Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen liebe Kolle-
ginnen und Kollegen!
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord-
nungspunkt II - fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2009 ({0})
- Drucksachen 16/9900, 16/9902 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012
- Drucksachen 16/9901, 16/9902, 16/10426 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({2})
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt II.18 auf:
Einzelplan 09
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie
- Drucksachen 16/10409, 16/10423 Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt J. Rossmanith
Klaus-Peter Willsch
Ulrike Flach
Anna Lührmann
Zum Einzelplan 09 liegt jeweils ein Änderungsantrag
der Fraktion Die Linke sowie der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Beratungen dieses Einzelplans 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so
verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion.
({3})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in Deutschland in einer handfesten Rezession;
daran bestehen keine Zweifel mehr. Die Unternehmen
beurteilen die Zukunftsaussichten so pessimistisch wie
seit 35 Jahren nicht mehr. Außer der Bundesregierung
erwartet niemand mehr ein Wirtschaftswachstum für das
kommende Jahr. Es gibt sogar einige Experten, die eine
Schrumpfung um 2 Prozent für keineswegs zu pessimistisch halten. Auch die Bundesregierung rechnet intern sicherlich mit minus einem Prozent. Professor Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrats, erklärt ja auch, dass
er seine ursprüngliche Prognose heute nicht mehr abgeben, sondern nach unten revidieren würde. Nur, die
Bundesregierung hält unverdrossen an ihrer Wachstumsprognose von plus 0,2 Prozent als Basis für den Bundeshaushalt fest. Das ist nicht mutig, sondern unseriös.
({0})
Wir haben gestern beim Eiertanz von Herrn Ramsauer
zur Erbschaftsteuer erfahren,
({1})
dass die CDU für den Leitantrag auf ihrem Parteitag den
ehrbaren Kaufmann entdeckt hat. Für den Bundeshaushalt gelten die Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns nicht;
sonst würde man anders ansetzen.
({2})
Redetext
Es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis wir die Auswirkungen am Arbeitsmarkt feststellen müssen. Die OECD
rechnet für Deutschland bis 2010 mit 700 000 Arbeitslosen mehr. Wer jetzt nicht entschieden handelt, versündigt
sich an der Entwicklung.
({3})
Wir können nicht länger auf Impulse der Weltwirtschaft
warten. Wir können uns nicht länger auf den Export verlassen. Der Welthandel wird sich 2009 längst nicht mehr
in dem Maße entwickeln wie bisher. Es wird eine Art
Globalisierungspause geben.
In dieser Situation muss sich auch der Exportweltmeister auf seine eigene Nachfrage besinnen. Jetzt gilt
es, die Binnenkonjunktur zu stärken. Das Konjunkturpaket, mit dem die Bundesregierung gegensteuern will,
wird dem Problem weder von der Struktur noch von der
Wirkung her - es wirkt viel zu langsam - gerecht. Damit
wird man den Absturz 2009 nicht verringern.
Herr Minister Glos, in Ihrem Ministerium herrscht bereits Weihnachtszeit. Endlich klingeln bei Ihnen die Glocken. Sie erstellen fleißig Steuerwunschzettel; aber am
Ende wird es wohl doch nur eine stille Nacht und keine
heilige Nacht werden.
({4})
Sie haben den richtigen Vorschlag gemacht, zur Stärkung der Wachstumskräfte Steuern zu senken. Aber in
der Regierung können Sie das nicht durchsetzen. Dass
die Regierung Steuersenkungen eine Absage erteilt, ist
eine Bevormundung. Offenbar hält Schwarz-Rot die
Steuerzahler für dumm und den Staat für allwissend;
sonst würde die Regierung den Menschen nicht vorschreiben, in welchen Bereichen sie mehr konsumieren
sollen.
Herr Glos, Sie haben sich in der vergangenen Woche
dazu erfreulich deutlich geäußert. Auch Sie - ich zitiere können „dieses Misstrauen gegen den mündigen Bürger“
nicht verstehen. Ihre Einlassungen, die richtig sind, kann
man nicht anders verstehen als ein Misstrauensvotum
gegen die Politik, die die Große Koalition macht.
({5})
Wenn das die Mehrheitsmeinung Ihrer Partei, der CSU,
ist, hätte sie schon längst aus der Regierung herausgehen
müssen; denn es wird das Gegenteil von dem gemacht,
was Sie zu Recht reklamieren.
Inzwischen hat auch die CDU das Thema Steuersenkungen entdeckt. Sie wacht langsam auf. Heute erklärt
Herr Merz im Handelsblatt: Frau Merkel darf nicht „die
Letzte auf der Welt“ sein, die merkt, dass man Steuern
und Abgaben senken und Entlastungen durchführen
muss. Herr Merz hat recht. Hoffentlich sind Sie nicht die
Letzte, die das merkt. Der Einwand, die Menschen würden Steuer- und Abgabenentlastungen nicht zum Konsum nutzen, ist ökonomisch nicht haltbar. Ökonomische
Studien belegen, dass etwa zwei Drittel des zusätzlichen
Einkommens durch Steuerentlastungen in den Konsum
fließen. Solange die Menschen das zusätzliche Nettoeinkommen in die Geschäfte oder auf die Bank tragen, ist
das volkswirtschaftlich völlig in Ordnung. Das Sparen
der einen ist die Voraussetzung für die Investitionen der
anderen. Wenn mehr Einlagen bei den Banken sind, können sie günstige Mittelstandsdarlehen ausreichen.
({6})
Als Auszahlungsmodus sollten Steuerschecks eingesetzt werden. Dann würden die Menschen die Entlastung
unmittelbar in ihrem Geldbeutel spüren und das Argument, solche Maßnahmen hätten keinen kurzfristigen
Effekt, würde ins Leere laufen. Immer mehr Experten
fordern genau dieses Vorgehen, um der Konjunktur einen Impuls zu geben. Fatal wäre es nur, wenn die meisten Menschen das zusätzliche Nettoeinkommen unter
das Kopfkissen legen würden. Dann ginge es nicht mehr
um die Bekämpfung einer Rezession, dann würden wir
in eine Depression hineinschlittern. Dazu darf es nicht
kommen. Das müssen wir verhindern. Deshalb ist die
Strategie der Bundeskanzlerin und der SPD, erst einmal
abzuwarten, was passiert, fahrlässig.
({7})
Wir haben das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz
beschlossen, um das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen. Das war richtig. Aber das allein reicht
bei der derzeitigen Wirtschaftskrise nicht aus. Wir brauchen einen kräftigen zusätzlichen Impuls. Deshalb gilt:
Steuersenkungen jetzt, damit wir die Entwicklung abfedern können.
({8})
Je früher man die Rezession bekämpft, desto weniger
heftig werden die Ausschläge. Man weiß, dass es bei einer Infektion besser ist, schnell Medikamente einzusetzen, weil sonst aus einem Schnupfen schnell eine
schwere Grippe wird.
Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte über die Systemfrage. Ohne Frage ist die soziale Marktwirtschaft
die überlegene Wirtschaftordnung. Leider ist es aber so:
Selbst wenn Sie ein Auto mit tollen Airbags und Radarsteuerung bauen, wenn der Falsche am Steuer sitzt, fährt
er trotzdem gegen die Wand. Das liegt aber nicht am
Auto, das liegt nicht an der sozialen Marktwirtschaft,
sondern an der falschen Handhabung.
Seit Jahren wird gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft verstoßen, indem man in die Märkte hinein interveniert: Holzmann, demnächst Opel oder was auch
immer an falschen ordnungspolitischen Entscheidungen
noch folgen mag. Dadurch, dass man Marktkonzentrationen zulässt, die ungesund sind, zum Beispiel in den
Bereichen Energiewirtschaft und Post, verhindert man,
dass in diesen Bereichen Konkurrenz entsteht. Weil man
das Postmonopol fortsetzt - man hält an der Mehrwertsteuerbefreiung für die Post fest und hat 9,80 Euro als
Mindestlohn festgelegt -, kann kein Wettbewerb entstehen. Hier sind Schwächen. Die müssen beseitigt werden.
Das System aber ist das richtige. Deshalb gilt: Finger
weg vom Wirtschaftssystem - das ist das für Deutschland erfolgversprechende -, lieber eine bessere Politik
im System betreiben.
({9})
Die Regierung muss endlich eine nachhaltige Lösung
finden, damit sie das in der Substanz bedrohte ERPSondervermögen als Hilfsinstrument für unseren Mittelstand aufrechterhält. Die eitlen Streitereien zwischen
den Ministerien helfen nicht weiter. Es geht nicht an,
dass der Mittelstand die Zeche für die abenteuerlichen
Aktivitäten der KfW bei der IKB und anderen zahlt. Die
KfW hat das Geld verbraten, verzockt und verbrannt. Es
geht nicht an, dass Folge davon ist, dass der Mittelstand
keine Kredite bekommt oder nur zu schlechten Konditionen. Deshalb gilt: Schaffen Sie Klarheit beim ERP-Sondervermögen.
({10})
Wir brauchen beim Bürokratieabbau eine substanzielle Lösung. Die Druckkosten des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes sind fast höher als dessen
Entlastungswirkungen. Wenn die Situation nicht so ernst
wäre, könnte man das alles als eine Lachnummer bezeichnen. Hier muss man die Blockaden lösen. Sie
schaffen durch die Reform der Erbschaftsteuer eine Riesenbürokratie zusätzlich. Es hat keinen Sinn, wenn Sie
um ein Stückchen reduzieren und das Dreifache wieder
draufknallen. Die Fesseln für das Wachstum müssen abgelegt werden.
({11})
Die tausend Handschellen, die man den Bürgern angelegt hat, müssen weg.
Ich darf noch ein Wort zum Außenwirtschaftsgesetz
sagen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Finger davon
zu lassen. Wir brauchen ausländische Investitionen. Hier
ist eine Spielwiese für künftige Industriepolitiker der falsche Ansatz. Wir haben in Deutschland andere Sorgen.
Wir brauchen jetzt Nachfrage und ein Ankurbeln der
Binnenkonjunktur, um Arbeitsplätze zu sichern und neue
zu schaffen. Dazu brauchen die Menschen Geld. Geben
Sie ihnen das Geld zurück, und verplempern Sie es nicht
für falsche Verwendungen.
({12})
Das Wort erhält nun der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr Brüderle, Sie haben am Beginn Ihrer Rede
die Weihnachtszeit bemüht und ein Weihnachtslied zitiert. Ich freue mich, dass Sie mit der Melodie von „O du
fröhliche“ begonnen haben, obwohl wir ernste Zeiten
haben. Sie haben ein paar Probleme angesprochen.
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik steht vor gewaltigen Herausforderungen. Ich meine, das sind die größten
Herausforderungen, die wir in der Nachkriegsgeschichte
zu bewältigen haben. Wir werden uns diesen Herausforderungen stellen; denn wir wollen, dass der freie Welthandel weiter funktioniert. Dazu gehören gegenseitige
Investitionen, und man muss sich um weitere Investitionen von außen bemühen. Wir erleben aber derzeit, dass
sogar Staaten, von denen wir geglaubt haben, sie würden
im Geld schwimmen, ihre Anlagen zurückholen, weil sie
gezwungen sind, Liquidität zu schaffen. Ich könnte Ihnen konkret Länder nennen. Ich nenne nur als Beispiel
die Kuwaiter, die unlängst bei mir gewesen sind.
Als Exportweltmeister waren wir Gewinner des weltweiten Aufschwungs. Jetzt geht es zum ersten Mal seit
Jahrzehnten in fast allen Weltregionen gleichzeitig abwärts. Ich meine, das ist das eigentlich Bedrohliche an
dieser Krise. Manche Branchen befinden sich fast im
freien Fall. Ich hoffe, dass dieser Fall gestoppt wird. Am
Beginn von Rezessionen werden natürlich immer Lagerbestände abgebaut; das verstärkt die Schwierigkeiten.
Ich glaube, dass diese Situation bald überwunden ist.
Ich führe ständig Krisengespräche mit Vertretern der
verschiedenen Branchen. Ich habe zum Beispiel am
Montag wieder die Automobilzulieferindustrie und anschließend die Schiffbauindustrie bei mir. Das zeigt, wo
wir uns überall bemühen. Deswegen war es wichtig, dass
der Rettungsschirm für die Banken aufgespannt worden
ist. Denn es geht um das Funktionieren der Realwirtschaft.
Wir haben inzwischen Weiteres dazu getan. Ich will
jetzt nicht die Details des 15-Punkte-Maßnahmenpakets
aufzählen; das würde meine Redezeit sprengen. Ich
nenne nur als Beispiel das KfW-Stützungsprogramm.
Bei Krediten für kleine und mittlere Unternehmen werden 90 Prozent des Kreditvolumens abgesichert, indem
die KfW und eine Bundesgarantie mit im Spiel sind. Nur
10 Prozent der Risiken bleiben bei den ausreichenden
Banken. Wir wollen, dass Kredite ausgereicht werden.
({0})
Ich höre die Klage überall. Ich bin froh, dass wir zumindest gut gerüstet in diese Rezession hineingegangen
sind. Deutschland steht besser da als vergleichbare Industrieländer.
({1})
Wir haben Gott sei Dank in der Vergangenheit unsere
Hausaufgaben gemacht. Die Beschäftigungsschwelle ist
gesunken. Die Zahl der Arbeitslosen liegt gegenwärtig
bei unter 3 Millionen. Die öffentlichen Haushalte sind
saniert. Wenn ich den Gesamthaushalt insgesamt betrachte, erkenne ich, dass wir in einer besseren Situation
sind als beim Bundeshaushalt. Die Bilanzstrukturen der
Unternehmungen sind in Ordnung gebracht worden. Die
Haushaltssanierung, die natürlich immer stattfinden
muss, muss im Moment eine Pause machen, damit wir
am Schluss nicht in einer Situation sind, deren Sanierung
sehr viel teurer wird, weil wir jetzt nicht genug Gas gegeben haben.
Ich meine, so wie wir gerüstet sind, kann unser Land
dem Sturm trotzen. Aber wir müssen uns gemeinsam anstrengen. Wir dürfen die Lage nicht schlechterreden, als
sie ist. Deswegen gibt es zum Optimismus keine Alter20602
native. Das kann nicht heißen, dass wir die Augen vor
Tatsachen verschließen.
({2})
- Der Realismus ist bei uns immer noch ein Stück weit
stärker ausgeprägt als bei Ihrer Fraktion.
({3})
Wenn ich mir vor Augen halte, welch rigide Forderungen im Hinblick auf die Umweltpolitik von den Grünen
trotz der schwierigen Situation der deutschen Wirtschaft
nach wie vor erhoben werden,
({4})
muss ich feststellen: Der Realismus ist bei uns und nicht
bei Ihnen.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der einen Seite ist die Lage übersichtlich, auf der anderen
Seite dramatisch. Ich gebe dem Kollegen Brüderle in
vielen Punkten, die er angesprochen hat, recht. Anders
als in früheren Konjunkturzyklen ist der private Verbrauch während des letzten Aufschwungs nicht aus den
Startlöchern gekommen.
({6})
- Wenn Sie zuhören würden, würden Sie es vielleicht
verstehen.
({7})
Der reale Zuwachs betrug seit dem Jahr 2000 nur
2 Prozent. Jetzt wird der Exportmotor aufgrund der internationalen Finanzmarktkrise leider in den Rückwärtsgang geschaltet. Wir haben keinen Einfluss auf die
Exportnachfrage. Wir können nur hoffen, dass die
Maßnahmen, die andere Länder ergreifen, unserer Exportwirtschaft helfen. In diesem Zusammenhang denke
ich zum Beispiel an das große Investitionspaket Chinas,
von dem wir uns Aufträge erhoffen, und an die Maßnahmen, die die USA eingeleitet haben.
Eines können wir allerdings tun - an dieser Stelle bin
ich mir mit vielen einig -: Wir können die Binnennachfrage durch zusätzliche Impulse stärken. Genau diesem
Ziel dient unser Maßnahmenpaket.
({8})
Wir erhoffen uns davon eine möglichst große Wirkung
auf Investitionen und Konsum. Wir stärken also Angebot
und Nachfrage gleichzeitig. Ich glaube, das ist die richtige Antwort auf diese schwierige Situation.
Viele fordern sehr kurzfristig wirkende Maßnahmen, zum Beispiel Steuerschecks - dieses Wort haben
auch Sie, Herr Brüderle, gerade erwähnt -,
({9})
Gutscheine mit Konsumpflicht oder eine vorübergehende Mehrwertsteuersatzsenkung. Berlusconi lässt sogar Kreditkarten ausgeben, mit denen die Bürger Güter
des täglichen Bedarfs kaufen können. Ich weiß nicht, ob
das auf Dauer der richtige Weg ist.
({10})
Ich bin der Meinung, dass wir einen engen Schulterschluss mit der Wirtschaft, selbstverständlich aber auch
mit dem Finanzminister brauchen. Ohne Zustimmung
des Finanzministers ist, was die Steuern betrifft, natürlich keine Veränderung möglich. Wir haben allerdings
auch gelernt - das ist zumindest meine Lebenserfahrung -: Steter Tropfen höhlt den Stein.
({11})
- Ja, notfalls auch den Steinbrück, mein lieber Freund
Peer.
Angesichts dieser Krise müssen wir Maßnahmen ergreifen, die wir auch dann guten Gewissens vertreten
könnten, wenn es keine Krise gäbe. Dazu gehört zum
Beispiel, Investitionen, die ohnehin geplant und notwendig sind, vorzuziehen; dazu sage ich Ja. Wir müssen für
die Verbraucher durch Steuer- und Abgabensenkungen
strukturelle Verbesserungen herbeiführen; auch dazu
sage ich Ja. Zu kurzfristigen Steuergeschenken oder Geschenken anderer Art sage ich allerdings Nein, und das,
obwohl bald Weihnachten ist.
({12})
Frau Bundeskanzlerin, Sie sind vor kurzem als „Madame Non“ bezeichnet worden. In diesem Zusammenhang würde ich mich Ihnen als „Mister No“ zur Seite
stellen.
({13})
- Auf diesem Gebiet möchte ich keinen Ehrendoktor.
Jetzt will ich zum Ernst der Situation zurückkommen.
Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, welch
große Verantwortung wir für die Weltwirtschaft haben.
Wir wissen nicht, wie lange der Abwärtstrend andauern
wird. Wollen wir wirklich alle sechs Monate Geld im
Land verteilen und versuchen, dadurch die Krise zu bewältigen?
Deutschland leidet nicht nur aktuell, sondern auch
strukturell an einem Nachfrageproblem. Der Zugriff
der Steuerprogression wirkt schon im unteren Einkommensbereich als Bremse, sowohl im Hinblick auf die
Leistung als auch im Hinblick auf den Konsum. Wir
müssen uns bemühen, diese Bremse zu lockern.
({14})
So können wir einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Konjunktur und Wachstum zu stärken.
({15})
Eine Entlastung der Bürger ist aber nur dann möglich,
wenn wir den mittelfristigen Konsolidierungspfad nicht
verlassen.
({16})
Die Menschen müssen das Vertrauen haben, dass das,
was wir tun, längerfristig wirkt. Kurzfristige Maßnahmen führen hinterher immer wieder zu Steuererhöhungen. Das kann es auch nicht sein.
({17})
Jetzt aber nichts zu tun, kann fiskalisch genauso teuer
werden wie eine rasche und beherzte Investition in
Wachstum und Beschäftigung. Das ist unser Weg. In
der Vergangenheit wurde uns gezeigt, wie schnell durch
eine Wirtschaftsflaute gewaltige Löcher in die öffentlichen Finanzen gerissen werden können. Ich könnte Ihnen jetzt das Funktionieren der automatischen Stabilisatoren, die ja in Kraft sind, erläutern. Dadurch würde ich
allerdings den Rahmen meiner Redezeit sprengen. Außerdem habe ich es hier mit einem sehr kundigen Publikum zu tun.
({18})
Ich möchte noch ein Weiteres sagen: Wir haben uns
bemüht - das macht natürlich in jeder Hinsicht sehr viel
aus -, die Energiemärkte zu liberalisieren und Druck
auf die Konzerne auszuüben. Ich weiß, dass es damals
schwierig war, die Novelle des Kartellgesetzes zu verabschieden. Das wirkt aber schon jetzt. Aufgrund der
Bocksprünge auf den internationalen Energiemärkten
wird allerdings auch die Fantasie unserer Energiekonzerne gefordert, bei Preissenkungen genauso rasch zur
Hand zu sein wie bei Preiserhöhungen. Ich bedanke
mich beim Bundeskartellamt, dass es hart eingreift,
wenn sich ein Anlass dazu bietet.
Durch die gesunkenen Energiepreise ist die Inflationsrate, die Preissteigerungsrate, bis jetzt schon wieder auf 1,4 Prozent zurückgegangen. Dadurch wird natürlich auch ein ungeheures Potenzial freigesetzt. Je
rascher das geht, desto mehr können sich die Bürger
- damit komme ich wieder auf Weihnachten zurück - zu
Weihnachten kaufen und leisten und auch weiterverschenken. Das ist ungeheuer wichtig für die Konjunktur.
({19})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich ein Letztes sagen: Mit dem Haushalt - auch mit
meinem - leisten wir einen großen Beitrag zur Stabilität. Wir sind ein Muster an Sparsamkeit. Ich bin überzeugt, dass Peer Steinbrück das loben wird, wenn er
seine Abschlussrede hält, weil er mich vor einem viertel
oder halben Jahr einmal gegenteilig hingestellt hat.
({20})
Der Haushalt des Wirtschaftsministers ist vorbildlich.
Wir investieren in die Zukunft und halten nicht an Vergangenem fest. Damit schaffen wir die Voraussetzungen,
dass es auch im Land gut weitergeht.
Drei der Berichterstatter, die sich um den Haushalt
bemüht haben, kandidieren aus freien Stücken nicht
mehr für den Deutschen Bundestag.
({21})
Ich bedauere das, allerdings in unterschiedlicher Intensität; das steht mir zu. Herr Kröning, Ihr Ausscheiden bedauere ich selbstverständlich auch, aber ich möchte noch
einmal einen Blick auf meinen Freund Kurt Rossmanith
werfen, der seit 1980 im Bundestag ist.
({22})
Später ist er dann in den Haushaltsausschuss gekommen.
Ich habe damals nie gedacht, dass ich einmal als Minister von ihm in Bezug auf den Haushalt kontrolliert
werde. Er ist fast so streng, wie ich damals als Haushälter gewesen bin.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({23})
Das Wort erhält nun die Kollegin Frau Dr. Gesine
Lötzsch, Fraktion Die Linke.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Bei seinem ersten Besuch im Haushaltsausschuss sagte Minister Glos: Lieber ein Onkel,
der etwas mitbringt, als eine Tante, die Klavier spielt. Herr Glos, leider haben Sie diesen flotten Spruch in Ihrem Haushalt nicht umgesetzt.
Gerade von Ihnen hätten wir ein Konjunkturprogramm mit einem Umfang von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet, wie es die EU verlangt; denn
Sie, Herr Glos, gehören doch zu den Regierungsmitgliedern, die wissen, dass ein solches Konjunkturprogramm
auch richtig wäre.
({0})
Sie legen hier aber nur ein Progrämmchen mit einem
Umfang von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
vor, mit dem keine guten Wirkungen erzielt werden. Darin sind sich alle Wirtschaftsexperten einig.
Sie haben es ja schon angedeutet: Die Kanzlerin und
der Finanzminister haben Sie, Herr Glos, am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Das ist für Sie persönlich bedauerlich, für Millionen Arbeitnehmer in unserem
Land aber eine Katastrophe.
({1})
Da Sie kein Geld bekommen, versuchen Sie, mit anderen Themen ins Gespräch zu kommen. Sie wollen zum
Beispiel, dass die deutsche Automobilindustrie nicht
weiter durch angeblich überzogene europäische CO2Zielwerte belastet wird. Das ist reiner Populismus und
hilft auch den Autobauern kein Stück weiter; denn die
Zukunft liegt nicht in Spritschleudern, sondern in umweltfreundlichen Autos.
({2})
Als Wirtschaftsminister aus Bayern müssten Sie doch
jetzt „Lederhosen und Elektroautos“ - das wäre ein passender neuer Slogan - fordern, statt mit Konzepten aus
den 70er-Jahren aufzuwarten.
({3})
Herr Glos, Sie könnten sich als Minister um die deutsche Einheit verdient machen, wenn Sie eine Forderung
der ostdeutschen Wirtschaft aufnehmen würden. Die ostdeutsche Wirtschaft fordert zu Recht, dass die Mittel aus
dem Solidarpakt nicht so schnell absinken dürfen, wie
es jetzt vorgesehen ist. Diese Forderung kann man auch
ohne Schwierigkeiten zusammen mit den Ländern umsetzen, da die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag
in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, aber die
Ausgaben für den Solidarpakt kontinuierlich gesunken
sind.
In Anbetracht der Wirtschaftskrise wäre es ein Zeichen der wirtschaftlichen Vernunft, die dramatische Degression aus dem Solidarpakt herauszunehmen, um die
ökonomische Situation im Osten Deutschlands zu verbessern. Das müsste Ihnen doch eine Herzensangelegenheit sein.
({4})
Gleichzeitig - das ist meine sehr persönliche Meinung - halte ich es für vernünftig, wenn man diesen Vorschlag mit einer Absenkung des Solidaritätszuschlags
verbindet. Von diesen beiden Vorschlägen hätten Ost und
West etwas. Wir würden ein klares Signal an den Osten
senden, dass wir auch in der Krise Ostdeutschland nicht
im Stich lassen, und wir würden ein Signal an die alten
Bundesländer senden, dass ihre Solidarität sehr hoch geschätzt wird, aber nicht überstrapaziert werden soll.
Wir wollen ein Konjunkturprogramm, das die Menschen entlastet, die am wenigsten Schuld an der Krise
tragen, und diejenigen zur Kasse bittet, die in den letzten
Jahren und Jahrzehnten durch die Wiedervereinigung,
mithilfe der Rüstungsindustrie und an den Börsen ihre
märchenhaften Gewinne eingestrichen haben.
Herr Ramsauer von der CSU sagte in der Diskussion
um die Erbschaftsteuer, dass nur diejenigen solidarisch
sein können, die auch Eigentum haben.
({5})
Ja, Herr Ramsauer, sie können solidarisch sein; sie sind
es aber nicht. Eigentum scheint diese Menschen nur
dazu zu verpflichten, noch mehr Eigentum anzuhäufen.
Es ist nicht die Zeit, auf noble Spenden zu warten.
Die Politik hat vielmehr die Aufgabe, für soziale
Gerechtigkeit - das heißt vor allem für Steuergerechtigkeit - zu sorgen.
({6})
Machen Sie also Schluss mit der staatlichen Reichtumspflege!
Wenn Finanzminister Steinbrück darauf verweist,
dass die Besserverdienenden den Großteil der Einkommensteuer bezahlen, vergisst er immer wieder darauf
hinzuweisen, dass diejenigen, die keine Einkommensteuer zahlen, weil sie zu wenig verdienen, trotzdem
Mehrwertsteuer, Versicherungssteuer und andere Steuern bezahlen müssen, die die Einkommensteuer im Gesamtaufkommen bei weitem übersteigen. Es wäre also
das falsche Signal, jetzt wieder über die Senkung der
Einkommensteuer zu sprechen, wie es die Herrschaften
auf der rechten Seite des Hauses gerne tun. Wir müssen
jetzt diejenigen steuerlich entlasten, die besonders hart
von der Krise betroffen sind. Das sind nicht die Menschen, die hohe Einkommensteuern zahlen.
({7})
Herr Glos, es tut mir leid, aber Ihr Haushalt ist nicht
der Rede wert. Das Lob, das Sie von Herrn Steinbrück
eingefordert haben, hat meine Position bestätigt, dass Ihr
Haushalt nicht der Rede wert ist.
({8})
Wenn Sie aber zu Ihrem eigentlichen Vorhaben zurückkehren, ein Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen, das diesen Namen auch verdient, dann haben Sie
mich und die Fraktion Die Linke als zuverlässige Verbündete an Ihrer Seite.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kröning für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Haushaltsdebatten haben sich bei der ersten wie
bei der zweiten und dritten Beratung zu allgemeinen Debatten über das jeweilige Politikfeld entwickelt. Wir haben das heute wieder beispielhaft bei Herrn Kollegen
Brüderle erlebt.
Umso mehr scheint es mir angebracht, einen Augenblick innezuhalten und zu fragen, was sich von den großen Debatten im Haushalt widerspiegelt und welche
scheinbaren Details es verdienen, festgehalten zu werden. Es wird sich dabei zeigen, Frau Kollegin Lötzsch,
dass Ihre Bewertung dieses Einzelplans absolut daneben
ist.
Der Regierungsentwurf zum Haushalt 2009 ist hinlänglich bekannt. Umso wichtiger ist, das festzuhalten,
was sich an diesem Einzelplan, dem Haushalt für Wirtschaft und Technologie, wie das Ressort vor drei Jahren
so schön programmatisch geschnitten und bezeichnet
worden ist, geändert hat und was nicht. Ebenso wichtig
ist es, die Auswirkungen auf die mittelfristige Finanzplanung im Auge zu behalten. Ich fand es bemerkenswert,
dass Herr Minister Glos doch beides erwähnt hat, nämlich Wachstum und Konsolidierung des Staatshaushalts,
auch wenn es etwas zickzackförmig geklungen hat.
Die Veränderungen, die der Einzelplan 09 erfahren
hat, sind markant. Die Minderausgaben bei der Kohle infolge der Entwicklung der Energiepreise betragen fast
400 Millionen Euro, eine erfreuliche Entwicklung.
({0})
Dem stehen im Vergleich zum Regierungsentwurf Mehrausgaben für Mittelstand und Innovation in Höhe von
weiteren 20 Millionen Euro gegenüber, übrigens jeweils
einträchtig von Union und SPD beantragt und beschlossen, knapp derselbe zusätzliche Betrag für das Zinsverbilligungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau
und weitere 200 Millionen Euro für regionale Wirtschaftsförderung in den Jahren 2009 bis 2011.
Der Haushalt des BMWi, wie es in traditioneller Gegenüberstellung zum BMF heißt, trägt damit auf beiden
Seiten des Budgets auf einzigartige Weise zum Doppelprogramm der Koalition bei, nämlich zu „Sparen und Investieren“. Als einziger Einzelplan - das wurde schon
angedeutet - wird er nachhaltig gekürzt, aber auch umstrukturiert. Ich hoffe, dieser Beitrag des Wirtschaftsressorts zur Begrenzung der Kreditaufnahme und zum Konjunkturpaket wird, Herr Minister Steinbrück, bei der
Aufstellung des Regierungsentwurfs 2010 gedankt und
honoriert werden.
({1})
Nicht nur die Quantität, sondern meines Erachtens
vor allen Dingen die Qualität eines Haushalts zählt. Deshalb lassen Sie mich in wenigen Punkten die wichtigsten
Innovationen zusammenfassen. Dabei komme ich zuerst
auf einen Wermutstropfen zu sprechen, aber auch nur auf
einen: Ein weiterer Schritt zur Exploration des Weltraums, die sogenannte Mondmission, ist nicht durchsetzbar gewesen,
({2})
übrigens schon im Regierungsentwurf nicht.
({3})
Es hieß damals in den Erläuterungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, dass die Mission
mittelfristig weiterverfolgt werden solle. Neuerdings ist
davon überhaupt nicht mehr die Rede, lieber Freund
Kurt. Das wäre, wenn ich jetzt zukunftsgerichtet formulieren darf und nicht über die Vergangenheit maulen
darf, ein schwerer Fehler.
