Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
- Drucksache 16/11124 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Andreas Storm bereit.
Die Frage 1 der Abgeordneten Cornelia Hirsch wird
schriftlich beantwortet.
Die Frage 2 der Kollegin Cornelia Hirsch wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung - ({0})
- Gut. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der
Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Nicolette Kressl bereit.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das in
der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedete Erbschaftsteuergesetz einen erheblichen bürokratischen Aufwand
insbesondere für mittelständische Familienbetriebe in der
Land- und Forstwirtschaft verursacht, und wie ist dieser erhöhte bürokratische Aufwand mit dem von der Bundesregierung mehrfach erklärten Ziel des Bürokratieabbaus vereinbar?
Sehr geehrte Kollegin, ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir die Befürchtungen, es gebe gerade für diesen Bereich einen erhöhten bürokratischen Aufwand,
nicht teilen.
Ich will Ihnen das auch verdeutlichen: Mit der hier im
Haus in der letzten Sitzungswoche verabschiedeten Reform werden ja die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer umgesetzt. Danach müssen alle
Vermögensarten, vom Grundvermögen über Betriebsvermögen bis hin zu Anteilen an land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, ausnahmslos nach dem gemeinen Wert
bewertet werden. Erst in einem zweiten Schritt darf der
Gesetzgeber den Erwerb einzelner Vermögensarten steuerlich begünstigen, wenn dafür - das ist ein Zitat - „ausreichende Gemeinwohlgründe“ vorliegen.
Die von Unternehmen - einschließlich derjenigen der
Land- und Forstwirtschaft - im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu erbringenden Informationspflichten
sind insbesondere mit Blick auf die mit der Erbschaftsteuerreform einhergehenden massiven steuerlichen Entlastungen erforderlich. Gleichwohl hat das Parlament
entschieden, diese Entlastungen vorzunehmen, weil wir
diese Gemeinwohlgründe im Bereich der Land- und
Forstwirtschaft - ich betone das ausdrücklich - als gegeben ansehen.
Ihre Zusatzfragen.
Ich freue mich natürlich darüber, dass es in diesem Bereich Entlastungen gegeben hat. Gleichwohl möchte ich
eine Nachfrage stellen. Wir sehen insbesondere beim Betriebsübergang durchaus erhebliche bürokratische Lasten. Fest steht, dass auch die Lohnsumme darüber entscheidet, ob es zu einer Besteuerung kommt oder nicht,
was wiederum bürokratische Lasten zur Folge hat. Wir
befürchten, dass das ein Anreiz ist, die Anzahl der Arbeitsplätze vor einer Betriebsübergabe zu senken, um
eine geringere Lohnsumme zu haben und dadurch dem
Nachfolger die Möglichkeit zu geben, steuerfrei gestellt
zu bleiben. Wir befürchten deshalb, dass dieses Erbschaftsteuergesetz zu einem Arbeitsplatzabbau führt. Das
scheint mir in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation genau die falsche Botschaft für unsere mittelständischen Betriebe zu sein. Teilen Sie diese Einschätzung?
Redetext
Sehr geehrte Frau Kollegin, zusammenfassend sage
ich: Nein, wir teilen diese Befürchtung nicht. Ich will
das gerne begründen: Erstens sind sehr viele Unternehmen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft von der
Regelung hinsichtlich der Lohnsumme nicht betroffen,
da diese Regelung nicht für Betriebe mit weniger als
zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gilt. Die
Unternehmen wissen sehr wohl - das haben meine Kontakte zu den entsprechenden Verbänden ergeben -, dass
die Neustrukturierung des Erbschaftsteuerrechts für sie
eine deutliche Erleichterung bedeutet.
Zweitens ist es im Laufe der parlamentarischen Beratungen hinsichtlich der Lohnsumme zu Veränderungen
gekommen. Durch die Zusammenfassung mehrerer Jahre
- wir sagen sogar, dass innerhalb der Jahre eine flexible
Handhabung möglich ist - sind wir zu einem deutlich flexibleren Verfahren gekommen. Das wird sehr vielen Unternehmen entgegenkommen. Gleichzeitig kommen wir
aber auch der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts
nach, die wir sehr ernst nehmen müssen: Wenn ihr privilegiert, wenn ihr verschont, müsst ihr dafür gute Gründe
nennen, und ihr müsst Möglichkeiten zur Überprüfung
der Gemeinwohlgründe vorsehen. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Gesetz diesen Bedingungen genau entspricht.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Bezogen auf das Steueraufkommen insgesamt ist die
Erbschaftsteuer ja eine Bagatellsteuer. Ihr Aufkommen
liegt bei unter 1 Prozent des gesamten Steueraufkommens. In den einzelnen Bundesländern ist die Situation
sehr unterschiedlich. Die FDP-Fraktion befürwortet eine
föderale Gestaltung der Erbschaftsteuer, weil das Steueraufkommen allein den Ländern zur Verfügung steht.
Wenn Sie berücksichtigen, dass das Steueraufkommen in
Mecklenburg-Vorpommern pro Einwohner gerade einmal 4 Euro beträgt, was zur Folge hat, dass die Bürokratiekosten, die dem Land durch die Erhebung der Erbschaftsteuer entstehen, nicht gedeckt sind, und das
Steueraufkommen in Hamburg 124 Euro beträgt, frage
ich: Teilen Sie die Einschätzung, dass es insbesondere
mit Blick auf die Interessen der ärmeren Bundesländer
besser wäre, dem FDP-Modell zu folgen, statt an einer
bundeseinheitlichen Erbschaftsteuerregelung festzuhalten?
({0})
Frau Kollegin, auch diese Einschätzung teile ich ausdrücklich nicht. Ich finde es ganz besonders spannend,
dass Ihre Frage an dem Punkt „Vermeidung von Bürokratie“ ansetzt. Nun können wir gemeinsam einmal
durchspielen, was es an Bürokratie bedeuten würde,
wenn wir in 16 verschiedenen Bundesländern 16 verschiedene Formen der Erbschaftsteuer hätten. Dann
müssten wir uns gemeinsam überlegen, ob wir auch
16 Doppelbesteuerungsabkommen vereinbaren müssen,
weil einige Unternehmen Niederlassungen in verschiedenen Ländern haben. Insofern verstehe ich die Position
der FDP an dieser Stelle nicht.
Zusätzlich will ich darauf hinweisen, dass sehr viele
Ministerpräsidenten im Vorfeld der Beratungen sehr
deutlich gemacht haben, dass sie die Frage, ob ihnen die
Erbschaftsteuereinnahmen zum Beispiel für Investitionen in Bildung zur Verfügung stehen, keineswegs als
Bagatellfrage ansehen, sondern in der Erbschaftsteuer
eine wichtige Einnahmequelle sehen.
({0})
Frau Kollegin, Sie haben nicht die Möglichkeit, eine
weitere Zusatzfrage zu stellen. Es tut mir leid.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. - Herzlich willkommen, Herr
Altmaier. Sie stehen zur Beantwortung der Fragen bereit.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Wolfgang Wieland
auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang
Schäuble, ein, das Abstimmungsverfahren oder Entscheidungsquorum im Bundesrat so zu verändern, dass die einfache Mehrheit der Stimmen entscheidend ist, und welche Pläne
hat die Bundesregierung, einen Vorschlag mit dem Ziel der
Veränderung des Entscheidungsquorums oder Abstimmungsverfahrens im Bundesrat vorzulegen?
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es handelt sich um
einen Vorschlag, den der Bundesminister des Innern und
der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herr Körper, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder
der gegenwärtigen Föderalismuskommission gemacht
haben.
Dies ist allerdings kein neuer Vorschlag. Sowohl Herr
Schäuble als auch Herr Körper haben einen Vorschlag
aufgegriffen, den die vorherige Bundesregierung im
Rahmen der Beratungen der ersten Föderalismuskommission bereits im Jahr 2003 gemacht hat. Dieser Vorschlag wird im Übrigen auch von namhaften Experten
unterstützt. Er war zum Beispiel Gegenstand der Vorschläge der Bertelsmannkommission „Verfassungspolitik und Regierungsfähigkeit, Entflechtung 2005“. Er
wird auch vom Konvent für Deutschland und dessen
Vorsitzenden, dem ehemaligen Bundespräsidenten Professor Dr. Roman Herzog, vertreten.
Die Bundesregierung hat zu diesem Vorschlag keinen
Beschluss gefasst, weil es sich um einen Vorschlag von
Mitgliedern der Föderalismuskommission handelt. Ich
habe allerdings keinen Zweifel, dass sich die frühere
Haltung der Bundesregierung im Vergleich zu heute
nicht verändert hat.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Das Letzte war nicht recht verständlich, Herr Staatssekretär. Wollen Sie damit, dass sich die frühere Haltung
der Bundesregierung nicht verändert habe, sagen, dass
diese Bundesregierung alle Meinungen der Vorgängerregierung übernimmt? Das wäre erstaunlich, aber so klang
es.
Wie kommt es denn, dass der Vorschlag gerade in
dem Moment gegenüber der Öffentlichkeit geäußert
wurde, als die Regierung zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode keine Mehrheit im Bundesrat für ein Gesetz bekam? Halten Sie es für einen guten Stil, dann vorzuschlagen, die Spielregeln zu ändern, weil man einmal
im Bundesrat durchgefallen ist?
Herr Kollege Wieland, Sie wissen, dass das Prinzip
der Diskontinuität zwar für Gesetzesvorlagen gilt, die in
den Bundestag eingebracht werden. Es gilt aber selbstverständlich nicht für Auffassungen und Haltungen der
Bundesregierung. Wenn wir von bisher vertretenen Auffassungen abweichen, dann pflegen wir dies in aller Regel auch zu sagen.
Im Übrigen ist der damalige Vorschlag der Bundesregierung, der Ihre Fraktion durchaus nahe stand, auf ein
breites positives Echo gestoßen. Ich zitiere aus einer
Pressemitteilung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/
Grünen vom 2. April 2003. Wörtlich heißt es:
In diesem Zusammenhang gilt es auch, das behäbige Abstimmungsverfahren im Bundesrat zu reformieren. Zur Diskussion steht dabei die Frage, ob
durch Enthaltungen einzelner Länder im Bundesrat
das Zustandekommen der erforderlichen Stimmenmehrheit weiterhin verhindert werden kann.
Ich möchte Ihnen die Frage stellen, ob Sie denn Ihre
Meinung geändert haben, nur weil das konkrete Abstimmungsverhalten zum BKA-Gesetz dann zu einem Ergebnis führen würde, das Ihnen möglicherweise nicht genehm ist.
Ich bin ja nicht kleinlich, aber derzeit spielen wir „Regierung fragt, Abgeordnete antworten“. Das können wir
gern auch einmal machen.
Nun zu meiner Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, müssen wir denn nicht beide feststellen, dass im Rahmen der Föderalismusreform I, die
Raum geboten hätte, so etwas zu machen, dieser Vorschlag erkennbar nicht verfolgt wurde, und zwar weder
im Paket der alten Bundesregierung enthalten war noch
von den neuen Mehrheiten umgesetzt wurde, und dass
bei der Föderalismusreform II, bei der es um die Finanzverhältnisse zwischen Bund und Ländern, um eine
Schuldenbremse und anderes geht, diese Frage nun
wahrlich überhaupt nichts zu suchen hat, es sei denn,
man nimmt an, dass Länder durch Geldzuwendungen
gekauft werden, wie es in der Vergangenheit geschehen
sein soll? Ich will das gar nicht vertiefen, aber führt dieser Hinweis auf die Föderalismusreform II nicht völlig
in die Irre?
Herr Kollege Wieland, da ich die Ehre habe, stellvertretendes Mitglied der Föderalismusreformkommission II zu sein, darf ich Sie daran erinnern, dass die
Mitglieder derselben ad personam vom Deutschen Bundestag und von den Fraktionen bestellt worden sind.
