufen, kommt immer wieder. Da ich mir selber zu
Beginn meiner Amtszeit mit Begehrlichkeiten im Hinblick auf die Goldbestände der Bundesbank ein- oder
zweimal den Mund verbrannt habe, erlaube ich mir, auf
zweierlei hinzuweisen:
Erstens. Wenn man über die Goldbestände der Bundesbank verfügen wollte, müsste man eine Novelle des
Bundesbankgesetzes herbeiführen. Denn nach geltender
Rechtslage kann der Bundesbankvorstand über die Goldbestände souverän verfügen.
Zweitens. Es gibt ein internationales Abkommen, in
dem Kontingente festgesetzt sind, wer wie viel Gold veräußern kann. Die Bundesbank macht von der Möglichkeit, Gold zu verkaufen, übrigens spärlich Gebrauch; im
Wesentlichen veräußert sie Gold für die Prägung von
Goldmünzen in Deutschland. Im Übrigen hätte der Verkauf von Gold Folgen für die Bilanz der Bundesbank.
Das heißt, bevor man mit einem solchen Vorschlag in
die Öffentlichkeit geht, ist man gut beraten, sich zunächst mit dem Präsidenten der Bundesbank zusammenzusetzen. Solche Vorschläge wirken sonst eher verwirrend in einer Zeit, in der sich die Nachrichten über die
Probleme, mit denen wir es zu tun haben, aneinanderreihen.
({0})
Die Kollegin Enkelmann.
Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass es
um schnelle konjunkturelle Impulse geht. Nun ist ja strittig, ob die Maßnahmen tatsächlich konjunkturfördernd
sind. Sind denn auch andere Maßnahmen beraten worden, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Ist zum Beispiel beraten worden, den Hartz-IV-Regelsatz anzuheben
oder den Mehrwertsteuersatz auf Medikamente deutlich
abzusenken oder die steuerliche Abzugsfähigkeit von
Kinderbetreuungskosten zu verbessern? Das wären
Maßnahmen, die wirklich konjunkturfördernd sind.
Ich widerspreche Ihnen: Ich habe den Eindruck, dass
das Urteil der überwiegenden Mehrheit ist, dass unsere
Konjunkturfördermaßnahmen durchaus schnell wirken
können. Das entnehme ich insbesondere vielen Gesprächen mit Vertretern der Kommunen, die das kommunale
Investitionsprogramm als sehr hilfreich empfinden, weil
sich vieles direkt umsetzen lässt. Was die Einschätzung
der Maßnahmen angeht, haben wir also einen Dissens.
Natürlich sind weitere Maßnahmen debattiert worden.
Alles, was mit der Mehrwertsteuer zu tun hat - den
Mehrwertsteuersatz auf Medikamente reduzieren, zeitlich begrenzt die Mehrwertsteuersätze reduzieren -, ist
einmütig verworfen worden, da der konjunkturelle Effekt solcher Maßnahmen zumindest stark bezweifelt
wird. Ich behaupte, dass er so gut wie nicht spürbar
wäre. Abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, in
welchem Ausmaß eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent auf einen reduzierten Mehrwertsteuersatz den Konsum wirklich stärkt. Im Übrigen ist
fraglich, ob die Hersteller bzw. die Dienstleister eine
zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung an die Konsumenten weitergeben. Wer gibt Ihnen die Garantie dafür? Darüber hinaus wäre eine Mehrwertsteuersenkung
mit Einnahmeverlusten in Milliardenhöhe verbunden.
Der Nutzen wäre, denke ich, sehr gering. Dasselbe gilt
mit Blick auf eine Erhöhung der Transferzahlungen.
Auch was den konjunkturellen Impuls von Steuersenkungen angeht, gibt es einen Dissens zwischen Ihrer und
unserer Auffassung. Wir können diesen Dissens nur feststellen.
Die Bundesregierung hat sich von fünf Grundorientierungen leiten lassen, die ich bereits genannt habe.
Dazu gehören vor allem: Investitionen fördern, eine Kreditklemme vermeiden, eine Leitindustrie unterstützen,
einen Nachfrageimpuls geben. Wir haben deutlich gemacht, dass wir uns verschärften Konsolidierungsregeln
unterwerfen werden. Was den Nachfrageimpuls betrifft,
bitte ich zu bedenken, dass sich das Ganze als Summe
der verschiedenen Puzzleteile ergibt: Wir haben den
Kinderfreibetrag erhöht. Wir haben das Kindergeld erhöht. Wir haben den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 3,3 Prozent auf jetzt 2,8 Prozent gesenkt - eine
Entlastung paritätisch für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer von jeweils 15 Milliarden Euro.
({0})
Wir reduzieren den Krankversicherungsbeitrag wieder.
Zum 1. Januar 2009 wird der Krankenversicherungsbeitrag steuerlich anrechenbar; das entspricht einem Entlastungsvolumen von 9 Milliarden Euro. Der steuerliche
Impuls, auf den sich die Koalition geeinigt hat - Erhöhung des Freibetrags, Rechtsverschiebung des Tarifes,
Absenkung des Eingangssteuersatzes -, entlastet um
weitere 6 Milliarden Euro.
Wenn Sie die fünf oder sechs Bausteine, die ich beschrieben habe, zusammennehmen, kommen Sie auf einen durchaus nennenswerten Betrag, je nach Haushaltstypus und je nach Steuerklasse. Wenn Sie des
Weiteren bedenken, dass die Energie- und Rohstoffpreise gesunken sind, sehen Sie, dass antizyklisch bei
der Nachfrage etwas in Gang kommt, das sich durchaus
stabilisierend auswirkt. In welchem Ausmaß, kann Ihnen
vielleicht einer der vielen Wirtschaftswissenschaftler
ausrechnen, die im Augenblick täglich im Fernsehen zu
sehen sind.
Herr Kurth.
Herr Minister, ich möchte auch noch einmal die
schnell wirksamen konjunkturellen Impulse aufgreifen,
die Sie angesprochen haben. In dem Zusammenhang haben Sie ja auch erklärt, dass Sie Konsumgutscheine ablehnen.
Ich nehme an, Sie hatten im Blick, dass durch direkte
Investitionen mehr Folgeinvestitionen angestoßen werden. In dem Zusammenhang spricht man ja vom Multiplikatoreffekt. Wenn der Staat sich weiter verschuldet,
dann sollen durch jeden Euro, den er mehr ausgibt, möglichst viele volkswirtschaftlich wirksame Folgeinvestitionen ausgelöst werden.
Wie schätzen Sie in dem Zusammenhang in Ihrem
Hause den Multiplikatoreffekt der Steuererleichterungen
insbesondere mit Blick auf die Empfänger höherer Einkommen ein? Ist nicht vielmehr anzunehmen, dass sich
lediglich die Sparquote erhöht und dass keinerlei Folgeinvestitionen und volkswirtschaftliche Wirkungen von
dem Entlastungsvolumen ausgehen?
Die Einschätzung teile ich weitestgehend. Wir haben
uns schon in früheren Zeiten empirische Daten zu Steuersenkungsprogrammen anderer Länder angeschaut und
sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Elastizität für
einen längeren Zeitraum zwischen 0,4 und 0,5 schwankt.
Das heißt, dass die Annahme, die häufig politisch vertreten wird, dass sich Steuersenkungen nämlich in relativ
kurzer Zeit selbst finanzieren, eine Fehlannahme ist.
({0})
Durch die Untersuchungen, die man dazu heranziehen
kann, wird das nicht bestätigt.
Sie haben völlig recht, dass der Massenkonsum, den
man durch Steuersenkungen erreichen will, nicht befördert wird, weil die Steuerbelastung in den unteren Einkommensetagen nicht das große Problem ist, sondern
dort schlagen die Sozialversicherungsabgaben viel stärker zu Buche. Für die oberen Einkommensetagen ist
durch das Bundesamt für Statistik klar belegt, dass diejenigen, die ein monatliches Nettoeinkommen von über
3 500 Euro haben, eine Sparquote von weit über
20 Prozent - 22 bis 23 Prozent - aufweisen.
Im Übrigen ist nie ganz absehbar, wie ein zusätzlicher
Konsumschub durch Steuersenkungen wirkt und welcher Konjunktureffekt dadurch erzielt wird. Wird das
Geld für chinesisches Spielzeug, japanische Elektronik
oder den Golfkurs auf Mallorca ausgegeben? Wo geht es
hin, und was hat das mit der deutschen Konjunktur zu
tun?
({1})
Deshalb sind wir zu einem Ergebnis gekommen, mit
dem wir diesen Bedenken durchaus Rechnung tragen:
Erhöhung des Freibetrages, Reduzierung des Eingangssteuersatzes und Rechtsverschiebung des Tarifs. Letzteres ist, wenn man den Freibetrag erhöht, in meinen
Augen automatisch erforderlich, weil man es sonst mit
Blick auf die Grenzbesteuerung bei den unteren Einkommen mit einem sehr viel stärker ansteigenden Ast zu tun
hat. Damit ist etwas vorgelegt worden, von dem ich
glaube, dass das stimmig ist.
Im Übrigen darf ich hinzufügen und wiederholen: Im
Rahmen einer Sitzung des Koalitionsausschusses habe
ich versucht, die Wette einzugehen, dass mit Blick auf die
öffentliche Haushaltslage am Ende dieses Jahres keine
Regierung, egal wie sie sich politisch zusammensetzt,
nach Koalitionsverhandlungen ein Steuersenkungsprogramm in einer Dimension wird beschließen können und
wollen, das ausreicht, um den Mittelstandsbauch beseitigen zu können. Diese Wette halte ich aufrecht.
({2})
- Beschließen werden die es wegen der damit verbundenen Konsequenzen auch nicht.
Einen Dialog kann ich jetzt nicht zulassen.
Das ist pure Leidenschaft.
Frau Tillmann.
Herr Minister, ich teile Ihre Auffassung, dass das
kommunale Investitionsprogramm bei den Kommunen
- den zuständigen Stadträten und Bürgermeistern - gut
ankommt. Ich habe im Moment aber ein wenig die
Sorge, dass Hoffnungen geschürt werden, die hinterher
mit dem Programm nicht erfüllt werden, und dass die
Stimmung dann kippt.
Deshalb lautet meine erste Frage: Halten Sie es für
möglich, dass nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz und
dem darin genannten Förderbereich der Neubau von
Fußballstadien gefördert wird?
Zweite Frage. Wird es eine Handreichung zu diesen
Förderbereichen geben - dabei denke ich insbesondere
an sonstige Infrastrukturinvestitionen -, und wann
kommt sie?
In den Zweckbestimmungen, die auch in der Verwaltungsvereinbarung aufgeführt sind, sind die Bereiche
aufgelistet, die durch dieses kommunale Investitionsprogramm erreicht werden sollen. Ich habe im Augenblick
nicht ganz präsent, ob die Modernisierung von Sportstätten auch dabei ist.
({0})
- Gut. Wenn sie nicht enthalten ist, dann wird dies nicht
möglich sein.
Erkennbar herausgenommen ist der Übergang in die
Verkehrsinfrastruktur, weil wir nicht wollen, dass das
plötzlich nur ein bloßer Ersatz der Finanzierungsmittel
ist, die wir nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bzw. auf der Basis dessen bereitstellen, was ohnehin im Bundesverkehrswegeplan steht. Ebenso werden
keine Maßnahmen des Schienenpersonennahverkehrs finanziert, weil dies Gegenstand des Regionalisierungsgesetzes ist und durch die Mittel geleistet wird, die daraus
zur Verfügung gestellt werden.
Fazit ist: Es werden genau die Bereiche aufgelistet,
die mit diesen kommunalen Investitionen erreicht werden sollen: Bildungsstätten im weitesten Sinne - von der
Kita bis zur Hochschule - und Vorhaben im Bereich der
kommunalen Infrastruktur.
Ich habe bisher viele Kommunalvertreter gesprochen,
die die unterschiedlichsten Parteien repräsentieren, die
alle im Deutschen Bundestag vertreten sind. Sie sagen
vor dem Hintergrund eines ungeheuren Nachholbedarfes, dass sie in der Lage sind, relativ schnell solche kommunalen Investitionsprojekte aus der Schublade zu ziehen. Daran ist mir insbesondere deshalb sehr gelegen,
weil wir die vergaberechtlichen Rahmenbedingungen im
Sinne einer Beschleunigung verbessern, wie mir Herr
Schauerte gerade bestätigt hat.
Herr Wissing.
Herr Minister, ich habe eine Frage im Zusammenhang
mit der Hypo Real Estate. Sie haben am 29. September
2008 über die Schieflage der Hypo Real Estate und die
staatlichen Rettungsmaßnahmen informiert. Dass dies
nicht früher geschehen ist, haben Sie damals damit begründet, dass am Vortag die bayerische Landtagswahl
stattgefunden habe: Sie hätten schon früher darüber Bescheid gewusst, wollten aber keinen Einfluss auf das
Wahlergebnis ausüben.
Tatsächlich sind am 29. September 2008 Ansprüche
nach dem Umwandlungsgesetz verjährt. Meine Frage
lautet: Wann haben Sie von diesen Ansprüchen und der
Verjährungsfrist erfahren, und um welche Ansprüche in
welcher Höhe handelt es sich, die mit Ablauf des
28. September 2008 verjährt sind?
Es tut mir leid; ich bin hier, um über das Konjunkturpaket der Bundesregierung Auskunft zu geben, und kann
nicht aus dem Stand Fragen zu sehr komplexen Sachverhalten beantworten. Stellen Sie mir die Frage noch einmal schriftlich; dann beantworte ich sie gerne.
Herr Spieth.
Herr Minister, die Bundesregierung hat mit der Gesundheitsreform zur Umsetzung des Gesundheitsfonds
zum 1. Januar 2009 einen Beitragssatz von 15,5 Prozent
festgelegt. Die Bundesregierung beabsichtigt jetzt, leider
erst passgenau zwei Monate vor der Bundestagswahl
eine Absenkung des Beitrags um 0,6 Prozentpunkte
vorzunehmen. Vertreter der Bundesregierung haben zurückliegend darauf hingewiesen, dass es im Sinne von
konjunkturankurbelnden Maßnahmen wichtig wäre, den
Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, der nur von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Rentnerinnen und
Rentnern gezahlt wird, abzuschaffen.
Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung
dazu bewegt, von diesen Positionen, die insbesondere
Frau Gesundheitsministerin Schmidt vertreten hat, abzugehen und eine Absenkung vorzunehmen, von der nur
0,3 Prozentpunkte den Beitragszahlern - also den versicherten Rentnerinnen und Rentnern und Arbeitnehmern - und die übrigen 0,3 Prozentpunkte als besonderes Förderprogramm der Wirtschaft zugutekommen?
Das ist ganz einfach, Herr Abgeordneter. Das ist das
Moment der Kompromissfindung als konstitutives Element in einer Koalition innerhalb einer parlamentarischen Demokratie. So schlicht ist das.
