Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/27/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten können, müssen wir noch eine Reihe von nachträglichen Ausschussüberweisungen vornehmen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die nachfolgenden Gesetzentwürfe zusätzlich zur Mitberatung zu überweisen: den Entwurf des Gendiagnostikgesetzes auf den Drucksachen 16/10532 und 16/10582 und den Entwurf des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes auf den Drucksachen 16/10807 und 16/10868 an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung; den Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 28. April und 5. Mai 2008 des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds auf der Drucksache 16/10535 an den Auswärtigen Ausschuss; den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen auf der Drucksache 16/10734 an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und schließlich den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts auf der Drucksache 16/10117 an den Innenausschuss. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts ({0}) - Drucksachen 16/7918, 16/8547 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksachen 16/11075, 16/11107 Berichterstattung: Abgeordnete Eduard Oswald Gabriele Frechen - Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 16/11085 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({3}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP sowie ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach der Aussprache zu diesem Punkt werden wir zwei namentliche Abstimmungen durchführen. Schon jetzt weise ich darauf hin, dass es im Laufe des Tages noch drei weitere namentliche Abstimmungen gibt. Für die Aussprache zu diesem Punkt sind anderthalb Stunden vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Als erstem Redner gebe ich dem Kollegen Florian Pronold für die SPD-Fraktion das Wort. ({4})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verabschieden heute ein Gesetz, das durchaus den Titel „Die unendliche Geschichte“ verdient. Wir haben mehr als zweieinhalb Jahre über eine insbesondere für die Länder ganz wichtige Frage verhandelt. Es ging dabei um Gerechtigkeit und Ausgleich in unserer Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil festgestellt, das Bewertungsrecht in der bisherigen Form sei nicht verfassungskonform, weil unterschiedliche Vermögensarten unterschiedlich bewertet würden, was zu Ungleichheiten in der Besteuerung führe. Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, dieses zu ändern. Mit dem heutigen Tage legen wir ein verfassungskonformes Bewertungsrecht vor, das dazu führt, dass unterschiedliche Vermögensarten entsprechend gleich behandelt werden. Für uns in der Großen Koalition war es wichtig - das haben wir vor über eineinhalb Jahren beschlossen -, dass Redetext die Länder dasselbe Aufkommen aus der Erbschaftsteuer haben werden wie bisher. 4 Milliarden Euro war die Linie, die wir uns vorgenommen haben und die wir erreicht haben. Das ist deswegen wichtig, weil dieses Geld auch für Bildung und für Zukunftsinvestitionen in den Ländern gebraucht wird. Es gibt eine breite Debatte über die Zulässigkeit der Erbschaftsteuer generell. Viele behaupten, dass hier Enteignungen stattfinden würden und dass es ungerecht sei, auf bereits versteuertes Vermögen noch einmal zuzugreifen. Aus meiner Sicht ist aber das Gegenteil der Fall. Die Erbschaftsteuer ist eine der Steuern, die ein besonders hohes Maß an Gerechtigkeit aufweist, und zwar deswegen, weil sie eine Erbanfallsteuer ist. Das bedeutet, Menschen, die ohne eigene Leistung etwas bekommen, tragen mit der Erbschaftsteuer einen Teil dazu bei, dass in unserer Gesellschaft wichtige Aufgaben erledigt werden können. ({0}) Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war es wichtig, dass wir dabei die Familienangehörigen, also die Kinder und die Ehegatten, besserstellen. Ich glaube auch, es ist eine große Leistung dieses Gesetzes, dass wir damit in der Steuerpolitik in einem wichtigen Bereich zum ersten Mal de facto die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften erreichen werden. ({1}) Denn wir sehen dieselben Freibeträge und dieselben Regelungen, bezogen auf das Erbrecht, wie sie im bürgerlichen Recht vorgesehen sind, auch für die Lebenspartner vor. Bei den Debatten, die wir in den letzten Jahren mit den Betroffenen hatten, ging es zentral um die Frage: Wie sieht es aus, wenn sich Leute gemeinsam ein Haus anschaffen und einer von beiden stirbt? Kann der andere dann das Haus halten, wenn die Erbschaftsteuer fällig wird? Mit einem Freibetrag in Höhe von 500 000 Euro haben wir es in der letzten Runde zusätzlich geschafft, das selbstgenutzte Wohneigentum für den Lebenspartner praktisch generell freizustellen. Wir haben dieses zentrale Problem wirklich zufriedenstellend gelöst. Leider ist es uns nicht gelungen, die Lebenspartner aus der Steuerklasse III dorthin zu bekommen, wo sie eigentlich hingehören, nämlich in die Steuerklasse I. Aber für 99,9 Prozent der Lebenspartner werden wir eine deutliche Verbesserung erreichen. Wir werden de facto eine Gleichstellung erzielen. Als weiteren wichtigen Punkt haben wir uns in der Großen Koalition vorgenommen, die Vererbung der Betriebe zu erleichtern. Das hat das Bundesverfassungsgericht auch immer mit der Frage hinsichtlich der Gemeinnützigkeit gekoppelt. Wir haben in diesem Gesetzentwurf ein Optionsmodell vereinbart, das für die Betriebe entweder einen Steuernachlass in Höhe von 85 Prozent oder von 100 Prozent vorsieht. Je stärker die Erleichterung ist, umso mehr muss die Anforderung in Richtung des Gemeinwohls gegeben sein. Unser Anliegen als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war es gerade, dass das an die Arbeitsplätze gekoppelt wird. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne. Wenn Herr Kollege Michelbach eine Zwischenfrage an mich hat, dann werde ich ihm das gerne gestatten.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Pronold, Sie haben in Ihren Ausführungen deutlich gemacht, dass Erben ein leistungsloser Erwerb sei. Können Sie sich vorstellen, dass in einem Familienunternehmen, in dem der Erbfall eintritt, die Gesamtvermögenslage so ist, dass es sich auch bei den restlichen Familienmitgliedern nicht um einen leistungslosen Erwerb handelt, sondern dass Substanzerhalt auch im Erbfall insgesamt im Betrieb notwendig bleibt, um die Liquidität und die Substanz des Betriebes zu gewährleisten? Damit ist Ihre Argumentation, dass es sich dabei eigentlich um einen leistungslosen Erwerb handelt, grundsätzlich falsch. ({0})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Michelbach, allein die Grundstruktur des Erbschaftsteuerrechts besagt, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn beim Erbe wird der Zuwachs des Vermögens besteuert. Das ist immer der Zuwachs fremden Vermögens. ({0}) - Lassen Sie mich halt - ({1}) - Also gut, ich kann Ihnen durchaus eine ganze Menge Beispiele aus Familien bringen, in denen Leute darüber streiten, was dem einen von den beiden gehört. Ich glaube, es kann durchaus juristischen Streit darüber geben, ob das auch dem anderen gehört. Es gibt also nicht den Begriff des Familienvermögens. In unserer Rechtsordnung ist es so, dass das Eigentum einer Person oder einer Personengemeinschaft zugeordnet wird. Das ist eben die Frage, um die es auch bei dem Familienbetrieb geht. Bei dem Familienbetrieb gibt es einen Eigentümer. Dieser Eigentümer gibt das Vermögen an andere Personen weiter. Das ist der juristische Vorgang des Übergangs. Der wird bei dem, der es bekommt, besteuert. Jetzt kann die Frage auftauchen: Haben zum Beispiel Familienangehörige in einem Betrieb mitgearbeitet und deswegen auch zum Bestand des Vermögens beigetragen? Natürlich kann das sein. Es kann sein, dass sie dafür entlohnt worden sind. Es kann sein, dass sie nicht daFlorian Pronold für entlohnt worden sind. Das weiß man nicht. Das wird man später sehr schwer feststellen können. Darum haben wir gerade für die Familienbetriebe die Regelung geschaffen, dass zukünftig noch mehr - schon bisher haben übrigens 95 Prozent keine Erbschaftsteuer gezahlt keine Erbschaftsteuer zahlen werden. Wir wollten, dass die Familienbetriebe erhalten bleiben, weil die Struktur und die Art und Weise, wie Familienbetriebe arbeiten, uns lieber sind als die einer Aktiengesellschaft, die dem schnellen Profit hinterherjagt. Deswegen haben wir für die Familienbetriebe etwas gemacht. ({2}) Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht: Wenn ihr jemanden im Rahmen der Erbschaftsteuer besserstellen wollt als andere, dann braucht ihr eine gute Begründung. Diese Begründung muss das Allgemeinwohl sein. ({3}) Man kann das nachlesen. Das heißt, dass wir das verfassungsfest hinbekommen müssen. Deswegen war für uns wichtig, die Befreiung von der Erbschaftsteuer an die Lohnsumme zu koppeln - nicht deswegen, weil wir damit jemanden gängeln wollen, sondern deswegen, weil wir eine verfassungsgemäße Ausnahme wollten und dies nachprüfbar dem Allgemeinwohl und der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen soll. Dafür haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns besonders eingesetzt. ({4}) In den letzten Monaten und Jahren ist eine ganze Menge an Propaganda im Zusammenhang mit der Frage betrieben worden, was dort angeblich passiert. Ein paar Fakten: Etwa 250 Milliarden Euro werden jedes Jahr vererbt. Davon wird ein Anteil von gerade einmal 4 Milliarden Euro, also von unter 2 Prozent, an Erbschaftsteuer eingenommen. Wer hier also von einem enteignungsgleichen Eingriff spricht, der irrt. ({5}) Wir haben mit der Steuerklasse I Kinder und Ehepartner genauso wie die Enkel massiv bessergestellt. Die Freibeträge in der Steuerklasse I sind verdoppelt bis vervierfacht worden. Heute