Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/28/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen liebe Kolle- ginnen und Kollegen! Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt II - fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009 ({0}) - Drucksachen 16/9900, 16/9902 - b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012 - Drucksachen 16/9901, 16/9902, 16/10426 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({2}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt II.18 auf: Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie - Drucksachen 16/10409, 16/10423 Berichterstattung: Abgeordnete Kurt J. Rossmanith Klaus-Peter Willsch Ulrike Flach Anna Lührmann Zum Einzelplan 09 liegt jeweils ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Beratungen dieses Einzelplans 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion. ({3})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in Deutschland in einer handfesten Rezession; daran bestehen keine Zweifel mehr. Die Unternehmen beurteilen die Zukunftsaussichten so pessimistisch wie seit 35 Jahren nicht mehr. Außer der Bundesregierung erwartet niemand mehr ein Wirtschaftswachstum für das kommende Jahr. Es gibt sogar einige Experten, die eine Schrumpfung um 2 Prozent für keineswegs zu pessimistisch halten. Auch die Bundesregierung rechnet intern sicherlich mit minus einem Prozent. Professor Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrats, erklärt ja auch, dass er seine ursprüngliche Prognose heute nicht mehr abgeben, sondern nach unten revidieren würde. Nur, die Bundesregierung hält unverdrossen an ihrer Wachstumsprognose von plus 0,2 Prozent als Basis für den Bundeshaushalt fest. Das ist nicht mutig, sondern unseriös. ({0}) Wir haben gestern beim Eiertanz von Herrn Ramsauer zur Erbschaftsteuer erfahren, ({1}) dass die CDU für den Leitantrag auf ihrem Parteitag den ehrbaren Kaufmann entdeckt hat. Für den Bundeshaushalt gelten die Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns nicht; sonst würde man anders ansetzen. ({2}) Redetext Es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis wir die Auswirkungen am Arbeitsmarkt feststellen müssen. Die OECD rechnet für Deutschland bis 2010 mit 700 000 Arbeitslosen mehr. Wer jetzt nicht entschieden handelt, versündigt sich an der Entwicklung. ({3}) Wir können nicht länger auf Impulse der Weltwirtschaft warten. Wir können uns nicht länger auf den Export verlassen. Der Welthandel wird sich 2009 längst nicht mehr in dem Maße entwickeln wie bisher. Es wird eine Art Globalisierungspause geben. In dieser Situation muss sich auch der Exportweltmeister auf seine eigene Nachfrage besinnen. Jetzt gilt es, die Binnenkonjunktur zu stärken. Das Konjunkturpaket, mit dem die Bundesregierung gegensteuern will, wird dem Problem weder von der Struktur noch von der Wirkung her - es wirkt viel zu langsam - gerecht. Damit wird man den Absturz 2009 nicht verringern. Herr Minister Glos, in Ihrem Ministerium herrscht bereits Weihnachtszeit. Endlich klingeln bei Ihnen die Glocken. Sie erstellen fleißig Steuerwunschzettel; aber am Ende wird es wohl doch nur eine stille Nacht und keine heilige Nacht werden. ({4}) Sie haben den richtigen Vorschlag gemacht, zur Stärkung der Wachstumskräfte Steuern zu senken. Aber in der Regierung können Sie das nicht durchsetzen. Dass die Regierung Steuersenkungen eine Absage erteilt, ist eine Bevormundung. Offenbar hält Schwarz-Rot die Steuerzahler für dumm und den Staat für allwissend; sonst würde die Regierung den Menschen nicht vorschreiben, in welchen Bereichen sie mehr konsumieren sollen. Herr Glos, Sie haben sich in der vergangenen Woche dazu erfreulich deutlich geäußert. Auch Sie - ich zitiere können „dieses Misstrauen gegen den mündigen Bürger“ nicht verstehen. Ihre Einlassungen, die richtig sind, kann man nicht anders verstehen als ein Misstrauensvotum gegen die Politik, die die Große Koalition macht. ({5}) Wenn das die Mehrheitsmeinung Ihrer Partei, der CSU, ist, hätte sie schon längst aus der Regierung herausgehen müssen; denn es wird das Gegenteil von dem gemacht, was Sie zu Recht reklamieren. Inzwischen hat auch die CDU das Thema Steuersenkungen entdeckt. Sie wacht langsam auf. Heute erklärt Herr Merz im Handelsblatt: Frau Merkel darf nicht „die Letzte auf der Welt“ sein, die merkt, dass man Steuern und Abgaben senken und Entlastungen durchführen muss. Herr Merz hat recht. Hoffentlich sind Sie nicht die Letzte, die das merkt. Der Einwand, die Menschen würden Steuer- und Abgabenentlastungen nicht zum Konsum nutzen, ist ökonomisch nicht haltbar. Ökonomische Studien belegen, dass etwa zwei Drittel des zusätzlichen Einkommens durch Steuerentlastungen in den Konsum fließen. Solange die Menschen das zusätzliche Nettoeinkommen in die Geschäfte oder auf die Bank tragen, ist das volkswirtschaftlich völlig in Ordnung. Das Sparen der einen ist die Voraussetzung für die Investitionen der anderen. Wenn mehr Einlagen bei den Banken sind, können sie günstige Mittelstandsdarlehen ausreichen. ({6}) Als Auszahlungsmodus sollten Steuerschecks eingesetzt werden. Dann würden die Menschen die Entlastung unmittelbar in ihrem Geldbeutel spüren und das Argument, solche Maßnahmen hätten keinen kurzfristigen Effekt, würde ins Leere laufen. Immer mehr Experten fordern genau dieses Vorgehen, um der Konjunktur einen Impuls zu geben. Fatal wäre es nur, wenn die meisten Menschen das zusätzliche Nettoeinkommen unter das Kopfkissen legen würden. Dann ginge es nicht mehr um die Bekämpfung einer Rezession, dann würden wir in eine Depression hineinschlittern. Dazu darf es nicht kommen. Das müssen wir verhindern. Deshalb ist die Strategie der Bundeskanzlerin und der SPD, erst einmal abzuwarten, was passiert, fahrlässig. ({7}) Wir haben das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz beschlossen, um das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen. Das war richtig. Aber das allein reicht bei der derzeitigen Wirtschaftskrise nicht aus. Wir brauchen einen kräftigen zusätzlichen Impuls. Deshalb gilt: Steuersenkungen jetzt, damit wir die Entwicklung abfedern können. ({8}) Je früher man die Rezession bekämpft, desto weniger heftig werden die Ausschläge. Man weiß, dass es bei einer Infektion besser ist, schnell Medikamente einzusetzen, weil sonst aus einem Schnupfen schnell eine schwere Grippe wird. Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte über die Systemfrage. Ohne Frage ist die soziale Marktwirtschaft die überlegene Wirtschaftordnung. Leider ist es aber so: Selbst wenn Sie ein Auto mit tollen Airbags und Radarsteuerung bauen, wenn der Falsche am Steuer sitzt, fährt er trotzdem gegen die Wand. Das liegt aber nicht am Auto, das liegt nicht an der sozialen Marktwirtschaft, sondern an der falschen Handhabung. Seit Jahren wird gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft verstoßen, indem man in die Märkte hinein interveniert: Holzmann, demnächst Opel oder was auch immer an falschen ordnungspolitischen Entscheidungen noch folgen mag. Dadurch, dass man Marktkonzentrationen zulässt, die ungesund sind, zum Beispiel in den Bereichen Energiewirtschaft und Post, verhindert man, dass in diesen Bereichen Konkurrenz entsteht. Weil man das Postmonopol fortsetzt - man hält an der Mehrwertsteuerbefreiung für die Post fest und hat 9,80 Euro als Mindestlohn festgelegt -, kann kein Wettbewerb entstehen. Hier sind Schwächen. Die müssen beseitigt werden. Das System aber ist das richtige. Deshalb gilt: Finger weg vom Wirtschaftssystem - das ist das für Deutschland erfolgversprechende -, lieber eine bessere Politik im System betreiben. ({9}) Die Regierung muss endlich eine nachhaltige Lösung finden, damit sie das in der Substanz bedrohte ERPSondervermögen als Hilfsinstrument für unseren Mittelstand aufrechterhält. Die eitlen Streitereien zwischen den Ministerien helfen nicht weiter. Es geht nicht an, dass der Mittelstand die Zeche für die abenteuerlichen Aktivitäten der KfW bei der IKB und anderen zahlt. Die KfW hat das Geld verbraten, verzockt und verbrannt. Es geht nicht an, dass Folge davon ist, dass der Mittelstand keine Kredite bekommt oder nur zu schlechten Konditionen. Deshalb gilt: Schaffen Sie Klarheit beim ERP-Sondervermögen. ({10}) Wir brauchen beim Bürokratieabbau eine substanzielle Lösung. Die Druckkosten des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes sind fast höher als dessen Entlastungswirkungen. Wenn die Situation nicht so ernst wäre, könnte man das alles als eine Lachnummer bezeichnen. Hier muss man die Blockaden lösen. Sie schaffen durch die Reform der Erbschaftsteuer eine Riesenbürokratie zusätzlich. Es hat keinen Sinn, wenn Sie um ein Stückchen reduzieren und das Dreifache wieder draufknallen. Die Fesseln für das Wachstum müssen abgelegt werden. ({11}) Die tausend Handschellen, die man den Bürgern angelegt hat, müssen weg. Ich darf noch ein Wort zum Außenwirtschaftsgesetz sagen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Finger davon zu lassen. Wir brauchen ausländische Investitionen. Hier ist eine Spielwiese für künftige Industriepolitiker der falsche Ansatz. Wir haben in Deutschland andere Sorgen. Wir brauchen jetzt Nachfrage und ein Ankurbeln der Binnenkonjunktur, um Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Dazu brauchen die Menschen Geld. Geben Sie ihnen das Geld zurück, und verplempern Sie es nicht für falsche Verwendungen. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos. ({0})

Michael Glos (Minister:in)

Politiker ID: 11000691

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Brüderle, Sie haben am Beginn Ihrer Rede die Weihnachtszeit bemüht und ein Weihnachtslied zitiert. Ich freue mich, dass Sie mit der Melodie von „O du fröhliche“ begonnen haben, obwohl wir ernste Zeiten haben. Sie haben ein paar Probleme angesprochen. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik steht vor gewaltigen Herausforderungen. Ich meine, das sind die größten Herausforderungen, die wir in der Nachkriegsgeschichte zu bewältigen haben. Wir werden uns diesen Herausforderungen stellen; denn wir wollen, dass der freie Welthandel weiter funktioniert. Dazu gehören gegenseitige Investitionen, und man muss sich um weitere Investitionen von außen bemühen. Wir erleben aber derzeit, dass sogar Staaten, von denen wir geglaubt haben, sie würden im Geld schwimmen, ihre Anlagen zurückholen, weil sie gezwungen sind, Liquidität zu schaffen. Ich könnte Ihnen konkret Länder nennen. Ich nenne nur als Beispiel die Kuwaiter, die unlängst bei mir gewesen sind. Als Exportweltmeister waren wir Gewinner des weltweiten Aufschwungs. Jetzt geht es zum ersten Mal seit Jahrzehnten in fast allen Weltregionen gleichzeitig abwärts. Ich meine, das ist das eigentlich Bedrohliche an dieser Krise. Manche Branchen befinden sich fast im freien Fall. Ich hoffe, dass dieser Fall gestoppt wird. Am Beginn von Rezessionen werden natürlich immer Lagerbestände abgebaut; das verstärkt die Schwierigkeiten. Ich glaube, dass diese Situation bald überwunden ist. Ich führe ständig Krisengespräche mit Vertretern der verschiedenen Branchen. Ich habe zum Beispiel am Montag wieder die Automobilzulieferindustrie und anschließend die Schiffbauindustrie bei mir. Das zeigt, wo wir uns überall bemühen. Deswegen war es wichtig, dass der Rettungsschirm für die Banken aufgespannt worden ist. Denn es geht um das Funktionieren der Realwirtschaft. Wir haben inzwischen Weiteres dazu getan. Ich will jetzt nicht die Details des 15-Punkte-Maßnahmenpakets aufzählen; das würde meine Redezeit sprengen. Ich nenne nur als Beispiel das KfW-Stützungsprogramm. Bei Krediten für kleine und mittlere Unternehmen werden 90 Prozent des Kreditvolumens abgesichert, indem die KfW und eine Bundesgarantie mit im Spiel sind. Nur 10 Prozent der Risiken bleiben bei den ausreichenden Banken. Wir wollen, dass Kredite ausgereicht werden. ({0}) Ich höre die Klage überall. Ich bin froh, dass wir zumindest gut gerüstet in diese Rezession hineingegangen sind. Deutschland steht besser da als vergleichbare Industrieländer. ({1}) Wir haben Gott sei Dank in der Vergangenheit unsere Hausaufgaben gemacht. Die Beschäftigungsschwelle ist gesunken. Die Zahl der Arbeitslosen liegt gegenwärtig bei unter 3 Millionen. Die öffentlichen Haushalte sind saniert. Wenn ich den Gesamthaushalt insgesamt betrachte, erkenne ich, dass wir in einer besseren Situation sind als beim Bundeshaushalt. Die Bilanzstrukturen der Unternehmungen sind in Ordnung gebracht worden. Die Haushaltssanierung, die natürlich immer stattfinden muss, muss im Moment eine Pause machen, damit wir am Schluss nicht in einer Situation sind, deren Sanierung sehr viel teurer wird, weil wir jetzt nicht genug Gas gegeben haben. Ich meine, so wie wir gerüstet sind, kann unser Land dem Sturm trotzen. Aber wir müssen uns gemeinsam anstrengen. Wir dürfen die Lage nicht schlechterreden, als sie ist. Deswegen gibt es zum Optimismus keine Alter20602 native. Das kann nicht heißen, dass wir die Augen vor Tatsachen verschließen. ({2}) - Der Realismus ist bei uns immer noch ein Stück weit stärker ausgeprägt als bei Ihrer Fraktion. ({3}) Wenn ich mir vor Augen halte, welch rigide Forderungen im Hinblick auf die Umweltpolitik von den Grünen trotz der schwierigen Situation der deutschen Wirtschaft nach wie vor erhoben werden, ({4}) muss ich feststellen: Der Realismus ist bei uns und nicht bei Ihnen. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der einen Seite ist die Lage übersichtlich, auf der anderen Seite dramatisch. Ich gebe dem Kollegen Brüderle in vielen Punkten, die er angesprochen hat, recht. Anders als in früheren Konjunkturzyklen ist der private Verbrauch während des letzten Aufschwungs nicht aus den Startlöchern gekommen. ({6}) - Wenn Sie zuhören würden, würden Sie es vielleicht verstehen. ({7}) Der reale Zuwachs betrug seit dem Jahr 2000 nur 2 Prozent. Jetzt wird der Exportmotor aufgrund der internationalen Finanzmarktkrise leider in den Rückwärtsgang geschaltet. Wir haben keinen Einfluss auf die Exportnachfrage. Wir können nur hoffen, dass die Maßnahmen, die andere Länder ergreifen, unserer Exportwirtschaft helfen. In diesem Zusammenhang denke ich zum Beispiel an das große Investitionspaket Chinas, von dem wir uns Aufträge erhoffen, und an die Maßnahmen, die die USA eingeleitet haben. Eines können wir allerdings tun - an dieser Stelle bin ich mir mit vielen einig -: Wir können die Binnennachfrage durch zusätzliche Impulse stärken. Genau diesem Ziel dient unser Maßnahmenpaket. ({8}) Wir erhoffen uns davon eine möglichst große Wirkung auf Investitionen und Konsum. Wir stärken also Angebot und Nachfrage gleichzeitig. Ich glaube, das ist die richtige Antwort auf diese schwierige Situation. Viele fordern sehr kurzfristig wirkende Maßnahmen, zum Beispiel Steuerschecks - dieses Wort haben auch Sie, Herr Brüderle, gerade erwähnt -, ({9}) Gutscheine mit Konsumpflicht oder eine vorübergehende Mehrwertsteuersatzsenkung. Berlusconi lässt sogar Kreditkarten ausgeben, mit denen die Bürger Güter des täglichen Bedarfs kaufen können. Ich weiß nicht, ob das auf Dauer der richtige Weg ist. ({10}) Ich bin der Meinung, dass wir einen engen Schulterschluss mit der Wirtschaft, selbstverständlich aber auch mit dem Finanzminister brauchen. Ohne Zustimmung des Finanzministers ist, was die Steuern betrifft, natürlich keine Veränderung möglich. Wir haben allerdings auch gelernt - das ist zumindest meine Lebenserfahrung -: Steter Tropfen höhlt den Stein. ({11}) - Ja, notfalls auch den Steinbrück, mein lieber Freund Peer. Angesichts dieser Krise müssen wir Maßnahmen ergreifen, die wir auch dann guten Gewissens vertreten könnten, wenn es keine Krise gäbe. Dazu gehört zum Beispiel, Investitionen, die ohnehin geplant und notwendig sind, vorzuziehen; dazu sage ich Ja. Wir müssen für die Verbraucher durch Steuer- und Abgabensenkungen strukturelle Verbesserungen herbeiführen; auch dazu sage ich Ja. Zu kurzfristigen Steuergeschenken oder Geschenken anderer Art sage ich allerdings Nein, und das, obwohl bald Weihnachten ist. ({12}) Frau Bundeskanzlerin, Sie sind vor kurzem als „Madame Non“ bezeichnet worden. In diesem Zusammenhang würde ich mich Ihnen als „Mister No“ zur Seite stellen. ({13}) - Auf diesem Gebiet möchte ich keinen Ehrendoktor. Jetzt will ich zum Ernst der Situation zurückkommen. Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, welch große Verantwortung wir für die Weltwirtschaft haben. Wir wissen nicht, wie lange der Abwärtstrend andauern wird. Wollen wir wirklich alle sechs Monate Geld im Land verteilen und versuchen, dadurch die Krise zu bewältigen? Deutschland leidet nicht nur aktuell, sondern auch strukturell an einem Nachfrageproblem. Der Zugriff der Steuerprogression wirkt schon im unteren Einkommensbereich als Bremse, sowohl im Hinblick auf die Leistung als auch im Hinblick auf den Konsum. Wir müssen uns bemühen, diese Bremse zu lockern. ({14}) So können wir einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Konjunktur und Wachstum zu stärken. ({15}) Eine Entlastung der Bürger ist aber nur dann möglich, wenn wir den mittelfristigen Konsolidierungspfad nicht verlassen. ({16}) Die Menschen müssen das Vertrauen haben, dass das, was wir tun, längerfristig wirkt. Kurzfristige Maßnahmen führen hinterher immer wieder zu Steuererhöhungen. Das kann es auch nicht sein. ({17}) Jetzt aber nichts zu tun, kann fiskalisch genauso teuer werden wie eine rasche und beherzte Investition in Wachstum und Beschäftigung. Das ist unser Weg. In der Vergangenheit wurde uns gezeigt, wie schnell durch eine Wirtschaftsflaute gewaltige Löcher in die öffentlichen Finanzen gerissen werden können. Ich könnte Ihnen jetzt das Funktionieren der automatischen Stabilisatoren, die ja in Kraft sind, erläutern. Dadurch würde ich allerdings den Rahmen meiner Redezeit sprengen. Außerdem habe ich es hier mit einem sehr kundigen Publikum zu tun. ({18}) Ich möchte noch ein Weiteres sagen: Wir haben uns bemüht - das macht natürlich in jeder Hinsicht sehr viel aus -, die Energiemärkte zu liberalisieren und Druck auf die Konzerne auszuüben. Ich weiß, dass es damals schwierig war, die Novelle des Kartellgesetzes zu verabschieden. Das wirkt aber schon jetzt. Aufgrund der Bocksprünge auf den internationalen Energiemärkten wird allerdings auch die Fantasie unserer Energiekonzerne gefordert, bei Preissenkungen genauso rasch zur Hand zu sein wie bei Preiserhöhungen. Ich bedanke mich beim Bundeskartellamt, dass es hart eingreift, wenn sich ein Anlass dazu bietet. Durch die gesunkenen Energiepreise ist die Inflationsrate, die Preissteigerungsrate, bis jetzt schon wieder auf 1,4 Prozent zurückgegangen. Dadurch wird natürlich auch ein ungeheures Potenzial freigesetzt. Je rascher das geht, desto mehr können sich die Bürger - damit komme ich wieder auf Weihnachten zurück - zu Weihnachten kaufen und leisten und auch weiterverschenken. Das ist ungeheuer wichtig für die Konjunktur. ({19}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ein Letztes sagen: Mit dem Haushalt - auch mit meinem - leisten wir einen großen Beitrag zur Stabilität. Wir sind ein Muster an Sparsamkeit. Ich bin überzeugt, dass Peer Steinbrück das loben wird, wenn er seine Abschlussrede hält, weil er mich vor einem viertel oder halben Jahr einmal gegenteilig hingestellt hat. ({20}) Der Haushalt des Wirtschaftsministers ist vorbildlich. Wir investieren in die Zukunft und halten nicht an Vergangenem fest. Damit schaffen wir die Voraussetzungen, dass es auch im Land gut weitergeht. Drei der Berichterstatter, die sich um den Haushalt bemüht haben, kandidieren aus freien Stücken nicht mehr für den Deutschen Bundestag. ({21}) Ich bedauere das, allerdings in unterschiedlicher Intensität; das steht mir zu. Herr Kröning, Ihr Ausscheiden bedauere ich selbstverständlich auch, aber ich möchte noch einmal einen Blick auf meinen Freund Kurt Rossmanith werfen, der seit 1980 im Bundestag ist. ({22}) Später ist er dann in den Haushaltsausschuss gekommen. Ich habe damals nie gedacht, dass ich einmal als Minister von ihm in Bezug auf den Haushalt kontrolliert werde. Er ist fast so streng, wie ich damals als Haushälter gewesen bin. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({23})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Frau Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei seinem ersten Besuch im Haushaltsausschuss sagte Minister Glos: Lieber ein Onkel, der etwas mitbringt, als eine Tante, die Klavier spielt. Herr Glos, leider haben Sie diesen flotten Spruch in Ihrem Haushalt nicht umgesetzt. Gerade von Ihnen hätten wir ein Konjunkturprogramm mit einem Umfang von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet, wie es die EU verlangt; denn Sie, Herr Glos, gehören doch zu den Regierungsmitgliedern, die wissen, dass ein solches Konjunkturprogramm auch richtig wäre. ({0}) Sie legen hier aber nur ein Progrämmchen mit einem Umfang von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor, mit dem keine guten Wirkungen erzielt werden. Darin sind sich alle Wirtschaftsexperten einig. Sie haben es ja schon angedeutet: Die Kanzlerin und der Finanzminister haben Sie, Herr Glos, am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Das ist für Sie persönlich bedauerlich, für Millionen Arbeitnehmer in unserem Land aber eine Katastrophe. ({1}) Da Sie kein Geld bekommen, versuchen Sie, mit anderen Themen ins Gespräch zu kommen. Sie wollen zum Beispiel, dass die deutsche Automobilindustrie nicht weiter durch angeblich überzogene europäische CO2Zielwerte belastet wird. Das ist reiner Populismus und hilft auch den Autobauern kein Stück weiter; denn die Zukunft liegt nicht in Spritschleudern, sondern in umweltfreundlichen Autos. ({2}) Als Wirtschaftsminister aus Bayern müssten Sie doch jetzt „Lederhosen und Elektroautos“ - das wäre ein passender neuer Slogan - fordern, statt mit Konzepten aus den 70er-Jahren aufzuwarten. ({3}) Herr Glos, Sie könnten sich als Minister um die deutsche Einheit verdient machen, wenn Sie eine Forderung der ostdeutschen Wirtschaft aufnehmen würden. Die ostdeutsche Wirtschaft fordert zu Recht, dass die Mittel aus dem Solidarpakt nicht so schnell absinken dürfen, wie es jetzt vorgesehen ist. Diese Forderung kann man auch ohne Schwierigkeiten zusammen mit den Ländern umsetzen, da die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, aber die Ausgaben für den Solidarpakt kontinuierlich gesunken sind. In Anbetracht der Wirtschaftskrise wäre es ein Zeichen der wirtschaftlichen Vernunft, die dramatische Degression aus dem Solidarpakt herauszunehmen, um die ökonomische Situation im Osten Deutschlands zu verbessern. Das müsste Ihnen doch eine Herzensangelegenheit sein. ({4}) Gleichzeitig - das ist meine sehr persönliche Meinung - halte ich es für vernünftig, wenn man diesen Vorschlag mit einer Absenkung des Solidaritätszuschlags verbindet. Von diesen beiden Vorschlägen hätten Ost und West etwas. Wir würden ein klares Signal an den Osten senden, dass wir auch in der Krise Ostdeutschland nicht im Stich lassen, und wir würden ein Signal an die alten Bundesländer senden, dass ihre Solidarität sehr hoch geschätzt wird, aber nicht überstrapaziert werden soll. Wir wollen ein Konjunkturprogramm, das die Menschen entlastet, die am wenigsten Schuld an der Krise tragen, und diejenigen zur Kasse bittet, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch die Wiedervereinigung, mithilfe der Rüstungsindustrie und an den Börsen ihre märchenhaften Gewinne eingestrichen haben. Herr Ramsauer von der CSU sagte in der Diskussion um die Erbschaftsteuer, dass nur diejenigen solidarisch sein können, die auch Eigentum haben. ({5}) Ja, Herr Ramsauer, sie können solidarisch sein; sie sind es aber nicht. Eigentum scheint diese Menschen nur dazu zu verpflichten, noch mehr Eigentum anzuhäufen. Es ist nicht die Zeit, auf noble Spenden zu warten. Die Politik hat vielmehr die Aufgabe, für soziale Gerechtigkeit - das heißt vor allem für Steuergerechtigkeit - zu sorgen. ({6}) Machen Sie also Schluss mit der staatlichen Reichtumspflege! Wenn Finanzminister Steinbrück darauf verweist, dass die Besserverdienenden den Großteil der Einkommensteuer bezahlen, vergisst er immer wieder darauf hinzuweisen, dass diejenigen, die keine Einkommensteuer zahlen, weil sie zu wenig verdienen, trotzdem Mehrwertsteuer, Versicherungssteuer und andere Steuern bezahlen müssen, die die Einkommensteuer im Gesamtaufkommen bei weitem übersteigen. Es wäre also das falsche Signal, jetzt wieder über die Senkung der Einkommensteuer zu sprechen, wie es die Herrschaften auf der rechten Seite des Hauses gerne tun. Wir müssen jetzt diejenigen steuerlich entlasten, die besonders hart von der Krise betroffen sind. Das sind nicht die Menschen, die hohe Einkommensteuern zahlen. ({7}) Herr Glos, es tut mir leid, aber Ihr Haushalt ist nicht der Rede wert. Das Lob, das Sie von Herrn Steinbrück eingefordert haben, hat meine Position bestätigt, dass Ihr Haushalt nicht der Rede wert ist. ({8}) Wenn Sie aber zu Ihrem eigentlichen Vorhaben zurückkehren, ein Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen, das diesen Namen auch verdient, dann haben Sie mich und die Fraktion Die Linke als zuverlässige Verbündete an Ihrer Seite. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kröning für die SPD-Fraktion.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haushaltsdebatten haben sich bei der ersten wie bei der zweiten und dritten Beratung zu allgemeinen Debatten über das jeweilige Politikfeld entwickelt. Wir haben das heute wieder beispielhaft bei Herrn Kollegen Brüderle erlebt. Umso mehr scheint es mir angebracht, einen Augenblick innezuhalten und zu fragen, was sich von den großen Debatten im Haushalt widerspiegelt und welche scheinbaren Details es verdienen, festgehalten zu werden. Es wird sich dabei zeigen, Frau Kollegin Lötzsch, dass Ihre Bewertung dieses Einzelplans absolut daneben ist. Der Regierungsentwurf zum Haushalt 2009 ist hinlänglich bekannt. Umso wichtiger ist, das festzuhalten, was sich an diesem Einzelplan, dem Haushalt für Wirtschaft und Technologie, wie das Ressort vor drei Jahren so schön programmatisch geschnitten und bezeichnet worden ist, geändert hat und was nicht. Ebenso wichtig ist es, die Auswirkungen auf die mittelfristige Finanzplanung im Auge zu behalten. Ich fand es bemerkenswert, dass Herr Minister Glos doch beides erwähnt hat, nämlich Wachstum und Konsolidierung des Staatshaushalts, auch wenn es etwas zickzackförmig geklungen hat. Die Veränderungen, die der Einzelplan 09 erfahren hat, sind markant. Die Minderausgaben bei der Kohle infolge der Entwicklung der Energiepreise betragen fast 400 Millionen Euro, eine erfreuliche Entwicklung. ({0}) Dem stehen im Vergleich zum Regierungsentwurf Mehrausgaben für Mittelstand und Innovation in Höhe von weiteren 20 Millionen Euro gegenüber, übrigens jeweils einträchtig von Union und SPD beantragt und beschlossen, knapp derselbe zusätzliche Betrag für das Zinsverbilligungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau und weitere 200 Millionen Euro für regionale Wirtschaftsförderung in den Jahren 2009 bis 2011. Der Haushalt des BMWi, wie es in traditioneller Gegenüberstellung zum BMF heißt, trägt damit auf beiden Seiten des Budgets auf einzigartige Weise zum Doppelprogramm der Koalition bei, nämlich zu „Sparen und Investieren“. Als einziger Einzelplan - das wurde schon angedeutet - wird er nachhaltig gekürzt, aber auch umstrukturiert. Ich hoffe, dieser Beitrag des Wirtschaftsressorts zur Begrenzung der Kreditaufnahme und zum Konjunkturpaket wird, Herr Minister Steinbrück, bei der Aufstellung des Regierungsentwurfs 2010 gedankt und honoriert werden. ({1}) Nicht nur die Quantität, sondern meines Erachtens vor allen Dingen die Qualität eines Haushalts zählt. Deshalb lassen Sie mich in wenigen Punkten die wichtigsten Innovationen zusammenfassen. Dabei komme ich zuerst auf einen Wermutstropfen zu sprechen, aber auch nur auf einen: Ein weiterer Schritt zur Exploration des Weltraums, die sogenannte Mondmission, ist nicht durchsetzbar gewesen, ({2}) übrigens schon im Regierungsentwurf nicht. ({3}) Es hieß damals in den Erläuterungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, dass die Mission mittelfristig weiterverfolgt werden solle. Neuerdings ist davon überhaupt nicht mehr die Rede, lieber Freund Kurt. Das wäre, wenn ich jetzt zukunftsgerichtet formulieren darf und nicht über die Vergangenheit maulen darf, ein schwerer Fehler. ({4}) Die Aufgabe und das Thema sollten besser als bisher begründet und kommuniziert werden. Zu viele sehen in dem Projekt noch eine Spielerei, die man im Übrigen auch schön karikieren kann, und sie verkennen die Verbindung von Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung, nämlich die Kette von Entwicklung bis Produktion, also die gesamte Wertschöpfung. ({5}) - Zwei einsame Beifallspender. Vor allen Dingen fehlt der Explorationsstrategie eine ressortübergreifende Schwerpunktbildung. Eine Richtlinie der Bundeskanzlerin wäre hierfür nach wie vor angebracht. In der Weltraumpolitik muss klar sein, dass es an der Schwelle von der ersten zur zweiten Dekade dieses Jahrhunderts darum geht, die dritte Dekade vorzubereiten. Ich hoffe sehr, dass dies mit den Ergebnissen der augenblicklich zu Ende gehenden ESA-Ministerratskonferenz gelingt. Der Haushalt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, das Nationale Weltraumprogramm und die Linie der ESA-Beiträge im Einzelplan 09 können sich jedenfalls sehen lassen. ({6}) Damit bin ich bei den Hauptinnovationen im Einzelplan 09. Schon im letzten Jahr habe ich auf die bedeutenden und interessanten Einrichtungen hingewiesen, die sich im Geschäftsbereich dieses ebenso klassischen wie modernen Ressorts befinden. In der Aussprache über den Einzelplan 30 - Bildung und Forschung - war schon von der Umsetzung der sogenannten Wissenschaftsfreiheitsinitiative die Rede, die Bundesministerin Schavan und Bundesminister Steinbrück im Sommer verabredet haben, aber leider erst nach der Aufstellung des Regierungsentwurfs. Deshalb war auch unser Spielraum bei den parlamentarischen Beratungen enger begrenzt, als es mir lieb gewesen wäre. Auch das die Verkehrsinvestitionen ergänzende Programm der Forschungsinvestitionen in Höhe von 200 Millionen Euro verdient im Zusammenhang mit dem Einzelplan 09 Erwähnung. Für dieses Ressort - ich bezeichne es gerne als unser Ressort - ist dreierlei hervorzuheben. Erstens. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt erfährt eine Heraufsetzung der sogenannten Selbstbewirtschaftungsmittel, also jener Mittel, über die es auch über das Kalenderjahr hinweg verfügen kann. Auch da wäre mir mehr lieber gewesen. Außerdem erhält das DLR die Chance, Investitionen in Baumaßnahmen und Geräte vorzuziehen. Die Helmholtz-Gemeinschaft, der das DLR nach wie vor angehört, sollte eine Verteilung vornehmen, die der Fairness ebenso genügt wie dem Ziel der Konjunkturstützung. Von den 65 Millionen Euro für die HGF halte ich ein Drittel für das DLR für angemessen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es dazu kommt. Zweitens. Drei Ressortforschungseinrichtungen, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, PTB, in Braunschweig, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, BAM, in Berlin und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover erhalten einen gleichberechtigten Zugang zum sogenannten ZIM, zu dem Zentralen Innovationsprogramm für den Mittelstand, das eine Schlüsselprogrammatik des Wirtschaftsressorts ist. Ich freue mich, dass eine Benachteiligung gegenüber anderen Forschungseinrichtungen abgewendet werden konnte. Drittens. Bei der PTB und der BAM habe ich eine Lockerung der rechtlichen Bedingungen für die Gewinnung von wissenschaftlichem Spitzenpersonal erreicht. Ich bedanke mich für die Unterstützung, die ich dafür allenthalben bekommen habe. Beide Einrichtungen haben - das will ich bekräftigen - hervorragend bei der Evaluation durch den Wissenschaftsrat abgeschnitten. Ich bin der Meinung, dass nicht nur Misserfolge Anlass zur Nachbesserung sein sollten, sondern dass auch Erfolge belohnt werden sollten. Das ist damit erreicht worden. Das für Innovationen im Wirtschaftressort unentbehrliche Finanzressort verdient für zwei weitere Verständigungen Lob und Anerkennung; denn von der Handlungsfähigkeit des Staates zu sprechen, ohne die Funktionsfähigkeit des Staatsdienstes zu sichern, wäre Selbsttäuschung. Da ist zuerst zu erwähnen, dass das beim Bundesumweltministerium nun dauerhaft veranschlagte Marktanreizprogramm enorm ausgeweitet wird. Davon war in den Beratungen über den Einzelplan 16 - Umwelt - die Rede. Darüber hinaus werden die Beschäftigungsverhältnisse der mit diesem Programm befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfristet. Sie gehören weiterhin zum Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn. Ich bin entschieden dafür, auch wenn ich hier mit dem Ressort querliege, dass dies so bleibt. Das Zeugnis, das dem BAFA über die bisherige Erfüllung dieser Aufgabe ausgestellt worden ist, rechtfertigt allemal, es bei dieser Zuordnung der Aufgabe zu belassen, von der Vermeidung von Umzugs- und Gemeinkosten ganz zu schweigen. Noch ein Wort zu einer wichtigen Stütze der Außenwirtschaftsförderung und des Standortmarketings für Deutschland. Die am weitesten reichende Änderung im nachgeordneten Bereich des Wirtschaftsministeriums, das auch und gerade Handelsministerium ist und damit eine ganz wichtige Rolle für die Exportnation Deutschland spielt, ist, dass wir die Gründung der einheitlichen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mit dem einprägsamen Kürzel GTaI, Germany Trade and Invest, abschließen. Ich freue mich, dass mit dem Haushaltsplan und dem Haushaltsgesetz sowie dem parallel verabschiedeten bfai-Personalgesetz alle Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, die Gesellschaft zum 1. Januar 2009 vom Stapel laufen zu lassen. Dazu war eine Fülle von Einzelentscheidungen zur Zusammenführung der Personalkörper der bisherigen Gesellschaft Invest in Germany, der bisherigen Behörde bfai und der ihr zugeordneten Gesellschaft für das Korrespondentennetz, gfai, nötig. Es ist beeindruckend, wie gut Wirtschaftsund Finanzressort dabei zusammengewirkt haben, und ich freue mich, wie gut dabei auch Bund und Länder zusammengewirkt haben. ({7}) - Es kommt nicht alle Tage vor, dass man so etwas ressortübergreifend und ebenenübergreifend schafft. - Das Ergebnis wird eine funktionstüchtige Gesellschaft sein, die alle Aufgaben der Vorgängereinrichtungen effizienter erfüllen wird als bisher. Sie stärkt die Investitionen Deutschlands im Ausland und des Auslands in Deutschland. Sie verbessert die Rahmenbedingungen für die Aktivitäten der weltweit verflochtenen deutschen Wirtschaft. „Wann, wenn nicht jetzt?“, konnte man zu diesem Projekt sagen. Ich bedanke mich, dass gerade der Wirtschaftsausschuss seine Bedenken überwunden und mitgespielt hat. Ich habe eingangs von der mittelfristigen Finanzplanung gesprochen. Die Schwerpunktbildung für ein Ministerium für Wirtschaft und Technologie, das seinen Namen verdient, sollte auch in der Zukunft weitergehen. Lassen Sie mich diesen Ausblick bitte noch geben. Ich denke zum Beispiel an den wichtigen Sektor „Schifffahrt und Meerestechnik“. Im Frühjahr 2009 findet in Rostock die nächste Maritime Konferenz in einem erfolgreichen Land unter einer guten Führung und nicht zufällig in der Nachbarschaft des Wahlkreises der Bundeskanzlerin statt. In diesem Zusammenhang eine aktuelle Bemerkung auch, aber nicht nur zur maritimen Wirtschaft. Ich erwarte, dass Ihr Haus, Herr Minister Glos, die Umsetzung des 20-Milliarden-Euro-Programms der KfW für Unternehmen, besonders für kleine und mittlere Unternehmen, die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in Not geraten sind, überwacht. Dies gilt nicht nur für die KfW, eine Staatsbank, sondern es gilt auch für die Geschäftsbanken, die wochenlang Stillstand geübt haben und die jetzt unter den sogenannten Bankenschirm kommen, also in den Finanzmarktstabilisierungsfonds aufgenommen werden. Ich könnte Ihnen Beispiele für noch immer anhaltendes Zuwarten nennen, und ich hoffe, dass man sich nicht nur generell um Unternehmen kümmert, sondern dass man auch Einzelfälle abarbeitet und an die Bilanzierung von Unternehmen denkt, und zwar nicht erst in der Zukunft, sondern auch in der Gegenwart. ({8}) Als Haushälter und Bundesstaatsreformer wende ich mich zum Schluss an meine beiden Ressorts - das ist bei jedem Haushälter so, dass er zwei Ressorts hat -, nämlich das Fachressort und das Finanzressort. In diesem Falle sind das die Zwillingsbrüder für Stabilität und Wachstum. Wir beobachten den edlen Wettstreit zwischen den Ministern, den Wettstreit von Stilen, den Wettstreit um Konzepte. Ich urteile darüber nicht voreilig, sondern ich setze auf Entscheidungen und Wirkungen. Umso dankbarer bin ich dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Struck, dem vom Bund gestellten Vorsitzenden der Kommission zur Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, dass und wie er in der sogenannten Elefantenrunde das Ziel einer neuen Schuldenregel und eines die Länder mitumfassenden Frühwarnsystems bekräftigt hat. Mir gefiel die Formulierung auch an dieser Stelle, dass aus der Krise eine Chance erwachsen muss. Der Vorschlag der Bundesregierung, auf den sich die Ministerien von Steinbrück und Glos verständigt haben, kann eine Richtschnur für die Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen sein, vielleicht auch darüber hinaus. Ich hoffe es unter den veränderten Verhältnissen und den neuen Einsichten, die daraus resultieren. Dies sage ich, versehen mit einem dicken Ausrufungszeichen, auch zur Debatte über die sogenannte Nullverschuldung. Es tut mir leid, dass beide Fraktionsvorsitzenden im Moment nicht im Saal sind, aber ich darf hinzufügen: Beiden habe ich dieses noch einmal dringend ans Herz gelegt. Der Vorschlag der Bundesregierung für eine Schuldenbremse ist nicht nur für konjunkturelle und strukturelle Schönwetterzeiten gedacht, sondern gerade für Schlechtwetterzeiten geeignet, ja bestimmt. Ich kann es in der Sprache der Branche, die den Deutschen die liebste ist, ausdrücken: Ein gutes Auto braucht nicht nur ein Gaspedal, sondern auch ein Bremspedal, damit seine Insassen gesund ans Ziel kommen. Danke schön. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Kerstin Andreae, Bündnis 90/Die Grünen.