Die SPD-Position war in der Tat, die Sonderbelastung
von 0,9 Prozent mit den von Ihnen dargestellten Verteilungseffekten abzusenken, aber - man muss nicht lange
drum herumreden - im Zusammenwirken der Gesamtkoalition ist dann das Ergebnis herausgekommen, den
Beitrag um 0,6 Prozentpunkte paritätisch abzusenken,
wovon Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und Rentnerinnen und Rentner profitieren. Das ist das Ergebnis eines politischen Entscheidungsprozesses.
Herr Schick.
Herr Minister, ich habe eine Frage zu der 36-MonatsRegelung, wozu es offensichtlich Gespräche zwischen
der EU-Kommission und der Bundesregierung gab.
Nach diesen Gesprächen - so die Medienberichterstattung - hat sich ein Mitglied des Leitungsausschusses des
SoFFin für eine Änderung dieser Regelung ausgesprochen. Mich interessiert, ob die Medienberichterstattung
richtig ist, dass Mitglieder des Leitungsausschusses des
SoFFin offensichtlich nicht über die Gespräche zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission
Bescheid wussten, und wie es dazu kommen konnte.
Diejenigen, die sich geäußert haben, wussten Bescheid. Wir versuchen heute, klarzustellen, dass wir das
Echo aus Brüssel als unvollständig empfunden haben.
Die Einigung, die wir mit Brüssel erzielt haben, lautet,
dass eine 36-monatige Laufzeit festgelegt wird oder aber
- jetzt kommt es; das ist gestern vom Sprecher der Brüsseler Kommission nicht deutlich gemacht worden und
hat zur Verwirrung beitragen -, es zu einer Verlängerung
im Zuge einer Einzelnotifizierung kommen kann. Das ist
gestern bei den Angaben aus Brüssel weggefallen und
hat zu diesen zugegebenermaßen nachvollziehbaren,
aber für viele Beteiligte verwirrenden Darstellungen geführt.
Es ist also im Zuge der Einzelnotifizierung eine Verlängerung möglich. Das ist das Ergebnis dessen, was wir
mit Brüssel erreicht haben.
Generell stellt sich die Frage im Hinblick auf das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz in laufenden Prüfungen, zu deren Ergebnissen ich allerdings erst Rede und
Antwort stehe, wenn sie abgeschlossen sind. Dabei geht
es darum, sich mit der Begrenzung des Cap im Hinblick
auf die Bereitstellung von Garantien und Kapitalinjektionen zu befassen. Das werden wir im Zusammenhang
mit der Frage tun, welche möglichen Nachjustierungen
das Finanzmarktstabilisierungsgesetz - auch im Hinblick auf die Arbeit des Leitungs- und des Lenkungsausschusses - erfahren muss. Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung, wenn die Überlegungen abgeschlossen sind.
Herr Romer, bitte.
Herr Minister, ich möchte den 100-Milliarden-EuroBürgschaftsrahmen ansprechen. Ich glaube, das ist eine
sehr wichtige Sache. Wie Sie wissen, gibt es in der Automobilindustrie schon seit Dezember letzten Jahres bzw.
Januar dieses Jahres Kurzarbeit oder verlängerte Ferien.
Das wirkt sich natürlich sehr stark auf die Zulieferer aus,
und zwar nicht nur auf die großen wie Bosch, sondern
vor allem auch auf die kleinen und mittelständischen Betriebe. Diese mussten sehr große finanzielle Vorleistungen erbringen, um Material, Werkzeuge und Maschinen
zu kaufen. Nun bricht ihnen die Einnahmeseite weg, teilweise um bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass diese Betriebe bei der Liquidität am Ende sind, insbesondere diejenigen, die in den letzten Jahren umgestellt oder
investiert haben und aufgrund dessen nur über eine sehr
dünne Kapitaldecke verfügen.
Nun ist es dringend notwendig, den betreffenden Betrieben schnell und rasch zu helfen. Vor Ort stelle ich immer wieder fest, dass dann, wenn die Hausbank eingeschaltet wird, die Frage gestellt wird: Wer übernimmt
das Risiko? - Es dauert viel zu lange, bis den Betrieben
Geld zur Verfügung gestellt wird, um die schwierige Zeit
zu überbrücken. Hier wäre dringend rasche Hilfe notwendig. Das notwendige Geld haben wir bereits zur Verfügung gestellt. Was schlagen Sie vor, damit das Ganze
schnell und rasch umgesetzt wird und die Betriebe wissen, an wen sie sich wenden müssen?
Erstens. Bei der Abwicklung der Programme gilt
zwingend das Hausbankenprinzip; anders geht es nicht.
Sonst werden die Landesbürgschaftsbanken und die
KfW nicht tätig sein können, weil sie sich dem Wettbewerbsprinzip unterwerfen würden.
Zweitens. Ich bitte um Nachsicht, aber die Probleme,
die gelegentlich in Einzelfällen auftauchen - ich komme
gleich auf die makroökonomische Ebene zu sprechen -,
sollten nicht leichtfertig und schnell den Aktivitäten der
Bürgschaftsbanken zugeordnet werden. Gelegentlich hat
das auch etwas mit den betreffenden Unternehmen zu
tun.
Ein Fachmann sagte mir neulich: Wenn die KfW bereit ist, bei den Bürgschaften ein Risiko von 90 Prozent
zu übernehmen, während von der Hausbank verlangt
wird, ein Risiko von 10 Prozent zu übernehmen, und
gleichzeitig wird verlangt, dass die Hausbanken vollständig entlastet werden müssen, dann muss man genau
wissen, was es bedeutet, ein Risiko zu 100 Prozent zu
übernehmen. Wenn es eine Sparkasse, eine Genossenschaftsbank oder eine private Geschäftsbank gibt, die
mit Blick auf eine solche Finanzierung von Betriebsmitteln oder Investitionen bei einem selber zu tragenden Risiko von 10 Prozent sagt: „Nein, das machen wir nicht“
- und zwar in Würdigung der Bonität oder des Geschäftsmodells des betreffenden Unternehmens -, dann
lautet die Antwort von vielen: Dann sollte der Bund erst
recht nicht 90 Prozent des Risikos über seine Einrichtungen übernehmen.
Die Abwägung muss vor Ort stattfinden. Denjenigen
Kreditinstituten, die an dem Bürgschaftsrahmen teilhaben wollen, bleibt die Prüfung der Anträge der betreffenden Unternehmen im Hinblick auf die Bonität nicht
erspart. Sie müssen genau prüfen, ob die Kredite zurückgezahlt werden können. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass wir in unseren öffentlichen Reden von den
Banken verlangen, sehr viel stärker auf die Bonität und
die Risiken zu achten. Wir müssen aufpassen, dass es
hier nicht zu Widersprüchen kommt.
Insgesamt versuchen wir, das Verfahren zu beschleunigen. Mein Eindruck ist, dass das 15-Milliarden-EuroProgramm der KfW für den Mittelstand - das haben Sie
angesprochen - sehr gut angenommen worden ist. Herr
Schröder, der Vorstandsvorsitzende der KfW, hat uns
mitgeteilt, dass relativ schnell erhebliche Summen in
Anspruch genommen worden sind. Der Zufall will es,
dass BMF und BMWi heute auf Ministerebene Kontakt
hatten und darüber beraten, wie der auf 100 Milliarden
Euro aufgestockte Bürgschaftsrahmen schnell zu mobilisieren ist, und zwar im Hinblick auf die Kreditversorgung nicht nur kleiner und mittlerer, sondern auch
größerer Unternehmen. Dafür müssen aber gewisse
Strukturen geschaffen werden. Ich sage Ihnen freimütig:
Eben mal die Deckung des Kreditbedarfs eines größeren
deutschen Unternehmens mitzufinanzieren, ist nicht
Sinn des Bürgschaftsrahmens.
Ohne auf einzelne Firmennamen eingehen zu wollen,
sage ich Ihnen, dass offenbar einige große Unternehmen
den Eindruck haben, dass sie sehr schnell mit 10, 11, 12,
13, 14 oder 15 Milliarden Euro unter den Schirm dieses
100-Milliarden-Euro-Bürgschaftsrahmen kommen. Das
wird zu prüfen sein, und zwar unter dem Gesichtspunkt
der Interessenlage des Haushalts und des Steuerzahlers.
({0})
Ich nehme Sie gern wieder auf die Liste, aber ich
fürchte, wir sind schon über die Zeit. Ich möchte noch
einige Fragen zulassen, aber nicht mehr alle.
Herr Thiele ist jetzt an der Reihe.
Herr Minister, jeder Bürger weiß, dass eine Schuld
erst dann getilgt ist, wenn sie nicht mehr besteht. Bei einer Umschuldung werden alte Kredite durch neue ersetzt. Können Sie vor diesem Hintergrund die Aussage
der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundesaußenministers und SPD-Kanzlerkandidaten FrankWalter Steinmeier bestätigen, dass der Erblastentilgungsfonds getilgt sei, oder ist nicht der größere Teil
umgeschuldet worden?
Beides ist richtig.
({0})
Ihr Hinweis darauf, dass ein großer Teil von meinem
Vorgänger auf den Bundeshaushalt transferiert worden
ist, ist richtig, und der Hinweis von Herrn Steinmeier
und der Bundeskanzlerin, wonach über die Tilgungsregelung und die Inanspruchnahme des Bundesbankgewinnes um die 35 Milliarden Euro - nach meiner Wahrnehmung, getilgt worden sind - ist ebenfalls richtig. Das
ist, wie ich finde, ein völlig zutreffender Vergleich mit
dem jetzt eingerichteten Fonds von knapp 21 Milliarden
Euro. Die Hinweise der Kanzlerin und des Außenministers, dass wir mit solchen Mechanismen durchaus gute
Chancen haben, in relativ kurzer Zeit über die Tilgungsregelung, die ich Ihnen vorhin genannt habe, und mittels
Inanspruchnahme - in bestimmten Grenzen - des Bundesbankgewinnes diesen Fonds zu tilgen, sind völlig
korrekt. Dies ist zutreffend.
Dass darüber hinaus auch UMTS-Lizenzeinnahmen
zur Tilgung des Erblastentilgungsfonds verwandt worden sind, will ich der Vollständigkeit halber hinzufügen,
damit kein falscher Eindruck vermittelt wird. Im Übrigen betrug das Volumen des Erblastentilgungsfonds
nach meinem Wissen 171 Milliarden Euro. Wir reden
jetzt über ein Sondervermögen bzw. einen Investitionsund Tilgungsfonds von 21 Milliarden Euro. 35 Milliarden Euro des Erblastentilgungsfonds sind über die Bundesbankgewinne getilgt worden. Das sind 14 Milliarden
Euro mehr, als das Volumen des jetzigen Fonds beträgt.
Insofern sehe ich keinen Widerspruch zu den Aussagen
der Kanzlerin und des Außenministers.
({1})
- Nein, das ist absolut zutreffend.
Frau Dr. Höll.
Herr Bundesfinanzminister, es ist in der Politik
manchmal schwierig, nicht zynisch zu werden. In Zeiten, in denen die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik gut war, waren Sie für eine Sozialpolitik und
eine fehlende Arbeitsmarktpolitik verantwortlich, die
dazu geführt hat, dass Kommunen oftmals kein Geld
hatten, ihre Kitas zu pflegen und Schulen zu sanieren.
Alleine meine Heimatstadt Leipzig hat einen Sanierungsstau von mindestens 200 Millionen Euro. Jetzt, da
die Zeit schlecht ist, bekennt sich der Bund richtigerweise zu seiner Verantwortung und will Geld in die
Hand nehmen, damit in den Kommunen tatsächlich etwas getan werden kann. Also sind uns die Kinder und
die Bildung erst jetzt wichtig. Das finde ich schon katastrophal.
Wie wollen Sie jetzt sicherstellen, dass das Geld dort
tatsächlich eingesetzt wird? Sie sprachen vorhin, als Sie
auf eine Frage antworteten, von der KfW. Jetzt wird
Geld ausgegeben, um in Zeitungen zu annoncieren, dass
die KfW Kredite vergibt. Ich dachte, das weiß man innerhalb der Bundesrepublik. Wie stellen sich die Möglichkeiten konkret dar? Wird es erhöhte Zinsen für eine
Kommune bedeuten, wenn sie eine Stundung beantragt,
oder nicht?
Sie sagten des Weiteren, Sie seien für schnelle konjunkturelle Impulse. Warum werden dann die konjunkturellen Maßnahmen erst zum 1. Juli wirksam? Das betrifft
die Senkung des Krankenversicherungsbeitrags. Hoffen
Sie, dass die Menschen, beispielsweise diejenigen, die in
Sachsen bei der AOK versichert sind, vergessen, dass sie
ab 1. Januar 3 Prozent mehr zahlen müssen, und dass sie
die Beitragssenkung als große Entlastung wahrnehmen?
Dann habe ich noch eine Frage.
({0})
- Das ist wirklich ein wichtiges Problem. - Sie schlagen
vor, dass die Regelsätze für die Kinder von Hartz-IVEmpfängern, die zwischen 6 und 13 Jahre alt sind, angehoben werden sollen. Warum nur für diese Kinder, und
warum nicht für alle?
Das war eine lange Frage mit einer Reihe von Unterstellungen und viel Stoff, auf den ich jetzt eingehen soll.
Erstens. Ich teile Ihre Grundeinschätzung nicht, auch
nicht mit Blick auf das, was Sie beklagen bezogen auf das
Volumen von Sozialmaßnahmen, die aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. In diesem Bundeshaushalt
werden von einem eingenommenen Steuereuro ungefähr
70 Cent für Sozialpolitik ausgegeben. Das widerspricht
fundamental Ihrer Einschätzung, dass dieser Bundeshaushalt das ausstrahlt, was Sie hier immer unterstellen,
nämlich soziale Kälte. Anders als Sie habe ich eher die
Befürchtung, dass der Bundeshaushalt auf der investiven
Seite in eine Schieflage kommt. Wir müssen gelegentlich
lernen, dass wir erst einmal etwas erwirtschaften müssen,
ehe wir es verteilen können. Da sind wir wahrscheinlich
in einem ziemlichen Dissens.
Zweitens. Ich teile Ihre Einschätzung der Finanzentwicklung und Finanzausstattung der Kommunen nicht.
Nicht zuletzt mit Unterstützung dieses Hauses sind erhebliche Beiträge geleistet worden, um die Finanzausstattung
der Kommunen zu verbessern. Die Kommunen haben im
letzten Jahr - wenn ich Sie daran erinnern darf - einen
Rekordüberschuss gehabt. Sie werden in diesem Jahr
trotz der obwaltenden Bedingungen 2008 wahrscheinlich
noch einmal einen größeren Überschuss haben, vermutlich in einer Dimension von 7 bis 8 Milliarden Euro. Insofern stimmt Ihre Annahme nicht, dass es den Kommunen - auch wegen der Politik der Bundesregierung - sehr
viel schlechter gegangen ist; vielmehr ist es ihnen sehr
viel besser gegangen. Ich gebe zu, dass die Divergenz
zwischen finanzschwachen und finanzstarken Kommunen sich dabei weiter aufgefächert hat. Das heißt, die Verteilung innerhalb der kommunalen Familie ist nach wie
vor ein Problem. Aber ansonsten haben sich die Ausgangsbedingungen für die Kommunen, das zu finanzieren, was Sie - teilweise auch ich - für nötig halten, durchaus verbessert.