können Eltern an ein Kind 3,5 durchschnittliche Eigenheime vererben, ohne dass dafür überhaupt 1 Cent Erbschaftsteuer anfällt. Wer mir sagt, dass dies eine schwere und unzumutbare Belastung ist, der irrt. ({6}) Das gilt auch für das durchschnittliche Eigenheim in Großstädten. Das durchschnittliche Eigenheim in München in besserer Wohnlage liegt bei einem Wert von 480 000 bis 520 000 Euro - je nach dem, welche Statistik Sie bemühen. Auch nach dem alten Entwurf wären die Ehepartner und die Kinder mit einem Freibetrag von zweimal 400 000 Euro steuerfrei. Dass man sich dann noch besonders für die Villenbesitzer am Starnberger See einsetzen muss, kann ich nicht nachvollziehen. ({7}) Warum wir daher nicht das Geld haben, um zum Beispiel Betroffene in der Steuerklasse II besserzustellen gegenüber denjenigen in der Steuerklasse III, sollten sich diejenigen fragen lassen, die den Villenbesitzern am Starnberger See so vehement einen Dienst tun wollten. ({8}) - Natürlich ist es so. Das war doch Gegenstand der Verhandlungen. Ich habe an allen teilgenommen und habe live miterlebt, welche Auseinandersetzungen es gab. Derzeit wird Menschen weiter - ich habe es gestern im Fernsehen gesehen - unberechtigterweise Angst gemacht. Gestern war ein toller Beitrag über zwei Geschwister zu sehen, die ihr Leben lang in einem Haus wohnen, das sie gemeinsam vom Vater geerbt haben, und die jetzt im Alter von 75 Jahren Angst haben - nach der Debatte, die stattgefunden hat, kann ich das nachvollziehen -, dass, wenn eine von beiden stirbt, Erbschaftsteuer anfällt und deswegen das Haus verkauft werden muss. Wir haben in den Verhandlungen genau an diesen Fall gedacht und ihn gelöst. ({9}) - Ich mache das gerne klar, wenn Sie das wissen wollen. ({10}) - Nein, die müssen nicht heiraten. Wir haben eine Bestimmung geschaffen, die es in ähnlicher Weise früher schon für das Betriebsvermögen gab. Wenn das Eigentum an einem Haus übergeht, ohne dass sonstiges Vermögen vorhanden ist und keine Erbschaftsteuer gezahlt werden kann, dann wird die Erbschaftsteuer für diese Fälle für zehn Jahre zinsfrei gestundet. ({11}) Ich weiß, dass es unterschiedliche Fragestellungen gibt. Ich will Ihnen zu dieser ganzen Erbschaftsteuerdebatte eines sagen: Ich habe viele Menschen erlebt, die viel besitzen und die sich das einmal unter dem Aspekt der Gerechtigkeit angeschaut haben. ({12}) Sie haben gesagt, sie hätten Verständnis dafür, dass, wenn jemand etwas ohne eigene Leistung bekomme, auch die Gesellschaft etwas davon haben müsse. Ich habe mit vielen Mittelständlern gesprochen, die anders argumentieren als die FDP. ({13}) Diese Unternehmer wissen genau, Herr Michelbach, dass die Existenz des Betriebes, den sie aufgebaut haben, nicht nur davon abhängt, dass sie selbst eine Leistung erbracht haben, sondern auch davon, dass ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Leistung erbracht haben. Sie wissen, dass diese ihre Leistung nur erbringen konnten, weil wir ein gutes Bildungssystem haben. Außerdem wissen sie, dass die Zuschüsse und Subventionen, die sie erhalten haben, aus Steuermitteln finanziert wurden. Diese Mittelständler sind bereit, einen Teil davon an die Gesellschaft zurückzugeben, von der sie zuvor etwas empfangen haben. Deswegen ist Erbschaftsteuer eine Frage der Gerechtigkeit. Das ist eine wichtige Frage für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Wir wollen deutlich machen, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft ein ganz zentrales Element ist, das auch dadurch erhalten bleibt, dass von den Reichen etwas zu denen fließt, die nichts haben. ({14}) 60 Prozent der Menschen in dieser Gesellschaft werden nie ein relevantes Vermögen erben. Diese Feststellung sollte für diese Debatte grundlegend sein. Ich sage einmal etwas Persönliches: Ich bin meinen Eltern dankbar dafür, dass sie mich mit etwas ausstatten, für das ich nichts getan habe, dass ich vielleicht eine Eigentumswohnung erben werde, wofür ich nichts kann. Ich habe damit einen Chancenvorteil, den 60 Prozent der Menschen in diesem Land nicht haben. ({15}) Ich wäre bereit, etwas dafür zu zahlen - das ist doch überhaupt keine Frage -, aber ich muss es nicht, weil das alte und erst recht das neue Erbschaftsteuerrecht großzügig ist. ({16}) - Herr Ramsauer, qualifizierte Zwischenrufe waren noch nie Ihre besondere Stärke. Aber ich finde, man sollte die Kirche im Dorf lassen. ({17}) Wir haben heute etwas erreicht, auf das wir stolz sein können. Ich habe selten erlebt, dass ein Thema die Gesellschaft so beschäftigt hat, wie die Erbschaftsteuer. ({18}) - Ich habe vorhin ja ein paar Fakten genannt, um das Ganze wieder auf den Boden der Rationalität zurückzuholen. - Es geht darum, dass wir den Auftrag des Verfassungsgerichts erfüllen. Wir haben ein verfassungskonformes Bewertungsrecht, jetzt übrigens auch wieder für die Vermögensteuer. ({19}) Die Erbschaftsteuer ist grundlegend, um wieder eine Vermögensteuer erheben zu können. Ich danke deswegen dafür, dass es uns in der Großen Koalition gelungen ist, die Voraussetzungen dafür mit dem heutigen Tag wieder sicherzustellen. ({20}) Diejenigen, die die Erbschaftsteuer abschaffen wollen, sind gescheitert. Wir werden ab dem 1. Januar nächsten Jahres ein verfassungskonformes Erbschaftsteuerrecht haben. Wir haben eine deutliche Besserstellung für die Lebenspartner erreicht. Auch im Bereich der betrieblichen Nachfolge haben wir eine ganze Menge verbessert. Die Große Koalition hat übrigens genau das Modell aufgegriffen - ich sage das, weil häufig das Argument zu viel Bürokratie vorgebracht wird, über das man sich berechtigterweise unterhalten kann -, das sich die Wirtschaft gewünscht hat, zumindest am Anfang des Prozesses. Ein Abschmelzmodell war der Wunsch der Wirtschaft. Es war der Wunsch der Wirtschaft, die Erbschaftsteuer über sieben oder zehn Jahre abzuschmelzen. Dann muss man das aber auch sieben oder zehn Jahre lang kontrollieren, und das ist bürokratisch. Mit uns wäre jederzeit ein einfacheres Modell möglich gewesen. Das vorgesehene Modell ist zwar kompliziert, aber dieselben Betroffenen, die heute dagegen polemisieren, wollten das so haben. ({21})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie eine weitere Zwischenfrage zulassen?

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Pronold, habe ich Sie richtig verstanden, dass Ihre Fraktion die Wiedereinführung der Vermögensteuer plant?

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie die Diskussion dazu aufmerksam verfolgt haben, wissen Sie, dass es einen SPD-Parteivorstandsbeschluss und einen Parteitagsbeschluss der SPD gibt, in denen die Vermögensteuer als wichtiges Element einer gerechten Steuerpolitik bezeichnet wird. ({0}) Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, was passiert ist, als die Vermögensteuer abgeschafft worden ist, wozu Sie beigetragen haben. Die 4 Milliarden DM, die die Vermögensteuer damals ausgemacht hat, sind nicht im Nichts verschwunden. Was man den Reichen schenkt, muss man den Armen nehmen. ({1}) Man hat die Grunderwerbsteuer im Gegenzug um 75 Prozent erhöht. Das bedeutet: Die kleinen Häuslebauer haben die Geschenke an die Millionäre, die Sie verteilt haben, bezahlt. Das ist die Wahrheit über die Vermögensteuer. ({2}) Mir ist es lieber, dass die starken Schultern mehr tragen als die schwachen. Nur dann kann eine Gesellschaft funktionieren. Ich darf mich für die zwar nicht immer ganz konstruktive, aber im Ergebnis doch gute Arbeit, die wir in der Großen Koalition geleistet haben, ganz herzlich bedanken. Ich darf mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem im Ministerium, bedanken, die über zwei Jahre hinweg wirklich eine Menge Arbeit hatten. Ich darf mich bei den Kollegen Berichterstattern bedanken und auch bei den Oppositionsfraktionen, die zugegebenermaßen eine sehr umfangreiche und komplizierte Gesetzesmaterie in komprimierter Form mit uns bearbeiten mussten. Herzlichen Dank dafür! Wir haben heute ein kleines Stück dazu beigetragen, dass es in dieser Welt etwas gerechter zugeht. Herzlichen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Carl-Ludwig Thiele das Wort für die FDPFraktion. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach der Brandrede des Kollegen Pronold ({0}) ist es natürlich überhaupt nicht überraschend, dass seitens der Union null Beifall zu diesen Vorstellungen des Koalitionspartners gekommen ist. Mein Eindruck ist sowieso, dass dieser Gesetzentwurf im Wesentlichen die Handschrift der SPD trägt. ({1}) Insofern appelliere ich schon jetzt an die Union, sich zu überlegen, ob sie diesem Gesetzentwurf überhaupt zustimmen kann. ({2}) Es ist erstaunlich, Herr Kollege Pronold, dass man, nachdem die Koalition über Jahre hinweg in den Dunkelkammern unterschiedlicher Arbeitsgruppen das Erbschaftsteuerrecht behandelt hat, hier sagt, Kritik dagegen sei Propaganda. Wir haben noch in der vorletzten Sitzung des Finanzausschusses darauf gedrängt, eine Anhörung über die Änderungsanträge durchzuführen, was keine zeitliche Verzögerung des Gesetzgebungsvorhabens zur Folge gehabt hätte. Denn die Änderungsanträge sind inzwischen umfangreicher als der Gesetzentwurf. Eine Anhörung wurde von Ihnen und von der Union abgelehnt. Würde man offen diskutieren wollen und hätte man nichts zu verstecken, dann hätte man die Anhörung durchführen können. Dann wäre Sachverstand hineingekommen, den Sie meiner Ansicht nach noch gebrauchen können. ({3}) Zu den Problemen der Geschwister komme ich gleich noch. Aber lassen Sie mich vorab noch einiges sagen. Dieser Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer ist totaler Murks. ({4}) Dieses Gesetz ist nicht praktikabel, es ist streitanfällig, und der Verwaltungsaufwand wird enorm sein. Hier ist ein bürokratisches Monster entstanden, wie wir es im Bundestag eigentlich nicht mehr