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Glos, Sie müssen meine Kurzatmigkeit heute entschuldigen, aber seien Sie gewiss: Es ist nicht Ihre Rede, die mir den Atem raubt. Ich fand unglaublich müde, was Sie als Wirtschaftsminister zu diesen Haushaltsberatungen vorgeschlagen haben. ({0}) Erst einmal zum Grundsätzlichen. Sie legen diesem Haushalt die Annahme „0,2 Prozent Wachstum“ zugrunde, sagen aber selbst persönlich im Haushaltsausschuss: Eigentlich gehen wir von minus 1 Prozent aus. Warum ist das wichtig? Wir wissen: 0,1 Prozent weniger Wachstum bedeutet Mindereinnahmen von ungefähr 500 Millionen Euro. Also sprechen wir hier von mehreren Milliarden Euro Mindereinnahmen für das nächste Jahr. Es ist für eine Regierung und für einen Wirtschaftsminister unseriös, einen solchen Haushalt zu verabschieden, Herr Glos. ({1}) Jetzt möchte ich schon noch auf Ihre Rolle in den letzten Wochen eingehen. Es war wirklich erstaunlich. Wir hatten einen Wirtschaftsminister, der in der Finanzmarktkrise durch überhaupt kein Krisenmanagement aufgefallen ist. Dann fällt er auf, nämlich durch Forderungen nach einem milliardenschweren Konjunkturpaket, ({2}) das aber von der Kanzlerin und vom Finanzminister sofort wieder eingesammelt wurde. Als wir hier die erste Lesung hatten, habe ich Ihnen gesagt, Herr Glos, dass Sie mit der Forderung zur Entfernungspauschale in Bayern ganz fürchterlich auf die Nase fallen werden. Das ist auch passiert. Mich persönlich freut es, dass Sie in Bayern ein schlechtes Wahlergebnis gehabt haben. Die Forderung zur Entfernungspauschale war nichts anderes als ein Wahlkampfgeplänkel. Sie reden heute nicht mehr davon. Inhaltlich finde ich das ja richtig. Es macht aber deutlich, dass Sie populistisch Forderungen aufstellen und versuchen, bestimmte Maßnahmen als Wahlgeschenk zu versprechen, und am Ende ist dann nichts dahinter. ({3}) Was machen Sie dann? Sie beklagen sich. In der FAZ vom 21. November steht - das ist aus einem Interview mit Ihnen -: „In einem Orchester bestimmt derjenige vorn am Pult die Einsätze. Und die Dirigentin der Regierung hat bei der Lösung der Bankenkrise den öffentlichen Einsatz des Wirtschaftsministeriums wenig gefordert.“ ({4}) Absurd! Wir brauchen keinen Wirtschaftsminister, der in der Krise auf seinen Einsatz wartet, sondern wir brauchen einen Wirtschaftsminister, der selbst die Initiative ergreift. ({5}) Was Sie gemacht haben, reicht vielleicht für die Triangel in einem Orchester, ein bisschen „bing“, wenig Einsätze, und das war es dann, Herr Glos. Natürlich sind wir in einer schwierigen, in einer absolut schwierigen wirtschaftlichen Situation - das ist überhaupt nicht schönzureden -, aber eines ist klar: Schrumpfende Absatzmärkte, Unsicherheiten auf den Weltmärkten, sinkende Rohstoffvorkommen, der Wandel zur Wissensökonomie, der Klimawandel - das sind Tatsachen, die wir auch schon vor der Finanzkrise hatten. Diesen Tatsachen hätten wir - das haben wir auch immer wieder eingefordert - schon damals mit einem Strukturwandel begegnen müssen. Die Finanzkrise verstärkt die Wirtschaftskrise - absolut, massiv -, aber dass wir vor diesen weltwirtschaftlichen Herausforderungen stehen, wissen wir nicht erst seit ein paar Wochen. ({6}) Natürlich brauchen wir jetzt Maßnahmen. Zwei Strategien sind gefordert. Wir brauchen kurzfristige Maßnahmen, die schnell wirken, und wir brauchen Strukturpolitik für unsere Wirtschaft, um diese zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen. Für uns heißt das: Kaufkraft steigern - ja! -, aber es heißt auch: Investitionen in Klimaschutz sowie Investitionen in Bildung und Wissensökonomie. Das ist das grüne Investitionsprogramm. - Das nur zu Ihrem Zuruf, dass mir nichts Neues einfällt. ({7}) - Jetzt hören Sie mal zu! Nun zu einem Vorschlag, der im Rahmen des Punktes „Kaufkraft steigern“ diskutiert wird, nämlich: Steuersenkungen. Die FDP hat sich damit nie durchgesetzt. Friedrich Merz hat sich damit nicht durchgesetzt. Sie haben damit die letzte Wahl fast verloren. Woran liegt das? Das liegt daran, dass wir im Prinzip eine sehr sensible Bevölkerung haben, was Steuergerechtigkeit angeht. Die Menschen sind da sensibel, und sie wissen genau: Wenn Sie jetzt Steuersenkungen fordern, kommt das nicht bei den unteren 30 Prozent an, die gar keine Einkommensteuer zahlen. - Diese mangelnde Steuergerechtigkeit von Steuersenkungen spüren die Menschen, und deswegen finden Sie da keine Unterstützung. ({8}) Ein zweiter Vorschlag dazu ist, die Mehrwertsteuer zu senken. Natürlich war die Erhöhung ein Riesenfehler. Sie brauchen sich nicht zu wundern, dass wir jetzt eine mangelnde Kaufkraft haben, nachdem Sie die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht haben. Wozu führt der Vorschlag, die Mehrwertsteuer jetzt wieder um 1 Prozentpunkt zu senken? Wenn ein Radio im Geschäft 150 Euro kostet, dann kostet es dadurch etwa ein Prozent weniger. Das ist keine wirkliche Kaufkraftsteigerung. ({9}) Insofern sagen wir: Nehmen Sie dieses Geld und verwenden Sie es für eine Erhöhung des Regelsatzes! Der Regelsatz beträgt 351 Euro. Erhöhen Sie diesen auf 420 Euro! Das sind faktisch fast 70 Euro mehr für jeden Hartz-IV-Empfänger. Das sind die Leute, die das Geld wieder ausgeben. Das ist sozial gerecht. Das ist sofort spürbar. Das ist effizient. Das wäre aus unserer Sicht die richtige Maßnahme. ({10}) Das hätte etwas Weiteres zur Folge, nämlich dass auch der Steuerfreibetrag ansteigen muss. Das hätte dann etwas sehr Vernünftiges zur Konsequenz: Auch diejenigen, deren Einkommen zwar über dem Hartz-IVSatz liegt und die nicht mehr Transferempfänger sind, aber ein sehr niedriges Einkommen haben, würden von einem höheren Steuerfreibetrag profitieren. Zweiter Punkt: Investitionen in Klimaschutz und Strukturwandel. Es ist kein Jahr her, da sind Sie von der Regierung nach Grönland gefahren oder haben Eisbären im Zoo geknuddelt. Da haben Sie scheinbar das erste Mal verstanden, dass der Klimawandel nicht nur massive ökologische, sondern vor allem auch massive ökonomische Folgen hat. War das Schönwetterpolitik? Wir hören nun vom Wirtschaftsminister Glos: Wir brauchen ein Belastungsmoratorium. - Er fordert die Aufweichung der deutschen Klimaschutzziele. Die Lobby hat sich durchgesetzt. Ich sage Ihnen: Wer übersieht, dass Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft nur mit klarer Klimaorientierung einhergeht, der hat nichts kapiert. ({11}) Wir können uns eine Vertagung eines klaren Klimakurses nicht leisten, letztes Jahr schon nicht und heute erst recht nicht. Wenn Sie schon nicht über Umweltschutz und Umweltschäden reden wollen, dann reden Sie über Wirtschaft. Klimapolitik ist ein Konjunkturpaket ersten Ranges. Es schafft Arbeit, und zwar zukunftsfähige Arbeitsplätze. Es fördert Innovation durch neue Technologien, sichert den Export und sichert auch die Wettbewerbsfähigkeit. Wissen Sie, was meine Sorge ist? Meine Sorge ist, dass uns andere hier gerade den Rang ablaufen. Wir hören aus Amerika und vom UNGeneralsekretär, dass ein grüner New Deal nötig ist. Wir hören von der zuständigen EU-Kommissarin: Klimaschutz und die Entwicklung energieeffizienter Technologien können … die Lokomotive werden, die uns aus der Krise zieht. Was macht die Bundesregierung? Sie unterbreitet einen Kfz-Steuer-Vorschlag, der zur Folge hat, dass die Anschaffung spritfressender Geländewagen mit 1 800 Euro belohnt wird und die Anschaffung eines sparsamen kleinen Autos mit 130 Euro. Das geht in die völlig falsche Richtung. Das dürfen Sie nicht machen. ({12}) Sie haben in der Rede zum Wachstumspaket, Herr Glos, zu diesem Kfz-Steuer-Vorschlag gesagt: … das ist eine Art symbolischer Akt, der zeigt, wie wichtig uns die Automobilindustrie ist. Wir brauchen keine Symbolpolitik, sondern wir brauchen eine klare Ausrichtung auf den Klimaschutz. ({13}) Dritter Punkt: Investitionen in Bildung und Wissensgesellschaft. Das ist eine Forderung, die der Sachverständigenrat, der ja Ihr Konjunkturpaket nicht gerade positiv beurteilt hat, auch aufgestellt hat. Wir brauchen Geld für Betreuung und Geld für Bildung, aber zum Beispiel auch Geld, um den Kommunen zu helfen, ihre Schulen zu sanieren. ({14}) Schauen Sie sich einmal in der Landschaft um, schauen Sie sich einmal an, wie die Schulen aussehen. Hier ergäbe sich eine mehrfache Win-win-Situation: für die Kinder in den Schulen, für die Kommunen, für das Klima und für die Wirtschaft. ({15}) Hier muss massiv mehr Geld investiert werden. Natürlich passiert das an der einen oder anderen Stelle, aber das reicht einfach nicht aus. ({16}) - Natürlich geht das. Sie müssten sich einmal ein paar Gedanken machen, wie das funktionieren könnte, aber natürlich ist es möglich, den Kommunen hier finanziell unter die Arme zu greifen. ({17}) Es liegen Vorschläge auf dem Tisch. Diese muss man sich anschauen. Man darf sich aber nicht einfach auf den Standpunkt zurückziehen: Das funktioniert nicht; das machen wir nicht; deswegen lassen wir zu, dass die Schulen immer maroder werden. ({18}) Es gibt ja noch viel mehr Vorschläge, was Sie machen könnten. Ich höre mir diese immer gerne an und unterstütze sie auch. Schauen Sie sich einmal an, wie wir beim Bürokratieabbau vorankommen. Ich finde, das ist einfach zu wenig. Die Niederlande haben es geschafft, den Bürokratieabbau massiv voranzubringen und die Informationspflichten zu senken. Wir sprechen hier noch nicht über irgendwelche politisch gesetzten Vorgaben, sondern wir sprechen hier schlicht über Informationsund Statistikpflichten. Das, was die Kanzlerin in ihrer Rede gesagt, nämlich dass es hier um ein Volumen ungefähr in Höhe des Volumens der Steuerreform gehe, stimmt, aber nur theoretisch. Wir haben nämlich nicht genug gemacht. Wir haben dieses Volumen nicht ausgeschöpft. Wir haben die Unternehmen nicht so entlastet, wie es andere machen. Auch Österreich läuft uns in diesem Punkt davon. Ich wünsche mir vom Wirtschaftsminister, dass er Maßnahmen, die in anderen Ländern erfolgreich waren, auch hier umsetzt. Ein sinnvoller Vorschlag, den Sie umsetzen könnten, wäre zum Beispiel, dass jeder Fachminister einmal im Jahr hier im Plenum zu der Frage der Bürokratiebelastung durch seine Gesetze Stellung nehmen muss. ({19}) An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei den Wirtschaftspolitikern von CDU/CSU und SPD bedanken, die am Mittwoch mit uns gemeinsam beschlossen haben, dass wir das Erbschaftsteuerreformgesetz dem Normenkontrollrat vorlegen. Das ist sehr sinnvoll. Sie hätten es vorher schon machen können; jetzt wird es halt ein bisschen später gemacht. Da bei dieser Reform nach der Reform sowieso vor der Reform ist, kann es noch zu interessanten Ergebnissen kommen. Sie hätten vorher schon überlegen können, was die Reform der Erbschaftsteuer für die Unternehmen bedeutet. Wahrscheinlich haben Sie sich vor den Ergebnissen gefürchtet - zu Recht. ({20}) Über die Lohnnebenkosten will ich nicht lange reden. Am 1. Januar 2009 werden wir aufgrund der Gesundheitsreform eine massive Steigerung der Lohnnebenkosten erleben. Ihr Ziel war doch eigentlich die Senkung auf unter 40 Prozent. In der Wahrnehmung der Menschen bedeuten 40 Prozent Lohnnebenkosten immer noch 20 Prozent Arbeitgeberanteil und 20 Prozent Arbeitnehmeranteil. Das stimmt aber nicht mehr; denn inzwischen gibt es durch die Festschreibung des Arbeitgeberanteils eine massive Steigerung für die Arbeitnehmer. Wenn Sie wirklich mehr Netto vom Brutto wollen, dann müssen Sie die Lohnnebenkosten senken. Aber Sie bewirken mit der Gesundheitsreform die größte Steigerung bei den Beitragssätzen zur gesetzlichen Krankenversicherung. ({21}) Ich möchte noch eine Bemerkung zu unserem Antrag über Breitbandanschlüsse machen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen können ({22}) oder warum Sie nicht wenigstens etwas Gleichwertiges vorlegen. Sie selber sagen, eines der größten Probleme für die sogenannten weißen Flecken, also die betroffenen Gemeinden, ist, dass es da keine Breitbandanschlüsse gibt. Wir schlagen nun vor, sich um eine solide Datenbasis und um eine zielgenaue Beratung der Gemeinden zu kümmern. ({23}) - Das haben Sie aber nicht in der Weise beschlossen, dass die notwendigen Mittel etatisiert sind. Das ist doch das Problem. ({24}) Sie machen große Worte, aber nichts ist dahinter. Deswegen ist das, was Sie machen, nur Show. ({25})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. Mit Blick auf das Konjunkturprogramm fordere ich Sie auf: Passen Sie auf, dass Sie nicht Maßnahmen ergreifen, die eine neue Krise automatisch nach sich ziehen! Es ist falsch, in marode Unternehmen und in marode Branchen zu investieren. Es ist richtig, den Strukturwandel voranzutreiben und die Zukunft im Blick zu haben. In diesem Sinne brauchen wir eine Wirtschaftspolitik für morgen und keinen Wirtschaftsminister von gestern. Das wäre aus unserer Sicht ein sehr sinnvolles Konjunkturprogramm. Vielen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kurt Rossmanith ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Alle Vorredner haben in ihren Beiträgen die weltweite Finanzkrise und auch die Krise, die sich daraufhin im ökonomischen Bereich einstellt, dargestellt. Denen kann ich natürlich nicht widersprechen. Aber ich halte es für wichtig, dass wir ein Stück Optimismus mit einbringen. Wir sollten uns alle gemeinsam darum bemühen und alles daransetzen, dass aus dieser Krise eine hoffnungsvolle Zukunft erwächst. Denn jede Krise birgt die Chance und die Hoffnung auf einen Wandel und eine bessere Zukunft in sich. Im Chinesischen steht für „Krise“ und für „Optimismus“ das gleiche Schriftzeichen. Daran sollten wir vielleicht auch denken. Die Bundesregierung hat - getragen von der Koalition - Maßnahmen beschlossen und eingeleitet, um diese Krise nicht zu einem Desaster für unser Land, das natürlich von der Weltwirtschaft in ganz besonderem Maße abhängt, werden zu lassen und um aus der Krise herauszukommen. Die Bundeskanzlerin hat gesagt, dass 2009 ein schwieriges Jahr werden wird. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir im Jahr 2010 aufgrund der eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen wieder auf dem Weg nach oben sein werden und dass es zu einer kräftigen wirtschaftlichen Erholung und damit zu sicheren Arbeitsplätzen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes kommen wird. ({0}) Natürlich sind alle Maßnahmen, die dazu dienen, uns aus der Wirtschaftskrise zu führen und nach vorne zu bringen, im Zusammenhang mit der Stabilisierung des Haushaltes zu sehen. Bundesminister Glos hat ebenso wie Bundesminister Steinbrück darauf hingewiesen, dass wir uns durch die jetzt vorgesehenen Investitionen - dadurch werden wir für ein Jahr die Nettoneuverschuldung gegenüber dem Vorjahr etwas erhöhen - auf keinen Fall von unserem Stabilisierungsweg abbringen lassen. Wir werden auf diesem Weg fortschreiten und schon im Jahr 2010 die Nettokreditaufnahme wieder deutlich senken können. ({1}) Gerade im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie spiegeln sich diese Bemühungen wider. Dieser Haushalt stellt den stärksten Beitrag zur Stabilisierung dar. Immerhin haben wir gegenüber dem Haushaltsansatz im Jahre 2009 etwas mehr als 240 Millionen, die durch die Absenkung der Hilfen für die Steinkohle, eine auslaufende Technologie - die Vorrednerin hat darauf hingewiesen -, frei geworden sind. Wir müssen fast 400 Millionen Euro weniger an Leistungen erbringen, sodass wir entsprechende Freiräume haben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stellen in diesem Haushalt mit rund 2,2 Milliarden Euro etwa ein Drittel des gesamten Plafonds dieses Haushalts des Ministers für Wirtschaft und Technologie dar. Ein Schwerpunkt - ich bin dem Kollegen Volker Kröning sehr dankbar, dass er dies schon angesprochen hat - ist die Raumfahrt. Hier sind wesentliche Akzente zu setzen. Gerade ist die ESA-Ministerratskonferenz zu Ende gegangen, die diese Woche in Den Haag stattgefunden hat und sehr erfolgreich war. Sie hat auch für die Bundesrepublik Deutschland nicht nur unmittelbar wirtschaftlich, technologisch und wissenschaftlich umsetzbare Erfolge gezeigt, sondern es wurde auch wieder dargestellt, dass wir der stärkste Partner sind und auf diesem Gebiet einen ganz wesentlichen Vorsprung haben. ({2}) Es ist unser aller Aufgabe, diesen Vorsprung zu halten. Unsere Wissenschaft, unsere Hochtechnologie wird letztlich in neuer Wirtschaftskraft ihren Niederschlag finden. ({3}) Wir sollten unsere jungen Menschen animieren, auch auf diesem Hochtechnologiefeld tätig zu werden. Volker Kröning hat es schon angesprochen: Unser Dank geht an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang auch unsere anderen Agenturen nennen, die Bundesanstalten und Bundesämter, die sonst bei diesen Diskussionen immer unter den Tisch fallen, und ihnen ein herzliches Dankeschön für die Leistung sagen, die sie hier erbringen. ({4}) Als Exportweltmeister und vom Export ganz wesentlich getragenes Land müssen wir natürlich auch bei der Außenwirtschaftsförderung entsprechende Akzente setzen. Ich bin sehr dankbar, dass es mit allen Beteiligten möglich war, ein Instrumentarium zu schaffen, wodurch die Suche nach Geschäftsbeziehungen sowohl nach innen als auch nach außen gebündelt wird, sodass nicht drei, vier oder fünf verschiedene Aktionen nebeneinanderlaufen, sondern dass dies aus einer Hand angeboten werden kann, wie es in manchen Bereichen schon der Fall ist. Ich will hier nur als Beispiel Südamerika nennen: Mithilfe unserer Außenhandelskammer in São Paulo, Brasilien, funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen hervorragend. Wir werden diese Zusammenarbeit ausbauen. Ich bin allen dankbar, die daran mitgewirkt haben, dass wir dies erreichen konnten. Wir werden weiterhin einen ganz wichtigen Akzent auf die Darstellung unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Ausland setzen müssen. Das heißt, dass unser Auslandsmessewesen weiterhin ein wichtiger Faktor im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sein muss. Ich halte das für das Instrumentarium schlechthin. Wir, also das Wirtschaftsministerium, die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland, müssen gerade unseren mittleren und kleineren Unternehmen eine Plattform schaffen, damit sie auf den internationalen Weltmärkten bestehen können. Ich glaube, dass der Entwurf des Haushalts des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, so wie wir ihn im Haushaltsausschuss beschlossen haben und Ihnen heute vortragen, für den wir um Zustimmung bitten, das Ergebnis einer sehr guten Arbeit ist. Wir brauchen die Impulse. Wir haben gezeigt, dass Sparsamkeit in schwierigen Zeiten nicht gänzlich an die Seite gerückt oder sogar vergessen werden muss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Rossmanith!