Sie haben in Ihrer Fragestellung auf die Einführung
einer neuen Stufe des Regelsatzes bei Hartz-IV-Kindern
zwischen 6 und 13 abgehoben - dies geht auf Berechnungen des zuständigen Bundesarbeitsministeriums zurück -; die Berechnungen für diejenigen, die zwischen
0 und 6 bzw. zwischen 14 und 18 Jahre alt sind, sind
durchaus legal. Die nächste sogenannte EVS, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, ist abzuwarten;
sie ist für die Festsetzung der Regelsätze maßgeblich.
Fragen Sie mich nicht, wann die Ergebnisse vorliegen.
Wie mir der Parlamentarische Staatssekretär Thönnes
zuruft, wird dies 2010 sein.
Sie haben zwei weitere Fragen gestellt, die mir nicht
erinnerlich sind. Könnten Sie sie wiederholen?
Bitte schön, Frau Höll. Erinnerung ist möglich.
Ich habe nach konkreten Finanzierungsbedingungen
für Kommunen gefragt, wenn sie zum Beispiel die Möglichkeit einer Stundung bei der KfW in Anspruch nehmen.
Außerdem habe ich gefragt, warum konjunkturelle
Maßnahmen wie die Senkung des Krankenkassenbeitrages erst ab dem 1. Juli gelten sollen; schließlich sind Sie
für schnelle konjunkturelle Impulse. Warum wollen Sie
- wir sind jetzt im Januar - bis Juli warten?
Herr Minister.
Eine Teilantwort auf Ihre erste Frage ist in dem enthalten, was ich der Kollegin Haßelmann gesagt habe.
Wir sind bereit, dafür zu sorgen, dass die KfW den Kofinanzierungsanteil von finanzschwachen Kommunen
übernimmt - unter Stundung von Tilgung und Zinsen.
Wir erwarten allerdings gleichzeitig, dass das Modell
Rheinland-Pfalz in denjenigen Ländern kopiert wird, in
denen man bereit ist, den Kofinanzierungsanteil für finanzschwache Kommunen zu übernehmen. Wir alle
können darauf dringen - auch Sie als Bundestagsabgeordnete -, dass dies in den Ländern gemacht wird. Ich
halte das für eine richtige Maßnahme.
Meine Antwort auf Ihre andere Frage lautet: Wir haben versucht, ein Datum zu wählen, das - sowohl mit
Blick auf die Steuersenkungen als auch mit Blick auf die
Rentenerhöhungen als auch mit Blick auf günstigere
Krankenversicherungsbeiträge am 1. Juli - dazu beiträgt,
dass das Ganze als Gesamtpaket wahrgenommen wird.
Der Kinderbonus wird wahrscheinlich schon vorher ausgezahlt werden können, wenn Bundestag und Bundesrat
die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben.
Es ging darum, in einem - wenn Sie so wollen - Aplomb
dazu beizutragen, dass es einen Nachfrageimpuls gibt,
den die Leute spürbar wahrnehmen können.
Die Letzte in dieser Fragerunde ist die Kollegin
Haßelmann.
Vielen Dank. - Herr Steinbrück, ich will gleich nachfragen. Wenn das Modell Rheinland-Pfalz so toll ist und
wirklich sichert, dass das Geld bei den Kommunen ankommt, warum legen wir, der Bund, das dann nicht fest?
Schließlich sind wir diejenigen, die das Geld für Investitionen zur Verfügung stellen: über 10 Milliarden Euro.
Da könnten wir doch sagen: Wir erwarten von den Ländern, dass sie mittragen, dass analog zum Modell Rheinland-Pfalz - es ist mir jetzt im Detail nicht präsent; aber
es muss seinen Grund haben, dass Sie es so loben - vorgegangen wird. Oder glauben Sie, dass wir über die Verwaltungsverfahren detailliert regeln könnten, dass sich
die Zuweisung zum Beispiel an Parametern wie „Anzahl
der Einwohnerinnen und Einwohner“, „Kreditrahmen in
einer Kommune“ etc. orientiert? Alle diese Parameter
könnte der Bund doch festlegen, ohne in eine Debatte zu
geraten, wie Sie sie vorhin angesprochen haben, nämlich
nach dem Motto: Sind die Kommunen abgeleitete
Instanz der Länder? Können wir als Bund direkt zugreifen? - Wir könnten bestimmte Sachen gesetzlich festlegen. Beabsichtigen Sie, das im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch zu tun, oder sagen Sie: „Das
überlassen wir völlig den Ländern; wir geben nur das
Geld, und den Rest regeln die Länder“?
Mein letzter Punkt in dem Kontext: Beabsichtigen
Sie, gesetzlich festzuschreiben, dass die Länder, wenn
sie die Mittel nicht zweckgebunden vergeben, die Zuschüsse an den Bund zurückzahlen müssen?
Letzteres ist Bestandteil des Abrechnungsmodus, mit
dem das aber erst ex post festgestellt wird. Das stimmt
mit unserem Bemühen überein, jetzt so unbürokratisch
und schnell wie möglich - um es umgangssprachlich
auszudrücken - Zug in den Kamin zu bekommen. Da gerät man in einen Spagat. Will man das so unbürokratisch
wie möglich in Gang setzen, damit das in der aktuellen
Konjunktursituation wirkt, oder zieht man außer Hosenträgern, Gürtel und Sockenhaltern noch Korsettstangen
ein? Bürokratische und verfahrensleitende Auflagen machen es natürlich schwerer. Wir entscheiden uns so, dass
es so schnell wie möglich wirkt.
Ihre erste Frage, Frau Haßelmann, beantwortet sich
verfassungsrechtlich. Der Bund ist nicht in der verfassungsrechtlichen Position, den Ländern bezüglich der
Behandlung der Kommunen Vorschriften machen zu
können, weil der Bund die kommunalaufsichtliche Zuständigkeit der Länder nicht überregeln kann. Das heißt,
das müssen die Länder selbst entscheiden.
Dass man das kontrollieren kann, dass insbesondere in
der Verwaltungsvereinbarung bestimmte Verfahren vorgesehen sind, dass es den Abrechnungsmodus gibt, dass
sich die Länder durch entsprechende Hinweise auch
selbst gebunden haben, dass es beim Volumen insbesondere über den Verteilungsschlüssel von 70 : 30 - 70 Prozent des Volumens soll den Kommunen zugutekommen -, wenn man so will, Leitplanken gibt, will ich nur
wiederholen.
Im Übrigen: Die Länder werden einer Extrembeobachtung ausgesetzt sein, nämlich durch die Kommunen,
durch den Bund und, wie ich glaube, auch durch die Öffentlichkeit, nämlich mit Blick darauf, dass wirklich das
Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllt wird, dass die Gelder
an die Kommunen weitergereicht werden und dass vor
allem finanzschwache Kommunen nicht buchstäblich
schlechtergestellt werden als finanzstärkere Kommunen.
Insofern glaube ich, dass es genügend Hinweise dafür
gibt, dass die Zweckbestimmungen eingehalten werden
und die kommunale Investitionstätigkeit auch finanzschwacher Kommunen in Gang gesetzt werden kann.
Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Vielen Dank, Herr Minister.
({0})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 16/11715 Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Einige Fragen werden schriftlich beantwortet, nämlich aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie die Frage 1 von Herrn
Fell, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
die beiden Fragen der Kollegin Tackmann - das sind die
Fragen 2 und 3 -, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit die beiden Fragen des Kollegen Terpe; das sind die Fragen 4 und 5.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Rainder Steenblock
auf:
Wie gestaltet sich der Fortgang der EU-Beobachtermission in Georgien, die inhaltliche wie auch zeitliche und strategische Ausrichtung des Mandats sowie die politische Situation vor Ort in Georgien und speziell in Südossetien?
Ich bitte Herrn Gloser um Beantwortung der Frage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege
Steenblock, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten:
Die Lage in Georgien, insbesondere in den Gebieten
um die Verwaltungsgrenzen zwischen Südossetien, Abchasien und dem übrigen Georgien ist ruhig, aber nicht
stabil.
Der bisherige Verlauf der EU-Beobachter-Mission ist
ein Erfolg für die Europäische Union; denn die russischen Truppen haben sich aus den an die abtrünnigen
Gebiete grenzenden sogenannten Pufferzonen zurückgezogen. Diejenigen, die aus diesen Zonen geflüchtet sind,
sind dorthin zurückgekehrt. Die volle Erfüllung des
Mandats wird allerdings erschwert durch den fehlenden
Zugang zu Abchasien und Südossetien sowie den Mangel an Gesprächskanälen mit Russland vor Ort. Die Mission bemüht sich weiterhin, vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen zu entwickeln.
Über die weitere mögliche inhaltliche und zeitliche
Ausrichtung des Mandats wird insbesondere im Lichte
der bevorstehenden Genfer Gespräche und der Entwicklungen bei den anderen internationalen Präsenzen in Georgien zu beraten sein.
Die politische Lage in Georgien ist nach zwei kurzfristigen Kabinettsumbildungen im Oktober und Dezember
2008 weitgehend unverändert. Trotz deutlicher Kritik aus
Oppositions-, aber auch aus den eigenen Reihen an Präsident Michail Saakaschwili deutet sich auf Regierungsseite kein Wechsel an. Forderungen nach Neuwahlen, wie
sie unter anderem von der früheren Parlamentspräsidentin und jetzigen Vorsitzenden einer Oppositionspartei,
Nino Burdschanadse, erhoben werden, finden nach wie
vor wenig Widerhall.
Die De-facto-Regime Südossetien und Abchasien sowie Russland haben am 16. Dezember 2008, wie bereits
im Freundschaftsvertrag zwischen Russland und den
Regimen vom 17. September 2008 vereinbart, formell
sogenannte diplomatische Beziehungen mit Russland
aufgenommen und „Botschafter“ ausgetauscht. Der russischen Anerkennung Südossetiens und Abchasiens
folgte bislang nur Nicaragua.
Über die politischen Entwicklungen innerhalb des
südossetischen De-facto-Regimes und dessen Verhältnis
zu Russland liegen der Bundesregierung derzeit keine
verlässlichen Informationen vor.
Priorität hat für uns, alle Prozesse, die der Konfliktbewältigung und nachhaltigen Stabilisierung der Region
dienen, zu unterstützen. Vorrangig gilt es dabei derzeit,
eine internationale Präsenz in ganz Georgien herzustellen und, wo vorhanden, nach Möglichkeit zu stärken.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Steenblock? - Bitte
schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister,
ich habe gehört, dass mittlerweile auch die Hamas Abchasien anerkannt hat; aber das gehört nicht zum Inhalt
meiner Frage.
Nachdem Sie gesagt haben, dass die Schwierigkeit
darin liegt, dass die Beobachtermission der EU nicht Zugang zu ganz Georgien hat, möchte ich Sie fragen, wie
sich denn die Zusammenarbeit mit den anderen internationalen Strukturen dort darstellt. Es gibt ja das
UNOMIG-Mandat, das bis zum 15. Februar verlängert
worden ist. Es gibt die im Grunde genommen ausgesetzte OSZE-Mission. Hier stellt sich die Frage, wie
diese weitergeht, weil deren Mitglieder ja noch vor Ort
sind. Dann gibt es die Initiative des Europarates. Der
Menschenrechtskommissar Herr Hammarberg ist meines
Wissens der einzige europäische Vertreter, der sowohl
nach Südossetien als auch nach Abchasien reisen kann
und mit den Russen und den Georgiern im Gespräch ist.
Wie gestaltet sich also die Zusammenarbeit mit den Vertretern dieser drei Organisationen - UNOMIG, OSZE
und Europarat - vor Ort? Welche Interessen vertritt insbesondere die Bundesrepublik zur Förderung dieser Zusammenarbeit?
In der Tat war es von Anfang an wichtig, dass eine
Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen erfolgt.
Ich kann Ihnen zunächst einmal sagen, dass gerade
zwischen der EU-Beobachtermission, die ja nur die
Grenzgebiete umfasst, und UNOMIG ein sehr intensiver
Austausch stattfindet.
Des Weiteren ist zu sagen: Wir alle wissen, dass das
Mandat der OSZE-Mission aufgrund des Vetos der Russen nicht verlängert worden ist. Diese Mission befindet
sich sozusagen in einer Auslaufphase. Griechenland, das
derzeit den OSZE-Vorsitz innehat, versucht ja gerade,
ein neues Mandat zu schaffen. Darüber finden intensive
Gespräche, auch mit Russland, statt, allerdings bisher
ohne Erfolg.
Aus unserer Sicht kann ich also feststellen, dass es bezüglich der Zusammenarbeit mit den von Ihnen genannten Institutionen keine Reibungsverluste gibt.
Sie haben eine weitere Frage. - Bitte, Herr
Steenblock.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister,
ich höre, dass sich die Situation in den Grenzregionen
doch deutlich verschärft hat, dass es immer wieder zu
bewaffneten - nicht unbedingt militärischen - Auseinandersetzungen kommt, die von Banden oder Kriminellen
auf beiden Seiten - insgesamt ist die Lage wohl sehr instabil - angezettelt werden, dass außerdem die Russen
den Checkpoint Perewi wieder besetzt haben, ohne, wie
eigentlich abgesprochen, das mit der EU-Beobachtermission zu besprechen, und dass die EU-Beobachtermission dort durch die Russen in ihrer Arbeit behindert
wird. All das deutet ja eher darauf hin, dass das Konfrontationspotenzial zunimmt, als darauf, dass sich die Situation dort entspannt. Teilt das Auswärtige Amt die Einschätzung, dass es zu neuer Eskalation insbesondere auf
der Ebene der unkontrollierten, zum Teil aber auch von
Russland unterstützten bewaffneten Bewegungen in dieser Region gerade von Südossetien aus kommt?
Herr Kollege Steenblock, ich gebe Ihnen natürlich
recht, dass es bei der von Ihnen genannten Grenzstation
in der Tat zu Problemen gekommen ist, vor allem deswegen, weil ja zunächst ein Rückzug stattgefunden hat und
es dann ohne Ankündigung wieder zu einer Besetzung
gekommen ist.
Weiterhin sollte man aber sehen, dass man einerseits
bei den Gesprächen in Genf einen Modus gefunden hat,
natürlich nicht mit den Erfolgen, mit denen wir vielleicht
gerechnet haben, und dass es andererseits auch kleine
Schritte gibt, die zwar noch keine Normalisierung darstellen, aber die man auch bewerten muss. Dazu gehört
beispielsweise, dass die Gasversorgung nach der Reparatur der Pipeline in Georgien unter anderem für Südossetien wieder möglich ist. Das ist, wie gesagt, ein kleiner
Schritt. Ich will das weder überdramatisieren noch herunterspielen. Jedenfalls sind wir nicht dort, wo wir eigentlich hinwollten. Aber wir müssen die Chance gerade
der Genfer Gespräche nutzen, um zum einen Verschiedenes, unter anderem die Flüchtlingsrückkehr, zu klären
und zum anderen Stabilität in den Zonen, wie Sie es beschrieben haben, herbeizuführen.
Herr Sarrazin, bitte schön.
Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, in den europäisch-russischen Beziehungen, aber auch für die georgische Seite ist die Frage, wie es zum Ausbruch des
Krieges kommen konnte, immer noch von großer Bedeutung und Gegenstand vieler Gespräche und Debatten.
Darum frage ich Sie nach dem aktuellen Stand der Untersuchung der auslösenden Momente des Krieges durch
die unabhängige Kommission.
Sie wissen, dass wir diese Untersuchung im Europäischen Rat, auch auf Initiative Deutschlands und mit Unterstützung anderer EU-Mitgliedstaaten, beschlossen haben. Sie wird von einer Schweizer Diplomatin geleitet.
Alle betroffenen Institutionen sind sich klar darüber,
dass wir keinen Einfluss auf die Untersuchungskommission nehmen wollen. Konkret sagen lässt sich lediglich,
dass als Perspektive angestrebt wird, dass der Untersuchungsbericht im Sommer vorliegt. Das heißt, weder
die EU noch andere Institutionen, zum Beispiel OSZE,
Europarat oder UN, nehmen Einfluss in der Form, dass
zum Beispiel Zwischenberichte gefordert werden. Ich
bitte um Verständnis, dass wir der Kommission die Zeit
geben. Im Sommer werden wir dann möglicherweise einen Bericht über die Ursachen erhalten.
Herzlichen Dank.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 7 des
Kollegen Seifert wird schriftlich beantwortet. Die
Fragen 8 und 9 des Kollegen Ulrich sind zurückgezogen
worden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Ich rufe die Fragen 10 und 11 des Kollegen Hofreiter
auf:
Warum wird - wie aus den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf den Bundestagsdrucksachen 16/10577 und 16/11521
ersichtlich - Kostensteigerungen bei Bundesfernstraßenbauprojekten seitens der zuständigen Ministerien in der Regel immer zugestimmt, oder welche Fälle von Nichtzustimmung zu
Kostensteigerungen bei Bundesfernstraßenbauprojekten sind
der Bundesregierung bekannt?
Wie ist die Antwort der Bundesregierung „Die regelmäßige Analyse der Investitionsaufwendungen zeigt - bis auf die
Steigerungen der Baukosten auf Grund der Baupreisentwicklungen - seit Jahren keine signifikanten Veränderungen der
jeweils verausgabten Kosten“ ({0}) vor dem Hintergrund zu verstehen,
dass beispielsweise allein bei 210 Bundesfernstraßenbauprojekten des aktuellen Bedarfsplans Kostensteigerungen von
über 15 Prozent - in der Summe entspricht das 4 558 Millionen Euro - und bei 18 Bundesfernstraßenbauprojekten des
aktuellen Bedarfsplans Kostensteigerungen von mindestens
100 Prozent aufgetreten sind - in der Summe entspricht das
395 Millionen Euro -, und warum wurde nicht einmal beim
„Ausreißer“ hinsichtlich der relativen Kostenüberschreitung
- Bundesautobahn 66, Fulda-Süd-Autobahndreieck Fulda,
Kostenüberschreitung von 720 Prozent - eingeschritten?
Ich gebe dem Kollegen Achim Großmann als Parlamentarischem Staatssekretär das Wort zur Beantwortung
der Fragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da die Fragen inhaltlich zusammenhängen, möchte ich sie gemeinsam
beantworten.
Die Aussage „Die regelmäßige Analyse der Investitionsaufwendungen zeigt … seit Jahren keine signifikanten Veränderungen der jeweils verausgabten Kosten“ bezog sich auf einen Vergleich der jeweils verausgabten
Kosten. Zur Beantwortung wurden für die Jahre 2003,
2005 und 2007 analysierte Kostenaufwendungen für
Bundesfernstraßen herangezogen. Deshalb muss ich
jetzt, Herr Kollege, ein bisschen ins Detail gehen.
Durchschnittskosten von realisierten, im Bau befindlichen oder geplanten Bundesfernstraßenprojekten für
den zweistreifigen Neubau pro Kilometer lagen 2003 bei
3,8 Millionen Euro, 2005 bei 4,0 Millionen Euro und
2007 bei 3,9 Millionen Euro. Für den vierstreifigen Neubau lagen sie 2003 bei 7,9 Millionen Euro, 2005 bei
8,3 Millionen Euro und 2007 bei 8,2 Millionen Euro.
Für die sechsstreifige Erweiterung lagen sie 2003 bei
7,2 Millionen Euro, 2005 bei 7,4 Millionen Euro und
2007 bei 7,2 Millionen Euro. Daher ist die Aussage, dass
im Durchschnitt grundsätzlich keine signifikanten Veränderungen der jeweils verausgabten Kosten erkennbar
sind, hier nochmals zu bestätigen.
Es trifft allerdings zu, dass in Einzelfällen wesentlich
höhere Kosten, als der Baupreisentwicklung geschuldet,
auftreten. Dies hat im Wesentlichen folgende Gründe: In
den Bedarfsplan wurden neben detailliert geplanten Projekten, für die genehmigte Entwürfe vorlagen oder die
sich bereits im Baurechtsverfahren befanden, auch Projekte in sehr frühen Planungsstadien aufgenommen. Für
diese fast noch virtuellen Maßnahmen gibt es natürlich
keine genauen Kostenabschätzungen. Man zieht hier Erfahrungswerte ähnlich gelagerter und realisierter Projekte heran. Erst im weiteren Verlauf der Planungen,
wenn die verschiedenen Varianten untersucht wurden,
die Trassierung erfolgt ist und damit die Länge und der
Querschnitt sowie die erforderlichen Bauwerke festliegen, sind projektspezifische Besonderheiten erkennbar,
die dann zu anderen Kosten als den ursprünglich angenommen führen können.
Höhere Kosten sind vielfach durch spezifische örtliche Anforderungen bedingt, die zu Planungsänderungen
führen. Hierzu zählen unter anderem Anforderungen des
Umwelt- und Lärmschutzes. Das sind zum Beispiel längere Brücken, zusätzliche Tunnelbauwerke, längere und/
oder höhere Lärmschutzeinrichtungen, andere Streckenführungen zur Umfahrung neu festgelegter Schutzgebiete, verbunden mit einer veränderten Gradientenführung, die unter anderem zu erheblichem Mehrbedarf an
Bodenbewegungen führt.
Weitere Gründe für Planungsänderungen sind: Erst
bei der Bauausführung kann ein Mehraufwand aufgrund
von schlechteren Bodenverhältnissen festgestellt werden. Oder: Bei der vorgesehenen Autobahnerweiterung
war nur der Anbau zusätzlicher Fahrstreifen geplant,
aber bei der Aufstellung des Bauentwurfs musste festgestellt werden, dass auch die vorhandenen Fahrbahnen
grundhaft erneuert werden müssen. Oder: die Umsetzung höherer Sicherheitsanforderungen in Tunneln gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie. Sie wissen, dass
gerade die Tunnelrichtlinien in den letzten Jahren immer
weiterentwickelt worden sind.
Ergeben sich im Rahmen der Projektplanung solche
wesentlichen Planungsänderungen und damit verbunden
höhere Kosten, so werden diese in der Regel im bilateralen Gespräch zwischen Bund und Land vorabgestimmt.
Bei Kostensteigerungen, die nicht nachvollziehbar sind,
werden zusätzliche Begründungen von den Ländern gefordert. Gegebenenfalls werden die Länder aufgefordert,
kostengünstigere Alternativen zu wählen. Erst bei plausiblen Nachweisen und wenn sinnvolle Alternativen
nicht existieren werden die Projekte mit den ermittelten
Kosten in den Bundeshaushalt, in den Straßenbauplan,
eingestellt. Soweit die Planungsänderungen plausibel,
nachvollziehbar und begründet dargestellt sind, erfolgt
bei einer wesentlichen Kostenerhöhung eine Überprüfung des ursprünglich ermittelten Nutzen/Kosten-Verhältnisses, um nachzuweisen, ob die Bauwürdigkeit und
Wirtschaftlichkeit der Maßnahme weiterhin gegebenen
ist.
Die Antwort auf die Frage 3 in der von Ihnen genannten Kleinen Anfrage zum Kostenanstieg von Projekten
war auf den Vergleich zwischen den Kosten zum Zeitpunkt der Bedarfsplanaufstellung und den genehmigten
Kosten bezogen. Hieraus kann somit nicht für alle Fälle
die tatsächliche Kostensteigerung abgeleitet werden. Bei
40 von den 214 genannten Projekten waren nicht die Gesamtkosten zum Zeitpunkt der Bedarfsplanaufstellung,
sondern die im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen
genannten Kosten ab dem Jahr 2003 aufgeführt. Somit
waren bei diesen Projekten bereits Finanzmittel in Höhe
von rund 800 Millionen Euro verausgabt. Das genannte
Volumen der Kostensteigerungen in Höhe von 4,6 Milliarden Euro reduziert sich daher um diese 800 Millionen Euro auf 3,8 Milliarden Euro.
Zu diesen Projekten mit Ausgaben vor 2003 gehört
auch das Vorhaben Autobahn A 66, Fulda-Süd-Fulda.
Die genehmigten Gesamtkosten betragen 41 Millionen Euro. Im Bedarfsplan stehen aber nur 5 Millionen Euro, weil vor 2003 bereits 35 Millionen Euro
verausgabt wurden. Die Kostensteigerung beträgt also
nicht 36 Millionen Euro, sondern nur 1 Million Euro;
das sind nur 2 Prozent und nicht 720 Prozent, wie Sie in
Ihrer Pressemitteilung uns glauben machen wollten.
Herr Hofreiter, Ihre Zusatzfragen.
Vorab will ich sagen: Die 36 Millionen Euro waren in
der Antwort Ihres Ministeriums auf unsere Frage enthalten. Wir haben nur eine Umrechnung in Prozent vorgenommen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann trifft die
Aussage des bayerischen Innenministeriums zu, dass die
Berechnung des Bundesverkehrsministeriums völlig
falsch ist. Ist es korrekt, dass es einen systematischen
Fehler Ihrerseits gab, den Sie bei der Beantwortung der
Frage zugegeben haben?
Ich will Ihre Frage etwas differenzierter beantworten,
Herr Kollege Hofreiter. Ihre Frage haben wir genau beantwortet; denn Sie haben nach den eingestellten Kosten
im Bedarfsplan gefragt. Trotzdem habe ich mich darüber
geärgert, dass wir nicht ungefragt darauf hingewiesen
haben, dass schon vorher Mittel verausgabt worden sind.
Ich kann also die Reaktion der Bayern verstehen.
Sie haben eine weitere Nachfrage, Herr Hofreiter.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe noch eine
Frage zu dem, was Sie vorher geantwortet haben. Wie
oft kommt es denn vor, dass die Kostensteigerungen
nicht plausibel dargelegt werden konnten und die Länder
dann umplanen mussten?
Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen.
Aber ich bin sehr oft damit konfrontiert, dass Abgeordnete, Bürgermeister, Landräte, die Auftragsverwaltung
der Länder sowie Verkehrsminister und Staatssekretäre
der Länder mit mir über solche Projekte sprechen wollen
und wir hin und wieder Wünschen, die vorgetragen werden, einen Riegel vorschieben müssen, weil die vorgeschlagenen Varianten aus unserer Sicht wirtschaftlich
nicht realisierbar sind. Das passiert in Einzelfällen immer wieder. Wie hoch die Gesamtzahl ist, kann ich Ihnen, wie gesagt, aus dem Stegreif nicht beantworten.
Herr Hofreiter, Ihre dritte Nachfrage.
Ich habe nicht danach gefragt, wer etwas vorschlägt.
Sie haben ja davon gesprochen, dass die Höhe der Kosten erst einmal geschätzt wird, weil man sich in einem
sehr frühen Stadium befindet; Sie haben es „virtuelle
Projekte“ genannt. Dann wird die Planung exakter.
Wenn die Planung exakt ist, stellt man ab und zu fest,
dass die Kosten stark nach oben gehen. Es ist ja nicht
irgendjemand - ein Landrat oder ein Bürgermeister -,
der die Planungen durchführt, sondern die Auftragsverwaltung.
Meine Frage lautet: Wie oft weist das Bundesverkehrsministerium die Planung an die Auftragsverwaltung zurück und sagt: „Bitte neu planen!“, weil die Kostensteigerungen nicht plausibel dargelegt werden
konnten? Es geht mir also nicht um theoretische Dinge
oder um den Fall, dass mit Bürgermeistern gesprochen
wird, sondern ganz konkret um die Beziehung zwischen
Auftragsverwaltung und Verkehrsministerium.
Herr Kollege Hofreiter, wenn Bürgermeister kommen, geht es um ganz konkrete Varianten: Die Auftragsverwaltung hat zum Beispiel eine bestimmte Variante
vorgeschlagen, und aus der Region kommt die Bitte,
eine andere Variante zu wählen, deren Kosten unter Umständen höher sind. - Das ist der eine Fall.
Natürlich gibt es auch den Fall - das passiert auf Arbeitsebene; deshalb müssen wir den „Gesehen“-Vermerk
aufbringen -, dass in Fachgesprächen zum Beispiel gesagt wird: „Wir müssen an den technischen Bauwerken
sparen“ oder: „Wir müssen die Anbindung an eine andere Straße unterlassen.“ Es gibt oft den Wunsch, mehr
Straßen anzubinden. Das gehört in den Zusammenhang
der Überführung und Unterführung von Wirtschaftswegen; Sie kennen das. In vielen Details spricht der Bund
bzw. unsere Verwaltung mit der jeweiligen Auftragsverwaltung und kümmert sich um die wirtschaftlichste
Durchführung eines Projektes. Dabei haben wir gute Ergebnisse erzielt.
Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Hofreiter? Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sie weichen der
Frage aus, Herr Großmann. Es geht mir nicht um den
normalen Arbeitsprozess. Ich versuche vielmehr, zu klären, wie genau die Kontrolle der Auftragsverwaltung
durch das Bundesverkehrsministerium funktioniert, vor
dem Hintergrund, dass es im Vergleich zur Vorplanung
eine Kostensteigerung geben kann.
Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie genau diese
Kontrolle stattfindet, frage ich, wie oft, nachdem die Planung der Auftragsverwaltung beim Bundesverkehrsministerium eingereicht wurde, zum Beispiel Folgendes
vorkommt: Bei der Vorabplanung wusste man nicht,
dass es ein sehr schwieriges geologisches Problem gibt
- ein Tunnel muss zum Beispiel durch eine Karsthöhle
gebaut werden, oder der Untergrund ist weitaus weniger
tragend, als ursprünglich vermutet wurde -, und das Verkehrsministerium sagt dann: So geht es nicht. Die Auftragsverwaltung muss es anders machen. - Oder sagt
dann das Verkehrsministerium wie das Bundesfinanzministerium, das grundsätzlich sagt, bei Kostensteigerungen von über 15 Prozent habe es noch keinen Fall gegeben, in dem ein Vorhaben nicht genehmigt worden sei,
zur Auftragsverwaltung: „Ihr habt es schon richtig gemacht; das ist so in Ordnung“? Wie oft tritt der ganz
konkrete Fall, den Sie dargestellt haben, nämlich dass
plausible Kostensteigerungen nicht vom Bundesverkehrsministerium akzeptiert werden, ein? Ist dies in
10 Prozent der Fälle so? Kommt es wie beim Finanzministerium nie vor? Kommt es in 50 Prozent der Fälle
vor? Ich möchte nur ein Gefühl dafür bekommen.