Die Vorschläge, die dort verhandelt werden, beziehen
sich auch, aber nicht nur auf den Bereich der Finanzbeziehungen. Sie betreffen beispielsweise auch die Verwaltungszusammenarbeit und eine Reihe von anderen
Feldern. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass in
dem einen oder anderen Fall Vorschläge, die in der
Föderalismusreformkommission I nicht behandelt oder
vereinbart werden konnten, in die Föderalismusreformkommission II eingebracht worden sind. Dies ist hier
durch zwei Mitglieder dieser Reformkommission geschehen. Das ist ein ganz normales demokratisches Verfahren, für das gerade Sie als Vertreter einer Fraktion,
die sehr großen Wert
({0})
auf die Rechte einzelner Abgeordneter legt, Verständnis
haben müssten.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Beantwortung übernimmt Herr Staatsminister Dr. Gernot Erler.
Die Frage 5 des Kollegen Axel E. Fischer, die sich
mit Menschenrechtsverletzungen im indischen Bundesstaat Orissa beschäftigt, muss nach den Gepflogenheiten
des Hauses schriftlich beantwortet werden.
Die Frage 6 des Kollegen Omid Nouripour wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Die Frage 7 des Kollegen Ernst-Reinhard Beck wird
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Frau Dagmar Wöhrl bereit.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Christian
Lange auf:
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Hält es die Bundesregierung für möglich, dass die Angaben über die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in
der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2005 ({0})
auf einer fehlerhaften Datenbasis basieren und somit auch die
Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlüsse falsch sein
könnten, bzw. wie sonst erklärt sich die Bundesregierung die
gravierende Veränderung der Datenbasis zwischen dem Berichtsjahr 2003 ({1}) und dem
Berichtsjahr 2005, nachdem in Deutschland im Berichtsjahr
2003 mindestens 514 454 Konzerne und sonstige Unternehmensgruppen existiert haben, denen 173 645 mehrheitlich
kontrollierte Unternehmen angehören ({2}),
und im Berichtsjahr 2005 nur von 117 793 Konzernen und
sonstigen Unternehmensgruppen mit 195 502 Unternehmen
ausgegangen wird ({3})?
Die Frage betrifft einen vermuteten Qualitätsabfall
bei der Berichterstattung der Monopolkommission in
den letzten beiden Jahren. Die Angaben über die Entwicklung der Unternehmenskonzentration entsprechen
jedoch dem aktuellen Kenntnisstand der Monopolkommission und der amtlichen Statistik. Eine grundsätzliche
Veränderung der Datenbasis zwischen dem XVI. Hauptgutachten der Monopolkommission, das sich auf das Berichtsjahr 2003 bezieht, und dem XVII. Hauptgutachten
der Monopolkommission, das sich auf das Berichtsjahr
2005 bezieht, ist nicht gegeben.
Tatsächlich hat es einen konzeptionellen und methodischen Wechsel in der Konzentrationsberichterstattung
gegeben, den die Monopolkommission im XVII. Hauptgutachten ausführlich erläutert hat. Mit dem Umstieg auf
das Unternehmensregister der amtlichen Statistik konnte
auf diese Weise erstmals eine umfassende Berichterstattung über nahezu alle Wirtschaftsbereiche erfolgen. Es
wurden nunmehr Unternehmen aus nahezu allen Wirtschaftsbereichen in Deutschland mit einem steuerbaren
Umsatz von mindestens 17 500 Euro und mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erfasst,
also bei weitem mehr als früher. Gleichzeitig konnte erreicht werden, dass in der Berichterstattung über den
Konzentrationsstand der deutschen Wirtschaft die wirtschaftlich aktiven und damit konzentrationsrelevanten
Unternehmen berücksichtigt werden.
Im XVI. Hauptgutachten musste die Monopolkommission für Aussagen über Unternehmensgruppen noch
auf die Datenbasis privater Anbieter zurückgreifen, die
auch Angaben zu wirtschaftlich nicht aktiven Einheiten
enthält.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, entnehme ich Ihren Worten zu Recht, dass die aufgezeigten Daten von 2003 auf 2005, also die Veränderung
von 173 645 Unternehmensgruppen auf nur noch
40 459, trotz der Umstellung, auf die Sie verwiesen haben, eine Konzentrationsbewegung zeigen, die sich in
der deutschen Wirtschaft sozusagen jenseits der Öffentlichkeit vollzogen hat, oder - um noch einmal nachzufragen - hat dies mit der Umstellung der Datenbasis zu
tun?
Das hat etwas mit der Umstellung der Datenbasis zu
tun. Ursprünglich stammten die Bestände aus zwei privaten Datenquellen, nämlich von VVC und BvD. Die
Angaben im XVII. Hauptgutachten zum Berichtsjahr
2005 stammten allerdings aus den Konzentrationsdatenbanken des Statistischen Bundesamtes, die auf dem Unternehmensregister der amtlichen Statistik basieren, in
der das wirtschaftliche Gewicht der Unternehmen wiedergegeben wird; die entsprechenden Kriterien - einen
Unternehmenswert in Höhe von mindestens 17 500 Euro
und/oder zumindest einen sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten - habe ich bereits erwähnt. Es bestand der
Wunsch, dass man die Datenbasis umstellt. Die neuen
Zahlen haben sich aus dem damaligen Bericht ergeben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, heißt das, dass weder das
XVI. noch das XVII. Gutachten in der Sache richtig war,
und hat dies Konsequenzen für die sachliche Auswertung? Da Sie gerade noch einmal die Datenbasis erläutert haben, stellt sich die Frage, ob dies für die inhaltliche Bewertung Konsequenzen hat. Da die Datenbasis in
beiden Gutachten eklatant unterschiedlich ist, drängt
sich geradezu die Frage auf, ob der Konzentrationsprozess entweder im XVI. oder im XVII. Hauptgutachten
falsch bewertet wurde.
Er ist nicht falsch bewertet worden. Es ist eine andere
Basis zugrunde gelegt worden. Im Gutachten wurde ausdrücklich erwähnt, wie sich die Basis zusammensetzt.
Dem Gutachten ist also zu entnehmen, dass keine Vergleichbarkeit gegeben ist.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Christian Lange
auf, die sich mit derselben Fragestellung beschäftigt:
Hält die Bundesregierung die empirischen Ergebnisse im
Konzentrationsbericht selbst, der von lediglich 118 168 Konzernen und Unternehmensgruppen mit 40 459 Unternehmen
ausgeht ({0}), was einen
Wegfall von über 75 Prozent innerhalb von zwei Jahren bedeutet, für glaubwürdig?
Der in der Frage erwähnte „Wegfall von über
75 Prozent“ ist nach den Hauptgutachten der Monopolkommission nicht zutreffend. Die genannten Zahlen sind
nicht korrekt wiedergegeben. Die Bezugsgröße für die
Berechnung der Veränderungsrate ist unklar. Es wird
unterstellt, dass der Wegfall von 75 Prozent durch
Gegenüberstellung der Angabe von 117 793 Unternehmensgruppen aus dem XVII. Hauptgutachten zum Berichtsjahr 2005 und der Angabe von 514 454 Unternehmensgruppen mit zwei und mehr Unternehmen im
integrierten Datenbestand von VVC und BvD aus dem
XVI. Hauptgutachten zum Berichtsjahr 2003 berechnet
wurde. Eine solche Gegenüberstellung ist jedoch nicht
möglich.
Während sich die erste Angabe auf einen Datenbestand zu wirtschaftlich relevanten Unternehmen bezieht,
ist die zweite Angabe den einmalig verknüpften Datenbeständen zweier privater Datenanbieter entnommen
- das habe ich vorhin schon ausgeführt -, bei denen die
wirtschaftliche Relevanz der Unternehmen nicht gesichert ist. Daher sind die empirischen Ergebnisse der
Konzentrationsberichterstattung auch glaubwürdig.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass bei der Berichterstattung nicht die Fallzahlen von Unternehmen
und Unternehmensgruppen im Vordergrund stehen, sondern das wirtschaftliche Gewicht der Unternehmen unter
Berücksichtigung ihrer Zugehörigkeit zu Unternehmensgruppen.
Noch eine Zusatzfrage? - Sie verzichten.
Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Dr. Ilja Seifert
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
auf:
Welche Personen in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, wussten bereits vor Juni 2008
von der radioaktiven Kontamination von Laugen - Lösungen in der Schachtanlage Asse II, und welche Entscheidung traf
man in der BGR, wie mit der Kenntnis über die Kontamination umzugehen sei, die die BGR durch den GSF-Quartalsbericht 1/2006 über die „Verfüllung des Tiefenaufschlusses“ - erhalten vom niedersächsischen Landesamt für Bergbau,
Energie und Geologie, LBEG, im Juni 2006 - erlangte?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Vielen Dank. - Ich beantworte die Frage wie folgt: Im
Rahmen von geowissenschaftlichen und geotechnischen
Forschungsarbeiten zum mechanischen Verhalten von
Salzgestein führt die BGR bereits seit vielen Jahren auf
unterschiedlichen Strecken der Schachtanlage Asse II
Versuche durch. Diese Versuche befassten sich ausschließlich mit gebirgsmechanischen und gesteinsphysikalischen Fragestellungen und dienten der Erprobung
von Geräten sowie der Entwicklung von Methoden.
Die Kontamination von Lösungen und andere im Hinblick auf den Strahlenschutz relevante Fragen waren
nicht Gegenstand der Untersuchungen. Hierfür hat auch
nicht die BGR, sondern haben der Betreiber und die
atomrechtlichen Aufsichtsbehörden die Fachkompetenz.
Auch im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit der
BGR für das LBEG wurden auftragsgemäß ausschließlich gebirgsmechanische und seismologische Fragestellungen behandelt. Das zeitweise vor Ort tätige Personal
der BGR wurde vom Asse-Betriebspersonal regelmäßig
belehrt und unter anderem auch darauf hingewiesen,
dass einzelne Bereiche der Schachtanlage aus betriebssicherheits- und strahlenschutzrelevanten Gründen nicht
für Versuche und Begehungen zur Verfügung stehen.
Eine genehmigungs- und strahlenschutzrechtliche Bewertung dieses Sachverhalts konnte von den BGR-Mitarbeitern aus drei Gründen nicht vorgenommen werden:
Erstens. Die Beurteilung dieses Sachverhaltes gehörte
nicht zu ihren Aufgaben. Zweitens. Die BGR-Mitarbeiter verfügten über keine strahlenschutztechnische Kompetenz. Drittens. Der gesamte Sachverhalt war nicht bekannt und musste von der BGR auch nicht geklärt
werden.
Der erwähnte GSF-Quartalsbericht 1/2006 ist vom
LBEG im Juni 2006 der Gesellschaft für Anlagen- und
Reaktorsicherheit, dem Niedersächsischen Ministerium
für Umwelt und auch der BGR übersandt worden. Darin
wurden unter anderem kontaminierte betriebliche Lösungen in der Schachtanlage Asse II erwähnt.
Aus Sicht der BGR war der Quartalsbericht nur hinsichtlich ihrer Forschungsarbeiten und ihrer gutachterlichen Tätigkeit auszuwerten. Dazu gehören nicht strahlenschutzrechtliche Befunde.
Die BGR konnte gemäß den Zuständigkeiten davon
ausgehen, dass sich die niedersächsischen atomrechtlichen Überwachungsbehörden NMU und LBEG mit
strahlenschutzrechtlichen Fragen befassen. Eine Berichtspflicht seitens der BGR gegenüber dem BMWi bestand vor diesem Hintergrund hinsichtlich strahlenschutzrechtlicher Belange nicht.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Staatssekretärin Wöhrl, jetzt muss ich meine
erste Zusatzfrage leider für etwas verwenden, von dem
ich dachte, dass es klar ist. Ich entnehme Ihrer Antwort,
dass die BGR der Ansicht war, dass ein Wissen, eine
Kenntnisnahme oder ein Informiertwerden über kontaminierte Laugen in der Asse keinerlei Anlass sind, diese
Kenntnis an irgendwen weiterzugeben. Habe ich Sie so
richtig verstanden?