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Ich möchte allen Dank sagen, die daran mitgewirkt haben. Zum einen möchte ich den Mitberichterstattern danken, aber auch den Vertretern beider Häuser, also den Vertretern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Finanzministeriums, hier insbesondere denen der Haushaltsabteilung, aber auch denen aus allen anderen Abteilungen, die hervorragende Arbeit geleistet haben. Wir legen Ihnen eine sehr gute Arbeit vor. Diese Arbeit sollte in der zweiten Lesung durch Ihr Ja entsprechend anerkannt werden. Herzlichen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Fraktion. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, auf welch unterschiedlichen Ebenen die wirtschaftspolitische Debatte am heutigen Tage geführt wird. Auf der einen Seite erleben wir in den Medien heute und in den letzten Tagen immer wieder höchst engagierte Mitglieder der Kanzlerin-Partei - ich sehe gerade Herrn Meyer da sitzen - mit der Forderung nach Steuersenkungen; Sie, Herr Minister, treten als einsamer Rufer in der Kabinettswüste nach Entlastungen in Erscheinung. Auf der anderen Seite haben wir eine Kanzlerin, die sich zunehmend als Kassandra geriert und vor düsteren Zeiten warnt, ohne im Endeffekt über sehr kleinteilige Rettungsmaßnahmen hinauszukommen. Da frage ich mich als Liberale natürlich: Was ist eigentlich aus der CDU/CSU geworden? ({0}) Wie soll dieses Land noch Vertrauen in die Wirtschaftspolitik haben? Wie soll dieses Land aus der Rezession, in der wir uns befinden, mit Ihnen wieder herauskommen? Sie verstecken sich hinter Herrn Steinbrück und einer Kanzlerin, die meint, auf Parteitagen etwas vorstellen zu können, was in der Realität nicht umgesetzt wird, nämlich eine Entlastung der Menschen draußen im Lande, damit sie konsumieren. Das schaffen Sie nicht. Das ist ein wirklich schlechtes Zeugnis für eine Partei, die ihre Wirtschaftspolitik immer für gut gehalten hat. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind in der Rezession angekommen; alle Wirtschaftsindikatoren deuten darauf hin. Wir haben ein Rettungspaket vorliegen, das nur als minimales Rettungspaket bezeichnet werden kann. Gleichzeitig haben wir einen Bundesfinanzminister, der sich an die Wachstumsannahme von 0,2 Prozent für das nächste Jahr klammert. Herr Glos, ich hätte an dieser Stelle schon von Ihnen erwartet - da bin ich völlig bei Frau Andreae -, dass Sie das wiederholt hätten, was Sie uns in der Sitzung des Haushaltsausschusses gesagt haben. Sie gehen nämlich von einer deutlich schlechteren Annahme als der Finanzminister aus. Das heißt, dieser Haushalt ist mit deutlich höheren Risiken belastet, als Sie uns heute weismachen wollen. Ich hätte von dem Wirtschaftsminister dieses Landes deutliche Worte erwartet. ({2}) Die Erkenntnis ist bei Ihnen, zumindest nach den Zeitungsmeldungen, der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. Wir, die Liberalen, sind ganz klar mit Ihnen einer Meinung, dass wir eine deutlich spürbare Entlastung der Bürger brauchen. Jetzt rächt sich natürlich - das erkennen wir als Haushälter ganz deutlich -, dass Sie in den letzten Jahren nicht vorgesorgt haben. ({3}) Sie haben nicht gespart. Die FDP hat Ihnen in den letzten Jahren Sparvorschläge in Höhe von 40 Milliarden Euro vorgelegt, und Sie haben durch die Bank alle abgelehnt. ({4}) Wären Sie unseren Sparvorschlägen gefolgt, hätten wir heute zumindest ein Fundament, um etwas anzustoßen. Wir beide, lieber Herr Rossmanith, hätten dann wirklich den Mond erobern können. Aber weil Sie nicht gespart haben, können Sie auch keine wichtigen Investitionsvorhaben auf den Weg bringen. Aus diesem Grund verschwinden auch Ihre Steuersenkungsvorschläge im Nebel. Nun wird es eng. Ohne den entsprechend sanierten Haushalt müssen Sie ins kalte Wasser springen. Der Finanzminister sagt immer gerne, man solle nicht jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf jagen. Aber ich betrachte mit Interesse, was uns die Bundesbank in diesen Tagen zu diesem Thema sagt. Wir werden in den nächsten Tagen damit konfrontiert werden, dass uns die Bundesbank auffordert, Steuerschecks zu verteilen. Da frage ich mich natürlich: Wie stehen Sie dazu? Heute wäre die Chance gewesen, Herr Glos, das deutlich zu machen. ({5}) Das haben Sie leider nicht getan. Das Quantum Trost sind Sie für uns heute nicht gewesen. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie etwas dazu gesagt hätten. Unter diesen Umständen können wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Edelgard Bulmahn, SPD-Fraktion.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Es ist richtig, dass wir uns in einer sehr schwierigen Krise befinden. Ebenso ist richtig, Frau Kollegin Andreae, dass sich die Weltwirtschaft auf Talfahrt befindet. Niemand wird das bestreiten können. Unser Land, das wie kein anderes vom Exportgeschäft lebt, wird nicht darauf hoffen können, hiervon verschont zu bleiben. Die Krise hat - auch das ist gesagt worden - die Realwirtschaft erreicht. Sie hat bereits Auswirkungen auf die chemische Industrie und auf die Automobilindustrie, und wir befürchten, dass sie auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird. Ich sage dennoch - mein Kollege Stiegler hat zu Recht darauf hingewiesen -: Das Rettende wächst. ({0}) Der G-20-Gipfel, die EU, die Bundesregierung, die USA, China und viele andere Länder, sie alle arbeiten zusammen. ({1}) Das ist ein entscheidender Fortschritt. ({2}) Anders als in der großen Depression in den 20er-Jahren, die bis in die 30er-Jahre hineinging, gibt es heute den politischen Willen, die Krise gemeinsam zu meistern. ({3}) Das ist ein unglaublicher Fortschritt, den man, liebe Frau Flach, nicht zerreden darf. ({4}) Abgestimmtes Handeln - das sagt der IWF ausdrücklich - zeigt doppelte Wirkung. Peer Steinbrück, FrankWalter Steinmeier und die Kanzlerin haben auf internationaler und auf europäischer Ebene mit Erfolg auf ein abgestimmtes gemeinsames Handeln gedrungen. ({5}) Nachdem die Wirtschaft sich globalisiert hat, ist es angesichts der Herausforderungen unausweichlich, auch zu einer weltweit koordinierten Wirtschaftspolitik zu kommen. Wenn man sich in einer derart unsicheren und schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, dann kommt es darauf an, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und zügig zu handeln. Die Bundesregierung und das Parlament haben in den letzten Tagen und Wochen beides geleistet. ({6}) Mit dem Schirm für die Finanzwirtschaft - hier reden wir über 500 Milliarden Euro: 400 Milliarden Euro an Bürgschaften und 100 Milliarden Euro an konkreter finanzieller Hilfe -, dem Konjunkturprogramm, dem Beschäftigungssicherungsprogramm und auch mit dem Bundeshaushalt leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft und damit auch zur Sicherung der Arbeitsplätze. ({7}) Es kommt jetzt darauf an - das haben hier viele gefordert -, die Binnennachfrage zu stärken. Genau das tut die Bundesregierung ({8}) mit dem Konjunkturprogramm, mit dem Beschäftigungssicherungsprogramm, aber auch mit diesem Haushalt. Es kommt außerdem darauf an, die Exportfähigkeit unserer Unternehmen weiter zu stärken, weil wir extrem exportabhängig sind. Das geht nur, wenn wir die Innovationskraft unserer Unternehmen weiter stärken. Auch das tun wir mit diesem Bundeshaushalt. ({9}) Liebe Frau Kollegin Andreae, wir sind uns in dem, was wir tun müssen, einig: Wir müssen die Binnennachfrage stärken; wir müssen die Exportnachfrage stärken. ({10}) Genau das tun wir mit dem, was wir hier in den letzten Wochen vorgelegt haben, und mit dem, worüber wir heute entscheiden werden. Die Maßnahmen, die wir hier zu ergreifen haben, müssen - das ist ein weiterer wichtiger Aspekt - kurzfristig Wachstumsimpulse geben, und sie müssen gleichzeitig eine nachhaltige Wirkung haben. Deshalb haben wir uns entschlossen, bestimmte Vorschläge - etwa die Verteilung von Konsumschecks, was wie ein Strohfeuer wirken würde, was schnell aufflammt, aber genauso schnell auch wieder erlischt - nicht aufzugreifen. Mit der deutlichen Erhöhung der Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm setzen wir genau den Schwerpunkt, den Sie hier gefordert haben. Dadurch können wir kurzfristig Investitionen mit einer großen Wirkung - gerade für kleine und mittlere Unternehmen, für das Handwerk in Gang setzen. Dieses Programm wollen wir im Übrigen, liebe Frau Kollegin, ganz gezielt für die CO2-Sanierung von Schulgebäuden einsetzen. ({11}) Genau das wollen wir damit erreichen; denn wir sehen die Notwendigkeit und den Bedarf. Liebe Kollegin Andreae, man muss schon ein bisschen genauer hinschauen. Ich will allerdings auch ausdrücklich sagen - das erwähne ich hier nicht zum ersten Mal -: Neben der Bundesregierung haben auch die Länder und die Kommunen eine konjunkturpolitische Verantwortung. ({12}) Es muss schon so sein, dass wirklich alle Ebenen koordiniert zusammenarbeiten, so wie es unsere Bundesregierung in den internationalen Verhandlungen zu Recht immer wieder eingefordert hat und zu Recht durchsetzt. Zum ersten Mal seit zwei Jahren - auch das will ich in diesem Zusammenhang sagen - haben wir überhaupt diese Handlungsmöglichkeiten. Zum ersten Mal seit zwei Jahren ist die Situation so, dass der gesamtstaatliche Haushalt einen Überschuss ausweist. Das gibt uns die Möglichkeit, jetzt diese Entscheidungen zu treffen. Auch das ist ein Ergebnis einer guten Regierungspolitik, wenn auch nicht allein ihr Ergebnis; das weiß ich auch. Die Wirtschaft hat dabei eine wichtige Rolle gespielt, vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; schließlich sind sie diejenigen, die Wertschöpfung betreiben. Aber ich wiederhole: Das ist auch ein Ergebnis guter politischer Arbeit. ({13}) Die FDP hat wieder Steuersenkungen verlangt. Es ist fast schon so, dass man bei der FDP immer weiß, was kommt. ({14}) Ich muss allerdings sagen: Steuersenkungen wären in der derzeitigen finanz- und wirtschaftspolitischen Lage einfach verantwortungslos: ({15}) Zum einen würden die öffentlichen Haushalte ihre Gestaltungsspielräume, die sie im Augenblick dringend brauchen, verlieren, und zum anderen würde das, wie ich persönlich fürchte, zu nichts anderem führen, als dass die Menschen die zusätzlichen Mittel auf das Sparkonto einzahlen würden. Darauf haben Sie selbst hingewiesen. ({16}) Ich habe den Eindruck, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie immer noch nichts dazugelernt haben, obwohl Friedrich Hebbel schon vor über 150 Jahren gesagt hat: Selbst im Fall einer Revolution würden die Deutschen sich nur Steuerfreiheit, nie Gedankenfreiheit erkämpfen. Sie haben Friedrich Hebbel allerdings gründlich missverstanden, wenn Sie glauben, er habe das als wünschenswert beschrieben. Es war als Kritik gemeint. ({17}) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sage ich: 150 Jahre reichen doch, um dazuzulernen. ({18}) Die neoliberalen Wirtschaftskonzepte, die Sie heute wieder vorgetragen haben, ({19}) haben uns die gegenwärtige Krise eingebrockt, und sie sind untauglich, uns aus dieser Krise wieder herauszuführen. ({20}) Wir brauchen nicht weniger Staat, sondern einen handlungsfähigen Staat. ({21}) Wir werden die Erfolge der letzten Jahre - ich sage das ausdrücklich für die Koalitionsfraktionen; wir haben inzwischen über 40 Millionen Beschäftigte - nicht wieder leichtfertig preisgeben. Deshalb stärken wir mit dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums besonders die Wirtschafts- und Innovationskraft der kleinen und mittleren Unternehmen. Wir stärken zudem durch die deutliche Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und durch das Zinsverbilligungsprogramm der KfW in Höhe von 20 Milliarden Euro, auf das mein Kollege Kröning schon hingewiesen hat, gleichzeitig und zusätzlich Investitionen in der Breite. Wir stärken die Innovationskraft der kleinen und mittleren Unternehmen vor allem deshalb, weil wir wissen, dass sie das Rückgrat unserer Wirtschaft sind, weil wir wissen, dass sie über 80 Prozent der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, ({22}) weil wir wissen, dass sie die Ausbildung tragen, ({23}) und weil wir auch wissen, dass sie wichtige Wachstumsund Fortschrittstreiber für neue Produkte, Güter und Dienstleistungen sind. Daher stärken wir mit diesem Haushalt Forschung und Entwicklung, Technologieentwicklung und Innovationen im Mittelstand. ({24}) Bei allem konjunkturpolitischen Handlungsbedarf wäre eines grundfalsch: darauf zu verzichten, die Unternehmen auch weiterhin für die Zukunft fit zu machen und ihre Innovationskraft zu stärken. Wir werden deshalb die Mittel für die Technologieförderungsprogramme des BMWi für den Mittelstand von 246 Millionen Euro auf 323 Millionen Euro erhöhen. Mit dem zentralen Innovationsprogramm „Mittelstand“ wird zudem - auch das ist ein wichtiger Aspekt - die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen schlagkräftiger, effektiver, kundenfreundlicher und klarer strukturiert. Mit dem Innovationsprogramm werden die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der KMUs unterstützt. Wir haben dabei darauf geachtet, dass auch die bewährten Prinzipien und Grundsätze beibehalten werden. Das heißt, dass die Unternehmen selbst über die Technologie entscheiden, dass sie selbst die Kooperations- und Netzwerkpartner auswählen und dass sie selbst über den Kurs im Zusammenhang mit marktorientierten FuE-Projekten entscheiden. Das ist wichtig, weil wir damit die zweite wichtige Säule der Forschungsförderung, die des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, sinnvoll ergänzen. In dieser Zusammenschau macht das Ganze nämlich Sinn, und dieses Zusammenspiel ist erfolgreich. ({25}) Zudem bleibt es bei der Offenheit der Technologien und Branchen. Kurz gesagt: Das Programm ist ein wichtiger Schritt hin zu einer breitenwirksamen, schlagkräftigen Förderung in einem konsistenten Programm, das dem hohen Förderbedarf des innovativen Mittelstands in ganz Deutschland entspricht. Ich will ein weiteres Beispiel ansprechen, mit dem wir die Technologieförderung der kleinen und mittleren Unternehmen verbessern. Wir setzen nicht nur einseitig auf die Stärkung der technologischen Innovationskraft. Vielmehr wollen wir Innovationen auch für die ökologische Erneuerung unserer Volkswirtschaft nutzen. Das ist eingefordert worden; wir tun es. So unterstützen wir mit dem Programm „E-Energy“ die Entwicklung von IKTgestützten Energiesystemen der Zukunft. Wir alle wissen doch, dass eine effiziente Steuerungs- und Regelungstechnik ganz entscheidend dafür ist, dass unsere Energiewirtschaft leistungsfähiger wird. Das gilt sowohl für die Produktion als auch für die Überland- und die Verteilnetze. Deshalb ist dies im Übrigen auch ein wichtiger Bereich für unsere Volkswirtschaft. Ich will allerdings nicht verhehlen, dass ich mir gewünscht hätte, dass die Bundesregierung in der Weltraumforschung und -technik das deutliche Signal gesetzt hätte, dass sie auch hier gewillt ist, die Technologieführerschaft zu übernehmen. Es geht nämlich darum, dass wir in wichtigen Leitmärkten auch weiterhin die Technologieführerschaft haben. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass man sich zu einer Mondmission entschieden hätte, damit uns die Technologieführerschaft in diesem Bereich in Zukunft auch wirklich gelingt. ({26}) Ich will kurz ein letztes Thema anschneiden: Das ist die industrielle Gemeinschaftsforschung. Sie ist ein weiteres wichtiges Instrument für die kleinen und mittleren Unternehmen; sie hat eine herausragende Bedeutung. In der industriellen Gemeinschaftsforschung können die Unternehmen unmittelbaren Einfluss auf die Projektentstehung nehmen. Das ist ein ganz entscheidender Vorteil. Sie bringen dabei ihre eigenen Erfahrungen im Bereich Forschung und Entwicklung aus der Praxis ein und setzen sie gemeinsam mit Wissenschaftlern und Partnern aus anderen Unternehmen um. Auch hier werden wir im kommenden Haushaltsjahr deutlich zulegen und die Ausgaben von circa 119 Millionen Euro auf 184 Millionen Euro steigern. Last, not least werden wir dafür sorgen, dass jungen, engagierten Unternehmensgründerinnen und -gründern mit innovativen Ideen angesichts der gegenwärtigen Krise des Finanzsystems das Geld nicht ausgeht. Auch hier haben wir deutliche Steigerungen vorgesehen: von 54,3 Millionen Euro auf 66,5 Millionen Euro. Dazu kommen natürlich noch die Mittel aus dem ERP-Programm. Ich weiß aufgrund meiner langen Erfahrung, wie viel junge Unternehmen in den letzten Jahren gegründet worden sind. Diese Unternehmen müssen weiter wachsen. ({27}) Wenn wir wollen, dass unsere Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung nicht ins Leere laufen, müssen wir - das ist ganz entscheidend - gute Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stellen, damit sich diese jungen Unternehmen zu erfolgreichen Unternehmen entwickeln können. Das ist mir ein wichtiges Anliegen. ({28}) Wer die gegenwärtige Krise der Weltwirtschaft überstehen will, der darf nicht nur daran denken, wie er die nächsten Stunden übersteht; er muss gleichzeitig dafür sorgen, dass er aus dieser Krise gestärkt hervorgeht und für die Märkte von morgen und übermorgen gerüstet ist. ({29}) Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({30})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke. ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeswirtschaftsminister Glos hat uns alle vor zwei Monaten bei der Einbringung seines Etats, vier Tage nach dem Untergang von Lehman, mit dem Satz überrascht: Wir hatten eine Krise bei der Industriekreditbank und der KfW. So fatal dieser Satz vor zwei Monaten war, so fatal war und ist leider auch die Wirtschaftspolitik von Herrn Glos. Das Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik, Herr Bundesminister, ist, dass in diesem Land die Reichen reicher und die Armen zahlreicher werden. ({0}) Sie sind nun dabei, den Banken die Schuld zuzuschieben. Es muss aber ausdrücklich klargestellt werden: Was die Banken leisten können, hat die Politik erstens gewollt und zweitens zugelassen. ({1}) Das Ergebnis ist, dass die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft im Osten und im Westen erheblich sinkt. ({2}) Der frühere Generalsekretär der Christlich-Demokratischen Union, Heiner Geißler, hat seine Partei heute sogar aufgerufen, gegen diesen ungezügelten Kapitalismus anzugehen. Herr Minister, Sie wären als Wirtschaftsminister gewissermaßen der berufene Anwalt der sogenannten Realwirtschaft. Wenn jetzt Töne laut werden, dass am freien Kapitalmarkt festgehalten werden soll, dann müssten Sie im Sinne dieser Realwirtschaft lautstark protestieren. Wir haben Sie nicht vernommen. ({3}) Sie haben in den letzten Monaten und Jahren vielleicht viele Menschen aus der Arbeitslosenstatistik geholt, aber nicht aus Armut, Zukunftsangst und Niedriglohn. Wenn die Menschen, von denen ich rede, heute diese Debatte verfolgen und feststellen, dass es dem Parlament offensichtlich am wichtigsten ist, demnächst auf den Mond zu kommen, werden sie sich fragen: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? ({4}) Das Konjunkturprogramm, das Sie nicht einmal so nennen dürfen, ist in seinem Umfang viel zu gering und eine Sammlung alter Hüte. Als Zeugen will ich Professor Rürup aufrufen, der auf dem Weg vom Regierungsberater zum Finanzdienstleister ist. Er hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass ein solches Konjunkturprogramm überhaupt erst Wirkung erzielen kann, wenn es ein Volumen von 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes, also von 25 Milliarden Euro, hat. Die Europäische Kommission schlägt der Bundesregierung vor, ein abgestimmtes europäisches Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen. Jetzt kommt der Knüller: Minister Glos begrüßt diese Idee zwar, sagt aber in dem gleichen Artikel, aus dem ich zitiere: Aber Geld geben wir dafür nicht. - Wie kann man ernsthaft von „Begrüßen“ sprechen, wenn man nicht bereit ist, sich an einem solchen Programm zu beteiligen? ({5}) Herr Minister, ich muss Sie auch auf die Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern ansprechen, die jetzt in der Krise besonders notwendig sein wird. Sie wissen wie wir, dass wir es in den neuen Bundesländern vor allem mit verlängerten Werkbänken zu tun haben. Die hundert größten ostdeutschen Unternehmen zusammen erreichen nicht die Hälfte der Leistungskraft von Daimler. Das ist ein Problem, mit dem wir jetzt zu tun haben. Man weiß, dass im Osten Zeit- und Leiharbeit besonders ausgeprägt sind. Das IAB - nicht die Linksfraktion, sondern das Arbeitsmarktinstitut der Bundesagentur für Arbeit - hat unlängst ausgerechnet, dass in einem Drittel der ostdeutschen Betriebe die Zeit- und Leiharbeiter, die 1-Euro-Jobber die Mehrheit der Belegschaften stellen. Was sind denn das für Zustände? Das kann man doch nicht hinnehmen. Das erfordert auch jetzt in der Krise Handeln. ({6}) - Ich hatte Ihnen gesagt, woher das stammt. Der Sachverständigenrat hat Sie in jüngster Zeit kritisiert. Ihre Reaktion war, öffentlich darüber nachzudenken, ob man ihn nicht auflösen könnte. Die Linke hat Ihnen Vorschläge unterbreitet, wie mit einem wirklichen Konjunkturprogramm, das mehr Mittel für Bildung und Wissenschaft, einen Mindestlohn und höhere Leistungen für Arbeitslosengeldbezieher vorsieht, der Krise beizukommen ist. Wir sagen Ihnen: Wege aus der Krise sind möglich, aber nicht mit diesem Wirtschaftsetat. ({7}) Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das kann Ihnen, Herr Glos, nicht passieren. Sie kommen nicht zu spät, Sie kommen bei der Bewältigung der Krise gar nicht vor. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Laurenz Meyer ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Claus, ich weiß gar nicht, warum Sie hier Krokodilstränen über die soziale Marktwirtschaft weinen. Das nimmt Ihnen sowieso keiner ab. Die Wahrheit ist: Unser Land mit seiner sozialen Marktwirtschaft ist zurzeit das Land in der ganzen Welt, in dem die Bewältigung der Wirtschaftskrise bisher am besten gelingt, nicht nur in Europa, sondern weit darüber hinaus. ({0}) Das sollten wir zu Beginn feststellen. Das sage ich auch an die FDP-Fraktion. Wir müssen eine vernünftige Analyse bei allem machen, wo wir zu handeln haben. Wir haben zurzeit eine absolut gespaltene Lage. Kleine und mittlere Unternehmen, die in ihrem regionalwirtschaftlichen Handeln auf Deutschland angewiesen sind, sind ja von der ganzen Krise nahezu unberührt. Wir haben zurzeit die Situation, dass in den großen Unternehmen, den großen Familienunternehmen, die bei ihren Exportanstrengungen auf Schwellenländer angewiesen sind, Probleme sprunghaft und bruchhaft auftauchen. Die Bundesagentur für Arbeit hat noch im letzten Monat verkündet, es gibt keinen Anstieg bei der Kurzarbeit. Wir haben gestern die Zahlen bekommen. Wer hätte geglaubt, dass dies möglich ist? In welchem Land wird in dieser Phase die Arbeitslosigkeit noch abgebaut? Trotzdem dürfen wir die Warnsignale, den sprunghaften Anstieg der Kurzarbeit, nicht übersehen. Deshalb müssen wir aufmerksam sein und so weiterarbeiten, wie wir bisher in der Krise gearbeitet haben. Wir müssen präpariert sein, damit dort eingegriffen werden kann, wo es notwendig ist. ({1}) Unsere Unternehmen sind richtig gut aufgestellt. Deshalb müssen wir alles tun, damit unsere Unternehmen in der Phase, in der es in der Welt wieder losgeht, ganz vorne dabei sind. Das ist unsere Aufgabe. Auf diese Aufgabe müssen wir uns konzentrieren. In dieser Situation sage ich zur Kreditvergabe an Unternehmen, insbesondere an große Mittelständler, eines: Wenn die Landesbanken nicht jetzt an Stellen einspringen, an denen es Probleme mit privaten Kreditinstituten gibt, haben sie ihre Existenzberechtigung in meinen Augen endgültig verloren. ({2}) Das ist die dringende Aufforderung. Wenn wir hier helfen, dann muss auch gehandelt werden. Ich bitte Sie, Herr Finanzminister und Herr Wirtschaftsminister, den Druck auf die Landesbanken, die öffentlich-rechtlichen Banken, die im Übrigen am meisten mitversagt haben, denn sie hatten auf diesem Sektor von Geldpapieren überhaupt nichts zu suchen, zu erhöhen, dass sie jetzt in dieser Phase ihre Aufgaben wahrnehmen. Erhöhen Sie den Druck! Sie haben unsere Unterstützung bei Ihrem Handeln. ({3}) Lassen Sie mich an die Adresse der Grünen eines ganz klar sagen: Sie haben den entscheidenden Grund, warum es Deutschland besser geht, nicht zur Kenntnis genommen. In der Zeit nach Rot-Grün haben wir etwas geändert, was in der Diskussion allerdings viel zu kurz kommt: Wir haben ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland abgegeben, mit all seinen Problemen. Wir haben uns nicht auf das konzentriert, was Sie „qualitatives Wachstum“ nennen, das sich in weißen Kragen und nicht störenden Gewerbegebieten niederschlägt. ({4}) Wir bekennen uns zu Industriegebieten vor Ort. ({5}) Wir bekennen uns auch zu energieintensiven Unternehmen. Es macht nämlich keinen Sinn, dass sie aus Deutschland abwandern und die Umweltbelastungen in einem anderen Land erhöhen. Ich habe an die Regierung, insbesondere die Bundeskanzlerin, aber auch ihre Minister, die Bitte: Es darf in dieser Phase zu keinen neuen Belastungen für die deutsche Wirtschaft kommen. ({6}) Wir müssen alle Maßnahmen daraufhin untersuchen, ob sie zu neuen Belastungen führen. Die Bundeskanzlerin hat bei den Verhandlungen über das Klimapaket in Brüssel unsere volle Rückendeckung. Es darf in Europa keine Ausnahmefälle geben, die dazu führen, dass in anderen Ländern Zugeständnisse gemacht werden, die bei uns aber nicht gelten, und das zum Schaden der Arbeitsplätze in Deutschland. ({7}) Bisher waren wir in der aktuellen Krise handlungsfähig. Ich will hier und heute keine neuen Steuervorschläge machen; ({8}) denn es liegen genügend Vorschläge auf dem Tisch. ({9}) - Frau Andreae, weil Sie gerade so schön lächeln, will ich Ihnen ganz klar sagen - bei uns hat das jeder begriffen -: Wer keine Steuern zahlt, der kann durch Steuersenkungen auch nicht entlastet werden; das ist völlig richtig. ({10}) Laurenz Meyer ({11}) Unser Problem ist nicht, dass wir die Transferleistungen erhöhen müssen; hier sind wir nämlich Weltspitze. ({12}) Unser Problem ist, dass den ganz normalen Arbeitnehmern in Deutschland, den Facharbeitern und den Beziehern kleiner Einkommen, die allerdings Steuern zahlen, zu wenig von ihrem Brutto übrig bleibt. Hier müssen wir eingreifen. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Lieber Kollege Meyer.

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Abschließend habe ich eine Bitte an die Bundesregierung, ({0}) insbesondere den anwesenden Bundesfinanzminister und Bundeswirtschaftsminister, denen ich für ihre bisherige Arbeit danke. ({1}) Ich bitte im Namen der Kolleginnen und Kollegen, die sich sehr ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt haben - wir haben das nämlich getan -:

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Meyer, ich muss Sie noch einmal auf Ihre Redezeit aufmerksam machen.

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin bei meinem letzten Satz, Herr Präsident.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja.