({4})
Die Aufgabe und das Thema sollten besser als bisher begründet und kommuniziert werden. Zu viele sehen in
dem Projekt noch eine Spielerei, die man im Übrigen
auch schön karikieren kann, und sie verkennen die Verbindung von Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung, nämlich die Kette von Entwicklung bis
Produktion, also die gesamte Wertschöpfung.
({5})
- Zwei einsame Beifallspender.
Vor allen Dingen fehlt der Explorationsstrategie eine
ressortübergreifende Schwerpunktbildung. Eine Richtlinie der Bundeskanzlerin wäre hierfür nach wie vor angebracht. In der Weltraumpolitik muss klar sein, dass es an
der Schwelle von der ersten zur zweiten Dekade dieses
Jahrhunderts darum geht, die dritte Dekade vorzubereiten. Ich hoffe sehr, dass dies mit den Ergebnissen der augenblicklich zu Ende gehenden ESA-Ministerratskonferenz gelingt. Der Haushalt des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt, das Nationale Weltraumprogramm
und die Linie der ESA-Beiträge im Einzelplan 09 können sich jedenfalls sehen lassen.
({6})
Damit bin ich bei den Hauptinnovationen im
Einzelplan 09. Schon im letzten Jahr habe ich auf die bedeutenden und interessanten Einrichtungen hingewiesen,
die sich im Geschäftsbereich dieses ebenso klassischen
wie modernen Ressorts befinden. In der Aussprache
über den Einzelplan 30 - Bildung und Forschung - war
schon von der Umsetzung der sogenannten Wissenschaftsfreiheitsinitiative die Rede, die Bundesministerin Schavan und Bundesminister Steinbrück im Sommer
verabredet haben, aber leider erst nach der Aufstellung
des Regierungsentwurfs. Deshalb war auch unser Spielraum bei den parlamentarischen Beratungen enger begrenzt, als es mir lieb gewesen wäre.
Auch das die Verkehrsinvestitionen ergänzende Programm der Forschungsinvestitionen in Höhe von
200 Millionen Euro verdient im Zusammenhang mit
dem Einzelplan 09 Erwähnung.
Für dieses Ressort - ich bezeichne es gerne als unser
Ressort - ist dreierlei hervorzuheben. Erstens. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt erfährt eine Heraufsetzung der sogenannten Selbstbewirtschaftungsmittel, also jener Mittel, über die es auch über das
Kalenderjahr hinweg verfügen kann. Auch da wäre mir
mehr lieber gewesen. Außerdem erhält das DLR die
Chance, Investitionen in Baumaßnahmen und Geräte
vorzuziehen. Die Helmholtz-Gemeinschaft, der das DLR
nach wie vor angehört, sollte eine Verteilung vornehmen, die der Fairness ebenso genügt wie dem Ziel der
Konjunkturstützung. Von den 65 Millionen Euro für die
HGF halte ich ein Drittel für das DLR für angemessen.
Ich werde mich dafür einsetzen, dass es dazu kommt.
Zweitens. Drei Ressortforschungseinrichtungen,
die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, PTB, in
Braunschweig, die Bundesanstalt für Materialforschung
und -prüfung, BAM, in Berlin und die Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover erhalten
einen gleichberechtigten Zugang zum sogenannten ZIM,
zu dem Zentralen Innovationsprogramm für den Mittelstand, das eine Schlüsselprogrammatik des Wirtschaftsressorts ist. Ich freue mich, dass eine Benachteiligung
gegenüber anderen Forschungseinrichtungen abgewendet werden konnte.
Drittens. Bei der PTB und der BAM habe ich eine Lockerung der rechtlichen Bedingungen für die Gewinnung
von wissenschaftlichem Spitzenpersonal erreicht. Ich
bedanke mich für die Unterstützung, die ich dafür allenthalben bekommen habe. Beide Einrichtungen haben
- das will ich bekräftigen - hervorragend bei der Evaluation durch den Wissenschaftsrat abgeschnitten. Ich bin
der Meinung, dass nicht nur Misserfolge Anlass zur
Nachbesserung sein sollten, sondern dass auch Erfolge
belohnt werden sollten. Das ist damit erreicht worden.
Das für Innovationen im Wirtschaftressort unentbehrliche Finanzressort verdient für zwei weitere Verständigungen Lob und Anerkennung; denn von der Handlungsfähigkeit des Staates zu sprechen, ohne die
Funktionsfähigkeit des Staatsdienstes zu sichern, wäre
Selbsttäuschung. Da ist zuerst zu erwähnen, dass das
beim Bundesumweltministerium nun dauerhaft veranschlagte Marktanreizprogramm enorm ausgeweitet wird.
Davon war in den Beratungen über den Einzelplan 16
- Umwelt - die Rede. Darüber hinaus werden die Beschäftigungsverhältnisse der mit diesem Programm befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfristet. Sie
gehören weiterhin zum Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle in Eschborn. Ich bin entschieden dafür,
auch wenn ich hier mit dem Ressort querliege, dass dies
so bleibt. Das Zeugnis, das dem BAFA über die bisherige Erfüllung dieser Aufgabe ausgestellt worden ist,
rechtfertigt allemal, es bei dieser Zuordnung der Aufgabe zu belassen, von der Vermeidung von Umzugs- und
Gemeinkosten ganz zu schweigen.
Noch ein Wort zu einer wichtigen Stütze der Außenwirtschaftsförderung und des Standortmarketings für
Deutschland. Die am weitesten reichende Änderung im
nachgeordneten Bereich des Wirtschaftsministeriums,
das auch und gerade Handelsministerium ist und damit
eine ganz wichtige Rolle für die Exportnation Deutschland spielt, ist, dass wir die Gründung der einheitlichen
Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing
mit dem einprägsamen Kürzel GTaI, Germany Trade and
Invest, abschließen. Ich freue mich, dass mit dem Haushaltsplan und dem Haushaltsgesetz sowie dem parallel
verabschiedeten bfai-Personalgesetz alle Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, die Gesellschaft zum
1. Januar 2009 vom Stapel laufen zu lassen. Dazu war
eine Fülle von Einzelentscheidungen zur Zusammenführung der Personalkörper der bisherigen Gesellschaft Invest in Germany, der bisherigen Behörde bfai und der ihr
zugeordneten Gesellschaft für das Korrespondentennetz,
gfai, nötig. Es ist beeindruckend, wie gut Wirtschaftsund Finanzressort dabei zusammengewirkt haben, und
ich freue mich, wie gut dabei auch Bund und Länder zusammengewirkt haben.
({7})
- Es kommt nicht alle Tage vor, dass man so etwas ressortübergreifend und ebenenübergreifend schafft. - Das
Ergebnis wird eine funktionstüchtige Gesellschaft sein,
die alle Aufgaben der Vorgängereinrichtungen effizienter erfüllen wird als bisher. Sie stärkt die Investitionen
Deutschlands im Ausland und des Auslands in Deutschland. Sie verbessert die Rahmenbedingungen für die Aktivitäten der weltweit verflochtenen deutschen Wirtschaft. „Wann, wenn nicht jetzt?“, konnte man zu diesem
Projekt sagen. Ich bedanke mich, dass gerade der Wirtschaftsausschuss seine Bedenken überwunden und mitgespielt hat.
Ich habe eingangs von der mittelfristigen Finanzplanung gesprochen. Die Schwerpunktbildung für ein Ministerium für Wirtschaft und Technologie, das seinen
Namen verdient, sollte auch in der Zukunft weitergehen.
Lassen Sie mich diesen Ausblick bitte noch geben. Ich
denke zum Beispiel an den wichtigen Sektor „Schifffahrt
und Meerestechnik“. Im Frühjahr 2009 findet in Rostock
die nächste Maritime Konferenz in einem erfolgreichen
Land unter einer guten Führung und nicht zufällig in der
Nachbarschaft des Wahlkreises der Bundeskanzlerin
statt. In diesem Zusammenhang eine aktuelle Bemerkung auch, aber nicht nur zur maritimen Wirtschaft. Ich
erwarte, dass Ihr Haus, Herr Minister Glos, die Umsetzung des 20-Milliarden-Euro-Programms der KfW
für Unternehmen, besonders für kleine und mittlere Unternehmen, die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in
Not geraten sind, überwacht. Dies gilt nicht nur für die
KfW, eine Staatsbank, sondern es gilt auch für die Geschäftsbanken, die wochenlang Stillstand geübt haben
und die jetzt unter den sogenannten Bankenschirm kommen, also in den Finanzmarktstabilisierungsfonds aufgenommen werden. Ich könnte Ihnen Beispiele für noch
immer anhaltendes Zuwarten nennen, und ich hoffe, dass
man sich nicht nur generell um Unternehmen kümmert,
sondern dass man auch Einzelfälle abarbeitet und an die
Bilanzierung von Unternehmen denkt, und zwar nicht
erst in der Zukunft, sondern auch in der Gegenwart.
({8})
Als Haushälter und Bundesstaatsreformer wende ich
mich zum Schluss an meine beiden Ressorts - das ist bei
jedem Haushälter so, dass er zwei Ressorts hat -, nämlich das Fachressort und das Finanzressort. In diesem
Falle sind das die Zwillingsbrüder für Stabilität und
Wachstum. Wir beobachten den edlen Wettstreit zwischen den Ministern, den Wettstreit von Stilen, den Wettstreit um Konzepte. Ich urteile darüber nicht voreilig,
sondern ich setze auf Entscheidungen und Wirkungen.
Umso dankbarer bin ich dem Fraktionsvorsitzenden der
SPD, Dr. Struck, dem vom Bund gestellten Vorsitzenden
der Kommission zur Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, dass und wie er in der sogenannten Elefantenrunde das Ziel einer neuen Schuldenregel und eines
die Länder mitumfassenden Frühwarnsystems bekräftigt
hat. Mir gefiel die Formulierung auch an dieser Stelle,
dass aus der Krise eine Chance erwachsen muss. Der
Vorschlag der Bundesregierung, auf den sich die Ministerien von Steinbrück und Glos verständigt haben, kann
eine Richtschnur für die Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen sein, vielleicht auch darüber hinaus. Ich
hoffe es unter den veränderten Verhältnissen und den
neuen Einsichten, die daraus resultieren. Dies sage ich,
versehen mit einem dicken Ausrufungszeichen, auch zur
Debatte über die sogenannte Nullverschuldung. Es tut
mir leid, dass beide Fraktionsvorsitzenden im Moment
nicht im Saal sind, aber ich darf hinzufügen: Beiden
habe ich dieses noch einmal dringend ans Herz gelegt.
Der Vorschlag der Bundesregierung für eine Schuldenbremse ist nicht nur für konjunkturelle und strukturelle Schönwetterzeiten gedacht, sondern gerade für
Schlechtwetterzeiten geeignet, ja bestimmt. Ich kann es
in der Sprache der Branche, die den Deutschen die
liebste ist, ausdrücken: Ein gutes Auto braucht nicht nur
ein Gaspedal, sondern auch ein Bremspedal, damit seine
Insassen gesund ans Ziel kommen.
Danke schön.
({9})
Das Wort erhält nun die Kollegin Kerstin Andreae,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Glos, Sie müssen meine Kurzatmigkeit
heute entschuldigen, aber seien Sie gewiss: Es ist nicht
Ihre Rede, die mir den Atem raubt. Ich fand unglaublich
müde, was Sie als Wirtschaftsminister zu diesen Haushaltsberatungen vorgeschlagen haben.
({0})
Erst einmal zum Grundsätzlichen. Sie legen diesem
Haushalt die Annahme „0,2 Prozent Wachstum“ zugrunde, sagen aber selbst persönlich im Haushaltsausschuss: Eigentlich gehen wir von minus 1 Prozent aus. Warum ist das wichtig? Wir wissen: 0,1 Prozent weniger
Wachstum bedeutet Mindereinnahmen von ungefähr
500 Millionen Euro. Also sprechen wir hier von mehreren Milliarden Euro Mindereinnahmen für das nächste
Jahr. Es ist für eine Regierung und für einen Wirtschaftsminister unseriös, einen solchen Haushalt zu verabschieden, Herr Glos.
({1})
Jetzt möchte ich schon noch auf Ihre Rolle in den
letzten Wochen eingehen. Es war wirklich erstaunlich.
Wir hatten einen Wirtschaftsminister, der in der Finanzmarktkrise durch überhaupt kein Krisenmanagement aufgefallen ist. Dann fällt er auf, nämlich durch
Forderungen nach einem milliardenschweren Konjunkturpaket,
({2})
das aber von der Kanzlerin und vom Finanzminister sofort wieder eingesammelt wurde.
Als wir hier die erste Lesung hatten, habe ich Ihnen
gesagt, Herr Glos, dass Sie mit der Forderung zur Entfernungspauschale in Bayern ganz fürchterlich auf die Nase
fallen werden. Das ist auch passiert. Mich persönlich
freut es, dass Sie in Bayern ein schlechtes Wahlergebnis
gehabt haben. Die Forderung zur Entfernungspauschale
war nichts anderes als ein Wahlkampfgeplänkel. Sie reden heute nicht mehr davon. Inhaltlich finde ich das ja
richtig. Es macht aber deutlich, dass Sie populistisch
Forderungen aufstellen und versuchen, bestimmte Maßnahmen als Wahlgeschenk zu versprechen, und am Ende
ist dann nichts dahinter.
({3})
Was machen Sie dann? Sie beklagen sich. In der FAZ
vom 21. November steht - das ist aus einem Interview
mit Ihnen -:
„In einem Orchester bestimmt derjenige vorn am
Pult die Einsätze. Und die Dirigentin der Regierung
hat bei der Lösung der Bankenkrise den öffentlichen Einsatz des Wirtschaftsministeriums wenig
gefordert.“
({4})
Absurd!
Wir brauchen keinen Wirtschaftsminister, der in der
Krise auf seinen Einsatz wartet, sondern wir brauchen
einen Wirtschaftsminister, der selbst die Initiative ergreift.
({5})
Was Sie gemacht haben, reicht vielleicht für die Triangel
in einem Orchester, ein bisschen „bing“, wenig Einsätze,
und das war es dann, Herr Glos.
Natürlich sind wir in einer schwierigen, in einer absolut schwierigen wirtschaftlichen Situation - das ist überhaupt nicht schönzureden -, aber eines ist klar:
Schrumpfende Absatzmärkte, Unsicherheiten auf den
Weltmärkten, sinkende Rohstoffvorkommen, der Wandel zur Wissensökonomie, der Klimawandel - das sind
Tatsachen, die wir auch schon vor der Finanzkrise
hatten. Diesen Tatsachen hätten wir - das haben wir
auch immer wieder eingefordert - schon damals mit einem Strukturwandel begegnen müssen. Die Finanzkrise
verstärkt die Wirtschaftskrise - absolut, massiv -, aber
dass wir vor diesen weltwirtschaftlichen Herausforderungen stehen, wissen wir nicht erst seit ein paar Wochen.
({6})
Natürlich brauchen wir jetzt Maßnahmen. Zwei Strategien sind gefordert. Wir brauchen kurzfristige Maßnahmen, die schnell wirken, und wir brauchen Strukturpolitik für unsere Wirtschaft, um diese zukunfts- und
wettbewerbsfähig zu machen. Für uns heißt das: Kaufkraft steigern - ja! -, aber es heißt auch: Investitionen in
Klimaschutz sowie Investitionen in Bildung und Wissensökonomie. Das ist das grüne Investitionsprogramm. - Das
nur zu Ihrem Zuruf, dass mir nichts Neues einfällt.
({7})
- Jetzt hören Sie mal zu!
Nun zu einem Vorschlag, der im Rahmen des Punktes
„Kaufkraft steigern“ diskutiert wird, nämlich: Steuersenkungen. Die FDP hat sich damit nie durchgesetzt.
Friedrich Merz hat sich damit nicht durchgesetzt. Sie haben damit die letzte Wahl fast verloren. Woran liegt das?
Das liegt daran, dass wir im Prinzip eine sehr sensible
Bevölkerung haben, was Steuergerechtigkeit angeht. Die
Menschen sind da sensibel, und sie wissen genau: Wenn
Sie jetzt Steuersenkungen fordern, kommt das nicht bei
den unteren 30 Prozent an, die gar keine Einkommensteuer zahlen. - Diese mangelnde Steuergerechtigkeit
von Steuersenkungen spüren die Menschen, und deswegen finden Sie da keine Unterstützung.
({8})
Ein zweiter Vorschlag dazu ist, die Mehrwertsteuer zu
senken. Natürlich war die Erhöhung ein Riesenfehler.
Sie brauchen sich nicht zu wundern, dass wir jetzt eine
mangelnde Kaufkraft haben, nachdem Sie die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht haben. Wozu führt der
Vorschlag, die Mehrwertsteuer jetzt wieder um 1 Prozentpunkt zu senken? Wenn ein Radio im Geschäft
150 Euro kostet, dann kostet es dadurch etwa ein Prozent
weniger. Das ist keine wirkliche Kaufkraftsteigerung.
({9})
Insofern sagen wir: Nehmen Sie dieses Geld und verwenden Sie es für eine Erhöhung des Regelsatzes! Der
Regelsatz beträgt 351 Euro. Erhöhen Sie diesen auf
420 Euro! Das sind faktisch fast 70 Euro mehr für jeden
Hartz-IV-Empfänger. Das sind die Leute, die das Geld
wieder ausgeben. Das ist sozial gerecht. Das ist sofort
spürbar. Das ist effizient. Das wäre aus unserer Sicht die
richtige Maßnahme.
({10})
Das hätte etwas Weiteres zur Folge, nämlich dass
auch der Steuerfreibetrag ansteigen muss. Das hätte
dann etwas sehr Vernünftiges zur Konsequenz: Auch
diejenigen, deren Einkommen zwar über dem Hartz-IVSatz liegt und die nicht mehr Transferempfänger sind,
aber ein sehr niedriges Einkommen haben, würden von
einem höheren Steuerfreibetrag profitieren.
Zweiter Punkt: Investitionen in Klimaschutz und
Strukturwandel. Es ist kein Jahr her, da sind Sie von
der Regierung nach Grönland gefahren oder haben Eisbären im Zoo geknuddelt. Da haben Sie scheinbar das
erste Mal verstanden, dass der Klimawandel nicht nur
massive ökologische, sondern vor allem auch massive
ökonomische Folgen hat. War das Schönwetterpolitik?
Wir hören nun vom Wirtschaftsminister Glos: Wir brauchen ein Belastungsmoratorium. - Er fordert die Aufweichung der deutschen Klimaschutzziele. Die Lobby
hat sich durchgesetzt. Ich sage Ihnen: Wer übersieht,
dass Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft nur mit klarer Klimaorientierung einhergeht, der hat nichts kapiert.
({11})
Wir können uns eine Vertagung eines klaren Klimakurses nicht leisten, letztes Jahr schon nicht und heute
erst recht nicht. Wenn Sie schon nicht über Umweltschutz und Umweltschäden reden wollen, dann reden
Sie über Wirtschaft. Klimapolitik ist ein Konjunkturpaket ersten Ranges. Es schafft Arbeit, und zwar zukunftsfähige Arbeitsplätze. Es fördert Innovation durch
neue Technologien, sichert den Export und sichert auch
die Wettbewerbsfähigkeit. Wissen Sie, was meine Sorge
ist? Meine Sorge ist, dass uns andere hier gerade den
Rang ablaufen. Wir hören aus Amerika und vom UNGeneralsekretär, dass ein grüner New Deal nötig ist. Wir
hören von der zuständigen EU-Kommissarin:
Klimaschutz und die Entwicklung energieeffizienter Technologien können … die Lokomotive werden, die uns aus der Krise zieht.
Was macht die Bundesregierung? Sie unterbreitet einen
Kfz-Steuer-Vorschlag, der zur Folge hat, dass die Anschaffung spritfressender Geländewagen mit 1 800 Euro
belohnt wird und die Anschaffung eines sparsamen kleinen Autos mit 130 Euro. Das geht in die völlig falsche
Richtung. Das dürfen Sie nicht machen.
({12})
Sie haben in der Rede zum Wachstumspaket, Herr
Glos, zu diesem Kfz-Steuer-Vorschlag gesagt:
… das ist eine Art symbolischer Akt, der zeigt, wie
wichtig uns die Automobilindustrie ist.
Wir brauchen keine Symbolpolitik, sondern wir brauchen eine klare Ausrichtung auf den Klimaschutz.
({13})
Dritter Punkt: Investitionen in Bildung und Wissensgesellschaft. Das ist eine Forderung, die der Sachverständigenrat, der ja Ihr Konjunkturpaket nicht gerade
positiv beurteilt hat, auch aufgestellt hat. Wir brauchen
Geld für Betreuung und Geld für Bildung, aber zum Beispiel auch Geld, um den Kommunen zu helfen, ihre
Schulen zu sanieren.
({14})
Schauen Sie sich einmal in der Landschaft um, schauen
Sie sich einmal an, wie die Schulen aussehen. Hier ergäbe sich eine mehrfache Win-win-Situation: für die
Kinder in den Schulen, für die Kommunen, für das
Klima und für die Wirtschaft.
({15})
Hier muss massiv mehr Geld investiert werden. Natürlich passiert das an der einen oder anderen Stelle, aber
das reicht einfach nicht aus.
({16})
- Natürlich geht das. Sie müssten sich einmal ein paar
Gedanken machen, wie das funktionieren könnte, aber
natürlich ist es möglich, den Kommunen hier finanziell
unter die Arme zu greifen.
({17})
Es liegen Vorschläge auf dem Tisch. Diese muss man
sich anschauen. Man darf sich aber nicht einfach auf den
Standpunkt zurückziehen: Das funktioniert nicht; das
machen wir nicht; deswegen lassen wir zu, dass die
Schulen immer maroder werden.
({18})
Es gibt ja noch viel mehr Vorschläge, was Sie machen
könnten. Ich höre mir diese immer gerne an und unterstütze sie auch. Schauen Sie sich einmal an, wie wir
beim Bürokratieabbau vorankommen. Ich finde, das ist
einfach zu wenig. Die Niederlande haben es geschafft,
den Bürokratieabbau massiv voranzubringen und die Informationspflichten zu senken. Wir sprechen hier noch
nicht über irgendwelche politisch gesetzten Vorgaben,
sondern wir sprechen hier schlicht über Informationsund Statistikpflichten. Das, was die Kanzlerin in ihrer
Rede gesagt, nämlich dass es hier um ein Volumen ungefähr in Höhe des Volumens der Steuerreform gehe,
stimmt, aber nur theoretisch. Wir haben nämlich nicht
genug gemacht. Wir haben dieses Volumen nicht ausgeschöpft. Wir haben die Unternehmen nicht so entlastet,
wie es andere machen. Auch Österreich läuft uns in diesem Punkt davon.
Ich wünsche mir vom Wirtschaftsminister, dass er
Maßnahmen, die in anderen Ländern erfolgreich waren,
auch hier umsetzt. Ein sinnvoller Vorschlag, den Sie umsetzen könnten, wäre zum Beispiel, dass jeder Fachminister einmal im Jahr hier im Plenum zu der Frage der
Bürokratiebelastung durch seine Gesetze Stellung nehmen muss.
({19})
An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei
den Wirtschaftspolitikern von CDU/CSU und SPD bedanken, die am Mittwoch mit uns gemeinsam beschlossen haben, dass wir das Erbschaftsteuerreformgesetz
dem Normenkontrollrat vorlegen. Das ist sehr sinnvoll.
Sie hätten es vorher schon machen können; jetzt wird es
halt ein bisschen später gemacht. Da bei dieser Reform
nach der Reform sowieso vor der Reform ist, kann es
noch zu interessanten Ergebnissen kommen. Sie hätten
vorher schon überlegen können, was die Reform der
Erbschaftsteuer für die Unternehmen bedeutet. Wahrscheinlich haben Sie sich vor den Ergebnissen gefürchtet - zu Recht.
({20})
Über die Lohnnebenkosten will ich nicht lange reden. Am 1. Januar 2009 werden wir aufgrund der Gesundheitsreform eine massive Steigerung der Lohnnebenkosten erleben. Ihr Ziel war doch eigentlich die
Senkung auf unter 40 Prozent. In der Wahrnehmung der
Menschen bedeuten 40 Prozent Lohnnebenkosten immer
noch 20 Prozent Arbeitgeberanteil und 20 Prozent Arbeitnehmeranteil. Das stimmt aber nicht mehr; denn inzwischen gibt es durch die Festschreibung des Arbeitgeberanteils eine massive Steigerung für die Arbeitnehmer.
Wenn Sie wirklich mehr Netto vom Brutto wollen, dann
müssen Sie die Lohnnebenkosten senken. Aber Sie bewirken mit der Gesundheitsreform die größte Steigerung
bei den Beitragssätzen zur gesetzlichen Krankenversicherung.
({21})
Ich möchte noch eine Bemerkung zu unserem Antrag
über Breitbandanschlüsse machen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen
können
({22})
oder warum Sie nicht wenigstens etwas Gleichwertiges
vorlegen. Sie selber sagen, eines der größten Probleme
für die sogenannten weißen Flecken, also die betroffenen Gemeinden, ist, dass es da keine Breitbandanschlüsse gibt. Wir schlagen nun vor, sich um eine solide
Datenbasis und um eine zielgenaue Beratung der Gemeinden zu kümmern.
({23})
- Das haben Sie aber nicht in der Weise beschlossen,
dass die notwendigen Mittel etatisiert sind. Das ist doch
das Problem.
({24})
Sie machen große Worte, aber nichts ist dahinter. Deswegen ist das, was Sie machen, nur Show.
({25})
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss.
Mit Blick auf das Konjunkturprogramm fordere ich
Sie auf: Passen Sie auf, dass Sie nicht Maßnahmen ergreifen, die eine neue Krise automatisch nach sich ziehen! Es ist falsch, in marode Unternehmen und in
marode Branchen zu investieren. Es ist richtig, den
Strukturwandel voranzutreiben und die Zukunft im Blick
zu haben. In diesem Sinne brauchen wir eine Wirtschaftspolitik für morgen und keinen Wirtschaftsminister von gestern. Das wäre aus unserer Sicht ein sehr sinnvolles Konjunkturprogramm.
Vielen Dank.
({0})
Kurt Rossmanith ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Alle Vorredner haben in ihren Beiträgen die weltweite Finanzkrise und auch die Krise, die
sich daraufhin im ökonomischen Bereich einstellt, dargestellt. Denen kann ich natürlich nicht widersprechen.
Aber ich halte es für wichtig, dass wir ein Stück Optimismus mit einbringen. Wir sollten uns alle gemeinsam
darum bemühen und alles daransetzen, dass aus dieser
Krise eine hoffnungsvolle Zukunft erwächst. Denn jede
Krise birgt die Chance und die Hoffnung auf einen Wandel und eine bessere Zukunft in sich. Im Chinesischen
steht für „Krise“ und für „Optimismus“ das gleiche
Schriftzeichen. Daran sollten wir vielleicht auch denken.
Die Bundesregierung hat - getragen von der Koalition - Maßnahmen beschlossen und eingeleitet, um diese
Krise nicht zu einem Desaster für unser Land, das natürlich von der Weltwirtschaft in ganz besonderem Maße
abhängt, werden zu lassen und um aus der Krise herauszukommen. Die Bundeskanzlerin hat gesagt, dass 2009
ein schwieriges Jahr werden wird. Aber ich bin davon
überzeugt, dass wir im Jahr 2010 aufgrund der eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen wieder auf dem
Weg nach oben sein werden und dass es zu einer kräftigen wirtschaftlichen Erholung und damit zu sicheren Arbeitsplätzen für die Bürgerinnen und Bürger unseres
Landes kommen wird.
({0})
Natürlich sind alle Maßnahmen, die dazu dienen, uns
aus der Wirtschaftskrise zu führen und nach vorne zu
bringen, im Zusammenhang mit der Stabilisierung des
Haushaltes zu sehen. Bundesminister Glos hat ebenso
wie Bundesminister Steinbrück darauf hingewiesen, dass
wir uns durch die jetzt vorgesehenen Investitionen - dadurch werden wir für ein Jahr die Nettoneuverschuldung
gegenüber dem Vorjahr etwas erhöhen - auf keinen Fall
von unserem Stabilisierungsweg abbringen lassen. Wir
werden auf diesem Weg fortschreiten und schon im Jahr
2010 die Nettokreditaufnahme wieder deutlich senken
können.
({1})
Gerade im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie spiegeln sich diese Bemühungen
wider. Dieser Haushalt stellt den stärksten Beitrag zur
Stabilisierung dar. Immerhin haben wir gegenüber dem
Haushaltsansatz im Jahre 2009 etwas mehr als
240 Millionen, die durch die Absenkung der Hilfen für
die Steinkohle, eine auslaufende Technologie - die Vorrednerin hat darauf hingewiesen -, frei geworden sind.
Wir müssen fast 400 Millionen Euro weniger an Leistungen erbringen, sodass wir entsprechende Freiräume haben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stellen in diesem Haushalt mit rund 2,2 Milliarden Euro
etwa ein Drittel des gesamten Plafonds dieses Haushalts
des Ministers für Wirtschaft und Technologie dar.
Ein Schwerpunkt - ich bin dem Kollegen Volker
Kröning sehr dankbar, dass er dies schon angesprochen
hat - ist die Raumfahrt. Hier sind wesentliche Akzente
zu setzen. Gerade ist die ESA-Ministerratskonferenz zu
Ende gegangen, die diese Woche in Den Haag stattgefunden hat und sehr erfolgreich war. Sie hat auch für die
Bundesrepublik Deutschland nicht nur unmittelbar wirtschaftlich, technologisch und wissenschaftlich umsetzbare Erfolge gezeigt, sondern es wurde auch wieder dargestellt, dass wir der stärkste Partner sind und auf
diesem Gebiet einen ganz wesentlichen Vorsprung haben.
({2})
Es ist unser aller Aufgabe, diesen Vorsprung zu halten.
Unsere Wissenschaft, unsere Hochtechnologie wird
letztlich in neuer Wirtschaftskraft ihren Niederschlag
finden.
({3})
Wir sollten unsere jungen Menschen animieren, auch auf
diesem Hochtechnologiefeld tätig zu werden.
Volker Kröning hat es schon angesprochen: Unser
Dank geht an das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang
auch unsere anderen Agenturen nennen, die Bundesanstalten und Bundesämter, die sonst bei diesen Diskussionen immer unter den Tisch fallen, und ihnen ein herzliches Dankeschön für die Leistung sagen, die sie hier
erbringen.
({4})
Als Exportweltmeister und vom Export ganz wesentlich getragenes Land müssen wir natürlich auch bei der
Außenwirtschaftsförderung entsprechende Akzente
setzen. Ich bin sehr dankbar, dass es mit allen Beteiligten
möglich war, ein Instrumentarium zu schaffen, wodurch
die Suche nach Geschäftsbeziehungen sowohl nach innen als auch nach außen gebündelt wird, sodass nicht
drei, vier oder fünf verschiedene Aktionen nebeneinanderlaufen, sondern dass dies aus einer Hand angeboten
werden kann, wie es in manchen Bereichen schon der
Fall ist. Ich will hier nur als Beispiel Südamerika nennen: Mithilfe unserer Außenhandelskammer in São
Paulo, Brasilien, funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen hervorragend. Wir werden diese
Zusammenarbeit ausbauen. Ich bin allen dankbar, die
daran mitgewirkt haben, dass wir dies erreichen konnten.