Nein, so haben Sie mich nicht richtig verstanden. Ich
habe gesagt, dass die BGR eine gutachterliche Tätigkeit
für das LBEG ausgeübt hat und im Auftrag des BMBF
und der Europäischen Kommission mit Forschungsarbeiten befasst war. Die Auswertung, die sich daraus ergeben hat, ist nicht aufgrund strahlenschutzrechtlicher
Belange erfolgt, sondern nur für den Bereich, für den sie
zuständig gewesen sind. Es ist nicht ihre Aufgabe, und
sie hat nicht die Kompetenz, eine solche Auswertung
vorzunehmen.
Frau Präsidentin, muss ich tatsächlich meine beiden
Zusatzfragen darauf verwenden, klarzumachen, worauf
sich meine schriftliche Frage eigentlich bezog?
Ja, das müssen Sie wohl.
Ich habe nicht nach einer Bewertung gefragt, sondern
danach, wer davon Kenntnis hatte und wer das weiter
zur Kenntnis bekommen hatte. Meine Frage bezog sich
überhaupt nicht darauf, ob die BGR das bewertet hat.
Ich habe vorhin erwähnt, dass der besagte GSF-Quartalsbericht im Juni 2006 der Gesellschaft für Anlagenund Reaktorsicherheit, dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt und auch der BGR übersandt worden
ist. Das war im Juni 2006.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Hofreiter.
Ist das so zu verstehen, dass es - da die BGR nicht die
Aufgabe hat, sich um kontaminierte Lauge in der Asse
zu kümmern - letztendlich niemand im Wirtschaftsministerium zur Kenntnis bekam?
Darauf gehe ich in meiner Antwort auf die zweite
Frage der Abgeordneten Kotting-Uhl ein, die gleich
folgt. Soll ich die zweite Frage jetzt beantworten, Frau
Präsidentin?
Herr Kollege Hofreiter, sind Sie damit einverstanden,
dass Ihre Frage durch die Antwort auf die zweite Frage
der Kollegin Kotting-Uhl beantwortet wird? - Gut, dann
rufe ich die Frage 13 der Kollegin Kotting-Uhl auf:
Wann wurde das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie, BMWi, erstmals über die radioaktive Kontamination von Laugen - Lösungen - in der Schachtanlage Asse II
informiert - insbesondere durch die BGR -, und welche Entscheidung traf man im BMWi, wie mit dieser Information umzugehen sei?
Das ist dieselbe Frage, die auch der Kollege Hofreiter
eben gestellt hat.
Das Vorkommen von radioaktiv kontaminierten Laugen in der Schachtanlage Asse II wurde dem BMWi erstmals im Juni 2008 durch Presseartikel bekannt. Das
BMWi besitzt weder für die Schachtanlage Asse II noch
bei den aufgeworfenen strahlenschutzrechtlichen Fragestellungen eine unmittelbare Zuständigkeit. Daher beschränkte sich das BMWi darauf, das Reagieren der
federführend zuständigen Bundesressorts - BMBF und
BMU - sowie des Landes Niedersachsen zur Kenntnis
zu nehmen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich erlaube mir erst einmal einen kleinen Kommentar. Wenn der Kommunikationsfluss zwischen den Ministerien immer so ist, dann wundert mich manches nicht.
Aber jetzt zu meiner Zusatzfrage. Ich finde es schon
ziemlich ungeheuerlich, dass eine nachgeordnete Behörde des Wirtschaftsministeriums wichtige Informationen zu radioaktiver Kontamination im Bergwerk Asse
erhält, das Ministerium davon aber nichts erfährt. Vielleicht kann man daraus schließen, dass die BGR noch
weitere brisante Informationen zu Asse oder auch zu
Gorleben hat, wozu des Öfteren Sie sich geäußert haben,
von denen niemand etwas erfährt.
Ich habe deshalb die Nachfrage: Wer ist im Wirtschaftsministerium für den Informationsfluss aus der
BGR verantwortlich, und überprüft die Bundesregierung
- nachdem sie jetzt weiß, dass diese Informationen, die
doch relativ relevant sind, nicht weitergegeben wurden -,
ob personelle Konsequenzen zu ziehen sind?
Es sind hier keine personellen Konsequenzen zu ziehen, weil - wie ich Ihnen schon dargestellt habe - die
BGR ihren Zuständigkeiten entsprechend völlig richtig
gehandelt hat. Sie war nicht verpflichtet, hier dementsprechend tätig zu werden. Tätig werden müssen hätten
ausschließlich die niedersächsischen atomrechtlichen
Überwachungsbehörden, nämlich NMU und LBEG, die
mit den strahlenschutzrechtlichen Fragen befasst sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Lauge in das
Bergwerk Asse eindringt. Außerdem haben Geologen
und Ingenieure, die vor Ort sehr bekannt sind, wie HansHelge Jürgens, schon vor Jahrzehnten vor dem Risiko
gewarnt, dass es eines Tages kontaminierte Lauge im
Bergwerk Asse geben könnte; diese hat es offensichtlich
auch schon vor den Warnungen des Herrn Jürgens gegeben. Deshalb meine Frage: Hat das Wirtschaftsministerium diese Warnungen nicht ernst genug genommen, um
die BGR mit einer genauen Untersuchung dieses Risikos
zu beauftragen?
Frau Kollegin, soweit mir bekannt ist, ist das endgültige Schließungskonzept für die Asse II viele Jahre lang
vorbereitet worden. Forschungsarbeiten in der Asse waren noch bis, glaube ich - ich möchte mich jetzt nicht
festlegen; aber ich gebe es Ihnen gerne schriftlich -, zum
Jahre 1995 möglich. Meines Wissens wurden bis 2004
die alten Abbauhohlräume mit Rückständen verfüllt. Die
Umsetzung des Schließungskonzepts sollte bis zum
Jahre 2014 abgeschlossen sein.
({0})
Frau Kollegin Kurth.
Frau Staatssekretärin, ich hoffe immer noch, dass ich
etwas falsch verstanden habe. Deshalb frage ich noch
einmal nach: Habe ich es richtig verstanden, dass in der
BGR durch den Quartalsbericht bekannt war, dass man
es in der Asse mit kontaminierter Lauge zu tun hat, dass
man dies aber, weil man nicht für die Bewertung dieser
Situation zuständig war, nicht entsprechend weitergemeldet hat? Mich erinnert das an die Situation: Es
brennt. Aber da ich nicht dafür zuständig bin zu melden,
dass es brennt, gucke ich mir den Brand an.
Da die BGR vom Forschungsministerium beauftragt
gewesen ist, weiß ich nicht, was die BGR im Rahmen
dieses Auftrages an das BMBF weitergegeben hat. Das
entzieht sich meinem Wissensstand. Sie wissen, dass die
Zuständigkeit für die Asse II ab 1. Januar 2009 vom
BMBF auf das BMU übergeht. Da der Auftrag, hier gutachterlich tätig zu werden, vom BMBF ausging, kann
ich Ihnen nicht sagen, inwiefern hier Nachrichten weitergegeben worden sind oder nicht.
Das Wort zu einer weiteren Zwischenfrage hat der
Kollege Steenblock.
Frau Staatssekretärin, mittlerweile schreit das Antwortverhalten der Bundesregierung an dieser Stelle fast
nach einem Untersuchungsausschuss. Aber ich frage
noch einmal konkret nach. Ich kann ja verstehen, dass
Sie sagen, die nachgeordnete Stelle Ihres Ministeriums
war dafür nicht zuständig und ging davon aus, dass andere, zuständige Behörden reagieren würden.
Nun ist die Kontamination in diesem Bereich der
Asse ziemlich dramatisch; das haben wir in diesem Jahr
bemerkt. Der Ihrem Ministerium nachgeordnete Bereich
hat aufgrund fehlender Zuständigkeit nicht sofort reagiert, wusste aber, dass wochenlang, monatelang, jahrelang nichts passierte, obwohl eine Kontamination in der
Asse stattfindet. Aufgrund dieses Wissens hätte man sich
doch verantwortlich fühlen und das Ministerium informieren müssen. Das ist aber nicht geschehen; das haben
Sie heute gesagt. Zieht Ihr Ministerium aus dieser völlig
unbefriedigenden Zuständigkeit und diesem Verhalten
der Verantwortlichen, die ihr Wissen nicht weitergegeben haben, die Konsequenz, dass Umstrukturierungen
zumindest im Informationsfluss notwendig sind, aber
auch im Hinblick auf die Art und Weise, wie Beamte
ihre Verantwortung wahrnehmen?
Ich wiederhole noch einmal: Das Wirtschaftsministerium hat davon im Juni 2008 Kenntnis erlangt. Eine
Berichtspflicht seitens der BGR gegenüber meinem Ministerium bestand vor dem Hintergrund strahlenschutzrechtlicher Belange nicht.
Herr Hofreiter, bitte.
Um sich das praktisch vorzustellen: Da wird ein Bericht, in dem extrem alarmierende Sachen stehen, an die
BGR geschickt, und man ignoriert ihn über Jahre. Lesen
die die Berichte nicht? Wo liegt die Ursache? Ich war in
verschiedenen Bereichen tätig und kann nur sagen:
Wenn ich eine Information bekommen habe, für die ich
persönlich zwar nicht zuständig war, die aber mehr als
alarmierend war, dann habe ich nicht gesagt: „Egal, ich
bin nicht zuständig“, und habe den Bericht weggeschmissen, sondern ich habe - so heißt es in formalem
Deutsch - Amtshilfe geleistet und den Betroffenen informiert. Wie kann ich mir das nun in diesem Fall vorstellen? Haben die den Bericht gelesen und gedacht: „Oh
Scheiße! Den legen wir in die unterste Schublade“, und
das war es dann? Ich möchte mir das als normaler, einfacher Abgeordneter vorstellen können.
Sie kennen den Aufgabenbereich der BGR. Sie befasst sich mit gebirgsmechanischen und seismologischen
Fragen. Das Gutachten wurde von der BGR hinsichtlich
ihrer Fragen ausgewertet. Sie hat ihre Aufgaben in diesem Bereich erfüllt.
Herr Kollege Hofreiter, ich bitte Sie, Worte zu verwenden, die dem parlamentarischen Sprachgebrauch
entsprechen.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen, Frau
Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Klaus
Brandner.
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Elke Reinke auf:
Inwiefern erachtet die Bundesregierung die Tatsache, dass
die Inanspruchnahme des Vermittlungsbudgets im Rahmen
des am 1. Januar 2009 in Kraft tretenden Gesetzes zur Neu20662
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
ausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, das Änderungen im Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch,
SGB II und SGB III, nach sich zieht, allein im Ermessen des
Vermittlers liegt und kein Rechtsanspruch darauf besteht, als
zielführend, und auf welche Weise werden dadurch die ersetzten bisherigen Instrumente - unter anderem freie Förderung,
Bewerbungskosten, Mobilitätshilfen - aufgefangen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Danke sehr, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin
Reinke, das Vermittlungsbudget führt die bisherigen, detailliert geregelten Einzelleistungen zu einem einfachen,
flexiblen und bedarfsgerechten Instrument zusammen.
Zusätzlich eröffnet es darüber hinausgehende Spielräume. Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung,
dass eine leistungsstarke öffentliche Arbeitsvermittlung
den Vermittlungskräften Freiräume bieten muss, um
Ausbildung- und Arbeitsuchende individuell und bedarfsgerecht unterstützen zu können. Das Vermittlungsbudget ermöglicht genau das, nämlich unterschiedliche
Vermittlungshemmnisse zielgerichtet und bedarfsorientiert zu beseitigen. Das bedeutet: Alle Leistungen, die im
Rahmen der derzeit geltenden Regelung erbracht werden, können weiterhin gewährt werden. Darüber hinaus
ist jede weitere Unterstützung bei der Anbahnung und
der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich, wenn sie für die berufliche Eingliederung
notwendig ist.