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nutzen Sie die Zeit bis zum Jahreswechsel, um Pläne vorzubereiten, damit die Bundesregierung auch in dem Fall handlungsfähig ist, dass negative Entwicklungen in anderen Ländern, in denen die wirtschaftspolitischen Zustände sehr viel schlechter sind als bei uns, auf Deutschland übergreifen, damit wir nicht erst dann zu diskutieren anfangen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich empfehle noch einmal, mit dem ganz Wichtigen möglichst anzufangen, damit es am Ende nicht der ohnehin strapazierten Geduld des amtierenden Präsidenten zum Opfer fällt. ({0}) Nun erhält als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Dr. Michael Fuchs das Wort, ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Diese Krise ist eine Krise, die nicht nur einige Bereiche, sondern die gesamte Welt betrifft; darauf hat der Bundeswirtschaftsminister völlig zu Recht hingewiesen. In allen möglichen Regionen der Welt hat diese Krise zugeschlagen. Richtig ist auch, dass Deutschland nach wie vor am besten dran ist, weil wir eine der robustesten Volkswirtschaften haben. Sie ist vor allen Dingen deswegen so robust, weil sie auf dem Mittelstand basiert und weil es bei uns stabile mittelständische Unternehmen gibt, die ihre Mitarbeiter in einer solchen Krise nicht schnell entlassen, sondern versuchen, ihren Mitarbeiterstamm beizubehalten. ({0}) Deswegen bin ich optimistisch, dass wir diese Krise besser überstehen werden als viele andere Länder. Diese Krise hat für unsere Wirtschaft allerdings einen sehr negativen Effekt: Sie ist für Deutschland vor allen Dingen deswegen so riskant, weil wir eine exportorientierte Wirtschaft haben. In den letzten Jahren ist es so gut wie nie vorgekommen, dass der Export in einem Wirtschaftsabschwung in dem Maße zusammengebrochen ist, wie es zurzeit geschieht. Das ist das, was mir sehr viel Sorge macht, weil wir in vielen Bereichen unserer exportorientierten Wirtschaft regelrechte Abstürze erleben. ({1}) Ich habe ein ganz klein bisschen Ahnung vom Großund Außenhandel und noch einige gute Bekannte in diesem Bereich. Ich habe vor kurzem mit einigen Außenhändlern gesprochen. Dabei hat mir zum Beispiel jemand, der im Maschinenbau tätig ist und Waren nach China exportiert, gesagt, dass er 33 Projekte in China hatte, von denen 30 gecancelt und drei auf „on hold“ gestellt worden sind. Man kann jetzt darüber diskutieren, ob die Chinesen nicht doch Verträge zu erfüllen haben, aber wenn sie nicht zahlen, dann wird allenfalls die Hermes-Problematik im Wirtschaftsministerium noch dramatischer werden. Vielleicht wird es auch aufgrund dieses Bereichs zu erheblichen Belastungen für den Bundeshaushalt kommen, lieber Kollege Kampeter. Deswegen halte ich es für dringend notwendig, lieber Bundeswirtschaftsminister - hierauf möchte ich meinen wesentlichen Akzent setzen -, dass wir gerade in dieser Situation beim Welthandel weiter vorankommen. Es gibt ja anscheinend doch noch eine Chance - die Bundeskanzlerin hat das angedeutet -, dass die Doha-Runde schnell beendet werden kann. Das wäre für die exportorientierte Wirtschaft und vor allen Dingen für die Mittelständler der Branche sehr wichtig. ({2}) Falls das aber nicht der Fall ist, dann wird es meiner Meinung nach Zeit, dass sich Europa schnell auf den amerikanischen Weg begibt. Ich gehe davon aus, dass der Protektionismus in den USA eher stärker wird, wenn die Demokraten jetzt den Präsidenten stellen. Die Amerikaner haben in der letzten Zeit überall in der Welt FTAs, Free Trade Agreements, abgeschlossen. Wir müssen darüber nachdenken, ob das auch für uns infrage kommt, falls wir mit der Doha-Runde tatsächlich nicht zu einem Abschluss kommen; denn es kann nicht sein, dass wir unsere Wirtschaft noch mehr ins Hintertreffen bringen - gerade Deutschland ist hier besonders benachteiligt - und dass die amerikanische Wirtschaft von diesen FTAs profitiert, die eigentlich die Verursacherin dieser Krise ist. Parallel dazu halte ich es aber für notwendig, dass wir über alle möglichen Entlastungsmaßnahmen nachdenken. Der Kollege Meyer hat völlig zu Recht gesagt, dass wir auf dem Sektor Umweltschutz schon sehr viel getan haben und auch weiter tun müssen, Frau Andreae. Man muss aber überlegen, ob wir jedes Projekt unbedingt jetzt durchführen müssen oder nicht um zwei oder drei Jahre verschieben können. Wir werden im nächsten Jahr viel weniger CO2 ausstoßen als in den Jahren zuvor. Das ist traurig, weil das daran liegt, dass unser Wirtschaftswachstum sinkt. Das wird ein Beweis dafür sein. Parallel dazu halte ich es aber auch für nötig, permanent über Steuern nachzudenken. ({3}) Der Bundeswirtschaftsminister hat recht, wenn er sagt, dass auch die Steuern unter Umständen noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Dazu eine Anmerkung: Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Krankenversicherungsund Pflegeversicherungsbeiträge spätestens ab dem Jahre 2010 in voller Höhe absetzbar sind. ({4}) Dass uns das Bundesverfassungsgericht das aufgegeben hat, heißt ja, dass die bisherige Regelung nicht erst im Jahre 2010, sondern auch schon 2009 falsch ist. Deswegen sollte man darüber nachdenken, das auch schon früher zu ermöglichen. Heute steht in der Bild-Zeitung ein interessanter Artikel von Herrn Barbier, dem Vorsitzenden der LudwigErhard-Stiftung, nach dem Motto: Was hätte Erhard jetzt getan? - Erhard hätte in dieser Krise über Steuersenkungen nachgedacht. Wir sollten das auch tun, und zwar gemeinsam. Ich danke allen für ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt II.19 auf: Einzelplan 32 Bundesschuld - Drucksache 16/10421 Berichterstattung: Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Carsten Schneider ({0}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Einzelplan 32, Bundesschuld, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan ist mit der gleichen Mehrheit angenommen. Wir müssen noch über Änderungsanträge der Fraktion Die Linke abstimmen. ({1}) - Dass das dem Präsidenten auch ohne schwere Attacken der Parlamentarischen Geschäftsführer selber aufgefallen ist, ist ein Zeichen für die gemeinsame Konzentration auf diesen Bundeshaushalt. Um der Ordnung Rechnung zu tragen: Wir haben über zwei Änderungsanträge im Zusammenhang mit dem Einzelplan 09 nicht abgestimmt, was eigentlich Voraussetzung für die Schlussabstimmung über den Haushalt gewesen wäre. Diese rufe ich beide - wenn Sie damit einverstanden sind - nachträglich noch einmal auf. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/11038 stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit breiter Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/11071? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Antrag ist mehrheitlich abgelehnt. Präsident Dr. Norbert Lammert Darf ich allgemeines Einvernehmen voraussetzen, dass unter Berücksichtigung dieser nicht gänzlich überraschenden Abstimmungsergebnisse die vorhin getroffene Entscheidung über den Einzelplan 09 nicht wiederholt werden muss? - Dazu stelle ich Einvernehmen fest. Dann ist das so festgehalten. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.20 auf: Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung - Drucksache 16/10422 Berichterstattung: Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Carsten Schneider ({2}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Auch hierzu gibt es Änderungsanträge, über die wir diesmal vorab abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/11039? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11040? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf der Drucksache 16/11041? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der übrigen Fraktionen ebenfalls abgelehnt. ({3}) - Ich bitte um Nachsicht. Beim letzten Änderungsantrag gilt: bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das hatte ich nicht gesehen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Einzelplan 60 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.21 auf: Haushaltsgesetz 2009 - Drucksachen 16/10424, 16/10425 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({4}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Eine Aussprache ist in der zweiten Beratung nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 2009 in der Ausschussfassung kommen können. Hierzu gibt es wiederum einen Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/11046, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Das wird wieder nicht reichen. ({5}) Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 2009 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Das Haushaltsgesetz ist in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Wir kommen nun zum Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012 auf den Drucksachen 16/9901 und 16/9902. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 16/10426, den Finanzplan zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand? - Das lassen wir jetzt auf sich beruhen. Es ist unzweifelhaft, dass die Beschlussempfehlung mit breiter Mehrheit angenommen ist. Dann rufe ich nun den Tagesordnungspunkt V auf: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009 ({6}) - Drucksachen 16/9900, 16/9902, 16/10402, 16/10404 bis 16/10409, 16/10411 bis 16/10416, 16/10419 bis 16/10422, 16/10423, 16/10424, 16/10425 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({7}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Es liegen insgesamt elf Entschließungsanträge vor, über die wir nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Das haben wir vorhin schon einmal unfreiwilligerweise geübt. Ich weise jetzt schon darauf hin, dass wir später über das Haushaltsgesetz namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Fraktion. ({8})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Finanzminister hat mich in dieser Woche zunehmend an das Orchester auf der „Titanic“ erinnert. Frei nach dem Motto, was nicht sein darf, wird auch nicht sein, spielt er das alte Lied der vergangenen Haushaltsjahre, während sich das Schiff schon zu neigen beginnt. Trotz der sich rapide eintrübenden wirtschaftlichen Lage setzen Sie, Herr Steinbrück, wie immer auf diejenigen Konjunkturprognosen, die Ihnen am besten passen, in diesem Jahr einfach einmal auf zu rosige Voraussagen, weichen Sie nicht vom Ausgabenkurs der letzten Jahre ab und bleiben Sie bei den alten Konjunkturrezepten Ihrer Vorväter. Sie haben sich in Ihren Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung jedes Jahr geirrt. Neu ist nur eines: Früher hatten Sie mehr Steuereinnahmen, weniger Sozialleistungen und bessere Konjunkturdaten als geschätzt, und in der Haushaltsdebatte am 11. September 2007 haben Sie das sogar zum Prinzip erhoben, indem Sie sagten: Gerade die Finanzpolitik muss von realistischen, eher vorsichtigen Annahmen getragen sein … Wir haben uns am Ende der vergangenen Jahre zugunsten und nicht mehr zulasten der Bundesrepublik verschätzt, und dies ist für die weiteren Debatten vertrauensbildend. Jetzt haben Sie eingeräumt, dass Sie dieses Mal genau umgekehrt vorgehen, nämlich bei Wachstumszahlen zwischen plus 0,2 und minus 1 Prozent plötzlich von der optimistischen Variante, also von plus 0,2 Prozent, ausgehen. Das heißt, Sie sind von Ihrem Prinzip abgerückt, und wenn das andere Vorgehen früher vertrauensbildend war, so wird dies wohl weniger Vertrauen bringen und dieses Land mit Sicherheit nicht mit Vertrauen erfüllen. ({0}) Trotz negativer Wachstumsprognosen rechnen Sie noch mit 6 Milliarden Euro mehr an Steuern als in diesem Jahr, und dies, obwohl die Auswirkungen der Finanzkrise auf die gewinnabhängigen Steuern erst im nächsten Jahr voll durchschlagen werden. Das, lieber Herr Minister, sind Luftbuchungen. Betrachtet man das Wachstum der Ausgaben - ein Plus von 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr -, so unterscheidet sich dieser Bundeshaushalt nicht von denen vergangener Jahre. Rechnet man die Umleitung eines Mehrwertsteuerpunktes an die Arbeitsagentur in 2007 und den Wiedereinstieg in die Postbeamtenversorgung 2008 heraus, bewegt sich das jährliche Ausgabenwachstum ungefähr auf diesem Niveau. Seit 2005 hat sich Schwarz-Rot, statt zu sparen, Ausgaben von 65 Milliarden Euro geleistet, ein Plus von 11 Prozent, und das bei circa 160 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen. Als Begründung für den Ausgabenanstieg 2009 wird immer vorgebracht, man dürfe nicht in den Abschwung hineinsparen. Aber wann hat diese Regierung denn einmal gespart? Das geschah doch nur marginal und meist zulasten der Bürger. ({1}) Nie hat es in diesen Jahren wirkliche ausgabenseitige Konsolidierung gegeben, und das, was Sie uns als Konsolidierung verkaufen, den Abbau der Neuverschuldung, haben die Bürger und Unternehmen dieses Landes mit ihren eigenen Steuerbeiträgen geleistet. ({2}) Nun stehen Sie vor der unguten Situation, den nach Meinung fast aller Sachverständigen nötigen Konsumschub aus der hohlen Hand machen zu müssen, und greifen dafür in die Mottenkiste. Sie legen uns ein Konjunkturprogramm vor, das Sie in ähnlicher Form schon vor wenigen Jahren als Wachstumsprogramm vorgelegt haben, und verurteilen an der gleichen Stelle die Bundesbank, die jetzt einen mutigen Schritt zur Entlastung der Bürger fordert und Sie auffordert, die Finger aus den alten Programmen der Subventionspolitik zu lassen. ({3}) Unter dem Strich gehen wir davon aus, dass der heute zu verabschiedende Haushalt bereits in wenigen Wochen Makulatur sein wird. Sie werden an weiteren Entlastungsschritten nicht vorbeikommen, Herr Steinbrück. Der Haushalt, so wie er jetzt vorliegt, drückt sich vor der heraufziehenden Rezession und verschweigt Risiken, kurzum: Er ist nicht krisenfest. Wir werden ihm nicht zustimmen. ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für die SPD-Fraktion.

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine ganz muntere Woche erlebt, ({0}) erstens mit den Debatten hier im Parlament sowohl zum Bundeshaushalt als auch zur Erbschaftsteuer, aber zweitens und vor allen Dingen aufgrund einer sehr angeregten öffentlichen Debatte darüber, welches der richtige wirtschaftspolitische Kurs in einer schwierigen weltwirtschaftlichen Situation ist. Viele Sachverständige, deren Empfehlungen wir oft und zur Genüge zu hören bekommen, haben sich bei ihren Empfehlungen in den letzten zwei, drei Monaten um 180 Grad gedreht. Früher galt die Empfehlung der EU-Kommission: immer ausgeglichene Haushalte, keine Defizite, eine ganz restriktive Politik, keine Nachfragesteuerung und keine Stimulierung. Gleiches gilt für den Sachverständigenrat und den Präsidenten der Deutschen Bundesbank. Ich nehme diese Hinweise ernst. Ich finde, man kann sie nicht beiseitewischen. Man muss darüber reden. Es darf aber nicht zu einer vollkommenen Verunsicherung der Bevölkerung und Umkehr in unserer Finanzpolitik kommen; denn diese hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Der Etat, dessen Entwurf wir Ihnen heute zur Abstimmung vorlegen und den ich Ihnen zur Zustimmung empfehle, weist für 2009 ein Defizit in Höhe von 20,5 Milliarden Euro auf, 18,5 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme und 2 Milliarden Euro Privatisierungserlöse. Damit ist das strukturelle Defizit fast genauso hoch wie in diesem Jahr, in dem die NettokreditaufCarsten Schneider ({1}) nahme bei knapp 12 Milliarden Euro und die Privatisierungserlöse bei über 10 Milliarden Euro liegen. Wir sind in der Europäischen Union und weltweit das Land, das sein Pulver noch trocken hat und in den vergangenen Jahren die stärksten Konsolidierungsanstrengungen unternommen hat. Das gesamtstaatliche Defizit liegt bei 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ermöglicht uns, in der heutigen Krisensituation zu handeln. ({2}) Dies tun wir mit einer klaren Verstärkung der Investitionen in die Infrastruktur des Bundes, insbesondere in den Verkehrsbereich. Wir führen befristet die degressive AfA zur Stimulierung von Investitionen im Unternehmensbereich ein. Ich bin der Auffassung, dass wir das erst einmal wirken lassen sollten und schauen sollten, wie sich diese Maßnahmen auf den Arbeitsmarkt auswirken. Daher bin ich einigermaßen überrascht gewesen, als ich Anfang der Woche erfahren habe, dass die Bundeskanzlerin vorgeschlagen hat, am 5. Januar 2009 diese Maßnahmen zu evaluieren und dann zu schauen, was wir als Nächstes machen. Ich will klar sagen: Der Haushalt tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Wie viele Straßen sind wohl am 5. Januar gebaut und wie viele Investitionsgüter zusätzlich gekauft? Ich finde, man muss das, was wir machen, auch ernst nehmen. ({3}) Wir Sozialdemokraten halten klar an unserem Kurs, den Frau Flach eben richtig beschrieben hat, fest: Investieren, Reformieren, Sanieren. ({4}) Für uns gilt: Solide Finanzen sind eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Öffentlichkeit in unsere Republik und die Volkswirtschaft unseres Landes. Das betrifft nicht nur die hiesige Bevölkerung, sondern auch die internationalen Investoren. Welche Schuldpapiere kaufen diese denn noch weltweit? Es sind die der Bundesrepublik Deutschland. In unsere Anleihen wird investiert. Dabei zahlen wir weltweit die geringsten Zinsen. Das zeigt, dass die Investoren mit Marktwissen Vertrauen in dieses Land und seine Leistungsfähigkeit haben. ({5}) Wir tun gut daran, dieses Land nicht schlechtzureden, sondern die Potenziale und die Wachstumskräfte zu stärken und zu stimulieren. Von der Opposition habe ich viel Verschiedenes gehört. Die Linke antwortet auf eine konjunkturelle Schwäche, insbesondere der Binnennachfrage, mit Steuererhöhungen in Höhe von 40 Milliarden Euro. Die FDP will die Mittel für das Elterngeld für ALG-II-Bezieher und die Werbung von Investoren in den neuen Bundesländern streichen, und das entgegen allen Trends und der Tatsache, dass sie die Nettokreditaufnahme des Bundes um 10 Milliarden Euro reduzieren will. Alle vorliegenden Anträge betreffen den konsumtiven Bereich. Aber den von uns geplanten Stimulierungsmaßnahmen - staatliche Maßnahmen zur Infrastruktur, insbesondere zum Verkehrsbereich, und zum Kapitalstock werden vorgezogen, genauso wie es uns der Sachverständigenrat empfiehlt, allerdings in einer Größenordnung von 25 Milliarden Euro - stimmen Sie nicht zu. Wenn Sie sagen, der Haushalt sei auf Sand gebaut - oder wie auch immer Sie das nennen -, dann frage ich Sie, wo denn Ihre Anträge zur Erhöhung des Haushaltsansatzes für das Arbeitslosengeld II sind, wenn Sie der Auffassung sind, dass es zu gering etatisiert ist. ({6}) Ich habe diese Anträge nicht gesehen. Auch sagen Sie, die Steuern würden nicht so fließen. Wenn ich mir anschaue, wie die Steuern bis November geflossen sind, dann kann ich nur sagen: hervorragend. Diesen Sockeleffekt werden wir auch noch 2009 haben. Sie haben auch dazu keine Änderungsanträge gestellt. Ich will auf einen weiteren Punkt kommen: die Verantwortung auch der Länder und der Gemeinden für eine konjunkturgerechte Politik. Ich habe den Eindruck, dass es auf europäischer Ebene zurzeit viele Gipfel gibt und dass dort viele Gespräche geführt werden. Unsere Minister sind immerzu dort. Ich finde aber, was jetzt nottut, ist eine gemeinsame Anstrengung, zum Beispiel im Finanzplanungsrat oder in der Runde der Ministerpräsidenten, von Bund, Ländern und Gemeinden, um die Investitionsmaßnahmen, die wir heute hier beschließen, gezielt durch Maßnahmen der Länder und der Gemeinden zu verstärken. ({7}) Ich zitiere dazu das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, damit wir das nicht vergessen: Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. In § 16 heißt es: Die Länder haben durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass die Haushaltswirtschaft der Gemeinden und Gemeindeverbände den konjunkturpolitischen Erfordernissen entspricht. Ich kann das nur unterstreichen. ({8}) Ich fordere die Länder auf, dem Rechnung zu tragen, also nicht zu sagen, Konjunkturpolitik sei die Aufgabe des Bundes, und sich keinen schlanken Fuß zu machen. Dort ist Geld vorhanden - Länder und Gemeinden verzeichnen Überschüsse -, und sie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, und zwar erstens bei der Finanzierung und zweitens dadurch, dass sie jetzt notwendige Investitionen in Schulen, Kindergärten und staatliche Infrastruktur vorziehen. ({9}) Ich habe vorhin gesagt, dass wir diese Woche eine muntere Debatte hatten. Ich habe auch die muntere Carsten Schneider ({10}) Debatte vor dem Auftakt des CDU-Parteitags verfolgt. Man lernt immer dazu, wenn man erstens zuhört und sich zweitens die Entwürfe anschaut. ({11}) Ich habe mir einmal den Entwurf vom 13. November zum Leitantrag angeschaut. Er enthielt einen Satz, ({12}) den ich für bemerkenswert halte: Wir wissen, dass in diesen Zeiten linke Parteien geneigt sind, die Haushaltsdisziplin zugunsten von Schuldenerhöhungsprogrammen aufzugeben. Wir werden das nicht zulassen. ({13}) In der Version des Leitantrags für den 30. November ist dieser Satz gestrichen. ({14}) Ich weiß nicht, worauf ich das beziehen soll. Ob die CDU jetzt eine linke Partei ist oder ob sich die Zeiten so schnell ändern? Es sind noch ein paar Tage bis zum Parteitag. Wir werden das mit Aufmerksamkeit verfolgen. Ich glaube, es ist gut, dass wir als Sozialdemokraten diese Regierung mitstellen. Vielen Dank. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Woche ist eine verlorene Woche im Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Die Bundesregierung wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ein wirksames Konjunkturprogramm. Damit gefährdet sie Arbeitsplätze von Millionen von Menschen, nicht nur in unserem Land, und das ist verantwortungslos. ({0}) China, Japan, die USA und andere europäische Staaten haben Konjunkturprogramme aufgelegt, nur die Bundesregierung meint, einen deutschen Sonderweg gehen zu können. Wenn es um den aussichtslosen Krieg in Afghanistan, wenn es um den sinnlosen Kauf von Eurofightern geht, dann steht die Bundesregierung als atlantischer und europäischer Musterschüler in der ersten Reihe. Da warnt die Bundesregierung mit erhobenem Zeigefinger vor einem deutschen Sonderweg. Wenn es aber um die Sicherung von Millionen Arbeitsplätzen geht, dann spielt die atlantische und europäische Solidarität keine Rolle mehr. Die Bundesregierung glaubt, als Trittbrettfahrer der chinesischen, japanischen und amerikanischen Konjunkturzüge mitreisen zu können. Das ist nicht nur unsolidarisch, das ist auch verantwortungslos und für Deutschland ausgesprochen gefährlich. ({1}) Was bietet uns die Regierung statt eines Konjunkturprogramms an? Durchhalteparolen - wir haben sie heute mehrmals gehört - und die Aufforderung, doch optimistisch zu sein. Kanzlerin und Finanzminister fordern die Bürger auf, Ruhe zu bewahren. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird damit, Herr Steinbrück, zu einem psychologischen Problem der Konsumenten heruntergespielt. Wenn jetzt alle die Nerven behalten, so die Botschaft der Bundesregierung, dann wird die Krise schon an uns vorüberziehen. Welch eine grandiose Fehleinschätzung! ({2}) Die Bundesregierung ist eine Regierung der zwei Geschwindigkeiten. Sie ist über Nacht in der Lage, ein 500-Millarden-Euro-Paket zu schnüren. Das ist eine erstaunliche Leistung, wenn man bedenkt, dass das eine Rechnung mit sehr vielen explosiven Unbekannten ist. Wir wissen gar nicht, welche faulen Kredite in den Banken schlummern und welche Risiken auf den Steuerzahler zukommen. Wir wissen gar nicht, ob die Bankenmanager, die staatliche Bürgschaften in Anspruch nehmen, in der Lage sind, ihre Geschäftsmodelle an die neue Situation anzupassen, und ob sie es überhaupt wollen. Dazu eine aktuelle Geschichte. Ein Fernsehjournalist fuhr nach Österreich, besuchte dort Zweigstellen deutscher Banken, gab sich zum Beispiel gegenüber der Commerzbank als Kunsthändler und Steuerhinterzieher aus. Er wollte wissen, ob Banken, die das Rettungspaket der Bundesregierung in Anspruch nehmen, weiter bereit sind, den Staat zu betrügen. Die Antwort vor Ort war: Ja, sie sind dazu bereit. - Das ist wirklich ein Skandal! ({3}) Die Bundesregierung hat unter Anleitung von Herrn Ackermann sehr schnell gehandelt, hat den Banken aber keine Auflagen erteilt, sondern nur vage Kannbestimmungen vorgesehen. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, den Banken klar zu sagen: „Wer den Staat betrügt, dem wird nicht geholfen“? Hätte man nicht regeln können, dass einer Bank, die den Pakt in Anspruch nimmt und dabei erwischt wird, wie sie Steuerhinterziehern hilft, den Staat zu betrügen, die Bürgschaften sofort wieder entzogen werden? Wo steht das im Gesetz? Das fehlt! Wir können nur feststellen, dass die Bundesregierung in der Lage ist, im fünften Gang, sozusagen in MichaelSchumacher-Geschwindigkeit, ein hochkomplexes 500-Milliarden-Euro-Paket zu schnüren, um vom fünften Gang sofort in den Rückwärtsgang zu schalten. Die Kanzlerin wollte dem französischen Präsidenten Sarkozy doch ernsthaft erklären, dass ein Konjunkturprogramm hier eine komplizierte Angelegenheit sei, weil Deutschland ein föderaler Staat sei und ein solches Programm mit den Ländern und den Gemeinden abgestimmt werden müsse. Das ist eine absurde Argumentation. Man weiß doch, dass auch das Bankenrettungspaket innerhalb einer Woche mit den Ländern abgestimmt wurde. ({4}) Die Kanzlerin erklärt den Ost-Ministerpräsidenten nach fast 20 Jahren deutscher Einheit, eine Angleichung der Ostrenten an die Westrenten sei so kompliziert, dass man mindestens noch zehn Jahre dafür brauche. Ich kann Ihnen sagen: Von unserer Fraktion, von der Fraktion Die Linke, liegen im Bundestag Anträge zur Rentenangleichung vor. Die können wir in der nächsten Woche sofort beschließen. ({5}) Die Regierung der zwei Geschwindigkeiten ist also kein Zufall, sondern das ist Programm. Es gibt Dinge, die für die Bundesregierung wichtig sind, die mit hoher Geschwindigkeit vorangetrieben werden, und es gibt Dinge, die der Bundesregierung nicht wichtig sind, die dann schon mal ein paar Jahre liegen bleiben können. ({6}) Dazu ein Beispiel. Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete den Gesetzgeber, die Vermögensteuer spätestens bis zum 31. Dezember 1996 neu zu regeln. Dieser Termin ist seit fast zwölf Jahren verstrichen. Kein Problem! Bekanntlich dauert die Erledigung der Aufgaben am längsten, an denen gar nicht gearbeitet wird. ({7}) Die Bundesregierung kann, wenn sie will, und in manchen Fällen kann sie ganz gut, wenn es sich für sie selbst lohnt. An dieser Stelle wende ich mich einmal an die Sozialdemokraten, die gerade so munter dazwischenrufen. Nur ein winziges Beispiel: Für den ehemaligen Wirtschaftsstaatssekretär Ditmar Staffelt - er ist übrigens einer der Konstrukteure der Berliner Bankgesellschaft, die Berlin den Bankenskandal gebracht hat - hat es sich gelohnt. Er ging zu EADS. EADS ist der größte Auftragnehmer des Staates in Sachen Rüstung. Ein wirklich lohnender Wechsel für einen Sozialdemokraten! Finanzminister Steinbrück wies in seiner Rede am Dienstag alle Kritik an seiner Amtsführung zurück. Keiner habe wissen können, so Herr Steinbrück, dass Lehman Brothers zusammenbrechen würde. ({8}) Das ist richtig. Aber Sie verschweigen, Herr Steinbrück, dass Ihre Finanzpolitik und die Finanzpolitik Ihrer Vorgänger in den letzten Jahren darauf ausgerichtet war, den Finanzmarkt zu deregulieren. ({9}) Sie haben mit Ihrer Politik dem Kasino-Kapitalismus die Türen nach Deutschland geöffnet. ({10}) Das war kein dummer Zufall, sondern - lesen Sie Ihre Koalitionsvereinbarung! - das war Programm, und zwar ein falsches Programm. ({11}) Es wäre an der Zeit, dass die Bundesregierung die Geschichte der Finanz- und Wirtschaftskrise aufarbeitet und ihre Fehler klar benennt. Doch dazu fehlt ihr wahrscheinlich der Mut. Aber Herr Steinbrück hat in seiner Rede ja noch Gelegenheit dazu. Nur mal nebenbei: Von den Ostdeutschen wird dreimal am Tag die Aufarbeitung der Geschichte verlangt. Ich wende mich jetzt einmal solidarisch an die CDU. Wenn ein jetziger CDU-Ministerpräsident in den 80erJahren noch nicht erkannt hatte, dass 1989 die DDR nicht mehr existieren würde, dann beschäftigt das die Medien mehr als das Versagen der Bundesregierung in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise. Da läuft doch etwas falsch in diesem Land. ({12}) Meine Damen und Herren, diese Woche ist eine verlorene Woche im Kampf gegen Demokratieabbau. Ist es nicht bemerkenswert, dass die Bundesregierung auf alle Probleme reflexartig mit Demokratieabbau reagiert? Sei es das Recht auf Asyl, sei es das Recht auf Privatsphäre, sei es das Budgetrecht des Bundestages - alle diese Rechte wurden beschränkt, um angeblich schwerwiegende Probleme besser lösen zu können. Wir wissen, dass mit Einschränkung von Bürgerrechten kein einziges Problem zu lösen ist. ({13}) Da wir ja in der Schlussrunde der Haushaltsdebatte sind, will ich hier nur auf das Budgetrecht des Bundestages eingehen. Wir werden heute einen Haushalt von 290 Milliarden Euro für das nächste Jahr beschließen. An diesem Haushalt hängt viel Lebenszeit der Abgeordneten und der Mitarbeiter des Haushaltsausschusses, für deren Unterstützung - sie sitzen ja hier alle - ich mich herzlich bedanken möchte. ({14}) Wir sind die Einzelpläne, die Kapitel und Titel mit großer Sorgfalt durchgegangen. Doch der Haushaltsausschuss steckt in einer tiefen Sinnkrise. ({15}) Denn das 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket wird in einem Geheimgremium von neun Abgeordneten verhandelt. Diese neun Abgeordneten können auch nur nachträglich die Entscheidung der Regierung zur Kenntnis nehmen. ({16}) Die Opposition ist in diesem Gremium in der Minderheit und wird keine Möglichkeiten haben, in der Öffentlichkeit Alarm zu schlagen. ({17}) Wie wichtig der Regierung und den Koalitionsfraktionen dieses Gremium ist, zeigt sich daran, dass es heute erstmalig zusammengetreten ist, obwohl wir alle öffentlich darüber diskutieren und gespannt darauf sind, wann welche Bürgschaften an die Banken ausgegeben werden. Demokratie darf nicht nur in Zeiten der Konjunktur, sie muss auch in Zeiten der Krise funktionieren. ({18}) Meine Damen und Herren, diese Woche ist eine verlorene Woche im Kampf gegen die Armut. Die Krise trifft nicht alle Menschen gleich. Auch wenn sich einige Milliardäre verzockt und Millionen verloren haben - sie werden es verschmerzen. Die Krise trifft vor allem die hart, die an ihr am wenigsten Schuld haben. Dass zum Beispiel der Finanzminister Steinbrück die Kindergelderhöhung um 10 Euro pro Monat als Konjunkturprogramm verkauft, ist einfach nur zynisch. ({19}) Diese Erhöhung gleicht noch nicht einmal - ich habe das schon am Dienstag ausgeführt - den Kaufkraftverlust aus, den die Familien seit der letzten Kindergelderhöhung hinnehmen mussten. Bei Kindern von ALG-IIEmpfängern kommt dieses Geld überhaupt nicht an. Das ist wirklich nicht hinnehmbar. ({20})) Die Linke hat von der Regierung Sofortmaßnahmen gefordert, um die Menschen zu schützen, die besonders hart von der Krise betroffen sein werden. Wir fordern erstens die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Hier muss ich schon einmal an die Adresse der SPD sagen: Statt wie Frau Nahles hier gestern die FDP dafür zu beschimpfen, dass diese angeblich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns verhindere, sollten Sie lieber einmal die Mehrheiten in diesem Saal zusammenrechnen und sich bewusst machen, dass SPD, Linke und Grüne für den gesetzlichen Mindestlohn sind. Bei aller Verehrung für die Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wir wissen, Sie sind dagegen, aber an Ihnen wird ein solches Vorhaben zahlenmäßig nicht scheitern. ({21}) Von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, fordere ich also ein bisschen mehr Ehrlichkeit. ({22}) Zweitens fordern wir die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro, und drittens fordern wir die Erhöhung des Kindergeldes auf 200 Euro. Sie, meine Damen und Herren, haben alle diese ökonomisch und sozialpolitisch vernünftigen Vorschläge abgelehnt. Wir als Linke lehnen diesen Haushalt ab, weil er keine Antworten auf die Finanz- und Wirtschaftskrise gibt und weil er nicht im Ansatz versucht, mit der verhängnisvollen neoliberalen Politik zu brechen. Vielen Dank. ({23})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter für die Unionsfraktion. ({0})