beschließen wollten. ({5}) Es ist zwar richtig, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, dass das derzeitige Recht nicht anzuwenden ist. Aber kein Verfassungsgericht hat Ihnen aufgegeben, diesen Gesetzentwurf hier und heute zu beschließen. Das stimmt nicht. Dieser Gesetzentwurf ist derart verunglückt, dass ihm keiner zustimmen kann. ({6}) An dieser Stelle möchte ich in Erinnerung rufen, dass die Blaupause für dieses Gesetz von Ministerpräsident Roland Koch und Finanzminister Peer Steinbrück als steuerpolitisches Dreamteam entworfen wurde. Aufgrund der Vielzahl der Ausnahmeregelungen, die in diesem Gesetz vorgesehen sind, wird es enorme Abgrenzungsprobleme in Einzelfällen geben. ({7}) Der Verwaltungsaufwand und die Streitanfälligkeit werden dafür sorgen, dass es ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sein wird. Kosten und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Dabei sind auch die Kosten des Fiskus zu berücksichtigen; denn er muss es administrieren, er muss die Lohnsumme nachhalten. Das ist überhaupt nicht machbar, nicht einmal mit Datentechnik. ({8}) Die Steuererklärung selbst hat der Steuerpflichtige abzugeben. Die kann er bei diesem Gesetz nicht erbringen. Er wird Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gutachten brauchen. Es wird ein Aufwand entstehen, der in diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht erwähnt wird. Die Koalition hat sich angeblich darauf geeinigt, ein Aufkommen in der Größenordnung von 4 Milliarden Euro pro Jahr zu erreichen. Ich möchte darauf hinweisen, dass das durchschnittliche Aufkommen der letzten zehn Jahre 3,2 Milliarden Euro pro Jahr betrug, nicht 4 Milliarden Euro. ({9}) Seitens der FDP hatten wir schon immer den Eindruck, dass im Rahmen der Erbschaftsteuer eine klammheimliche Steuererhöhung durch die Große Koalition geplant ist. Jetzt haben wir die Bestätigung, dass Finanzminister Peer Steinbrück die Union kräftig über den Tisch gezogen hat. Denn in einem Schreiben nach gefundenem Kompromiss vom 7. November dieses Jahres hat Finanzminister Steinbrück sich mit folgenden Worten an seine Fraktionskollegen gewandt: Liebe Genossinnen und Genossen, … wird nicht nur das von uns als Ziel vorgegebene Aufkommen von 4 Mrd. Euro erreicht werden, sondern das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer weiter wachsen ({10}). Die Wahrheit ist also: keine Steuerneutralität, sondern Aufkommenserhöhung. Das wird mit diesem Gesetz betrieben. ({11}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gibt zwei Gruppen, die von dieser Erbschaftsteuerreform massiv betroffen sind. Das sind erstens die Familienunternehmen und zweitens die Erben der Steuerklassen II und III, also Geschwister, weiter entfernte Verwandte und nichteheliche Lebensgemeinschaften. Zu den Familienunternehmen. Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen einer börsennotierten Gesellschaft und einem familiengeführten Unternehmen. Wenn ein Aktionär verstirbt, werden seine Aktien vererbt und zum Zeitpunkt der Erbschaft bewertet. Um die Steuerschuld zu begleichen, kann der Erbe Aktien veräußern. Ein DAX-Unternehmen, ein börsennotiertes Unternehmen, verliert keinen Cent Kapital. Im deutschen Mittelstand ist das komplett anders. Da fehlt häufig der Kopf des Unternehmens. Es ist kein Geld vorhanden, da es in den Betrieb investiert wurde. In diesem Fall muss der Betrieb zur Begleichung der Steuerschuld belastet bzw. die Eigenkapitalbasis des Betriebes geschmälert werden. Es wird in die Substanz des Betriebes eingegriffen. Ich halte es für unverantwortlich, dass hierauf überhaupt keine Rücksicht genommen wird. ({12}) Wenn ich an die Sonntagsreden von SPD und Union denke, in denen zu Recht das Hohelied auf den deutschen Mittelstand gesungen wird, dann kann ich zu dieser Erbschaftsteuerreform nur sagen: Die Große Koalition, vor allen Dingen aber die Union - das muss ich leider sagen -, ist gegenüber dem Mittelstand nicht glaubwürdig. Dieses Gesetz ist ein Gesetz, das gegen den deutschen Mittelstand gerichtet ist. ({13}) Diese Reform der Erbschaftsteuer richtet sich gegen den Mittelstand und seine Beschäftigten. ({14}) Es kann doch nicht Ziel eines Unternehmens sein, Erträge zu erwirtschaften, um sie für Erbschaftsteuerforderungen zurückzuhalten. Die Erträge sollen investiert werden, um Arbeitsplätze zu sichern ({15}) und den Betrieb erfolgreich zu führen. Darum geht es. ({16}) Das ist der Unterschied zwischen Familiengesellschaften und börsennotierten Kapitalgesellschaften. ({17}) Es wurde immer der Eindruck erweckt, die Ausnahmen seien die Regel. Jetzt müssen wir aber feststellen: Die Ausnahmen bleiben Ausnahmen. Im Erbschaftsteuerrecht gibt es in Zukunft einen ganz neuen Vermögensbegriff, das Verwaltungsvermögen. Ich will Ihnen diesen Begriff erklären. Jede mittelständische Firma ist gut beraten, über Eigenkapital zu verfügen; gerade die aktuelle Finanzkrise zeigt dies überdeutlich. Wenn aber Kapital, das man investieren möchte, mit dem man zum Beispiel eine Halle bauen oder eine Maschine anschaffen möchte, länger als sechs Monate vorhanden ist, dann gilt es, wenn es die Grenze von 10 Prozent übersteigt, für zehn Jahre als Verwaltungsvermögen, ab 50 Prozent für sieben Jahre. In diesem Fall wird überhaupt keine Begünstigung gewährt, sodass die Vollbesteuerung eines Unternehmens der Regelfall ist, ({18}) und zwar in zwei-, vier- oder sogar sechsmal höherem Ausmaß, als es derzeit der Fall ist. Ich frage mich: Welches Weltbild steckt eigentlich hinter solch abstrusen Vorstellungen? Das kann ich Ihnen erklären. Ich zitiere wieder aus dem Brief von Finanzminister Steinbrück an seine Genossen: … das im Betrieb befindliche sog. Verwaltungsvermögen ({19}) … ({20}) Ich frage Sie allen Ernstes, Herr Minister: Verkehren Sie nur noch in den Vorstandsetagen der DAX-Unternehmen? ({21}) Wissen Sie eigentlich, wie die Situation im deutschen Mittelstand ist? Wo sind da die Picassos? Wo sind da die Edelsteine? ({22}) Das ist eine üble Polemik gegen Familienbetriebe. Diese Arroganz ist schlichtweg unerträglich. Sie hatte zur Folge, dass sich 170 Familiengesellschaften an die Regierung gewandt haben mit der Bitte, diesen GesetzentCarl-Ludwig Thiele wurf nicht zu verabschieden, weil die Ausnahme überhaupt nicht zur Anwendung kommen wird. Lassen Sie mich noch kurz auf die Steuerklassen II und III zu sprechen kommen. Neben einer geringfügigen Erhöhung der Freibeträge kommt es zu einer drastischen Erhöhung der Steuersätze. Der für Vermögen geltende Eingangssteuersatz wird auf 30 Prozent erhöht. Das Beispiel, das der Kollege Pronold gerade angeführt hat, bedeutet Folgendes: Wenn zwei Geschwister ein Haus, das einen Wert von 240 000 Euro hat, geerbt und entschuldet haben, und einer der beiden verstirbt, dann erhält der andere einen Wert von 120 000 Euro. Der Freibetrag beträgt 20 000 Euro. Auf den Erwerb dieses Hauses sind innerhalb eines Monats nach Erhalt des Steuerbescheides 30 000 Euro zu zahlen. ({23}) Das ist eine Teilenteignung. ({24}) Wir wollen, dass die Menschen in unserem Lande Vermögen erwerben,

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- ich komme zum Ende, Frau Präsidentin -, sei es als Mitarbeiterbeteiligung, sei es als Eigentum. Wir wollen aber nicht, dass sie von unserem Staat teilenteignet werden und dass ihnen das, was sie sich erarbeitet haben, genommen wird. Das ist doch ein Gesellschaftsbild, das krank ist, und ein Wirtschaftsbild, das nicht richtig sein kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Insofern möchte ich noch einmal ausdrücklich appellieren - auch an die Kollegen der Union -, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung nicht zu geben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. - Ich glaube wirklich, dass hier die Axt in unverantwortlicher Weise an Fundamente unseres Staates gelegt wird. Das muss verhindert werden. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Albert Rupprecht. ({0})

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Thiele, gemessen am Entwurf des Finanzministers vom Februar ist der jetzige Gesetzentwurf ein Riesenfortschritt. Die Veränderungen des Gesetzentwurfs tragen ganz klar die Handschrift der Union und insbesondere die der CSU. ({0}) Wir haben Wort gehalten: Der Erbe, der das Unternehmen zehn Jahre fortführt und Arbeitsplätze sichert, wird von der Steuer befreit. Wir haben ebenso Wort gehalten: Der Ehepartner erhält das privat genutzte Haus bzw. die privat genutzte Wohnung steuerfrei, und es wird nicht notwendig sein, dass er das Haus bzw. die Wohnung verkauft, um Steuern zu zahlen. ({1}) Wir haben Respekt vor der Lebensleistung der Bürger und verstehen uns als Partei der Familie und des Eigentums. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass die Verhandlungen - insbesondere die mit dem Kollegen Pronold - einfach aufgrund unterschiedlicher Grundauffassungen und Verständnisse der Gesellschaftspolitik in der Tat nicht immer einfach waren. ({2}) Nichtsdestotrotz haben wir zwingend für Verbesserungen geworben, und im Ergebnis haben wir diese Verbesserungen auch durchgesetzt. ({3}) Sehr geehrte Damen und Herren, zunächst zur betrieblichen Erbschaftsteuer. Unser Anliegen war es seit Jahren, den Generationswechsel im Mittelstand zu erleichtern. Wir haben deswegen - insbesondere wieder als CSU - bereits vor Jahren das Abschmelzmodell vorgeschlagen. ({4}) Wer das Unternehmen fortführt, soll steuerfrei erben können, damit Arbeitsplätze gesichert werden. Herr Thiele, im Übrigen hat die FDP auf ihrem Parteitag 2004 ein analoges bzw. ähnliches Modell - eben auch ein Abschmelzmodell - beschlossen. ({5}) Herr Thiele, deswegen haben Sie hier in der ersten Lesung - wie wir im Übrigen auch - zu Recht Verbesserungen für den Mittelstand eingefordert. Der Regierungsentwurf war in der Tat unzureichend. ({6}) Ich behaupte aber, dass wir Stand 27. November 2008 weit mehr Verbesserungen durchgesetzt haben, als Sie Albert Rupprecht ({7}) damals, im Februar, bei der ersten Lesung überhaupt eingefordert haben. Sie haben in Ihrer Rede im Februar eine Verkürzung der Behaltensfrist und eine Nachbesserung bei der Stundungsregel eingefordert. Das war alles, was Sie damals an konkreten Veränderungsvorschlägen eingebracht haben. ({8}) Beides ist heute in Gänze erfüllt. Wir haben weit mehr für den Mittelstand getan, als Sie damals gefordert haben. ({9}) Für Unternehmen mit einem Wert von bis zu 1 Million Euro muss man aufgrund der Freibeträge auch nach dem Sieben-Jahres-Modell künftig keine Erbschaftsteuer zahlen. Das sind Dreiviertel der deutschen Unternehmen. Auch für die größeren Unternehmen kann eine Freistellung von 100 Prozent erreicht werden, wenngleich man dafür in der Tat höhere Auflagen erfüllen muss. Herr Thiele, es ist absurd, diese Erfolge als mittelstandsfeindlich zu bezeichnen. Das ist eine dramatische Verbesserung gegenüber dem geltenden Recht. ({10}) Wir haben den Gesetzentwurf in vielen Punkten für den Mittelstand substanziell verbessert: Wir haben die Behaltensfrist von 15 auf 7 Jahre verkürzt. Wir haben die Geltungsdauer der Lohnsummenregel von zehn Jahre auf sieben Jahre verkürzt. Die Lohnsumme wird, anders als geplant, nicht jedes Jahr, sondern nur einmal am Ende der Behaltensfrist überprüft. Auch hinsichtlich der Verpachtungen ist jetzt eine umfassende Verschonung vorgesehen. ({11}) Es gibt sowohl bei der Lohnsumme als auch bei der Behaltensfrist kein Fallbeil mehr. ({12}) Die Steuerschuld wird jährlich abgeschmolzen, wie wir das immer wollten. Das war im Übrigen auch eine der wichtigsten Forderungen bzw. Bitten aus der Wirtschaft. Der Erbe kann zwischen sieben Jahre Behaltensfrist und 85 Prozent Steuerfreiheit und zehn Jahre Behaltensfrist und 100 Prozent Steuerfreiheit wählen. Wir haben die Doppelbesteuerung - Einkommensteuer und Erbschaftsteuer - für die ersten Jahre gestrichen. Wir haben die Indexierung der Lohnsumme gestrichen. Auch das war eine weitere dringende Bitte der Wirtschaft. ({13}) - Gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Thiele, bitte schön.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Sie haben mich angesprochen, Herr Kollege. Daher möchte ich Sie doch einmal auf die Baden-Badener Erklärung der 170 Familienunternehmen - das sind bekannte Familienunternehmen in Deutschland - ansprechen. Dort heißt es: Gerade die aktuelle Finanzkrise zeigt, wie schwierig, ja unerfüllbar die im bisher bekannt gewordenen Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen und Auflagen sind, deren Einhaltung den Familienunternehmen über sieben oder gar zehn Jahre hinweg aufgezwungen werden soll. Weiter heißt es: Hinzu kommt, dass von den vorgesehenen Entlastungen weite Teile der Familienunternehmen ausgeschlossen werden. Alleine die neu hinzugefügten Bedingungen, die Erleichterung nur zu gewähren bei einer maximalen Verwaltungsvermögensgrenze von 10 Prozent oder die Mindestbeteiligungsgrenze von 25 Prozent bei Kapitalgesellschaften, führen dazu, dass die Entlastung für viele zwar auf dem Papier, aber nicht in der Realität greifen wird. Das ist genau mein Vorwurf. Ich bestreite nicht, dass optisch Verbesserungen erreicht worden sind. Ich bestreite aber, dass diese Verbesserungen tatsächlich bei den Familienbetrieben in entsprechender Form ankommen werden. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Rupprecht, ich würde gerne noch die Zwischenfrage von Herrn Ramsauer anschließen; dann können Sie beide zusammen beantworten.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich möchte den Kollegen Rupprecht fragen, ob ihm bekannt ist, ({0}) dass den 170 Familienunternehmen, von denen gerade die Rede war, diese Baden-Badener Erklärung zu einem Zeitpunkt vorgelegt worden ist - dies geschah mit dem Ziel, ihr Einverständnis dafür einzuholen, dass ihr Name darunter gesetzt wird -, zu dem die 170 überhaupt nicht über die Einigungen Bescheid wussten, die in der Koalitionsspitze am 6. November erzielt worden sind. ({1}) Es ist nämlich ein kleiner Betrug, der mit dem Namen dieser 170 ehrbaren Familienunternehmen betrieben worden ist. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt geben wir Herrn Rupprecht die Gelegenheit, auf beide Fragen zu antworten, und beide Herren stehen in voller Schönheit vor uns.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was die Frage des Kollegen Ramsauer angeht, so lernt man immer gerne vom Vorsitzenden der Landesgruppe dazu. Ich wusste das nicht. Aber das erklärt natürlich vieles. Zum Zweiten. Herr Thiele, ich habe größtes Verständnis dafür, dass die großen Familienunternehmen weitere Forderungen haben. Ich werde nachher noch auf einzelne kritische Punkte eingehen. Aber Sie müssen doch zugestehen, dass es, gemessen am jetzigen Rechtzustand, auch für die großen Familienunternehmen substanziell eine wesentliche Verbesserung ist. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sind Sie mit der Beantwortung fertig?

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das war die Antwort.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das war die Antwort. Herr Thiele möchte Ihnen gerne eine weitere Frage stellen. Eine würde ich jetzt noch zulassen.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bedanke mich sehr, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ramsauer, ich darf zitieren. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Zwischenfrage können Sie stellen.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frage an den Kollegen Rupprecht: Herr Kollege Rupprecht, die Baden-Badener Erklärung datiert vom 8. November. Das war also nach der Einigung, Herr Kollege Ramsauer. ({0}) - Die wussten es nicht, sagen Sie. Das kann doch überhaupt nicht sein; denn die Regelung bezüglich der sieben und zehn Jahre ist in der Erklärung ausdrücklich genannt. Sie aber gab es vor der Einigung gar nicht. Sie wurde erst am 7. November in der Koalition vereinbart. Also bezieht sich die Erklärung genau darauf. ({1}) - Melden Sie sich doch. - Insofern möchte ich Sie fragen, ob Sie es für sachgerecht halten, diese Erklärung in der Form abzutun, wenn doch genau auf die Regelung Bezug genommen worden ist, zu der Sie hier vortragen.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Thiele, wir nehmen die Sorgen und die Anliegen der großen Familienunternehmen insgesamt sehr ernst, weil die Unternehmen für die wirtschaftliche Substanz unseres Landes von außerordentlicher Bedeutung sind. Ich wiederhole: Auch für die großen Familienunternehmen gibt es unter dem Strich substanzielle Verbesserungen. Wir können gerne über einzelne Details reden. Wir werden auch in den nächsten Jahren über einzelne Details und über Nachbesserungen reden. Aber Sie müssen anerkennen, dass es auch für die großen Familienunternehmen unterm Strich zu einer Verbesserung kommt. ({0}) Herr Thiele, summa summarum haben wir weit mehr Verbesserungen gegenüber dem Entwurf durchgesetzt, als Sie es im Februar überhaupt zu fordern gewagt haben. Ich sage auch ganz klar: Diese Änderung gäbe es nicht ohne die Union und vor allem ohne die CSU. ({1}) Von den Wirtschaftsverbänden und vom Handwerk wird klar anerkannt, dass die CSU einen erheblichen Beitrag zum Wohle der Wirtschaft in unserem Land geleistet hat. Auch in der Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft müssen künftig nur wenige Großbetriebe Erbschaftsteuer zahlen. Wir haben auch durchgesetzt, dass Verpachtung nicht schädlich ist. Auf dieser Grundlage können die Höfe vernünftig an die Erben übergeben werden. Das ist ein wichtiger Erfolg für die ländlichen Räume. Auch das wäre ohne das Engagement der CSU und insbesondere ohne die Hartnäckigkeit von Peter Ramsauer, Erwin Huber und Horst Seehofer nicht möglich gewesen. ({2}) Bürgerliche Politik heißt für uns Nachhaltigkeit und Generationendenken. Bürgerliches Denken heißt: Eltern vertrauen den Kindern das Erbe an, und die Kinder erhalten das Erbe und führen es fort. ({3}) Trotz aller Verbesserungen gibt es in dem Gesetzentwurf - das gestehe ich zu, Herr Thiele - auch kritische Punkte. Deswegen hatten viele Kollegen in der Union die Hoffnung, dass wir die Erbschaftsteuer abschaffen können. Kritisch ist erstens, dass das Erbschaftsteuerrecht nicht einfacher, sondern komplizierter und komplexer wird. Es ist ein komplexer Gesetzentwurf mit vielen detaillierten Regelungen. Albert Rupprecht ({4}) Kritisch ist zweitens in der Tat die Definition bzw. Abgrenzung des Verwaltungsvermögens. Zum Beispiel ist zu kritisieren, dass Aktienanlagen bei Pensionsrückstellungen als schädliches Verwaltungsvermögen definiert sind, obwohl wir eigentlich die betriebliche Altersvorsorge fördern wollen. Sehr kritisch ist, dass die Vermietung von Gewerbeimmobilien als Verwaltungsvermögen definiert ist. ({5}) Es kommt in Einzelfällen bei Immobilienunternehmern zu schwerwiegenden Belastungen. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Solange man aber bei diesem Erbschaftsteuersystem bleibt, geht kein Weg daran vorbei, dass man die Trennlinie zwischen Verwaltungsvermögen und Betriebsvermögen ziehen muss. Andernfalls kommt es zu schwierigen Steuergestaltungen. In den Verhandlungen ging es letztendlich um die Frage, ob eine großzügige Abgrenzung erfolgt. Das war einer der ständigen Konfliktpunkte in den Verhandlungen mit der SPD. Wir wollten vieles großzügig abgrenzen. Wir wollten, dass vieles nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen zählt. Die SPD hingegen wollte - Sie können das anhand der Rede des Kollegen Pronold nachvollziehen -, dass möglichst vieles als schädliches Verwaltungsvermögen deklariert wird. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pronold zulassen?