Wir werden weiterhin einen ganz wichtigen Akzent
auf die Darstellung unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Ausland setzen müssen. Das heißt, dass unser
Auslandsmessewesen weiterhin ein wichtiger Faktor im
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sein
muss. Ich halte das für das Instrumentarium schlechthin.
Wir, also das Wirtschaftsministerium, die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland, müssen gerade unseren mittleren und kleineren Unternehmen eine
Plattform schaffen, damit sie auf den internationalen
Weltmärkten bestehen können.
Ich glaube, dass der Entwurf des Haushalts des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, so wie wir
ihn im Haushaltsausschuss beschlossen haben und Ihnen
heute vortragen, für den wir um Zustimmung bitten, das
Ergebnis einer sehr guten Arbeit ist. Wir brauchen die
Impulse. Wir haben gezeigt, dass Sparsamkeit in schwierigen Zeiten nicht gänzlich an die Seite gerückt oder sogar vergessen werden muss.
Herr Kollege Rossmanith!
Sehr verehrter Herr Präsident, ich komme zum
Schluss. - Ich möchte allen Dank sagen, die daran mitgewirkt haben. Zum einen möchte ich den Mitberichterstattern danken, aber auch den Vertretern beider Häuser, also den Vertretern des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie und des Finanzministeriums, hier insbesondere denen der Haushaltsabteilung,
aber auch denen aus allen anderen Abteilungen, die hervorragende Arbeit geleistet haben.
Wir legen Ihnen eine sehr gute Arbeit vor. Diese Arbeit sollte in der zweiten Lesung durch Ihr Ja entsprechend anerkannt werden.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort erhält nun die Kollegin Ulrike Flach für die
FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist schon erstaunlich, auf welch unterschiedlichen Ebenen die wirtschaftspolitische Debatte
am heutigen Tage geführt wird. Auf der einen Seite erleben wir in den Medien heute und in den letzten Tagen
immer wieder höchst engagierte Mitglieder der Kanzlerin-Partei - ich sehe gerade Herrn Meyer da sitzen - mit
der Forderung nach Steuersenkungen; Sie, Herr Minister, treten als einsamer Rufer in der Kabinettswüste nach
Entlastungen in Erscheinung. Auf der anderen Seite haben wir eine Kanzlerin, die sich zunehmend als Kassandra geriert und vor düsteren Zeiten warnt, ohne im
Endeffekt über sehr kleinteilige Rettungsmaßnahmen hinauszukommen. Da frage ich mich als Liberale natürlich: Was ist eigentlich aus der CDU/CSU geworden?
({0})
Wie soll dieses Land noch Vertrauen in die Wirtschaftspolitik haben? Wie soll dieses Land aus der Rezession,
in der wir uns befinden, mit Ihnen wieder herauskommen? Sie verstecken sich hinter Herrn Steinbrück und einer Kanzlerin, die meint, auf Parteitagen etwas vorstellen zu können, was in der Realität nicht umgesetzt wird,
nämlich eine Entlastung der Menschen draußen im
Lande, damit sie konsumieren. Das schaffen Sie nicht.
Das ist ein wirklich schlechtes Zeugnis für eine Partei,
die ihre Wirtschaftspolitik immer für gut gehalten hat.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind in der
Rezession angekommen; alle Wirtschaftsindikatoren
deuten darauf hin. Wir haben ein Rettungspaket vorliegen, das nur als minimales Rettungspaket bezeichnet
werden kann. Gleichzeitig haben wir einen Bundesfinanzminister, der sich an die Wachstumsannahme von
0,2 Prozent für das nächste Jahr klammert. Herr Glos,
ich hätte an dieser Stelle schon von Ihnen erwartet - da
bin ich völlig bei Frau Andreae -, dass Sie das wiederholt hätten, was Sie uns in der Sitzung des Haushaltsausschusses gesagt haben. Sie gehen nämlich von einer
deutlich schlechteren Annahme als der Finanzminister
aus. Das heißt, dieser Haushalt ist mit deutlich höheren
Risiken belastet, als Sie uns heute weismachen wollen.
Ich hätte von dem Wirtschaftsminister dieses Landes
deutliche Worte erwartet.
({2})
Die Erkenntnis ist bei Ihnen, zumindest nach den Zeitungsmeldungen, der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. Wir, die Liberalen, sind ganz klar mit Ihnen einer Meinung, dass wir eine deutlich spürbare Entlastung
der Bürger brauchen. Jetzt rächt sich natürlich - das erkennen wir als Haushälter ganz deutlich -, dass Sie in
den letzten Jahren nicht vorgesorgt haben.
({3})
Sie haben nicht gespart. Die FDP hat Ihnen in den letzten
Jahren Sparvorschläge in Höhe von 40 Milliarden Euro
vorgelegt, und Sie haben durch die Bank alle abgelehnt.
({4})
Wären Sie unseren Sparvorschlägen gefolgt, hätten wir
heute zumindest ein Fundament, um etwas anzustoßen.
Wir beide, lieber Herr Rossmanith, hätten dann wirklich
den Mond erobern können. Aber weil Sie nicht gespart
haben, können Sie auch keine wichtigen Investitionsvorhaben auf den Weg bringen. Aus diesem Grund verschwinden auch Ihre Steuersenkungsvorschläge im Nebel.
Nun wird es eng. Ohne den entsprechend sanierten
Haushalt müssen Sie ins kalte Wasser springen. Der Finanzminister sagt immer gerne, man solle nicht jeden
Tag eine neue Sau durchs Dorf jagen. Aber ich betrachte
mit Interesse, was uns die Bundesbank in diesen Tagen
zu diesem Thema sagt. Wir werden in den nächsten Tagen damit konfrontiert werden, dass uns die Bundesbank
auffordert, Steuerschecks zu verteilen. Da frage ich
mich natürlich: Wie stehen Sie dazu? Heute wäre die
Chance gewesen, Herr Glos, das deutlich zu machen.
({5})
Das haben Sie leider nicht getan. Das Quantum Trost
sind Sie für uns heute nicht gewesen. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie etwas dazu gesagt hätten. Unter diesen
Umständen können wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen.
({6})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Edelgard Bulmahn,
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Herren und Damen! Es ist richtig, dass wir uns in einer
sehr schwierigen Krise befinden. Ebenso ist richtig, Frau
Kollegin Andreae, dass sich die Weltwirtschaft auf Talfahrt befindet. Niemand wird das bestreiten können. Unser Land, das wie kein anderes vom Exportgeschäft lebt,
wird nicht darauf hoffen können, hiervon verschont zu
bleiben. Die Krise hat - auch das ist gesagt worden - die
Realwirtschaft erreicht. Sie hat bereits Auswirkungen
auf die chemische Industrie und auf die Automobilindustrie, und wir befürchten, dass sie auch Auswirkungen auf
den Arbeitsmarkt haben wird.
Ich sage dennoch - mein Kollege Stiegler hat zu
Recht darauf hingewiesen -: Das Rettende wächst.
({0})
Der G-20-Gipfel, die EU, die Bundesregierung, die
USA, China und viele andere Länder, sie alle arbeiten
zusammen.
({1})
Das ist ein entscheidender Fortschritt.
({2})
Anders als in der großen Depression in den 20er-Jahren,
die bis in die 30er-Jahre hineinging, gibt es heute den
politischen Willen, die Krise gemeinsam zu meistern.
({3})
Das ist ein unglaublicher Fortschritt, den man, liebe Frau
Flach, nicht zerreden darf.
({4})
Abgestimmtes Handeln - das sagt der IWF ausdrücklich - zeigt doppelte Wirkung. Peer Steinbrück, FrankWalter Steinmeier und die Kanzlerin haben auf internationaler und auf europäischer Ebene mit Erfolg auf ein
abgestimmtes gemeinsames Handeln gedrungen.
({5})
Nachdem die Wirtschaft sich globalisiert hat, ist es angesichts der Herausforderungen unausweichlich, auch zu
einer weltweit koordinierten Wirtschaftspolitik zu
kommen.
Wenn man sich in einer derart unsicheren und schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, dann kommt es
darauf an, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und zügig zu handeln. Die Bundesregierung und das Parlament
haben in den letzten Tagen und Wochen beides geleistet.
({6})
Mit dem Schirm für die Finanzwirtschaft - hier reden
wir über 500 Milliarden Euro: 400 Milliarden Euro an
Bürgschaften und 100 Milliarden Euro an konkreter finanzieller Hilfe -, dem Konjunkturprogramm, dem Beschäftigungssicherungsprogramm und auch mit dem
Bundeshaushalt leisten wir einen entscheidenden Beitrag
zur Stabilisierung der Wirtschaft und damit auch zur Sicherung der Arbeitsplätze.
({7})
Es kommt jetzt darauf an - das haben hier viele gefordert -, die Binnennachfrage zu stärken. Genau das tut
die Bundesregierung
({8})
mit dem Konjunkturprogramm, mit dem Beschäftigungssicherungsprogramm, aber auch mit diesem Haushalt. Es kommt außerdem darauf an, die Exportfähigkeit unserer Unternehmen weiter zu stärken, weil wir
extrem exportabhängig sind. Das geht nur, wenn wir die
Innovationskraft unserer Unternehmen weiter stärken.
Auch das tun wir mit diesem Bundeshaushalt.
({9})
Liebe Frau Kollegin Andreae, wir sind uns in dem,
was wir tun müssen, einig: Wir müssen die Binnennachfrage stärken; wir müssen die Exportnachfrage stärken.
({10})
Genau das tun wir mit dem, was wir hier in den letzten
Wochen vorgelegt haben, und mit dem, worüber wir
heute entscheiden werden.
Die Maßnahmen, die wir hier zu ergreifen haben,
müssen - das ist ein weiterer wichtiger Aspekt - kurzfristig Wachstumsimpulse geben, und sie müssen gleichzeitig eine nachhaltige Wirkung haben. Deshalb haben
wir uns entschlossen, bestimmte Vorschläge - etwa die
Verteilung von Konsumschecks, was wie ein Strohfeuer
wirken würde, was schnell aufflammt, aber genauso
schnell auch wieder erlischt - nicht aufzugreifen. Mit der
deutlichen Erhöhung der Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm setzen wir genau den Schwerpunkt,
den Sie hier gefordert haben. Dadurch können wir kurzfristig Investitionen mit einer großen Wirkung - gerade
für kleine und mittlere Unternehmen, für das Handwerk in Gang setzen. Dieses Programm wollen wir im Übrigen, liebe Frau Kollegin, ganz gezielt für die CO2-Sanierung von Schulgebäuden einsetzen.
({11})
Genau das wollen wir damit erreichen; denn wir sehen
die Notwendigkeit und den Bedarf. Liebe Kollegin
Andreae, man muss schon ein bisschen genauer hinschauen.
Ich will allerdings auch ausdrücklich sagen - das erwähne ich hier nicht zum ersten Mal -: Neben der Bundesregierung haben auch die Länder und die Kommunen
eine konjunkturpolitische Verantwortung.
({12})
Es muss schon so sein, dass wirklich alle Ebenen koordiniert zusammenarbeiten, so wie es unsere Bundesregierung in den internationalen Verhandlungen zu Recht immer wieder eingefordert hat und zu Recht durchsetzt.
Zum ersten Mal seit zwei Jahren - auch das will ich in
diesem Zusammenhang sagen - haben wir überhaupt
diese Handlungsmöglichkeiten. Zum ersten Mal seit
zwei Jahren ist die Situation so, dass der gesamtstaatliche Haushalt einen Überschuss ausweist. Das gibt uns
die Möglichkeit, jetzt diese Entscheidungen zu treffen.
Auch das ist ein Ergebnis einer guten Regierungspolitik,
wenn auch nicht allein ihr Ergebnis; das weiß ich auch.
Die Wirtschaft hat dabei eine wichtige Rolle gespielt,
vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; schließlich sind sie diejenigen, die Wertschöpfung
betreiben. Aber ich wiederhole: Das ist auch ein Ergebnis guter politischer Arbeit.
({13})
Die FDP hat wieder Steuersenkungen verlangt. Es ist
fast schon so, dass man bei der FDP immer weiß, was
kommt.
({14})
Ich muss allerdings sagen: Steuersenkungen wären in
der derzeitigen finanz- und wirtschaftspolitischen Lage
einfach verantwortungslos:
({15})
Zum einen würden die öffentlichen Haushalte ihre Gestaltungsspielräume, die sie im Augenblick dringend
brauchen, verlieren, und zum anderen würde das, wie ich
persönlich fürchte, zu nichts anderem führen, als dass
die Menschen die zusätzlichen Mittel auf das Sparkonto
einzahlen würden. Darauf haben Sie selbst hingewiesen.
({16})
Ich habe den Eindruck, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie immer noch nichts dazugelernt haben, obwohl Friedrich Hebbel schon vor über
150 Jahren gesagt hat:
Selbst im Fall einer Revolution würden die Deutschen sich nur Steuerfreiheit, nie Gedankenfreiheit
erkämpfen.
Sie haben Friedrich Hebbel allerdings gründlich missverstanden, wenn Sie glauben, er habe das als wünschenswert beschrieben. Es war als Kritik gemeint.
({17})
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,
sage ich: 150 Jahre reichen doch, um dazuzulernen.
({18})
Die neoliberalen Wirtschaftskonzepte, die Sie heute
wieder vorgetragen haben,
({19})
haben uns die gegenwärtige Krise eingebrockt, und sie
sind untauglich, uns aus dieser Krise wieder herauszuführen.
({20})
Wir brauchen nicht weniger Staat, sondern einen handlungsfähigen Staat.
({21})
Wir werden die Erfolge der letzten Jahre - ich sage
das ausdrücklich für die Koalitionsfraktionen; wir haben
inzwischen über 40 Millionen Beschäftigte - nicht wieder leichtfertig preisgeben. Deshalb stärken wir mit dem
Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums besonders
die Wirtschafts- und Innovationskraft der kleinen und
mittleren Unternehmen. Wir stärken zudem durch die
deutliche Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
und durch das Zinsverbilligungsprogramm der KfW in
Höhe von 20 Milliarden Euro, auf das mein Kollege
Kröning schon hingewiesen hat, gleichzeitig und zusätzlich Investitionen in der Breite.
Wir stärken die Innovationskraft der kleinen und mittleren Unternehmen vor allem deshalb, weil wir wissen,
dass sie das Rückgrat unserer Wirtschaft sind, weil wir
wissen, dass sie über 80 Prozent der Arbeitsplätze zur
Verfügung stellen,
({22})
weil wir wissen, dass sie die Ausbildung tragen,
({23})
und weil wir auch wissen, dass sie wichtige Wachstumsund Fortschrittstreiber für neue Produkte, Güter und
Dienstleistungen sind. Daher stärken wir mit diesem
Haushalt Forschung und Entwicklung, Technologieentwicklung und Innovationen im Mittelstand.
({24})
Bei allem konjunkturpolitischen Handlungsbedarf
wäre eines grundfalsch: darauf zu verzichten, die Unternehmen auch weiterhin für die Zukunft fit zu machen
und ihre Innovationskraft zu stärken. Wir werden deshalb die Mittel für die Technologieförderungsprogramme des BMWi für den Mittelstand von 246 Millionen Euro auf 323 Millionen Euro erhöhen. Mit dem
zentralen Innovationsprogramm „Mittelstand“ wird zudem - auch das ist ein wichtiger Aspekt - die Förderung
der kleinen und mittleren Unternehmen schlagkräftiger,
effektiver, kundenfreundlicher und klarer strukturiert.
Mit dem Innovationsprogramm werden die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der KMUs unterstützt.
Wir haben dabei darauf geachtet, dass auch die bewährten Prinzipien und Grundsätze beibehalten werden.
Das heißt, dass die Unternehmen selbst über die Technologie entscheiden, dass sie selbst die Kooperations- und
Netzwerkpartner auswählen und dass sie selbst über den
Kurs im Zusammenhang mit marktorientierten FuE-Projekten entscheiden. Das ist wichtig, weil wir damit die
zweite wichtige Säule der Forschungsförderung, die
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung,
sinnvoll ergänzen. In dieser Zusammenschau macht das
Ganze nämlich Sinn, und dieses Zusammenspiel ist erfolgreich.
({25})
Zudem bleibt es bei der Offenheit der Technologien und
Branchen.
Kurz gesagt: Das Programm ist ein wichtiger Schritt
hin zu einer breitenwirksamen, schlagkräftigen Förderung in einem konsistenten Programm, das dem hohen
Förderbedarf des innovativen Mittelstands in ganz
Deutschland entspricht.
Ich will ein weiteres Beispiel ansprechen, mit dem
wir die Technologieförderung der kleinen und mittleren
Unternehmen verbessern. Wir setzen nicht nur einseitig
auf die Stärkung der technologischen Innovationskraft.
Vielmehr wollen wir Innovationen auch für die ökologische Erneuerung unserer Volkswirtschaft nutzen. Das ist
eingefordert worden; wir tun es. So unterstützen wir mit
dem Programm „E-Energy“ die Entwicklung von IKTgestützten Energiesystemen der Zukunft. Wir alle wissen
doch, dass eine effiziente Steuerungs- und Regelungstechnik ganz entscheidend dafür ist, dass unsere Energiewirtschaft leistungsfähiger wird. Das gilt sowohl für
die Produktion als auch für die Überland- und die Verteilnetze. Deshalb ist dies im Übrigen auch ein wichtiger
Bereich für unsere Volkswirtschaft.
Ich will allerdings nicht verhehlen, dass ich mir gewünscht hätte, dass die Bundesregierung in der Weltraumforschung und -technik das deutliche Signal gesetzt
hätte, dass sie auch hier gewillt ist, die Technologieführerschaft zu übernehmen. Es geht nämlich darum, dass
wir in wichtigen Leitmärkten auch weiterhin die Technologieführerschaft haben. Ich hätte mir sehr gewünscht,
dass man sich zu einer Mondmission entschieden hätte,
damit uns die Technologieführerschaft in diesem Bereich in Zukunft auch wirklich gelingt.
({26})
Ich will kurz ein letztes Thema anschneiden: Das ist
die industrielle Gemeinschaftsforschung. Sie ist ein
weiteres wichtiges Instrument für die kleinen und mittleren Unternehmen; sie hat eine herausragende Bedeutung. In der industriellen Gemeinschaftsforschung können die Unternehmen unmittelbaren Einfluss auf die
Projektentstehung nehmen. Das ist ein ganz entscheidender Vorteil. Sie bringen dabei ihre eigenen Erfahrungen
im Bereich Forschung und Entwicklung aus der Praxis
ein und setzen sie gemeinsam mit Wissenschaftlern und
Partnern aus anderen Unternehmen um. Auch hier werden wir im kommenden Haushaltsjahr deutlich zulegen
und die Ausgaben von circa 119 Millionen Euro auf
184 Millionen Euro steigern.
Last, not least werden wir dafür sorgen, dass jungen,
engagierten Unternehmensgründerinnen und -gründern mit innovativen Ideen angesichts der gegenwärtigen Krise des Finanzsystems das Geld nicht ausgeht.
Auch hier haben wir deutliche Steigerungen vorgesehen:
von 54,3 Millionen Euro auf 66,5 Millionen Euro. Dazu
kommen natürlich noch die Mittel aus dem ERP-Programm. Ich weiß aufgrund meiner langen Erfahrung, wie
viel junge Unternehmen in den letzten Jahren gegründet
worden sind. Diese Unternehmen müssen weiter wachsen.
({27})
Wenn wir wollen, dass unsere Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung nicht ins Leere laufen,
müssen wir - das ist ganz entscheidend - gute Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stellen, damit sich diese
jungen Unternehmen zu erfolgreichen Unternehmen entwickeln können. Das ist mir ein wichtiges Anliegen.
({28})
Wer die gegenwärtige Krise der Weltwirtschaft überstehen will, der darf nicht nur daran denken, wie er die
nächsten Stunden übersteht; er muss gleichzeitig dafür
sorgen, dass er aus dieser Krise gestärkt hervorgeht und
für die Märkte von morgen und übermorgen gerüstet ist.
({29})
Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({30})
Das Wort hat nun der Kollege Roland Claus für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeswirtschaftsminister Glos hat uns alle vor zwei Monaten
bei der Einbringung seines Etats, vier Tage nach dem
Untergang von Lehman, mit dem Satz überrascht: Wir
hatten eine Krise bei der Industriekreditbank und der
KfW. So fatal dieser Satz vor zwei Monaten war, so fatal
war und ist leider auch die Wirtschaftspolitik von Herrn
Glos. Das Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik, Herr Bundesminister, ist, dass in diesem Land die Reichen reicher
und die Armen zahlreicher werden.
({0})
Sie sind nun dabei, den Banken die Schuld zuzuschieben. Es muss aber ausdrücklich klargestellt werden: Was
die Banken leisten können, hat die Politik erstens gewollt und zweitens zugelassen.
({1})
Das Ergebnis ist, dass die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft im Osten und im Westen erheblich sinkt.
({2})
Der frühere Generalsekretär der Christlich-Demokratischen Union, Heiner Geißler, hat seine Partei heute sogar aufgerufen, gegen diesen ungezügelten Kapitalismus
anzugehen.
Herr Minister, Sie wären als Wirtschaftsminister gewissermaßen der berufene Anwalt der sogenannten Realwirtschaft. Wenn jetzt Töne laut werden, dass am freien
Kapitalmarkt festgehalten werden soll, dann müssten Sie
im Sinne dieser Realwirtschaft lautstark protestieren. Wir
haben Sie nicht vernommen.
({3})
Sie haben in den letzten Monaten und Jahren vielleicht
viele Menschen aus der Arbeitslosenstatistik geholt, aber
nicht aus Armut, Zukunftsangst und Niedriglohn. Wenn
die Menschen, von denen ich rede, heute diese Debatte
verfolgen und feststellen, dass es dem Parlament offensichtlich am wichtigsten ist, demnächst auf den Mond zu
kommen, werden sie sich fragen: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?
({4})
Das Konjunkturprogramm, das Sie nicht einmal so
nennen dürfen, ist in seinem Umfang viel zu gering und
eine Sammlung alter Hüte. Als Zeugen will ich Professor Rürup aufrufen, der auf dem Weg vom Regierungsberater zum Finanzdienstleister ist. Er hat Ihnen ins
Stammbuch geschrieben, dass ein solches Konjunkturprogramm überhaupt erst Wirkung erzielen kann, wenn
es ein Volumen von 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes, also von 25 Milliarden Euro, hat.
Die Europäische Kommission schlägt der Bundesregierung vor, ein abgestimmtes europäisches Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen. Jetzt kommt der
Knüller: Minister Glos begrüßt diese Idee zwar, sagt
aber in dem gleichen Artikel, aus dem ich zitiere: Aber
Geld geben wir dafür nicht. - Wie kann man ernsthaft
von „Begrüßen“ sprechen, wenn man nicht bereit ist,
sich an einem solchen Programm zu beteiligen?
({5})
Herr Minister, ich muss Sie auch auf die Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern ansprechen, die
jetzt in der Krise besonders notwendig sein wird. Sie
wissen wie wir, dass wir es in den neuen Bundesländern
vor allem mit verlängerten Werkbänken zu tun haben.
Die hundert größten ostdeutschen Unternehmen zusammen erreichen nicht die Hälfte der Leistungskraft von
Daimler. Das ist ein Problem, mit dem wir jetzt zu tun
haben. Man weiß, dass im Osten Zeit- und Leiharbeit
besonders ausgeprägt sind. Das IAB - nicht die Linksfraktion, sondern das Arbeitsmarktinstitut der Bundesagentur für Arbeit - hat unlängst ausgerechnet, dass in
einem Drittel der ostdeutschen Betriebe die Zeit- und
Leiharbeiter, die 1-Euro-Jobber die Mehrheit der Belegschaften stellen. Was sind denn das für Zustände? Das
kann man doch nicht hinnehmen. Das erfordert auch
jetzt in der Krise Handeln.
({6})
- Ich hatte Ihnen gesagt, woher das stammt.
Der Sachverständigenrat hat Sie in jüngster Zeit kritisiert. Ihre Reaktion war, öffentlich darüber nachzudenken, ob man ihn nicht auflösen könnte. Die Linke hat Ihnen Vorschläge unterbreitet, wie mit einem wirklichen
Konjunkturprogramm, das mehr Mittel für Bildung und
Wissenschaft, einen Mindestlohn und höhere Leistungen
für Arbeitslosengeldbezieher vorsieht, der Krise beizukommen ist. Wir sagen Ihnen: Wege aus der Krise sind
möglich, aber nicht mit diesem Wirtschaftsetat.
({7})
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das kann
Ihnen, Herr Glos, nicht passieren. Sie kommen nicht zu
spät, Sie kommen bei der Bewältigung der Krise gar
nicht vor.
({8})
Laurenz Meyer ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Claus, ich weiß gar nicht, warum Sie hier Krokodilstränen über die soziale Marktwirtschaft weinen. Das
nimmt Ihnen sowieso keiner ab. Die Wahrheit ist: Unser
Land mit seiner sozialen Marktwirtschaft ist zurzeit das
Land in der ganzen Welt, in dem die Bewältigung der
Wirtschaftskrise bisher am besten gelingt, nicht nur in
Europa, sondern weit darüber hinaus.
({0})
Das sollten wir zu Beginn feststellen. Das sage ich auch
an die FDP-Fraktion.
Wir müssen eine vernünftige Analyse bei allem machen, wo wir zu handeln haben. Wir haben zurzeit eine
absolut gespaltene Lage. Kleine und mittlere Unternehmen, die in ihrem regionalwirtschaftlichen Handeln auf
Deutschland angewiesen sind, sind ja von der ganzen
Krise nahezu unberührt. Wir haben zurzeit die Situation,
dass in den großen Unternehmen, den großen Familienunternehmen, die bei ihren Exportanstrengungen auf
Schwellenländer angewiesen sind, Probleme sprunghaft
und bruchhaft auftauchen.
Die Bundesagentur für Arbeit hat noch im letzten
Monat verkündet, es gibt keinen Anstieg bei der Kurzarbeit. Wir haben gestern die Zahlen bekommen. Wer
hätte geglaubt, dass dies möglich ist? In welchem Land
wird in dieser Phase die Arbeitslosigkeit noch abgebaut? Trotzdem dürfen wir die Warnsignale, den sprunghaften Anstieg der Kurzarbeit, nicht übersehen. Deshalb müssen wir aufmerksam sein und so weiterarbeiten,
wie wir bisher in der Krise gearbeitet haben. Wir müssen
präpariert sein, damit dort eingegriffen werden kann, wo
es notwendig ist.
({1})
Unsere Unternehmen sind richtig gut aufgestellt. Deshalb müssen wir alles tun, damit unsere Unternehmen in
der Phase, in der es in der Welt wieder losgeht, ganz
vorne dabei sind. Das ist unsere Aufgabe. Auf diese Aufgabe müssen wir uns konzentrieren.
In dieser Situation sage ich zur Kreditvergabe an Unternehmen, insbesondere an große Mittelständler, eines:
Wenn die Landesbanken nicht jetzt an Stellen einspringen, an denen es Probleme mit privaten Kreditinstituten
gibt, haben sie ihre Existenzberechtigung in meinen Augen endgültig verloren.
({2})
Das ist die dringende Aufforderung. Wenn wir hier helfen, dann muss auch gehandelt werden. Ich bitte Sie,
Herr Finanzminister und Herr Wirtschaftsminister, den
Druck auf die Landesbanken, die öffentlich-rechtlichen
Banken, die im Übrigen am meisten mitversagt haben,
denn sie hatten auf diesem Sektor von Geldpapieren
überhaupt nichts zu suchen, zu erhöhen, dass sie jetzt in
dieser Phase ihre Aufgaben wahrnehmen. Erhöhen Sie
den Druck! Sie haben unsere Unterstützung bei Ihrem
Handeln.
({3})
Lassen Sie mich an die Adresse der Grünen eines
ganz klar sagen: Sie haben den entscheidenden Grund,
warum es Deutschland besser geht, nicht zur Kenntnis
genommen. In der Zeit nach Rot-Grün haben wir etwas
geändert, was in der Diskussion allerdings viel zu kurz
kommt: Wir haben ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland abgegeben, mit all seinen
Problemen. Wir haben uns nicht auf das konzentriert,
was Sie „qualitatives Wachstum“ nennen, das sich in
weißen Kragen und nicht störenden Gewerbegebieten
niederschlägt.
({4})
Wir bekennen uns zu Industriegebieten vor Ort.
({5})
Wir bekennen uns auch zu energieintensiven Unternehmen. Es macht nämlich keinen Sinn, dass sie aus
Deutschland abwandern und die Umweltbelastungen in
einem anderen Land erhöhen.
Ich habe an die Regierung, insbesondere die Bundeskanzlerin, aber auch ihre Minister, die Bitte: Es darf in
dieser Phase zu keinen neuen Belastungen für die deutsche Wirtschaft kommen.
({6})
Wir müssen alle Maßnahmen daraufhin untersuchen, ob
sie zu neuen Belastungen führen. Die Bundeskanzlerin
hat bei den Verhandlungen über das Klimapaket in Brüssel unsere volle Rückendeckung. Es darf in Europa keine
Ausnahmefälle geben, die dazu führen, dass in anderen
Ländern Zugeständnisse gemacht werden, die bei uns
aber nicht gelten, und das zum Schaden der Arbeitsplätze in Deutschland.
({7})
Bisher waren wir in der aktuellen Krise handlungsfähig. Ich will hier und heute keine neuen Steuervorschläge machen;
({8})
denn es liegen genügend Vorschläge auf dem Tisch.
({9})
- Frau Andreae, weil Sie gerade so schön lächeln, will
ich Ihnen ganz klar sagen - bei uns hat das jeder begriffen -: Wer keine Steuern zahlt, der kann durch Steuersenkungen auch nicht entlastet werden; das ist völlig
richtig.
({10})
Laurenz Meyer ({11})
Unser Problem ist nicht, dass wir die Transferleistungen erhöhen müssen; hier sind wir nämlich Weltspitze.
({12})
Unser Problem ist, dass den ganz normalen Arbeitnehmern in Deutschland, den Facharbeitern und den Beziehern kleiner Einkommen, die allerdings Steuern zahlen,
zu wenig von ihrem Brutto übrig bleibt. Hier müssen wir
eingreifen.
({13})
Lieber Kollege Meyer.
Abschließend habe ich eine Bitte an die Bundesregierung,
({0})
insbesondere den anwesenden Bundesfinanzminister
und Bundeswirtschaftsminister, denen ich für ihre bisherige Arbeit danke.
({1})
Ich bitte im Namen der Kolleginnen und Kollegen, die
sich sehr ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt haben
- wir haben das nämlich getan -:
Herr Meyer, ich muss Sie noch einmal auf Ihre Redezeit aufmerksam machen.
Ich bin bei meinem letzten Satz, Herr Präsident.
Ja.
Nutzen Sie die Zeit bis zum Jahreswechsel, um Pläne
vorzubereiten, damit die Bundesregierung auch in dem
Fall handlungsfähig ist, dass negative Entwicklungen in
anderen Ländern, in denen die wirtschaftspolitischen
Zustände sehr viel schlechter sind als bei uns, auf
Deutschland übergreifen, damit wir nicht erst dann zu
diskutieren anfangen.
({0})
Ich empfehle noch einmal, mit dem ganz Wichtigen
möglichst anzufangen, damit es am Ende nicht der ohnehin strapazierten Geduld des amtierenden Präsidenten
zum Opfer fällt.