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jetzt zu Ende gehende Woche war eine gute Woche für unser Land, weil die handelnde Koalition deutlich gemacht hat, dass es besser ist, nach Maß und Mitte zu regieren - das tut nämlich unserem Land gut -, statt Aktionismus, Populismus und Rezessionspanik zu verbreiten. ({0}) Es war erfreulich, dass wir endlich auch einmal in einer Haushaltswoche sehr viel stärker als in den vergangenen Jahren über die Grundfragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik gesprochen haben. Dabei wurde ja deutlich, dass es das politische Handeln ist, das die Wirklichkeit in unserem Land wesentlich mitbestimmt. Ich fordere an dieser Stelle diejenigen auf, die geglaubt haben, sie seien für die gesellschaftliche Realität sehr viel wichtiger - das sind die Manager, die ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Wertvorstellungen gehandelt haben -, ein bisschen mehr Demut zu dokumentieren. Der Kern unserer Gesellschaft wird durch das Politische bestimmt. Wir Abgeordneten sind verfassungsmäßig legitimiert, den Volkswillen im parlamentarischen Handeln zum Ausdruck zu bringen. ({1}) Ich möchte mich dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Haushaltsausschusses anschließen, möchte aber auch meinen Kollegen im Haushaltsausschuss danken. Stellvertretend für viele nenne ich meinen Obmann Norbert Barthle und den Sprecher der SPD Carsten Schneider. Meine Redezeit will ich dazu nutzen, einige Argumente, die wir in dieser Woche gehört haben, kritisch und auch selbstkritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie zutreffen und ob wir aus ihnen Hinweise für unsere Politik nach Maß und Mitte ableiten können. Das erste Argument, das in den unterschiedlichsten Formen vorgetragen worden ist, lautete: Es wurde zu wenig getan. - Niemand in der Großen Koalition will sich allen Ernstes in dieser krisenhaften Zeit prozyklisch verhalten. Deswegen würde es mich freuen, wenn viele auch einmal einen Blick auf das werfen würden, was tatsächlich zur Abwehr der Krise gemacht worden ist. Erstens. Wir lassen die automatischen Stabilisatoren wirken. Auf Deutsch gesagt: Wir nehmen in Kauf, dass sinkende Steuereinnahmen eine höhere Verschuldung bedeuten. Es ist das Gebot der Stunde, in dieser Krise so zu handeln. Die Große Koalition tut das. ({2}) Zweitens. Wir setzen einen zielgerichteten Impuls im investiven Bereich sowohl über den Bundeshaushalt wie aber auch über Hebelinstrumente von Instituten wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Damit erzeugen wir einen expansiven Impuls von bis zu 50 Milliarden Euro. ({3}) Drittens. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass die Zentralbanken in Europa, aber auch weltweit handeln. Sie senken die Zinsen; das wirkt expansiv. Wir haben also auch im monetären Bereich einen starken expansiven Impuls. Es kann doch allen Ernstes nicht behauptet werden, dass dies ein prozyklisches Kaputtsparen ist. Es ist vielmehr eine verantwortliche und verantwortungsvolle Reaktion auf die Herausforderungen der Krise, die Politik und Geldpolitik hier zeigen. ({4}) Das zweite Argument, das immer wieder vorgetragen wird, lautet: Wir sollten uns an anderen Ländern orientieren. - Dieses Argument hat mich in dieser Debatte am allerwenigsten überzeugt. Helmut Schmidt hat in einem Interview deutlich gemacht, dass in vielen Ländern die riesigen Summen, über die wir in den Zeitungen lesen können, lediglich Ausgaben für Reparaturaufwendungen und keineswegs Zukunftsausgaben sind. Wir standen in Deutschland nicht an der Spitze des Finanzkapitalismus. Die Folgen treffen uns zwar hart, aber bei weitem nicht so schlimm wie die Vereinigten Staaten oder das Vereinigte Königreich. Das ist auch gut so. Wenn jetzt gefordert wird, wir sollten mit ähnlichen Beträgen auf eine für uns in Deutschland völlig andere Situation reagieren, dann muss man sagen, dass bei dieser Kritik Maß und Mitte und ein gewisser Realitätssinn verloren gegangen sind. Ich bin froh und glücklich, dass wir ein dreigliedriges Bankensystem aus Volksbanken, Sparkassen und Privatbanken haben, das erheblich krisenresistenter ist als das Bankensystem in den USA und Großbritannien. ({5}) Wir sollten diese Vorschläge in der Schublade lassen; sie sind Unsinn und Blödsinn und führen nicht zu den richtigen Antworten, die die Politik geben muss. ({6}) Ich will an dieser Stelle auch deutlich machen, dass sich Länder, die sich stark verschulden, das Vertrauen der Finanzmärkte verlieren. Wir erleben es gerade bei den USA und Großbritannien, dass sie einen steigenden Risikoaufschlag für ihre Staatsverschuldung einrechnen müssen. Deutschland - das hat Carsten Schneider schon herausgearbeitet - steht gut da. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich sehe keinen Grund, dass wir der Aufforderung, wir sollten uns an den Schadensfällen anderer Länder orientieren, nachkommen. ({7}) Dann müssten wir den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland sagen: Ja, auch wir müssen höhere Zinsen zahlen. - Diesen abstrusen Vorschlag lehnt die Union ab. Wir werden ihm nicht folgen. ({8}) Dass unter dem Deckmantel, man müsse sich an anderen Ländern orientieren, auch viele Rattenfänger mit wirtschaftspolitischen Konzepten unterwegs sind, die nicht klug sind, will ich an dieser Stelle nicht verschweigen. Es sind diejenigen unterwegs, die der Auffassung sind, man könne mit Inflation Politik machen. Das ist Unsinn. Dem werden wir nicht folgen. ({9}) Es sind auch welche unterwegs, die den Stabilitätsund Wachstumspakt infrage stellen. Wir haben auf die D-Mark verzichtet und versprochen, mit dem Stabilitätsund Wachstumspakt die Zentralbankkultur, wie wir sie aus D-Mark-Zeiten kannten, auf den Euro zu übertragen. Ich weiß, dass das vielen in Europa nicht gepasst hat. Aber wir werden an dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt und damit an der Stabilität unserer Währung festhalten. Etwas anderes ist mit uns nicht zu machen. ({10}) Es sind auch viele unterwegs, die meinen, man müsse jetzt die Party für die Gegenwart organisieren. Das ist ein brutaler Angriff auf die Interessen der nachfolgenden Generationen. ({11}) Wir haben aus diesen krisenhaften Veränderungen gelernt, nicht dem Partygefühl von Wall-Street-Bankern zu folgen, die ohne Rücksicht auf Schulden und damit auf die nachfolgenden Generationen genau das gefordert haben, nämlich eine riesengroße Party zu feiern. Stattdessen müssen wir im Sinne einer Verantwortungsgesellschaft eine Politik nach Maß und Mitte machen, wie wir sie in dieser Woche hier im Plenum vorgetragen haben. ({12}) Auch darf ein kluges Argument, das Jürgen Stark von der EZB in diesen Tagen vorgetragen hat, nicht in Vergessenheit geraten: Wer in Unsicherheit die Dämme flutet, wird am Ende nicht mehr Nachfrage, sondern im Ergebnis lediglich höhere Schulden, höhere Zinsen und höhere Inflation erhalten. - Deswegen fand ich es gut, dass der Kollege Glos, unser Wirtschaftsminister, noch einmal deutlich gemacht hat, dass Vertrauen ein ganz wichtiger Aspekt in unserer Politik ist. Vertrauen kann man nicht kaufen, weder durch Schulden noch durch andere staatspolitische Maßnahmen. Vertrauen muss man sich mühsam erarbeiten. Wir haben das mit dem Finanzmarktstabilisierungsfonds gemacht. Wir sollten dieses Vertrauen nicht durch einen kurzfristigen finanzpolitischen Aktionismus zerstören. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Kampeter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Kollege Fricke ist mir stets eine Freude und wird uns in dieser Debatte sicher mit einer netten Zwischenfrage erheitern.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das wünsche ich mir auch. - Herr Kollege Kampeter, bei alledem, was Sie in den letzten drei oder vier Sätzen gesagt haben, kann ich Ihnen weitestgehend zustimmen. Dann würde ich von Ihnen als Haushälter jetzt aber gern eine klare Absage an die Einführung von Konsumgutscheinen hören, ohne dass Sie darüber hinwegreden. Können Sie uns hier und heute sagen, dass die CDU und vielleicht auch sogar die CSU diese Konsumgutscheine ablehnt, oder hält sie sie noch für möglich, nach dem, was Herr Stark - Sie haben ihn gerade zitiert - gesagt hat? ({0}) Halten Sie die Konsumgutscheine für richtig oder für falsch?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Fricke, ich stelle fest: Der Einzige, der im Deutschen Bundestag bisher Konsumgutscheine gefordert hat, ist der Abgeordnete Brüderle, Mitglied der FDP-Fraktion. ({0}) Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht erkennen, dass die Situation in Deutschland so ist, dass wir über eine solche Maßnahme ernsthaft nachdenken sollten. Der Bundesfinanzminister hat erklärt, es gebe keine Pläne für diese Maßnahme. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir machen das, was wir in unserem Haushalt an Maßnahmen festgehalten haben. Wir lassen die automatischen Stabilisatoren wirken. Wir unterstützen die Europäische Zentralbank bei ihrem vernünftigen Kurs in der Geldpolitik. Wir setzen im Übrigen - dazu komme ich jetzt - auf steuerpolitisch vernünftige und nachhaltig wirkende Impulse. Der Bundesbankpräsident, Herr Kollege Fricke, hat deutlich gemacht, dass man in der Steuerpolitik zwischen strukturellen Maßnahmen, die das Steuersystem verändern, und einmalig wirkenden steuerpolitischen Impulsen unterscheiden muss. Wer jetzt eine strukturelle Änderung anstrebt, wird bei einer kleinen Lösung in der nächsten Legislaturperiode enden. Wir sollten unser Pulver trocken halten. Deswegen haben wir uns eben für diese gezielten Maßnahmen in der Steuerpolitik entschieden. Wir haben in der Steuer- und Abgabenpolitik mit diesem Haushalt wichtige Impulse gesetzt. Ich nenne den Handwerkerbonus, die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und die politische Festlegung auf die steuerliche Anrechenbarkeit der Vorsorgeaufwendungen. Unterm Strich ist im Rahmen des Finanzplanungszeitraumes bis 2013 gegenüber dem geltenden Recht eine Entlastung von 85 Milliarden Euro im Steuer- und Abgabenbereich zu verzeichnen. Ich frage Sie: Ist das kein steuerpolitischer Impuls? ({1}) Ein Argument, das in dieser Woche leider viel zu wenig vorgetragen worden ist, ist die Finanzversorgung der realen Wirtschaft; Michael Glos hat das an zwei oder drei Stellen vorgetragen. Es ist ein Stück weit fahrlässig, wie sich die politische und auch öffentliche Debatte diesem Thema verschließt. Es ist leider richtig, dass auf dem Interbankenmarkt die Liquidität noch nicht in Gang gekommen ist. Jeden Abend werden bei der Europäischen Zentralbank aus allen Ländern des Euroraums knapp 300 Milliarden Euro geparkt. ({2}) - Über Nacht. - Damit stehen Mittel in dieser Größenordnung der Finanzierung von Wachstum nicht zur Verfügung. Deswegen muss es unser gemeinsames Bemühen sein, die Maßnahmen, die die Politik und die Europäische Zentralbank eingeleitet haben, mit dem Sektor der Privatbanken so weit umzusetzen und nach vorne zu treiben, dass diese 300 Milliarden Euro, die jetzt unproduktiv bei der EZB geparkt sind, für die Kreditversorgung der kleinen, mittleren, aber auch der großen Unternehmen in Europa und Deutschland zur Verfügung gestellt werden. Das zu tun, ist die zentrale Verpflichtung, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben. Solange diese finanzwirtschaftliche; diese monetäre Frage nicht gelöst ist, ist es wenig sinnvoll, überhaupt darüber nachzudenken, starke fiskalpolitische Impulse zu setzen. Wir befüllen einen Motor mit Benzin, dem es an Öl mangelt. Das einzige Ergebnis, das am Ende einer solchen Politik stehen kann, ist ein Kolbenfresser. Wir wollen aber keinen Kolbenfresser haben, ({3}) sondern wir wollen eine nachhaltige Politik, die Wachstum und Arbeitsplätze sichert und expansiv tätig wird. Wir brauchen keine Politik, die an den Ursachen vorbei die falschen Antworten gibt und die sich dieser monetären Herausforderung nicht stellt. Darin sehe ich in den nächsten Wochen und Monaten die eigentliche Aufgabe in einem Verbund von Geldpolitik und Finanzpolitik. ({4}) Ich möchte für mich und die Mitglieder der Unionsfraktion die in dieser Woche geführte Debatte zusammenfassen. ({5}) Deutschland ist für die Herausforderungen, die schwierig sind, gut gerüstet. Wir haben eine zentrale Stabilisierung der Finanzmärkte nach der Lehman-Brothers-Pleite durchgeführt. Das war vor allen Dingen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger wichtig; denn das hat die Stabilisierung und die Garantie der Sparguthaben beinhaltet. Wir haben einen Arbeitsmarkt, der sich in guter Verfassung befindet. Es sollte nicht vergessen werden, dass wir mit unter 3 Millionen Arbeitslosen eine der besten arbeitsmarktpolitischen Situationen seit vielen Jahren haben. Der Dollarkurs stützt unseren Export. Auch wenn das nicht die einzige gute Nachricht in diesem Bereich ist, ist es doch gegenüber der schwierigen Situation hinsichtlich des Dollars vor einigen Wochen eine erhebliche Erleichterung. Die Rohstoffpreise sinken. Die Inflation bei den Energiepreisen ist zumindest vorübergehend gebändigt. Ja, es ist richtig, wir stehen vor wichtigen Aufgaben, vor allen Dingen in der Geldpolitik. Aber wir haben durch das, was wir in dieser Woche beschlossen haben und beschließen werden, den Anteil geleistet, den die Politik leisten kann und leisten sollte. Wir haben das mit Maß und Mitte und auch mit Verantwortung getan. Die soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt. Der Etat für das Jahr 2009 ist ein guter Ausdruck der gemeinsamen Politik der Großen Koalition. Ich empfehle ihn Ihnen allen zur Zustimmung. Herzlichen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun die Kollegin Anna Lührmann das Wort.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Steinbrück, dieses Jahr nehmen Sie aller Voraussicht nach 48,5 Milliarden Euro Steuern mehr ein als im Jahr 2005. Trotzdem haben Sie es nicht geschafft, den Haushalt auszugleichen. Das ist der Kardinalfehler Ihrer Amtszeit. Sie haben die wirtschaftlich guten Zeiten nicht für die Konsolidierung genutzt. ({0}) Ich schaue mir jetzt nur die Haushaltsjahre 2006, 2007 und 2008 an. In diesen Jahren Ihrer Amtszeit wurden bisher 54 Milliarden Euro neuer Schulden aufgenommen. Das geschah trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung mit Wachstumsraten von 3 und 2,5 Prozent. Sie haben das Erreichen des Ziels eines ausgeglichenen Haushalts auf das Jahr 2011 verschoben. Da ist Ihnen jetzt die Finanzmarktkrise dazwischengekommen. Ich weiß schon, was Sie gleich sagen werden, wenn Sie hier reden werden. Sie werden sagen: Die Finanzmarktkrise konnte keiner vorhersehen, wir sind keine Hellseher. - Aber jeder weiß: Auf Konjunkturaufschwünge folgen Konjunkturabschwünge. - Sie haben für harte Zeiten wie diese nicht vorgesorgt. Sie haben so getan, als würde die Konjunktur immer so weitergehen. Diesen Fehler haben Sie begangen. Das werfen wir Ihnen vor. ({1}) Es stimmt, dass es fahrlässig wäre, in den Abschwung hineinzusparen. Man muss jetzt die automatischen Stabilisatoren wirken lassen und Wachstumsimpulse setzen. Aber ich werde schon ein bisschen nachdenklich, wenn ich höre, dass viele Politikerinnen und Politiker, aber zum Beispiel auch Kommentatoren sagen, jetzt - im Abschwung - sei die Zeit für eine keynesianische Wirtschaftspolitik gekommen. Aber wenn die Wirtschaft wieder besser läuft, haben das alle wieder vergessen. Das ist genau das Problem. Denn eine keynesianische Wirtschaftspolitik oder generell eine Wirtschaftspolitik, die von atmenden Haushalten spricht, zeichnet sich dadurch aus, dass in guten Zeiten Defizite abgebaut werden müssen und der Haushalt konsolidiert werden muss, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Kraft und den Spielraum zu haben, Schulden machen zu können. Das ist genau das, was viele vergessen. Deshalb regt es mich so auf, wenn man davon redet, dass jetzt Schulden gemacht werden müssen, das dann aber in Aufschwungphasen weiterhin betrieben wird. ({2}) Aus diesem Grund finde ich es so wichtig, Herr Steinbrück - auch wenn er mir gerade nicht zuhört -, dass gerade jetzt eine Schuldenbremse eingezogen wird. Eine Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild schreibt genau das fest. Danach ist vorgesehen, dass in wirtschaftlich guten Zeiten konsolidiert werden soll, dass eher Überschüsse erwirtschaftet werden sollen, damit in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Luft da ist, um konjunkturelle Impulse geben zu können. Das muss festgeschrieben werden. Das wäre eine große Reform, für die man die Mehrheit in Bundestag und Bundesrat braucht. Ich frage mich, wer die Kraft haben soll, eine solche Reform umzusetzen, wenn nicht eine Große Koalition, die diese Mehrheit hätte. Aber das schaffen Sie nicht, weil das eine wirklich große Reform bedeuten würde. Stattdessen machen Sie lauter große Gipfel im Kanzleramt mit den Automobilfirmen und sonst wem. Bald ist die Legislaturperiode vorbei, und Sie haben an großen Reformen nichts, aber auch gar nichts hinbekommen. ({3}) Jetzt noch einmal zum konkreten Haushaltsentwurf für 2009. Es ist ganz klar, dass die Regierung aufgrund der aktuellen Entwicklung einen neuen Haushalt hätte vorlegen sollen; denn die Wachstumsprognosen und auch andere Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Stattdessen hält die Regierung weiter an ihrer Salamitaktik fest, ebenso wie die Banker zu Beginn der Finanzkrise, als sie immer gesagt haben, so schlimm werde es schon nicht kommen. Herr Steinbrück hat noch im September gesagt, dass er die Krise für ein amerikanisches Problem halte, das mit uns nur sehr wenig zu tun habe. In der Bereinigungssitzung letzte Woche waren Sie immerhin so ehrlich, den Ansatz für die Schulden im nächsten Jahr zu verdoppeln. Aber das ist trotzdem nur die halbe Wahrheit, wie ich Ihnen an drei Punkten verdeutlichen möchte: Der erste Punkt. Sie haben ein Sondervermögen „Finanzmarkt“ geschaffen. Das ist ein Schattenhaushalt; das heißt, es ist das Gegenteil von Transparenz und Kontrollmöglichkeiten für das Parlament, weil wir jetzt bei den Haushaltsberatungen für das nächste Jahr darüber nicht mehr beraten können. ({4}) Die Regierung sagt selber, dass sie mit Bürgschaftsausfällen in Höhe von 20 Milliarden Euro in den nächsten Jahren rechnet. Davon ist im Haushalt nichts zu finden. Ehrlicherweise müssten Sie mindestens die Hälfte davon in den Haushalt für das nächste Jahr einstellen. ({5}) Der zweite Punkt. Sie haben die Wachstumsprognose zwar von 1,2 auf 0,2 Prozent korrigiert. Aber leider haben fast alle Wirtschaftsexperten ein Minus vor ihrer aktuellen Wachstumsprognose für das nächste Jahr. Die OECD sagt minus 0,9 Prozent voraus, der IWF minus 0,8 Prozent, die Bundesbank minus 1 Prozent. Da frage ich mich: Wo haben Sie Ihre 0,2 Prozent her? Von wem werden Sie da eigentlich beraten? Mit der Realität hat das wirklich nichts zu tun. ({6}) Der dritte Punkt, warum Ihr Haushaltsentwurf unehrlich ist. Sie haben die großen Ausgabenblöcke, die mit der Konjunktur schwanken, nicht angepasst. Da sind vor allen Dingen die Arbeitslosengeld-II-Kosten zu nennen. Jeder geht davon aus, dass wir nächstes Jahr mehr für das Arbeitslosengeld ausgeben müssen, weil wir leider mit einem wirtschaftlichen Abschwung zu rechnen haben. Aber was macht die Koalition? Sie hat 1,5 Milliarden Euro weniger für das Arbeitslosengeld II eingestellt. Das ist wirklich der Gipfel der Unseriosität. ({7}) Wenn man die Risiken, von denen ich gerade gesprochen habe, addiert, dann kommt man auf eine Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr von um die 40 Milliarden Euro. Wenn Sie wirklich so ehrlich wären, Herr Steinbrück, wie Sie uns gleich sicherlich wieder erzählen werden, dann müssten Sie das hier zugeben. Stattdessen halten Sie weiter an Ihrer Salamitaktik fest. Das führt zu Vertrauensverlust und ist wirklich unseriös. Viele sagen, eine Nettokreditaufnahme von 40 Milliarden Euro sei nicht so schlimm; im Gegenteil: Je höher die Verschuldung jetzt sei, umso schneller kämen wir aus der Krise heraus. Gilt denn hier wirklich das Motto „Viel hilft viel“? Nein, die Qualität der Ausgaben ist entscheidend, und vor allen Dingen die lässt bei Ihrem Konjunkturpaket zu wünschen übrig. ({8}) Dafür möchte ich nur ein Beispiel anführen: die KfzSteuer. Wer im nächsten halben Jahr ein Auto kauft, soll ein Jahr lang keine Kfz-Steuer zahlen, und zwar unabhängig vom CO2-Ausstoß des gekauften Autos oder anderen umweltschädlichen Gesichtspunkten. Keiner wird wegen dieser Vergünstigung ein Auto kaufen; es kostet auch so ziemlich viel Geld. Der ganze Vorschlag ist ökonomischer Unfug. Hinzu kommt: Demjenigen, der einen dicken Audi-Geländewagen kauft, sollen 1 852 Euro erlassen werden, während demjenigen, der einen kleinen Smart kauft, nur 135 Euro erlassen werden. Das heißt, diese Maßnahme ist auch noch sozial ungerecht. Außerdem: Man bekommt umso mehr Geld erlassen, je mehr CO2 das gekaufte Auto in die Luft pustet. Das ist wirklich absurd und hat mit Klimaschutz überhaupt nichts mehr zu tun. ({9}) Man sieht: Die 600 Millionen Euro, die im Haushalt des nächsten Jahres für Klimaschutz vorgesehen sind, sind wirklich ein Tropfen auf den heißen Stein. Ihre Konjunkturpolitik ist von vorgestern. Herr Gabriel hat auf einer Klimakonferenz vorgeschlagen, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel für den Neubau von Kohlekraftwerken genutzt werden. Das heißt, Sie machen in der Klimaschutzpolitik zwei Schritte vor und drei zurück. Das ist wirklich das Gegenteil von einer nachhaltigen Umwelt- und Wirtschaftspolitik. ({10}) Die ganze Welt redet jetzt über das, was man eigentlich machen müsste, um aus der Finanz- und Klimakatastrophe herauszukommen: Man soll die Chance der Krise nutzen. Der ökologische Umbau der Wirtschaft ist notwendig, damit wir nicht weiter auf Kosten künftiger Generationen wirtschaften. Das heißt, man muss in Innovationen investieren, und das gibt der Konjunktur einen guten Impuls, den wir jetzt so dringend brauchen. Die Zeitungen sind voll von dieser Idee: Ban Ki-moon, der UN-Generalsekretär, schlägt einen New Green Deal vor. Er will „zwei Krisen mit einer Klappe“ schlagen. Der Spiegel titelt: „Konzernchefs für Klimaschutz“. Selbst Obama will eine Führungsrolle für die USA. Er will unsinnige Ausgaben, durch die das Klima verpestet wird, zugunsten nachhaltiger Ausgaben kürzen. Über die Politik der Bundesregierung heißt es in einer Überschrift der Berliner Zeitung: „Konjunkturkrise stoppt Klimaschutz“. Sie haben die Zeichen der Zeit wirklich nicht erkannt. Die ganze Welt redet vom Klimaschutz; nur die Bundesregierung macht eine Konjunkturpolitik von vorgestern. ({11}) Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen eine ganze Menge Vorschläge gemacht: einen Energiesparfonds mit einem Umfang von 3 Milliarden Euro, eine deutliche Ausweitung der Gebäudesanierung, Impulse für Elektromobilität und für mehr Verkehr auf der Schiene und den Abbau der ökologisch schädlichen Subventionen wie die Befreiung des gewerblichen Flugverkehrs von der Energiesteuer für Kerosin und anderes. Wo wir beim Thema Subventionen sind. Sie von der Union tun immer so, als würde die Atomenergie nichts kosten und wäre außerdem noch gut, um das Klima zu schützen. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Die Atomenergie ist gefährlich; das ist sowieso klar. Wenn man sich den Haushalt 2008 einmal ganz genau anschaut, dann stellt man fest: Für die Atomenergie wurde so viel ausgegeben, wie Sie jetzt für den Klimaschutz ausgeben wollen. Für den Rückbau von kerntechnischen Anlagen hat man rund 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Gesamtsumme der in Haushalten veranschlagten Ausgaben für die Atomkraft beträgt 31 Milliarden Euro; darin sind die enormen Kosten zur Sanierung der Asse, dieses „abgesoffenen“ Forschungsendlagers, noch nicht enthalten. Es ist ganz klar: Die Atomenergie ist nicht nur gefährlich, sondern kostet auch ganz schön viel Geld, das uns jetzt fehlt, um aus der Klimakrise und aus der Finanzkrise herauszukommen. ({12}) Für mich ist eindeutig: Die Große Koalition ist nur groß darin, künftigen Generationen große Probleme, eine Klimakatastrophe und auch eine ganze Menge Schulden mit auf den Weg zu geben. Sie haben in guten Zeiten keine Vorsorge zur Bewältigung der Krise, die jetzt vor uns steht, getroffen. Sie machen eine Konjunkturpolitik ohne Richtung. Es wird wirklich höchste Zeit, dass Sie abgewählt werden. Vielen Dank. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück. ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, wenn ich auf die drei Reden der Oppositionspolitiker nicht eingehe, weil ich nur sehr wenig Zeit habe, und eher versuchen möchte, einige sehr grundsätzliche Anstriche zu zeichnen. Im Übrigen enthielten diese Reden und Zusammenfassungen auch nichts Überraschendes. ({0}) - Dass aus der Oppositionsriege kommt, dass wir abgewählt werden müssten und dass das alles nichts taugt, ist nun wirklich nichts Überraschendes. ({1}) Ich habe in meiner Rede in der zweiten Lesung versucht, Begriffe wie „Beständigkeit“ und „Stetigkeit“ aufzugreifen. Die Kanzlerin hat in ihrem Redebeitrag von Maß und Mitte gesprochen. Ich würde ganz gerne Ihre Aufmerksamkeit darauf richten, in welcher großen Geschwindigkeit wir es mit Themen- und Szenenwechseln, mit Akzentveränderungen zu tun haben. Mein Rat an die Bundesregierung, an die Koalitionsfraktionen ist in der Tat der gleiche, den auch Herr Kampeter gibt: dies nicht dem Aktionismus zu opfern, sondern diese Stetigkeit und Beständigkeit in Zeiten, in denen es wirklich abrupte Szenenwechsel gibt, einigermaßen beizubehalten. Ich will solche Beispiele geben. Es ist noch nicht sehr lange her, dass wir uns - wahrscheinlich über die Fraktionsgrenzen hinaus - einig gewesen sind, dass wir eine nachhaltige Wachstumspolitik betreiben müssen. Anders als manche Oppositionsrednerinnen und -redner glaube ich, dass die Bundesregierung einen Teil der Steuermehreinnahmen im Sinne dieser nachhaltigen Wachstumspolitik richtig verwandt hat, ({2}) indem wir Forschung und Entwicklung, Infrastruktur, das Elterngeld, das BAföG und den Hochschulpakt finanziert haben. ({3}) Deshalb trifft mich der Vorwurf von vielen nach dem Motto: „Du hättest mit allen Steuermehreinnahmen nur Haushaltskonsolidierung betreiben müssen“ nicht. Der entscheidende Punkt ist vielmehr gewesen, beides zu tun und Impulse für die Zukunft dieses Landes zu setzen. Das bedeutet, dass man insbesondere in Forschung und Entwicklung, in Hochschulen und in die Erziehung der Kinder finanziert und gleichzeitig konsolidiert. Dies ist Common Sense gewesen. ({4}) Jetzt haben wir es mit einem sehr schnellen Szenenwechsel zu tun. Plötzlich sind alle der Auffassung, dass wir in der Rezession, in der wir stecken, nur noch dem Motto folgen sollen: Viel hilft viel. ({5}) Je höher die Etatisierung ist, je mehr Geld wir in die Hand nehmen - unbenommen der Fragestellung, ob wir darüber wirklich eine nachhaltige Wachstumspolitik betreiben -, sind wir dabei, uns fast im Tagesrhythmus in den Summen zu übertreffen, die in die Hand genommen werden sollen, um der weltweiten Rezession und ihrer Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland entgegenzuwirken. Dies ist innerhalb weniger Wochen eine vollständige Akzentverschiebung. Die gleiche Erfahrung mache ich mit Blick darauf, dass wir bis in die jüngsten Wochen hinein, bis in den Sommer dieses Jahres vor dem Hintergrund einer sehr bedenklichen Inflationsentwicklung fast erstarrt gewesen sind. Inzwischen ist die Inflationsentwicklung vollständig nach unten gerichtet. Im Vorjahresmonatsvergleich liegt die Inflation jetzt nur noch bei 1,4 Prozent, und plötzlich steigt das neue Gespenst einer Deflation auf. Dies ist innerhalb weniger Wochen eine Akzentverschiebung. Erst Inflationsgefahr, und jetzt werde ich mit der Fragestellung konfrontiert, ob wir es nicht eigentlich längst mit Maßnahmen einer Deflationsbekämpfung zu tun haben müssten. Nächster Szenenwechsel. Wir haben es mit einem Euro zu tun gehabt, der noch vor einem halben Jahr in vielen Gesprächen insbesondere mit der deutschen Exportindustrie als ausgesprochenes Hindernis für die Exportstrategien bezeichnet wurde. Seinerzeit sind bei einem Eurokurs von 1,26 bzw. 1,27 in Dollar in einer aufsteigenden Entwicklung viele Leute in meinem Büro erschienen, weil sie meinten, dies sei ein zu starker Euro. Heute haben wir nach einem Peak von fast 1,50 wieder einen Eurokurs von 1,25 bzw. 1,26 in einem absteigenden Ast - wie lange diese Entwicklung andauert, weiß keiner -, und plötzlich stehen dieselben Leute vor meinem Schreibtisch und sagen: Wir haben einen schwächelnden Euro. - Dies ist eine Entwicklung innerhalb von vier, fünf, sechs Wochen. Das Gleiche haben wir mit Blick auf die Energiepreise erlebt. Wir haben im Juli dieses Jahres beim Rohöl einen durchschnittlichen Barrelpreis von 134 Dollar gehabt. Inzwischen ist er auf unter 50 Dollar hinunter. Können sich alle in diesem Hohen Haus noch an die Erregungszustände bei diesem Barrelpreis vor drei, vier Monaten erinnern? ({6}) Haben wir nicht einige Maßnahmen, wie zum Beispiel das Vorziehen der Wohngeldnovelle, vor dem Hintergrund dieser enorm hohen Energiepreise vorgenommen? Allein das Absinken des Monatsdurchschnittspreises von 134 Dollar auf jetzt unter 50 Dollar ist übrigens eine Erleichterung, eine Förderung für diejenigen, die konsumieren, von 6 Milliarden Euro. Kein Mensch redet darüber. Wenn wir es nächstes Jahr mit einer gegenüber diesem Jahr ähnlichen monatsdurchschnittlichen Entwicklung zu tun haben sollten - ich hatte jüngst die Gelegenheit, mit einem BP-Vorstandsmitglied aus London darüber zu reden; die rechnen im nächsten Jahr mit einer Schwankungsbandbreite von vielleicht 45 bis 60 Dollar -, dann ist das eine Entlastung für diejenigen, die in diesem Jahr unter den hohen Benzinpreisen, Heizölpreisen und mit einem Zeitverzug auch unter den Erdgaspreisen zu leiden gehabt haben, in einer Dimension von 15 Milliarden Euro. Keiner redet davon. Den größten und abruptesten Szenenwechsel hat es mit Blick darauf gegeben, dass wir es alle für richtig erachtet haben, die öffentlichen Haushalte in Deutschland zu konsolidieren, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit - was müssen eines Tages unsere Kinder und Enkelkinder an Kapitaldienst leisten, weil wir über unsere Verhältnisse leben? -, ({7}) sondern auch mit Blick darauf, dass wir wieder größere Spielräume in den Haushalten erschließen müssen, damit die Zinsgarrotte, die Zinsschlinge, die wir um den Hals haben, nicht immer enger wird, sondern letztlich unsere Möglichkeiten, in die Zukunft dieses Landes zu investieren, wieder erweitert werden. Plötzlich haben wir einen Szenenwechsel, und die Nettokreditaufnahme kann gar nicht schnell genug gesteigert werden. ({8}) Wir werden nicht nur von unseren eigenen politischen Debatten getrieben, sondern auch von denen, die in der wissenschaftlichen Expertise rasante Tanzschrittwechsel vornehmen - bis hin zum Sachverständigenrat -, was mir dann hier vorgehalten wird. Das gilt auch für all die Professoren, von denen man täglich etwas in der Zeitung lesen kann - ich habe gar nicht gewusst, dass es so viele deutsche Professoren gibt, die auch Finanzmarktfachleute sind -, ({9}) und die medialen Verstärker, die uns in genau diese Richtung treiben wollen. Sie erzeugen ein Klima, bei dem wir fast den Eindruck haben, wir müssten jede Woche noch mehr bieten. Es gibt das Märchen vom kleinen Häwelmann, der immer schreit: „Mehr, mehr!“ Und, haben wir den Eindruck, dass das vertrauensbildend ist? ({10}) Ich glaube nicht, dass das vertrauensbildend ist. Ich rate dazu, das weiterzuverfolgen, was wir als richtig erkannt haben. Es bleibt dabei, dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ein Ziel sein muss, schon allein, weil ich am Ende dieser Legislaturperiode nicht dort enden will, wo wir angefangen haben: bei einer strukturellen Verschuldung des Bundes von 55 Milliarden Euro. Dann hätte diese Große Koalition keinen guten Job gemacht. ({11}) Ein anderer Vorschlag, auf den ich kurz eingehen will, ist ein großes Steuersenkungsprogramm. Herr Westerwelle hat wesentliche Teile seiner Redezeit darauf verwandt. Worauf Sie nicht eingegangen sind, Herr Westerwelle, sind drei von mir nicht agitatorisch vorgetragene Hinweise: Erstens. Ich habe versucht, Sie darauf hinzuweisen, dass die Hälfte der ungefähr 47 Millionen privaten Haushalte in Deutschland gar nicht einkommensteuerpflichtig ist. Das heißt, eine Steuersenkung erreicht diese Menschen gar nicht. Zweitens habe ich Sie darauf hingewiesen, dass 50 Prozent derjenigen, die steuerpflichtig sind, lediglich 6 Prozent des Steueraufkommens erbringen, das heißt, durch Steuererleichterungen in ihrer Konsumkraft keineswegs gestärkt werden. Dann habe ich Sie drittens darauf hingewiesen, dass diejenigen, die allemal über einen finanziellen Spielraum verfügen und zusätzlich etwas ausgeben könnten, also die aus den höheren Einkommensetagen, die höchsten Sparquoten haben, die man sich vorstellen kann. ({12}) Ich würde gerne mit Ihnen in eine sachliche Debatte darüber einsteigen, welchen Konjunktureffekt eine solche Steuersenkung haben kann. Oder versuchen Sie lediglich, eine Umverteilungspolitik unter dem Mantel der Konjunkturpolitik zu betreiben? ({13}) Das ist nichts anderes als Umverteilungspolitik. Die Wählerklientel, die Sie erreichen wollen, was aus Sicht der FDP ja legitim sein mag, besteht vornehmlich aus denjenigen, die ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 4 000 oder 5 000 Euro haben und bei denen die Sparquote laut Statistischem Bundesamt bei 22 Prozent liegt. Das ist irrelevant für die Konjunkturentwicklung und für die Konjunkturpolitik. ({14}) Vor dem Hintergrund bitte ich darum, gelegentlich manche Argumente mit Blick auf den konjunktursteigernden Effekt von Steuersenkungsprogrammen endlich einmal zu entkleiden und auf das zurückzuführen, worum es geht: Das ist eine klare Umverteilungspolitik, die Arme und Reiche in Deutschland noch weiter auseinanderziehen würde. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ja, bitte.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, dass Steuersenkungen nur diejenigen entlasten, die Steuern zahlen, liegt in der Natur der Sache. ({0}) Ich halte das für logisch. Diejenigen, die Steuern zahlen, ziehen übrigens den Karren in der Republik. Alles, was Sie so gerne verteilen, wird, nebenbei bemerkt, von den Steuerzahlern erst einmal erwirtschaftet. ({1}) Das war aber gar nicht mein Punkt. Da Sie sich zum Thema Steuersenkungen mit der Fraktion der Freien Demokraten auseinandergesetzt haben, frage ich - Sie haben den Beifall bemerkt -: Wie bewerten Sie die Beschlüsse, die mutmaßlich auf dem Bundesparteitag der CDU zum Thema Steuersenkungen in der nächsten Woche gefasst werden?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Der erste Punkt von Ihnen war keine erhellende Erkenntnis. ({0}) - Er hat die Diskussion aber nicht vorangebracht. ({1}) Das Zweite ist: Jede Partei im Wettbewerb beschließt das, was sie für richtig hält. ({2}) - Ja, selbstverständlich. - Ich sage Ihnen nur: Diese Vorschläge werden an den Fakten zerschellen. Sie werden zum Beispiel daran zerschellen, dass auf dem Bildungsgipfel, der vor kurzem stattgefunden hat, gesagt wurde, dass wir eigentlich 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung ausgeben müssten. 3 Prozent müssen wir für Forschung und Entwicklung ausgeben. Wir müssen die ODA-Quote erfüllen. Wir müssen 9 Milliarden Euro mit Blick auf die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen wegstecken. Wir müssen unsere Zuschüsse an die Krankenversicherungen 2009 um 1,5 Milliarden Euro erhöhen. Ich sage Ihnen: Die normative Kraft des Faktischen wird meine Position bestätigen. ({3}) Das ist meine Antwort. Da ich nicht auf einem Auge blind bin, will ich mich nicht nur auf das Thema Steuersenkungen kaprizieren, sondern blicke auch auf staatlich geförderte Ausgabenprogramme. ({4}) Die Vorstellung, man müsse einfach nur etatisieren, bereits das hätte einen Konjunktureffekt, ist natürlich irrig. Das einzig Konjunkturfördernde ist der Mittelabfluss in konkrete Projekte. Dieser ist begrenzt. ({5}) Das heißt, wenn mir oder Herrn Tiefensee jetzt jemand vorschlägt, die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur um 8 Milliarden Euro zu erhöhen, dann hat das keinerlei konjunkturfördernden Effekt, wenn bis zum Ende des Jahres 6 Milliarden Euro davon nicht abfließen. ({6}) Dieser Überbietungswettbewerb muss sich daran messen lassen, ob die Kommunen, die Länder und der Bund dort, wo er Träger dieser Maßnahmen ist, die Mittel im nächsten Jahr so zur Anwendungen bringen können, dass sie investitionssteigernde, arbeitsplätzeerhaltende oder arbeitsplatzschaffende Effekte haben. Ich bitte, die entsprechenden Maßnahmen zukünftig daran zu bemessen ({7}) und nicht einfach nur weiteren Vertrauensverlust in diesem Überbietungswettbewerb zu bewirken. Ich habe auch nach allen internationalen Debatten den Eindruck, dass eines der Hauptprobleme der jetzigen Rezession kreditfinanzierte Wachstumsprogramme der Vergangenheit sind. Wenn diese Analyse zutreffend ist, dann stelle ich die Frage, ({8}) warum wir diesen Fehler weiter fortsetzen sollen? Können wir darüber eine Debatte führen? ({9}) Wenn viele darauf hinweisen, dass insbesondere in den USA, aber auch bei uns ein maßgeblicher Grund dieses Hineinpumpen von Liquidität gewesen ist, kreditfinanziert, und zwar nicht nur in Richtung der staatlichen Ausgaben, sondern bei vielen auch in Richtung der privaten Verbraucher - anders ist die Situation in den USA, wo es eine negative Sparquote von minus 0,5 bis 1 Prozent gibt, überhaupt nicht zu erklären -, warum sollen wir dann diesen Fehler aufgrund von manchen Empfehlungen der wissenschaftlichen Expertise leichtfüßig wiederholen? ({10}) Meine vorletzte Bemerkung: Wir haben die beiden Pakete, wie ich sie nennen möchte - Herr Kampeter hat darauf hingewiesen -, die die Bundesregierung verabschiedet hat und die von Ihnen weitergetragen werden - sowohl das vom 7. Oktober als auch das vom 5. November -, noch nicht einmal zur Wirkungskraft gebracht, und schon überholen wir uns wieder selber mit den nächsten Vorschlägen. Sind wir nicht ganz gut beraten, erst einmal abzuwarten, wie diese 31 Milliarden Euro mit ihren Hebelwirkungen etwas in Gang setzen, das in dieser Rezession hoffentlich abschirmender Natur ist? Wir werden den gesetzgeberischen Abschluss erst am 19. Dezember dieses Jahres im Bundesrat erleben. Ich sage Ihnen voraus, dass wir mit den Ländern noch eine der schärfsten Auseinandersetzungen über die Finanzierung dieser beiden Pakete bekommen werden. ({11}) Ich wäre sehr dankbar, wenn die Position des Bundes, dass der Bund Kompromisse nicht finanzieren muss, partei- und fraktionsübergreifend aus diesem Haus gegenüber den 16 Ländern - egal ob A oder B - endlich einmal unterstützt werden könnte. ({12}) Denn das geht eindeutig und einseitig zulasten des Bundeshaushaltes. ({13}) Ludwig Erhard hat einmal gesagt, dass 50 Prozent der Wirtschaft Psychologie sind. Ich glaube, dass zu dieser Psychologie eine Kategorie gehört, die sehr weich ist und die man nicht kaufen kann, nämlich das Vertrauen. Mein Plädoyer lautet, dass im Sinne von Vertrauensbildung Kontinuität, Stetigkeit und Beharrlichkeit eine größere Qualität haben sollen als Aktionismus und tägliche Tapetenwechsel in der wirtschafts- und finanzpolitischen Debatte, zu denen wir gelegentlich beitragen. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Otto Fricke das Wort. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Als Haushaltsausschussvorsitzender darf ich als Erstes in dieser Schlussrunde dem Kollegen Kampeter sagen, er solle für den Rest der Debatte ruhig sein. Als Zweites darf ich mich beim Sekretariat, bei den Mitarbeitern des Ministeriums, bei den Mitarbeitern der Fraktionen und nicht zuletzt bei den Mitarbeitern der Abgeordnetenbüros für die harte Arbeit bedanken. ({0}) Es waren insgesamt 60 Stunden Sitzungen, 1 053 Anträge, dazwischen noch einmal eben ein FinanzmarktOtto Fricke stabilisierungsgesetz mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro. ({1}) Warum rattere ich dies so runter? Weil wir manchmal dachten: Wann kommen wir eigentlich noch zum Nachdenken? Wann schaffen wir es, an der Stelle so zu reagieren, wie es die Bürger von uns erwarten? Herzlichen Dank. Ich hoffe, dass wir alle eine gute Arbeit geleistet haben, auch wenn wir nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden sind. ({2}) Zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Noch kein Haushalt in dieser Legislaturperiode war von Haushaltsklarheit und -wahrheit so weit entfernt wie dieser Haushalt. ({3}) Er ist ein reiner Wahlkampfhaushalt. Er wird - das prophezeit Ihnen nicht nur meine Fraktion, sondern das prophezeien Ihnen auch alle anderen - höchstens bis zum September nächsten Jahres gelten. Dann werden wir wieder von Ihnen hören: Wir haben uns die Zahlen und Unterlagen noch einmal ein bisschen genauer angesehen. Es tut uns leid, aber die Nettokreditaufnahme wird höher ausfallen. Herr Steinbrück, das erinnert mich ein wenig an Ihren Vorgänger, an Hans Eichel. Was geschah denn im Jahre 2005? Die Nettokreditaufnahme sollte 22 Milliarden Euro betragen. Gelandet ist man letztlich bei einem Betrag in Höhe von 31,2 Milliarden Euro. ({4}) Genau dasselbe droht auch Ihnen. Dabei wissen Sie es besser, und dabei könnten Sie es wahrscheinlich auch besser. Sie wollen aber leider nicht. Zu Ursache und Wirkung. Sie haben auch heute wieder auf die Finanzmarktkrise und auf die Ereignisse des 15. September dieses Jahres hingewiesen und die Frage in den Raum geworfen: Wer konnte all das ahnen? Seien wir einmal ehrlich, Herr Steinbrück: Sie wussten, dass die Industrieproduktion seit mehreren Monaten rückläufig ist. Sie wussten, dass auch die Zahl der Auftragseingänge rückläufig ist. In jeder Diskussion mit Bankern oder anderen Fachleuten, in der es um die Situation in den USA ging, haben Sie gehört, dass dort etwas nicht funktioniert. Sie wussten, was bei der IKB schiefgegangen ist. Sie wussten, dass dasselbe, was bei der IKB schiefgegangen ist, auch bei anderen Banken schiefgehen wird. Deswegen können Sie nicht sagen: Ich war völlig überrascht. - Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn. ({5}) Sie vergessen etwas, was in jedem Wirtschaftslehrbuch steht: In der Wirtschaft geht es nach oben und nach unten, obwohl sich der Bürger eigentlich nach Gleichmäßigkeit sehnt. In dem Moment, in dem man den Gipfel überschreitet, hat man eine ganz andere Perspektive. Daraus ergeben sich auch ganz andere Aufgaben. Sie aber tun so, als hätten Sie nicht gewusst, dass es, wenn man den Gipfel überschritten hat, bergab geht. So kann ein Finanzminister und so kann eine Große Koalition nach meiner Meinung nicht agieren. ({6}) Zu den Zahlen. Sie haben in dieser nun langsam zu Ende gehenden Legislaturperiode Steuermehreinnahmen in Höhe von 160 Milliarden Euro erzielt. Ihre Nettokreditaufnahme hatte in dieser Zeit eine Größenordnung von 70 Milliarden Euro. Da fehlt doch etwas! Richtig, die Ausgaben. Manche Ausgaben, zum Beispiel die Investitionen in Bildung und Forschung, waren richtig. Aber der überwiegende Teil der Ausgaben wurde verkonsumiert. Jetzt ist er futsch. Das wird letztlich unter dem Strich stehen, wenn man im Hinblick auf diesen Haushalt Bilanz zieht. Für den Bürger bedeutet sparen, die Ausgaben zu senken bzw. sie zumindest stabil zu halten. Sie hingegen haben die Ausgaben um 30 Milliarden Euro erhöht. Ich wiederhole: Die Ausgabensteigerung betrug 30 Milliarden Euro. Der Staat hat seine Ausgaben um 10 Prozent erhöht. Fragen Sie einmal die Rentner, ob auch ihre Renten in dieser Zeit um 10 Prozent gestiegen sind! Fragen Sie einmal die Arbeitnehmer, ob ihre Reallöhne um 10 Prozent gestiegen sind! Diese Ausgabensteigerung macht deutlich: Sie wollen nicht nur einen starken Staat. Sie wollen sogar einen fetten Staat, der den Bürgern das Geld wegnimmt. Den Bürgern gönnen Sie das Geld nämlich nicht. ({7}) Zum Streit innerhalb der Koalition, ob die Neuverschuldung bis zum September nächsten Jahres bei 10,5 Milliarden Euro bleibt. Wären Sie ein vorausschauender Minister und würde die Koalition vorausschauend handeln, hätten Sie sagen müssen: Wir sind uns nicht sicher, ob dieser Betrag ausreicht. Wir müssen abwarten. Es kann allerdings sein, dass er im September nächsten Jahres höher ist. Von der Politik erwartet man etwas anderes, als dass die Situation immer nur schöngeredet wird. Gerade dann, wenn es schlecht läuft, muss man den Bürgern die Wahrheit sagen. Man muss sich Gedanken darüber machen, was man tun kann, damit es wieder bergauf geht. Dieses Land hat verdammt viele Möglichkeiten, voranzukommen. Probleme gibt es überall auf der Welt. Überall wird über Detailfragen gestritten, und alles wird komplizierter. Wenn es aber ein Land gibt, das aus allem ein Problem macht, dann ist dieses Land mit Sicherheit Deutschland. Wir können die Probleme, die wir haben, lösen. Wir sind nur leider nicht schnell genug. Die mangelnde Schnelligkeit ist auch jetzt wieder unser eigentliches Problem. Sie wissen, dass es schlecht läuft. Sie wissen, dass der für das nächste Jahr beschlossene Umfang der Neuverschuldung in Höhe von 18,5 Milliarden Euro nicht ausreichen wird. Jetzt müsste man schnell reagieren. Unser Vorgehen im Zusammenhang mit dem Finanzmarktstabilisierungsfonds hat gezeigt, dass wir das können. Auch die FDP hat ihn unterstützt. Stattdessen warten Sie ab und sagen: Vielleicht handeln wir im Januar, vielleicht im Februar, vielleicht vor Karneval, vielleicht nach Karneval. Das ist falsch. Richtig wäre, jetzt schnell zu reagieren. Sie müssen dafür sorgen, dass sich die Kräfte unseres Landes wieder entfalten, dass die Abwärtsentwicklung gedämpft wird, sodass es bald bergauf geht und die Bürger wieder Vertrauen gewinnen. Das wäre Ihre Aufgabe. Da Sie das leider nicht tun, wird Ihnen die Entwicklung bis zum September nächsten Jahres sozusagen um die Ohren fliegen. Das ist sehr, sehr schade. ({8}) Manchmal habe ich das Gefühl, der Großen Koalition geht es nur um die Fragen: Ist es eine rote Null oder eine schwarze Null? Sind es rote minus 18,5 Milliarden Euro, oder sind es schwarze minus 18,5 Milliarden Euro? Seien wir ehrlich: Es sind schwarz-rote minus 30 Milliarden Euro, und vielleicht wird es sogar noch mehr. Sie bauen in diesem Haushalt Luftschlösser. Es ist leider so, dass Sie die Realität nach wie vor ignorieren. Ich komme noch kurz auf eine Frage zu sprechen, die von meinen Vorrednern schon aufgeworfen wurde: Auf welcher Basis stellt der Finanzminister bzw. die Große Koalition einen solchen Haushalt eigentlich auf? Im Kern geht es um das Wirtschaftswachstum. Sie haben am Dienstag auf die Frage danach gesagt: Na ja, ich gebe zu, dass es zwischen minus 1 Prozent - davon geht die Bundesbank aus - und plus 0,2 Prozent sein werden, womit wir uns am oberen Ende des Korridors bewegen. Das Problem ist: Das obere Ende des Korridors haben Sie selber bestimmt. Wenn Sie die Wirtschaftserwartungen der Bundesregierung herausrechnen, dann bewegen Sie sich tief im Minus. Das heißt, Sie selber definieren das Wachstum hoch, damit Sie das noch einigermaßen retten. Es sind Ihre eigenen falschen Voraussagen, mit denen Sie versuchen, sich gerade noch über Wasser zu halten. So kann man keinen Haushalt aufstellen. ({9}) Man kann auch noch sagen: Na ja, gut, aber an diesem Jahr kann man doch sehen, dass wir das alles richtig machen. - Ich will für alle Neugierigen nur kurz einen Hinweis geben: Wir haben das einmal zusammenrechnen lassen. In diesem Jahr haben Sie bereits über 4 Milliarden Euro überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben, und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Wir wissen noch gar nicht, wie hoch manche Zahlen sind. Das heißt, dass Sie schon jetzt wissen, dass Sie hinsichtlich der Neuverschuldung wahrscheinlich bereits in diesem Jahr ein riesiges Problem haben. Der Kollege Schneider hat die Privatisierungen angesprochen. Kollege Schneider, es wurden 10 Milliarden Euro etatisiert. Wie viel kommt heraus? - Es werden höchstens 5 Milliarden Euro sein. Auch hier haben Sie in diesem Haushalt ein Loch von 5 Milliarden Euro. Damit sind wir an dieser Stelle bei einem Risiko von 9 Milliarden Euro. ({10}) Sagen Sie doch, dass es auch dieses Jahr schon schlechter wird. Sie werden aber wieder versuchen, auch das mit der Endrechnung irgendwie zu verwischen, und dann irgendein falsches Konjunkturprogramm vorlegen. Nein, so kann man das nicht stehen lassen. ({11}) Wenn die Politik Wahrheit und Ehrlichkeit vertritt, dann muss sie bereit sein, zu sagen, wo es langgeht. Sie tun immer so, als sei es nicht möglich, auf der einen Seite Investitionen in die Zukunft zu tätigen und etwas für die Forschung zu tun und sich auf der anderen Seite um einen vernünftigen Haushalt zu kümmern. Zum dritten Teil einer guten Haushaltspolitik - ich meine das hier -, ({12}) nämlich Anträge zu stellen und Ausgaben zu reduzieren, können Sie wie immer sagen: Das ist nicht richtig. Sie könnten das aber tun. Sie haben doch die Fähigkeiten und die Leute dazu. Im Juli haben wir noch gedacht, dass wir diese Ausgaben brauchen. Seien wir aber ehrlich: Wir können sie uns im September, im Oktober und erst recht im November nicht mehr leisten. - Sie haben nicht den Mut, der Bevölkerung zu sagen, dass nicht mehr als das geht und dass wirklich nur das geht, was in schlechten Zeiten möglich ist. Sie sagen: Wir geben weiter aus, die Steuern nehmen wir später von genau den Generationen ein, für die wir eigentlich vernünftig agieren sollten. ({13}) Ich komme zum Schluss. Wer in der Bibel liest, der wird finden: Von Haushältern wird erwartet, dass sie für gerecht befunden werden. - Man kann dort auch das berühmte Gleichnis von den fetten und den mageren Kühen lesen, die diese fetten Kühe übrigens auffressen. ({14}) - Es ist mir völlig egal, aus welchem Teil der Bibel das ist. Sie sind für mich genau gleich wichtig, lieber Kollege Kalb von der CSU. ({15}) Diese Sünden der Vergangenheit werden Sie jetzt einholen. Das Vergessen des Grundsatzes „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ wird sich bitterlich rächen. So endet dann die Große Koalition leider auch in der Haushaltspolitik ganz klein. Herzlichen Dank. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Bartholomäus Kalb. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre dem Haushaltsausschuss nun seit etwa 20 Jahren an. Zum dritten Mal habe ich in diesem Jahr erlebt, dass wir während der Haushaltsberatungen von ganz einschneidenden, dramatischen Veränderungen getroffen worden sind. Zum Ersten war das der Fall der Mauer am 9. November 1989. Wir standen vor völlig neuen Herausforderungen. Niemand wusste genau, wie es weitergehen würde. Wir haben uns dieser Herausforderung seinerzeit aber gestellt, und ich meine, wir haben diese Herausforderung alles in allem gut bestanden. ({0}) Ich füge hinzu: Ich empfinde es auch heute, 19 Jahre später, noch als Glück und Segen für unser Land, dass die Teilung unseres Vaterlandes und unseres Kontinentes mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl überwunden ist. ({1}) Das zweite tiefgreifende Ereignis waren die Anschläge am 11. September 2001. Wir befanden uns hier in der ersten Lesung des Bundeshaushaltes 2002. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass wir am Dienstagnachmittag die Sitzung abbrechen und die Beratungen aussetzen mussten, um Krisengespräche zu führen. Dabei standen wir wieder vor völlig neuen Herausforderungen. Heute dürfen wir sagen: Auch damals wusste nicht jeder genau, welche einzelne Maßnahme ergriffen werden musste, aber die Politik und die Verantwortlichen sind ihrer Verantwortung gerecht geworden und haben diese Herausforderungen bewältigt. In diesem Jahr sind wir von der Wucht der internationalen Finanzkrise erfasst worden, wie wir sie nie für möglich gehalten hätten. Wir mussten während der Haushaltsberatungen in einer unglaublichen Geschwindigkeit das Finanzmarktstabilisierungsgesetz verabschieden, viele andere Maßnahmen ergreifen und jetzt auch das Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung auflegen. Selbstverständlich können nicht immer alle Fragen, die sich stellen, gleich präzise beantwortet werden. Darauf hat der Bundesfinanzminister hingewiesen. Die Entwicklung kann nicht zuverlässig prognostiziert werden. Niemand kann genau vorhersagen, was noch auf uns zukommt und welche Maßnahmen möglicherweise notwendig werden. Aber diese drei tiefgreifenden Ereignisse haben eines gemeinsam: In dieser Situation konnten sich die Menschen im Land auf die Politik verlassen. Die demokratischen Institutionen waren funktionsfähig. Regierung und Parlament haben ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein gezeigt. Ich füge hinzu: Die Fraktionsgrenzen sind weitestgehend überwunden worden. Die Parlamentarier sind ihrer Verantwortung im Interesse der Menschen in unserem Land gerecht geworden. ({2}) Ich gehe davon aus, dass es ein gutes Zeichen ist, das den Menschen Hoffnung geben und Sicherheit vermitteln kann, dass dann, wenn es darauf ankommt, auf die Politik, die Regierung und die Parlamentarier Verlass ist. ({3}) Es mag ja sein, dass man in der Rückschau sagen wird: Das eine oder andere hätte man noch besser machen können. - Hinterher weiß man sowieso immer alles besser. Aber ich halte es lieber mit Franz Josef Strauß, der einst sinngemäß gesagt hat: Lieber ungenau richtig als exakt falsch. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Bundeswirtschaftsminister Michael Glos pflegt immer zu sagen: Wer schnell gibt, gibt doppelt. - Das gilt gerade auch in krisenhaften Situationen. Jetzt waren schnell wirkende Maßnahmen erforderlich; die haben wir ergriffen. Natürlich schmerzt es einen Haushälter, wenn wir feststellen müssen, dass wir die Nettokreditaufnahme erhöhen müssen und dass das selbstgesteckte Ziel des ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2011 so nicht erreicht wird. Aber jetzt kommt es darauf an, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Konjunktur zu stützen und die Beschäftigung zu sichern. Deswegen sind im Bundeshaushalt die Investitionen auf 27 Milliarden Euro erhöht und steuerliche Maßnahmen ergriffen worden. Ich nenne nur die Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen, haushaltsnahe Dienstleistungen und das KfW-Kreditprogramm. Das ist alles sehr wichtig. Gerade die Kreditversorgung des Mittelstands ist in dieser Debatte wiederholt angesprochen worden. Ich bin sicher, dass die vorgesehene weitgehende Haftungsfreistellung der Banken sehr gut wirken wird. Den Rettungsschirm, den wir mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz aufspannen, haben wir nicht beschlossen, weil wir die Banker und die Banken so sehr lieben, sondern weil wir den Menschen in diesem Land, der Wirtschaft und den Beschäftigten in diesem Land zu dienen haben. Dafür haben wir diese Maßnahmen ergriffen. ({5}) Ein funktionierendes Bankenwesen und eine funktionierende Kreditwirtschaft sind nun einmal eine Voraussetzung dafür, dass die Arbeitsplätze erhalten werden können, dass die Wirtschaft funktioniert und Existenzen nicht in Gefahr geraten. Aber wir können alle diese Maßnahmen und Probleme, die sich stellen, nicht allein auf nationaler Ebene bewältigen. Wir sind ein exportorientiertes Land. Über 60 Prozent unserer Industrieproduktion gehen in den Export. Das heißt, wir brauchen auch international abge20636 stimmte Maßnahmen. Ich danke der Frau Bundeskanzlerin und den Mitgliedern der Bundesregierung ganz herzlich, dass auch hierbei die wichtigsten Maßnahmen auf internationaler und europäischer Ebene eingeleitet und koordiniert wurden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen noch nicht, was auf diesem Gebiet noch alles auf uns zukommen wird. Es ist diese Woche schon gesagt worden: Wir müssen auf Sicht fahren. Wir brauchen verschiedene Instrumente, auch solche, die schnell helfen, aber keine Instrumente, bei deren Einsatz das Geld dann nur versickert. Vielmehr brauchen wir Maßnahmen, die im Hinblick auf die Konjunktur wirken. Daneben müssen wir natürlich auch schon jetzt die Voraussetzungen schaffen, um strukturelle Verbesserungen in die Wege zu leiten. Dabei ist das von der CSU vorgelegte Steuerkonzept zweifellos ein sehr gutes Instrument, das zu gegebener Zeit umgesetzt werden muss. ({6}) Wir müssen jeweils zur richtigen Zeit die richtigen Maßnahmen ergreifen. Dies sind zum einen Maßnahmen zur konjunkturellen Stützung und zum anderen Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung. Dies muss eines nach dem anderen geschehen. Der Bundesfinanzminister hat vorhin darauf hingewiesen - das sollten wir gerade in dieser Debatte nicht verschweigen -, dass es neben den Problemen, die wir sehen, und den Besorgnissen, die wir haben, auch positive Indikatoren gibt. Die Euro-Dollar-Relation ist bereits angesprochen worden. Für eine Exportnation wie die unsrige ist dies von ganz entscheidender Bedeutung. Zu den positiven Indikatoren zählt weiter, dass die Zinsen auch für die Verbraucher ebenso wie die Preise für Öl und Mineralstoffe gesunken sind und dass die Inflationsrate nicht so hoch wie befürchtet, sondern deutlich niedriger ausfällt. Das setzt ungeheure Größenordnungen an privater Kaufkraft frei, und dies wird positiv wirken. Es wird also darauf ankommen, dass wir uns nicht selber noch tiefer in die Krise hineinreden, sondern dass wir auch auf diese Indikatoren aufmerksam machen. Angst ist ohnehin immer ein ganz schlechter Ratgeber. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass alle Privatkonsumenten wie Marktteilnehmer wieder Vertrauen zueinander haben, und mithelfen, dass dieses Vertrauen geschaffen wird. Dies scheint mir im Moment das Allerwichtigste zu sein, und wenn das gewährleistet wird, dann bin ich zuversichtlich, dass wir auch diese Krise gut bewältigen können, selbst wenn schwierige Herausforderungen vor uns stehen. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege HansUlrich Krüger. ({0})