Genau auf diese Frage - das war Ihre zweite Nachfrage - habe ich bereits geantwortet, dass ich Ihnen
keine Zahlen nennen kann. Ich habe Ihnen gesagt, dass
diese Situation im ganz normalen Vollzug im Alltag immer wieder vorkommt. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, ob dies in 10 Prozent oder 15 Prozent der Fälle so
ist. Diese Zahlen habe ich, obwohl ich viel dokumentiere, nicht auf meiner Festplatte.
Die Frage 12 des Kollegen Volker Beck und die
Frage 13 des Kollegen Ilja Seifert werden schriftlich beantwortet.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Hier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid
Klug zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Zunächst geht es um die Frage 14 der Kollegin
Kotting-Uhl:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber
vor, inwiefern der ehemalige Betreiber der Schachtanlage
Asse II ({0}) ausreichende Maßnahmen für den
Gesundheitsschutz des in der Asse II tätigen Personals getroffen hat, und welche Aufzeichnungen existieren zu den Radioaktivitätswerten, die die vom Asse-II-Personal getragenen Dosimeter maßen?
Frau Klug.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin Kotting-Uhl, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Die in der Asse tätigen Personen wurden grundsätzlich
seit Beginn der Einlagerung im Hinblick auf die berufliche Strahlenexposition gemäß den Anforderungen der
jeweils gültigen Strahlenschutzverordnung überwacht.
Hierzu gehören die Messung der äußeren Strahlenexposition mit Dosimetern, die von einer behördlich bestimmten Stelle ausgewertet werden, also die amtliche
Dosimetrie, sowie zusätzlich eine Messung mit sogenannten nicht amtlichen Dosimetern, an denen die
Personendosis sofort ablesbar ist. Die Ergebnisse der
dosimetrischen Überwachung wurden gemäß § 42 Strahlenschutzverordnung registriert und dokumentiert.
Der Istzustand des Betriebs der Schachtanlage Asse II
wurde hinsichtlich der strahlenschutzrelevanten Aspekte
und zum vorhandenen radioaktiven Inventar im Jahr
2008 vom TÜV Nord im Auftrag des niedersächsischen
Umweltministeriums begutachtet. Der TÜV Nord hat
die Dokumentation der dosimetrischen Überwachung
stichprobenartig eingesehen und bestätigt, dass keine
Dosen oberhalb der Nachweisgrenzen registriert wurden
und dass die betreibereigenen Inkorporationskontrollen
keine Hinweise auf messtechnisch erfasste Inkorporationen ergeben.
Frau Kotting-Uhl, Ihre Nachfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich zitiere jetzt aus
der Braunschweiger Zeitung von diesem Montag. Dort
wird unter anderem aus dem Bericht des Landes von
2008 wie folgt zitiert:
„Die Maßnahmen zur Ermittlung der Personendosis
und zur Emissionsüberwachung sind angemessen.“
Das Wort „angemessen“ bezieht sich, wie vorher ausgeführt wurde, darauf, dass die Asse als Forschungsbergwerk betrieben wurde. Dann heißt es weiter:
Aber sie entsprächen eben nicht dem in kerntechnischen Anlagen üblichen Standard.
Dazu noch ein weiteres Zitat aus derselben Zeitung
von Montag, das den Asse-Mitarbeiter, der jetzt an Leukämie erkrankt ist, betrifft. Ein Kollege von ihm sagte
der Zeitung:
Wir haben keine Dosimeter gehabt.
Der ehemalige Betreiber der Asse sagt - das entspricht auch Ihrer eben gegebenen Antwort -, es habe
Dosimeter gegeben, und beruft sich darauf, dass keine
Grenzwertüberschreitungen beispielsweise von Tritium
verzeichnet wurden. Nun liegen aber Dokumente des
ehemaligen Betreibers vor, die belegen, dass die Tritium-Grenzwerte in der Asse Ende der 80er-Jahre bereits
um das 20-Fache überschritten wurden. Der entscheidende Knackpunkt scheint also zu sein, ob die vorhandenen Dosimeter auch tatsächlich getragen wurden oder
gleichsam sicher im Schrank hingen, während das AssePersonal der Radioaktivität ohne Dosimeter ausgesetzt
war.
Daher meine Frage: Welche Erkenntnisse liegen der
Bundesregierung darüber vor, wie konsequent das AssePersonal die Dosimeter tatsächlich getragen hat, und
kann die Bundesregierung ausschließen, dass das von
der Braunschweiger Zeitung geschilderte Verhalten in
der Asse der Wahrheit entspricht?
Ich habe natürlich auch die Zitate in der Braunschweiger Zeitung gelesen. Ihr Zitat aus dem Statusbericht des niedersächsischen Umweltministeriums ist
richtig. Dort wird festgestellt, dass die Maßnahmen zur
Ermittlung der Personendosis und zur Emissionsüberwachung grundsätzlich angemessen waren, da die Anlage
bisher nach Bergrecht betrieben wurde, dass aber der
Strahlenschutz in der Anlage „nicht dem in kerntechnischen Anlagen üblichen Standard“ entspricht - dies ist
ein weiteres Zitat aus dem Statusbericht - und deshalb
die innerbetrieblichen Regeln künftig an diesen Erfordernissen auszurichten sind. Das heißt, die Maßnahmen
waren angemessen und nicht substanziell defizitär, entsprechen aber nicht dem heutigen Standard. Daher enthielt der Statusbericht die ganz klare Empfehlung, dass
die Strahlenschutzanweisung grundlegend neu auszurichten sei und eindeutiger festgelegt werden müsse,
welche Anlagenbereiche zum Kontrollbereich und welche zum übrigen Bereich gehören und wo, wann und von
wem die Dosimeter zu tragen sind. Genau dies setzt der
neue Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz, jetzt
um und kommt damit der eben dargestellten Empfehlung
unmittelbar nach. Ob und bei welchen Mitarbeitern es
bei dem bisherigen Betreiber in der Vergangenheit zu
Versäumnissen gekommen ist, darüber liegen uns im
Bundesumweltministerium keine Erkenntnisse vor.
Ich habe der Braunschweiger Zeitung auch ein Zitat
von Ihnen entnommen, in dem es heißt, dass Ihnen Unterlagen vorlägen. Sie wissen, dass nach den Aussagen
eines Mitarbeiters, der an Leukämie erkrankt ist, staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen eingeleitet wurden.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, wenn Sie dazu Unterlagen haben, diese der Staatsanwaltschaft zur Verfügung
zu stellen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, herauszufinden, ob es hier in der Vergangenheit Versäumnisse
und Verfehlungen gab.
Sie haben eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte schön.
Ich danke Ihnen für den Hinweis. Allerdings bin ich
nach wie vor der Auffassung, dass es Aufgabe des Parlaments ist, zum Beispiel mithilfe eines Untersuchungsausschusses herauszufinden, um welche Verfehlungen es
bei der Asse ging. Aber damit stehen wir, abgesehen von
den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linken,
im Parlament allein. Deswegen bitte ich darum, zu akzeptieren, dass wir hier noch weiter Fragen stellen müssen, um schneller als die Staatsanwaltschaft ein bisschen
Klarheit zu erlangen.
Ich komme auf einen anderen Punkt zu sprechen. Ich
beziehe mich weiterhin auf die Braunschweiger Zeitung,
die sich erfreulicherweise als erste mit diesem neuen Aspekt im Asse-Desaster befasst hat. Das folgende Zitat
stammt von Herrn Haury, dem Sprecher der HelmholtzGesellschaft:
„Die Aufenthaltszeit von Herrn Duranowitsch
- das ist der an Leukämie Erkrankte; das wissen Sie
wahrscheinlich, Frau Klug vor den Einlagerungskammern, bezogen auf seine
gesamte Arbeitszeit bei der Asse, wird auf rund
eine Stunde geschätzt“ … Direkten Umgang mit radioaktiven Stoffen habe Duranowitsch nicht gehabt,
in Bereiche mit radioaktiven Stoffen sei er nicht gekommen.
Herr Duranowitsch selber sagt:
Ich war in allen zugänglichen Kammern, auch mit
Atommüll. Zu einer Messstelle mussten wir mit
dem Boot über einen Laugensumpf fahren, da kam
man sonst gar nicht hin.
Ich möchte damit die Dimension klarmachen, um die
es hier geht. Dazu habe ich eine Frage: Was unternimmt
die Bundesregierung - jenseits der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen -, um angesichts dieser nicht unbedingt zusammenpassenden Aussagen zur Wahrheit zu
kommen? Ich meine, dass man das nicht einfach so stehen lassen kann. Auch wenn die Anstrengungen jetzt
darauf gerichtet sind, alles besser zu machen - das sehe
ich ein, und das nimmt ja auch seinen Lauf -, glaube ich,
dass man auch auf die Fakten zurückschauen muss, um
Vertrauen aufzubauen. Man muss schauen, wo man ein
bisschen schlampig mit den Vorgaben umgegangen ist.
Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben die Aussage
des ehemaligen Mitarbeiters zitiert. Ich finde, dass man
diese Aussage sehr ernst nehmen muss. Deshalb gibt es
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Es gibt die Aussage des Helmholtz-Zentrums, dass dieser ehemalige
Mitarbeiter als Geotechniker keinen Zugang zu den Einlagerungsbereichen gehabt habe und deshalb von einer
Kontamination nicht betroffen sein könne. Ich weiß aber
auch, dass hier Aussage gegen Aussage steht. Es wird
Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, herauszufinden,
wer recht hat.
Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit bei der Asse
immer mal wieder negative Überraschungen erleben
mussten, zum Beispiel die, dass die Aktenlage nicht mit
der Realität übereinstimmte. Ich kann das auch für diesen Fall nicht ausschließen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, genau das zu ermitteln. Sie können sicher
sein, dass, sobald der neue Betreiber, das Bundesamt für
Strahlenschutz, eigene Erkenntnisse hat, diese der
Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden. Mir
sind keine eigenen Erkenntnisse bekannt.
Der Kollege Hill möchte nachfragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, weg von der Staatsanwaltschaft, hin zum normalen
Leben: Angesichts der Untersuchungen, der Optionsvergleiche und allem anderen, was man zurzeit anstellt,
möchte ich gerne wissen, welchen Kenntnisstand wir zur
Rückholbarkeit der radioaktiven Stoffe aus dem Bergwerk Asse II im Einzelnen haben. Was sind derzeit die
wesentlichen Erkenntnisse?
Herr Kollege Hill, es gibt noch keine Erkenntnisse,
die eine abschließende Bewertung dieser Frage zulassen.
Sie wissen, dass wir eine Arbeitsgruppe „Optionenvergleich“ eingerichtet haben. Diese Arbeitsgruppe hat die
Aufgabe, genau das zu ermitteln. Diese Arbeitsgruppe
hat ihre zusammenfassende Stellungnahme zu dieser
Frage heute abschließend beraten und wird diese zeitnah
der Öffentlichkeit vorstellen. Daraus ergibt sich der weitere Bedarf für Gutachten, in denen insbesondere die
Frage der Rückholbarkeit bzw. der Notwendigkeit der
Rückholung von Abfällen zu prüfen sein wird. Bis zum
Ende des Jahres wird es eine Entscheidung darüber geben, nach welchem Konzept die Asse stillgelegt wird
und ob eine Rückholung notwendig ist oder nicht.
Die Kollegin Menzner hat eine Frage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte noch
einmal auf die Sicherheit der Arbeiter zurückkommen.
In der örtlichen Presse gibt es unterschiedliche Darstellungen, was natürlich zu einer massiven Verunsicherung
in der Bevölkerung führt, sofern die Verunsicherung unter den gegebenen Umständen überhaupt noch zu steigern ist. Sie haben zu Recht gesagt, dass die Staatsanwaltschaft den konkreten Fall klären muss. An Sie als
Staatssekretärin richte ich aber die Frage: Was gedenkt
das Ministerium zu tun, um die notwendige Transparenz
herzustellen und das begründete Misstrauen und die
Ängste in der Bevölkerung abzubauen? Die Menschen
müssen immer wieder feststellen, dass sich das, was ihnen erzählt wird, später als falsch herausstellt und alles
viel schlimmer und dramatischer als ursprünglich dargestellt ist.
Vielen Dank für diese Frage. - Es ist richtig, dass in
der Vergangenheit sehr viel Vertrauen vor Ort in die
rechtmäßige und sichere Betreibung dieser Anlage zerstört wurde. Das ist der Grund dafür, dass es zum
1. Januar dieses Jahres einen Betreiberwechsel gegeben
hat. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist jetzt zuständig. Die Anlage wird in Zukunft nach Atomrecht behandelt. Das bietet die Gewähr, dass Entscheidungen bezüglich der Asse künftig nach Stand der Wissenschaft und
Technik getroffen werden.
Das ist angesichts der Situation vor Ort nicht ganz
einfach; aber das Bundesamt für Strahlenschutz hat von
Anfang an auf Betreiben des Bundesumweltministeriums größten Wert auf Transparenz und auf breite Öffentlichkeitsbeteiligung gelegt. Deshalb haben wir vor
Ort eine Informationsstelle eingerichtet, die die Öffentlichkeit breit informiert und einbindet sowie auf die Fragen und die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner
eingeht, um, wie gesagt, größtmögliche Transparenz herzustellen. Ich denke, das sind wir den Menschen vor Ort
schuldig.
Herr Hofreiter hat eine Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau
Staatssekretärin, in der Braunschweiger Zeitung wird
noch etwas anderes Ungewöhnliches berichtet, nämlich
dass ein Teil der Fässer bereits beschädigt angekommen
ist bzw. vor der Einlagerung beschädigt war. Welche Erkenntnisse hat Ihr Haus oder haben die nachgeordneten
Behörden dazu?
Genau das ist auch eine Aufgabe, die das Bundesamt
für Strahlenschutz als neuer Betreiber als Allererstes angegangen ist. Das Abfallinventar wird genau geprüft,
und mit den zuständigen Behörden vor Ort, also auch
dem niedersächsischen Umweltministerium und dem
Landesbergamt, widmet man sich diesen Fragen noch
einmal genau: Was ist tatsächlich eingelagert? Welche
Unterlagen gibt es dazu? Welche Augenzeugenberichte
- darauf werde ich bei der Beantwortung der nächsten
Frage noch eingehen - gibt es, die man heranziehen
kann, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen und daraus
Rückschlüsse zu ziehen, die helfen, jetzt die richtigen
Entscheidungen für den weiteren Umgang zu treffen?
Die nächste Nachfrage kommt von der Kollegin
Pothmer.
Ich komme noch einmal auf den verletzten Mitarbeiter zurück. Wäre der Umgang mit kontaminierter Lauge
mit einer Strahlung von 3 Megabecquerel nicht genehmigungspflichtig gewesen? Da ist doch der Grenzwert
überschritten. Wenn ja, um ein Wievielfaches ist der
Grenzwert bei 3 Megabecquerel überschritten?