({0})
Nun erhält als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Dr. Michael Fuchs das Wort,
ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Diese Krise ist eine Krise, die nicht nur einige Bereiche,
sondern die gesamte Welt betrifft; darauf hat der Bundeswirtschaftsminister völlig zu Recht hingewiesen. In allen
möglichen Regionen der Welt hat diese Krise zugeschlagen. Richtig ist auch, dass Deutschland nach wie vor am
besten dran ist, weil wir eine der robustesten Volkswirtschaften haben. Sie ist vor allen Dingen deswegen so robust, weil sie auf dem Mittelstand basiert und weil es bei
uns stabile mittelständische Unternehmen gibt, die ihre
Mitarbeiter in einer solchen Krise nicht schnell entlassen, sondern versuchen, ihren Mitarbeiterstamm beizubehalten.
({0})
Deswegen bin ich optimistisch, dass wir diese Krise besser überstehen werden als viele andere Länder.
Diese Krise hat für unsere Wirtschaft allerdings einen
sehr negativen Effekt: Sie ist für Deutschland vor allen
Dingen deswegen so riskant, weil wir eine exportorientierte Wirtschaft haben. In den letzten Jahren ist es so
gut wie nie vorgekommen, dass der Export in einem
Wirtschaftsabschwung in dem Maße zusammengebrochen ist, wie es zurzeit geschieht. Das ist das, was mir
sehr viel Sorge macht, weil wir in vielen Bereichen unserer exportorientierten Wirtschaft regelrechte Abstürze
erleben.
({1})
Ich habe ein ganz klein bisschen Ahnung vom Großund Außenhandel und noch einige gute Bekannte in diesem Bereich. Ich habe vor kurzem mit einigen Außenhändlern gesprochen. Dabei hat mir zum Beispiel jemand, der im Maschinenbau tätig ist und Waren nach
China exportiert, gesagt, dass er 33 Projekte in China
hatte, von denen 30 gecancelt und drei auf „on hold“ gestellt worden sind. Man kann jetzt darüber diskutieren,
ob die Chinesen nicht doch Verträge zu erfüllen haben,
aber wenn sie nicht zahlen, dann wird allenfalls die
Hermes-Problematik im Wirtschaftsministerium noch
dramatischer werden. Vielleicht wird es auch aufgrund
dieses Bereichs zu erheblichen Belastungen für den Bundeshaushalt kommen, lieber Kollege Kampeter.
Deswegen halte ich es für dringend notwendig, lieber
Bundeswirtschaftsminister - hierauf möchte ich meinen
wesentlichen Akzent setzen -, dass wir gerade in dieser
Situation beim Welthandel weiter vorankommen. Es gibt
ja anscheinend doch noch eine Chance - die Bundeskanzlerin hat das angedeutet -, dass die Doha-Runde
schnell beendet werden kann. Das wäre für die exportorientierte Wirtschaft und vor allen Dingen für die Mittelständler der Branche sehr wichtig.
({2})
Falls das aber nicht der Fall ist, dann wird es meiner
Meinung nach Zeit, dass sich Europa schnell auf den
amerikanischen Weg begibt. Ich gehe davon aus, dass
der Protektionismus in den USA eher stärker wird, wenn
die Demokraten jetzt den Präsidenten stellen. Die Amerikaner haben in der letzten Zeit überall in der Welt
FTAs, Free Trade Agreements, abgeschlossen. Wir müssen darüber nachdenken, ob das auch für uns infrage
kommt, falls wir mit der Doha-Runde tatsächlich nicht
zu einem Abschluss kommen; denn es kann nicht sein,
dass wir unsere Wirtschaft noch mehr ins Hintertreffen
bringen - gerade Deutschland ist hier besonders benachteiligt - und dass die amerikanische Wirtschaft von diesen FTAs profitiert, die eigentlich die Verursacherin dieser Krise ist.
Parallel dazu halte ich es aber für notwendig, dass wir
über alle möglichen Entlastungsmaßnahmen nachdenken. Der Kollege Meyer hat völlig zu Recht gesagt, dass
wir auf dem Sektor Umweltschutz schon sehr viel getan
haben und auch weiter tun müssen, Frau Andreae. Man
muss aber überlegen, ob wir jedes Projekt unbedingt
jetzt durchführen müssen oder nicht um zwei oder drei
Jahre verschieben können. Wir werden im nächsten Jahr
viel weniger CO2 ausstoßen als in den Jahren zuvor. Das
ist traurig, weil das daran liegt, dass unser Wirtschaftswachstum sinkt. Das wird ein Beweis dafür sein.
Parallel dazu halte ich es aber auch für nötig, permanent über Steuern nachzudenken.
({3})
Der Bundeswirtschaftsminister hat recht, wenn er sagt,
dass auch die Steuern unter Umständen noch einmal auf
den Prüfstand gestellt werden müssen.
Dazu eine Anmerkung: Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Krankenversicherungsund Pflegeversicherungsbeiträge spätestens ab dem
Jahre 2010 in voller Höhe absetzbar sind.
({4})
Dass uns das Bundesverfassungsgericht das aufgegeben
hat, heißt ja, dass die bisherige Regelung nicht erst im
Jahre 2010, sondern auch schon 2009 falsch ist. Deswegen sollte man darüber nachdenken, das auch schon früher zu ermöglichen.
Heute steht in der Bild-Zeitung ein interessanter Artikel von Herrn Barbier, dem Vorsitzenden der LudwigErhard-Stiftung, nach dem Motto: Was hätte Erhard jetzt
getan? - Erhard hätte in dieser Krise über Steuersenkungen nachgedacht. Wir sollten das auch tun, und zwar gemeinsam.
Ich danke allen für ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Damit ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition
angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt II.19 auf:
Einzelplan 32
Bundesschuld
- Drucksache 16/10421 Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider ({0})
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
daher gleich zur Abstimmung über den Einzelplan 32,
Bundesschuld, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Einzelplan ist mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Wir müssen noch über Änderungsanträge der Fraktion Die Linke abstimmen.
({1})
- Dass das dem Präsidenten auch ohne schwere Attacken
der Parlamentarischen Geschäftsführer selber aufgefallen ist, ist ein Zeichen für die gemeinsame Konzentration auf diesen Bundeshaushalt.
Um der Ordnung Rechnung zu tragen: Wir haben
über zwei Änderungsanträge im Zusammenhang mit
dem Einzelplan 09 nicht abgestimmt, was eigentlich Voraussetzung für die Schlussabstimmung über den Haushalt gewesen wäre. Diese rufe ich beide - wenn Sie damit einverstanden sind - nachträglich noch einmal auf.
Wer für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
auf der Drucksache 16/11038 stimmen möchte, den bitte
ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit
breiter Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/11071? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser
Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Darf ich allgemeines Einvernehmen voraussetzen,
dass unter Berücksichtigung dieser nicht gänzlich überraschenden Abstimmungsergebnisse die vorhin getroffene Entscheidung über den Einzelplan 09 nicht wiederholt werden muss? - Dazu stelle ich Einvernehmen fest.
Dann ist das so festgehalten.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.20 auf:
Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
- Drucksache 16/10422 Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider ({2})
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Auch hierzu gibt es Änderungsanträge, über die wir
diesmal vorab abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf der Drucksache 16/11039? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist
abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/11040? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf der Drucksache 16/11041? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
übrigen Fraktionen ebenfalls abgelehnt.
({3})
- Ich bitte um Nachsicht. Beim letzten Änderungsantrag
gilt: bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das hatte ich nicht gesehen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der
Einzelplan 60 mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.21 auf:
Haushaltsgesetz 2009
- Drucksachen 16/10424, 16/10425 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({4})
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Eine Aussprache ist in der zweiten Beratung nicht
vorgesehen, sodass wir gleich zur Abstimmung über das
Haushaltsgesetz 2009 in der Ausschussfassung kommen
können.
Hierzu gibt es wiederum einen Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/11046, über
den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Das wird wieder nicht reichen. ({5})
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 2009 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Das Haushaltsgesetz ist in der Ausschussfassung
mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der
Opposition angenommen.
Wir kommen nun zum Finanzplan des Bundes 2008
bis 2012 auf den Drucksachen 16/9901 und 16/9902.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 16/10426, den Finanzplan zur
Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand? - Das lassen wir jetzt auf sich beruhen. Es ist unzweifelhaft, dass die Beschlussempfehlung mit breiter
Mehrheit angenommen ist.
Dann rufe ich nun den Tagesordnungspunkt V auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2009 ({6})
- Drucksachen 16/9900, 16/9902, 16/10402,
16/10404 bis 16/10409, 16/10411 bis 16/10416,
16/10419 bis 16/10422, 16/10423, 16/10424,
16/10425 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({7})
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Es liegen insgesamt elf Entschließungsanträge vor,
über die wir nach der Schlussabstimmung abstimmen
werden. Das haben wir vorhin schon einmal unfreiwilligerweise geübt. Ich weise jetzt schon darauf hin, dass
wir später über das Haushaltsgesetz namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
({8})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Finanzminister hat mich in dieser Woche
zunehmend an das Orchester auf der „Titanic“ erinnert.
Frei nach dem Motto, was nicht sein darf, wird auch
nicht sein, spielt er das alte Lied der vergangenen
Haushaltsjahre, während sich das Schiff schon zu neigen
beginnt. Trotz der sich rapide eintrübenden wirtschaftlichen Lage setzen Sie, Herr Steinbrück, wie immer auf
diejenigen Konjunkturprognosen, die Ihnen am besten
passen, in diesem Jahr einfach einmal auf zu rosige Voraussagen, weichen Sie nicht vom Ausgabenkurs der
letzten Jahre ab und bleiben Sie bei den alten Konjunkturrezepten Ihrer Vorväter.
Sie haben sich in Ihren Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung jedes Jahr geirrt. Neu ist nur eines:
Früher hatten Sie mehr Steuereinnahmen, weniger Sozialleistungen und bessere Konjunkturdaten als geschätzt, und in der Haushaltsdebatte am 11. September
2007 haben Sie das sogar zum Prinzip erhoben, indem
Sie sagten:
Gerade die Finanzpolitik muss von realistischen,
eher vorsichtigen Annahmen getragen sein … Wir
haben uns am Ende der vergangenen Jahre zugunsten und nicht mehr zulasten der Bundesrepublik
verschätzt, und dies ist für die weiteren Debatten
vertrauensbildend.
Jetzt haben Sie eingeräumt, dass Sie dieses Mal genau
umgekehrt vorgehen, nämlich bei Wachstumszahlen
zwischen plus 0,2 und minus 1 Prozent plötzlich von der
optimistischen Variante, also von plus 0,2 Prozent, ausgehen. Das heißt, Sie sind von Ihrem Prinzip abgerückt,
und wenn das andere Vorgehen früher vertrauensbildend
war, so wird dies wohl weniger Vertrauen bringen und
dieses Land mit Sicherheit nicht mit Vertrauen erfüllen.
({0})
Trotz negativer Wachstumsprognosen rechnen Sie
noch mit 6 Milliarden Euro mehr an Steuern als in diesem Jahr, und dies, obwohl die Auswirkungen der
Finanzkrise auf die gewinnabhängigen Steuern erst im
nächsten Jahr voll durchschlagen werden. Das, lieber
Herr Minister, sind Luftbuchungen.
Betrachtet man das Wachstum der Ausgaben - ein
Plus von 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr -, so unterscheidet sich dieser Bundeshaushalt nicht von denen
vergangener Jahre. Rechnet man die Umleitung eines
Mehrwertsteuerpunktes an die Arbeitsagentur in 2007
und den Wiedereinstieg in die Postbeamtenversorgung
2008 heraus, bewegt sich das jährliche Ausgabenwachstum ungefähr auf diesem Niveau. Seit 2005 hat sich
Schwarz-Rot, statt zu sparen, Ausgaben von
65 Milliarden Euro geleistet, ein Plus von 11 Prozent,
und das bei circa 160 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen.
Als Begründung für den Ausgabenanstieg 2009 wird
immer vorgebracht, man dürfe nicht in den Abschwung
hineinsparen. Aber wann hat diese Regierung denn einmal gespart? Das geschah doch nur marginal und meist
zulasten der Bürger.
({1})
Nie hat es in diesen Jahren wirkliche ausgabenseitige
Konsolidierung gegeben, und das, was Sie uns als Konsolidierung verkaufen, den Abbau der Neuverschuldung,
haben die Bürger und Unternehmen dieses Landes mit
ihren eigenen Steuerbeiträgen geleistet.
({2})
Nun stehen Sie vor der unguten Situation, den nach
Meinung fast aller Sachverständigen nötigen Konsumschub aus der hohlen Hand machen zu müssen, und greifen dafür in die Mottenkiste. Sie legen uns ein Konjunkturprogramm vor, das Sie in ähnlicher Form schon vor
wenigen Jahren als Wachstumsprogramm vorgelegt haben, und verurteilen an der gleichen Stelle die Bundesbank, die jetzt einen mutigen Schritt zur Entlastung der
Bürger fordert und Sie auffordert, die Finger aus den alten Programmen der Subventionspolitik zu lassen.
({3})
Unter dem Strich gehen wir davon aus, dass der heute
zu verabschiedende Haushalt bereits in wenigen Wochen
Makulatur sein wird. Sie werden an weiteren Entlastungsschritten nicht vorbeikommen, Herr Steinbrück.
Der Haushalt, so wie er jetzt vorliegt, drückt sich vor der
heraufziehenden Rezession und verschweigt Risiken,
kurzum: Er ist nicht krisenfest. Wir werden ihm nicht zustimmen.
({4})
Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben eine ganz muntere Woche erlebt,
({0})
erstens mit den Debatten hier im Parlament sowohl zum
Bundeshaushalt als auch zur Erbschaftsteuer, aber zweitens und vor allen Dingen aufgrund einer sehr angeregten öffentlichen Debatte darüber, welches der richtige
wirtschaftspolitische Kurs in einer schwierigen weltwirtschaftlichen Situation ist. Viele Sachverständige, deren
Empfehlungen wir oft und zur Genüge zu hören bekommen, haben sich bei ihren Empfehlungen in den letzten
zwei, drei Monaten um 180 Grad gedreht. Früher galt
die Empfehlung der EU-Kommission: immer ausgeglichene Haushalte, keine Defizite, eine ganz restriktive
Politik, keine Nachfragesteuerung und keine Stimulierung. Gleiches gilt für den Sachverständigenrat und den
Präsidenten der Deutschen Bundesbank. Ich nehme
diese Hinweise ernst. Ich finde, man kann sie nicht beiseitewischen. Man muss darüber reden. Es darf aber
nicht zu einer vollkommenen Verunsicherung der Bevölkerung und Umkehr in unserer Finanzpolitik kommen;
denn diese hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.
Der Etat, dessen Entwurf wir Ihnen heute zur Abstimmung vorlegen und den ich Ihnen zur Zustimmung
empfehle, weist für 2009 ein Defizit in Höhe von
20,5 Milliarden Euro auf, 18,5 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme und 2 Milliarden Euro Privatisierungserlöse. Damit ist das strukturelle Defizit fast genauso
hoch wie in diesem Jahr, in dem die NettokreditaufCarsten Schneider ({1})
nahme bei knapp 12 Milliarden Euro und die Privatisierungserlöse bei über 10 Milliarden Euro liegen. Wir sind
in der Europäischen Union und weltweit das Land, das
sein Pulver noch trocken hat und in den vergangenen
Jahren die stärksten Konsolidierungsanstrengungen unternommen hat. Das gesamtstaatliche Defizit liegt bei
0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ermöglicht
uns, in der heutigen Krisensituation zu handeln.
({2})
Dies tun wir mit einer klaren Verstärkung der Investitionen in die Infrastruktur des Bundes, insbesondere in
den Verkehrsbereich. Wir führen befristet die degressive
AfA zur Stimulierung von Investitionen im Unternehmensbereich ein. Ich bin der Auffassung, dass wir das
erst einmal wirken lassen sollten und schauen sollten,
wie sich diese Maßnahmen auf den Arbeitsmarkt auswirken. Daher bin ich einigermaßen überrascht gewesen, als
ich Anfang der Woche erfahren habe, dass die Bundeskanzlerin vorgeschlagen hat, am 5. Januar 2009 diese
Maßnahmen zu evaluieren und dann zu schauen, was wir
als Nächstes machen. Ich will klar sagen: Der Haushalt
tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Wie viele Straßen sind
wohl am 5. Januar gebaut und wie viele Investitionsgüter
zusätzlich gekauft? Ich finde, man muss das, was wir
machen, auch ernst nehmen.
({3})
Wir Sozialdemokraten halten klar an unserem Kurs,
den Frau Flach eben richtig beschrieben hat, fest: Investieren, Reformieren, Sanieren.
({4})
Für uns gilt: Solide Finanzen sind eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Öffentlichkeit in unsere Republik und die Volkswirtschaft unseres Landes. Das betrifft nicht nur die hiesige Bevölkerung, sondern auch
die internationalen Investoren. Welche Schuldpapiere
kaufen diese denn noch weltweit? Es sind die der Bundesrepublik Deutschland. In unsere Anleihen wird investiert. Dabei zahlen wir weltweit die geringsten Zinsen.
Das zeigt, dass die Investoren mit Marktwissen Vertrauen in dieses Land und seine Leistungsfähigkeit haben.
({5})
Wir tun gut daran, dieses Land nicht schlechtzureden,
sondern die Potenziale und die Wachstumskräfte zu stärken und zu stimulieren.
Von der Opposition habe ich viel Verschiedenes gehört. Die Linke antwortet auf eine konjunkturelle Schwäche, insbesondere der Binnennachfrage, mit Steuererhöhungen in Höhe von 40 Milliarden Euro. Die FDP will
die Mittel für das Elterngeld für ALG-II-Bezieher und die
Werbung von Investoren in den neuen Bundesländern
streichen, und das entgegen allen Trends und der Tatsache, dass sie die Nettokreditaufnahme des Bundes um
10 Milliarden Euro reduzieren will. Alle vorliegenden
Anträge betreffen den konsumtiven Bereich. Aber den
von uns geplanten Stimulierungsmaßnahmen - staatliche
Maßnahmen zur Infrastruktur, insbesondere zum Verkehrsbereich, und zum Kapitalstock werden vorgezogen,
genauso wie es uns der Sachverständigenrat empfiehlt,
allerdings in einer Größenordnung von 25 Milliarden
Euro - stimmen Sie nicht zu.
Wenn Sie sagen, der Haushalt sei auf Sand gebaut
- oder wie auch immer Sie das nennen -, dann frage ich
Sie, wo denn Ihre Anträge zur Erhöhung des Haushaltsansatzes für das Arbeitslosengeld II sind, wenn Sie der
Auffassung sind, dass es zu gering etatisiert ist.
({6})
Ich habe diese Anträge nicht gesehen. Auch sagen Sie,
die Steuern würden nicht so fließen. Wenn ich mir anschaue, wie die Steuern bis November geflossen sind,
dann kann ich nur sagen: hervorragend. Diesen Sockeleffekt werden wir auch noch 2009 haben. Sie haben auch
dazu keine Änderungsanträge gestellt.
Ich will auf einen weiteren Punkt kommen: die Verantwortung auch der Länder und der Gemeinden für
eine konjunkturgerechte Politik. Ich habe den Eindruck, dass es auf europäischer Ebene zurzeit viele Gipfel gibt und dass dort viele Gespräche geführt werden.
Unsere Minister sind immerzu dort. Ich finde aber, was
jetzt nottut, ist eine gemeinsame Anstrengung, zum Beispiel im Finanzplanungsrat oder in der Runde der Ministerpräsidenten, von Bund, Ländern und Gemeinden, um
die Investitionsmaßnahmen, die wir heute hier beschließen, gezielt durch Maßnahmen der Länder und der Gemeinden zu verstärken.
({7})
Ich zitiere dazu das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz,
damit wir das nicht vergessen:
Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und
finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten.
In § 16 heißt es:
Die Länder haben durch geeignete Maßnahmen
darauf hinzuwirken, dass die Haushaltswirtschaft
der Gemeinden und Gemeindeverbände den konjunkturpolitischen Erfordernissen entspricht.
Ich kann das nur unterstreichen.
({8})
Ich fordere die Länder auf, dem Rechnung zu tragen,
also nicht zu sagen, Konjunkturpolitik sei die Aufgabe
des Bundes, und sich keinen schlanken Fuß zu machen.
Dort ist Geld vorhanden - Länder und Gemeinden verzeichnen Überschüsse -, und sie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, und zwar erstens bei der Finanzierung und zweitens dadurch, dass sie jetzt notwendige
Investitionen in Schulen, Kindergärten und staatliche Infrastruktur vorziehen.
({9})
Ich habe vorhin gesagt, dass wir diese Woche eine
muntere Debatte hatten. Ich habe auch die muntere
Carsten Schneider ({10})
Debatte vor dem Auftakt des CDU-Parteitags verfolgt.
Man lernt immer dazu, wenn man erstens zuhört und
sich zweitens die Entwürfe anschaut.
({11})
Ich habe mir einmal den Entwurf vom 13. November
zum Leitantrag angeschaut. Er enthielt einen Satz,
({12})
den ich für bemerkenswert halte: Wir wissen, dass in
diesen Zeiten linke Parteien geneigt sind, die Haushaltsdisziplin zugunsten von Schuldenerhöhungsprogrammen
aufzugeben. Wir werden das nicht zulassen. ({13})
In der Version des Leitantrags für den 30. November ist
dieser Satz gestrichen.
({14})
Ich weiß nicht, worauf ich das beziehen soll. Ob die
CDU jetzt eine linke Partei ist oder ob sich die Zeiten so
schnell ändern? Es sind noch ein paar Tage bis zum Parteitag. Wir werden das mit Aufmerksamkeit verfolgen.
Ich glaube, es ist gut, dass wir als Sozialdemokraten
diese Regierung mitstellen.
Vielen Dank.
({15})
Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Diese Woche ist eine verlorene Woche im
Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Die Bundesregierung wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ein wirksames Konjunkturprogramm. Damit gefährdet sie Arbeitsplätze von Millionen von Menschen, nicht nur in
unserem Land, und das ist verantwortungslos.
({0})
China, Japan, die USA und andere europäische Staaten haben Konjunkturprogramme aufgelegt, nur die
Bundesregierung meint, einen deutschen Sonderweg gehen zu können. Wenn es um den aussichtslosen Krieg in
Afghanistan, wenn es um den sinnlosen Kauf von Eurofightern geht, dann steht die Bundesregierung als atlantischer und europäischer Musterschüler in der ersten
Reihe. Da warnt die Bundesregierung mit erhobenem
Zeigefinger vor einem deutschen Sonderweg. Wenn es
aber um die Sicherung von Millionen Arbeitsplätzen
geht, dann spielt die atlantische und europäische Solidarität keine Rolle mehr. Die Bundesregierung glaubt, als
Trittbrettfahrer der chinesischen, japanischen und amerikanischen Konjunkturzüge mitreisen zu können. Das ist
nicht nur unsolidarisch, das ist auch verantwortungslos
und für Deutschland ausgesprochen gefährlich.
({1})
Was bietet uns die Regierung statt eines Konjunkturprogramms an? Durchhalteparolen - wir haben sie heute
mehrmals gehört - und die Aufforderung, doch optimistisch zu sein. Kanzlerin und Finanzminister fordern die
Bürger auf, Ruhe zu bewahren. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird damit, Herr Steinbrück, zu einem psychologischen Problem der Konsumenten heruntergespielt. Wenn jetzt alle die Nerven behalten, so die
Botschaft der Bundesregierung, dann wird die Krise
schon an uns vorüberziehen. Welch eine grandiose Fehleinschätzung!
({2})
Die Bundesregierung ist eine Regierung der zwei
Geschwindigkeiten. Sie ist über Nacht in der Lage, ein
500-Millarden-Euro-Paket zu schnüren. Das ist eine erstaunliche Leistung, wenn man bedenkt, dass das eine
Rechnung mit sehr vielen explosiven Unbekannten ist.
Wir wissen gar nicht, welche faulen Kredite in den Banken schlummern und welche Risiken auf den Steuerzahler zukommen. Wir wissen gar nicht, ob die Bankenmanager, die staatliche Bürgschaften in Anspruch nehmen,
in der Lage sind, ihre Geschäftsmodelle an die neue Situation anzupassen, und ob sie es überhaupt wollen.
Dazu eine aktuelle Geschichte. Ein Fernsehjournalist
fuhr nach Österreich, besuchte dort Zweigstellen deutscher Banken, gab sich zum Beispiel gegenüber der
Commerzbank als Kunsthändler und Steuerhinterzieher
aus. Er wollte wissen, ob Banken, die das Rettungspaket der Bundesregierung in Anspruch nehmen, weiter
bereit sind, den Staat zu betrügen. Die Antwort vor Ort
war: Ja, sie sind dazu bereit. - Das ist wirklich ein Skandal!
({3})
Die Bundesregierung hat unter Anleitung von Herrn
Ackermann sehr schnell gehandelt, hat den Banken aber
keine Auflagen erteilt, sondern nur vage Kannbestimmungen vorgesehen. Wäre es nicht sinnvoll gewesen,
den Banken klar zu sagen: „Wer den Staat betrügt, dem
wird nicht geholfen“? Hätte man nicht regeln können,
dass einer Bank, die den Pakt in Anspruch nimmt und
dabei erwischt wird, wie sie Steuerhinterziehern hilft,
den Staat zu betrügen, die Bürgschaften sofort wieder
entzogen werden? Wo steht das im Gesetz? Das fehlt!
Wir können nur feststellen, dass die Bundesregierung
in der Lage ist, im fünften Gang, sozusagen in MichaelSchumacher-Geschwindigkeit, ein hochkomplexes
500-Milliarden-Euro-Paket zu schnüren, um vom fünften
Gang sofort in den Rückwärtsgang zu schalten.
Die Kanzlerin wollte dem französischen Präsidenten
Sarkozy doch ernsthaft erklären, dass ein Konjunkturprogramm hier eine komplizierte Angelegenheit sei,
weil Deutschland ein föderaler Staat sei und ein solches
Programm mit den Ländern und den Gemeinden abgestimmt werden müsse. Das ist eine absurde Argumentation. Man weiß doch, dass auch das Bankenrettungspaket innerhalb einer Woche mit den Ländern
abgestimmt wurde.
({4})
Die Kanzlerin erklärt den Ost-Ministerpräsidenten
nach fast 20 Jahren deutscher Einheit, eine Angleichung
der Ostrenten an die Westrenten sei so kompliziert, dass
man mindestens noch zehn Jahre dafür brauche. Ich
kann Ihnen sagen: Von unserer Fraktion, von der Fraktion Die Linke, liegen im Bundestag Anträge zur Rentenangleichung vor. Die können wir in der nächsten
Woche sofort beschließen.
({5})
Die Regierung der zwei Geschwindigkeiten ist also
kein Zufall, sondern das ist Programm. Es gibt Dinge,
die für die Bundesregierung wichtig sind, die mit hoher
Geschwindigkeit vorangetrieben werden, und es gibt
Dinge, die der Bundesregierung nicht wichtig sind, die
dann schon mal ein paar Jahre liegen bleiben können.
({6})
Dazu ein Beispiel. Das Bundesverfassungsgericht
verpflichtete den Gesetzgeber, die Vermögensteuer spätestens bis zum 31. Dezember 1996 neu zu regeln. Dieser Termin ist seit fast zwölf Jahren verstrichen. Kein
Problem! Bekanntlich dauert die Erledigung der Aufgaben am längsten, an denen gar nicht gearbeitet wird.
({7})
Die Bundesregierung kann, wenn sie will, und in
manchen Fällen kann sie ganz gut, wenn es sich für sie
selbst lohnt. An dieser Stelle wende ich mich einmal an
die Sozialdemokraten, die gerade so munter dazwischenrufen. Nur ein winziges Beispiel: Für den ehemaligen
Wirtschaftsstaatssekretär Ditmar Staffelt - er ist übrigens einer der Konstrukteure der Berliner Bankgesellschaft, die Berlin den Bankenskandal gebracht hat - hat
es sich gelohnt. Er ging zu EADS. EADS ist der größte
Auftragnehmer des Staates in Sachen Rüstung. Ein wirklich lohnender Wechsel für einen Sozialdemokraten!
Finanzminister Steinbrück wies in seiner Rede am
Dienstag alle Kritik an seiner Amtsführung zurück. Keiner habe wissen können, so Herr Steinbrück, dass
Lehman Brothers zusammenbrechen würde.
({8})
Das ist richtig. Aber Sie verschweigen, Herr Steinbrück,
dass Ihre Finanzpolitik und die Finanzpolitik Ihrer Vorgänger in den letzten Jahren darauf ausgerichtet war, den
Finanzmarkt zu deregulieren.
({9})
Sie haben mit Ihrer Politik dem Kasino-Kapitalismus die
Türen nach Deutschland geöffnet.
({10})
Das war kein dummer Zufall, sondern - lesen Sie Ihre
Koalitionsvereinbarung! - das war Programm, und zwar
ein falsches Programm.
({11})
Es wäre an der Zeit, dass die Bundesregierung die Geschichte der Finanz- und Wirtschaftskrise aufarbeitet
und ihre Fehler klar benennt. Doch dazu fehlt ihr wahrscheinlich der Mut. Aber Herr Steinbrück hat in seiner
Rede ja noch Gelegenheit dazu.
Nur mal nebenbei: Von den Ostdeutschen wird dreimal am Tag die Aufarbeitung der Geschichte verlangt.
Ich wende mich jetzt einmal solidarisch an die CDU.
Wenn ein jetziger CDU-Ministerpräsident in den 80erJahren noch nicht erkannt hatte, dass 1989 die DDR
nicht mehr existieren würde, dann beschäftigt das die
Medien mehr als das Versagen der Bundesregierung in
der größten Wirtschafts- und Finanzkrise. Da läuft doch
etwas falsch in diesem Land.
({12})
Meine Damen und Herren, diese Woche ist eine verlorene Woche im Kampf gegen Demokratieabbau. Ist
es nicht bemerkenswert, dass die Bundesregierung auf
alle Probleme reflexartig mit Demokratieabbau reagiert?
Sei es das Recht auf Asyl, sei es das Recht auf Privatsphäre, sei es das Budgetrecht des Bundestages - alle
diese Rechte wurden beschränkt, um angeblich schwerwiegende Probleme besser lösen zu können. Wir wissen,
dass mit Einschränkung von Bürgerrechten kein einziges
Problem zu lösen ist.
({13})
Da wir ja in der Schlussrunde der Haushaltsdebatte
sind, will ich hier nur auf das Budgetrecht des Bundestages eingehen. Wir werden heute einen Haushalt von
290 Milliarden Euro für das nächste Jahr beschließen.
An diesem Haushalt hängt viel Lebenszeit der Abgeordneten und der Mitarbeiter des Haushaltsausschusses, für
deren Unterstützung - sie sitzen ja hier alle - ich mich
herzlich bedanken möchte.
({14})
Wir sind die Einzelpläne, die Kapitel und Titel mit
großer Sorgfalt durchgegangen. Doch der Haushaltsausschuss steckt in einer tiefen Sinnkrise.
({15})
Denn das 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket wird in
einem Geheimgremium von neun Abgeordneten verhandelt. Diese neun Abgeordneten können auch nur
nachträglich die Entscheidung der Regierung zur Kenntnis nehmen.
({16})
Die Opposition ist in diesem Gremium in der Minderheit
und wird keine Möglichkeiten haben, in der Öffentlichkeit Alarm zu schlagen.
({17})
Wie wichtig der Regierung und den Koalitionsfraktionen
dieses Gremium ist, zeigt sich daran, dass es heute erstmalig zusammengetreten ist, obwohl wir alle öffentlich
darüber diskutieren und gespannt darauf sind, wann welche Bürgschaften an die Banken ausgegeben werden.