Auch bisher liegt die Gewährung von Leistungen wie
die Erstattung von Bewerbungskosten oder Mobilitätshilfen im Ermessen der Vermittlungsfachkraft. Ein
Rechtsanspruch darauf besteht nicht. Über die Notwendigkeit und den am jeweiligen individuellen Bedarf
orientierten Umfang der Unterstützung sollen gerade die
Vermittlungsfachkräfte oder die Fallmanager vor Ort
entscheiden und nicht der Gesetzgeber oder die Zentrale
der Bundesagentur für Arbeit. Deshalb ist das neue Vermittlungsbudget, wie im Übrigen fast alle Leistungen
der aktiven Arbeitsförderung, als Ermessensleistung
ausgestattet. Der Zuwachs an Flexibilität bei der vermittlerischen Betreuung berücksichtigt im Übrigen die hohe
fachliche Qualifikation der Vermittler. Sie sind in der
Lage, sachkundige Einzelfallentscheidungen mit Blick
auf die jeweils spezifischen Bedarfe der Arbeitslosen zu
treffen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank. - Bedeutet das jetzt, dass die Betroffenen zukünftig nicht mehr erfahren, zu welchen konkreten Leistungen sie Zugang haben?
Selbstverständlich regeln das SGB II und das SGB III
einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Die Frage des
Einsatzes der Maßnahme selbst ist Aufgabe des Fallmanagers, die er im Zusammenhang mit der Beratung des
Einzelnen und in Kenntnis der jeweiligen Defizite des zu
Vermittelnden erfüllt. Um genau ihn zu unterstützen, in
Arbeit zu kommen, oder um eine Arbeitsaufnahme zu
fördern, steht ein ganzer Strauß von Möglichkeiten zur
Verfügung, über die der jeweilige Fallmanager im Rahmen seines Budgets entscheiden kann.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Das bedeutet also, dass der Fallmanager oder die Fallmanagerin Kenntnis hat. Das ist okay, und das soll so
sein. Aber die Transparenz sollte hergestellt werden, damit auch die Betroffenen wissen, was ihnen zusteht und
welche Möglichkeiten sie haben. Diese sollten nicht in
die Rolle des Bittstellers geraten. Das kann nicht Ziel
und Zweck der Übung sein. Außerdem bezweifle ich,
dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon zurzeit oftmals wegen ihrer Qualifikation überfordert sind
und es zahlenmäßig nicht schaffen, zukünftig dann mit
den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zurechtkommen. Vielleicht erteilen Sie eine Auskunft dazu, wie die
Fortbildung und die Qualifikation der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in Zukunft gestaltet werden.
Frau Kollegin Reinke, Sie wissen, dass sowohl an der
Fortbildung und der Qualifikation der Mitarbeiter als
auch am Umfang der Zahl der Mitarbeiter regelmäßig
gearbeitet wird. Sie wissen, dass wir gerade darüber beraten, ob erneut weitere Stellen ausgewiesen werden
können. Im Kern geht es darum, dass das politische Ziel
der Bundesregierung, einen entsprechenden Schlüssel
für die Vermittlung zu erreichen, zielgerichtet verfolgt
wird. Aber klar ist auch, da Sie die Transparenz ansprechen, dass in der Eingliederungsvereinbarung konkret
festgelegt wird, welche Maßnahmen zwischen dem Arbeitslosen und dem Fallmanager besprochen werden,
womit Transparenz über die einzelnen Schritte und die
einzelnen Verantwortlichkeiten sichergestellt wird.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Elke Reinke auf:
Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung aufgrund des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts
({0}), nach dem die Hartz-IV-Regelsätze nicht
ausreichen, um das soziokulturelle Existenzminimum abzudecken, und folglich gegen das Grundgesetz verstoßen, und wird
die Bundesregierung den zahlreichen von Sozialverbänden
und Wissenschaftsinstituten vorgelegten Expertisen folgen,
die einen deutlich höheren als im Zuge des Siebenten Existenzminimumberichts vorgesehenen Eckregelsatz - zum Beispiel 440 Euro - für zwingend notwendig - falls nein, bitte
begründen - erachten?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Kollegin Reinke, das Hessische Landessozialgericht hält laut Pressemitteilung vom 29. Oktober 2008 in
dem Verfahren Az. L6 AS 336/07 eine Vorschrift für
verfassungswidrig, nach der die Regelleistung für Kinder, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, auf 60 Prozent der maßgebenden Regelleistung für eine alleinstehende Person festgesetzt ist. Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales hat für die Bundesregierung an dem
Verfahren teilgenommen. Ein Protokoll der Sitzung vom
29. Oktober 2008 liegt derzeit ebenso wenig vor wie die
schriftliche Ausfertigung des Beschlusses. Ich bitte Sie
daher um Verständnis, dass allein aufgrund des Gerichtsverfahrens derzeit kein Handlungsbedarf besteht.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Vielen Dank. - Vielleicht können Sie mir die Frage
beantworten, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn die Bundesregierung die Erhöhung des Regelsatzes zukünftig an
den tatsächlichen Lebenshaltungskosten festmachen
würde und nicht mehr wie jetzt am Rentenwert.
Die Bundesregierung prüft zurzeit Verfahren, wie anhand der jeweiligen Bedarfsermittlung auch ein kinderspezifischer Regelsatz ermittelt werden könnte. Zurzeit
ist es so, dass wir abgeleitete Regelsätze haben. Sie sind
in der Rechtsprechung - zumindest auf der Ebene der
höchstrichterlichen Rechtsprechung - bis jetzt nicht beanstandet worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sie haben gesagt: Wir überprüfen gerade die Höhe der
kinderspezifischen Regelsätze. Auch in der Ausschusssitzung vorhin wurden nur allgemeine Ausführungen gemacht. Können Sie mir vielleicht einen Zeitrahmen nennen, in dem wir mit Ergebnissen rechnen können?
Können Sie mir sagen, welche Vorstellungen bei Ihnen
vorherrschen? In welche Richtung wird es gehen? Wie
wird die ungefähre Höhe sein?
Selbstverständlich werden wir die Ergebnisse abwarten müssen, die durch das Statistische Bundesamt und
durch eine entsprechende Bedarfssetzung erzielt werden.
Diesen Ergebnissen können und wollen wir nicht vorgreifen. Sie sollten jedenfalls sicher sein, dass an diesem
Vorhaben sehr konkret und zeitnah gearbeitet wird.
Die Frage 16 der Kollegin Sabine Zimmermann wird
schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Vielen Dank, Herr Brandner, für die Beantwortung der
Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf.
Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann werden schriftlich beantwortet, ebenso die
Frage 19 der Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Die
Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Achim Großmann.
Die Frage 20 der Kollegin Veronika Bellmann wird
schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 21 der Kollegin
Veronika Bellmann.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Dr. Anton
Hofreiter auf:
Wie sollen nach Auffassung der Bundesregierung die Gewinne der DB Mobility Logistics AG verwendet werden,
nachdem der Börsengang abgesagt wurde und damit Gewinne
der DB Mobility Logistics AG nicht an Dritte ausgeschüttet
werden müssen, und inwieweit hält die Bundesregierung die
Verwendung der Gewinne der DB Mobility Logistics AG für
weitere Zukäufe im Logistikbereich für sinnvoll?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege
Hofreiter, in Übereinstimmung mit § 5.2 des Beteiligungsvertrages wird zwischen der Deutschen Bahn AG
und der DB Mobility Logistics AG bis zur Beteiligung
außenstehender Aktionäre ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestehen. Somit fließen Gewinne der DB Mobility Logistics AG an die Deutsche
Bahn AG. Wofür die Mittel verwendet werden, entscheiden Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung der
Deutschen Bahn AG nach Maßgabe der aktienrechtlichen Regelungen. Wenn Sie wünschen, kann ich Ihnen
gern den entsprechenden Passus aus dem Beteiligungsvertrag vorlesen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Ist daran gedacht, dass der Bund als Alleineigentümer
auf die DB AG Einfluss nimmt? Das Geld, das durch die
Privatisierung eingenommen und in die Infrastruktur investiert werden sollte, fließt nämlich nun in Form von
Gewinnausschüttungen an den Bund und könnte so zur
Finanzierung der ursprünglich geplanten Maßnahmen
verwandt werden. Plant der Bund in seiner Eigenschaft
als Alleineigentümer, solche Maßnahmen bei der Gesellschafterversammlung oder über den Aufsichtsrat durchzusetzen?
Herr Kollege, ich glaube, es macht Sinn, dass wir die
Prüfung des Jahresabschlusses 2008 abwarten. Das geschieht gemeinhin zwischen Mitte März und Mitte April.
Dann kennt man das Ergebnis, und dann sind die Gremien, die ich gerade genannt habe, gefordert, eine Entscheidung zu treffen. Bis dahin sollte man sich diesen
Überlegungen nicht hingeben. Es gibt Wichtigeres zu
tun.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Die Aussage „Es gibt Wichtigeres zu tun“ ist in diesem Zusammenhang sicher richtig, verblüfft aber trotzdem: Zuerst hieß es, dass der Börsengang das Wichtigste
überhaupt ist, weil wir die Einnahmen daraus für die Infrastruktur brauchen. Jetzt heißt es: Es gibt Wichtigeres
zu tun, als sich zu überlegen, wie man die Infrastruktur
mithilfe der Gewinne der DB AG verbessern kann. Das
ist meiner Meinung nach völlig unverständlich. Können
Sie diesen Widerspruch aufklären?
Diesen Widerspruch kann ich aufklären. In beiden
Fällen, die Sie geschildert haben, sind die entsprechenden Einnahmen noch nicht vorhanden. Weder hat ein
Börsengang stattgefunden, noch wissen wir, ob und in
welcher Höhe wir Gewinne zu gewärtigen haben. Da
sind wir zwar froher Hoffnung - die Abschlüsse der ersten drei Quartale waren gut -; trotzdem sollten wir uns
mit dieser Frage erst beschäftigen, wenn wir wissen, um
welche konkreten Summen es geht.
Dann rufe ich die Frage 23 des Kollegen Hofreiter
auf:
Wie schätzt die Bundesregierung die Entwicklung des Logistikmarktes insbesondere vor dem Hintergrund des Scheiterns des Amerika-Engagements der Deutschen Post AG ein,
und wie beurteilt die Bundesregierung das Engagement der
bundeseigenen Deutschen Bahn AG auf dem Logistikmarkt?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Dr. Hofreiter, die im Zuge der Globalisierung zunehmende globale Arbeitsteilung bei der Produktion von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen, die vermehrte Auslagerung von Leistungen, die
nicht zum Kerngeschäft gehören, also das sogenannte
Outsourcing, sowie die fortschreitende Liberalisierung
des weltweiten Handels haben in den letzten Jahren zu
einer deutlichen Zunahme der weltweiten Transportströme geführt und damit auch die Nachfrage nach
Transport- und Logistikleistungen erhöht. Es handelt
sich hierbei um wesentliche strukturelle Veränderungen,
die trotz konjunktureller Abschwünge zu einer weiterhin
wachsenden Bedeutung und damit grundsätzlich positiven Entwicklung des Logistikmarktes führen.
Vor diesem Hintergrund ist für die Deutsche
Bahn AG ein Engagement auf dem weltweiten Logistikmarkt von vitalem Interesse, nicht zuletzt deshalb, weil
die verladende Wirtschaft - damit meine ich die Industrie und die Spediteure - mehr und mehr verkehrsträgerübergreifende Transportlösungen aus einer Hand verlangt.