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bewusst, Herr Kollege, dass, als wir zum Beispiel beim Jobgipfel mit Herrn Faltlhauser - dem damaligen Finanzminister - und Herrn Fahrenschon - damals noch CSU-Bundestagsabgeordneter - die ersten Fragen zur Abgrenzung von Verwaltungsvermögen beraten haben, die Vorschläge für die härtestmögliche Abgrenzung bei dem ursprünglichen Modell aus dem bayerischen Finanzministerium kamen?

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Pronold, ich bitte um Verständnis, dass ich mir als frei gewählter Parlamentarier das Recht herausnehme, auch Vorschläge eines bayerischen Finanzministers, der Bundesregierung und des Bundesfinanzministers im parlamentarischen Verfahren zu ändern und mir eine eigene Meinung zu bilden. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt gäbe es noch eine Zwischenfrage der Kollegin Hendricks. Möchten Sie die auch noch zulassen? ({0})

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Hendricks, bitte schön.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Rupprecht, sind Sie mit mir der Auffassung, dass es selbstverständlich das Recht eines frei gewählten Abgeordneten ist, Vorschlägen aus dem bayerischen Finanzministerium nicht zu folgen? Aber sind Sie zugleich mit mir der Auffassung, dass es nicht zuträglich ist, Herrn Pronold etwa sozusagen schädliche SPD-Abgrenzungen vorzuhalten, die in Wirklichkeit aus dem CSU-geführten Finanzministerium kamen?

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, der Kollege Pronold hat bei den Verhandlungen in den letzten Wochen und Monaten auf eine schärfere Abgrenzung gedrängt. Das ist Fakt. So ist die Sachlage. ({0}) Ich kann nur aus den Besprechungen berichten, bei denen ich dabei war, ({1}) und über das, was ich erlebt habe. ({2}) Zurück zu den kritischen Punkten. Kritisch ist für uns in der Tat, dass die SPD nicht bereit war, bei der Lohnsumme eine Härtefallregelung einzuführen. Im Jahr 2008 weiß kein Unternehmer, ob er in den nächsten zehn Jahren die Beschäftigten halten kann. Auch wenn er selbst einen Spitzenjob macht, kann es durchaus sein, dass die Konjunktur ihn zu Entlassungen zwingt. ({3}) Wir haben als CSU deswegen klargemacht, dass wir in der nächsten Legislaturperiode eine Änderung dieses Punktes wollen. Viele von uns in der Unionsfraktion haben immer wieder darüber nachgedacht, ob und wie wir die Erbschaftsteuer ganz abschaffen können, um das Steuersystem zu vereinfachen. Bei der abschließenden Bewertung war aber auch klar: Wer die Abschaffung will, muss letztendlich sagen, woher die 4 Milliarden Euro Erbschaftsteueraufkommen kommen sollen. Ein Vorschlag Albert Rupprecht ({4}) war, im Gegenzug die Einkommensteuer zu erhöhen. Der Haken ist aber, dass dann Leistungsträger, Arbeiter und fleißige Unternehmer, stärker besteuert werden. Deswegen haben wir nach gründlicher Abwägung beschlossen, an der Erbschaftsteuer festzuhalten. Lassen Sie mich zur privaten Erbschaftsteuer kommen. Wir haben die persönlichen Freibeträge in allen Steuerklassen erhöht. Wir haben insbesondere die Freibeträge für Ehepartner, Kinder und Enkelkinder in der Steuerklasse I erhöht. Für die CSU war klar, dass wir beim selbst genutzten Wohneigentum wesentliche Änderungen im Vergleich zum Regierungsentwurf brauchten. Für uns war klar: Wir werden keine Lösung akzeptieren, bei der die Ehefrau nach dem Tod ihres Mannes das Haus verkaufen muss, um die Erbschaftsteuer zu zahlen, das Haus, in dem die Familie 30 Jahre gewohnt hat. Spätestens hier wird klar, wie groß der Unterschied zwischen linker und konservativ-christlicher Politik ist. ({5}) Da wurde von den Linken polemisiert, wir wollten die Villenbesitzer in Starnberg schützen. ({6}) - Ich sagte: von den Linken. Neben der Partei Die Linke gibt es die politische Bezeichnung „die Linken“. ({7}) Der Witwe ist es ziemlich egal, ob das ganz normale Einfamilienhaus in München - dort hat es einen hohen Wert - oder im Bayerischen Wald steht. ({8}) Sie bewohnt ein ganz normales Einfamilienhaus, 30 Jahre alt und renovierungsbedürftig. Die Witwe will nicht mehr und nicht weniger, als in diesem Haus wohnen bleiben. Das kann sie künftig auch, ({9}) auch wenn es den linken Neidern in unserer Gesellschaft nicht passt. Gemessen am Entwurf der Regierung, stellt der vorliegende Gesetzentwurf beim selbst genutzten Wohneigentum einen Quantensprung dar. Der verbliebene Ehepartner kann die ererbte Wohnung oder das ererbte Haus weiter bewohnen, ohne einen Euro Erbschaftsteuer zu zahlen. Kinder haben einen Freibetrag in Höhe von 400 000 Euro. Zusätzlich haben Kinder 200 Quadratmeter Wohnfläche als Freibetrag. Schädlich ist lediglich, wenn das Haus innerhalb von zehn Jahren verkauft, vermietet oder nicht mehr selbst bewohnt wird. In besonderen Situationen ist auch der Auszug nicht steuerschädlich, zum Beispiel wenn die Ehefrau zur Betreuung ins Pflegeheim einzieht. Der Vorschlag der Union war weitergehend. Wir wollten, dass ausschließlich Verkauf oder Vermietung, aber nicht Leerstand innerhalb dieser zehn Jahre schädlich sind. Wir wollten auch, dass ein berufsbedingter Wegzug innerhalb dieser zehn Jahre unschädlich ist. Beides hat die SPD in den Verhandlungen leider abgelehnt. Dennoch bleibt festzuhalten: Die Erbschaft einer selbst genutzten Wohnimmobilie ist für die Ehefrau steuerfrei und für die Kinder in beinahe allen Fällen steuerfrei. Das ist ein riesiger Erfolg für die Union, gemessen am Entwurf des Finanzministers Steinbrück. ({10}) Erben ist kein leistungsloser Erwerb, wie die Linken behaupten. Nein, Erben heißt, Verantwortung für das von den Eltern oder Großeltern Ersparte und Geschaffene zu übernehmen. Ein Unternehmen oder ein Haus zu erben, heißt, Verantwortung zu übernehmen, dies fortzuführen und zu erhalten. Das ist echte Nachhaltigkeit. Eine Gesellschaft, die nicht in Generationen denkt, ist eine arme Gesellschaft; eine Gesellschaft, in der jede Generation wieder von vorne anfängt und alles neu aufbaut, ist eine arme Gesellschaft. ({11}) Das ist unsere bürgerliche, konservative Überzeugung, für die wir einstehen. ({12}) Deswegen haben wir in beinahe brutaler Hartnäckigkeit weiter auf Veränderungen gedrängt. Wir haben aber auch gezeigt, dass das Parlament etwas bewegen und Regierungsentwürfe abändern kann. Aus der Sicht der Unionsfraktion heißt das nicht, dass wir heute mit Begeisterung zustimmen werden. Steuern sind immer Belastungen. Kurzum: ein notwendiges Übel. Wir werden auch die Umsetzung kritisch verfolgen. Abschließende Einzelfallgerechtigkeit wird es nicht geben. Aber wir werden nachsteuern, wenn es größere Verwerfungen im praktischen Vollzug gibt. Auf der Agenda bleibt für uns auf jeden Fall die Differenzierung der Steuerklasse II und III. Es ist für uns der härteste Brocken, dass Schwestern und Brüder dieselbe Erbschaftsteuer wie fremde Dritte zu zahlen haben. ({13}) Wir haben am vergangenen Donnerstag nochmals versucht, die SPD von einer Differenzierung zu überzeugen. Wir haben dazu einen aufkommensneutralen Vorschlag vorgelegt, den der Kollege Pronold für die SPD leider abgelehnt hat. Ich kündige schon jetzt an, dass wir in der nächsten Legislaturperiode hier eine Änderung erreichen wollen. ({14}) In diesem Sinne sind wir die letzten Bürgerlich-Konservativen in diesem Deutschen Bundestag, aber wir sind es gerne und aus Überzeugung. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie werden es nicht glauben: Eine Sächsin hat die bayerische Verfassung entdeckt. Ich zitiere Ihnen gern aus Art. 123: Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Sie ist nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu staffeln. So beschlossen am 8. Dezember 1946. Herr Rupprecht, aber auch Herr Steinbrück, vielleicht schauen Sie einmal in diese Verfassung. Besser könnte ich das nicht sagen. ({0}) Warum wird in der bayerischen Verfassung die Erbschaftsteuer so herausgestellt? ({1}) Weil es eine ideale Steuer ist, um Einnahmen für das Gemeinwesen zu erzielen und gleichzeitig Vermögenskonzentrationen abzubauen. ({2}) Es ist eine Steuer, die niemandem wehtut. Jeder und jede genieße von mir aus zu Lebzeiten sein Vermögen. Verstirbt jedoch ein vermögender Mensch und vererbt sein Vermögen, so ist das für die Erbin bzw. den Erben erstens ein Vermögenszuwachs und damit auch ein Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, zweitens ein Zuwachs ohne eigenes Zutun und eigene Leistung. Die Erbschaftsteuer ist deshalb höchst gerecht und entspricht dem Grundprinzip des Steuerrechts, wonach die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgen soll. Vielleicht lesen Sie auch einmal in älteren Schriften, etwa John Stuart Mill oder Andrew Carnegie. Letzterer war vor etwa hundert Jahren der reichste Mann der Welt. Er hat sogar eine konfiskatorische Besteuerung von Erbschaften vorgeschlagen. Wie sieht nun die Realität aus? Würde ich heute als Tochter ein