Demokratie darf nicht nur in Zeiten der Konjunktur, sie
muss auch in Zeiten der Krise funktionieren.
({18})
Meine Damen und Herren, diese Woche ist eine verlorene Woche im Kampf gegen die Armut. Die Krise
trifft nicht alle Menschen gleich. Auch wenn sich einige
Milliardäre verzockt und Millionen verloren haben - sie
werden es verschmerzen. Die Krise trifft vor allem die
hart, die an ihr am wenigsten Schuld haben. Dass zum
Beispiel der Finanzminister Steinbrück die Kindergelderhöhung um 10 Euro pro Monat als Konjunkturprogramm verkauft, ist einfach nur zynisch.
({19})
Diese Erhöhung gleicht noch nicht einmal - ich habe das
schon am Dienstag ausgeführt - den Kaufkraftverlust
aus, den die Familien seit der letzten Kindergelderhöhung hinnehmen mussten. Bei Kindern von ALG-IIEmpfängern kommt dieses Geld überhaupt nicht an. Das
ist wirklich nicht hinnehmbar.
({20}))
Die Linke hat von der Regierung Sofortmaßnahmen
gefordert, um die Menschen zu schützen, die besonders
hart von der Krise betroffen sein werden.
Wir fordern erstens die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Hier muss ich schon einmal an die
Adresse der SPD sagen: Statt wie Frau Nahles hier gestern die FDP dafür zu beschimpfen, dass diese angeblich
die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns verhindere, sollten Sie lieber einmal die Mehrheiten in diesem
Saal zusammenrechnen und sich bewusst machen, dass
SPD, Linke und Grüne für den gesetzlichen Mindestlohn
sind. Bei aller Verehrung für die Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wir wissen, Sie sind dagegen, aber an
Ihnen wird ein solches Vorhaben zahlenmäßig nicht
scheitern.
({21})
Von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, fordere ich also ein bisschen mehr Ehrlichkeit.
({22})
Zweitens fordern wir die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro, und drittens fordern wir die
Erhöhung des Kindergeldes auf 200 Euro. Sie, meine
Damen und Herren, haben alle diese ökonomisch und
sozialpolitisch vernünftigen Vorschläge abgelehnt.
Wir als Linke lehnen diesen Haushalt ab, weil er
keine Antworten auf die Finanz- und Wirtschaftskrise
gibt und weil er nicht im Ansatz versucht, mit der verhängnisvollen neoliberalen Politik zu brechen.
Vielen Dank.
({23})
Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die jetzt zu Ende gehende Woche war eine gute
Woche für unser Land, weil die handelnde Koalition
deutlich gemacht hat, dass es besser ist, nach Maß und
Mitte zu regieren - das tut nämlich unserem Land gut -,
statt Aktionismus, Populismus und Rezessionspanik zu
verbreiten.
({0})
Es war erfreulich, dass wir endlich auch einmal in einer Haushaltswoche sehr viel stärker als in den vergangenen Jahren über die Grundfragen der Wirtschafts- und
Finanzpolitik gesprochen haben. Dabei wurde ja deutlich, dass es das politische Handeln ist, das die Wirklichkeit in unserem Land wesentlich mitbestimmt. Ich
fordere an dieser Stelle diejenigen auf, die geglaubt haben, sie seien für die gesellschaftliche Realität sehr viel
wichtiger - das sind die Manager, die ohne Rücksicht
auf gesellschaftliche Wertvorstellungen gehandelt haben -, ein bisschen mehr Demut zu dokumentieren. Der
Kern unserer Gesellschaft wird durch das Politische bestimmt. Wir Abgeordneten sind verfassungsmäßig legitimiert, den Volkswillen im parlamentarischen Handeln
zum Ausdruck zu bringen.
({1})
Ich möchte mich dem Dank an die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Haushaltsausschusses anschließen,
möchte aber auch meinen Kollegen im Haushaltsausschuss danken. Stellvertretend für viele nenne ich meinen Obmann Norbert Barthle und den Sprecher der SPD
Carsten Schneider.
Meine Redezeit will ich dazu nutzen, einige Argumente, die wir in dieser Woche gehört haben, kritisch
und auch selbstkritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie
zutreffen und ob wir aus ihnen Hinweise für unsere Politik nach Maß und Mitte ableiten können.
Das erste Argument, das in den unterschiedlichsten
Formen vorgetragen worden ist, lautete: Es wurde zu
wenig getan. - Niemand in der Großen Koalition will
sich allen Ernstes in dieser krisenhaften Zeit prozyklisch
verhalten. Deswegen würde es mich freuen, wenn viele
auch einmal einen Blick auf das werfen würden, was tatsächlich zur Abwehr der Krise gemacht worden ist.
Erstens. Wir lassen die automatischen Stabilisatoren wirken. Auf Deutsch gesagt: Wir nehmen in Kauf,
dass sinkende Steuereinnahmen eine höhere Verschuldung bedeuten. Es ist das Gebot der Stunde, in dieser
Krise so zu handeln. Die Große Koalition tut das.
({2})
Zweitens. Wir setzen einen zielgerichteten Impuls im
investiven Bereich sowohl über den Bundeshaushalt
wie aber auch über Hebelinstrumente von Instituten wie
der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Damit erzeugen wir
einen expansiven Impuls von bis zu 50 Milliarden Euro.
({3})
Drittens. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass die
Zentralbanken in Europa, aber auch weltweit handeln.
Sie senken die Zinsen; das wirkt expansiv. Wir haben
also auch im monetären Bereich einen starken expansiven Impuls. Es kann doch allen Ernstes nicht behauptet
werden, dass dies ein prozyklisches Kaputtsparen ist. Es
ist vielmehr eine verantwortliche und verantwortungsvolle Reaktion auf die Herausforderungen der Krise, die
Politik und Geldpolitik hier zeigen.
({4})
Das zweite Argument, das immer wieder vorgetragen
wird, lautet: Wir sollten uns an anderen Ländern orientieren. - Dieses Argument hat mich in dieser Debatte am
allerwenigsten überzeugt. Helmut Schmidt hat in einem
Interview deutlich gemacht, dass in vielen Ländern die
riesigen Summen, über die wir in den Zeitungen lesen
können, lediglich Ausgaben für Reparaturaufwendungen
und keineswegs Zukunftsausgaben sind. Wir standen in
Deutschland nicht an der Spitze des Finanzkapitalismus.
Die Folgen treffen uns zwar hart, aber bei weitem nicht
so schlimm wie die Vereinigten Staaten oder das Vereinigte Königreich. Das ist auch gut so.
Wenn jetzt gefordert wird, wir sollten mit ähnlichen
Beträgen auf eine für uns in Deutschland völlig andere
Situation reagieren, dann muss man sagen, dass bei dieser Kritik Maß und Mitte und ein gewisser Realitätssinn
verloren gegangen sind. Ich bin froh und glücklich, dass
wir ein dreigliedriges Bankensystem aus Volksbanken,
Sparkassen und Privatbanken haben, das erheblich krisenresistenter ist als das Bankensystem in den USA und
Großbritannien.
({5})
Wir sollten diese Vorschläge in der Schublade lassen; sie
sind Unsinn und Blödsinn und führen nicht zu den richtigen Antworten, die die Politik geben muss.
({6})
Ich will an dieser Stelle auch deutlich machen, dass
sich Länder, die sich stark verschulden, das Vertrauen
der Finanzmärkte verlieren. Wir erleben es gerade bei
den USA und Großbritannien, dass sie einen steigenden
Risikoaufschlag für ihre Staatsverschuldung einrechnen müssen. Deutschland - das hat Carsten Schneider
schon herausgearbeitet - steht gut da. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich sehe keinen Grund, dass wir der Aufforderung, wir sollten uns an den Schadensfällen anderer
Länder orientieren, nachkommen.
({7})
Dann müssten wir den Bürgerinnen und Bürgern in
Deutschland sagen: Ja, auch wir müssen höhere Zinsen
zahlen. - Diesen abstrusen Vorschlag lehnt die Union ab.
Wir werden ihm nicht folgen.
({8})
Dass unter dem Deckmantel, man müsse sich an anderen Ländern orientieren, auch viele Rattenfänger mit
wirtschaftspolitischen Konzepten unterwegs sind, die
nicht klug sind, will ich an dieser Stelle nicht verschweigen. Es sind diejenigen unterwegs, die der Auffassung
sind, man könne mit Inflation Politik machen. Das ist
Unsinn. Dem werden wir nicht folgen.
({9})
Es sind auch welche unterwegs, die den Stabilitätsund Wachstumspakt infrage stellen. Wir haben auf die
D-Mark verzichtet und versprochen, mit dem Stabilitätsund Wachstumspakt die Zentralbankkultur, wie wir sie
aus D-Mark-Zeiten kannten, auf den Euro zu übertragen.
Ich weiß, dass das vielen in Europa nicht gepasst hat.
Aber wir werden an dem europäischen Stabilitäts- und
Wachstumspakt und damit an der Stabilität unserer Währung festhalten. Etwas anderes ist mit uns nicht zu machen.
({10})
Es sind auch viele unterwegs, die meinen, man müsse
jetzt die Party für die Gegenwart organisieren. Das ist
ein brutaler Angriff auf die Interessen der nachfolgenden
Generationen.
({11})
Wir haben aus diesen krisenhaften Veränderungen gelernt, nicht dem Partygefühl von Wall-Street-Bankern zu
folgen, die ohne Rücksicht auf Schulden und damit auf
die nachfolgenden Generationen genau das gefordert haben, nämlich eine riesengroße Party zu feiern. Stattdessen müssen wir im Sinne einer Verantwortungsgesellschaft eine Politik nach Maß und Mitte machen, wie wir
sie in dieser Woche hier im Plenum vorgetragen haben.
({12})
Auch darf ein kluges Argument, das Jürgen Stark von
der EZB in diesen Tagen vorgetragen hat, nicht in Vergessenheit geraten: Wer in Unsicherheit die Dämme flutet, wird am Ende nicht mehr Nachfrage, sondern im Ergebnis lediglich höhere Schulden, höhere Zinsen und
höhere Inflation erhalten. - Deswegen fand ich es gut,
dass der Kollege Glos, unser Wirtschaftsminister, noch
einmal deutlich gemacht hat, dass Vertrauen ein ganz
wichtiger Aspekt in unserer Politik ist. Vertrauen kann
man nicht kaufen, weder durch Schulden noch durch andere staatspolitische Maßnahmen. Vertrauen muss man
sich mühsam erarbeiten. Wir haben das mit dem Finanzmarktstabilisierungsfonds gemacht. Wir sollten dieses
Vertrauen nicht durch einen kurzfristigen finanzpolitischen Aktionismus zerstören.
({13})
Kollege Kampeter, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Fricke?
Der Kollege Fricke ist mir stets eine Freude und wird
uns in dieser Debatte sicher mit einer netten Zwischenfrage erheitern.
Das wünsche ich mir auch. - Herr Kollege Kampeter,
bei alledem, was Sie in den letzten drei oder vier Sätzen
gesagt haben, kann ich Ihnen weitestgehend zustimmen.
Dann würde ich von Ihnen als Haushälter jetzt aber gern
eine klare Absage an die Einführung von Konsumgutscheinen hören, ohne dass Sie darüber hinwegreden.
Können Sie uns hier und heute sagen, dass die CDU und
vielleicht auch sogar die CSU diese Konsumgutscheine
ablehnt, oder hält sie sie noch für möglich, nach dem,
was Herr Stark - Sie haben ihn gerade zitiert - gesagt
hat?
({0})
Halten Sie die Konsumgutscheine für richtig oder für
falsch?
Herr Kollege Fricke, ich stelle fest: Der Einzige, der
im Deutschen Bundestag bisher Konsumgutscheine gefordert hat, ist der Abgeordnete Brüderle, Mitglied der
FDP-Fraktion.
({0})
Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht
erkennen, dass die Situation in Deutschland so ist, dass
wir über eine solche Maßnahme ernsthaft nachdenken
sollten. Der Bundesfinanzminister hat erklärt, es gebe
keine Pläne für diese Maßnahme. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Wir machen das, was wir in unserem Haushalt an
Maßnahmen festgehalten haben. Wir lassen die automatischen Stabilisatoren wirken. Wir unterstützen die Europäische Zentralbank bei ihrem vernünftigen Kurs in der
Geldpolitik.
Wir setzen im Übrigen - dazu komme ich jetzt - auf
steuerpolitisch vernünftige und nachhaltig wirkende Impulse. Der Bundesbankpräsident, Herr Kollege Fricke,
hat deutlich gemacht, dass man in der Steuerpolitik zwischen strukturellen Maßnahmen, die das Steuersystem
verändern, und einmalig wirkenden steuerpolitischen
Impulsen unterscheiden muss.
Wer jetzt eine strukturelle Änderung anstrebt, wird
bei einer kleinen Lösung in der nächsten Legislaturperiode enden. Wir sollten unser Pulver trocken halten.
Deswegen haben wir uns eben für diese gezielten Maßnahmen in der Steuerpolitik entschieden. Wir haben in
der Steuer- und Abgabenpolitik mit diesem Haushalt
wichtige Impulse gesetzt. Ich nenne den Handwerkerbonus, die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und die politische Festlegung auf die steuerliche
Anrechenbarkeit der Vorsorgeaufwendungen. Unterm
Strich ist im Rahmen des Finanzplanungszeitraumes bis
2013 gegenüber dem geltenden Recht eine Entlastung
von 85 Milliarden Euro im Steuer- und Abgabenbereich
zu verzeichnen. Ich frage Sie: Ist das kein steuerpolitischer Impuls?
({1})
Ein Argument, das in dieser Woche leider viel zu wenig vorgetragen worden ist, ist die Finanzversorgung
der realen Wirtschaft; Michael Glos hat das an zwei
oder drei Stellen vorgetragen. Es ist ein Stück weit fahrlässig, wie sich die politische und auch öffentliche Debatte diesem Thema verschließt. Es ist leider richtig,
dass auf dem Interbankenmarkt die Liquidität noch nicht
in Gang gekommen ist. Jeden Abend werden bei der Europäischen Zentralbank aus allen Ländern des Euroraums knapp 300 Milliarden Euro geparkt.
({2})
- Über Nacht. - Damit stehen Mittel in dieser Größenordnung der Finanzierung von Wachstum nicht zur Verfügung. Deswegen muss es unser gemeinsames Bemühen sein, die Maßnahmen, die die Politik und die
Europäische Zentralbank eingeleitet haben, mit dem
Sektor der Privatbanken so weit umzusetzen und nach
vorne zu treiben, dass diese 300 Milliarden Euro, die
jetzt unproduktiv bei der EZB geparkt sind, für die Kreditversorgung der kleinen, mittleren, aber auch der großen Unternehmen in Europa und Deutschland zur Verfügung gestellt werden. Das zu tun, ist die zentrale
Verpflichtung, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben.
Solange diese finanzwirtschaftliche; diese monetäre
Frage nicht gelöst ist, ist es wenig sinnvoll, überhaupt
darüber nachzudenken, starke fiskalpolitische Impulse
zu setzen. Wir befüllen einen Motor mit Benzin, dem es
an Öl mangelt. Das einzige Ergebnis, das am Ende einer
solchen Politik stehen kann, ist ein Kolbenfresser. Wir
wollen aber keinen Kolbenfresser haben,
({3})
sondern wir wollen eine nachhaltige Politik, die Wachstum und Arbeitsplätze sichert und expansiv tätig wird.
Wir brauchen keine Politik, die an den Ursachen vorbei
die falschen Antworten gibt und die sich dieser monetären Herausforderung nicht stellt. Darin sehe ich in den
nächsten Wochen und Monaten die eigentliche Aufgabe
in einem Verbund von Geldpolitik und Finanzpolitik.
({4})
Ich möchte für mich und die Mitglieder der Unionsfraktion die in dieser Woche geführte Debatte zusammenfassen.
({5})
Deutschland ist für die Herausforderungen, die schwierig sind, gut gerüstet. Wir haben eine zentrale Stabilisierung der Finanzmärkte nach der Lehman-Brothers-Pleite
durchgeführt. Das war vor allen Dingen im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger wichtig; denn das hat die Stabilisierung und die Garantie der Sparguthaben beinhaltet.
Wir haben einen Arbeitsmarkt, der sich in guter Verfassung befindet. Es sollte nicht vergessen werden, dass
wir mit unter 3 Millionen Arbeitslosen eine der besten
arbeitsmarktpolitischen Situationen seit vielen Jahren
haben.
Der Dollarkurs stützt unseren Export. Auch wenn das
nicht die einzige gute Nachricht in diesem Bereich ist, ist
es doch gegenüber der schwierigen Situation hinsichtlich
des Dollars vor einigen Wochen eine erhebliche Erleichterung.
Die Rohstoffpreise sinken. Die Inflation bei den Energiepreisen ist zumindest vorübergehend gebändigt.
Ja, es ist richtig, wir stehen vor wichtigen Aufgaben,
vor allen Dingen in der Geldpolitik. Aber wir haben
durch das, was wir in dieser Woche beschlossen haben
und beschließen werden, den Anteil geleistet, den die
Politik leisten kann und leisten sollte. Wir haben das mit
Maß und Mitte und auch mit Verantwortung getan.
Die soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt. Der
Etat für das Jahr 2009 ist ein guter Ausdruck der gemeinsamen Politik der Großen Koalition. Ich empfehle
ihn Ihnen allen zur Zustimmung.
Herzlichen Dank.
({6})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun
die Kollegin Anna Lührmann das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr Steinbrück, dieses Jahr nehmen Sie aller Voraussicht nach 48,5 Milliarden Euro Steuern mehr ein als
im Jahr 2005. Trotzdem haben Sie es nicht geschafft,
den Haushalt auszugleichen. Das ist der Kardinalfehler
Ihrer Amtszeit. Sie haben die wirtschaftlich guten Zeiten
nicht für die Konsolidierung genutzt.
({0})
Ich schaue mir jetzt nur die Haushaltsjahre 2006,
2007 und 2008 an. In diesen Jahren Ihrer Amtszeit wurden bisher 54 Milliarden Euro neuer Schulden aufgenommen. Das geschah trotz der guten wirtschaftlichen
Entwicklung mit Wachstumsraten von 3 und 2,5 Prozent.
Sie haben das Erreichen des Ziels eines ausgeglichenen Haushalts auf das Jahr 2011 verschoben. Da ist Ihnen jetzt die Finanzmarktkrise dazwischengekommen.
Ich weiß schon, was Sie gleich sagen werden, wenn
Sie hier reden werden. Sie werden sagen: Die Finanzmarktkrise konnte keiner vorhersehen, wir sind keine
Hellseher. - Aber jeder weiß: Auf Konjunkturaufschwünge folgen Konjunkturabschwünge. - Sie haben
für harte Zeiten wie diese nicht vorgesorgt. Sie haben so
getan, als würde die Konjunktur immer so weitergehen.
Diesen Fehler haben Sie begangen. Das werfen wir Ihnen vor.
({1})
Es stimmt, dass es fahrlässig wäre, in den Abschwung
hineinzusparen. Man muss jetzt die automatischen Stabilisatoren wirken lassen und Wachstumsimpulse setzen.
Aber ich werde schon ein bisschen nachdenklich,
wenn ich höre, dass viele Politikerinnen und Politiker,
aber zum Beispiel auch Kommentatoren sagen, jetzt
- im Abschwung - sei die Zeit für eine keynesianische
Wirtschaftspolitik gekommen. Aber wenn die Wirtschaft
wieder besser läuft, haben das alle wieder vergessen. Das
ist genau das Problem. Denn eine keynesianische Wirtschaftspolitik oder generell eine Wirtschaftspolitik, die
von atmenden Haushalten spricht, zeichnet sich dadurch
aus, dass in guten Zeiten Defizite abgebaut werden müssen und der Haushalt konsolidiert werden muss, um in
wirtschaftlich schlechten Zeiten die Kraft und den Spielraum zu haben, Schulden machen zu können. Das ist genau das, was viele vergessen. Deshalb regt es mich so
auf, wenn man davon redet, dass jetzt Schulden gemacht
werden müssen, das dann aber in Aufschwungphasen
weiterhin betrieben wird.
({2})
Aus diesem Grund finde ich es so wichtig, Herr
Steinbrück - auch wenn er mir gerade nicht zuhört -,
dass gerade jetzt eine Schuldenbremse eingezogen
wird. Eine Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild
schreibt genau das fest. Danach ist vorgesehen, dass in
wirtschaftlich guten Zeiten konsolidiert werden soll,
dass eher Überschüsse erwirtschaftet werden sollen, damit in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Luft da ist,
um konjunkturelle Impulse geben zu können. Das muss
festgeschrieben werden. Das wäre eine große Reform,
für die man die Mehrheit in Bundestag und Bundesrat
braucht. Ich frage mich, wer die Kraft haben soll, eine
solche Reform umzusetzen, wenn nicht eine Große
Koalition, die diese Mehrheit hätte. Aber das schaffen
Sie nicht, weil das eine wirklich große Reform bedeuten
würde. Stattdessen machen Sie lauter große Gipfel im
Kanzleramt mit den Automobilfirmen und sonst wem.
Bald ist die Legislaturperiode vorbei, und Sie haben an
großen Reformen nichts, aber auch gar nichts hinbekommen.
({3})
Jetzt noch einmal zum konkreten Haushaltsentwurf
für 2009. Es ist ganz klar, dass die Regierung aufgrund
der aktuellen Entwicklung einen neuen Haushalt hätte
vorlegen sollen; denn die Wachstumsprognosen und
auch andere Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Stattdessen hält die Regierung weiter an ihrer Salamitaktik fest, ebenso wie die Banker zu Beginn der
Finanzkrise, als sie immer gesagt haben, so schlimm
werde es schon nicht kommen. Herr Steinbrück hat noch
im September gesagt, dass er die Krise für ein amerikanisches Problem halte, das mit uns nur sehr wenig zu tun
habe. In der Bereinigungssitzung letzte Woche waren Sie
immerhin so ehrlich, den Ansatz für die Schulden im
nächsten Jahr zu verdoppeln. Aber das ist trotzdem nur
die halbe Wahrheit, wie ich Ihnen an drei Punkten verdeutlichen möchte:
Der erste Punkt. Sie haben ein Sondervermögen
„Finanzmarkt“ geschaffen. Das ist ein Schattenhaushalt; das heißt, es ist das Gegenteil von Transparenz und
Kontrollmöglichkeiten für das Parlament, weil wir jetzt
bei den Haushaltsberatungen für das nächste Jahr darüber nicht mehr beraten können.
({4})
Die Regierung sagt selber, dass sie mit Bürgschaftsausfällen in Höhe von 20 Milliarden Euro in den nächsten
Jahren rechnet. Davon ist im Haushalt nichts zu finden.
Ehrlicherweise müssten Sie mindestens die Hälfte davon
in den Haushalt für das nächste Jahr einstellen.
({5})
Der zweite Punkt. Sie haben die Wachstumsprognose zwar von 1,2 auf 0,2 Prozent korrigiert. Aber
leider haben fast alle Wirtschaftsexperten ein Minus vor
ihrer aktuellen Wachstumsprognose für das nächste Jahr.
Die OECD sagt minus 0,9 Prozent voraus, der IWF
minus 0,8 Prozent, die Bundesbank minus 1 Prozent. Da
frage ich mich: Wo haben Sie Ihre 0,2 Prozent her? Von
wem werden Sie da eigentlich beraten? Mit der Realität
hat das wirklich nichts zu tun.
({6})
Der dritte Punkt, warum Ihr Haushaltsentwurf unehrlich ist. Sie haben die großen Ausgabenblöcke, die mit
der Konjunktur schwanken, nicht angepasst. Da sind vor
allen Dingen die Arbeitslosengeld-II-Kosten zu nennen. Jeder geht davon aus, dass wir nächstes Jahr mehr
für das Arbeitslosengeld ausgeben müssen, weil wir leider mit einem wirtschaftlichen Abschwung zu rechnen
haben. Aber was macht die Koalition? Sie hat 1,5 Milliarden Euro weniger für das Arbeitslosengeld II eingestellt. Das ist wirklich der Gipfel der Unseriosität.
({7})
Wenn man die Risiken, von denen ich gerade gesprochen habe, addiert, dann kommt man auf eine Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr von um die 40 Milliarden Euro. Wenn Sie wirklich so ehrlich wären, Herr
Steinbrück, wie Sie uns gleich sicherlich wieder erzählen werden, dann müssten Sie das hier zugeben. Stattdessen halten Sie weiter an Ihrer Salamitaktik fest. Das
führt zu Vertrauensverlust und ist wirklich unseriös.
Viele sagen, eine Nettokreditaufnahme von 40 Milliarden Euro sei nicht so schlimm; im Gegenteil: Je höher die Verschuldung jetzt sei, umso schneller kämen wir
aus der Krise heraus. Gilt denn hier wirklich das Motto
„Viel hilft viel“? Nein, die Qualität der Ausgaben ist entscheidend, und vor allen Dingen die lässt bei Ihrem Konjunkturpaket zu wünschen übrig.
({8})
Dafür möchte ich nur ein Beispiel anführen: die KfzSteuer. Wer im nächsten halben Jahr ein Auto kauft, soll
ein Jahr lang keine Kfz-Steuer zahlen, und zwar unabhängig vom CO2-Ausstoß des gekauften Autos oder anderen umweltschädlichen Gesichtspunkten. Keiner wird
wegen dieser Vergünstigung ein Auto kaufen; es kostet
auch so ziemlich viel Geld. Der ganze Vorschlag ist ökonomischer Unfug. Hinzu kommt: Demjenigen, der einen
dicken Audi-Geländewagen kauft, sollen 1 852 Euro erlassen werden, während demjenigen, der einen kleinen
Smart kauft, nur 135 Euro erlassen werden. Das heißt,
diese Maßnahme ist auch noch sozial ungerecht. Außerdem: Man bekommt umso mehr Geld erlassen, je mehr
CO2 das gekaufte Auto in die Luft pustet. Das ist wirklich absurd und hat mit Klimaschutz überhaupt nichts
mehr zu tun.
({9})
Man sieht: Die 600 Millionen Euro, die im Haushalt
des nächsten Jahres für Klimaschutz vorgesehen sind,
sind wirklich ein Tropfen auf den heißen Stein. Ihre
Konjunkturpolitik ist von vorgestern. Herr Gabriel hat
auf einer Klimakonferenz vorgeschlagen, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel für den Neubau von
Kohlekraftwerken genutzt werden. Das heißt, Sie machen in der Klimaschutzpolitik zwei Schritte vor und
drei zurück. Das ist wirklich das Gegenteil von einer
nachhaltigen Umwelt- und Wirtschaftspolitik.
({10})
Die ganze Welt redet jetzt über das, was man eigentlich machen müsste, um aus der Finanz- und Klimakatastrophe herauszukommen: Man soll die Chance der
Krise nutzen. Der ökologische Umbau der Wirtschaft
ist notwendig, damit wir nicht weiter auf Kosten künftiger Generationen wirtschaften. Das heißt, man muss in
Innovationen investieren, und das gibt der Konjunktur
einen guten Impuls, den wir jetzt so dringend brauchen.
Die Zeitungen sind voll von dieser Idee: Ban Ki-moon,
der UN-Generalsekretär, schlägt einen New Green Deal
vor. Er will „zwei Krisen mit einer Klappe“ schlagen.
Der Spiegel titelt: „Konzernchefs für Klimaschutz“.
Selbst Obama will eine Führungsrolle für die USA. Er
will unsinnige Ausgaben, durch die das Klima verpestet
wird, zugunsten nachhaltiger Ausgaben kürzen.
Über die Politik der Bundesregierung heißt es in einer
Überschrift der Berliner Zeitung: „Konjunkturkrise
stoppt Klimaschutz“. Sie haben die Zeichen der Zeit
wirklich nicht erkannt. Die ganze Welt redet vom Klimaschutz; nur die Bundesregierung macht eine Konjunkturpolitik von vorgestern.
({11})
Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen eine
ganze Menge Vorschläge gemacht: einen Energiesparfonds mit einem Umfang von 3 Milliarden Euro, eine
deutliche Ausweitung der Gebäudesanierung, Impulse
für Elektromobilität und für mehr Verkehr auf der
Schiene und den Abbau der ökologisch schädlichen Subventionen wie die Befreiung des gewerblichen Flugverkehrs von der Energiesteuer für Kerosin und anderes.
Wo wir beim Thema Subventionen sind. Sie von der
Union tun immer so, als würde die Atomenergie nichts
kosten und wäre außerdem noch gut, um das Klima zu
schützen. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Die
Atomenergie ist gefährlich; das ist sowieso klar. Wenn
man sich den Haushalt 2008 einmal ganz genau anschaut, dann stellt man fest: Für die Atomenergie wurde
so viel ausgegeben, wie Sie jetzt für den Klimaschutz
ausgeben wollen. Für den Rückbau von kerntechnischen
Anlagen hat man rund 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Gesamtsumme der in Haushalten veranschlagten Ausgaben für die Atomkraft beträgt 31 Milliarden Euro; darin sind die enormen Kosten zur
Sanierung der Asse, dieses „abgesoffenen“ Forschungsendlagers, noch nicht enthalten. Es ist ganz klar: Die
Atomenergie ist nicht nur gefährlich, sondern kostet
auch ganz schön viel Geld, das uns jetzt fehlt, um aus
der Klimakrise und aus der Finanzkrise herauszukommen.
({12})
Für mich ist eindeutig: Die Große Koalition ist nur
groß darin, künftigen Generationen große Probleme,
eine Klimakatastrophe und auch eine ganze Menge
Schulden mit auf den Weg zu geben. Sie haben in guten
Zeiten keine Vorsorge zur Bewältigung der Krise, die
jetzt vor uns steht, getroffen. Sie machen eine Konjunkturpolitik ohne Richtung. Es wird wirklich höchste Zeit,
dass Sie abgewählt werden.
Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, wenn ich
auf die drei Reden der Oppositionspolitiker nicht eingehe, weil ich nur sehr wenig Zeit habe, und eher versuchen möchte, einige sehr grundsätzliche Anstriche zu
zeichnen. Im Übrigen enthielten diese Reden und Zusammenfassungen auch nichts Überraschendes.
({0})
- Dass aus der Oppositionsriege kommt, dass wir abgewählt werden müssten und dass das alles nichts taugt, ist
nun wirklich nichts Überraschendes.
({1})
Ich habe in meiner Rede in der zweiten Lesung versucht, Begriffe wie „Beständigkeit“ und „Stetigkeit“
aufzugreifen. Die Kanzlerin hat in ihrem Redebeitrag
von Maß und Mitte gesprochen. Ich würde ganz gerne
Ihre Aufmerksamkeit darauf richten, in welcher großen
Geschwindigkeit wir es mit Themen- und Szenenwechseln, mit Akzentveränderungen zu tun haben. Mein Rat
an die Bundesregierung, an die Koalitionsfraktionen ist
in der Tat der gleiche, den auch Herr Kampeter gibt: dies
nicht dem Aktionismus zu opfern, sondern diese Stetigkeit und Beständigkeit in Zeiten, in denen es wirklich
abrupte Szenenwechsel gibt, einigermaßen beizubehalten. Ich will solche Beispiele geben.
Es ist noch nicht sehr lange her, dass wir uns - wahrscheinlich über die Fraktionsgrenzen hinaus - einig gewesen sind, dass wir eine nachhaltige Wachstumspolitik
betreiben müssen. Anders als manche Oppositionsrednerinnen und -redner glaube ich, dass die Bundesregierung
einen Teil der Steuermehreinnahmen im Sinne dieser
nachhaltigen Wachstumspolitik richtig verwandt hat,
({2})
indem wir Forschung und Entwicklung, Infrastruktur,
das Elterngeld, das BAföG und den Hochschulpakt
finanziert haben.