Von der Entscheidung der Deutschen Post AG, sich
vom nationalen US-Expressmarkt zurückzuziehen, ist
das bestehende Engagement im Logistikbereich nicht
betroffen.
Ihre Zusatzfragen.
Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass es eine
sinnvolle Aufgabe für den deutschen Steuerzahler, dessen Geld in der DB Mobility Logistics AG und anderen
Unternehmen steckt - das alles ist zu 100 Prozent in öffentlichem Eigentum -, bzw. den deutschen Staat ist, die
Risiken des internationalen Logistikmarkts zu übernehmen? Mir als einfachem Abgeordneten, wie Herr
Königshofen heute gesagt hat, leuchtet nicht ein, dass
der deutsche Staat in den USA Luftfrachtlogistik betreiben muss. Können Sie wirklich ernsthaft vertreten, dass
das eine Aufgabe des deutschen Staates ist?
Herr Dr. Hofreiter, ich erinnere mich spontan an ungefähr hundert Gelegenheiten, bei denen wir dieselbe
Frage diskutiert haben. Ich werde nicht müde, Ihnen immer wieder zu erklären, dass ein Unternehmen, das den
Schienengüterverkehr organisieren muss, sich auf Entwicklungen im Logistikmarkt einstellen muss. Es ist
nicht nur die Auffassung der Bundesregierung, sondern
eine Auffassung, die man landauf, landab hört, dass es
positiv ist, Logistikketten zu organisieren, um dann in
dem jeweiligen Land auch der Transporteur zu sein.
In den letzten Jahren haben defizitäre Bahntöchter
wie DB Netz und DB Station & Service davon profitiert
- wir haben immer wieder darauf hingewiesen -, dass es
auch starke DB-Töchter gab. Die haben nämlich Gewinne eingefahren, die man den anderen Infrastrukturtöchtern zur Verfügung stellen konnte. Ich glaube, dieses
Geschäft hat sich für den deutschen Steuerzahler bisher
sehr gelohnt.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich habe nicht danach gefragt, wie sich ein Logistikunternehmen sinnvoll international aufstellt, sondern danach, ob Sie es für eine Aufgabe des deutschen Staates
halten, das international zu organisieren. Es gibt weitere
Beispiele. Die Spezialtransporte für die Minen in Australien zum Beispiel werden von der DB AG - zu
100 Prozent im Eigentum des deutschen Staates - organisiert. Meine Frage ist: Sehen Sie das als eine Aufgabe
des deutschen Staates an?
Dann will ich noch etwas präziser antworten als eben.
Die Deutsche Bahn ist aktienrechtlich privatwirtschaftlich organisiert. Zu ihrem Kerngeschäft gehört der
Transport von Gütern. Dieser Transport von Gütern entwickelt sich im internationalen Bereich in Logistikketten. Es macht auch Sinn - ich habe eben schon darauf
hingewiesen -, in diesem Geschäftsfeld präsent zu sein,
weil sonst Wettbewerber, die nach der Liberalisierung
im Schienengüterverkehr in Deutschland fahren dürfen,
die Gewinne vereinnahmen, die uns und damit dem
deutschen Steuerzahler in den letzten Jahren insofern zugute gekommen sind, als wir damit Defizite bei den Infrastrukturunternehmen ausgleichen konnten.
Die Fragen 24 und 25 der Kollegin Elisabeth
Scharfenberg werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 26 des Kollegen Lutz
Heilmann auf:
Wie viele Eisenbahnkreuzungen mit Straßen in kommunaler Baulast befinden sich an der Schienenstrecke zwischen
Bad Schwartau und Puttgarden, die laut dem deutsch-dänischen Staatsvertrag über den Bau einer festen FehmarnbeltQuerung „spätestens sieben Jahre nach der Eröffnung“ der
festen Fehmarnbelt-Querung von einer ein- zu einer zweigleisigen elektrifizierten Schienenstrecke ausgebaut werden soll?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte gerne
mit Ihrer Erlaubnis diese und die nächste Frage wegen
ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dem Fragesteller geht dadurch ja keine Zusatzfrage verloren.
Dann rufe ich auch die Frage 27 auf:
Würde die laut dem deutsch-dänischen Staatsvertrag über
den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung „spätestens bis
zur Eröffnung“ der festen Fehmarnbelt-Querung vorgesehene
Elektrifizierung der teils zwei-, teils eingleisigen Schienenstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden die Anwendung von
§ 13 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes zur Folge haben, und,
wenn ja, wie viele Straßen in kommunaler Baulast wären davon betroffen?
Herr Kollege Heilmann, Deutschland hat sich im
Staatsvertrag über den Bau einer festen FehmarnbeltQuerung vom 3. September 2008 zum Ausbau der Hinterlandanbindungen verpflichtet. Die vertragsgemäße
Anbindung der festen Fehmarnbelt-Querung für Straße
und Schiene auf deutscher Seite von Lübeck bis Puttgarden wird bis dahin realisiert.
Bis zur Eröffnung der festen Fehmarnbelt-Querung
soll die vorhandene eingleisige Schienenstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden elektrifiziert werden. Darüber hinaus soll sieben Jahre nach Eröffnung der festen
Fehmarnbelt-Querung der Ausbau der Schiene zwischen
Lübeck und Puttgarden zu einer zweigleisigen Strecke
abgeschlossen sein. Die Fehmarnsundbrücke bleibt eingleisig. Die DB Netz AG hat im Juni 2008 mit der Vorentwurfsplanung für die Schienenanbindung begonnen,
die eine Vorzugsvariante für diesen Ausbau und entstehende Kosten ermitteln soll. Ergebnisse werden im Verlauf des Jahres 2009 vorliegen. Bis dahin können wegen
möglicher Trassenveränderungen keine Aussagen bezüglich der Anzahl von Eisenbahnkreuzungen in kommunaler Baulast bzw. der betroffenen Kommunalstraßen
getroffen werden.
So, Herr Kollege Heilmann, Ihre Zusatzfragen.
Die habe ich selbstverständlich. - Ich danke zunächst
für die Ausführungen. Ich möchte aber jetzt nachfragen,
ob Sie nicht doch Zahlen haben. Es gibt ja den Umweltkonsultationsbericht Eine feste Fehmarnbeltquerung und
die Umwelt von 2006. Dort steht auf Seite 16 im Absatz
„Anlagenbedingte dauerhafte Auswirkungen“ unter dem
Stichwort „Fremdenverkehr“:
Alle 43 Bahnübergänge zwischen Lübeck und Puttgarden bleiben in Betrieb.
Herr Staatssekretär, Sie haben das ja eben alles noch
einmal sehr deutlich erklärt. Ihre Ausführungen stehen
jedoch im Widerspruch zu dem genannten Umweltbericht. Nach diesem kann man ja davon ausgehen, dass es
schon Zahlen gibt. Ich möchte einfach darauf hinweisen,
dass es, auch wenn es für Sie im Verkehrsministerium
nicht sehr viel Geld ist, für kleine Kommunen in Ostholstein, die einen solchen Bahnübergang laut § 13 Eisenbahnkreuzungsgesetz ertüchtigen und dafür 10 000 Euro
aufwenden müssen, schon eine Menge Geld ist. Deshalb
frage ich hier noch einmal nach, um den Kommunen entsprechende Auskünfte geben zu können.
Es ist gut möglich, dass die von Ihnen zitierte Aussage aus dem Bericht und die Zahlenangabe stimmen.
Trotzdem ist es so, dass man sich dann, wenn man in die
konkrete Planung eines solchen Ausbauprojektes geht,
erst einmal darüber verständigen muss - hier hat, wie gesagt, gerade die Vorplanung begonnen -, ob auf der bestehenden Trasse die geforderte Zweigleisigkeit hergestellt werden kann. Ich erinnere mich an andere Projekte
- ich sitze zum Beispiel im Projektbeirat der zwischen
Oberhausen und der holländischen Grenze verlaufenden
Betuwe-Linie, wo es um den Bau eines dritten Gleises
geht -, bei denen nicht automatisch klar war, dass das
weitere Gleis immer neben der vorhandenen Trasse
liegt: Es kann Radiusänderungen geben, das Gleis kann
teilweise rechts oder links von der bestehenden Trasse
liegen. Das heißt, im Rahmen der Konfiguration der
Trasse wird es unter Umständen noch zu Änderungen
kommen. Deshalb ist, wie ich glaube, die Aussage richtig, dass wir zum Zeitpunkt der beginnenden Vorplanung
noch nicht sagen können, welche konkreten Auswirkungen dieses Bauvorhaben haben wird.
Sie haben völlig recht: Das Eisenbahnkreuzungsgesetz nimmt auch die Kommunen mit in Haftung. Darin
ist so geregelt, dass abhängig von der Art der Straßen
und der anderen Verkehrsträger, die die Trassen kreuzen,
Umlagen erhoben werden. Auch hier gibt es dann aber
die Möglichkeit - das mögen die nächsten Jahre zeigen -,
tragfähige Lösungen zu finden. Wieder einmal gespiegelt auf Nordrhein-Westfalen - ohne dass ich damit sagen will, dass diese Lösungen auch alle für SchleswigHolstein infrage kommen -, kann ich zum Beispiel sagen, dass die Mittel, die der Bund nach den Beschlüssen
der ersten Föderalismuskommission aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz den Ländern zur Verfügung
stellt, natürlich auch für die Beseitigung von Eisenbahnkreuzungen in Anspruch genommen werden können.
Das heißt, den Kommunen kann ein Großteil der entstehenden Kosten auch mit Bundesgeld über die betroffenen Länder ersetzt werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich habe noch eine Nachfrage. - Ich habe vorhin aus
dem Umweltkonsultationsbericht zitiert. Erst heute hatte
ich ein Gespräch mit Vertretern, die sich sehr vehement
für die Fehmarnbelt-Querung in Deutschland einsetzen.
Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen, in denen
viel über Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und soziale Belange enthalten ist.
Sie sagen, dieser Bericht sei zwar schön geschrieben
und enthalte viele Punkte, aber es könne am Ende ganz
anders kommen. Wir müssen also ganz neu über das Projekt nachdenken; denn Ihrer Antwort entnehme ich mehr
oder weniger, dass vieles, was bisher geschrieben wurde,
zwar Anhaltspunkte sein können, aber dennoch nach
dem Motto „Papier ist geduldig“ verfasst wurden. Ist das
so? Können Sie bestätigen, dass Sie mir keine definitive
Aussage darüber geben können, wie viele Übergänge es
gibt, bei denen Kommunen womöglich zahlen müssen?
Herr Heilmann, ich glaube, Sie verwechseln immer
noch zwei Bewertungsgrundsätze. Die Aussage, die Sie
zum zweiten Mal zitiert haben, besagt, dass es angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Bahntrasse befahren wird, nicht notwendig wäre, diese 43 Bahnübergänge aufzuheben. Ich habe gesagt, dass im Rahmen der
Vorplanung unter Umständen Vorschläge dazu gemacht
werden. Vielleicht kommen sie sogar von den Kommunen; denn viele Kommunen sind im Rahmen ihrer städtebaulichen Entwicklung mit der Bahn in Verhandlungen
darüber, Bahnübergänge aufzulösen. In der Planung
könnte, ausgelöst durch verschiedene am Verfahren Beteiligte, durchaus eine Situation entstehen, die mich veranlasst, diese Zahl zu korrigieren. Deshalb verweise ich
noch einmal auf die Vorplanung.
Ich glaube, die Zusammenführung der beiden völlig
unterschiedlichen Bewertungsgrundsätze - das haben
Sie gerade versucht - ist einfach nicht zulässig.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich möchte noch eine Klarstellung anfügen. Dieser
Umweltkonsultationsbericht ist ja nicht von irgendwem
herausgegeben worden. Er ist auf deutscher Seite vom
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und auf dänischer Seite vom Ministerium für Verkehr und Energie herausgegeben worden. Die Bundesregierung ist also daran beteiligt gewesen. Führen Sie
jetzt konkrete Gespräche mit ostholsteinischen Kommunen, zum Beispiel mit den Städten Neustadt und Oldenburg, ob Bahnübergänge aufgelöst und stattdessen Brücken oder Tunnel gebaut werden können?