Unternehmen erben, bisher geführt als Einzelunternehmen, Verkehrswert 4,4 Millionen Euro, so müsste ich derzeit 167 808 Euro Erbschaftsteuer zahlen. ({3}) Das entspricht 3,77 Prozent des Vermögenswertes. Wenn Sie heute Ihr Gesetz mit Mehrheit verabschieden und ich dieses Unternehmen im nächsten Jahr erben würde, so müsste ich 0 Prozent Erbschaftsteuer unter der Voraussetzung zahlen, dass der Betrieb für zehn Jahre bei gleichbleibender Lohnsumme fortgeführt wird. Das heißt 0 Euro Erbschaftsteuer für ein Erbe von 4,4 Millionen Euro. Das soll sozial gerecht sein? ({4}) Die Familienvilla bis zu 200 Quadratmeter Wohnfläche sowie ein Barvermögen von 400 000 Euro bekomme ich noch zusätzlich steuerfrei. Dies geschieht alles in einem Land, in dem nach Aussagen des Sozialverbandes Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich jeden Tag weiter auseinandergeht. Herr Pronold fasste am 12. November im Finanzausschuss die Erbschaftsteuer zusammen und sagte, der Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit für reiche Erben sei ausreichend berücksichtigt. Das ist purer Zynismus, aber leider die Realität. ({5}) Soziale Gerechtigkeit für reiche Erben - das heißt Zementierung der sozialen Ungerechtigkeit in Deutschland. Schauen wir über den Tellerrand. In Frankreich müsste ich für mein fiktives Unternehmen von 4,4 Millionen Euro 688 929 Euro Erbschaftsteuer zahlen, also 15,50 Prozent, in den USA 1 596 304 Euro. In den USA würde ich mit 35,91 Prozent von diesem ererbten Vermögen zum Gemeinwohl beitragen. Was haben wir hier in Deutschland? Die Entwicklung zu einer ungleichen Einkommensverteilung hat sich hier in den letzten zehn Jahren unter Rot-Grün und Schwarz-Rot rasant beschleunigt. Ich nenne nur einige Fakten: Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent auf 42 Prozent - minus 7,5 Milliarden Euro -, Senkung des Körperschaftsteuersatzes - minus 13 Milliarden Euro. Das reale Nettoeinkommen der ärmsten 10 Prozent der Bevölkerung ist allerdings von 1992 bis 2006 um 13 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum konnten die reichsten 10 Prozent ihr Nettoeinkommen um 31 Prozent - um fast ein Drittel - steigern. 10 Prozent der Bevölkerung konnten von Ihrer Politik massiv profitieren, und jetzt stellen Sie sicher, dass das dadurch angehäufte Vermögen nun möglichst ohne Abstriche, das heißt ohne Zahlung der Erbschaftsteuer, auf die folgende Generation übertragen werden kann. Die Realität von Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sieht anders aus. Rentner und Rentnerinnen müssen wesentlich mehr für die Krankenversicherung und Zuschläge bezahlen. Es gab in den letzten Jahren keine Kindergelderhöhung. Sie haben das Arbeitslosengeld zusammengestrichen und Hartz IV eingeführt. Über Jahre gab es Reallohnverluste. Die Mehrheit der Menschen ist froh, wenn sie mit ihrem Einkommen über den Monat kommt. Rücklagen für größere Anschaffungen sind oftmals schwierig, sparen für das Alter ist kaum möglich und das Anhäufen von Vermögen so gut wie ausgeschlossen. Sie haben erst riesige Vermögenszuwächse ermöglicht, und jetzt stellen Sie den steuerfreien Übergang des Vermögens sicher. Der Sachverständigenrat stellte unverblümt fest: Mit der geplanten Erbschaftsteuerreform bedient der Gesetzgeber lediglich Partikularinteressen. - Ja, Frau Merkel, Herr Steinbrück, Sie gemeinsam bedienen nur die Interessen der Reichen in dieser Gesellschaft. ({6}) Ist das noch sozialdemokratisches Handeln? Ich glaube, nicht. Nur froh zu sein, dass es überhaupt noch eine Erbschaftsteuer gibt, ist wohl ein bisschen wenig. Es stand doch wohl im Koalitionsvertrag, dass sie beibehalten werden soll. Herr Steinbrück geht während der Diskussion über die Erbschaftsteuer durch das Land und sagt, sie müsse 4 Milliarden Euro erbringen, aber nicht mehr. Herr Steinbrück, ich zitiere noch einmal die bayrische Verfassung: Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Bereits Ihre Selbstbeschränkung auf die 4 Milliarden Euro bedeutet doch einen Kniefall vor den Reichen. ({7}) Erstens. Der Umfang des Erbvolumens steigt in den nächsten Jahren. Während es 1999 noch etwa 50 Milliarden Euro waren, so sind es nach Schätzungen in diesem Jahr und den nächsten Jahren 150 Milliarden bis 250 Milliarden Euro, die vererbt werden. Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil im Kern verfügt, die Besteuerung aller Vermögensarten bei der Erbschaftsteuer gleichzustellen. Unter Berücksichtigung beider Punkte kommt man zu einem Mehraufkommen bei der Erbschaftsteuer. Professor Hickel hat in einer Anhörung gesagt, dass man nach seiner Berechnung bei Beibehaltung der jetzigen Regelung und unter Beachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf 10 Milliarden Euro Erbschaftsteuer käme. Das sind 6 Milliarden Euro mehr. Selbst dann wäre die Vererbung von „Oma ihr klein Häuschen“ weiterhin als durchschnittliches Gebrauchsvermögen steuerfrei. Das Haus gehört doch zur Hälfte der Ehefrau. Als Witwe erbt sie dann nur die andere Hälfte, und das bereits heute wegen der Freibeträge steuerfrei. In der Realität sieht es so aus: Ich werde keine Firma erben; ich werde auch nicht zu denjenigen gehören, die eine große Erbschaft machen. Bereits heute ist es so: Von den 850 000 Nachlässen pro Jahr werden ganze 60 000 überhaupt besteuert. Das, was die Mehrzahl der Haushalte erbt, ist fast nichts: 30 Prozent erben weniger als 13 000 Euro. 60 Prozent erben weniger als 51 000 Euro. Nur knapp 10 Prozent erben mehr als eine Viertelmillion Euro; die Freibeträge sind hier genannt worden. Sie verschonen diese 10 Prozent weiter; denn die restlichen 90 Prozent betrifft dies gar nicht; es ist außerhalb ihrer Realität. ({8}) Von der Bruttolohn- und -gehaltssumme abhängig Beschäftigter werden jedes Jahr 35 Prozent für Steuern und Sozialabgaben eingezogen. Das ist okay. Aber vom Erbvolumen werden gerade einmal 2 Prozent erfasst. Da kann man doch nur sagen: Wohl dem reichen Erblasser; schade für den, der täglich malocht und durch seiner Hände Arbeit Werte schafft. Herr Steinbrück will also keine Steuermehreinnahmen, und das in einer Haushaltswoche, in der der Anstieg der Staatsverschuldung beschlossen wird. ({9}) „Wir haben es ja“, lautet Ihr Motto. Gleichzeitig erzählen Sie, dass Sie kein Geld für soziale Leistungen haben. ({10}) Herr Steinbrück, Sie haben hier mit gezinkten Karten gespielt. Die Angaben, was überhaupt herauskommen soll, sind sehr ungewiss. Zum Finanztableau: Durch die Änderung der Erbschaftsteuer soll es für die Kasse ein jährliches Plus von 15 Millionen Euro geben. ({11}) In den nächsten Jahren haben wir bei den Einnahmen aber immer ein Minus. Im nächsten Jahr werden wir 410 Millionen Euro Erbschaftsteuer weniger einnehmen. Im Jahr darauf werden es noch einmal über 200 Millionen Euro weniger sein. Weder die Vertreterin des Ministeriums noch die Staatssekretärin konnten sagen, wie sich diese Mindereinnahmen erklären. Man antwortete: Das ist ein Modell; das hat mit der Realität nichts zu tun; eigentlich interessiert es uns gar nicht. ({12}) Man muss zu der Diskussion um die Familienunternehmen noch sagen: Die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen werden zu Steuermindereinnahmen von 2 Milliarden Euro führen - so lautete die Aussage des Finanzministeriums -, und das, obwohl wir in der Anhörung eindeutig vernommen haben - ich zitiere Herrn Ondracek, den Vorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft -: Es gibt keinen Fall, in dem die Erbschaftsteuer irgendjemanden in die Insolvenz getrieben hat. Weiter meinte er: Bereits die alte Erbschaftsteuer bedeutete weder den Ruin von Unternehmen, noch bestand die Notwendigkeit von Stundungen. Es ist ein Phantomschmerz. ({13}) Reale Probleme entstehen doch eher dann, wenn unter den Erben eine Heuschreckenmentalität um sich greift. Einer sagt: Ich will den Betrieb weiterführen. Drei sagen: Ich will meine Knete cash, und zwar möglichst sofort. - Na, was bleibt denn dann? Dann bleibt nur der Verkauf. Das - nicht die Erbschaftsteuer - ist das eigentliche Problem. ({14}) Sie haben hier ein Gesetz vorgelegt, welches dazu führt, dass die Vermögenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland zunehmen wird. Sie sind nicht auf die Vorschläge eingegangen, die wir Ihnen vorgelegt haben. Sie verweigern sich sogar, unseren Antrag parallel zu dem jetzigen Gesetz heute hier mitzubehandeln. Wir haben Ihnen eine reale Alternative aufgezeigt: eine Steuerklasse, Entlastung von Menschen in besonderen Situationen wie Verheirateten, minderjährigen Kindern, Menschen über 60. Eine weitere Entlastung, die wir vorschlagen, ist, das Betriebsvermögen, insbesondere das Anlagevermögen, anders zu bewerten. Wir haben Ihnen hier einen modernen Antrag vorgelegt, mit dem auf die veränderten Lebensverhältnisse reagiert wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wird er verabschiedet, bricht