({3})
Deshalb trifft mich der Vorwurf von vielen nach dem
Motto: „Du hättest mit allen Steuermehreinnahmen nur
Haushaltskonsolidierung betreiben müssen“ nicht. Der
entscheidende Punkt ist vielmehr gewesen, beides zu tun
und Impulse für die Zukunft dieses Landes zu setzen.
Das bedeutet, dass man insbesondere in Forschung und
Entwicklung, in Hochschulen und in die Erziehung der
Kinder finanziert und gleichzeitig konsolidiert. Dies ist
Common Sense gewesen.
({4})
Jetzt haben wir es mit einem sehr schnellen Szenenwechsel zu tun. Plötzlich sind alle der Auffassung, dass
wir in der Rezession, in der wir stecken, nur noch dem
Motto folgen sollen: Viel hilft viel.
({5})
Je höher die Etatisierung ist, je mehr Geld wir in die
Hand nehmen - unbenommen der Fragestellung, ob wir
darüber wirklich eine nachhaltige Wachstumspolitik betreiben -, sind wir dabei, uns fast im Tagesrhythmus in
den Summen zu übertreffen, die in die Hand genommen
werden sollen, um der weltweiten Rezession und ihrer
Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland entgegenzuwirken. Dies ist innerhalb weniger Wochen eine
vollständige Akzentverschiebung.
Die gleiche Erfahrung mache ich mit Blick darauf,
dass wir bis in die jüngsten Wochen hinein, bis in den
Sommer dieses Jahres vor dem Hintergrund einer sehr
bedenklichen Inflationsentwicklung fast erstarrt gewesen sind. Inzwischen ist die Inflationsentwicklung vollständig nach unten gerichtet. Im Vorjahresmonatsvergleich liegt die Inflation jetzt nur noch bei 1,4 Prozent,
und plötzlich steigt das neue Gespenst einer Deflation
auf. Dies ist innerhalb weniger Wochen eine Akzentverschiebung. Erst Inflationsgefahr, und jetzt werde ich mit
der Fragestellung konfrontiert, ob wir es nicht eigentlich
längst mit Maßnahmen einer Deflationsbekämpfung zu
tun haben müssten.
Nächster Szenenwechsel. Wir haben es mit einem
Euro zu tun gehabt, der noch vor einem halben Jahr in
vielen Gesprächen insbesondere mit der deutschen Exportindustrie als ausgesprochenes Hindernis für die Exportstrategien bezeichnet wurde. Seinerzeit sind bei einem Eurokurs von 1,26 bzw. 1,27 in Dollar in einer
aufsteigenden Entwicklung viele Leute in meinem Büro
erschienen, weil sie meinten, dies sei ein zu starker Euro.
Heute haben wir nach einem Peak von fast 1,50 wieder
einen Eurokurs von 1,25 bzw. 1,26 in einem absteigenden Ast - wie lange diese Entwicklung andauert, weiß
keiner -, und plötzlich stehen dieselben Leute vor meinem Schreibtisch und sagen: Wir haben einen schwächelnden Euro. - Dies ist eine Entwicklung innerhalb
von vier, fünf, sechs Wochen.
Das Gleiche haben wir mit Blick auf die Energiepreise erlebt. Wir haben im Juli dieses Jahres beim
Rohöl einen durchschnittlichen Barrelpreis von 134 Dollar gehabt. Inzwischen ist er auf unter 50 Dollar hinunter. Können sich alle in diesem Hohen Haus noch an die
Erregungszustände bei diesem Barrelpreis vor drei, vier
Monaten erinnern?
({6})
Haben wir nicht einige Maßnahmen, wie zum Beispiel
das Vorziehen der Wohngeldnovelle, vor dem Hintergrund dieser enorm hohen Energiepreise vorgenommen?
Allein das Absinken des Monatsdurchschnittspreises
von 134 Dollar auf jetzt unter 50 Dollar ist übrigens eine
Erleichterung, eine Förderung für diejenigen, die konsumieren, von 6 Milliarden Euro. Kein Mensch redet darüber.
Wenn wir es nächstes Jahr mit einer gegenüber diesem Jahr ähnlichen monatsdurchschnittlichen Entwicklung zu tun haben sollten - ich hatte jüngst die Gelegenheit, mit einem BP-Vorstandsmitglied aus London
darüber zu reden; die rechnen im nächsten Jahr mit einer
Schwankungsbandbreite von vielleicht 45 bis 60 Dollar -,
dann ist das eine Entlastung für diejenigen, die in diesem
Jahr unter den hohen Benzinpreisen, Heizölpreisen und
mit einem Zeitverzug auch unter den Erdgaspreisen zu
leiden gehabt haben, in einer Dimension von 15 Milliarden Euro. Keiner redet davon.
Den größten und abruptesten Szenenwechsel hat es
mit Blick darauf gegeben, dass wir es alle für richtig erachtet haben, die öffentlichen Haushalte in Deutschland
zu konsolidieren, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit - was müssen
eines Tages unsere Kinder und Enkelkinder an Kapitaldienst leisten, weil wir über unsere Verhältnisse leben? -,
({7})
sondern auch mit Blick darauf, dass wir wieder größere
Spielräume in den Haushalten erschließen müssen, damit die Zinsgarrotte, die Zinsschlinge, die wir um den
Hals haben, nicht immer enger wird, sondern letztlich
unsere Möglichkeiten, in die Zukunft dieses Landes zu
investieren, wieder erweitert werden.
Plötzlich haben wir einen Szenenwechsel, und die
Nettokreditaufnahme kann gar nicht schnell genug gesteigert werden.
({8})
Wir werden nicht nur von unseren eigenen politischen
Debatten getrieben, sondern auch von denen, die in der
wissenschaftlichen Expertise rasante Tanzschrittwechsel vornehmen - bis hin zum Sachverständigenrat -, was
mir dann hier vorgehalten wird. Das gilt auch für all die
Professoren, von denen man täglich etwas in der Zeitung
lesen kann - ich habe gar nicht gewusst, dass es so viele
deutsche Professoren gibt, die auch Finanzmarktfachleute sind -,
({9})
und die medialen Verstärker, die uns in genau diese
Richtung treiben wollen. Sie erzeugen ein Klima, bei
dem wir fast den Eindruck haben, wir müssten jede Woche noch mehr bieten. Es gibt das Märchen vom kleinen
Häwelmann, der immer schreit: „Mehr, mehr!“ Und, haben wir den Eindruck, dass das vertrauensbildend ist?
({10})
Ich glaube nicht, dass das vertrauensbildend ist.
Ich rate dazu, das weiterzuverfolgen, was wir als richtig erkannt haben. Es bleibt dabei, dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ein Ziel sein muss,
schon allein, weil ich am Ende dieser Legislaturperiode
nicht dort enden will, wo wir angefangen haben: bei
einer strukturellen Verschuldung des Bundes von
55 Milliarden Euro. Dann hätte diese Große Koalition
keinen guten Job gemacht.
({11})
Ein anderer Vorschlag, auf den ich kurz eingehen will,
ist ein großes Steuersenkungsprogramm. Herr Westerwelle
hat wesentliche Teile seiner Redezeit darauf verwandt.
Worauf Sie nicht eingegangen sind, Herr Westerwelle,
sind drei von mir nicht agitatorisch vorgetragene Hinweise:
Erstens. Ich habe versucht, Sie darauf hinzuweisen,
dass die Hälfte der ungefähr 47 Millionen privaten
Haushalte in Deutschland gar nicht einkommensteuerpflichtig ist. Das heißt, eine Steuersenkung erreicht diese
Menschen gar nicht.
Zweitens habe ich Sie darauf hingewiesen, dass
50 Prozent derjenigen, die steuerpflichtig sind, lediglich
6 Prozent des Steueraufkommens erbringen, das heißt,
durch Steuererleichterungen in ihrer Konsumkraft keineswegs gestärkt werden.
Dann habe ich Sie drittens darauf hingewiesen, dass
diejenigen, die allemal über einen finanziellen Spielraum verfügen und zusätzlich etwas ausgeben könnten,
also die aus den höheren Einkommensetagen, die höchsten Sparquoten haben, die man sich vorstellen kann.
({12})
Ich würde gerne mit Ihnen in eine sachliche Debatte
darüber einsteigen, welchen Konjunktureffekt eine solche Steuersenkung haben kann. Oder versuchen Sie lediglich, eine Umverteilungspolitik unter dem Mantel der
Konjunkturpolitik zu betreiben?
({13})
Das ist nichts anderes als Umverteilungspolitik. Die
Wählerklientel, die Sie erreichen wollen, was aus Sicht
der FDP ja legitim sein mag, besteht vornehmlich aus
denjenigen, die ein monatliches Nettoeinkommen von
mindestens 4 000 oder 5 000 Euro haben und bei denen
die Sparquote laut Statistischem Bundesamt bei 22 Prozent liegt. Das ist irrelevant für die Konjunkturentwicklung und für die Konjunkturpolitik.
({14})
Vor dem Hintergrund bitte ich darum, gelegentlich
manche Argumente mit Blick auf den konjunktursteigernden Effekt von Steuersenkungsprogrammen endlich
einmal zu entkleiden und auf das zurückzuführen, worum es geht: Das ist eine klare Umverteilungspolitik, die
Arme und Reiche in Deutschland noch weiter auseinanderziehen würde.
({15})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?
Ja, bitte.
Herr Minister, dass Steuersenkungen nur diejenigen
entlasten, die Steuern zahlen, liegt in der Natur der Sache.
({0})
Ich halte das für logisch. Diejenigen, die Steuern zahlen,
ziehen übrigens den Karren in der Republik. Alles, was
Sie so gerne verteilen, wird, nebenbei bemerkt, von den
Steuerzahlern erst einmal erwirtschaftet.
({1})
Das war aber gar nicht mein Punkt. Da Sie sich zum
Thema Steuersenkungen mit der Fraktion der Freien Demokraten auseinandergesetzt haben, frage ich - Sie haben den Beifall bemerkt -: Wie bewerten Sie die Beschlüsse, die mutmaßlich auf dem Bundesparteitag der
CDU zum Thema Steuersenkungen in der nächsten Woche gefasst werden?
Der erste Punkt von Ihnen war keine erhellende Erkenntnis.
({0})
- Er hat die Diskussion aber nicht vorangebracht.
({1})
Das Zweite ist: Jede Partei im Wettbewerb beschließt
das, was sie für richtig hält.
({2})
- Ja, selbstverständlich. - Ich sage Ihnen nur: Diese Vorschläge werden an den Fakten zerschellen. Sie werden
zum Beispiel daran zerschellen, dass auf dem Bildungsgipfel, der vor kurzem stattgefunden hat, gesagt wurde,
dass wir eigentlich 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
für Bildung ausgeben müssten. 3 Prozent müssen wir für
Forschung und Entwicklung ausgeben. Wir müssen die
ODA-Quote erfüllen. Wir müssen 9 Milliarden Euro mit
Blick auf die bessere steuerliche Absetzbarkeit von
Krankenversicherungsbeiträgen wegstecken. Wir müssen unsere Zuschüsse an die Krankenversicherungen
2009 um 1,5 Milliarden Euro erhöhen. Ich sage Ihnen:
Die normative Kraft des Faktischen wird meine Position
bestätigen.
({3})
Das ist meine Antwort.
Da ich nicht auf einem Auge blind bin, will ich mich
nicht nur auf das Thema Steuersenkungen kaprizieren,
sondern blicke auch auf staatlich geförderte Ausgabenprogramme.
({4})
Die Vorstellung, man müsse einfach nur etatisieren, bereits das hätte einen Konjunktureffekt, ist natürlich irrig.
Das einzig Konjunkturfördernde ist der Mittelabfluss in
konkrete Projekte. Dieser ist begrenzt.
({5})
Das heißt, wenn mir oder Herrn Tiefensee jetzt jemand
vorschlägt, die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
um 8 Milliarden Euro zu erhöhen, dann hat das keinerlei
konjunkturfördernden Effekt, wenn bis zum Ende des
Jahres 6 Milliarden Euro davon nicht abfließen.
({6})
Dieser Überbietungswettbewerb muss sich daran messen
lassen, ob die Kommunen, die Länder und der Bund
dort, wo er Träger dieser Maßnahmen ist, die Mittel im
nächsten Jahr so zur Anwendungen bringen können,
dass sie investitionssteigernde, arbeitsplätzeerhaltende
oder arbeitsplatzschaffende Effekte haben. Ich bitte, die
entsprechenden Maßnahmen zukünftig daran zu bemessen
({7})
und nicht einfach nur weiteren Vertrauensverlust in diesem Überbietungswettbewerb zu bewirken.
Ich habe auch nach allen internationalen Debatten den
Eindruck, dass eines der Hauptprobleme der jetzigen Rezession kreditfinanzierte Wachstumsprogramme der
Vergangenheit sind. Wenn diese Analyse zutreffend ist,
dann stelle ich die Frage,
({8})
warum wir diesen Fehler weiter fortsetzen sollen? Können wir darüber eine Debatte führen?
({9})
Wenn viele darauf hinweisen, dass insbesondere in den
USA, aber auch bei uns ein maßgeblicher Grund dieses
Hineinpumpen von Liquidität gewesen ist, kreditfinanziert, und zwar nicht nur in Richtung der staatlichen
Ausgaben, sondern bei vielen auch in Richtung der privaten Verbraucher - anders ist die Situation in den USA,
wo es eine negative Sparquote von minus 0,5 bis 1 Prozent gibt, überhaupt nicht zu erklären -, warum sollen
wir dann diesen Fehler aufgrund von manchen Empfehlungen der wissenschaftlichen Expertise leichtfüßig wiederholen?
({10})
Meine vorletzte Bemerkung: Wir haben die beiden
Pakete, wie ich sie nennen möchte - Herr Kampeter hat
darauf hingewiesen -, die die Bundesregierung verabschiedet hat und die von Ihnen weitergetragen werden
- sowohl das vom 7. Oktober als auch das vom 5. November -, noch nicht einmal zur Wirkungskraft gebracht, und schon überholen wir uns wieder selber mit
den nächsten Vorschlägen. Sind wir nicht ganz gut beraten, erst einmal abzuwarten, wie diese 31 Milliarden
Euro mit ihren Hebelwirkungen etwas in Gang setzen,
das in dieser Rezession hoffentlich abschirmender Natur
ist? Wir werden den gesetzgeberischen Abschluss erst
am 19. Dezember dieses Jahres im Bundesrat erleben.
Ich sage Ihnen voraus, dass wir mit den Ländern noch
eine der schärfsten Auseinandersetzungen über die Finanzierung dieser beiden Pakete bekommen werden.
({11})
Ich wäre sehr dankbar, wenn die Position des Bundes,
dass der Bund Kompromisse nicht finanzieren muss,
partei- und fraktionsübergreifend aus diesem Haus gegenüber den 16 Ländern - egal ob A oder B - endlich
einmal unterstützt werden könnte.
({12})
Denn das geht eindeutig und einseitig zulasten des Bundeshaushaltes.
({13})
Ludwig Erhard hat einmal gesagt, dass 50 Prozent der
Wirtschaft Psychologie sind. Ich glaube, dass zu dieser
Psychologie eine Kategorie gehört, die sehr weich ist
und die man nicht kaufen kann, nämlich das Vertrauen.
Mein Plädoyer lautet, dass im Sinne von Vertrauensbildung Kontinuität, Stetigkeit und Beharrlichkeit eine
größere Qualität haben sollen als Aktionismus und tägliche Tapetenwechsel in der wirtschafts- und finanzpolitischen Debatte, zu denen wir gelegentlich beitragen.
Vielen Dank.
({14})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Otto Fricke
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren!
Als Haushaltsausschussvorsitzender darf ich als Erstes
in dieser Schlussrunde dem Kollegen Kampeter sagen,
er solle für den Rest der Debatte ruhig sein.
Als Zweites darf ich mich beim Sekretariat, bei den
Mitarbeitern des Ministeriums, bei den Mitarbeitern der
Fraktionen und nicht zuletzt bei den Mitarbeitern der
Abgeordnetenbüros für die harte Arbeit bedanken.
({0})
Es waren insgesamt 60 Stunden Sitzungen, 1 053 Anträge, dazwischen noch einmal eben ein FinanzmarktOtto Fricke
stabilisierungsgesetz mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro.
({1})
Warum rattere ich dies so runter? Weil wir manchmal
dachten: Wann kommen wir eigentlich noch zum Nachdenken? Wann schaffen wir es, an der Stelle so zu reagieren, wie es die Bürger von uns erwarten? Herzlichen
Dank. Ich hoffe, dass wir alle eine gute Arbeit geleistet
haben, auch wenn wir nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden sind.
({2})
Zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.
Noch kein Haushalt in dieser Legislaturperiode war von
Haushaltsklarheit und -wahrheit so weit entfernt wie dieser Haushalt.
({3})
Er ist ein reiner Wahlkampfhaushalt. Er wird - das prophezeit Ihnen nicht nur meine Fraktion, sondern das prophezeien Ihnen auch alle anderen - höchstens bis zum
September nächsten Jahres gelten. Dann werden wir
wieder von Ihnen hören: Wir haben uns die Zahlen und
Unterlagen noch einmal ein bisschen genauer angesehen. Es tut uns leid, aber die Nettokreditaufnahme wird
höher ausfallen.
Herr Steinbrück, das erinnert mich ein wenig an Ihren
Vorgänger, an Hans Eichel. Was geschah denn im
Jahre 2005? Die Nettokreditaufnahme sollte 22 Milliarden Euro betragen. Gelandet ist man letztlich bei einem
Betrag in Höhe von 31,2 Milliarden Euro.
({4})
Genau dasselbe droht auch Ihnen. Dabei wissen Sie es
besser, und dabei könnten Sie es wahrscheinlich auch
besser. Sie wollen aber leider nicht.
Zu Ursache und Wirkung. Sie haben auch heute
wieder auf die Finanzmarktkrise und auf die Ereignisse
des 15. September dieses Jahres hingewiesen und die
Frage in den Raum geworfen: Wer konnte all das ahnen?
Seien wir einmal ehrlich, Herr Steinbrück: Sie wussten,
dass die Industrieproduktion seit mehreren Monaten
rückläufig ist. Sie wussten, dass auch die Zahl der Auftragseingänge rückläufig ist. In jeder Diskussion mit
Bankern oder anderen Fachleuten, in der es um die Situation in den USA ging, haben Sie gehört, dass dort etwas
nicht funktioniert. Sie wussten, was bei der IKB schiefgegangen ist. Sie wussten, dass dasselbe, was bei der
IKB schiefgegangen ist, auch bei anderen Banken
schiefgehen wird. Deswegen können Sie nicht sagen: Ich
war völlig überrascht. - Das ist volkswirtschaftlicher
Unsinn.
({5})
Sie vergessen etwas, was in jedem Wirtschaftslehrbuch steht: In der Wirtschaft geht es nach oben und nach
unten, obwohl sich der Bürger eigentlich nach Gleichmäßigkeit sehnt. In dem Moment, in dem man den Gipfel überschreitet, hat man eine ganz andere Perspektive.
Daraus ergeben sich auch ganz andere Aufgaben. Sie
aber tun so, als hätten Sie nicht gewusst, dass es, wenn
man den Gipfel überschritten hat, bergab geht. So kann
ein Finanzminister und so kann eine Große Koalition
nach meiner Meinung nicht agieren.
({6})
Zu den Zahlen. Sie haben in dieser nun langsam zu
Ende gehenden Legislaturperiode Steuermehreinnahmen
in Höhe von 160 Milliarden Euro erzielt. Ihre Nettokreditaufnahme hatte in dieser Zeit eine Größenordnung
von 70 Milliarden Euro. Da fehlt doch etwas! Richtig,
die Ausgaben. Manche Ausgaben, zum Beispiel die Investitionen in Bildung und Forschung, waren richtig.
Aber der überwiegende Teil der Ausgaben wurde verkonsumiert. Jetzt ist er futsch. Das wird letztlich unter
dem Strich stehen, wenn man im Hinblick auf diesen
Haushalt Bilanz zieht.
Für den Bürger bedeutet sparen, die Ausgaben zu senken bzw. sie zumindest stabil zu halten. Sie hingegen haben die Ausgaben um 30 Milliarden Euro erhöht. Ich
wiederhole: Die Ausgabensteigerung betrug 30 Milliarden Euro. Der Staat hat seine Ausgaben um 10 Prozent
erhöht. Fragen Sie einmal die Rentner, ob auch ihre Renten in dieser Zeit um 10 Prozent gestiegen sind! Fragen
Sie einmal die Arbeitnehmer, ob ihre Reallöhne um
10 Prozent gestiegen sind! Diese Ausgabensteigerung
macht deutlich: Sie wollen nicht nur einen starken Staat.
Sie wollen sogar einen fetten Staat, der den Bürgern das
Geld wegnimmt. Den Bürgern gönnen Sie das Geld
nämlich nicht.
({7})
Zum Streit innerhalb der Koalition, ob die Neuverschuldung bis zum September nächsten Jahres bei
10,5 Milliarden Euro bleibt. Wären Sie ein vorausschauender Minister und würde die Koalition vorausschauend
handeln, hätten Sie sagen müssen: Wir sind uns nicht sicher, ob dieser Betrag ausreicht. Wir müssen abwarten.
Es kann allerdings sein, dass er im September nächsten
Jahres höher ist.
Von der Politik erwartet man etwas anderes, als dass
die Situation immer nur schöngeredet wird. Gerade
dann, wenn es schlecht läuft, muss man den Bürgern die
Wahrheit sagen. Man muss sich Gedanken darüber machen, was man tun kann, damit es wieder bergauf geht.
Dieses Land hat verdammt viele Möglichkeiten, voranzukommen. Probleme gibt es überall auf der Welt. Überall wird über Detailfragen gestritten, und alles wird komplizierter. Wenn es aber ein Land gibt, das aus allem ein
Problem macht, dann ist dieses Land mit Sicherheit
Deutschland. Wir können die Probleme, die wir haben,
lösen. Wir sind nur leider nicht schnell genug. Die mangelnde Schnelligkeit ist auch jetzt wieder unser eigentliches Problem.
Sie wissen, dass es schlecht läuft. Sie wissen, dass der
für das nächste Jahr beschlossene Umfang der Neuverschuldung in Höhe von 18,5 Milliarden Euro nicht ausreichen wird. Jetzt müsste man schnell reagieren. Unser
Vorgehen im Zusammenhang mit dem Finanzmarktstabilisierungsfonds hat gezeigt, dass wir das können. Auch
die FDP hat ihn unterstützt. Stattdessen warten Sie ab
und sagen: Vielleicht handeln wir im Januar, vielleicht
im Februar, vielleicht vor Karneval, vielleicht nach Karneval. Das ist falsch. Richtig wäre, jetzt schnell zu reagieren.
Sie müssen dafür sorgen, dass sich die Kräfte unseres
Landes wieder entfalten, dass die Abwärtsentwicklung
gedämpft wird, sodass es bald bergauf geht und die Bürger wieder Vertrauen gewinnen. Das wäre Ihre Aufgabe.
Da Sie das leider nicht tun, wird Ihnen die Entwicklung
bis zum September nächsten Jahres sozusagen um die
Ohren fliegen. Das ist sehr, sehr schade.
({8})
Manchmal habe ich das Gefühl, der Großen Koalition
geht es nur um die Fragen: Ist es eine rote Null oder eine
schwarze Null? Sind es rote minus 18,5 Milliarden Euro,
oder sind es schwarze minus 18,5 Milliarden Euro?
Seien wir ehrlich: Es sind schwarz-rote minus 30 Milliarden Euro, und vielleicht wird es sogar noch mehr. Sie
bauen in diesem Haushalt Luftschlösser. Es ist leider so,
dass Sie die Realität nach wie vor ignorieren.
Ich komme noch kurz auf eine Frage zu sprechen, die
von meinen Vorrednern schon aufgeworfen wurde: Auf
welcher Basis stellt der Finanzminister bzw. die Große
Koalition einen solchen Haushalt eigentlich auf? Im
Kern geht es um das Wirtschaftswachstum. Sie haben
am Dienstag auf die Frage danach gesagt: Na ja, ich
gebe zu, dass es zwischen minus 1 Prozent - davon geht
die Bundesbank aus - und plus 0,2 Prozent sein werden,
womit wir uns am oberen Ende des Korridors bewegen. Das Problem ist: Das obere Ende des Korridors haben
Sie selber bestimmt. Wenn Sie die Wirtschaftserwartungen der Bundesregierung herausrechnen, dann bewegen
Sie sich tief im Minus. Das heißt, Sie selber definieren
das Wachstum hoch, damit Sie das noch einigermaßen
retten. Es sind Ihre eigenen falschen Voraussagen, mit
denen Sie versuchen, sich gerade noch über Wasser zu
halten. So kann man keinen Haushalt aufstellen.
({9})
Man kann auch noch sagen: Na ja, gut, aber an diesem Jahr kann man doch sehen, dass wir das alles richtig
machen. - Ich will für alle Neugierigen nur kurz einen
Hinweis geben: Wir haben das einmal zusammenrechnen lassen. In diesem Jahr haben Sie bereits über
4 Milliarden Euro überplanmäßige und außerplanmäßige
Ausgaben, und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Wir wissen noch gar nicht, wie hoch manche Zahlen sind. Das
heißt, dass Sie schon jetzt wissen, dass Sie hinsichtlich
der Neuverschuldung wahrscheinlich bereits in diesem
Jahr ein riesiges Problem haben.
Der Kollege Schneider hat die Privatisierungen angesprochen. Kollege Schneider, es wurden 10 Milliarden
Euro etatisiert. Wie viel kommt heraus? - Es werden
höchstens 5 Milliarden Euro sein. Auch hier haben Sie in
diesem Haushalt ein Loch von 5 Milliarden Euro. Damit
sind wir an dieser Stelle bei einem Risiko von 9 Milliarden Euro.
({10})
Sagen Sie doch, dass es auch dieses Jahr schon schlechter wird. Sie werden aber wieder versuchen, auch das mit
der Endrechnung irgendwie zu verwischen, und dann irgendein falsches Konjunkturprogramm vorlegen. Nein,
so kann man das nicht stehen lassen.
({11})
Wenn die Politik Wahrheit und Ehrlichkeit vertritt,
dann muss sie bereit sein, zu sagen, wo es langgeht. Sie
tun immer so, als sei es nicht möglich, auf der einen Seite
Investitionen in die Zukunft zu tätigen und etwas für die
Forschung zu tun und sich auf der anderen Seite um einen vernünftigen Haushalt zu kümmern. Zum dritten Teil
einer guten Haushaltspolitik - ich meine das hier -,
({12})
nämlich Anträge zu stellen und Ausgaben zu reduzieren, können Sie wie immer sagen: Das ist nicht richtig. Sie könnten das aber tun. Sie haben doch die Fähigkeiten
und die Leute dazu.
Im Juli haben wir noch gedacht, dass wir diese Ausgaben brauchen. Seien wir aber ehrlich: Wir können sie
uns im September, im Oktober und erst recht im November nicht mehr leisten. - Sie haben nicht den Mut, der
Bevölkerung zu sagen, dass nicht mehr als das geht und
dass wirklich nur das geht, was in schlechten Zeiten
möglich ist. Sie sagen: Wir geben weiter aus, die Steuern
nehmen wir später von genau den Generationen ein, für
die wir eigentlich vernünftig agieren sollten.
({13})
Ich komme zum Schluss. Wer in der Bibel liest, der
wird finden: Von Haushältern wird erwartet, dass sie für
gerecht befunden werden. - Man kann dort auch das berühmte Gleichnis von den fetten und den mageren Kühen lesen, die diese fetten Kühe übrigens auffressen.
({14})
- Es ist mir völlig egal, aus welchem Teil der Bibel das
ist. Sie sind für mich genau gleich wichtig, lieber Kollege Kalb von der CSU.
({15})
Diese Sünden der Vergangenheit werden Sie jetzt einholen. Das Vergessen des Grundsatzes „Spare in der
Zeit, dann hast du in der Not“ wird sich bitterlich rächen.
So endet dann die Große Koalition leider auch in der
Haushaltspolitik ganz klein.
Herzlichen Dank.
({16})
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege
Bartholomäus Kalb.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre dem Haushaltsausschuss nun seit etwa 20 Jahren an. Zum dritten Mal habe
ich in diesem Jahr erlebt, dass wir während der Haushaltsberatungen von ganz einschneidenden, dramatischen Veränderungen getroffen worden sind.
Zum Ersten war das der Fall der Mauer am 9. November 1989. Wir standen vor völlig neuen Herausforderungen. Niemand wusste genau, wie es weitergehen
würde. Wir haben uns dieser Herausforderung seinerzeit
aber gestellt, und ich meine, wir haben diese Herausforderung alles in allem gut bestanden.
({0})
Ich füge hinzu: Ich empfinde es auch heute, 19 Jahre
später, noch als Glück und Segen für unser Land, dass
die Teilung unseres Vaterlandes und unseres Kontinentes
mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl überwunden
ist.
({1})
Das zweite tiefgreifende Ereignis waren die Anschläge am 11. September 2001. Wir befanden uns hier
in der ersten Lesung des Bundeshaushaltes 2002. Ich
kann mich noch genau daran erinnern, dass wir am
Dienstagnachmittag die Sitzung abbrechen und die Beratungen aussetzen mussten, um Krisengespräche zu führen. Dabei standen wir wieder vor völlig neuen Herausforderungen. Heute dürfen wir sagen: Auch damals
wusste nicht jeder genau, welche einzelne Maßnahme
ergriffen werden musste, aber die Politik und die Verantwortlichen sind ihrer Verantwortung gerecht geworden
und haben diese Herausforderungen bewältigt.
In diesem Jahr sind wir von der Wucht der internationalen Finanzkrise erfasst worden, wie wir sie nie für möglich gehalten hätten. Wir mussten während der Haushaltsberatungen in einer unglaublichen Geschwindigkeit das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz verabschieden, viele andere Maßnahmen ergreifen und jetzt auch das Programm
für mehr Wachstum und Beschäftigung auflegen.
Selbstverständlich können nicht immer alle Fragen,
die sich stellen, gleich präzise beantwortet werden. Darauf hat der Bundesfinanzminister hingewiesen. Die Entwicklung kann nicht zuverlässig prognostiziert werden.
Niemand kann genau vorhersagen, was noch auf uns zukommt und welche Maßnahmen möglicherweise notwendig werden.
Aber diese drei tiefgreifenden Ereignisse haben eines
gemeinsam: In dieser Situation konnten sich die Menschen im Land auf die Politik verlassen. Die demokratischen Institutionen waren funktionsfähig. Regierung und
Parlament haben ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein gezeigt. Ich füge hinzu: Die Fraktionsgrenzen
sind weitestgehend überwunden worden. Die Parlamentarier sind ihrer Verantwortung im Interesse der Menschen in unserem Land gerecht geworden.
({2})
Ich gehe davon aus, dass es ein gutes Zeichen ist, das
den Menschen Hoffnung geben und Sicherheit vermitteln kann, dass dann, wenn es darauf ankommt, auf die
Politik, die Regierung und die Parlamentarier Verlass ist.