Da ich in den letzten beiden Antworten darauf hingewiesen habe, dass die Bahn gerade erst mit der Vorplanung begonnen hat, ist für jeden einsichtig, dass es derartige Gespräche noch gar nicht geben kann.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Die Parlamentarische Staatssekretärin Klug sitzt neben Ihnen auf der Regierungsbank. Der Umweltminister
hat im Mai in Ostholstein auf einer Veranstaltung die
Meinung geäußert, er halte die Fehmarnbelt-Querung
- das ist nicht von mir; das hat der Bundesumweltminister so gesagt - für eine „bekloppte Idee“. Letzte Woche
hatte die Frau Staatssekretärin Besuch aus Ostholstein,
wenn ich es den Zeitungen richtig entnommen habe.
Vor dem Hintergrund, dass hier offensichtlich Uneinigkeit in der Bundesregierung zwischen dem Bundesumweltministerium, das von einer „bekloppten Idee“
spricht, und Ihrem Ministerium - Herr Tiefensee hat sich
in Elmshorn ganz anders geäußert - herrscht, möchte ich
fragen, welche Auswirkungen diese Uneinigkeit auf das
bevorstehende Ratifizierungsverfahren hat. Letzte Woche wurde uns der entsprechende Gesetzentwurf vorgelegt.
Ich gehe einmal davon aus, dass Sie dann von Uneinigkeit in der Bundesregierung sprechen können, wenn
Herr Gabriel diese Äußerung am Kabinettstisch bei der
Verabschiedung des Staatsvertrages wiederholt. Warten
wir das doch einmal ab! Ich gehöre nicht zu der PolitiParl. Staatssekretär Achim Großmann
kergeneration, die jede Äußerung eines Politikers kommentieren muss. Ich finde, man darf einem auch einmal
etwas durchgehen lassen.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Rainder
Steenblock auf:
Mit welcher Begründung hält die Bundesregierung trotz
stark veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen und der
Tatsache, dass bisher noch nicht feststeht, in welcher Form
eine feste Querung über den Fehmarnbelt realisiert werden
wird - Tunnel oder Brücke - und somit auch die ökologischen
Auswirkungen des Projektes in keinster Weise bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können, an dem
Plan fest, das Bundeskabinett im Dezember 2008 über den
Bau der Brücke entscheiden zu lassen?
Lieber Rainder Steenblock, für die Bundesregierung
gibt es keinen Anlass, die Kabinettsbefassung zu verschieben. Im Vorfeld der Unterzeichnung des Staatsvertrages ist das Projekt sehr sorgfältig untersucht worden.
Dies betrifft insbesondere die umweltbezogenen Fragen.
Die Ergebnisse sind in den Entscheidungsprozess eingeflossen. In den nun folgenden Plan- und Genehmigungsverfahren sind unter anderem die ökologischen Auswirkungen vertieft zu untersuchen und abzuwägen, und es
ist zu entscheiden, ob die Querung als Brücke oder als
Tunnel realisiert werden soll. Dies ist das vorgegebene
Verfahren. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine
feste Fehmarnbelt-Querung ist festgelegt, dass das
Königreich Dänemark die feste Fehmarnbelt-Querung
errichten und betreiben wird und die Kosten trägt. Die
Finanzierung und damit auch die Klärung der Frage, ob
auf veränderte ökonomische Rahmenbedingungen zu
reagieren ist, fällt insofern in die Zuständigkeit des
Königreichs Dänemark.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, ich würde Sie jetzt natürlich am
liebsten fragen, welchen Minister Sie meinten, als Sie
sagten, dass Sie manche Äußerung nicht so ernst nehmen; aber das tue ich nicht.
Ich möchte auch vor dem Hintergrund dessen, dass
Sie auf die Frage des Kollegen Heilmann geantwortet
haben, dass man im Ministerium nicht so genau wisse,
was da passiert, meine Frage stellen. Auf welcher
Grundlage die Bundesregierung entscheidet, ist ihre Sache. Aber auch das Parlament muss im nächsten Jahr damit befasst werden. Deshalb muss man sehen: Die bisherige Fährverbindung ist im Augenblick nicht einmal zu
40 Prozent ausgelastet; das heißt, zurzeit sind nicht einmal 4 500 Fahrzeuge auf dieser Verbindung unterwegs.
Eine norwegische Reederei hat angekündigt, eine zweite
Fährverbindung aufzubauen, und zwar zu Preisen, die
die Hälfte der bisherigen Transportpreise für Autos ausmachen. Sie wissen, dass man für die Beförderung über
die feste Fehmarnbelt-Querung aufgrund der Kosten
ganz andere Preise verlangen wird als für die bisherigen
Fährverbindungen. Zudem ist in einer Bundestagsdrucksache nachzulesen, dass die Gefahr besteht, dass die
Baupreise für die feste Fehmarnbelt-Querung sich um
bis zu 100 Prozent erhöhen. Darüber hinaus steht in dem
Staatsvertragsentwurf:
Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder
für Teile des Projekts sich deutlich anders entwickeln als angenommen …
- das ist aus meiner Sicht zurzeit der Fall -,
werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern.
Außerdem sind wir wahrscheinlich mit knapp
1 Milliarde Euro im Obligo, was die Hinterlandverbindung angeht.
Halten Sie es vor dem Hintergrund, dass sich also gravierende Rahmenbedingungen verändert haben, wirklich
für vernünftig, dass die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung anstrebt? Ist es nicht vielmehr
notwendig, zunächst die Fragen, die die Kommunen betreffen, die die Umwelt betreffen - Sie haben selber gesagt, Sie wissen bislang nicht, ob ein Tunnel oder eine
Brücke gebaut werden soll; eine Umweltverträglichkeitsprüfung gibt es auch noch nicht -, zu klären, bevor
tatsächlich ein Staatsvertrag geschlossen wird?
Man muss sich einmal anschauen, wie ein solches
Projekt entwickelt wird, Herr Steenblock. Wir schaffen
für die feste Fehmarnbelt-Querung ja nicht ein völlig
neues Verfahren, sondern wir tun das, was wir auch bei
anderen kleinen, mittleren und großen Projekten tun:
Wir entwickeln sie Schritt für Schritt. Zur ökonomischen
Seite komme ich gleich.
Fangen wir einmal mit der Entwicklung des Verfahrens an. Zunächst muss eine Grundsatzentscheidung vorliegen. Erst dann erfolgt die Planungsvertiefung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Dazu gehört für
dieses Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit
Beteiligung der Öffentlichkeit; eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung gemäß EU, FFH- und Vogelschutzrichtlinie, ist erforderlich, sofern Schutzgebiete erheblich beeinträchtigt werden. Art. 13 des Staatsvertrages
legt fest, dass eine Entscheidung über die Wahl der technischen Lösung für die feste Fehmarnbelt-Querung unter
anderem auf Grundlage der UVP getroffen wird. Das
heißt, erst wartet man ab, was bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen herauskommt, und dann wird die
Entscheidung unter anderem über die Variante gefällt.
Ich weiß nicht, ob Sie es wissen: Die dänische Seite hat
die Beauftragung qualifizierter technische Berater für
den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung ausgeschrieben. Sie hat vier Beratergruppen, wenn ich es richtig in
Erinnerung habe, für eine Brückenlösung und drei für
eine Tunnellösung berufen. Das sind internationale Kapazitäten, die dabei helfen sollen, dieses Problem zu lösen.
Im Zusammenhang mit der ökonomischen Seite haben wir im Vorfeld mit unseren dänischen Freunden darüber gesprochen, welche Risikobehaftung dieses Projekt haben könnte. In der Risikoeinschätzung waren die
Dänen mutiger und entschlossener als wir. Wir haben etwas mehr Risiken gesehen als die Dänen. Die Dänen haben viele Erfahrungen mit solchen Brücken und sagen
uns: Selbst da, wo wir negativ gestartet sind, liegen die
Zahlen inzwischen weit über denen, die zunächst in der
Planung angesetzt worden sind.
Deshalb haben wir uns im Staatsvertrag darauf geeinigt, dass die Kosten für den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung konsequent von den Dänen übernommen
werden - und damit alle Risiken. Im Staatsvertrag ist
festgelegt, dass die finanziellen Verpflichtungen der
Bundesrepublik nur die deutschen Hinterlandanbindungen betreffen. Ich finde, wenn eine Seite sagt: „Wir sind
in der Risikobewertung deutlich positiver eingestellt; wir
beurteilen das Ganze so wirtschaftlich, dass wir das Risiko sogar komplett übernehmen wollen“, dann kann
man uns nicht die Frage stellen, ob wir uns nicht mit den
ökonomischen Auswirkungen beschäftigen sollten.
Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass diese nach wie
vor eine Rolle spielen. Deshalb ist im Vertrag auch festgelegt, dass beide Seiten, wenn sich die Grundlagen
deutlich verändern würden, eine Exitstrategie haben. So
sehen Staatsverträge aus. Das ist erst ein Entwurf. Der
Staatsvertrag muss ratifiziert werden. Wir haben alle
Zeit, um uns in den nächsten Monaten im Parlament sehr
ausgiebig mit diesen strittigen Fragen zu beschäftigen.
Ich hoffe, dass es zu einer guten Lösung kommt.
Herr Steenblock, Sie können noch eine Zusatzfrage
stellen.
Herr Staatssekretär, ist es aus Ihrer Sicht dem gesunden Menschenverstand nicht deutlich näher, dass man einen Staatsvertrag zum Bau einer Brücke - das ist ja der
Inhalt des Staatsvertrages - nur dann schließt, wenn man
weiß, was man will? Für die Planung aber - wie Planung
funktioniert, weiß auch ich so in etwa - brauchen wir
keinen Staatsvertrag. Das kann man weit unterhalb dieser Ebene handhaben und sagen: Wir schaffen erst einmal durch Untersuchungen Klarheit - da bin ich immer
dabei -, was eigentlich gemacht werden muss und wie
teuer es wird, und dann schließen wir einen Vertrag, um
das Geplante zu bauen. Dann ist auch klar, wie viel jeder
dazu beiträgt. Wir sind immerhin mit knapp 1 Milliarde
Euro dabei. Es ist nicht so, dass die Dänen das ganze Risiko tragen. Vielmehr sind auch wir mit sehr viel Geld
dabei.
Deshalb noch einmal die Frage: Wäre die Reihenfolge der Entscheidungen andersherum nicht sinnvoller,
nämlich dass man zunächst einmal alle notwendigen Untersuchungen durchführt, sodass man weiß, was auf einen zukommt, und dann über das konkrete Projekt einen
Nein, da bin ich nach wie vor anderer Auffassung.
Das gilt für kleine, mittlere und große Projekte. Es gibt
einen vernünftigen Verfahrensablauf. Er ist vorgeschrieben. Sie werden eine Untersuchung im Hinblick auf die
notwendige Tiefenschärfe, eine UVP, all das, was im Gesetz vorgeschrieben ist, unter der Beteiligung der öffentlichen Träger nicht in der gewünschten Qualität bekommen, wenn Sie diesen vorgesehenen Prozess nicht
durchlaufen.
Außerdem, Herr Steenblock, haben wir festgestellt,
dass all das, was uns jetzt bewegt, sehr volatil ist. Wir
haben in diesem Jahr schon sehr hohe und dann abstürzende Ölpreise erlebt. Dasselbe gilt für Stahl- und Baupreise. Auf dem Logistikmarkt wird gesagt: Natürlich
spüren wir jetzt eine Delle. - Aber alle sagen uns: Das ist
eine Delle, und es geht auch wieder in die andere Richtung.