er die Vermögenskonzentration auf. Das kann und muss zu Mehreinnahmen führen. Dieses Gesetz kann man nur ablehnen. Ich danke Ihnen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Christine Scheel spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Süddeutsche Zeitung titelt heute: „Landesbank bringt Bayern in Not … Die Staatsbank braucht mindestens zehn Milliarden Euro“. Teile der CSU sind der Auffassung, dass Steuern gesenkt werden müssen, dass die Erbschaftsteuer abgeschafft werden muss. Angesichts dessen möchte ich Sie fragen: Wie wollen Sie in dieser Situation dafür sorgen, dass in Zukunft genug Geld vorhanden ist - wir brauchen es dringend -, um etwas für die Bildung unserer Kinder zu tun? ({0}) Wenn man die Dinge nebeneinander hält und sie sich insgesamt anschaut, ist völlig unverständlich, dass solche Forderungen aus Ihren Reihen kommen, zumal vor allen Dingen die CSU über die Landesbank derartig viel Geld vergeigt hat. ({1}) In dieser Debatte heute haben wir wieder gesehen, wie der Zustand der Großen Koalition ist. Es gab in den letzten zweieinhalb Jahren eine große Anzahl von Finanzausschusssitzungen, in denen wir über das Thema Erbschaftsteuer sehr kontrovers diskutiert haben. Auch heute noch ist die Situation, dass sowohl in der CDU als auch in der CSU sowie in der SPD gesagt wird: Wir haben uns durchgesetzt. - Aber in Wahrheit stehen Sie in der Koalition nach diesen zweieinhalb Jahren Gezerre nicht überzeugend hinter diesem Gesetz. Das ist die Wahrheit: Sie haben einen Kompromiss vorgelegt. Dieser Kompromiss ist ungerecht. Dieser Kompromiss ist wohl - das sagen einige - auch verfassungswidrig. Dieser Kompromiss ist nicht das, was unser Land für die Zukunft braucht, nämlich die Besteuerung von Vermögen im Erbfall in einer Weise, dass mehr Einnahmen für die Bildung generiert werden. ({2}) Die Feilscherei um dieses Gesetz geht so weit - das ist auch noch aufgefallen -, dass Sie anscheinend Probleme mit den Vorlagen der Opposition haben. Die FDP hat einen Gesetzesvorschlag gemacht. Wir Grüne haben einen Antrag dazu vorgelegt, wie nach unserer Vorstellung die Erbschaftsteuer für die Zukunft aussehen soll. Sie waren nicht in der Lage, diese Vorlagen im Finanzausschuss zur Abstimmung zu bringen. Das hat damit zu tun, vermute ich, dass es innerhalb der Koalition Personen gibt, die lieber den Oppositionsvorschlägen zustimmen würden als der eigenen Gesetzesvorlage. ({3}) Aus diesem Grunde haben Sie die Oppositionsvorlagen nicht zur Abstimmung zugelassen. Dieser Vorgang stellt die Aufkündigung eines parlamentarischen Konsenses dar. Vereinbart war, dass Vorschläge immer in den Zusammenhang gestellt und zeitgleich abgestimmt werden. ({4}) Dies haben Sie durchbrochen, weil Sie zu feige gewesen sind, sich an diesem Punkt offen zu bekennen. ({5}) - Ja, das zeigt, wie schwach diese Regierung ist, und das zeigt auch, dass Sie letztendlich die Demokratie mit Füßen treten ({6}) - ja! -; denn Sie sind nicht bereit, anderslautende Vorschläge zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zur Abstimmung zu bringen. ({7}) Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die notwendige Reform der Erbschaftsteuer sind im Grunde einfach und klar. Sie lauten, dass alle Vermögensarten nach den gleichen Grundsätzen zum Marktwert bewertet werden und in die Bemessungsgrundlage für die Steuer eingehen. Erst danach können Steuervergünstigungen transparent ausgewiesen werden, und sie müssen mit einer eindeutigen Gemeinwohlverpflichtung begründet werden. Das ist die Situation. Daran sind Sie mit Ihrer Vorlage gescheitert. Sie haben zur heutigen Abstimmung einen hochkomplizierten Gesetzestorso von Begünstigungen, aber auch Benachteiligungen für die Bürger und Bürgerinnen vorgelegt. Ich sage Ihnen schon jetzt, dass dieser Gesetzentwurf aufgrund der Verfassungswidrigkeit - das wird von vielen bereits diskutiert - erneut in Karlsruhe landen wird. Es ist kein gutes Zeichen für den Parlamentarismus, wenn man schon im Vorfeld weiß, dass ein Gesetz verabschiedet wird, das nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. ({8}) Sie verlagern die Problematik wieder aufs Gericht, und das ist, finde ich, unwürdig und auch völlig daneben. ({9}) Für uns ist die Erbschaftsteuer eine Steuer der sozialen Gerechtigkeit. Es geht darum, welche Rolle das Erben bei der Finanzierung von Bildung spielen soll. So könnte endlich die soziale Chancenungleichheit in unserem Bildungssystem beendet werden. Aus diesem Grunde haben wir Grünen immer die Auffassung vertreten, dass die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer in den Bildungsbereich zu investieren sind. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich in der Koalition, aber auch mit den Ländern darauf verständigt hätten, dass diese Einnahmen auch für diesen Bereich verwendet werden; denn das sind Zukunftsinvestitionen; sie müssen erhöht werden. Bildung ist ja Ländersache, und die Erbschaftsteuer ist eigentlich auch eine Ländersteuer. Hier gibt es also eine gemeinsame Klammer. Beides passt hervorragend zusammen. Ich kann nur an den Bundesrat appellieren: Erklären Sie sich dazu bereit, die Einnahmen in dieser Situation auch wirklich für diesen Bereich zu verwenden. ({10}) Sie haben jahrelang gestritten um Freibeträge, Sie haben gestritten um Steuersätze, Sie haben gestritten um Haltefristen und Lohnsummen. Zugleich haben Sie sich festgelegt: Am Ende müssen 4 Milliarden Euro dabei herauskommen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren der Großen Koalition und vor allem der SPD, es ist doch ein Trugschluss, von den 4 Milliarden Euro, die mit der aktuellen Gesetzgebung erzielt werden, auszugehen, wenn man gleichzeitig weiß, dass das Gesamtvolumen an Erbschaften in den nächsten Jahren steigen wird. Deswegen würde das, anders als es die FDP behauptet, keine Erhöhung der Erbschaftsteuer, sondern in Wirklichkeit eine Senkung der Erbschaftsteuer bedeuten. ({11}) Man muss sich ja die Entwicklung der Gesamtsummen anschauen. Hier geht es keineswegs um eine Plünderung von Vermögensbesitzern, wie es die FDP immer meint, sondern es geht darum, dass diejenigen, die, auch im privaten Bereich, nichts zum Aufbau des Vermögens beigetragen haben und denen dann der Nachlass ohne eigenes Zutun, buchstäblich ohne Gegenleistung, in den Schoß fällt, ihren Beitrag - das ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit - für diese Gesellschaft leisten. Es ist also durchaus gerecht, wenn leistungsloser Vermögenszuwachs besteuert wird. Dazu stehen wir ganz klar. Wir erwarten, dass so etwas in Zukunft geschieht, weil das viel mit dem Gerechtigkeitsgefühl dieser Gesellschaft zu tun hat. ({12}) 90 Prozent der Erben werden wegen geringer Nachlasshöhe und persönlicher Freibeträge in Zukunft keine Erbschaftsteuer zahlen müssen. Aber Geschwister, Nichtverheiratete und entfernte Verwandte werden die Gekniffenen sein, weil für sie ein geringer Freibetrag von lediglich 20 000 Euro und ein hoher Eingangssteuersatz von 30 Prozent greifen sollen. Das heißt, Sie haben hier als Folge Ihres antiquierten Gesellschaftsbildes eine Steuer geschaffen, die zwar die Ehegatten und Kinder in gerader Linie berücksichtigt, ({13}) indem diesen hohe Freibeträge und sehr niedrige Steuersätze gewährt werden, aber die entfernten Verwandten unverhältnismäßig hoch belastet. Unsere Gesellschaft hat sich verändert. In unserer Gesellschaft leben immer mehr Menschen miteinander, die nicht verheiratet sind. Geschwister treten im Alter füreinander ein. Man hilft sich gegenseitig, gerade wenn keine direkte Verwandtschaft da ist, um auch im Alter noch in den eigenen vier Wänden leben zu können. All diese Personen werden im Vergleich zu heute in Zukunft enorm benachteiligt. Deshalb sage ich: Diese Steuer weist nicht in die Zukunft, sie greift nicht die Realität unseres Lebens auf, sondern diese Steuer beruht auf einem antiquierten Gesellschaftsbild, so, als ob es nur die Ehe und sonst nichts in diesem Land gäbe. ({14}) Die eingetragenen Lebenspartnerschaften werden von Ihnen wie entfernte Verwandte behandelt. Die Lebenspartner haben zwar die gleichen Freibeträge wie Eheleute, aber sie werden in eine nachteilige Steuerklasse eingestuft und mit dem hohen Eingangssteuersatz von 30 Prozent belegt. ({15}) Sie werden damit benachteiligt und an dieser Stelle weiterhin diskriminiert. ({16}) Das muss man hier einmal ganz klipp und klar sagen. ({17}) Die Union war nicht bereit, eine Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaften zu akzeptieren. Das muss man hier feststellen. ({18}) Auch das ist ein Punkt, zu dem wir klar sagen: Es ist nicht richtig, was Sie hier tun, und das ist auch nicht fair; denn draußen erzählen Sie ja immer wieder, Gleichstellung sei in Ordnung. Bei genauer Betrachtung stellt man aber fest, dass eine Gleichstellung überhaupt nicht stattfindet. Herr Ramsauer, Ihre Äußerung, die Landwirtschaft werde künftig nichts mehr mit der Erbschaftsteuer zu tun haben, ({19}) ist faktisch eine Lüge; ({20}) denn die Betriebe werden auch künftig bewertet werden müssen. Es wird im Steuerverfahren festzustellen sein, inwieweit Steuern gezahlt werden müssen. Auch landwirtschaftliche Betriebe müssen durch das Bewertungsverfahren, auch sie haben die Kosten der Steuerbürokratie zu tragen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Scheel, Herr Kollege Ramsauer möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Deswegen, Herr Kollege Raumsauer, ist das, was Sie sagen, einfach falsch.