({3})
Es mag ja sein, dass man in der Rückschau sagen
wird: Das eine oder andere hätte man noch besser machen können. - Hinterher weiß man sowieso immer alles
besser. Aber ich halte es lieber mit Franz Josef Strauß,
der einst sinngemäß gesagt hat: Lieber ungenau richtig
als exakt falsch.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Bundeswirtschaftsminister Michael Glos pflegt immer zu sagen: Wer schnell gibt, gibt doppelt. - Das gilt gerade
auch in krisenhaften Situationen.
Jetzt waren schnell wirkende Maßnahmen erforderlich; die haben wir ergriffen. Natürlich schmerzt es einen
Haushälter, wenn wir feststellen müssen, dass wir die
Nettokreditaufnahme erhöhen müssen und dass das
selbstgesteckte Ziel des ausgeglichenen Haushalts im
Jahr 2011 so nicht erreicht wird.
Aber jetzt kommt es darauf an, die notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen, um die Konjunktur zu stützen und die Beschäftigung zu sichern. Deswegen sind im
Bundeshaushalt die Investitionen auf 27 Milliarden Euro
erhöht und steuerliche Maßnahmen ergriffen worden.
Ich nenne nur die Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen, haushaltsnahe Dienstleistungen und das
KfW-Kreditprogramm. Das ist alles sehr wichtig. Gerade die Kreditversorgung des Mittelstands ist in dieser
Debatte wiederholt angesprochen worden. Ich bin sicher,
dass die vorgesehene weitgehende Haftungsfreistellung
der Banken sehr gut wirken wird.
Den Rettungsschirm, den wir mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz aufspannen, haben wir nicht beschlossen, weil wir die Banker und die Banken so sehr
lieben, sondern weil wir den Menschen in diesem Land,
der Wirtschaft und den Beschäftigten in diesem Land zu
dienen haben. Dafür haben wir diese Maßnahmen ergriffen.
({5})
Ein funktionierendes Bankenwesen und eine funktionierende Kreditwirtschaft sind nun einmal eine Voraussetzung dafür, dass die Arbeitsplätze erhalten werden können, dass die Wirtschaft funktioniert und Existenzen
nicht in Gefahr geraten.
Aber wir können alle diese Maßnahmen und Probleme, die sich stellen, nicht allein auf nationaler Ebene
bewältigen. Wir sind ein exportorientiertes Land. Über
60 Prozent unserer Industrieproduktion gehen in den Export. Das heißt, wir brauchen auch international abge20636
stimmte Maßnahmen. Ich danke der Frau Bundeskanzlerin und den Mitgliedern der Bundesregierung ganz
herzlich, dass auch hierbei die wichtigsten Maßnahmen
auf internationaler und europäischer Ebene eingeleitet
und koordiniert wurden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen
noch nicht, was auf diesem Gebiet noch alles auf uns zukommen wird. Es ist diese Woche schon gesagt worden:
Wir müssen auf Sicht fahren. Wir brauchen verschiedene
Instrumente, auch solche, die schnell helfen, aber keine
Instrumente, bei deren Einsatz das Geld dann nur versickert. Vielmehr brauchen wir Maßnahmen, die im Hinblick auf die Konjunktur wirken. Daneben müssen wir
natürlich auch schon jetzt die Voraussetzungen schaffen,
um strukturelle Verbesserungen in die Wege zu leiten.
Dabei ist das von der CSU vorgelegte Steuerkonzept
zweifellos ein sehr gutes Instrument, das zu gegebener
Zeit umgesetzt werden muss.
({6})
Wir müssen jeweils zur richtigen Zeit die richtigen
Maßnahmen ergreifen. Dies sind zum einen Maßnahmen
zur konjunkturellen Stützung und zum anderen Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung. Dies muss eines
nach dem anderen geschehen.
Der Bundesfinanzminister hat vorhin darauf hingewiesen - das sollten wir gerade in dieser Debatte nicht
verschweigen -, dass es neben den Problemen, die wir
sehen, und den Besorgnissen, die wir haben, auch positive Indikatoren gibt. Die Euro-Dollar-Relation ist bereits angesprochen worden. Für eine Exportnation wie
die unsrige ist dies von ganz entscheidender Bedeutung.
Zu den positiven Indikatoren zählt weiter, dass die Zinsen auch für die Verbraucher ebenso wie die Preise für
Öl und Mineralstoffe gesunken sind und dass die Inflationsrate nicht so hoch wie befürchtet, sondern deutlich
niedriger ausfällt. Das setzt ungeheure Größenordnungen an privater Kaufkraft frei, und dies wird positiv wirken. Es wird also darauf ankommen, dass wir uns nicht
selber noch tiefer in die Krise hineinreden, sondern dass
wir auch auf diese Indikatoren aufmerksam machen.
Angst ist ohnehin immer ein ganz schlechter Ratgeber.
Wir müssen darauf hinarbeiten, dass alle Privatkonsumenten wie Marktteilnehmer wieder Vertrauen zueinander
haben, und mithelfen, dass dieses Vertrauen geschaffen
wird. Dies scheint mir im Moment das Allerwichtigste zu
sein, und wenn das gewährleistet wird, dann bin ich zuversichtlich, dass wir auch diese Krise gut bewältigen
können, selbst wenn schwierige Herausforderungen vor
uns stehen.
Herzlichen Dank.
({7})
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege HansUlrich Krüger.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Finanzmarktkrise ist - aus den Redebeiträgen, die wir alle gehört haben, ergibt sich dies
unzweifelhaft - das beherrschende Thema unserer Haushaltswoche. Ich freue mich, dass die Opposition anerkennt, dass derjenige, der dies vor vier, fünf oder sechs
Monaten prophezeit hätte, nur ungläubiges Erstaunen
geerntet hätte.
Die Realitäten aus den USA, entstanden durch das
Platzen der Immobilienblase, haben uns eingeholt, und
wir haben mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz,
mit einem tatkräftigen Finanzminister reagiert, um Schaden von Deutschland abzuwenden. Einige Banken haben
von diesem Finanzmarktstabilisierungsgesetz bereits Gebrauch gemacht. Das ist auch gut so, das ist richtig und
vernünftig, und zwar im Interesse von uns allen; denn es
geht hierbei nicht um die Stabilisierung der Geldmärkte,
sondern vor allen Dingen um den Erhalt und die Stabilisierung von Arbeitsplätzen.
Daher ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz nur
der Anfang und nicht bereits das Ende unserer Maßnahmen. Deswegen haben wir neben dem Rettungsschirm
für Banken einen Schutzschirm für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer aufgespannt, deswegen werden wir in
den Jahren 2009 und 2010 Investitionen und Aufträge
von Unternehmen, privaten Haushalten und Kommunen
in einer Größenordnung von insgesamt 50 Milliarden
Euro fördern.
Was bedeutet das konkret? Was bedeutet die degressive AfA, die immer nur einfach so in den Raum gestellt
wird? Sie bedeutet eine Anstoßwirkung von 10 Milliarden Euro sowie die Möglichkeit von Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Unternehmen in Höhe von
600 Millionen Euro. Ich nenne das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Angeblich täten wir im Haushalt nichts
dafür. Nein, die KfW hat aktuell die Möglichkeit, Kredite von 27,5 Milliarden Euro zu vergeben, davon
15 Milliarden Euro allein im nächsten Jahr im Rahmen
eines Sonderprogramms.
In Bezug auf Verkehrsinvestitionen nenne ich den Betrag von jeweils 1 Milliarde Euro für 2009 und 2010.
Warum 1 Milliarde Euro? Weil bei realistischer Erwartung schlicht und ergreifend mehr nicht verbaut werden
kann. Alles andere wären Luftnummern, die nichts bewirken und keinerlei Impuls geben.
({0})
Damit jedoch nicht genug: Mit den Familiengesetzen
in den bereits beschriebenen Maßnahmenpaketen entlasten wir Familien im Jahre 2009 um 6 Milliarden Euro
und im Jahre 2010 um 14 Milliarden Euro. Was machen
wir mit den Handwerkerleistungen? Jawohl, es hört sich
zwar niedlich und klein an, wenn wir sagen: Der Steuerbonus wird von 600 Euro auf 1 200 Euro erhöht. Aber
was hat sich bereits hinter den 600 Euro verborgen? Die
600 Euro Steuerbonus haben bewirkt, dass gezielte Förderungsmaßnahmen aus dem Bundeshaushalt in Höhe
von 2 Milliarden Euro geleistet worden sind respektive
10 Milliarden Euro Lohnkosten des Handwerks mit dem
Steuerbonus positiv belegt werden konnten.
({1})
Wenn dieser Bonus nun verdoppelt wird, dann werden
nicht 10 Milliarden Euro, sondern 20 Milliarden Euro an
Handwerkerleistungen positiv unterlegt werden. So wird
ein effektiver Anreiz gesetzt, sich eines Handwerkers zu
bedienen und auf die Frage „Brauchen Sie eine Rechnung?“ mit einem eindeutigen Ja zu antworten.
Was bedeutet es, dass der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung - das wird meistens nur nebenbei erwähnt - 2,8 Prozent beträgt? Das bedeutet 30 Milliarden
Euro Gesamtentlastung, 15 Milliarden Euro auf der Arbeitnehmerseite und 15 Milliarden Euro auf der Arbeitgeberseite.
Wenn wir das alles addieren, dann können wir sagen:
Jawohl, wir haben ein kraftvolles, ein effektives Gesamtkonzept entwickelt, um Anreize zu geben. Natürlich gibt
es - davon wurde heute Morgen geredet - weitergehende
Vorstellungen, vor allem in den Medien. So werden
Steuersenkungen bei kleinen und mittleren Einkommen
vorgeschlagen. Ich frage Sie: Was sind kleine und mittlere Einkommen? Die Verkäuferin, die 20 000 Euro im
Jahr verdient, zahlt 2 000 Euro an Steuern. Aber sie zahlt
fast 4 000 Euro an Sozialabgaben. Der verheiratete Arbeitnehmer mit 35 000 Euro Jahreseinkommen zahlt
circa 1 300 Euro an Steuern. Aber er zahlt 6 900 Euro an
Sozialabgaben. Ein Einkommensmillionär zahlt vielleicht 45 Prozent seines Einkommens an Steuern plus
Solidaritätszuschlag. Aber er zahlt infolge der Beitragsbemessungsgrenze nur 1,1 Prozent seines Einkommens
an Sozialabgaben. Wenn wir jenseits jedweder Ideologie
und Rechthaberei darüber nachdenken, wo man am
zweckmäßigsten ansetzen kann, wenn man die Bezieher
kleiner und mittlerer Einkommen entlasten will, dann
stellen wir fest: nicht bei den Steuern, sondern bei den
Abgaben.
({2})
Wenn wir unser Ziel von 36 Prozent Gesamtsozialabgaben erreichen, dann tritt bei einem Durchschnittsverdiener mit einem Jahreseinkommen in Höhe von
25 000 Euro eine Entlastung um 600 Euro und damit
eine 10-prozentige Reduzierung der Sozialabgaben ein,
während der Spitzenverdiener nur um 0,1 Prozent entlastet wird, was für diesen verkraftbar ist; das sage ich ganz
offen. Bei den Aufwendungen für die Altersvorsorge
und die Krankenversicherung sorgen wir im Rahmen
von Riester und durch die Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge für eine Entlastung in Höhe von
8,7 Milliarden Euro.
Wenn ich all das sehe, bin ich froh - Carsten
Schneider hat es bereits angesprochen -, dass wir gestern eine - um es vorsichtig zu sagen - sehr bunte Debatte über die Erbschaftsteuer geführt haben. Die Erbschaftsteuerreform bedeutet, dass die Bundesländer
4 Milliarden Euro zur Verfügung haben, um in Bildung
und damit in unser aller Zukunft zu investieren.
({3})
Das alles sind gute Zeichen in einer schwierigen Zeit,
in der wir uns als Parlament nicht zurücknehmen sollten,
nein, nicht zurücknehmen dürfen. In diesen Tagen bekommen wir viele Ratschläge, wie wir uns zu verhalten
hätten. So werden allgemeine Steuersenkungsprogramme
vorgeschlagen. Die Unternehmensteuerreform wird infrage gestellt. Am besten sei es, zusätzlich die Abgeltungsteuer auf 15 oder 10 Prozent nachhaltig zu senken.
Ich frage dann gerne zurück - ich bitte Sie, das auch zu
tun -: Wo sind denn all diejenigen, die nun eine neue
Heilslehre verkünden, die sie noch vor nicht allzu langer
Zeit als Irrglauben verteufelt haben? Wo sind denn diejenigen, die sich heute im Besitz der allein selig machenden Wahrheit glauben und die das, was sie noch vor
anderthalb Jahren und noch vor einem Jahr in Fachzeitschriften veröffentlicht haben, am liebsten mit einem
schwarzen Balken versehen würden?
({4})
Dieses Selbstbewusstsein sollten wir entwickeln und
müssen wir entwickeln. Dieses Selbstbewusstsein ist
auch dazu angetan, zu sagen: Jawohl, dieses Parlament
nimmt Kritik ernst, nimmt Kritiker für voll, aber Kritiker, die sich distanzlos in Widerspruch zu dem setzen,
was sie uns über Jahrzehnte gepredigt haben, müssen
sich auch fragen lassen, wie ernst es ihnen mit ihren
Thesen ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Otto
Bernhardt das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! In wenigen Minuten werden wir das Haushaltsgesetz 2009 verabschieden. Dieses Gesetz regelt die Einnahmen und die Ausgaben im kommenden Jahr, und es
kann dementsprechend nur auf Prognosen, Erwartungen
und Erfahrungen beruhen.
({0})
Ich stimme dem Finanzminister zu, dass sich die Rahmenbedingungen noch nie in einem solchen Tempo geändert haben wie in den letzten Wochen. Schauen Sie
sich nur die Prognosen an, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickeln wird, schauen Sie sich die Prognosen über die Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen an!
Keiner kann heute genau sagen, wie das Jahr 2009 wirklich ablaufen wird. Wir können nur Maßnahmen ergreifen - das hat die Bundesregierung getan, und die Große
Koalition hat sie dabei unterstützt -, um die inzwischen
eingetretene Rezession abzuschwächen. Jeder, der
glaubt, Deutschland könne eine weltweite Rezession sozusagen mit hausgemachten Instrumenten vollständig
auffangen, der kennt die Zusammenhänge in der globalisierten Welt nicht. Es geht jetzt darum, die richtigen
Maßnahmen zu treffen, damit die Rezession möglichst
nicht so tief wird und möglichst bald überwunden wird.
Es ist sicher ein tolles Ereignis gewesen, dass dieses
Parlament in einer Woche das größte Rettungsprogramm, das hier je beschlossen wurde - dieses 480-Milliarden-Euro-Programm -, mit breiter Mehrheit - sogar eine Oppositionspartei, die FDP, hat mitgemacht durch dieses Haus bekommen hat. Es gibt keinen Fachmann in Deutschland, weder in der Wirtschaft noch in
der Wissenschaft, der dieses Programm nicht für richtig
hält. Nur, jetzt kommen die Probleme. Es gibt ein großes
Interesse der Banken an diesem Programm. Es gibt sogar
Anträge, aber ich verrate, glaube ich, keine Geheimnisse, wenn ich sage: Es ist noch nicht 1 Euro von den
80 Milliarden Euro Eigenkapitalhilfe geflossen. Ich
weise darauf hin, dass es zurzeit ziemlich große Probleme im EU-Bereich gibt, die notwendigen Genehmigungen zu erteilen. Es stimmt nachdenklich, wenn wir
hier in einer Woche entscheiden, aber bei der EU wochenlange Verhandlungen anstehen. Dies könnte für die
Entwicklung gefährlich werden.
({1})
Kollege Bernhardt, ich unterbreche Sie ungern, ich
habe aber die Redezeit angehalten. Aus aktuellem Anlass ein Hinweis an alle Kolleginnen und Kollegen: Ich
habe mich heute früh extra vergewissert. Für jedes Mitglied des Hauses steht ein Stuhl zur Verfügung. Ich
denke, wir sollten auch dem letzten Redner in dieser
Haushaltsdebatte so viel Respekt entgegenbringen, dass
wir ihn sitzend anhören und Gespräche, die unabdingbar
sind, außerhalb des Plenarsaals führen.
({0})
Inzwischen haben wir auch gehandelt, was die Situation der Realwirtschaft betrifft, auf die sich nun die internationale Finanzkrise auswirkt. Dabei stellt sich das
Bild sehr unterschiedlich dar. Es gibt Bereiche wie die
gesamte Autobranche, die es voll getroffen hat, und es
gibt Bereiche, die davon nichts oder noch nichts merken.
Dennoch haben wir ein 15-Punkte-Programm auf den
Weg gebracht. Die notwendigen parlamentarischen Entscheidungen stehen an. Einige wichtige werden schon in
der kommenden Woche behandelt.
Ich finde es richtig, dass die Bundeskanzlerin erklärt
hat: Wir werden uns in der Regierung und in der Koalition schon in den ersten Januartagen wieder zusammensetzen, die Lage analysieren und dann die Frage behandeln: Brauchen wir weitere Instrumente? - Die Zeit ist
so schnelllebig. Es kann sein, dass alles das, was wir beschlossen haben, nicht ausreicht.
({0})
- Es kann wirklich sein, Kollege Kampeter, dass es nicht
ausreicht. Die Haushälter sind sehr restriktiv; das verstehe ich. Auch ich bin Anhänger eines ausgeglichenen
Bundeshaushalts. Ich fand es bisher immer richtig, mit
Steuersenkungen erst 2011 zu beginnen; bis dahin wollten wir ja einen ausgeglichenen Haushalt haben. Nur,
wir stehen vor der Frage, ob wir Anfang nächsten Jahres
vielleicht doch weitere Instrumente brauchen. Einige
Kollegen haben das angesprochen. Ich sage ganz deutlich: In Wirtschaft und Wissenschaft verlangt man zurzeit Steuersenkungen. Das ist die Realität. Aus dem Bereich kommt das.
Wir haben eine Reihe von Punkten beschlossen, die
zur Entlastung der Bürger führen.
({1})
Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Ob das ausreicht,
werden wir sehen müssen.
Wir haben natürlich ein Problem - auch das ist hier
schon angesprochen worden -:
({2})
Die jetzt beschlossenen Bruttolohnerhöhungen kommen,
was das Netto angeht, zum Teil nur in sehr bescheidener
Form bei den Arbeitnehmern an. Das ist nun einmal so.
Natürlich hat der Herr Kollege Dr. Krüger recht damit,
dass die Sozialabgaben im Vergleich zu den Steuern den
größeren Teil ausmachen, zumindest bei den meisten der
Betroffenen. Dennoch würde ich per heute Steuersenkungen als ein weiteres Instrument, wenn die Lage es
denn erfordert, nicht ausschließen.
({3})
Aber wir müssen schon abwarten, wie all die Maßnahmen wirken, die wir bereits beschlossen haben. Wir
überschlagen uns ja fast mit solchen Maßnahmen.
({4})
Die entscheidende Frage ist: Wie wird sich die Konjunktur wirklich weiterentwickeln? Hierzu können wir
jeden Tag sehr unterschiedliche Prognosen lesen. Das
reicht von „große Katastrophe“ bis „halb so schlimm“.
Als realistischer Optimist - so bezeichne ich mich selber schließe ich mich dem Urteil des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Professor Weber, an, der vorgestern
beim Empfang der Deutschen Bundesbank hier in Berlin
zu diesem Thema etwa Folgendes erklärt hat: Die Deutsche Bundesbank geht davon aus, dass wir im ersten
Halbjahr kommenden Jahres reales Minuswachstum haben, dass das Bruttoinlandsprodukt zurückgeht; es gibt
aber eine Reihe von Zeichen, dass sich die Weltwirtschaft und auch die Konjunktur in Europa und Deutschland bereits im zweiten Halbjahr kommenden Jahres
wieder ein Stück in die richtige Richtung bewegen. Er
sagte wörtlich: Die Perspektiven für eine Überwindung
der Rezession könnten bereits im zweiten Halbjahr 2009
stärker sein und sich durchsetzen.
Wir alle hier im Parlament bestimmen ein Stück weit
die öffentliche Meinung. Der Vater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, wird immer wieder mit dem
Satz zitiert: Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Ich habe manchmal den Eindruck: Sie ist zu 51 Prozent
Psychologie.
({5})
Deshalb warne ich vor dem Panikgerede.
({6})
Es bringt uns in keiner Weise weiter.
({7})
Wir haben gehandelt, zunächst mit einem großen Programm zur Finanzkrise. Wir haben die notwendigen Entscheidungen zur Krise der Realwirtschaft getroffen. Wir
sollten jetzt abwarten, wie in den nächsten Wochen die
Ergebnisse sind. Sie können sicher sein: Die Große
Koalition wird, wenn erforderlich, weitere Schritte einleiten.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2009. Das betrifft die Drucksachen 16/9900,
16/9902, 16/10402, 16/10404 bis 16/10409, 16/10411
bis 16/10416, 16/10419 bis 16/10425. Es ist namentliche
Abstimmung verlangt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise darauf
hin, dass nach dieser namentlichen Abstimmung noch
weitere, einfache Abstimmungen über Entschließungsanträge folgen werden. Auch hier gilt mein eben gegebener Hinweis: Für jede Kollegin und für jeden Kollegen
des Hauses steht ein Stuhl zur Teilnahme an diesen Abstimmungen zur Verfügung. Ich bitte, diesen dann auch
einzunehmen, damit wir von hier vorne das Ergebnis
zweifelsfrei feststellen können.
Ich bitte Sie nun, sich zu vergewissern, dass auf Ihrer
Stimmkarte Ihr Name steht, sodass das Abstimmungsergebnis Ihnen dann auch entsprechend zugeordnet werden kann.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer an Ihrem Platz? - Das ist
der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen zu
den Entschließungsanträgen.
Wir beginnen mit der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11045. Wer stimmt für den Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der
Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen
die Stimmen der FDP-Fraktion abgelehnt.
Wir stimmen nun über fünf Entschließungsanträge
der Fraktion Die Linke ab.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11029? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11043? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11044? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11050? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11087? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist wiederum abgelehnt.
Wir kommen schließlich zur Abstimmung über fünf
Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11047? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11064? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die
Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der
Fraktion Die Linke bei Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11069? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Vizepräsidentin Petra Pau
Wir kommen zur Drucksache 16/11066, die ich gerade übersprungen habe. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11066? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zum Entschließungsantrag auf
Drucksache 16/11072. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt
dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPDFraktion, der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
abgelehnt.
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz
2009 bekannt: abgegebene Stimmen 526. Mit Ja haben gestimmt 388 Kolleginnen und Kollegen, mit
Nein haben gestimmt 138 Kolleginnen und Kollegen,
keiner hat sich enthalten. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 526;
davon
ja: 388
nein: 138
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({2})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({3})
Axel E. Fischer ({4})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({5})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({6})
Dr. Franz Josef Jung
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({7})
Eckart von Klaeden
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({8})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({9})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({10})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({11})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Carsten Müller
({12})
Stefan Müller ({13})
Dr. Gerd Müller
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({14})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({15})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({16})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({17})
Andreas Schmidt ({18})
Ingo Schmitt ({19})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({20})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({21})
Gerald Weiß ({22})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Willy Wimmer ({23})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
Vizepräsidentin Petra Pau
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({24})
Doris Barnett
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({25})
Volker Blumentritt
Kurt Bodewig
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({26})
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf ({27})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({28})
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({29})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({30})
Frank Hofmann ({31})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({32})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({33})
Dr. Karl Lauterbach
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({34})
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({35})
Michael Müller ({36})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({37})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({38})
Silvia Schmidt ({39})
Renate Schmidt ({40})
Dr. Frank Schmidt
Heinz Schmitt ({41})
Carsten Schneider ({42})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({43})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gert Weisskirchen
({44})
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
({45})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Nein
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({46})
Uwe Barth
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Otto Fricke
Horst Friedrich ({47})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({48})
Markus Löning
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({49})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({50})
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Vizepräsidentin Petra Pau
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({51})
Volker Schneider
({52})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Volker Beck ({53})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({54})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({55})
Markus Kurth
Monika Lazar
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({56})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({57})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionslose
Abgeordnete
Henry Nitzsche
Gert Winkelmeier
Ich rufe den Tagesordnungspunkt VI auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 2009 ({58})
- Drucksachen 16/10189, 16/10494 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({59})
- Drucksachen 16/11055, 16/11108 Berichterstattung:
Abgeordnete Olav Gutting
- Bericht des Haushaltsausschusses ({60})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/11086 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({61})
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP sowie der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Frechen für die SPD-Fraktion.
({62})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das Jahr geht, das Jahressteuergesetz kommt.
Es ist auch sinnvoll, alle Anpassungen, die sich in den
Steuergesetzen angesammelt haben, in einem Gesetz
zum Ende des Jahres für den Beginn des neuen Jahres zu
machen, nicht in vielen Gesetzen über das ganze Jahr
verteilt. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 werden wiederum viele Änderungen redaktioneller Art vorgenommen oder Änderungen, die der Rechtsbereinigung dienen. Insofern stimme ich sogar mit dem Antrag der FDP
überein. Aber das ist es dann auch schon.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, behaupten in Ihrem Antrag, nicht genug Beratungszeit gehabt zu haben.
({0})
Dem muss ich ausdrücklich widersprechen. Entgegen
der sonstigen Geschäftsordnung gab es eine zusätzliche
Sitzung des Finanzausschusses - die Umdrucke sind Ihnen zeitig zugegangen -, wo wir nochmals über den Gesetzentwurf und über die Umdrucke beraten haben. An
uns hat es nicht gelegen, wenn Sie nicht genug beraten
haben.
Zu den wesentlichen Inhalten des Gesetzes gehört die
Einführung einer optionalen zusätzlichen Wahlmöglichkeit bei der Besteuerung der Ehegatten. Kurz gesagt:
Wir führen die individuelle Besteuerung mit Splittingvorteil ein. Die Ehegatten werden demnach auf eigenen
Wunsch unterjährig nicht mehr nach der Steuerklasse,
sondern nach dem tatsächlichen Arbeitslohn besteuert.
Das wird zumindest den gering verdienenden Ehefrauen
zu ein bisschen mehr gefühlter Gerechtigkeit verhelfen.
({1})
Zu mehr Gerechtigkeit hoffentlich für uns alle führt
der Ausschluss von extremistischen Vereinen von der
Gemeinnützigkeit.
({2})
Was bisher schon gängige Verwaltungspraxis war, wird
jetzt rechtlich normiert. Wir schließen Vereine, die nicht
auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung basieren, von der Begünstigung durch die Gemeinnützigkeit aus.
Zum Thema Gemeinnützigkeit gibt es eine weitere
Änderung, die sich aus einer EU-Rechtsprechung ergibt.
Wenn beispielsweise eine italienische Stiftung in der
Schweiz gemeinnützig tätig ist und in Deutschland nur
Vermietungseinkünfte bezieht, so wäre sie nach unserem
derzeitigen Recht in Deutschland als gemeinnützig anzuerkennen. Das wollen wir nicht. Insofern ändern wir das
Gesetz dahin gehend, dass wir den Begriff des Inlandsbezuges in das Gesetz einfügen, der keine Auswirkung
auf inländische gemeinnützige Vereine hat, die im Inoder Ausland ihre guten Werke tun. Das ist mir ganz
wichtig, noch einmal zu betonen: Wir haben eine Formulierung gefunden, die mit den Verbänden abgestimmt ist
und mit der ihre Bedenken in Gänze aufgegriffen wurden.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Änderung betrifft die Aufteilung der Gewerbesteuer bei
Windkraftanlagen. Maßgeblich für die Zerlegung der
Gewerbesteuer ist grundsätzlich der Arbeitslohn. Das
bedeutet, die Kommune, in der sich der Firmensitz befindet, bekommt alles, und die Standortkommunen bekommen nichts. Das werden wir ändern. Die Zerlegung
wird sich künftig zu 70 Prozent am Kapital und zu
30 Prozent am Arbeitslohn orientieren. Darüber hinaus
- das betone ich ganz ausdrücklich - werden selbstverständlich freiwillige Vereinbarungen möglich sein. Sie
werden genauso möglich sein, wie sie es heute auch
schon sind.
({4})
Wir haben das seit dem Jahr 2003 überflüssige Organschaftsverbot bei Lebens- und Krankenversicherungen
aufgehoben. Wir werden mit diesem Gesetz unserer Verpflichtung nachkommen, Leasing- und Factoringfirmen
unter Aufsicht zu stellen, und sie somit gewerbesteuerrechtlich den Banken gleichstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Europäische
Gerichtshof hat uns verurteilt, die steuerliche Berücksichtigung der Schulgeldzahlungen auf den Raum der
EU bzw. den EWR auszudehnen. In dem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion kann man lesen, dass
Schulgeldzahlungen an Privatschulen nicht abzugsfähig
seien. Das ist schlichtweg falsch. 30 Prozent der Kosten
für allgemein- oder berufsbildende Schulen können bis
5 000 Euro steuerlich geltend gemacht werden. Das entspricht 16 666 Euro Schulgeld. Damit ist das Schulgeld
aller inländischen Schulen und des größten Teils der europäischen Schulen abgedeckt. Die FDP will die Finanzierung der Schulgeldzahlungen für die teuersten Privatschulen Europas vom deutschen Steuerzahler. Das geht
uns entschieden zu weit.
({5})
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Steuerfreiheit der
Einnahmen einer Gastfamilie, die behinderte Menschen
bei sich aufnimmt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag,
indem sie Menschen Geborgenheit und Sicherheit in der
Familie gibt. Die Einnahmen dafür aus öffentlichen Kassen oder vergleichbar aus Eigenmitteln werden steuerfrei
bleiben.
({6})
Auch dieses Gesetzesvorhaben kommt ohne Änderungen zur Vermeidung der Steuerumgehung nicht aus.
Wir werden Verträge mit Lebensversicherungsmänteln,
wie sie üblicherweise in einem kleinen Land mit großen
Finanzambitionen gestrickt werden, nicht mehr als Lebensversicherungen anerkennen. Denn Lebensversicherungen haben etwas mit Risikoschutz zu tun.
Frau Kollegin Frechen, achten Sie bitte auf die Redezeit.
Frau Präsidentin, einen Satz möchte ich noch sagen. Das hat aber nichts mit einem Mäntelchen zu tun, das ich
um mein Vermögen lege, um möglichst wenig Steuern
zu zahlen. Auch da hat die FDP etwas zu mäkeln. Aber
auch bei ihr wird sich hoffentlich irgendwann die Erkenntnis durchsetzen, dass sozialer Friede etwas mit Zufriedenheit zu tun hat, und Zufriedenheit mit Gerechtigkeit, auch mit Steuergerechtigkeit.
Vielen Dank.
({0})
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege
Dr. Volker Wissing.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben eben von Frau Kollegin Frechen gehört, was
für ein bedeutender Gesetzentwurf hier vorliegt. Ich
möchte betonen, dass es sich hierbei um einen Entwurf
der Regierung handelt. Dass die Bundesregierung dazu
nicht das Wort ergreift, zeigt, welche Bedeutung sie dem
Gesetzentwurf insgesamt beimisst.
({0})
Vor drei Tagen haben wir über die Wiedereinführung
der degressiven AfA beraten. Das ist ein wichtiger
Schritt angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation, in der sich unser Land befindet. Ebenso wichtig,
wie die Wiedereinführung der degressiven AfA ist, so
falsch war es, dass Sie sie abgeschafft haben. Das haben
wir gestern in einer Anhörung mit Sachverständigen
wiederholt bestätigt bekommen.