Ich glaube, wir wären schlecht beraten, wenn wir bei
Projekten sozusagen alle drei Wochen zusammenkommen, uns ein paar Zahlen anschauen und dann auf die
Bremse oder das Gas treten würden. So kann man internationale Beziehungen im Verkehr nicht organisieren
und auch keine Verkehrsinfrastruktur entwickeln.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Heilmann.
Herr Staatssekretär, ich sehe mich gezwungen, doch
noch einmal eine Frage zu stellen. Seit Monaten greift
die Finanzkrise in der Welt um sich. Es wird deutlich,
wie wir alle miteinander verwoben bzw. globalisiert
sind, wie es häufig formuliert wird. Nun haben Sie gesagt, dass Dänemark das alleinige Risiko trägt. Sind Sie
der Meinung, dass das in der jetzigen Situation überhaupt noch haltbar ist?
Es mag sein, dass Dänemark sagt: Wir bezahlen das. Sollte aber der böse Fall eintreten - wir leben alle gemeinsam in der EU -, sehe ich die Bundesrepublik
Deutschland dann doch wieder in der Verantwortung,
auch für dieses Projekt und seine Finanzierung.
Sind Sie der Meinung, dass wir unter diesen Gesichtspunkten eine solche Argumentation noch aufrechterhalten können?
Ich bin der Meinung, dass wir bei Investitionen in internationale Verkehrsinfrastrukturen gut beraten sind,
das zu tun, was wir bis jetzt überall bei grenzüberschreitenden Projekten gemacht haben: Wir haben Staatsverträge geschlossen und uns dann an die Arbeit gemacht,
diese umzusetzen.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Manfred Kolbe
auf:
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ist der Bundesregierung bekannt, welche sicherheitstechnischen Gründe dazu geführt haben - ausgelöst durch die
Radachsenkontrollen an ICE-Zügen -, dass der Fahrplan so
geändert wurde, dass es bei der ehemals einheitlichen Fahrstrecke Hamburg-Berlin-Leipzig-München jetzt zu einer
Zweiteilung in der Art gekommen ist, dass die Fernverkehrsstrecke Hamburg-Berlin nach wie vor im Stundentakt und
größtenteils mit ICE bedient wird, während die Strecke Berlin-Leipzig-München nur noch grundsätzlich im Zweistundentakt und mit Ersatzzügen bedient wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank. - Herr Kolbe, auch Ihre Fragen möchte
ich wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 30 des Abgeordneten
Kolbe auf:
Falls die Bundesregierung entsprechende Kenntnisse hat,
welche Gründe waren dies?
Nach § 4 Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz sind
die Eisenbahnen verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu
führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und
Zubehör sicher zu bauen und in einem betriebssicheren
Zustand zu halten.
Die Änderungen des Angebots aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Fahrzeugen, deren Radsätze häufiger geprüft werden als bisher vorgesehen,
liegt in der unternehmerischen Verantwortung des Eisenbahnverkehrsunternehmens.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, jetzt haben Sie den Kern der
Frage ignoriert. Als regelmäßigem Benutzer dieser Strecke ist mir aufgefallen, dass die Strecke Berlin-Hamburg - das habe ich mir auch ausdrucken lassen - im
Einstundentakt mit dem ICE befahren wird, während die
Strecke Berlin-Leipzig-München lediglich im Zweistundentakt mit Ersatzzügen befahren wird. Früher wurden
beide Strecken einheitlich im Einstundentakt mit dem
ICE befahren. Warum diese Ungleichbehandlung?
Ich versuche, Ihnen im zweiten Teil meiner Antwort
noch etwas Genaueres dazu zu sagen. Ich möchte zunächst noch einmal den letzten Teil meiner ersten Antwort
vorlesen: Die Änderungen des Angebotes - damit ist gemeint, wie oft man wo fährt - aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Fahrzeugen, deren Radsätze häufiger geprüft werden als bisher vorgesehen, liegen in der
unternehmerischen Verantwortung des Eisenbahnverkehrsunternehmens.
Das heißt, ich habe nicht nur über die Sicherheit gesprochen, sondern damit zusammenhängend auch darüber, dass das Unternehmen zu entscheiden hat, wo es
mit welchen Fahrzeugen in welchem Takt fährt, wenn
ihm weniger Züge zur Verfügung stehen. Das ist eine unternehmerische Entscheidung. Deshalb kann ich Ihnen
diese Frage im Namen der Bundesregierung nicht beantworten.
Jetzt möchte ich Ihnen eine Brücke bauen, wie Sie
möglichst schnell zu einer Antwort kommen können; so
habe ich es bei vielen anderen Kolleginnen und Kollegen, die mich angerufen oder angeschrieben haben, auch
gemacht. Sie richten Ihre Frage an die Deutsche
Bahn AG. Ich weiß, dass diese versuchen wird, all diese
Fragen zeitnah zu beantworten. Ich denke, das ist der
richtige Weg. Die unternehmerische Verantwortung kann
die Bundesregierung der Bahn in der Fragestunde nicht
abnehmen. Die Bahn ist verpflichtet und auch gut beraten, Ihnen zu erklären, warum sich das Angebot auf einigen Strecken trotz eingeschränkter Anzahl von Zügen
vom Angebot anderer Strecken unterscheidet.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Nimmt die Bundesregierung es denn irgendwie zur
Kenntnis, oder interessiert sie das überhaupt nicht? Ich
verstehe, dass dies in der unternehmerischen Verantwortung der Bahn liegt. Meine Frage ist aber: Interessiert
Sie das überhaupt nicht? Wie befassen Sie sich damit?
Mich interessiert das sehr. Mich treibt das auch um.
Deshalb ist es ganz wichtig, die Bahn darin zu unterstützen. Die Bahn hat die Züge nicht gebaut; das darf man
auch einmal erwähnen. Deshalb ist es wichtig, eine Verantwortungskaskade herzustellen, die klarmacht, wer in
diesem Bereich Verantwortung hat und wer in eigener
Verantwortung sagt: Diese Radwellen müssen nach soundso vielen Kilometern geprüft werden.
Was wir jetzt machen, ist eine Reaktion auf einen Unfall. Dabei geht es um die mangelnde Transparenz im
Hinblick auf diejenigen, die im industriellen Betrieb dieser Anlagen Verantwortung übernehmen müssten. Das
Eisenbahn-Bundesamt hat angesichts seiner Verantwortung für die Kundinnen und Kunden der Deutschen Bahn
durch Sicherheitsauflagen dafür zu sorgen, dass diese
Radwellen in regelmäßigen Abständen überprüft werden, sodass es nicht zu weiteren Unfällen kommt.
In anderen europäischen Ländern, wo ähnliche Radwellen im Einsatz sind, gibt es längere Untersuchungsintervalle. Wir versuchen, in gemeinsamer Verantwortung
relativ schnell dazu zu kommen, dass diese Regelung
auch bei uns wieder greifen kann und wir eine größere
Kundenzufriedenheit bei gleichzeitig ordentlicher Si20670
cherheit im Bahnverkehr gewährleisten können. Sie können sicher sein, dass ich einen großen Teil meiner Zeit
darauf verwende, darüber nachzudenken, wie man das
gewährleisten kann, und entsprechende Gespräche zu
führen.
Man kann die Deutsche Bahn aus ihrer unternehmerischen Verpflichtung aber nicht entlassen. Das wäre eine
Rückgängigmachung des Privatisierungsprozesses, den
wir 1993 im Bundestag beschlossen haben, und zwar in
großer Übereinstimmung, da nicht nur die damaligen
Koalitionsfraktionen zugestimmt haben, sondern auch
die SPD.
Sie haben keine weitere Zusatzfrage, Herr Kolbe? Bitte.
Sind der Bundesregierung die wirklich chaotischen
Verhältnisse auf der Strecke Berlin-Leipzig bekannt? Ist
der Bundesregierung bekannt, dass es regelmäßig zu
Verspätungen kommt und die Züge regelmäßig so überfüllt sind, dass die Hälfte der Fahrgäste nur noch Stehplätze bekommt?
Gehen Sie einmal davon aus, dass wir reichlich Mails
und Briefe bekommen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Landgraf.
Herr Staatssekretär, ist es möglich, dass die Bundesregierung Einfluss nimmt und die Bahn auffordert, Kulanzregelungen vorzunehmen? Insbesondere auf der gerade genannten Strecke ist die Situation für die Fahrgäste
unzumutbar. Aufgrund der längeren, unberechenbaren
Fahrzeiten und der überfüllten Züge sind die hohen
Preise nicht mehr angemessen.
Ich muss jetzt ein bisschen aufpassen, weil ich das aus
dem Kopf sagen muss; dabei kann man Fehler machen.
Später findet man sich dann mit einer Aussage im Protokoll wieder und bekommt böse Briefe, in denen steht,
dass man etwas gesagt hat, was gar nicht stimmen
würde. Deshalb sage ich das jetzt einmal im Konjunktiv:
Ich meine, gelesen zu haben - ist das Konjunktiv?; auf
jeden Fall führe ich konditional ein -, dass sich die Bahn
hinsichtlich der Kulanz gegenüber den Kunden sehr
stark bewegt hat. Ich meine auch, gelesen zu haben und
von Kundinnen und Kunden in Gesprächen erfahren zu
haben, dass durch Fahrplanänderungen die notwendige
Transparenz wiederhergestellt worden ist. Das heißt, es
fallen zwar Züge aus, aber das ist im Fahrplan eingeplant, sodass man sich orientieren kann und sieht, welche Züge fahren und welche Züge nicht fahren, auch
wenn das Angebot reduziert wurde.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Troost.
Als ebenfalls ständiger Nutzer dieser Strecke sage ich:
Die Frage bezog sich nicht darauf, dass es wesentlich weniger Züge gibt. Das verstehen wir. Das muss so sein. Die
Frage bezog sich vielmehr darauf, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen der Strecke Hamburg-Berlin
- man sieht diesen ICE ankommen, wenn man in einen
anderen Zug einsteigt - und der Strecke Berlin-Leipzig
gibt. Bei der Ungleichbehandlung dieser Bahnstrecken
könnte man schon den Eindruck gewinnen, dass die
Lobby in Hamburg stärker ist als die Lobby in Sachsen.
Damit sich dieser Eindruck nicht verfestigt, schlage
ich Ihnen vor, das zu tun, was ich auch Herrn Kolbe geraten habe: Schreiben Sie die Bahn an und äußern Sie
diesen Verdacht, und geben Sie der Bahn Gelegenheit,
diesen Eindruck auch auszuräumen.
({0})
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug.
Die Fragen 31 und 32 des Kollegen Hans-Josef Fell
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 33 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der aktuellen Studie des Öko-Instituts im Auftrag des WWF, derzufolge die von der Bundesregierung geforderte Ausweitung der
Anerkennung von Klimaschutzprojekten im Ausland - sogenannte CDM-/JI-Projekte - im Rahmen des europäischen
Emissionshandels dazu führen kann, dass weniger als ein
Fünftel der nominellen deutschen Emissionsreduktionen tatsächlich im Inland erbracht wird?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr verehrte Frau
Kollegin Höhn, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Das in der Studie des Ökoinstituts verwendete Mengengerüst bildet die Position der Bundesregierung zur
Nutzung von Klimaschutzprojekten im Ausland nicht
richtig ab. In einem EU-weiten Emissionshandelssystem
ist allein die EU-weite Gesamtmenge nutzbarer Zertifikate maßgeblich. Daher ist eine isolierte Betrachtung der
Situation in Deutschland nicht möglich.
Ihre Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden,
dass Sie die Ergebnisse der Studie nicht für sinnvoll halten, wonach die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um
40 Prozent reduziert werden sollen, mit den Verhandlungen der Bundesregierung in Brüssel aber jetzt erreicht
wird, dass man 80 Prozent dieser Reduktion nicht hier
erbringen muss, sondern ins Ausland verlagern kann?