Dr. Hans Ulrich Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003575, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzmarktkrise ist - aus den Redebeiträgen, die wir alle gehört haben, ergibt sich dies unzweifelhaft - das beherrschende Thema unserer Haushaltswoche. Ich freue mich, dass die Opposition anerkennt, dass derjenige, der dies vor vier, fünf oder sechs Monaten prophezeit hätte, nur ungläubiges Erstaunen geerntet hätte. Die Realitäten aus den USA, entstanden durch das Platzen der Immobilienblase, haben uns eingeholt, und wir haben mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, mit einem tatkräftigen Finanzminister reagiert, um Schaden von Deutschland abzuwenden. Einige Banken haben von diesem Finanzmarktstabilisierungsgesetz bereits Gebrauch gemacht. Das ist auch gut so, das ist richtig und vernünftig, und zwar im Interesse von uns allen; denn es geht hierbei nicht um die Stabilisierung der Geldmärkte, sondern vor allen Dingen um den Erhalt und die Stabilisierung von Arbeitsplätzen. Daher ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz nur der Anfang und nicht bereits das Ende unserer Maßnahmen. Deswegen haben wir neben dem Rettungsschirm für Banken einen Schutzschirm für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgespannt, deswegen werden wir in den Jahren 2009 und 2010 Investitionen und Aufträge von Unternehmen, privaten Haushalten und Kommunen in einer Größenordnung von insgesamt 50 Milliarden Euro fördern. Was bedeutet das konkret? Was bedeutet die degressive AfA, die immer nur einfach so in den Raum gestellt wird? Sie bedeutet eine Anstoßwirkung von 10 Milliarden Euro sowie die Möglichkeit von Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Unternehmen in Höhe von 600 Millionen Euro. Ich nenne das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Angeblich täten wir im Haushalt nichts dafür. Nein, die KfW hat aktuell die Möglichkeit, Kredite von 27,5 Milliarden Euro zu vergeben, davon 15 Milliarden Euro allein im nächsten Jahr im Rahmen eines Sonderprogramms. In Bezug auf Verkehrsinvestitionen nenne ich den Betrag von jeweils 1 Milliarde Euro für 2009 und 2010. Warum 1 Milliarde Euro? Weil bei realistischer Erwartung schlicht und ergreifend mehr nicht verbaut werden kann. Alles andere wären Luftnummern, die nichts bewirken und keinerlei Impuls geben. ({0}) Damit jedoch nicht genug: Mit den Familiengesetzen in den bereits beschriebenen Maßnahmenpaketen entlasten wir Familien im Jahre 2009 um 6 Milliarden Euro und im Jahre 2010 um 14 Milliarden Euro. Was machen wir mit den Handwerkerleistungen? Jawohl, es hört sich zwar niedlich und klein an, wenn wir sagen: Der Steuerbonus wird von 600 Euro auf 1 200 Euro erhöht. Aber was hat sich bereits hinter den 600 Euro verborgen? Die 600 Euro Steuerbonus haben bewirkt, dass gezielte Förderungsmaßnahmen aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 2 Milliarden Euro geleistet worden sind respektive 10 Milliarden Euro Lohnkosten des Handwerks mit dem Steuerbonus positiv belegt werden konnten. ({1}) Wenn dieser Bonus nun verdoppelt wird, dann werden nicht 10 Milliarden Euro, sondern 20 Milliarden Euro an Handwerkerleistungen positiv unterlegt werden. So wird ein effektiver Anreiz gesetzt, sich eines Handwerkers zu bedienen und auf die Frage „Brauchen Sie eine Rechnung?“ mit einem eindeutigen Ja zu antworten. Was bedeutet es, dass der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung - das wird meistens nur nebenbei erwähnt - 2,8 Prozent beträgt? Das bedeutet 30 Milliarden Euro Gesamtentlastung, 15 Milliarden Euro auf der Arbeitnehmerseite und 15 Milliarden Euro auf der Arbeitgeberseite. Wenn wir das alles addieren, dann können wir sagen: Jawohl, wir haben ein kraftvolles, ein effektives Gesamtkonzept entwickelt, um Anreize zu geben. Natürlich gibt es - davon wurde heute Morgen geredet - weitergehende Vorstellungen, vor allem in den Medien. So werden Steuersenkungen bei kleinen und mittleren Einkommen vorgeschlagen. Ich frage Sie: Was sind kleine und mittlere Einkommen? Die Verkäuferin, die 20 000 Euro im Jahr verdient, zahlt 2 000 Euro an Steuern. Aber sie zahlt fast 4 000 Euro an Sozialabgaben. Der verheiratete Arbeitnehmer mit 35 000 Euro Jahreseinkommen zahlt circa 1 300 Euro an Steuern. Aber er zahlt 6 900 Euro an Sozialabgaben. Ein Einkommensmillionär zahlt vielleicht 45 Prozent seines Einkommens an Steuern plus Solidaritätszuschlag. Aber er zahlt infolge der Beitragsbemessungsgrenze nur 1,1 Prozent seines Einkommens an Sozialabgaben. Wenn wir jenseits jedweder Ideologie und Rechthaberei darüber nachdenken, wo man am zweckmäßigsten ansetzen kann, wenn man die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlasten will, dann stellen wir fest: nicht bei den Steuern, sondern bei den Abgaben. ({2}) Wenn wir unser Ziel von 36 Prozent Gesamtsozialabgaben erreichen, dann tritt bei einem Durchschnittsverdiener mit einem Jahreseinkommen in Höhe von 25 000 Euro eine Entlastung um 600 Euro und damit eine 10-prozentige Reduzierung der Sozialabgaben ein, während der Spitzenverdiener nur um 0,1 Prozent entlastet wird, was für diesen verkraftbar ist; das sage ich ganz offen. Bei den Aufwendungen für die Altersvorsorge und die Krankenversicherung sorgen wir im Rahmen von Riester und durch die Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge für eine Entlastung in Höhe von 8,7 Milliarden Euro. Wenn ich all das sehe, bin ich froh - Carsten Schneider hat es bereits angesprochen -, dass wir gestern eine - um es vorsichtig zu sagen - sehr bunte Debatte über die Erbschaftsteuer geführt haben. Die Erbschaftsteuerreform bedeutet, dass die Bundesländer 4 Milliarden Euro zur Verfügung haben, um in Bildung und damit in unser aller Zukunft zu investieren. ({3}) Das alles sind gute Zeichen in einer schwierigen Zeit, in der wir uns als Parlament nicht zurücknehmen sollten, nein, nicht zurücknehmen dürfen. In diesen Tagen bekommen wir viele Ratschläge, wie wir uns zu verhalten hätten. So werden allgemeine Steuersenkungsprogramme vorgeschlagen. Die Unternehmensteuerreform wird infrage gestellt. Am besten sei es, zusätzlich die Abgeltungsteuer auf 15 oder 10 Prozent nachhaltig zu senken. Ich frage dann gerne zurück - ich bitte Sie, das auch zu tun -: Wo sind denn all diejenigen, die nun eine neue Heilslehre verkünden, die sie noch vor nicht allzu langer Zeit als Irrglauben verteufelt haben? Wo sind denn diejenigen, die sich heute im Besitz der allein selig machenden Wahrheit glauben und die das, was sie noch vor anderthalb Jahren und noch vor einem Jahr in Fachzeitschriften veröffentlicht haben, am liebsten mit einem schwarzen Balken versehen würden? ({4}) Dieses Selbstbewusstsein sollten wir entwickeln und müssen wir entwickeln. Dieses Selbstbewusstsein ist auch dazu angetan, zu sagen: Jawohl, dieses Parlament nimmt Kritik ernst, nimmt Kritiker für voll, aber Kritiker, die sich distanzlos in Widerspruch zu dem setzen, was sie uns über Jahrzehnte gepredigt haben, müssen sich auch fragen lassen, wie ernst es ihnen mit ihren Thesen ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Otto Bernhardt das Wort. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In wenigen Minuten werden wir das Haushaltsgesetz 2009 verabschieden. Dieses Gesetz regelt die Einnahmen und die Ausgaben im kommenden Jahr, und es kann dementsprechend nur auf Prognosen, Erwartungen und Erfahrungen beruhen. ({0}) Ich stimme dem Finanzminister zu, dass sich die Rahmenbedingungen noch nie in einem solchen Tempo geändert haben wie in den letzten Wochen. Schauen Sie sich nur die Prognosen an, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickeln wird, schauen Sie sich die Prognosen über die Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen an! Keiner kann heute genau sagen, wie das Jahr 2009 wirklich ablaufen wird. Wir können nur Maßnahmen ergreifen - das hat die Bundesregierung getan, und die Große Koalition hat sie dabei unterstützt -, um die inzwischen eingetretene Rezession abzuschwächen. Jeder, der glaubt, Deutschland könne eine weltweite Rezession sozusagen mit hausgemachten Instrumenten vollständig auffangen, der kennt die Zusammenhänge in der globalisierten Welt nicht. Es geht jetzt darum, die richtigen Maßnahmen zu treffen, damit die Rezession möglichst nicht so tief wird und möglichst bald überwunden wird. Es ist sicher ein tolles Ereignis gewesen, dass dieses Parlament in einer Woche das größte Rettungsprogramm, das hier je beschlossen wurde - dieses 480-Milliarden-Euro-Programm -, mit breiter Mehrheit - sogar eine Oppositionspartei, die FDP, hat mitgemacht durch dieses Haus bekommen hat. Es gibt keinen Fachmann in Deutschland, weder in der Wirtschaft noch in der Wissenschaft, der dieses Programm nicht für richtig hält. Nur, jetzt kommen die Probleme. Es gibt ein großes Interesse der Banken an diesem Programm. Es gibt sogar Anträge, aber ich verrate, glaube ich, keine Geheimnisse, wenn ich sage: Es ist noch nicht 1 Euro von den 80 Milliarden Euro Eigenkapitalhilfe geflossen. Ich weise darauf hin, dass es zurzeit ziemlich große Probleme im EU-Bereich gibt, die notwendigen Genehmigungen zu erteilen. Es stimmt nachdenklich, wenn wir hier in einer Woche entscheiden, aber bei der EU wochenlange Verhandlungen anstehen. Dies könnte für die Entwicklung gefährlich werden. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Bernhardt, ich unterbreche Sie ungern, ich habe aber die Redezeit angehalten. Aus aktuellem Anlass ein Hinweis an alle Kolleginnen und Kollegen: Ich habe mich heute früh extra vergewissert. Für jedes Mitglied des Hauses steht ein Stuhl zur Verfügung. Ich denke, wir sollten auch dem letzten Redner in dieser Haushaltsdebatte so viel Respekt entgegenbringen, dass wir ihn sitzend anhören und Gespräche, die unabdingbar sind, außerhalb des Plenarsaals führen. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Inzwischen haben wir auch gehandelt, was die Situation der Realwirtschaft betrifft, auf die sich nun die internationale Finanzkrise auswirkt. Dabei stellt sich das Bild sehr unterschiedlich dar. Es gibt Bereiche wie die gesamte Autobranche, die es voll getroffen hat, und es gibt Bereiche, die davon nichts oder noch nichts merken. Dennoch haben wir ein 15-Punkte-Programm auf den Weg gebracht. Die notwendigen parlamentarischen Entscheidungen stehen an. Einige wichtige werden schon in der kommenden Woche behandelt. Ich finde es richtig, dass die Bundeskanzlerin erklärt hat: Wir werden uns in der Regierung und in der Koalition schon in den ersten Januartagen wieder zusammensetzen, die Lage analysieren und dann die Frage behandeln: Brauchen wir weitere Instrumente? - Die Zeit ist so schnelllebig. Es kann sein, dass alles das, was wir beschlossen haben, nicht ausreicht. ({0}) - Es kann wirklich sein, Kollege Kampeter, dass es nicht ausreicht. Die Haushälter sind sehr restriktiv; das verstehe ich. Auch ich bin Anhänger eines ausgeglichenen Bundeshaushalts. Ich fand es bisher immer richtig, mit Steuersenkungen erst 2011 zu beginnen; bis dahin wollten wir ja einen ausgeglichenen Haushalt haben. Nur, wir stehen vor der Frage, ob wir Anfang nächsten Jahres vielleicht doch weitere Instrumente brauchen. Einige Kollegen haben das angesprochen. Ich sage ganz deutlich: In Wirtschaft und Wissenschaft verlangt man zurzeit Steuersenkungen. Das ist die Realität. Aus dem Bereich kommt das. Wir haben eine Reihe von Punkten beschlossen, die zur Entlastung der Bürger führen. ({1}) Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Ob das ausreicht, werden wir sehen müssen. Wir haben natürlich ein Problem - auch das ist hier schon angesprochen worden -: ({2}) Die jetzt beschlossenen Bruttolohnerhöhungen kommen, was das Netto angeht, zum Teil nur in sehr bescheidener Form bei den Arbeitnehmern an. Das ist nun einmal so. Natürlich hat der Herr Kollege Dr. Krüger recht damit, dass die Sozialabgaben im Vergleich zu den Steuern den größeren Teil ausmachen, zumindest bei den meisten der Betroffenen. Dennoch würde ich per heute Steuersenkungen als ein weiteres Instrument, wenn die Lage es denn erfordert, nicht ausschließen. ({3}) Aber wir müssen schon abwarten, wie all die Maßnahmen wirken, die wir bereits beschlossen haben. Wir überschlagen uns ja fast mit solchen Maßnahmen. ({4}) Die entscheidende Frage ist: Wie wird sich die Konjunktur wirklich weiterentwickeln? Hierzu können wir jeden Tag sehr unterschiedliche Prognosen lesen. Das reicht von „große Katastrophe“ bis „halb so schlimm“. Als realistischer Optimist - so bezeichne ich mich selber schließe ich mich dem Urteil des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Professor Weber, an, der vorgestern beim Empfang der Deutschen Bundesbank hier in Berlin zu diesem Thema etwa Folgendes erklärt hat: Die Deutsche Bundesbank geht davon aus, dass wir im ersten Halbjahr kommenden Jahres reales Minuswachstum haben, dass das Bruttoinlandsprodukt zurückgeht; es gibt aber eine Reihe von Zeichen, dass sich die Weltwirtschaft und auch die Konjunktur in Europa und Deutschland bereits im zweiten Halbjahr kommenden Jahres wieder ein Stück in die richtige Richtung bewegen. Er sagte wörtlich: Die Perspektiven für eine Überwindung der Rezession könnten bereits im zweiten Halbjahr 2009 stärker sein und sich durchsetzen. Wir alle hier im Parlament bestimmen ein Stück weit die öffentliche Meinung. Der Vater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, wird immer wieder mit dem Satz zitiert: Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Ich habe manchmal den Eindruck: Sie ist zu 51 Prozent Psychologie. ({5}) Deshalb warne ich vor dem Panikgerede. ({6}) Es bringt uns in keiner Weise weiter. ({7}) Wir haben gehandelt, zunächst mit einem großen Programm zur Finanzkrise. Wir haben die notwendigen Entscheidungen zur Krise der Realwirtschaft getroffen. Wir sollten jetzt abwarten, wie in den nächsten Wochen die Ergebnisse sind. Sie können sicher sein: Die Große Koalition wird, wenn erforderlich, weitere Schritte einleiten. Herzlichen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2009. Das betrifft die Drucksachen 16/9900, 16/9902, 16/10402, 16/10404 bis 16/10409, 16/10411 bis 16/10416, 16/10419 bis 16/10425. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise darauf hin, dass nach dieser namentlichen Abstimmung noch weitere, einfache Abstimmungen über Entschließungsanträge folgen werden. Auch hier gilt mein eben gegebener Hinweis: Für jede Kollegin und für jeden Kollegen des Hauses steht ein Stuhl zur Teilnahme an diesen Abstimmungen zur Verfügung. Ich bitte, diesen dann auch einzunehmen, damit wir von hier vorne das Ergebnis zweifelsfrei feststellen können. Ich bitte Sie nun, sich zu vergewissern, dass auf Ihrer Stimmkarte Ihr Name steht, sodass das Abstimmungsergebnis Ihnen dann auch entsprechend zugeordnet werden kann. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer an Ihrem Platz? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen zu den Entschließungsanträgen. Wir beginnen mit der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11045. Wer stimmt für den Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion abgelehnt. Wir stimmen nun über fünf Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke ab. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11029? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11043? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11044? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11050? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11087? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist wiederum abgelehnt. Wir kommen schließlich zur Abstimmung über fünf Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11047? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11064? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11069? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Vizepräsidentin Petra Pau Wir kommen zur Drucksache 16/11066, die ich gerade übersprungen habe. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11066? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt. Damit kommen wir zum Entschließungsantrag auf Drucksache 16/11072. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPDFraktion, der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2009 bekannt: abgegebene Stimmen 526. Mit Ja haben gestimmt 388 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein haben gestimmt 138 Kolleginnen und Kollegen, keiner hat sich enthalten. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 526; davon ja: 388 nein: 138 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({2}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({5}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({6}) Dr. Franz Josef Jung Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({7}) Eckart von Klaeden Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({8}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({9}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({10}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({11}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Carsten Müller ({12}) Stefan Müller ({13}) Dr. Gerd Müller Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({14}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({17}) Andreas Schmidt ({18}) Ingo Schmitt ({19}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({20}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({21}) Gerald Weiß ({22}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Willy Wimmer ({23}) Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew Vizepräsidentin Petra Pau SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Ernst Bahr ({24}) Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({25}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({26}) Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf ({27}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({28}) Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({29}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({30}) Frank Hofmann ({31}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({32}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({33}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({34}) Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller ({35}) Michael Müller ({36}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({37}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Ortwin Runde Anton Schaaf Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({38}) Silvia Schmidt ({39}) Renate Schmidt ({40}) Dr. Frank Schmidt Heinz Schmitt ({41}) Carsten Schneider ({42}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz ({43}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gert Weisskirchen ({44}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff ({45}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Nein FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({46}) Uwe Barth Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Otto Fricke Horst Friedrich ({47}) Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({48}) Markus Löning Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({49}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Dr. Daniel Volk Christoph Waitz Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff ({50}) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Dr. Lothar Bisky Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Diana Golze Vizepräsidentin Petra Pau Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Wolfgang Nešković Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({51}) Volker Schneider ({52}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Volker Beck ({53}) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({54}) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({55}) Markus Kurth Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({56}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({57}) Krista Sager Manuel Sarrazin Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Grietje Staffelt Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Jürgen Trittin Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler fraktionslose Abgeordnete Henry Nitzsche Gert Winkelmeier Ich rufe den Tagesordnungspunkt VI auf: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 2009 ({58}) - Drucksachen 16/10189, 16/10494 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({59}) - Drucksachen 16/11055, 16/11108 Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting - Bericht des Haushaltsausschusses ({60}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 16/11086 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({61}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP sowie der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Frechen für die SPD-Fraktion. ({62})