Ich kann diese Zahl nicht bestätigen, weil uns diese
Erkenntnisse nicht vorliegen. Ich kann deshalb auch
nicht bestätigen, dass es zu einer solchen Belastung gekommen ist. Richtig ist, dass es bisher in der Anlage
keine Strahlenschutzumgangsgenehmigung gab; die Einsetzung einer solchen wurde jetzt vom neuen Betreiber
veranlasst. Das ist eines der Defizite, das im Statusbericht des niedersächsischen Umweltministeriums genannt wurde.
Herzlichen Dank. - Ich komme jetzt zur Frage 15 der
Kollegin Kotting-Uhl:
Welche Informationen zu den fraglichen Sonderverpackungen, die sich in Kammer 4 auf der 750-Meter-Sohle des
Bergwerks Asse II befinden sollen, finden sich in der Asse-IIDokumentation, und welche technischen Möglichkeiten existieren, durch Messungen - beispielsweise über Sonden etc. Erkenntnisse über den Inhalt dieser Behälter zu gewinnen?
Frau Klug.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Diese Frage beantworte ich wie folgt: Informationen über die sogenannten
Sonderverpackungen in Kammer 4 auf der 750-MeterSohle liegen aus Dokumenten der Schachtanlage Asse II
und aus einer Zeitzeugenbefragung vor.
Bei den Dokumenten handelt es sich im Einzelnen um
erstens zwei Schreiben der Transnuklear an die damalige
Gesellschaft für Umwelt und Gesundheit, GSF, vom
21. September 1970 und 17. Dezember 1970, in denen
unter anderem der Inhalt und die Herkunft der radioaktiven Abfälle in den Sonderverpackungen beschrieben
werden. Zweitens handelt es sich um einen Änderungsantrag der GSF zur Genehmigung der Einlagerung von
Sonderverpackungen aus Zinkblech vom 1. Dezember
1970. Drittens gibt es eine Billigung der Einlagerung
von Sonderverpackungen des Bergamtes Wolfenbüttel
vom 1. Februar 1971 und viertens eine Einlagerungsdokumentation, eine sogenannte Fasskontrolle, der Schachtanlage Asse.
Die Zeitzeugenbefragung erbrachte insbesondere Informationen über den Einlagerungsort der Sonderverpackungen in der Kammer 4. Diese lagern ungefähr
15 Meter östlich des westlichen Kammerzuganges unmittelbar am Nordstoß. Aus den Beschreibungen des
Zeitzeugen und den oben genannten Dokumenten geht
hervor, dass es sich bei den Sonderverpackungen um zugelötete würfelförmige Zinkblechkisten mit einer Kantenlänge von 50 Zentimetern handelt, von denen jeweils
acht Stück in einem Gestell von circa 1,1 Meter Kantenlänge untergebracht wurden. Von diesen lagern zehn
Stück, jeweils zwei Stück übereinandergestapelt, in der
Kammer 4.
In dem genannten Schreiben der Transnuklear an die
GSF wird erläutert, dass die Kisten aus dem Kernkraftwerk Gundremmingen stammten und dass der Inhalt im
Wesentlichen aus Schutt, Kombinationen, Isoliermaterial, Blech, Handschuhen, PE-Folien und Glas bestehe.
Die Aktivität, nicht spezifiziert nach Strahlungsart, wird
je Kiste mit 0,1 bis 0,2 Curie abgeschätzt. Die Dosisleistung der radioaktiven Abfälle wird mit durchschnittlich
200 Milliröntgen pro Stunde und maximal 1 Röntgen
pro Stunde angegeben. In den Einlagerungslisten liegen
die Werte in 10 Zentimeter Abstand aber nur zwischen
5 Milliröntgen und 15 Milliröntgen pro Stunde, was den
Einlagerungsbedingungen entspricht.
Außer durch die Auswertung der Dokumentation von
den Abfallabliefernden und der Eingangskontrolle könnten Erkenntnisse über den Inhalt der Behälter nur durch
radiochemische Vollanalysen gewonnen werden, die jedoch eine repräsentative Beprobung der Behälterinhalte
erfordern würde. Diese Beprobung dürfte unter den gegebenen Umständen nahezu unmöglich sein.
Angaben zu - auch erneut gemessenen - Dosisleistungswerten, zum Beispiel durch Sonden, die in den
Grubenbau eingebracht werden könnten, liefern nur
Aussagen im Hinblick darauf, welche Maßnahmen des
Strahlenschutzes für den Umgang mit den Abfällen erParl. Staatssekretärin Astrid Klug
forderlich wären. Die Dosisleistungswerte liefern keine
Aussage zum radioaktiven Inventar der Behälter.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin Klug, für die Ausführungen. Ich muss
gestehen: So manches rauschte an mir vorbei; es waren
ja sehr viele technische Details. - Ich halte fest: Die Idee
einer stichprobenartigen Ermittlung des Inhalts über
Sonden, die vom BfS ins Gespräch gebracht wurde, ist
hinfällig. Sie haben begründet, dass diese Maßnahme
eigentlich keinen Erkenntnisgewinn bringt, wenn ich das
richtig verstanden habe. Heißt das jetzt, dass man sich
bei der Frage, was nicht nur in diesen, sondern auch in
anderen Behältern enthalten ist, allein auf die Dokumente verlassen muss?
Darüber ist noch nicht abschließend entschieden. Ich
habe Ihnen die Vor- und Nachteile aufgezeigt und dargelegt, welche Erkenntnisgewinne von diesem aufwendigen und risikobehafteten Verfahren ausgingen. Die Unterlagen werden ausgewertet. Das ist der derzeitige
Erkenntnisstand.
Ich habe die Antwort so ausführlich vorgetragen, weil
ich denke, dass dies an dieser Stelle einmal dokumentiert
sein sollte. Ich musste den Text dreimal lesen - Sie können es nachlesen -, um das Ganze besser nachvollziehen
zu können. Das ist der derzeitige Erkenntnisstand. Sie
wissen aber, dass das BfS weitere Untersuchungen betreibt und dass man mit Experten und auch mit den Behörden vor Ort im Gespräch ist. Es wird irgendwann zu
entscheiden sein, ob an dieser Stelle ein weiterer Erkenntnisgewinn notwendig ist, um zu wissen, wie die
Belastung in der Kammer ist, und um vielleicht doch
herauszufinden, was genau der Inhalt dieser Sonderverpackungen ist. Dies wird aber erstens nicht einfach herauszufinden sein; zweitens wissen Sie, dass diese
Kammer derzeit nicht stabil ist und die Einführung von
Sonden mit einem Risiko behaftet ist.
Ihre zweite Nachfrage.
Danke schön. - Ich danke Ihnen erst einmal ausdrücklich für diese ausführliche Beantwortung der Frage. Ich
werde sie mit Sicherheit auch dreimal lesen, weil das
durchaus einen Erkenntnisgewinn bringt. Dazu muss
man es aber erst einmal verstehen.
Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass die Kammer 4 im
Moment ein Sonderfall ist und man sehr vorsichtig damit
ist, diese Kammer anzubohren oder auf andere Weise in
diese Kammer einzudringen. Es gibt aber noch andere
Kammern und Behältnisse, von denen nicht ganz geklärt
ist, was sie enthalten. Es gibt zum Beispiel 14 000 Behälter mit - so nennt sich das - verlorenen Betonabschirmungen. Dies lässt darauf schließen, dass sich darin
mittelaktiver Abfall befindet und nicht schwachaktiver,
worunter diese 14 000 Behälter eigentlich fallen.
Wenn man die Einführung von Sonden in die Kammer 4 aufgrund der genannten Problematik ausklammert: Gibt es im BfS Überlegungen, in anderen Kammern, bei denen man nichts über den Inhalt weiß und
sich auf Vermutungen verlassen muss, nachzuschauen
und hier vielleicht Sonden einzuführen?
Ich kenne natürlich nicht die Detailüberlegungen des
BfS. Sie können aber sicher sein, dass man sich dort mit
genau diesen Fragen befasst und dass man sie auch beantworten wird. Dass sich das BfS zuerst Kammer 4 zugewendet hat, hat mit den mikroseismischen Aktivitäten
zu tun. Diese Kammer ist gefährdet. Daher hat man das
dort vorhandene Abfallinventar zuerst und besonders genau untersucht. Es ist allerdings Aufgabe des BfS und
der Arbeitsgruppe Optionenvergleich, sich diesem Thema
zu widmen, damit Ende dieses Jahres eine abschließende
Entscheidung, was mit der Asse geschieht, getroffen
werden kann.
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege HansKurt Hill das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin Klug, in Anbetracht der zu erwartenden Ereignisse,
sprich: der Errichtung eines Atomendlagers in Frankreich, also in der Nähe des Saarlandes, beschäftigt mich
nach wie vor die Frage der Rückholbarkeit der Abfälle
aus der Asse; denn vielleicht kommt es in Frankreich eines Tages zu einem ähnlichen Vorfall wie in Deutschland.
Als vorsichtiger Kaufmann frage ich Sie erstens: Was
meint die Bundesregierung, wie hoch die finanziellen
Mittel wären, die man für eine mögliche Rückholung der
Abfälle aus der Asse II benötigen würde?
Zweitens würde mich interessieren, inwiefern sich die
Atomwirtschaft bereit erklärt hat, sich an der Finanzierung zu beteiligen.
Sehr geehrter Herr Kollege Hill, ich verstehe Ihre Ungeduld und Neugier. Sie möchten gerne wissen, was mit
der Asse passiert und welche Entscheidungen getroffen
werden. Ich kann aber nur wiederholen, dass diese Entscheidung noch nicht getroffen wurde, dass es weiterer
Untersuchungen bedarf, dass es eine Arbeitsgruppe gibt,
die sich mit genau dieser Frage beschäftigt und eine
Empfehlung abgeben wird und dass das Bundesamt für
Strahlenschutz dann eine Entscheidung treffen wird. Das
wird Ende dieses Jahres geschehen. Leider kann diese
Entscheidung nicht früher getroffen werden, weil das
BfS dafür bestimmte Erkenntnisse braucht, die derzeit
noch nicht abschließend vorliegen.
Was die Kosten angeht, so wissen Sie, dass der Bund
schon immer die Finanzverantwortung für die Asse II
hat, weil der Betreiber der Anlage eine bundeseigene
Einrichtung war, die bisher beim Bundesforschungsministerium angesiedelt war. Jetzt ist das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Deshalb hat nun das Bundesumweltministerium die Finanzverantwortung für die Asse II. Es
gibt keine rechtliche Handhabe, jemand anderen, auch
nicht diejenigen, die ihre Abfälle dort eingelagert haben,
in die Finanzverantwortung zu nehmen.
Die Kollegin Dorothée Menzner hat eine weitere
Nachfrage.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich
habe eine Nachfrage zu den Sonderverpackungen in
Kammer 4. Mittlerweile ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass die Kammer 4 wohl doch deutlich instabiler
ist, als lange Zeit angenommen wurde, und dass hier von
relativ konkreten Gefahren auszugehen ist.
Können Sie mir und vor allen Dingen der Öffentlichkeit bitte folgende Fragen beantworten: Welche Überlegungen gibt es - das gilt auch im Hinblick auf einen
möglichen Optionenvergleich -, die fraglichen Behälter
oder einen größeren Teil des Inventars dieser Kammer
umzulagern? Welche konkreten Probleme machen es
momentan unmöglich, dies in Angriff zu nehmen? Welche Optionen werden von Ihnen bzw. vom BfS miteinander verglichen, um zu prüfen, ob auf diesem Wege eine
Minimierung der Gefahren möglich ist?
Ich kann nur wiederholen, dass diese Entscheidung
noch nicht getroffen worden ist. Wenn uns alle Erkenntnisse und eine Empfehlung vorliegen, wird entsprechend
entschieden. Es werden keine Optionen ausgeschlossen.
Alle Optionen werden geprüft, und am Ende wird verantwortlich entschieden.
Die einzige Option, die wir ausgeschlossen haben, ist
die sofortige Verfüllung der Kammer 4; dies wurde bereits von dem einen oder anderen in der Region gefordert. Wir lehnen diese Option deshalb ab, weil durch
eine Verfüllung die Beantwortung der Frage, was Inhalt
der Sonderverpackungen ist, für alle Zukunft ausgeschlossen würde. Wir haben auch vor Ort immer wieder
versprochen, dass wir keine vollendeten Tatsachen
schaffen werden. Ob es in Zukunft vielleicht notwendig
ist, diese Frage zu beantworten, werden die weiteren Beratungen ergeben. Es werden vor Ort allerdings keine
vollendeten Tatsachen geschaffen, die irgendwelche Optionen für die Zukunft ausschließen.
Ich wollte mich schon bei Ihnen bedanken, Frau
Staatssekretärin; aber es gibt noch eine Nachfrage der
Kollegin Stokar. - Bitte.
Frau Staatssekretärin, ich bitte um Entschuldigung,
dass Ihre zahlreichen Antworten, das werde bis Ende des
Jahres geprüft, gerade die Abgeordneten aus Niedersachsen nicht beruhigen können. Es besteht ja nach wie
vor der Verdacht, dass sich im Tiefenaufschluss, in den
Kammern unter dem Bergwerk, auch hochradioaktives
Material befindet. Meine Frage: Wird mithilfe von Sonden oder durch sonstige technische Untersuchungen versucht, herauszufinden, ob dem so ist? Man kann ja nicht
einfach Beton draufkippen und vor dem, was aus dem
Atommüll wird, die Augen verschließen.
Sie sagen selbst, dass lediglich ein Verdacht besteht.
Es gibt keine Erkenntnisse darüber, ob in der Asse hochradioaktives Material eingelagert ist. Das Bundesamt für
Strahlenschutz prüft das Abfallinventar sehr sorgfältig
und nutzt alle Wege, um mehr über die in der Asse eingelagerten Abfälle herauszufinden. Erst wenn wir wissen, was für Abfälle eingelagert sind, welche Instabilitäten es in der Asse gibt und ob eine Absicherung der
Asse möglich ist, wird endgültig entschieden, wie wir
vorgehen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz ist seit gerade einmal 28 Tagen Betreiber dieser Anlage. Beim BfS ist die
Asse in den besten Händen, die man sich nur vorstellen
kann. Sie müssen dem BfS jetzt eine Chance geben, zu
entscheiden, wie in Zukunft verantwortlich mit der Asse
umgegangen werden kann. In der Vergangenheit war das
ja nicht immer so.
Danke, Frau Staatssekretärin. - Eine zweite Nachfrage ist nicht möglich, Kollegin Stokar.
Die Frage 16 der Kollegin Höhn wird schriftlich beantwortet; sie befasst sich mit den Rechtsnachfolgern der
an der Einlagerung von Atommüll in der Schachtanlage
Asse II beteiligten Unternehmen.
Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Brigitte Pothmer
werden aufgrund der Regelungen in Nr. 2 Abs. 2 der
Richtlinien für die Fragestunde ebenfalls schriftlich beantwortet, da diese Fragen in einem anderen Tagesordnungspunkt unserer Sitzungswoche behandelt werden.