Wie lautet denn Ihr Ergebnis? Was könnte man denn aus
Ihrer Sicht an CO2-Reduktionen nicht hier erbringen,
sondern ins Ausland verlagern?
Ich hätte gern Ihre Einschätzung hierzu. Wie groß ist
denn die Menge, die man ins Ausland verlagern kann,
aus Ihrer Sicht? Sie verhandeln doch in Brüssel, und das
hätte ich gern gewusst. Worüber verhandeln Sie dort?
Was kann man verlagern? Das ist eine entscheidende
Frage.
Ich sage Ihnen noch einmal die Position, die Deutschland zu Beginn der Verhandlungen in Europa eingebracht hat. Wir waren der Meinung, dass 50 Prozent der
Emissionsminderungen, die zwischen 2012 und 2020 zu
erbringen sind, über CDM- und JI-Projekte möglich sein
sollen.
Frau Staatssekretärin, wir diskutieren in Deutschland
massiv über neue Kohlekraftwerke. Ihr Minister ist der
Auffassung, neue Kohlekraftwerke seien kein Problem.
Dies werde am Ende der Emissionshandel retten; denn
dieser deckele die CO2-Emissionen. Dann würden sich
Kohlekraftwerke nicht mehr rechnen.
Wenn Sie selber davon ausgehen, dass man 50 Prozent der CO2-Reduktionen von Deutschland ins Ausland
verlagern kann, was bedeutet das dann aus Ihrer Sicht
für die neuen Kohlekraftwerke? Wie viele neue Kohlekraftwerke wollen Sie eigentlich bauen?
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass
die Verhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht
abgeschlossen sind. Ich habe vorhin auf die deutsche
Verhandlungsposition zu Beginn der Verhandlungen hingewiesen.
Die Position der Bundesregierung ist, dass es dem
Klima egal ist, wo Emissionsminderungen erzielt werden, und dass wir ein Instrument brauchen - CDM und
JI stellen derartige Instrumente dar -, das ein möglichst
optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Investitionen in
den Klimaschutz erzielt.
Deshalb macht es Sinn, Emissionsminderungen nicht
komplett im eigenen Land zu erbringen, sondern über
den Technologietransfer auch Finanzmittel in Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verfügung zu stellen,
um dort in Klimaschutzprojekte zu investieren und diese
auch bei uns entsprechend anzurechnen.
Bezogen auf die Kohlekraftwerke bedeutet das, dass
in Zukunft für die Energieversorgung in Deutschland
auch weiterhin Großkraftwerke gebraucht werden, dass
wir über den Emissionshandel die Möglichkeit haben,
möglichst ambitionierte Benchmarks festzusetzen, damit
möglichst effiziente Kraftwerke gebaut werden, dass wir
über den Preis für CO2 die Möglichkeit haben, zu steuern, wie viele Kraftwerke noch attraktiv und wirtschaftlich sind.
Emissionsminderungen müssen natürlich nicht nur im
eigenen Land erbracht werden. Es ist durchaus sinnvoll,
Emissionsminderungen auch außerhalb Europas zu erzielen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Kurth.
Frau Staatssekretärin, natürlich ist es richtig, und es
ist sicherlich auch unstreitig, dass es dem Klima egal ist,
wo CO2 gespart wird. Es ist ganz sicher auch richtig,
dass man darüber nachdenken muss, wie sich dies im internationalen Kontext verhält und wie man das berechnen muss.
Vor dem Hintergrund der Klimakonferenz in Poznań
frage ich nun: Ist es Ihrer Meinung nach nicht auch für
die Glaubwürdigkeit und für die Durchsetzungskraft
deutscher Vorschläge eine ganz entscheidende Frage, inwieweit die Bundesrepublik Deutschland - quasi als
Tempovorgeber - bereit ist, zu zeigen, was sie selbst im
eigenen Territorium leisten will? Sind 50 Prozent im
Ausland für die Glaubwürdigkeit in Bezug auf Poznań
nicht viel zu viel?
Sehr geehrte Frau Kollegin Kurth, glauben Sie mir,
ich bin viel in der Welt unterwegs. Deutschland hat im
Hinblick auf die eigenen Klimaschutzanstrengungen und
im Hinblick auf die technologische Vorreiterrolle in der
Welt eine hohe Reputation. Das wird sich bei den Klimaverhandlungen jetzt und auch im nächsten Jahr in Kopenhagen wieder erweisen und die Verhandlungen positiv voranbringen.
Es gehört zur Glaubwürdigkeit im Rahmen internationaler Verhandlungen und eines internationalen Klimaschutzregimes, dass genügend Mittel für den Technologietransfer zur Verfügung stehen, damit Schwellenländer
und Entwicklungsländer überhaupt die Chance haben, an
diesem internationalen Klimaschutzregime beteiligt zu
werden. Über CDM und JI haben wir die Möglichkeit,
solche Finanzmittel zu organisieren und mithilfe des
Technologietransfers entsprechende Projekte zu finanzieren.
Herr Kollege Thiele, auch Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, wir führen jetzt gerade auf europäischer Ebene
die Diskussion über den Emissionshandel. Werden die
Atomkraftwerke in Frankreich berücksichtigt, und, wenn
nein, wie stellt sich das im Verhältnis dar, wie viel Geld
ist in Deutschland mehr aufzuwenden als in Frankreich?
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Sie sind auf der
Zielgeraden und werden Ende nächster Woche abgeschlossen. Wenn das Ergebnis vorliegt, wird man genau
solche Dinge berechnen können.
({0})
Ich rufe die Frage 34 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
Sind Medienberichte zutreffend, dass die Bundesregierung, anders als vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel, zunächst gefordert, bei den Verhandlungen über die Ausgestaltung des
europäischen Emissionshandels die kostenlosen Zuteilungen
von Emissionszertifikaten nicht mehr davon abhängig macht,
dass die betroffenen Industrien im internationalen Wettbewerb
stehen, und welcher prozentuale Anteil der deutschen Industriebetriebe wäre danach von der Auktionierung der Zertifikate ausgenommen?
Ich beantworte die Frage wie folgt: Nach Auffassung
der Bundesregierung ist die CO2-Intensität einer Branche das vorrangige Kriterium zur Festlegung der von
Carbon Leakage betroffenen Sektoren. Dieses Kriterium
sowie die Schwellenwerte sollten in der Richtlinie verankert werden. Damit schafft man den gewollten EUweit einheitlichen Ansatz. Es muss so früh wie möglich
Rechtssicherheit geschaffen werden. Die Verhandlungen
über die Festlegung geeigneter Kriterien sind allerdings
weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene abgeschlossen, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Anteil der ausgenommenen Branchen nicht exakt angegeben werden kann.
Ihre Zusatzfragen, Frau Höhn.
Frau Staatssekretärin, ich will den Strombereich ausklammern; dazu stelle ich gleich meine zweite Nachfrage. Jetzt möchte ich die Industrie ohne den Strombereich betrachten. Ich würde gerne Folgendes von Ihnen
wissen: In den Umweltverbänden kursieren Gerüchte,
dass über 90 Prozent der Industriebetriebe ausgenommen
werden und die Zertifikate umsonst bekommen sollen.
Das wäre eine absolute Aushöhlung des Emissionshandels. Gibt es diese Diskussion? Können Sie bestätigen
oder dementieren, dass über 90 Prozent - einige reden
sogar von 98 Prozent - der Industriebetriebe die Emissionszertifikate umsonst bekommen? Wäre das nicht eine
absolute Aushöhlung des Emissionshandels?
Erstens möchte ich an der Stelle darauf hinweisen,
dass die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind. Es
gibt Diskussionen über unterschiedliche Kriterien. Gerade bei diesem Punkt liegen die Positionen der Mitgliedstaaten und übrigens auch die Positionen der Kommission und des Europaparlamentes noch sehr weit
auseinander. Diese Frage wird man beantworten können,
wenn das Ergebnis vorliegt.
Zweitens bedeuten Ausnahmen von Industrieunternehmen von der Versteigerung nicht eine Aushöhlung
des Emissionshandels. Sie sind ja trotzdem Teil des
Emissionshandels und unterliegen seinen Regeln. Wir
reden über ambitionierte Benchmarks, die an diese Unternehmen angelegt werden, um eine Grundzuteilung
von CO2-Zertifikaten zu bekommen. Insofern wirkt der
Emissionshandel dort als Lenkungsinstrument.
Uns geht es darum, sicherzustellen, dass gerade Unternehmen, die in einem internationalen Wettbewerb stehen und die für die Versteigerung und den Kauf von
CO2-Zertifikaten einen besonderen Aufwand betreiben
müssten, nicht negativ belastet werden. Wir würden dem
Klimaschutz einen Bärendienst erweisen. Denn die Konsequenz wäre, dass Unternehmen hier ihre Zelte abbrechen und sie außerhalb von Europa aufschlagen und dort
CO2 emittieren würden. Wir wollen, dass die Unternehmen hier bleiben, dass sie dem strengen Emissionshandel hier unterliegen und dass der Emissionshandel hier
seine Lenkungswirkung entfaltet.
Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.
Die Antwort befriedigt nicht, weil sie eher in die
Richtung geht, die die Umweltverbände mit großem Bedauern prognostizieren. Es wäre in der Tat eine Aushöhlung des Emissionshandels.
Meine zweite Nachfrage. Schauen wir uns einmal den
Strombereich an: Es gibt einen Beschluss des Deutschen
Bundestages, dass im Strombereich 100 Prozent der Zertifikate versteigert werden sollen. Nun gibt es mittlerweile von einigen Ländern die Aussage, dass sie zumindest Teile nicht versteigern wollen. Bleibt die
Bundesregierung an dieser Stelle hart, und setzt sie diesen Bundestagsbeschluss um? Oder passiert genau das,
was wir von den Umweltverbänden über das Verhalten
der Bundesregierung hören: dass sie sich hier als Motor
darstellt, in Brüssel aber de facto bremst und blockiert?
Gilt dies letztlich auch im Hinblick auf die 100-prozenBärbel Höhn
tige Versteigerung der Zertifikate im Strombereich, oder
bleibt sie hier wirklich hart?
Es ist nach wie vor die Position der Bundesregierung,
dass wir im Strombereich 100 Prozent der Zertifikate
auktionieren wollen. Aber auch dieser Punkt wird Teil
eines Kompromisspaketes sein. Derzeit wird ja nicht nur
über diesen Punkt verhandelt, sondern über ein gesamtes
Paket, das sich sozusagen auf der Zielgeraden befindet.
In diesem Rahmen spielt natürlich auch dieses Thema
eine Rolle.
Herr Kollege Thiele, bitte.
Frau Staatssekretärin Klug, wenn die Bundesregierung die Verhandlungen in der nächsten Woche abschließen möchte, wäre es dann nicht sinnvoll, dass sie vorher
weiß, mit welchen Rahmendaten sie in die Verhandlungen geht? Wäre es nicht sinnvoller, dies vorher zu wissen, anstatt nachher nur sagen zu können: „Das und das
ist dabei herausgekommen“? - Hierzu noch einmal die
Frage: Um wie viel schlechter steht Deutschland da?
Ich habe die Position, die Deutschland dort vertritt, in
meiner Antwort auf die eben gestellte Frage erläutert.
Dieser Verhandlungsprozess soll Ende nächster Woche
abgeschlossen werden. In den Verhandlungen gibt es ein
Geben und Nehmen, wenn wir am Ende zu einem Ergebnis kommen wollen. In dieser Frage ist Deutschland mit
einer sehr klaren Haltung in die Verhandlungen gegangen.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde und auch am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 4. Dezember
2008, 9.00 Uhr, ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen sowie
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen wunderschönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.