Gabriele Frechen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr geht, das Jahressteuergesetz kommt. Es ist auch sinnvoll, alle Anpassungen, die sich in den Steuergesetzen angesammelt haben, in einem Gesetz zum Ende des Jahres für den Beginn des neuen Jahres zu machen, nicht in vielen Gesetzen über das ganze Jahr verteilt. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 werden wiederum viele Änderungen redaktioneller Art vorgenommen oder Änderungen, die der Rechtsbereinigung dienen. Insofern stimme ich sogar mit dem Antrag der FDP überein. Aber das ist es dann auch schon. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, behaupten in Ihrem Antrag, nicht genug Beratungszeit gehabt zu haben. ({0}) Dem muss ich ausdrücklich widersprechen. Entgegen der sonstigen Geschäftsordnung gab es eine zusätzliche Sitzung des Finanzausschusses - die Umdrucke sind Ihnen zeitig zugegangen -, wo wir nochmals über den Gesetzentwurf und über die Umdrucke beraten haben. An uns hat es nicht gelegen, wenn Sie nicht genug beraten haben. Zu den wesentlichen Inhalten des Gesetzes gehört die Einführung einer optionalen zusätzlichen Wahlmöglichkeit bei der Besteuerung der Ehegatten. Kurz gesagt: Wir führen die individuelle Besteuerung mit Splittingvorteil ein. Die Ehegatten werden demnach auf eigenen Wunsch unterjährig nicht mehr nach der Steuerklasse, sondern nach dem tatsächlichen Arbeitslohn besteuert. Das wird zumindest den gering verdienenden Ehefrauen zu ein bisschen mehr gefühlter Gerechtigkeit verhelfen. ({1}) Zu mehr Gerechtigkeit hoffentlich für uns alle führt der Ausschluss von extremistischen Vereinen von der Gemeinnützigkeit. ({2}) Was bisher schon gängige Verwaltungspraxis war, wird jetzt rechtlich normiert. Wir schließen Vereine, die nicht auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung basieren, von der Begünstigung durch die Gemeinnützigkeit aus. Zum Thema Gemeinnützigkeit gibt es eine weitere Änderung, die sich aus einer EU-Rechtsprechung ergibt. Wenn beispielsweise eine italienische Stiftung in der Schweiz gemeinnützig tätig ist und in Deutschland nur Vermietungseinkünfte bezieht, so wäre sie nach unserem derzeitigen Recht in Deutschland als gemeinnützig anzuerkennen. Das wollen wir nicht. Insofern ändern wir das Gesetz dahin gehend, dass wir den Begriff des Inlandsbezuges in das Gesetz einfügen, der keine Auswirkung auf inländische gemeinnützige Vereine hat, die im Inoder Ausland ihre guten Werke tun. Das ist mir ganz wichtig, noch einmal zu betonen: Wir haben eine Formulierung gefunden, die mit den Verbänden abgestimmt ist und mit der ihre Bedenken in Gänze aufgegriffen wurden. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Änderung betrifft die Aufteilung der Gewerbesteuer bei Windkraftanlagen. Maßgeblich für die Zerlegung der Gewerbesteuer ist grundsätzlich der Arbeitslohn. Das bedeutet, die Kommune, in der sich der Firmensitz befindet, bekommt alles, und die Standortkommunen bekommen nichts. Das werden wir ändern. Die Zerlegung wird sich künftig zu 70 Prozent am Kapital und zu 30 Prozent am Arbeitslohn orientieren. Darüber hinaus - das betone ich ganz ausdrücklich - werden selbstverständlich freiwillige Vereinbarungen möglich sein. Sie werden genauso möglich sein, wie sie es heute auch schon sind. ({4}) Wir haben das seit dem Jahr 2003 überflüssige Organschaftsverbot bei Lebens- und Krankenversicherungen aufgehoben. Wir werden mit diesem Gesetz unserer Verpflichtung nachkommen, Leasing- und Factoringfirmen unter Aufsicht zu stellen, und sie somit gewerbesteuerrechtlich den Banken gleichstellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Europäische Gerichtshof hat uns verurteilt, die steuerliche Berücksichtigung der Schulgeldzahlungen auf den Raum der EU bzw. den EWR auszudehnen. In dem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion kann man lesen, dass Schulgeldzahlungen an Privatschulen nicht abzugsfähig seien. Das ist schlichtweg falsch. 30 Prozent der Kosten für allgemein- oder berufsbildende Schulen können bis 5 000 Euro steuerlich geltend gemacht werden. Das entspricht 16 666 Euro Schulgeld. Damit ist das Schulgeld aller inländischen Schulen und des größten Teils der europäischen Schulen abgedeckt. Die FDP will die Finanzierung der Schulgeldzahlungen für die teuersten Privatschulen Europas vom deutschen Steuerzahler. Das geht uns entschieden zu weit. ({5}) Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Steuerfreiheit der Einnahmen einer Gastfamilie, die behinderte Menschen bei sich aufnimmt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag, indem sie Menschen Geborgenheit und Sicherheit in der Familie gibt. Die Einnahmen dafür aus öffentlichen Kassen oder vergleichbar aus Eigenmitteln werden steuerfrei bleiben. ({6}) Auch dieses Gesetzesvorhaben kommt ohne Änderungen zur Vermeidung der Steuerumgehung nicht aus. Wir werden Verträge mit Lebensversicherungsmänteln, wie sie üblicherweise in einem kleinen Land mit großen Finanzambitionen gestrickt werden, nicht mehr als Lebensversicherungen anerkennen. Denn Lebensversicherungen haben etwas mit Risikoschutz zu tun.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin Frechen, achten Sie bitte auf die Redezeit.