Auch diese Fragen befassen sich mit der Asse, allerdings
geht es in diesem Fall um Gebühren nach § 21 b des
Atomgesetzes.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter
Altmaier zur Verfügung.
Vizepräsidentin Petra Pau
Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Monika Lazar auf:
Aus welchen Haushaltstiteln welcher Etats könnte eine am
21. Januar 2009 erstmals im Innenausschuss des Deutschen
Bundestags diskutierte Überbrückungsfinanzierung für das
Nazi-Aussteigerprojekt „EXIT-Deutschland“ gezahlt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Bei dem Projekt
„EXIT-Deutschland“ handelt es sich um ein zivilgesellschaftliches Aussteigerprojekt. Es gibt darüber hinaus
staatliche Aussteigerprojekte. Dieses zivilgesellschaftliche Projekt ist sehr wichtig; denn jeder Versuch, jungen
Menschen eine Brücke zum Ausstieg aus dieser Szene
zu bauen, verdient Förderung.
Wir haben die Situation heute Morgen im Innenausschuss in extenso behandelt, Frau Kollegin Lazar. Deshalb will ich in aller Kürze sagen: Das Projekt „EXITDeutschland“ ist vom 1. Juli 2007 bis zum 30. September 2008 im Rahmen des XENOS-Sonderprogramms
„Beschäftigung, Bildung und Teilhabe vor Ort“ durch
das dafür zuständige Bundesministerium für Arbeit und
Soziales mit 175 000 Euro, die ursprünglich aus dem
Europäischen Sozialfonds kommen, gefördert worden.
In Zukunft wird aller Voraussicht nach wieder in diesem
Rahmen eine Förderung möglich sein, allerdings wohl
erst ab April 2009.
Es stellt sich die Frage, ob eine Überbrückungsfinanzierung möglich ist. Die infrage kommenden Ressorts
der Bundesregierung haben dies geprüft. Insbesondere
das Programm „Vielfalt tut gut“ des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wäre in Betracht gekommen. Die Prüfung hat allerdings ergeben,
dass eine konkrete Förderung wegen der Besonderheiten
des Programms „EXIT-Deutschland“ leider nicht möglich ist.
Es gibt eine Möglichkeit der Überbrückungsfinanzierung - allerdings aus dem Bereich des Bundesministeriums des Innern -, und zwar aus den vorhandenen übertragenen Mitteln des Bündnisses für Demokratie und
Toleranz. Dieses Bündnis ist eine vom BMI und BMJ gegründete Einrichtung sui generis - eigener Art -, deren
Finanzierung allein aus dem Einzelplan 06 - Bundesinnenministerium - getragen wird. Hier wäre eine Finanzierung nach den Vorschriften denkbar. Das Bundesministerium des Innern würde eine solche Finanzierung
auch befürworten. Allerdings muss ich darauf hinweisen,
dass eine Entscheidung nur mit Zustimmung des Beirates
dieses Bündnisses möglich ist. Das Bundesinnenministerium ist ebenso wie das Bundesjustizministerium in diesem Beirat vertreten. Eine Sondersitzung des Beirates ist
inzwischen terminiert.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Wie Sie schon
sagten, haben wir heute im Innenausschuss schon über
dieses Thema gesprochen. Für mich ist aber noch eine
Frage offengeblieben. Es geht um die Höhe der Mittel.
Von EXIT-Deutschland wurden 80 000 Euro angegeben. Nun würde ich gerne wissen, ob diese Eigenangabe
überprüft worden ist; denn EXIT-Deutschland konnte in
den letzten Monaten Spenden akquirieren, weshalb die
Summe vielleicht etwas geringer wird.
Des Weiteren würde mich der Haushaltsübertrag interessieren. Mir liegt ein Schreiben des Geschäftsführers
des Bündnisses für Demokratie und Toleranz von Mitte
Dezember vor, in dem es schon um einen generellen
Übertrag geht. Damals wurde EXIT-Deutschland noch
nicht angegeben, wahrscheinlich weil sich die Verantwortlichen von EXIT-Deutschland noch nicht beim
Bündnis für Demokratie und Toleranz gemeldet hatten.
Mich würde zum einen interessieren, ob der Haushaltsübertrag schon genehmigt ist, und zum anderen, ob es einen neuen Antrag des Geschäftsführers gibt, dass auch
EXIT-Deutschland in den Übertrag einbezogen werden
soll.
Frau Kollegin, wir müssen die Reihenfolge genau einhalten. Das eine ist, dass das Bündnis im letzten Jahr unabhängig von EXIT-Deutschland nicht alle Mittel, die in
seinem Haushalt zur Verfügung gestellt wurden, verausgaben konnte, was nicht zum ersten Mal der Fall ist. Das
zeigt im Übrigen, dass die Bundesregierung die Arbeit
im Hinblick auf die Eindämmung von Extremismus,
Rechts- und Linksextremismus gleichermaßen, sehr
ernst nimmt und auch die nötigen Mittel dafür zur Verfügung stellt. Diese nicht verausgabten Haushaltsmittel
würden normalerweise zum Ende des Haushaltsjahres
verfallen. Aufgrund der Bedeutung der Aufgabe haben
wir schon in der Vergangenheit gesagt, dass wir es für
richtig halten, diese Haushaltsreste, die einen erheblichen Umfang haben, zu übertragen. Ich kann Ihnen jetzt
nicht sagen, inwieweit das verwaltungstechnisch bereits
genehmigt ist, aber gehen Sie davon aus, dass in der
Bundesregierung politisch die Bereitschaft und der Wille
vorhanden sind, dies zu tun, und dass das auch erfolgen
wird.
Der zweite Punkt ist, dass die endgültige Förderung
von EXIT-Deutschland davon abhängt, dass beim Bündnis ein entsprechender Antrag gestellt wird. Wir haben
heute Morgen gehört, dass dies inzwischen auf gutem
Weg ist. Dieser Antrag muss von der Geschäftsführung
des Bündnisses im Hinblick auf den tatsächlichen Finanzierungsbedarf geprüft werden; dann muss der Beirat
darüber entscheiden. Wie ich aus meiner eigenen Tätigkeit im Beirat weiß, gehören Sie ihm an. Ich bitte herzlich um Verständnis, dass wir diesen Prüfungen vonseiten des BMI an dieser Stelle nicht vorgreifen können.
Wir werden die Geschäftsstelle des Bündnisses im Rahmen unserer Möglichkeiten aber selbstverständlich dabei
unterstützen.
Haben Sie noch eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte.
Es gibt Bestrebungen, außer dem Bündnis für Demokratie und Toleranz auch die Bundeszentrale für politische Bildung einzubeziehen. Dahin gehend hat sich der
Vorsitzende des Innenausschusses, Edathy, in der letzten
Woche in der Ausschusssitzung geäußert; es gibt auch
eine Äußerung des Geschäftsführers des Bündnisses für
Demokratie und Toleranz dazu. Nun würde mich interessieren, ob die Bundeszentrale für politische Bildung jetzt
völlig von der Finanzierung ausgenommen ist oder ob
geprüft wird, welche Mittel das Bündnis für Demokratie
und Toleranz geben kann und welche Mittel die Bundeszentrale für politische Bildung geben kann.
Können Sie mir schon vor der Sondersitzung des Beirates des Bündnisses für Demokratie und Toleranz Auskunft darüber erteilen, ob die Summe vielleicht auf beide
Institutionen, die beide durch das Innenministerium finanziert werden, gesplittet werden kann?
Es ist richtig, Frau Kollegin Lazar, dass beide Titel
aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums finanziert werden. Richtig ist aber auch, dass wir vom Bundesinnenministerium nicht den Entscheidungen der zuständigen Stellen vorgreifen möchten. Wie Sie wissen, sind
auch mit dem Leiter der Bundeszentrale für politische
Bildung Gespräche geführt worden, in die auch der Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz eingebunden war.
Ich hoffe, dass wir letzten Endes eine sachgerechte
Lösung finden werden, die die überbrückende Fortführung des Aussteigerprogramms gewährleistet, bis die
ordnungsgemäße Finanzierung im Rahmen des BMAS
wiederhergestellt ist. Deshalb bitte ich herzlich um Verständnis, dass die genauen Einzelheiten - das heißt, ob
gegebenenfalls auch aus dem Titel der Bundeszentrale
bzw. in welcher Höhe finanzielle Leistungen erfolgen erst dann beurteilt werden können, wenn die genaue Situation im Hinblick auf EXIT bekannt ist. Dabei spielt
beispielsweise auch eine Rolle, inwieweit in der Zwischenzeit Mittel von anderer Seite akquiriert werden
konnten. Das kann ich heute nicht abschließend beurteilen. Ich gehe davon aus, dass EXIT selbst die erforderlichen Angaben dazu machen wird.
Wir kommen damit zu Frage 20 der Kollegin Stokar
von Neuforn:
Sieht die Bundesregierung angesichts der sich häufenden
Datenschutzskandale bei privaten Stellen - zuletzt bei der
Deutschen Bahn AG - über die bisher bekannten Vorschläge
zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes - unter anderem Verschärfung der Bußgeldvorschriften - hinaus nicht die
Notwendigkeit, auch für die Betroffenen selbst zivilrechtliche
Ansprüche - wie beispielsweise Schadensersatz für erlittene
immaterielle Schäden durch die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte - einzuführen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es ist bekanntlich
ein alter Juristengrundsatz, dass ein Blick ins Gesetzbuch die Rechtsfindung fördert. Im konkreten Fall hat
unser Blick ins Gesetzbuch ergeben, dass das Bundesdatenschutzgesetz in den §§ 7 und 8 bereits Schadensersatzpflichten gegenüber Betroffenen enthält, soweit
ihnen durch eine nach dem Bundesdatenschutzgesetz
oder anderen Vorschriften über den Datenschutz unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder
Nutzung ihrer personenbezogenen Daten ein Schaden
zugefügt wird.
Neben den Ansprüchen aus dem Bundesdatenschutzgesetz bestehen darüber hinaus die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche sowohl nach Deliktsrecht als
auch gegebenenfalls nach Vertragsrecht fort. Im Rahmen
der deliktischen Ansprüche kann dann auch gegebenenfalls ein Anspruch auf Geldentschädigung für eventuell
erlittene immaterielle Schäden - auf die es Ihnen in Ihrer
Frage besonders ankommt - geltend gemacht werden.
Insofern sieht die Bundesregierung derzeit keine Regelungslücke und auch keine Notwendigkeit, weitere zivilrechtliche Ansprüche einzuführen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, wenn die Bürgerinnen und Bürger wie in den letzten Tagen in der Presse verfolgen,
dass mehrere Hundert Bedienstete der Deutschen Bahn
AG mitsamt ihrer Ehepartner bespitzelt wurden und die
Daten aller Neukunden der Telekom im Internet sichtbar
waren, dann werfen sie durchaus einen Blick ins Gesetz
und fragen sich, wie sie ihren Anspruch durchsetzen
können. Bislang ist es leider so geregelt, dass sie als einzelne Bürgerinnen und Bürger den Schaden nachweisen
müssen. Dafür müssen sie erst einmal informiert sein.
Deswegen lautet meine konkrete Frage an die Bundesregierung: Sind Sie bereit, angesichts der sich häufenden
Datenpannen in diesen Fällen eine Informationspflicht
für Unternehmen einzuführen und damit die Beweislastumkehr zuzulassen sowie - das halte ich für einen klugen Vorschlag, der auch zur Entlastung der Gerichte beiträgt - ein pauschales Mindestbußgeld von 100 Euro für
jeden, der von einer Datenschutzpanne betroffen ist, in
das Gesetz aufzunehmen? In den letzten sechs Monaten
voller Datenschutzskandale gab es zwar Ankündigungen
der Bundesregierung, aber nicht einmal einen Hauch eines Gesetzentwurfs zur Verbesserung des Datenschutzrechts.
Frau Kollegin Stokar, Sie haben weit offen stehende
Türen eingerannt; denn wir haben uns vor dem Hintergrund der von Ihnen genannten Vorgänge sehr detailliert
mit diesen Fragen befasst.
Das Bundesinnenministerium ist das Verfassungsministerium und damit auch dafür zuständig, dass das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das den
Bürgerinnen und Bürgern zusteht, wirksam geltend gemacht werden kann. Es gab in den vergangenen Monaten zwei Gesetzesinitiativen meines Hauses dazu. Das
eine ist der Gesetzentwurf zum Scoring, der bereits im
Sommer letzten Jahres vom Kabinett verabschiedet
wurde und der insbesondere die Informations- und Auskunftsrechte der Betroffenen im Hinblick auf die Tätigkeit von Auskunfteien ganz erheblich stärkt. Das andere
ist: Wir haben vor dem Hintergrund der bekannt gewordenen Vorfälle in der zweiten Hälfte des letzten Jahres
eine Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz auf den Weg
gebracht. Diese Novelle sieht zum einen ein Datenschutzauditsiegel, das den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Sicherheit gewährleisten soll, und zum
anderen konkrete Maßnahmen vor, um die Rechte der
Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken. Dazu gehören ein erhöhter Bußgeldrahmen, mehr Bußgeldtatbestände und die neu geschaffene Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung.
Wir haben das von Ihnen angesprochene Problem der
Informationspflicht gesehen und auch geregelt. Das
heißt, es gibt künftig bei Datenschutzpannen eine Informationspflicht auch gegenüber den Betroffenen. Somit
schaffen wir mehr Transparenz und die Möglichkeit,
seine Rechte wahrzunehmen und geltend zu machen. Wie
Sie wissen, haben wir in diesem Gesetzentwurf zudem
das sogenannte Listenprivileg erheblich eingeschränkt.
Künftig gibt es das Erfordernis, die Einwilligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger einzuholen. Dort, wo
Ausnahmen von diesem Einwilligungserfordernis fortbestehen, haben wir das Widerspruchsrecht der Betroffenen
gestärkt.
Das ist eine Reihe ganz konkreter, fassbarer Verbesserungen für Millionen Bürgerinnen und Bürger. Über die
beiden Gesetzentwürfe, die das Kabinett beschlossen
hat, beraten derzeit die zuständigen Parlamentsausschüsse. Selbstverständlich kann die Bundesregierung
den Beratungen und der Entscheidungsfindung des Parlaments nicht vorgreifen.
Ihre zweite Frage.
Herr Staatssekretär, ich habe eine konkrete Nachfrage. Ich habe den Eindruck, dass es eine neue, ganz interessante Arbeitsteilung in der Großen Koalition gibt.
Diese sieht wie folgt aus: Es gibt einen Skandal. Der Innenminister gibt eine Presseerklärung heraus. Das Kabinett beschließt. Danach hat sich die Große Koalition darauf verständigt, dass gar nichts mehr passiert. - Wir
warten seit Monaten. Angekündigt wurde die Behandlung dieser vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwürfe
im Dezember. Nun haben wir Ende Januar. Die Beratungen über diese Gesetzentwürfe wurden auch nicht auf
die Tagesordnung für die Sitzungen im Februar gesetzt.