Das Ziel Ihres Gesetzentwurfs „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“, den wir diese Woche
beraten haben, habe ich so verstanden, dass Sie die Unternehmen dabei unterstützen wollen, gerade jetzt, in einer schwierigen Zeit, zu investieren. Die interessante
Frage ist dann doch: Warum wollen Sie heute Investitionen ohne Not in Deutschland wieder erschweren?
({1})
Sie verweigern der deutschen Wirtschaft dringend erforderliche Korrekturen der Unternehmensteuerreform,
die man in dieses Jahressteuergesetz unbedingt hätte aufnehmen müssen. Sie befreien die deutsche Wirtschaft
nicht von den Fesseln der Zinsschranke. Sie befreien die
deutsche Wirtschaft nicht von den Problemen, die Sie
mit der Funktionsverlagerung selbst geschaffen haben.
Das, was Sie mit der degressiven AfA an Erleichterungen einführen wollen, konterkarieren Sie mit den Änderungen zum Mantelkauf, die im Jahressteuergesetz 2009
stehen.
({2})
Es ist schon ein bemerkenswerter Zustand der Schizophrenie im Bundesministerium der Finanzen: Die eine
Abteilung gibt Gas, und die andere zieht die Handbremse an. Das zu erwartende Ergebnis ist Stillstand.
Das können wir uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation in Deutschland nun weiß Gott nicht leisten.
({3})
Mit der Neuregelung zum Mantelkauf erschweren
Sie die Rettung in Bedrängnis geratener Unternehmen.
Das ist das Allerletzte, was wir uns jetzt leisten können.
Im Prinzip müssen wir jedem Unternehmen dankbar
sein, das bereit ist, eine Verluste produzierende Gesellschaft zu übernehmen und Arbeitplätze zu sichern. Genau darum geht es doch. Es geht um Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung. Sie haben die
Devise selbst vorgegeben; aber es dauert gerade einmal
drei Tage, bis Sie wieder anfangen, Beschäftigungsabbau durch Wachstumsschwächung zu betreiben.
Man fragt sich: Für wen haben Sie das Jahressteuergesetz 2009 eigentlich gemacht?
Es mag für viele Ohren zunächst einmal gut klingen,
wenn die Bundesregierung die Verjährungsfrist für
Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre anhebt.
Das klingt nach starkem Staat und konsequentem Steuervollzug. Aber im Grunde genommen ist genau das Gegenteil der Fall. Diese Bestimmung ist doch ein Hilferuf.
Die Strafverfolgungsbehörden sind nicht mehr in der
Lage, mit den Verfahren hinterherzukommen, und anstatt die Zahl der Ermittler zu erhöhen und die Fehlanreize im Bereich des effizienten Steuervollzugs im Rahmen der Föderalismuskommission zu beseitigen,
verlängern Sie einfach die Verjährungsfristen.
({4})
Sie schaffen damit nicht mehr Steuerehrlichkeit, sondern einen Trödelfreibrief für Verwaltungen. Das sind
die falschen Ansätze. Sie verweigern Deutschland ein
vereinfachtes Steuerrecht, mit dem man die Probleme lösen könnte. Aus dem Problem eines zu komplizierten
Steuerrechts machen Sie einfach ein Zeitproblem.
({5})
Was soll denn für ein Signal von dem Jahressteuergesetz 2009 ausgehen? Von einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger kann nicht die Rede sein. Sie sprechen
davon, Frau Frechen, dass sich die Menschen in
Deutschland jetzt wohler fühlen würden.
({6})
Ich weiß nicht, mit welchen Leuten Sie reden. Die Menschen in Deutschland fühlen sich nicht wohl, vor allen
Dingen nicht angesichts des Steuerrechts, weil Sie die
Menschen systematisch abkassieren und weil Sie sie mit
einem viel zu komplizierten Steuerrecht drangsalieren
und Wirtschaftsunternehmen lähmen.
({7})
Wenn Sie meinen, damit würde man sich in Deutschland
wohlfühlen, irren Sie sich; das Gegenteil ist richtig.
Ihr Gesetz ist jedenfalls kein Beitrag zur Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung. Sie erschweren das ohne Not. Familien, die hierher kommen, hochqualifizierte Leute, die ihre Kinder auf internationale
Schulen schicken möchten, können die Kosten, die ihnen dadurch entstehen, nicht mehr steuerlich geltend
machen.
({8})
Manch einer wird sich überlegen, ob er in Zukunft einen
Bogen um die Bundesrepublik Deutschland macht.
({9})
Das ist reine Ideologie. Sie opfern wichtige Interessen
der deutschen Wirtschaft, nämlich internationale Spitzenkräfte hierher zu bekommen, Ihrer ideologischen Politik.
({10})
Das ist unverantwortlich. Wir können uns das wirklich
nicht erlauben. Diese Regelung muss so schnell wie
möglich wieder aus dem deutschen Steuerrecht gestrichen werden.
({11})
Meine Damen und Herren, das Faktorverfahren, das
Sie so gelobt haben, wird am Ende dazu führen, dass
sich ein paar Menschen ein bisschen wohler fühlen.
Aber das ist doch keine wirkliche Verbesserung im Steuerrecht. Sie beseitigen keine strukturellen Probleme.
Wieder einmal hat die Große Koalition eine Chance
vertan. Dieses Jahressteuergesetz ist erbärmlich. Es enthält viele Verschlechterungen; nötige Verbesserungen
für die deutsche Wirtschaft haben Sie nicht in Angriff
genommen. Dass die Bundesregierung nicht einmal einen Satz dazu sagt, ist schon ein ausreichendes Signal.
Sie machen wieder kein Gesetz für die Bürgerinnen und
Bürger. Sie machen wieder keine Verbesserungen im
Steuerrecht, die unsere Wirtschaft braucht. Dieses Jahressteuergesetz mag der Verwaltung gefallen. Für unser
Land bedeutet es keinen angemessenen Schritt nach
vorne. Schade!
({12})
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Olav
Gutting.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!
Meine Herren! Wie das Christkind kommt alle Jahre
wieder das Jahressteuergesetz.
({0})
Auch in diesem Jahr werden mit dem Jahressteuergesetz
Maßnahmen umgesetzt, die sich im Laufe des Jahres aus
EU-rechtlichen Vorgaben, aus Gerichtsurteilen, aus Anregungen von Verwaltungen und Verbänden ergeben haben.
Lieber Kollege Wissing, Sie fragen: Für wen habt ihr
dieses Gesetz gemacht? Darauf will ich Ihnen antworten:
Wir haben es zum Beispiel für die Ehrenamtlichen in
diesem Land gemacht. Mit diesem Jahressteuergesetz
werden wir das ehrenamtliche Engagement mit einer
Verbesserung der steuerlichen Haftungsregeln für Vereinsvorstände unterstützen.
({1})
Zukünftig haften für die fahrlässig zweckwidrige Verwendung von Spenden und Mitgliedsbeiträgen zunächst
der Verein und erst nachrangig die handelnden Personen.
({2})
Das war bisher nicht so. Künftig muss keiner, der eine
verantwortungsvolle Aufgabe in einem Verein übernehmen will, mehr fürchten, für fehlerhafte Spendenquittungen anderer persönlich zu haften.
({3})
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 soll aber auch das
bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte optionale Faktorverfahren eingeführt werden; wir haben das schon
gehört. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass ich
persönlich der Meinung bin, dass wir dieses Verfahren
zur genaueren Zuordnung des Splittingvorteils eigentlich
nicht brauchen. Die Praxis wird uns zeigen, ob die Probleme, die damit gelöst werden sollen, tatsächlich gelöst
werden können. Ich fände es besser - da stimme ich Ihnen zu -, statt der Einführung eines weiteren Steuerverfahrens, welches bei den Betroffenen - das ist meist die
gering verdienende Ehefrau - steuerliche Nachteile beseitigen soll, ein einfacheres und schon deswegen gerechteres Steuersystem einzuführen.
({4})
Wir konnten im parlamentarischen Verfahren aber
auch eine Vielzahl von Verbesserungen gegenüber dem
ursprünglichen Regierungsentwurf erreichen. Bei so einem Umfang - ich glaube, 188 Änderungen und Regelungen - kann man natürlich nicht jeden einzelnen Punkt
aufrufen. Ein wirklich wichtiger Punkt ist das Schulgeld. Hier ist es gelungen, die vorgesehene Deckelung
der 30-prozentigen steuerlichen Absetzbarkeit von
Schulgeld von 3 000 Euro auf 5 000 Euro pro Kind anzuheben. Das bedeutet - die Kollegin Frechen hat es bereits gesagt -, dass Schulgeld bis zu einer Jahreshöhe
von über 16 500 Euro berücksichtigt werden kann. Wir
werden in Deutschland wahrscheinlich keine Schule finden, die ein solch hohes Schulgeld verlangt. Damit haben wir so gut wie alle Privatschulen abgedeckt. Zudem
wird dieser Sonderausgabenabzug nun auch beim Besuch berufsbildender Privatschulen gewährt.
({5})
Wir hatten aufseiten der Union von Anfang an erhebliche Bedenken gegen die im Gesetzentwurf zunächst
vorgesehene Begrenzung des Vorsteuerabzugs bei nicht
ausschließlich unternehmerisch genutzten Firmenfahrzeugen.
Kollege Gutting, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Wissing?
Gerne.
Herr Kollege Gutting, teilen Sie meine Auffassung,
dass es in Deutschland Schulen gibt, beispielsweise die
Internationale Schule Frankfurt, die besonders hohe
Schulgebühren erheben müssen, weil sie ein sehr spezielles Bildungsangebot bereithalten, das für unsere
Volkswirtschaft sehr wichtig ist? Es handelt sich dabei
um den Unterricht für Kinder von hochqualifizierten
Kräften, die für ein oder zwei Jahre nach Deutschland
kommen. Diese Kinder können nicht nur nach deutschen
Lehrplänen unterrichtet werden, weil sie nach ein oder
zwei Jahren zurück nach Korea oder in andere Länder
müssen, um dort ihre Schullaufbahn fortzusetzen. Teilen
Sie meine Auffassung, dass dadurch besonders hohe
Kosten entstehen, die man mit denen anderer Schulen
nicht vergleichen kann? Teilen Sie meine Auffassung,
dass dieses Jahressteuergesetz diese Schulen nicht berücksichtigt
({0})
und dass es - beispielsweise für den Finanzplatz Frankfurt - besonders bedauerlich ist, dass die besondere
Situation dieser Schulen von Ihnen in diesem Jahressteuergesetz nicht anerkannt wird?
Teilen Sie auch meine Auffassung, dass es in einer
wirtschaftlich schwierigen Zeit unverantwortlich ist,
eine Hürde für die Zuwanderung von internationalen
Spitzenkräften in die Bundesrepublik Deutschland aufzubauen? Teilen Sie darüber hinaus meine Auffassung,
dass das ein Widerspruch zu dem ist, was die Bundesregierung diese Woche angesichts der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten, in denen sich unser Land befindet, wiederholt verkündet hat?
({1})
Herr Kollege Dr. Wissing, wir erkennen die Wichtigkeit und die Bedeutung von Privatschulen in unserem
Gesamtschulsystem an. Wir schätzen sie, wir halten sie
für richtig und wollen sie fördern.
Wer mit einem reinen Schulgeld von über
16 000 Euro im Jahr - es geht ja nur um reines Schulgeld, nicht um die zusätzlichen Ausgaben für das Mittagessen usw. - nicht hinkommt und bei einer Deckelung
von bis zu 5 000 Euro darüber hinaus nichts mehr absetzen kann, ist nicht derjenige, den wir über den Sonderausgabenabzug unbedingt weiter steuerlich unterstützen
müssen. Ich halte die Regelung, so wie wir sie jetzt gefunden haben, für ausreichend, für richtig. Wir werden
fast alle Privatschulen in diesem Bereich umfassend berücksichtigen. Mit diesen 5 000 Euro haben wir einen
richtigen Schritt gemacht.
({0})
Ich hatte gerade das Thema „Begrenzung des Vorsteuerabzugs bei den nicht ausschließlich unternehmerisch
genutzten Firmenfahrzeugen“ genannt. Ich bin froh, dass
wir gerade in Anbetracht der Absatzkrise der deutschen
Automobilindustrie diesen Schritt nicht gegangen sind.
Die Belastungen, die im ursprünglichen Regierungsentwurf im Gespräch waren, sind nun definitiv vom Tisch.
({1})
Das ist eine Beruhigung für den Markt.
Eine weitere Beruhigung möchte ich anfügen: Die
vom Bundesfinanzministerium ins Auge gefasste Besteuerung von Streubesitzdividenden ist ebenfalls nicht
Gegenstand des jetzt zu verabschiedenden Gesetzentwurfes. Ich will betonen, dass sich die Union ausdrücklich
nicht der Intention verschließt, das deutsche Steuerrecht
den europarechtlichen Vorgaben zeitnah anzupassen.
Aber für Schnellschüsse besteht in diesem Bereich kein
Anlass. Vielmehr müssen wir die Auswirkungen einer
solchen Besteuerung von Streubesitz gerade vor dem
Hintergrund der Wichtigkeit von Wagniskapital auch in
der jetzigen Krise genau prüfen und dezidiert untersuchen.
({2})
Das Jahressteuergesetz 2009 hätte durchaus - auch
das haben wir vorhin schon gehört - die Chance für
Nachbesserungen bei der Unternehmensteuerreform
eröffnet;
({3})
das will ich hier nicht bestreiten. Wir vonseiten der
Union wollten die weitere Absenkung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung des pauschalierten Finanzierungsanteils bei Immobilienmieten erreichen. Hier hätte
schon eine 10-prozentige Absenkung eine deutliche Entlastung gebracht und insbesondere zur Stärkung unseres
innerstädtischen Handels beigetragen.
({4})
Wir wollten auch bei der Zinsschrankenregelung
nachbessern und den Vortrag von nichtgenutztem
EBITDA gestatten. Auch das ist gerade in Krisenzeiten
eine wichtige Möglichkeit, um Verluste steuerlich abzufedern. Nun ist es uns leider nicht gelungen, die notwendige Mehrheit dafür zu beschaffen. Ich möchte aber betonen: Hier gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir
werden uns weiterhin für notwendige Nachbesserungen
bei der Unternehmensteuerreform einsetzen.
({5})
Ein weiterer Wermutstropfen, den ich mit meiner
Koalitionskollegin teile, ist, dass es uns nicht gelungen
ist, für dieses Jahressteuergesetz eine sinnvolle Gesamtlösung bei der Pauschalbesteuerung in § 37 b Einkommensteuergesetz zu finden. Es ist wirklich kaum verständlich, dass beispielsweise bei einer Einladung von
Mitarbeitern ins Stadion zu einem Fußballspiel zwar die
darauf zu entrichtende Steuer vom Arbeitgeber pauschaliert abgeführt werden kann, dieser dann aber die Sozialversicherungsbeiträge, die in diesem Zusammenhang
fällig werden, individuell berechnen muss. Eine Pauschalierung ist hier, so meine ich, dringend angezeigt.
({6})
Die Befürchtungen, es könne in diesem Bereich zu Missbrauch kommen, können wir ganz einfach beseitigen, indem wir eine entsprechende Höhe der Pauschalierung
festlegen. Ziel dieser Pauschalierung ist es ja nicht, keine
oder nur geringe Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Durch diese Pauschalierung soll vielmehr eine Vereinfachung bei der Berechnung herbeigeführt werden.
({7})
Wir werden deshalb in den nächsten Monaten gemeinsam noch einmal versuchen, für diese Fälle eine Pauschalierung auch im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge hinzubekommen.
Ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht,
dass das Jahressteuergesetz 2009 ein Gesetz der verpassten Chancen wäre. Das ist es definitiv nicht.
({8})
Nein, es ist ein Instrument, mit dem wir, wie eingangs
für einige Bereiche beschrieben, viele wichtige Verbesserungen und Modernisierungen im Steuerrecht umsetzen.
Bei unserem Jahressteuergesetz handelt es sich wie
jedes Jahr um ein sogenanntes Omnibusgesetz. Dieser
Omnibus verkehrt zwischenzeitlich, so kann man sagen,
im Linienverkehr,
({9})
sodass alle, die dieses Jahr nicht mitgekommen sind und
stehen blieben, spätestens beim nächsten Jahressteuergesetz die Chance haben, mitzukommen.
Ich darf mich abschließend bei den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern in meiner eigenen
Fraktion und der Koalition sowie beim BMF für die umfangreichen, aber letztendlich immer guten und vor allem zielorientierten Gespräche und die gute und zielorientierte Zusammenarbeit bedanken. Ich wünsche dem
Gesetz, in diesem Fall dem Omnibus, eine gute Fahrt.
({10})
Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegen
Dr. Barbara Höll.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Gutting, den Omnibus basteln wir jedes Jahr. Ich finde,
wenn man das jährlich macht, sollte man in der Lage
sein, die erste Vorlage des Omnibusses so zu gestalten,
dass er fahrfähig ist. Da nach der ersten Vorlage aber
noch mehr als 70 Änderungsanträge kamen, kann ich nur
sagen: Das ist gepfuscht, das ist Murks. So sollten wir
den Omnibus nicht konstruieren.
({0})
Nebenbei gesagt: Es ist ein Unding, dass Sie nicht in
der Lage sind, ein solches Gesetz, bei dem klar ist, dass
wir es jedes Jahr wieder debattieren werden, zu angemessener Zeit zu behandeln und es deshalb in die Haushaltswoche hineingedrückt wird. Das ist einfach unmöglich und beschneidet wieder einmal das Mitspracherecht
der Opposition.
({1})
Ich arbeite konstruktiv - wir Linke sind dafür bekannt -, und deshalb möchte ich als Erstes klipp und klar
das Positive hervorheben: Gut ist, dass Sie den kommunalen Querverbund auf eine breitere gesetzliche
Grundlage gestellt haben. Das findet unsere absolute
Unterstützung.
({2})
Nicht so gut finde ich das Chaos, das bei der Abgeltungsteuer herrscht. Diese Steuer wirkt erst ab dem
1. Januar. Mit diesem Jahressteuergesetz müssen wir
aber schon eine Reihe von Änderungen vornehmen, damit die Steuer eventuell richtig greifen wird. Auch das
sagt viel über Ihre Arbeitsweise.
Auch wenn es Sie nervt, möchte ich Sie daran erinnern, dass es viele weitere Schlupflöcher im Steuerrecht gibt - ich nenne nur einige Stichwörter -: Es gibt
Anleihen mit einer fiktiven Quellensteuer im Ausland,
die privaten Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von
Gold werden nicht erfasst,
({3})
es gibt immer noch Schifffonds, die Möglichkeit der
Verschiebung von Aktien ins Betriebsvermögen und die
geschlossenen Auslandsfonds, also viele andere Dinge,
die man, wenn man es ernst meint, in den Omnibus einbauen sollte. Die Verlängerung der Verjährungspflicht
bei Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre wurde
bereits erwähnt. Das klingt zwar gut, die laxe Formulierung des Gesetzes bietet aber überhaupt keine Sicherheit
dafür, dass die Praxis der laxen Bestrafung von Steuerhinterziehern tatsächlich geändert wird. Dazu muss ich
sagen: Machen Sie sich doch bitte intensiv an die Arbeit.
Das, was Sie zum Ehegattensplitting vorschlagen,
ist zaghaft und mutlos. SPD-Frauen haben sehr dafür gekämpft; denn die Beseitigung des Ehegattensplittings ist
ein wichtiger Schritt, insbesondere, um Frauenarmut zu
beseitigen. Frau Frechen sprach von „ein bisschen mehr
gefühlter Gerechtigkeit“. Mehr als ein Gefühl ist das
auch nicht. Die Regierung selbst sagt, dass wahrscheinlich maximal 5 Prozent der Berechtigten das Verfahren
nutzen werden. Wenn das ein großartiger Einstieg in die
Individualbesteuerung sein soll, dann frage ich mich,
was Sie für Raumvorstellungen haben.
Eine grundlegende Reform des Ehegattensplittings
heißt für uns, positive Anreize für Frauen zu schaffen,
damit sie sich eine Beschäftigung suchen und ihr nachkommen, und die Bevorzugung von Ehepartnern gegenüber alleinerziehenden oder nichtverheirateten Erziehenden endlich abzuschaffen.
({4})
Deshalb schlagen wir Ihnen in unserem Entschließungsantrag die Umwandlung des Ehegattensplittings vor. Der
nicht ausgeschöpfte steuerliche Grundfreibetrag sollte
auf den Partner oder die Partnerin übertragbar sein, und
zwar unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder
nicht. Das würde gleichzeitig die „Verpartnerten“ einbeziehen, die Sie ebenfalls außen vor lassen. Wir sagen:
Das Zusammenleben mit Kindern muss zielgerichtet
gefördert werden. Etwas anderes geht nicht. Dazu brauchen wir eine sofortige Anhebung des Kindergeldes auf
mindestens 200 Euro und mittelfristig auf 250 Euro.
({5})
Das ist durch die Umwandlung des Ehegattensplittings
zu finanzieren; denn das würde 9 Milliarden Euro einbringen.
Zum Schulgeld muss ich sagen, dass die Diskussion
über die Erhöhung der Abzugsfähigkeit des Schulgeldes
absurd ist. In 90 Prozent aller Fälle ziehen Eltern, die
ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weniger als jährlich 1 000 Euro ab. Die Erhöhung des steuerlichen
Höchstbetrages von 3 000 auf 5 000 Euro, die Sie vonseiten der Koalition in der Beratung vorgenommen haben, halten wir für absolut unnötig. Dies ist weiterhin
eine Bevorzugung der Menschen, die viel Geld haben
und viel Geld in ihre Kinder stecken.
Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Dafür ist er einfach viel zu sehr gemurkst.
Ich danke Ihnen.
({6})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
die Kollegin Christine Scheel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vorab eine grundsätzliche Anmerkung von meiner Seite:
Wir haben es hier mit einem Gesetzentwurf von knapp
150 Seiten zu tun. Die Kollegin Höll hat gerade darauf
hingewiesen, dass auf den letzten Metern noch 76 Änderungsanträge hinzukamen. Auch die Bundesländer haben
viel beigesteuert: über 100 Seiten mit Änderungsvorschlägen, Prüfbitten und Forderungen des Bundesrates.
({0})
Das alles dient nicht dem, was die Bevölkerung von der
Politik erwartet, nämlich eine einfache Steuergesetzgebung.
({1})
Vielmehr müssen sich aufgrund des kleinteiligen
Sammelsuriums viele Gruppen in der Bevölkerung und
die gesamte Finanzverwaltung wieder auf zig neue Änderungen einstellen. Jedes Mal, wenn ein Omnibusgesetz kommt, wird das Erzittern schon spürbar. Überall in
den beratenden Berufen und auch bei den Lohnsteuerhilfevereinen bricht dann Hektik aus, weil kurz vor Jahresende immer noch so viele neue Änderungen kommen,
auf die man sich einstellen muss. Viele empfinden das zu
Recht als eine Zumutung.
({2})
Ich möchte kurz fünf Beispiele nennen.
Erster Punkt. Wir als Grüne haben es begrüßt, dass
Sie davon abgesehen haben, den Abzug von Schulgeld
abzuschaffen. Ursprünglich wollten Sie das überhaupt
nicht mehr zum Abzug bringen. Wir begrüßen auch, dass
der Beitrag erhöht worden ist und die berufsbildenden
Privatschulen aufgenommen sind. Das ist positiv. Deswegen glaube ich, dass die FDP an diesem Punkt ziemlich übertreibt. Man weiß schließlich, dass die Arbeitgeber der Leute, von denen Sie sprechen, teilweise die
Kosten übernehmen.
({3})
Zweiter Punkt. Wir haben auch erreicht - das war für
die Grünen enorm wichtig -, dass sich die Große Koalition bei der Gewerbesteuerzerlegung für Windkraftanlagen überhaupt bewegt hat. Ich danke Ihnen dafür auch
für die Branche.
({4})
- Für die Branche der regenerativen Energien danke ich.
Es ist eine gute Sache, weil es auch für die Kommunen einen Anreiz geben wird, Standorte auszuweisen,
um mehr regenerative Energien anzusiedeln. Denn jetzt
haben auch die Standortgemeinden mehr davon, wenn
diese Anlagen dort installiert werden. Damit wurde ein
richtiger Impuls gesetzt.
({5})
Ich sage noch einmal deutlich an dieser Stelle - das ist
leider im Finanzausschuss im Bericht verloren gegangen -: Es wird weiter möglich sein - die Kollegin
Frechen von der SPD hat darauf hingewiesen; Herr
Gutting hat es, glaube ich, auch angesprochen; wir waren uns da einig - individuelle Lösungen zu finden, um
zu einem anderen Aufteilungsverhältnis zu kommen.
({6})
Das ist richtig, wichtig und sehr gut.
({7})
Dritter Punkt. Bei der neu geregelten Besteuerung
ausländischer Künstlerinnen und Künstler ist die bisher ermäßigte Besteuerung von kleinen Gagen unter die
Räder gekommen. Das bedauern wir sehr. Wir hatten
dazu Änderungsanträge eingereicht, die Sie leider abgelehnt haben.
Vierter Punkt. Es geht um die zukünftige Besteuerung
von Ehepaaren. Dieses sogenannte optionale Faktorverfahren ist nicht das, was erwartet wird. Wir wünschen uns, dass Sie eine moderne Familienbesteuerung
vornehmen. Unter moderner Familienbesteuerung verstehen wir keine Flickschusterei, sondern eine Veränderung des antiquierten Ehegattensplittings hin zu einer Individualbesteuerung.
({8})
Fünfter Punkt. Für uns sind ethische Geldanlagen
ein sehr wichtiges Thema. Deswegen wollen wir, auch
und gerade in Zeiten der Finanzkrise, dass ethische
Geldanlagen bei den Finanzprodukten zur Altersvorsorge ausgewiesen werden. Denn die Leute wollen wissen, ob sie mit ihren Ersparnissen Kinderarbeit, Rüstungsindustrie und Atomkraft unterstützen. Wenn hierzu
genauere Informationen vorliegen, ist dies auch im Interesse der Bevölkerung.
Danke schön.
({9})
Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Brauchen wir ein Jahressteuergesetz?
({0})
- Ja, das ist die Frage. - Natürlich brauchen wir ein Jahressteuergesetz, weil sich die Gesellschaft verändert,
weil sich auch die Rechtsprechung verändert, weil die
Politik die Aufgabe hat, diese Veränderungen zumindest
zum Teil nachzuvollziehen,
({1})
und weil die Aussage, dass ein Steuerrecht einfach und
gerecht sein kann, ein Märchen ist.
({2})
Nach dem biblischen Steuersystem war von allem
der Zehnte zu entrichten. Dieses Steuerrecht war also
sehr einfach. War es aber auch gerecht? Ist es gerecht,
dass die Sekretärin eines Chefarztes 10 Prozent Steuern
zahlt und dass der Chefarzt selbst auch nur 10 Prozent
Steuern zahlt? Das ist doch völlig ungerecht.
({3})
Wenn Sie sagen: „Wir wollen, dass diejenigen, die
leistungsfähiger sind und höhere Einkommen haben,
auch eine höhere Steuerlast zu tragen haben als diejenigen, die niedrigere Einkommen haben“, dann stimmen
Ihnen 99 Prozent der Menschen zu. Das allerdings bedeutet: Man darf ein Steuersystem nicht nur einfach gestalten, sondern man muss Regelungen finden, die nicht
ganz so einfach sind, wie Sie es sich vorstellen.
Ich will auf das Beispiel zum Thema Windkraft, das
Frau Frechen erwähnt hat, kurz eingehen. In den mir verbleibenden zweieinhalb Minuten möchte ich die für die
Kommunen positiven Aspekte betonen.
({4})
Ich glaube, an diesem Beispiel wird deutlich, welchen
Beitrag das Steuerrecht zum Klimaschutz leisten kann.
({5})
Das ist zwar nur ein kleiner, aber ein wichtiger Beitrag.
Es macht durchaus Sinn, dass Standortkommunen etwas
davon haben, wenn sie über Windräder verfügen. Sie fallen den Menschen aufgrund ihrer Wirkung auf die Landschaft nicht immer nur positiv auf. Dennoch muss es im
Interesse der jeweiligen Gemeinde sein, eine solche Anlage bei sich anzusiedeln. Ich glaube, hier haben wir eine
gute Lösung gefunden.
({6})
Ich will noch kurz auf zwei Entwicklungen eingehen,
die aus Sicht der Kommunen sehr positiv zu beurteilen
sind:
Zunächst zum steuerlichen Querverbund. Wie Sie
wissen, wurden wir von der Rechtsprechung der letzten
Jahre aufgefordert, den steuerlichen Querverbund gesetzlich zu sichern. Es geht darum, dass die Gewinne,
die kommunale Unternehmen zum Beispiel aus der
Energieversorgung, aber auch aus anderen Versorgungsarten, erzielen, mit den Verlusten der Verkehrsbetriebe
verrechnet werden. Das ist seit mehreren Jahrzehnten in
dieser Republik eine Tradition, die nun gesetzlich gesichert wird. Dadurch schaffen wir Klarheit, dass diese
Verrechnung rechtens ist.
({7})
Hierbei geht es um immerhin 2,5 Milliarden Euro, auf
die Bund und Länder zugunsten der Kommunen verzichten. Ich möchte an dieser Stelle positiv hervorheben,
dass Bund und Länder ihrer Verantwortung gerecht werden
({8})
und dieses Geld den Kommunen zur Verfügung stellen.
Die Kommunen können diese Mittel verwenden, indem
sie beispielsweise in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, in die Anschaffung neuer Busse und Bahnen, investieren.
({9})
Der zweite Punkt, auf den ich abschließend zu sprechen kommen will, betrifft § 33 des Grundsteuergesetzes. Auch hier wurden wir von der Rechtsprechung aufgefordert, für Klarheit zu sorgen. Dabei geht es um die
Frage, ob aus dem Leerstand von Immobilien ein Erlass
der Grundsteuer hergeleitet werden kann. Hierzu gab es
bisher eine gesetzliche Regelung, die jetzt durch die
Rechtsprechung in ihr Gegenteil verkehrt werden
könnte. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass hier
eine Klarstellung erfolgt.
Auch bei diesem Thema geht es um Gerechtigkeit.
Wenn wir nämlich nichts unternommen hätten, hätten
wir in Kauf nehmen müssen, dass insbesondere im Osten
der Republik befindliche Immobilien, die im Zuge des
Vereinigungsbooms zum Teil auch mit steuerlicher Förderung gebaut wurden, nun aber leer stehen, auch noch
steuerlich subventioniert werden, und zwar in Form einer Ermäßigung oder eines Erlasses der Grundsteuer.
Das konnten und wollten wir nicht hinnehmen.
({10})
Ich glaube, wir haben jetzt eine sinnvolle Regelung
gefunden, durch die es den Kommunen erspart wird, sich
die Ausfälle, die entstanden wären - dies wäre in vielen
Bereichen ein zweistelliger Millionenbetrag gewesen;
Berlin hat uns vorgerechnet, dass der Verlust etwa
20 Millionen Euro betragen hätte, wenn wir das nicht gemacht hätten -, bei anderen Grundstückseigentümern
wiederzuholen, die das dann wieder auf ihre Mieter abgewälzt hätten. Das wollten wir nicht.
Ich finde, das ist eine gute Lösung. Ich bedanke mich
bei allen, die daran mitgewirkt haben. Heute ist ein guter
Tag für die Kommunen in Deutschland.
Herzlichen Dank.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei
Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge:
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11073? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11111? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart, dass am kommenden Mittwoch keine Befragung
der Bundesregierung und keine Aktuelle Stunde stattfinden soll. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. Dezember 2008, 19 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.