Gabriele Frechen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, einen Satz möchte ich noch sagen. Das hat aber nichts mit einem Mäntelchen zu tun, das ich um mein Vermögen lege, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. Auch da hat die FDP etwas zu mäkeln. Aber auch bei ihr wird sich hoffentlich irgendwann die Erkenntnis durchsetzen, dass sozialer Friede etwas mit Zufriedenheit zu tun hat, und Zufriedenheit mit Gerechtigkeit, auch mit Steuergerechtigkeit. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Dr. Volker Wissing. ({0})

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben von Frau Kollegin Frechen gehört, was für ein bedeutender Gesetzentwurf hier vorliegt. Ich möchte betonen, dass es sich hierbei um einen Entwurf der Regierung handelt. Dass die Bundesregierung dazu nicht das Wort ergreift, zeigt, welche Bedeutung sie dem Gesetzentwurf insgesamt beimisst. ({0}) Vor drei Tagen haben wir über die Wiedereinführung der degressiven AfA beraten. Das ist ein wichtiger Schritt angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation, in der sich unser Land befindet. Ebenso wichtig, wie die Wiedereinführung der degressiven AfA ist, so falsch war es, dass Sie sie abgeschafft haben. Das haben wir gestern in einer Anhörung mit Sachverständigen wiederholt bestätigt bekommen. Das Ziel Ihres Gesetzentwurfs „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“, den wir diese Woche beraten haben, habe ich so verstanden, dass Sie die Unternehmen dabei unterstützen wollen, gerade jetzt, in einer schwierigen Zeit, zu investieren. Die interessante Frage ist dann doch: Warum wollen Sie heute Investitionen ohne Not in Deutschland wieder erschweren? ({1}) Sie verweigern der deutschen Wirtschaft dringend erforderliche Korrekturen der Unternehmensteuerreform, die man in dieses Jahressteuergesetz unbedingt hätte aufnehmen müssen. Sie befreien die deutsche Wirtschaft nicht von den Fesseln der Zinsschranke. Sie befreien die deutsche Wirtschaft nicht von den Problemen, die Sie mit der Funktionsverlagerung selbst geschaffen haben. Das, was Sie mit der degressiven AfA an Erleichterungen einführen wollen, konterkarieren Sie mit den Änderungen zum Mantelkauf, die im Jahressteuergesetz 2009 stehen. ({2}) Es ist schon ein bemerkenswerter Zustand der Schizophrenie im Bundesministerium der Finanzen: Die eine Abteilung gibt Gas, und die andere zieht die Handbremse an. Das zu erwartende Ergebnis ist Stillstand. Das können wir uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation in Deutschland nun weiß Gott nicht leisten. ({3}) Mit der Neuregelung zum Mantelkauf erschweren Sie die Rettung in Bedrängnis geratener Unternehmen. Das ist das Allerletzte, was wir uns jetzt leisten können. Im Prinzip müssen wir jedem Unternehmen dankbar sein, das bereit ist, eine Verluste produzierende Gesellschaft zu übernehmen und Arbeitplätze zu sichern. Genau darum geht es doch. Es geht um Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung. Sie haben die Devise selbst vorgegeben; aber es dauert gerade einmal drei Tage, bis Sie wieder anfangen, Beschäftigungsabbau durch Wachstumsschwächung zu betreiben. Man fragt sich: Für wen haben Sie das Jahressteuergesetz 2009 eigentlich gemacht? Es mag für viele Ohren zunächst einmal gut klingen, wenn die Bundesregierung die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre anhebt. Das klingt nach starkem Staat und konsequentem Steuervollzug. Aber im Grunde genommen ist genau das Gegenteil der Fall. Diese Bestimmung ist doch ein Hilferuf. Die Strafverfolgungsbehörden sind nicht mehr in der Lage, mit den Verfahren hinterherzukommen, und anstatt die Zahl der Ermittler zu erhöhen und die Fehlanreize im Bereich des effizienten Steuervollzugs im Rahmen der Föderalismuskommission zu beseitigen, verlängern Sie einfach die Verjährungsfristen. ({4}) Sie schaffen damit nicht mehr Steuerehrlichkeit, sondern einen Trödelfreibrief für Verwaltungen. Das sind die falschen Ansätze. Sie verweigern Deutschland ein vereinfachtes Steuerrecht, mit dem man die Probleme lösen könnte. Aus dem Problem eines zu komplizierten Steuerrechts machen Sie einfach ein Zeitproblem. ({5}) Was soll denn für ein Signal von dem Jahressteuergesetz 2009 ausgehen? Von einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger kann nicht die Rede sein. Sie sprechen davon, Frau Frechen, dass sich die Menschen in Deutschland jetzt wohler fühlen würden. ({6}) Ich weiß nicht, mit welchen Leuten Sie reden. Die Menschen in Deutschland fühlen sich nicht wohl, vor allen Dingen nicht angesichts des Steuerrechts, weil Sie die Menschen systematisch abkassieren und weil Sie sie mit einem viel zu komplizierten Steuerrecht drangsalieren und Wirtschaftsunternehmen lähmen. ({7}) Wenn Sie meinen, damit würde man sich in Deutschland wohlfühlen, irren Sie sich; das Gegenteil ist richtig. Ihr Gesetz ist jedenfalls kein Beitrag zur Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung. Sie erschweren das ohne Not. Familien, die hierher kommen, hochqualifizierte Leute, die ihre Kinder auf internationale Schulen schicken möchten, können die Kosten, die ihnen dadurch entstehen, nicht mehr steuerlich geltend machen. ({8}) Manch einer wird sich überlegen, ob er in Zukunft einen Bogen um die Bundesrepublik Deutschland macht. ({9}) Das ist reine Ideologie. Sie opfern wichtige Interessen der deutschen Wirtschaft, nämlich internationale Spitzenkräfte hierher zu bekommen, Ihrer ideologischen Politik. ({10}) Das ist unverantwortlich. Wir können uns das wirklich nicht erlauben. Diese Regelung muss so schnell wie möglich wieder aus dem deutschen Steuerrecht gestrichen werden. ({11}) Meine Damen und Herren, das Faktorverfahren, das Sie so gelobt haben, wird am Ende dazu führen, dass sich ein paar Menschen ein bisschen wohler fühlen. Aber das ist doch keine wirkliche Verbesserung im Steuerrecht. Sie beseitigen keine strukturellen Probleme. Wieder einmal hat die Große Koalition eine Chance vertan. Dieses Jahressteuergesetz ist erbärmlich. Es enthält viele Verschlechterungen; nötige Verbesserungen für die deutsche Wirtschaft haben Sie nicht in Angriff genommen. Dass die Bundesregierung nicht einmal einen Satz dazu sagt, ist schon ein ausreichendes Signal. Sie machen wieder kein Gesetz für die Bürgerinnen und Bürger. Sie machen wieder keine Verbesserungen im Steuerrecht, die unsere Wirtschaft braucht. Dieses Jahressteuergesetz mag der Verwaltung gefallen. Für unser Land bedeutet es keinen angemessenen Schritt nach vorne. Schade! ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Olav Gutting. ({0})

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wie das Christkind kommt alle Jahre wieder das Jahressteuergesetz. ({0}) Auch in diesem Jahr werden mit dem Jahressteuergesetz Maßnahmen umgesetzt, die sich im Laufe des Jahres aus EU-rechtlichen Vorgaben, aus Gerichtsurteilen, aus Anregungen von Verwaltungen und Verbänden ergeben haben. Lieber Kollege Wissing, Sie fragen: Für wen habt ihr dieses Gesetz gemacht? Darauf will ich Ihnen antworten: Wir haben es zum Beispiel für die Ehrenamtlichen in diesem Land gemacht. Mit diesem Jahressteuergesetz werden wir das ehrenamtliche Engagement mit einer Verbesserung der steuerlichen Haftungsregeln für Vereinsvorstände unterstützen. ({1}) Zukünftig haften für die fahrlässig zweckwidrige Verwendung von Spenden und Mitgliedsbeiträgen zunächst der Verein und erst nachrangig die handelnden Personen. ({2}) Das war bisher nicht so. Künftig muss keiner, der eine verantwortungsvolle Aufgabe in einem Verein übernehmen will, mehr fürchten, für fehlerhafte Spendenquittungen anderer persönlich zu haften. ({3}) Mit dem Jahressteuergesetz 2009 soll aber auch das bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte optionale Faktorverfahren eingeführt werden; wir haben das schon gehört. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass ich persönlich der Meinung bin, dass wir dieses Verfahren zur genaueren Zuordnung des Splittingvorteils eigentlich nicht brauchen. Die Praxis wird uns zeigen, ob die Probleme, die damit gelöst werden sollen, tatsächlich gelöst werden können. Ich fände es besser - da stimme ich Ihnen zu -, statt der Einführung eines weiteren Steuerverfahrens, welches bei den Betroffenen - das ist meist die gering verdienende Ehefrau - steuerliche Nachteile beseitigen soll, ein einfacheres und schon deswegen gerechteres Steuersystem einzuführen. ({4}) Wir konnten im parlamentarischen Verfahren aber auch eine Vielzahl von Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf erreichen. Bei so einem Umfang - ich glaube, 188 Änderungen und Regelungen - kann man natürlich nicht jeden einzelnen Punkt aufrufen. Ein wirklich wichtiger Punkt ist das Schulgeld. Hier ist es gelungen, die vorgesehene Deckelung der 30-prozentigen steuerlichen Absetzbarkeit von Schulgeld von 3 000 Euro auf 5 000 Euro pro Kind anzuheben. Das bedeutet - die Kollegin Frechen hat es bereits gesagt -, dass Schulgeld bis zu einer Jahreshöhe von über 16 500 Euro berücksichtigt werden kann. Wir werden in Deutschland wahrscheinlich keine Schule finden, die ein solch hohes Schulgeld verlangt. Damit haben wir so gut wie alle Privatschulen abgedeckt. Zudem wird dieser Sonderausgabenabzug nun auch beim Besuch berufsbildender Privatschulen gewährt. ({5}) Wir hatten aufseiten der Union von Anfang an erhebliche Bedenken gegen die im Gesetzentwurf zunächst vorgesehene Begrenzung des Vorsteuerabzugs bei nicht ausschließlich unternehmerisch genutzten Firmenfahrzeugen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Gutting, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wissing?

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Gutting, teilen Sie meine Auffassung, dass es in Deutschland Schulen gibt, beispielsweise die Internationale Schule Frankfurt, die besonders hohe Schulgebühren erheben müssen, weil sie ein sehr spezielles Bildungsangebot bereithalten, das für unsere Volkswirtschaft sehr wichtig ist? Es handelt sich dabei um den Unterricht für Kinder von hochqualifizierten Kräften, die für ein oder zwei Jahre nach Deutschland kommen. Diese Kinder können nicht nur nach deutschen Lehrplänen unterrichtet werden, weil sie nach ein oder zwei Jahren zurück nach Korea oder in andere Länder müssen, um dort ihre Schullaufbahn fortzusetzen. Teilen Sie meine Auffassung, dass dadurch besonders hohe Kosten entstehen, die man mit denen anderer Schulen nicht vergleichen kann? Teilen Sie meine Auffassung, dass dieses Jahressteuergesetz diese Schulen nicht berücksichtigt ({0}) und dass es - beispielsweise für den Finanzplatz Frankfurt - besonders bedauerlich ist, dass die besondere Situation dieser Schulen von Ihnen in diesem Jahressteuergesetz nicht anerkannt wird? Teilen Sie auch meine Auffassung, dass es in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit unverantwortlich ist, eine Hürde für die Zuwanderung von internationalen Spitzenkräften in die Bundesrepublik Deutschland aufzubauen? Teilen Sie darüber hinaus meine Auffassung, dass das ein Widerspruch zu dem ist, was die Bundesregierung diese Woche angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen sich unser Land befindet, wiederholt verkündet hat? ({1})

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Wissing, wir erkennen die Wichtigkeit und die Bedeutung von Privatschulen in unserem Gesamtschulsystem an. Wir schätzen sie, wir halten sie für richtig und wollen sie fördern. Wer mit einem reinen Schulgeld von über 16 000 Euro im Jahr - es geht ja nur um reines Schulgeld, nicht um die zusätzlichen Ausgaben für das Mittagessen usw. - nicht hinkommt und bei einer Deckelung von bis zu 5 000 Euro darüber hinaus nichts mehr absetzen kann, ist nicht derjenige, den wir über den Sonderausgabenabzug unbedingt weiter steuerlich unterstützen müssen. Ich halte die Regelung, so wie wir sie jetzt gefunden haben, für ausreichend, für richtig. Wir werden fast alle Privatschulen in diesem Bereich umfassend berücksichtigen. Mit diesen 5 000 Euro haben wir einen richtigen Schritt gemacht. ({0}) Ich hatte gerade das Thema „Begrenzung des Vorsteuerabzugs bei den nicht ausschließlich unternehmerisch genutzten Firmenfahrzeugen“ genannt. Ich bin froh, dass wir gerade in Anbetracht der Absatzkrise der deutschen Automobilindustrie diesen Schritt nicht gegangen sind. Die Belastungen, die im ursprünglichen Regierungsentwurf im Gespräch waren, sind nun definitiv vom Tisch. ({1}) Das ist eine Beruhigung für den Markt. Eine weitere Beruhigung möchte ich anfügen: Die vom Bundesfinanzministerium ins Auge gefasste Besteuerung von Streubesitzdividenden ist ebenfalls nicht Gegenstand des jetzt zu verabschiedenden Gesetzentwurfes. Ich will betonen, dass sich die Union ausdrücklich nicht der Intention verschließt, das deutsche Steuerrecht den europarechtlichen Vorgaben zeitnah anzupassen. Aber für Schnellschüsse besteht in diesem Bereich kein Anlass. Vielmehr müssen wir die Auswirkungen einer solchen Besteuerung von Streubesitz gerade vor dem Hintergrund der Wichtigkeit von Wagniskapital auch in der jetzigen Krise genau prüfen und dezidiert untersuchen. ({2}) Das Jahressteuergesetz 2009 hätte durchaus - auch das haben wir vorhin schon gehört - die Chance für Nachbesserungen bei der Unternehmensteuerreform eröffnet; ({3}) das will ich hier nicht bestreiten. Wir vonseiten der Union wollten die weitere Absenkung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung des pauschalierten Finanzierungsanteils bei Immobilienmieten erreichen. Hier hätte schon eine 10-prozentige Absenkung eine deutliche Entlastung gebracht und insbesondere zur Stärkung unseres innerstädtischen Handels beigetragen. ({4}) Wir wollten auch bei der Zinsschrankenregelung nachbessern und den Vortrag von nichtgenutztem EBITDA gestatten. Auch das ist gerade in Krisenzeiten eine wichtige Möglichkeit, um Verluste steuerlich abzufedern. Nun ist es uns leider nicht gelungen, die notwendige Mehrheit dafür zu beschaffen. Ich möchte aber betonen: Hier gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir werden uns weiterhin für notwendige Nachbesserungen bei der Unternehmensteuerreform einsetzen. ({5}) Ein weiterer Wermutstropfen, den ich mit meiner Koalitionskollegin teile, ist, dass es uns nicht gelungen ist, für dieses Jahressteuergesetz eine sinnvolle Gesamtlösung bei der Pauschalbesteuerung in § 37 b Einkommensteuergesetz zu finden. Es ist wirklich kaum verständlich, dass beispielsweise bei einer Einladung von Mitarbeitern ins Stadion zu einem Fußballspiel zwar die darauf zu entrichtende Steuer vom Arbeitgeber pauschaliert abgeführt werden kann, dieser dann aber die Sozialversicherungsbeiträge, die in diesem Zusammenhang fällig werden, individuell berechnen muss. Eine Pauschalierung ist hier, so meine ich, dringend angezeigt. ({6}) Die Befürchtungen, es könne in diesem Bereich zu Missbrauch kommen, können wir ganz einfach beseitigen, indem wir eine entsprechende Höhe der Pauschalierung festlegen. Ziel dieser Pauschalierung ist es ja nicht, keine oder nur geringe Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Durch diese Pauschalierung soll vielmehr eine Vereinfachung bei der Berechnung herbeigeführt werden. ({7}) Wir werden deshalb in den nächsten Monaten gemeinsam noch einmal versuchen, für diese Fälle eine Pauschalierung auch im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge hinzubekommen. Ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht, dass das Jahressteuergesetz 2009 ein Gesetz der verpassten Chancen wäre. Das ist es definitiv nicht. ({8}) Nein, es ist ein Instrument, mit dem wir, wie eingangs für einige Bereiche beschrieben, viele wichtige Verbesserungen und Modernisierungen im Steuerrecht umsetzen. Bei unserem Jahressteuergesetz handelt es sich wie jedes Jahr um ein sogenanntes Omnibusgesetz. Dieser Omnibus verkehrt zwischenzeitlich, so kann man sagen, im Linienverkehr, ({9}) sodass alle, die dieses Jahr nicht mitgekommen sind und stehen blieben, spätestens beim nächsten Jahressteuergesetz die Chance haben, mitzukommen. Ich darf mich abschließend bei den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern in meiner eigenen Fraktion und der Koalition sowie beim BMF für die umfangreichen, aber letztendlich immer guten und vor allem zielorientierten Gespräche und die gute und zielorientierte Zusammenarbeit bedanken. Ich wünsche dem Gesetz, in diesem Fall dem Omnibus, eine gute Fahrt. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegen Dr. Barbara Höll. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gutting, den Omnibus basteln wir jedes Jahr. Ich finde, wenn man das jährlich macht, sollte man in der Lage sein, die erste Vorlage des Omnibusses so zu gestalten, dass er fahrfähig ist. Da nach der ersten Vorlage aber noch mehr als 70 Änderungsanträge kamen, kann ich nur sagen: Das ist gepfuscht, das ist Murks. So sollten wir den Omnibus nicht konstruieren. ({0}) Nebenbei gesagt: Es ist ein Unding, dass Sie nicht in der Lage sind, ein solches Gesetz, bei dem klar ist, dass wir es jedes Jahr wieder debattieren werden, zu angemessener Zeit zu behandeln und es deshalb in die Haushaltswoche hineingedrückt wird. Das ist einfach unmöglich und beschneidet wieder einmal das Mitspracherecht der Opposition. ({1}) Ich arbeite konstruktiv - wir Linke sind dafür bekannt -, und deshalb möchte ich als Erstes klipp und klar das Positive hervorheben: Gut ist, dass Sie den kommunalen Querverbund auf eine breitere gesetzliche Grundlage gestellt haben. Das findet unsere absolute Unterstützung. ({2}) Nicht so gut finde ich das Chaos, das bei der Abgeltungsteuer herrscht. Diese Steuer wirkt erst ab dem 1. Januar. Mit diesem Jahressteuergesetz müssen wir aber schon eine Reihe von Änderungen vornehmen, damit die Steuer eventuell richtig greifen wird. Auch das sagt viel über Ihre Arbeitsweise. Auch wenn es Sie nervt, möchte ich Sie daran erinnern, dass es viele weitere Schlupflöcher im Steuerrecht gibt - ich nenne nur einige Stichwörter -: Es gibt Anleihen mit einer fiktiven Quellensteuer im Ausland, die privaten Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Gold werden nicht erfasst, ({3}) es gibt immer noch Schifffonds, die Möglichkeit der Verschiebung von Aktien ins Betriebsvermögen und die geschlossenen Auslandsfonds, also viele andere Dinge, die man, wenn man es ernst meint, in den Omnibus einbauen sollte. Die Verlängerung der Verjährungspflicht bei Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre wurde bereits erwähnt. Das klingt zwar gut, die laxe Formulierung des Gesetzes bietet aber überhaupt keine Sicherheit dafür, dass die Praxis der laxen Bestrafung von Steuerhinterziehern tatsächlich geändert wird. Dazu muss ich sagen: Machen Sie sich doch bitte intensiv an die Arbeit. Das, was Sie zum Ehegattensplitting vorschlagen, ist zaghaft und mutlos. SPD-Frauen haben sehr dafür gekämpft; denn die Beseitigung des Ehegattensplittings ist ein wichtiger Schritt, insbesondere, um Frauenarmut zu beseitigen. Frau Frechen sprach von „ein bisschen mehr gefühlter Gerechtigkeit“. Mehr als ein Gefühl ist das auch nicht. Die Regierung selbst sagt, dass wahrscheinlich maximal 5 Prozent der Berechtigten das Verfahren nutzen werden. Wenn das ein großartiger Einstieg in die Individualbesteuerung sein soll, dann frage ich mich, was Sie für Raumvorstellungen haben. Eine grundlegende Reform des Ehegattensplittings heißt für uns, positive Anreize für Frauen zu schaffen, damit sie sich eine Beschäftigung suchen und ihr nachkommen, und die Bevorzugung von Ehepartnern gegenüber alleinerziehenden oder nichtverheirateten Erziehenden endlich abzuschaffen. ({4}) Deshalb schlagen wir Ihnen in unserem Entschließungsantrag die Umwandlung des Ehegattensplittings vor. Der nicht ausgeschöpfte steuerliche Grundfreibetrag sollte auf den Partner oder die Partnerin übertragbar sein, und zwar unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Das würde gleichzeitig die „Verpartnerten“ einbeziehen, die Sie ebenfalls außen vor lassen. Wir sagen: Das Zusammenleben mit Kindern muss zielgerichtet gefördert werden. Etwas anderes geht nicht. Dazu brauchen wir eine sofortige Anhebung des Kindergeldes auf mindestens 200 Euro und mittelfristig auf 250 Euro. ({5}) Das ist durch die Umwandlung des Ehegattensplittings zu finanzieren; denn das würde 9 Milliarden Euro einbringen. Zum Schulgeld muss ich sagen, dass die Diskussion über die Erhöhung der Abzugsfähigkeit des Schulgeldes absurd ist. In 90 Prozent aller Fälle ziehen Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weniger als jährlich 1 000 Euro ab. Die Erhöhung des steuerlichen Höchstbetrages von 3 000 auf 5 000 Euro, die Sie vonseiten der Koalition in der Beratung vorgenommen haben, halten wir für absolut unnötig. Dies ist weiterhin eine Bevorzugung der Menschen, die viel Geld haben und viel Geld in ihre Kinder stecken. Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dafür ist er einfach viel zu sehr gemurkst. Ich danke Ihnen. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Christine Scheel.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab eine grundsätzliche Anmerkung von meiner Seite: Wir haben es hier mit einem Gesetzentwurf von knapp 150 Seiten zu tun. Die Kollegin Höll hat gerade darauf hingewiesen, dass auf den letzten Metern noch 76 Änderungsanträge hinzukamen. Auch die Bundesländer haben viel beigesteuert: über 100 Seiten mit Änderungsvorschlägen, Prüfbitten und Forderungen des Bundesrates. ({0}) Das alles dient nicht dem, was die Bevölkerung von der Politik erwartet, nämlich eine einfache Steuergesetzgebung. ({1}) Vielmehr müssen sich aufgrund des kleinteiligen Sammelsuriums viele Gruppen in der Bevölkerung und die gesamte Finanzverwaltung wieder auf zig neue Änderungen einstellen. Jedes Mal, wenn ein Omnibusgesetz kommt, wird das Erzittern schon spürbar. Überall in den beratenden Berufen und auch bei den Lohnsteuerhilfevereinen bricht dann Hektik aus, weil kurz vor Jahresende immer noch so viele neue Änderungen kommen, auf die man sich einstellen muss. Viele empfinden das zu Recht als eine Zumutung. ({2}) Ich möchte kurz fünf Beispiele nennen. Erster Punkt. Wir als Grüne haben es begrüßt, dass Sie davon abgesehen haben, den Abzug von Schulgeld abzuschaffen. Ursprünglich wollten Sie das überhaupt nicht mehr zum Abzug bringen. Wir begrüßen auch, dass der Beitrag erhöht worden ist und die berufsbildenden Privatschulen aufgenommen sind. Das ist positiv. Deswegen glaube ich, dass die FDP an diesem Punkt ziemlich übertreibt. Man weiß schließlich, dass die Arbeitgeber der Leute, von denen Sie sprechen, teilweise die Kosten übernehmen. ({3}) Zweiter Punkt. Wir haben auch erreicht - das war für die Grünen enorm wichtig -, dass sich die Große Koalition bei der Gewerbesteuerzerlegung für Windkraftanlagen überhaupt bewegt hat. Ich danke Ihnen dafür auch für die Branche. ({4}) - Für die Branche der regenerativen Energien danke ich. Es ist eine gute Sache, weil es auch für die Kommunen einen Anreiz geben wird, Standorte auszuweisen, um mehr regenerative Energien anzusiedeln. Denn jetzt haben auch die Standortgemeinden mehr davon, wenn diese Anlagen dort installiert werden. Damit wurde ein richtiger Impuls gesetzt. ({5}) Ich sage noch einmal deutlich an dieser Stelle - das ist leider im Finanzausschuss im Bericht verloren gegangen -: Es wird weiter möglich sein - die Kollegin Frechen von der SPD hat darauf hingewiesen; Herr Gutting hat es, glaube ich, auch angesprochen; wir waren uns da einig - individuelle Lösungen zu finden, um zu einem anderen Aufteilungsverhältnis zu kommen. ({6}) Das ist richtig, wichtig und sehr gut. ({7}) Dritter Punkt. Bei der neu geregelten Besteuerung ausländischer Künstlerinnen und Künstler ist die bisher ermäßigte Besteuerung von kleinen Gagen unter die Räder gekommen. Das bedauern wir sehr. Wir hatten dazu Änderungsanträge eingereicht, die Sie leider abgelehnt haben. Vierter Punkt. Es geht um die zukünftige Besteuerung von Ehepaaren. Dieses sogenannte optionale Faktorverfahren ist nicht das, was erwartet wird. Wir wünschen uns, dass Sie eine moderne Familienbesteuerung vornehmen. Unter moderner Familienbesteuerung verstehen wir keine Flickschusterei, sondern eine Veränderung des antiquierten Ehegattensplittings hin zu einer Individualbesteuerung. ({8}) Fünfter Punkt. Für uns sind ethische Geldanlagen ein sehr wichtiges Thema. Deswegen wollen wir, auch und gerade in Zeiten der Finanzkrise, dass ethische Geldanlagen bei den Finanzprodukten zur Altersvorsorge ausgewiesen werden. Denn die Leute wollen wissen, ob sie mit ihren Ersparnissen Kinderarbeit, Rüstungsindustrie und Atomkraft unterstützen. Wenn hierzu genauere Informationen vorliegen, ist dies auch im Interesse der Bevölkerung. Danke schön. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen für die SPD-Fraktion. ({0})

Bernd Scheelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002772, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Brauchen wir ein Jahressteuergesetz? ({0}) - Ja, das ist die Frage. - Natürlich brauchen wir ein Jahressteuergesetz, weil sich die Gesellschaft verändert, weil sich auch die Rechtsprechung verändert, weil die Politik die Aufgabe hat, diese Veränderungen zumindest zum Teil nachzuvollziehen, ({1}) und weil die Aussage, dass ein Steuerrecht einfach und gerecht sein kann, ein Märchen ist. ({2}) Nach dem biblischen Steuersystem war von allem der Zehnte zu entrichten. Dieses Steuerrecht war also sehr einfach. War es aber auch gerecht? Ist es gerecht, dass die Sekretärin eines Chefarztes 10 Prozent Steuern zahlt und dass der Chefarzt selbst auch nur 10 Prozent Steuern zahlt? Das ist doch völlig ungerecht. ({3}) Wenn Sie sagen: „Wir wollen, dass diejenigen, die leistungsfähiger sind und höhere Einkommen haben, auch eine höhere Steuerlast zu tragen haben als diejenigen, die niedrigere Einkommen haben“, dann stimmen Ihnen 99 Prozent der Menschen zu. Das allerdings bedeutet: Man darf ein Steuersystem nicht nur einfach gestalten, sondern man muss Regelungen finden, die nicht ganz so einfach sind, wie Sie es sich vorstellen. Ich will auf das Beispiel zum Thema Windkraft, das Frau Frechen erwähnt hat, kurz eingehen. In den mir verbleibenden zweieinhalb Minuten möchte ich die für die Kommunen positiven Aspekte betonen. ({4}) Ich glaube, an diesem Beispiel wird deutlich, welchen Beitrag das Steuerrecht zum Klimaschutz leisten kann. ({5}) Das ist zwar nur ein kleiner, aber ein wichtiger Beitrag. Es macht durchaus Sinn, dass Standortkommunen etwas davon haben, wenn sie über Windräder verfügen. Sie fallen den Menschen aufgrund ihrer Wirkung auf die Landschaft nicht immer nur positiv auf. Dennoch muss es im Interesse der jeweiligen Gemeinde sein, eine solche Anlage bei sich anzusiedeln. Ich glaube, hier haben wir eine gute Lösung gefunden. ({6}) Ich will noch kurz auf zwei Entwicklungen eingehen, die aus Sicht der Kommunen sehr positiv zu beurteilen sind: Zunächst zum steuerlichen Querverbund. Wie Sie wissen, wurden wir von der Rechtsprechung der letzten Jahre aufgefordert, den steuerlichen Querverbund gesetzlich zu sichern. Es geht darum, dass die Gewinne, die kommunale Unternehmen zum Beispiel aus der Energieversorgung, aber auch aus anderen Versorgungsarten, erzielen, mit den Verlusten der Verkehrsbetriebe verrechnet werden. Das ist seit mehreren Jahrzehnten in dieser Republik eine Tradition, die nun gesetzlich gesichert wird. Dadurch schaffen wir Klarheit, dass diese Verrechnung rechtens ist. ({7}) Hierbei geht es um immerhin 2,5 Milliarden Euro, auf die Bund und Länder zugunsten der Kommunen verzichten. Ich möchte an dieser Stelle positiv hervorheben, dass Bund und Länder ihrer Verantwortung gerecht werden ({8}) und dieses Geld den Kommunen zur Verfügung stellen. Die Kommunen können diese Mittel verwenden, indem sie beispielsweise in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, in die Anschaffung neuer Busse und Bahnen, investieren. ({9}) Der zweite Punkt, auf den ich abschließend zu sprechen kommen will, betrifft § 33 des Grundsteuergesetzes. Auch hier wurden wir von der Rechtsprechung aufgefordert, für Klarheit zu sorgen. Dabei geht es um die Frage, ob aus dem Leerstand von Immobilien ein Erlass der Grundsteuer hergeleitet werden kann. Hierzu gab es bisher eine gesetzliche Regelung, die jetzt durch die Rechtsprechung in ihr Gegenteil verkehrt werden könnte. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass hier eine Klarstellung erfolgt. Auch bei diesem Thema geht es um Gerechtigkeit. Wenn wir nämlich nichts unternommen hätten, hätten wir in Kauf nehmen müssen, dass insbesondere im Osten der Republik befindliche Immobilien, die im Zuge des Vereinigungsbooms zum Teil auch mit steuerlicher Förderung gebaut wurden, nun aber leer stehen, auch noch steuerlich subventioniert werden, und zwar in Form einer Ermäßigung oder eines Erlasses der Grundsteuer. Das konnten und wollten wir nicht hinnehmen. ({10}) Ich glaube, wir haben jetzt eine sinnvolle Regelung gefunden, durch die es den Kommunen erspart wird, sich die Ausfälle, die entstanden wären - dies wäre in vielen Bereichen ein zweistelliger Millionenbetrag gewesen; Berlin hat uns vorgerechnet, dass der Verlust etwa 20 Millionen Euro betragen hätte, wenn wir das nicht gemacht hätten -, bei anderen Grundstückseigentümern wiederzuholen, die das dann wieder auf ihre Mieter abgewälzt hätten. Das wollten wir nicht. Ich finde, das ist eine gute Lösung. Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. Heute ist ein guter Tag für die Kommunen in Deutschland. Herzlichen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge: Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11073? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11111? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart, dass am kommenden Mittwoch keine Befragung der Bundesregierung und keine Aktuelle Stunde stattfinden soll. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. Dezember 2008, 19 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.