Ich weiß zwar, dass Sie, die Bundesregierung, nicht die
Verantwortung dafür tragen. Sie haben allerdings alle
Ihre Machtmittel eingesetzt, um zum Beispiel das BKAGesetz im beschleunigten Verfahren durch die Fraktionen und das Parlament zu bringen.
Meine konkreten Fragen an Sie lauten: Welche Gespräche führen Sie mit den Fraktionen, damit der Kabinettsentwurf tatsächlich dem Innenausschuss zugeleitet
wird, und wie intensiv ist Ihr Einsatz, damit das, was
vom Kabinett beschlossen und vom Innenminister befürwortet wird, auch im Parlament so beschlossen wird? Ich
habe das Gefühl, dass die Beratungen so lange aufgeschoben werden, bis der Druck der Lobbyisten dazu
führt, dass Ihre Vorschläge aufgeweicht sind. Wir werden dann keine Verbesserungen im Datenschutz erreichen.
Frau Kollegin Stokar, wir haben immerhin einen Fortschritt erreicht; denn Sie haben nun konzediert, dass die
Bundesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hat. Wir
haben nach den Vorfällen schnell und effizient gehandelt. Wir haben Vorschläge eingebracht, die weitreichender sind als das, was manche für möglich gehalten hätten, selbst bei optimistischer Betrachtungsweise. Das
Bundeskabinett hat sehr zügig die entsprechenden Gesetzentwürfe verabschiedet. Wir haben sie im Übrigen
auch sehr schnell in den zuständigen Ministerien des Innern und der Justiz erarbeitet. Das war kein leichtes Unterfangen; denn wir mussten auch verfassungsrechtliche
Vorgaben beachten.
Nun liegen diese Vorschläge beim Bundesrat, und sie
müssen im Bundesrat und im Bundestag beraten werden.
Ich als Vertreter der Bundesregierung kann, das wiederhole ich, hier und heute keine Empfehlungen oder
Ratschläge an das Parlament richten. Sie haben Gesetzentwürfe zitiert, die in einem zügigen Verfahren verabschiedet worden sind. Deshalb ist die Bundesregierung
sehr optimistisch, dass das Parlament die Dringlichkeit
und die Notwendigkeit dieser Gesetzgebungsvorhaben
hoch einschätzen wird und dass es möglich sein wird, sie
vor Ablauf der Legislaturperiode ordnungsgemäß zu beraten und zu verabschieden.
Danke, Herr Staatssekretär.
Die Frage 21 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet, weil das Thema der Frage, nämlich die
Haltung der Bundesregierung zur Aufnahme unschuldiger Insassen bei Auflösung des Gefangenenlagers in
Guantánamo, in dieser Woche noch auf der Tagesordnung steht.
Vizepräsidentin Petra Pau
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der
Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Nicolette Kressl zur Verfügung. Die Fragen 22 und 23
der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich beantwortet. Bei diesen Fragen geht es um die Pflichten
zur Meldung von faulen Krediten an die Bankenaufsicht
und die Konsequenzen für die Bankenvorstände, wenn
sie diesen Pflichten nicht nachkommen, sowie um die
Information des Deutschen Bundestages über die Gesamtheit der faulen Kredite.
Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Christine Scheel
auf:
Plant die Bundesregierung eine Lösung für die sogenannten toxischen Wertpapiere in den Bankbilanzen, bei der der
Staat die Wertpapiere im Tausch gegen Ausgleichsforderungen in Höhe des Wertes zum Bilanzstichtag übernimmt, und
wie soll diese Lösung konkret aussehen ({0})?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau
Kollegin Scheel, Sie erlauben, dass ich beide Fragen im
Zusammenhang beantworte?
Das ist der Fall. Dann rufe ich auch Frage 25 der Kollegin Christine Scheel auf:
Welche Vorteile verspricht sich die Bundesregierung von
der Gründung solch einer Zweckgesellschaft - Bad Bank light im Verhältnis zu der Übernahme von sogenannten intelligenten Staatsbeteiligungen an den jeweiligen Banken, um die
anstehenden Marktbereinigungen im Welfinanzmarkt zu organisieren und abzusichern, und welcher finanzielle Höchstrahmen insgesamt und pro Institut ist vorgesehen?
Es gibt keine aktuellen Planungen in der Bundesregierung für eine nationale Bad Bank oder eine entsprechende Bad Bank light. Natürlich überprüft die
Bundesregierung das bestehende Instrumentarium des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes regelmäßig und laufend im Hinblick auf mögliche und notwendige Verbesserungen. Wenn die Bundesregierung zu dem Ergebnis
kommt, dass aufgrund geänderter Rahmenbedingungen
Anpassungen erforderlich sind, wird sie dem Parlament
selbstverständlich entsprechende Vorschläge vorlegen,
mit dem Parlament darüber diskutieren und, wie beim
Finanzmarktstabilisierungsgesetz, um die erforderliche
Mehrheit werben.
Sie haben jetzt die Möglichkeit zu insgesamt vier
Nachfragen. Bitte.
Schauen wir einmal, ob das nötig ist. - Danke, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung. Mitte Februar
werden die Bilanzen der Banken für das letzte
Quartal 2008 vorliegen. Nach all dem, was wir bislang
wissen, schauen diese Bilanzen nicht sehr gut aus. Das
heißt, es gibt einen sehr hohen Abschreibungsbedarf.
Die Bundesregierung hat zugesichert, dass sie, was die
Kreditvergabe anbelangt, alles tut, was notwendig ist,
um den Interbankenhandel wieder anzuregen und diese
Papiere in irgendeiner Form bilanziell so zu bewerten,
dass sie etwas unschädlicher wirken. - Ich fasse das jetzt
einmal so zusammen.
Welche Maßnahmen planen Sie denn jetzt bis Mitte
Februar? Denn es wird von einer zweiten Änderung mit
Blick auf SoFFin und die Maßnahmen, die mit diesen
schlechten Papieren verbunden sind, gesprochen. Dazu
stehen verschiedene Überlegungen an. Was ist denn der
aktuelle Stand?
Es ist richtig, dass in den Zeitungen von verschiedensten Überlegungen zu lesen war, wobei ich schon in
der Aktuellen Stunde, die wir zum gleichen Thema in
der letzten Woche hatten, deutlich gemacht habe, dass
wir uns an diesen öffentlichen Spekulationen, zum Beispiel wie sogenannte toxische Wertpapiere bewertet werden können, nicht beteiligen werden. Es ist vor allem
darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des bestehenden
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, was die Garantien,
die Rekapitalisierung und die Übernahme solcher Wertpapiere betrifft, durchaus ein Instrument vorhanden ist.
Sie wissen - Herr Bundesminister Steinbrück hat es vorhin in der Regierungsbefragung angesprochen -, dass im
Rahmen einer Einzelnotifizierung auch eine unbefristete
Regelung möglich ist. Die Anwendung dieses Instruments wäre durchaus eine der Möglichkeiten, auf die
Problematik, die Sie richtig analysiert haben, einzugehen.
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist bekannt, dass die Bundesregierung den Weg der Schaffung einer großen Bad
Bank nicht gehen will - das haben sowohl Sie als auch
der Herr Minister so gesagt -, dass es über das Finanzmarktstabilisierungsgesetz aber Wege gäbe, im Einzelfall nach Prüfung und in Absprache mit der EU hier eine
Lösung zu finden.
Ein anderer Weg besteht darin - das wurde im Haushaltsausschuss von Kollegen der Koalition, vor allen
Dingen von Abgeordneten der Union, insbesondere von
Herrn Kampeter, angesprochen -, mit Ausgleichszahlungen Abhilfe zu schaffen. Ist das Thema Ausgleichszahlungen vom Tisch oder spielt es noch eine Rolle?
Die Frage der Ausgleichszahlungen ist, da wiederhole
ich mich, zum Gegenstand von Spekulationen von Zeitungen - auch ich habe sie gelesen - geworden. Das
Ganze hat natürlich auch einen Bezug zu der Frage: Wie
ist nach der deutschen Einheit in den 90er-Jahren vorgegangen worden? Selbstverständlich schauen wir uns
noch einmal an, wie das damals gelaufen ist.
Ich muss noch einmal deutlich machen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Vor allem existiert im Rahmen
der SoFFin bereits eine Möglichkeit. Wir werden unsere
Vorschläge öffentlich und vor allem gegenüber dem Parlament dann unterbreiten, wenn klar ist, was für einen
Weg es geben sollte. Ich will mich auch da wiederholen
- ich habe es bereits in der letzten Woche gesagt -: Ich
glaube, dass es ein Stück weit zur Verwirrung beitragen
kann, wenn ständig neue Varianten diskutiert werden.
Daran will sich die Bundesregierung in dieser Form
nicht beteiligen.
Ihre dritte Nachfrage, bitte.
Interessanterweise ist es so, dass die Varianten innerhalb der Koalition diskutiert werden, und das öffentlich.
Das sei einmal dahingestellt. Das heißt, Sie kritisieren
Ihre eigenen Leute - aber gut.
Mich würde jetzt einmal interessieren - ich habe es
vorhin angesprochen -, wie die zeitliche Situation im
Hinblick auf das vierte Quartal ist. In dem einen oder anderen Fall besteht wohl ein relativ dringender Handlungsbedarf. Können Sie bestätigen, dass es ein Vorhaben gibt - wie auch immer es im Detail aussieht -, bis
Mitte Februar einen klaren Vorschlag für eine zweite
Rettungsaktion zu machen?
Das kann ich nicht. Ich habe beschrieben, dass im Bereich des SoFFin Möglichkeiten existieren und dass
diese Möglichkeiten in die Überlegungen einbezogen
werden. Das bedeutet, dass für diesen Bereich nicht automatisch eine gesetzliche Änderung oder ein neuer Rettungsplan auf den Weg gebracht werden muss. Ich kann
eine entsprechende Aussage also nicht treffen.
Ihre letzte Nachfrage, bitte.
Meine letzte Frage ist: Können Sie sicherstellen, dass
der vom Parlament eingesetzte Ausschuss, bestehend
aus Kollegen und Kolleginnen aus der Mitte des Parlamentes, frühzeitig genug über die Ergebnisse unterrichtet wird, sodass eine parlamentarische Mitwirkung an
diesem Punkt überhaupt noch möglich ist? Es sollte
nicht so sein, dass sich die Regierung festgelegt hat und
wir das am Ende bloß noch abnicken können.
Frau Kollegin, ich als Vertreterin der Bundesregierung
gehöre diesem Geheimgremium nicht an. Sie wissen, bei
wem die Federführung liegt. Soweit ich informiert bin,
wird dort sehr regelmäßig und sehr intensiv über die jeweils aktuelle Lage unterrichtet. Außerdem wird über
Möglichkeiten, darauf zu reagieren, debattiert. Wie Sie
wissen - es handelt sich nicht ohne Grund um ein Geheimgremium -, darf ich hier nichts Weiteres darstellen.
Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Nouripour werden schriftlich beantwortet. Darin geht es um den Zeitpunkt des Abschlusses der Rückzahlung der Eigenkapitalhilfen des Bundes durch die Commerzbank AG sowie
den Zeitrahmen von gesetzlichen Maßnahmen zur Tilgung der Schulden aus den Konjunkturpaketen I und II.
Diese Fragestellung ist auch anderweitig Gegenstand der
Tagesordnung dieser Sitzungswoche.
Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Silke Stokar auf:
Ist es nach Auffassung der Bundesregierung ein angemessener Beitrag zur Wiederherstellung des öfffentlichen Vertrauens in die staatliche Finanzaufsicht, wenn der Bundesrat auf
Initiative der schwarz-gelben Koalition in Bayern in seiner
Stellungnahme zum Entwurf eines Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes ({0}) eine Informationssperre für den Bereich der Finanz-, Wertpapier- und
Versicherungsaufsicht verlangt, während andererseits der
neue US-Präsident Barack Obama angeordnet hat, die Regelungen zur Informationsfreiheit künftig großzügig anzuwenden und Regierungsdokumente nur noch „aus wichtigen
Gründen“ unter Verschluss zu halten ({1})?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Kollegin, die Bundesregierung hat am 21. Januar 2009 in ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum
Entwurf eines Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes zugesagt - ich vermute, darauf beziehen Sie sich in Ihrer
Frage -, dass sie das Anliegen des Bundesrates prüfen
wird. Diese Prüfung ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Die Antwort „Wir prüfen noch“ kenne ich schon. Ich
möchte dennoch die Gelegenheit nutzen, mehr zu erfahren.
Mich hat schon verwundert, dass die FDP in Bayern
sozusagen als erste Amtshandlung jetzt ausgerechnet das
Informationsfreiheitsgesetz angreift, gerade in einer
Krise. Wie stehen Sie zu der Aussage, dass nur durch
Transparenz Vertrauen geschaffen werden kann, und zu
dem Ansinnen aus Bayern, in dieser Phase den Finanzund Versicherungssektor mit einer Informationssperre zu
belegen, also mit unseren Geheimdiensten gleichzusetzen? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass wir gerade in diesem Bereich mehr Informationszugang brauchen anstatt weniger?
Sehr geehrte Frau Kollegin Stokar, wir haben den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EG-Richtlinie heute im
Finanzausschuss erstmalig beraten. Ich habe deutlich
gemacht, dass wir als Bundesregierung noch in der Prüfphase sind und dass zwischen notwendigen Informationsrechten und verfassungsrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abzuwägen sein
wird. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Es
wird auch eine Anhörung geben. Ich will noch einmal
betonen, dass eine Abwägung zwischen diesen verschiedenen Rechten und Notwendigkeiten stattfinden wird.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, diesen Prozess der Abwägung
mit Blick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gerade im Finanzsektor haben die Ministerien in meinem
Beisein nächtelang durchgeführt, als wir unter Rot-Grün
ein Minimum an Informationsfreiheitsgesetz geschaffen
haben. Muss ich Ihre Ausführungen jetzt so verstehen,
dass ausgerechnet diese Krise und der Vertrauensverlust
dazu führen sollen, dass die Errungenschaften des Informationsfreiheitsgesetzes - damit wurde ein Hauch von
Transparenz auch in den Finanzsektor hineingebracht zurückgenommen werden und sich die Bundesregierung
leider gemeinsam mit Bayern und gemeinsam mit der
FDP für Geheimhaltung und für eine Informationssperre
im Finanzsektor einsetzt?
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich kann gut verstehen,
dass Sie noch einmal den Versuch unternehmen, über
meine Aussage „Wir prüfen“ hinaus mehr zu erfahren.
Ich habe Ihnen beschrieben, dass wir, wie in der Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates formuliert, das Anliegen prüfen. Das ist noch nicht abgeschlossen. Die Schlussfolgerung, die in Ihrer Frage implizit
enthalten war, will ich ausdrücklich nicht bestätigen.
Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Frage 29 der Kollegin Ina Lenke wird schriftlich
beantwortet. Darin geht es um anhängige Verfahren zur
Absetzbarkeit der Betreuungskosten bei der Lohn- und
Einkommensteuer.
Die Frage 30 des Kollegen Hans-Josef Fell wird
ebenfalls schriftlich beantwortet. Darin geht es um die
Haltung der EU-Kommission zum Regierungsentwurf
eines Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen und die Zielsetzung der Bundesregierung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29. Januar 2009,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.