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Er hat ja noch gar nichts gesagt. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin Scheel, ich habe bisher noch gar nichts gesagt, aber jetzt sage ich etwas, was ich in eine Frage an Sie kleide: Ist Ihnen bekannt, dass der Präsident des Deutschen Bauernverbandes und des Bayerischen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, im Zusammenhang mit der jetzt zur Abstimmung stehenden Erbschaftsteuerreform von einem positiven Signal für deutsche Bauernfamilien gesprochen hat? ({0}) Er hat gesagt, dass er die Einigung der Großen Koalition ausdrücklich begrüßt. Wörtlich heißt es: Dies ist ein wichtiges positives Signal für die deutschen Bauernfamilien. Dann geht es in indirekter Rede weiter: Damit sei endlich Klarheit geschaffen, und die Landwirte könnten ihre Betriebe ohne Belastung durch die Erbschaftsteuer an die nächste Generation weitergeben. - Einen besseren Zeugen gegen das, was Sie hier eben vorgetragen haben, kann ich Ihnen nicht bieten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Scheel, vielleicht können Sie in Ihre Antwort auch gleich den Schlusssatz einbetten.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Ramsauer, Sie haben gesagt - das stand zumindest so im Ticker, und ich vermute, dass Aussagen, die nicht gemacht wurden, nicht einfach in Pressedarstellungen auftauchen; das muss ja irgendeinen Hintergrund haben -, ({0}) dass die Bauern mit der Erbschaftsteuer überhaupt nichts mehr zu tun hätten. Herr Sonnleitner hat nicht immer Recht. Das sehen die Bauern auch so. Wenn ich nur an die Milchpreisdebatte denke, ({1}) dann stelle ich fest, dass Herr Sonnleitner nicht gerade derjenige ist, der sich vor die Bauern gestellt und für sie gekämpft hat. ({2}) Auch der werte Herr Sonnleitner hat anscheinend nicht mitbekommen, dass sich die Bauern diesem Bewertungsverfahren genauso wie andere auch unterziehen müssen. Auch hat er offensichtlich nicht mitbekommen, dass es für die landwirtschaftlichen Betriebe enorme Bürokratiekosten bedeutet, das vorzuhalten, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen haben. ({3}) Dies gilt nicht allein für die Bauern, sondern für alle Unternehmen. Genau wegen dieses Problems haben die Grünen im Wirtschaftsausschuss beantragt - dies wurde einstimmig beschlossen -, dass der Normenkontrollrat die Bürokratielasten dieses Erbschaftsteuergesetzes bewerten soll. Leider gibt es keine Bewertung des Normenkontrollrats, da er nur die Regierungsvorlage, die vom Kabinett verabschiedet worden war, bewertet hat. Das, was heute beschlossen werden soll, hat mit der Regierungsvorlage nicht mehr viel zu tun. Jetzt werden die Bauern, wie alle anderen auch, mit Bürokratie überhäuft. Das hätten wir Grünen besser gemacht. Wir haben uns für einfache, niedrige Steuersätze und hohe Freibeträge ausgesprochen. Damit hätten wir mehr Klarheit gehabt. Wir haben uns einheitliche Steuersätze für alle gewünscht, unabhängig davon, ob verheiratet, nicht verheiratet oder wie auch immer zusammenlebend. Dann wäre dies ein Gesetz geworden, das in unserer Gesellschaft für die nächsten Jahre hätte Bestand haben können. Danke schön. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als Nächster spricht nun der Bundesminister Peer Steinbrück. ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fühle mich, was den Inhalt der Debattenbeiträge angeht, sozusagen eingerahmt. Auf der einen Seite ist von Enteignung die Rede, und auf der anderen Seite wurde sinngemäß von einer Reichenprivilegierung gesprochen. Ich werde versuchen, die Debatte auf einen vielleicht etwas niedrigeren, aber, wie ich hoffe, angemesseneren Bewertungsmaßstab zurückzuführen. Denn wir reden weder über den Untergang der Republik noch darüber, dass es bestimmte Privilegierungen gibt. Dieser Beratung liegt ein langes Ringen zugrunde, zugegebenermaßen nicht immer in einer geradlinigen Abfolge. Vor ungefähr anderthalb Jahren hat die von der Koalition eingesetzte Arbeitsgruppe von Herrn Ministerpräsidenten Koch und mir das erste Mal getagt. Ich kann mich nicht ganz verstellen und möchte daher darauf hinweisen, dass in dieser Arbeitsgruppe die Vertreter aller drei Koalitionsparteien gesessen haben und dass die Länder Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen vertreten waren. Es gab eine technische Arbeitsgruppe mit sehr vielen Fachleuten von Ministerien aus Bayern, Rheinland-Pfalz - Nordrhein-Westfalen, glaube ich, nicht und Hessen. Diese Beratungen wurden damals zu einem Abschluss gebracht unter Mithilfe von einigen, die heute hier prominent vertreten sind. Das war beim besten Willen keine Veranstaltung in der Dunkelkammer, Herr Thiele. Seitdem ist viel Leidenschaft in diese Diskussion investiert worden. Ich füge hinzu: auch viel Lobbyismus. ({0}) An manchen Stellen gab es in meinen Augen auch Desinformation. ({1}) Zumindest gab es konstruierte Missverständnisse. Am Anfang stand nicht eine politische Initiative, sondern ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das wird manchmal vergessen. In diesem Urteil wurden die Bewertungsmaßstäbe für die verschiedenen Vermögenskategorien für revisionsbedürftig, also letztlich verfassungswidrig, erklärt. Das überrascht die hier versammelten kundigen Thebanerinnen und Thebaner nicht, weil uns vorher schon bewusst gewesen ist, dass die alten Bewertungsmaßstäbe nicht funktionieren können. Viele Kritiker im Land haben den Eindruck, die Reform der Erbschaftsteuer sei darauf zurückzuführen, dass ihnen ehrgeizige und vielleicht sogar durchgeknallte Politiker eine Fronde auferlegen und ihnen etwas Schlimmes antun wollten. Ich sage noch einmal: Es war das Bundesverfassungsgericht, dass uns die Aufgabe - übrigens auf einem Zeitpfad bis zum 31. Dezember dieses Jahres - gestellt hat. Dieser Aufgabe musste sich die Politik, die Exekutive genauso wie die Legislative, stellen. Dabei waren sich die Koalitionsparteien in einem Parallelverfahren schon in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag im November 2005 über einige Grundsätze ziemlich einig. Wir waren uns einig darüber, dass zukünftig der gemeine Wert zugrunde gelegt werden muss. Wir waren uns auch einig darüber, dass die nächsten Verwandten bessergestellt werden sollten. Umgangssprachlich formuliert kann man sagen, dass die Kinder bzw. Enkelkinder von ihren Eltern bzw. von ihren Großeltern „Oma-ihr-klein-Häuschen“ erbschaftsteuerfrei erben sollten und dass dies durch Verbesserung der Freibeträge, gegebenenfalls auch durch Verbesserung bei den Justierschrauben, was die Steuerklasse I betrifft, erreicht werden sollte. Wir waren uns insbesondere über einen sehr wichtigen Punkt einig, nämlich dass der Betriebsübergang im Sinne der Mittelstandsförderung in Deutschland verbessert werden sollte. Wir waren uns auch einig darüber, dass das Aufkommen aus dieser Steuer - ich komme nachher noch einmal darauf zurück, auch weil ich Ihnen eine aufhellende Antwort zu den gehandelten Zahlen schuldig bin - 4 Milliarden Euro nicht unterschreiten sollte. Das war der Konsens. Ich will mich zunächst auf das Thema Betriebsübergang konzentrieren, weil es in vielen Reden die größte Rolle gespielt hat. Was wir über ein Abschmelzmodell verabredet haben und was jetzt gefunden worden ist, hat es vorher nie gegeben. Das sage ich allen Kritikern, die so tun, als ob das, was jetzt gefunden worden ist, irgendeinen Nachteil für den Betriebsübergang darstellen würde. Ich wundere mich über eine solche Bewertung. Es hat - jetzt nenne ich es beim Namen - ein solches Erbschaftsteuerprivileg für die Vererbung von Betriebsvermögen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch nicht gegeben. ({2}) Bisher musste die Vererbung von Betriebsvermögen selbstverständlich versteuert werden. Wir kommen jetzt zu der Regelung, dass bei einer bestimmten Option 85 Prozent oder bei einer anderen Option sogar 100 Prozent der Erbschaftsteuer gestundet werden oder dass das Erbe sogar keiner Besteuerung unterliegt. Alle wissen - insbesondere diejenigen, die einen größeren juristischen Sachverstand als ich haben -, dass ein solches Erbschaftsteuerprivileg nur auf der Basis einer Gegenleistung gegeben werden kann, weil es sonst verfassungswidrig ist. Denn ansonsten wäre das gegenüber der Vererbung privaten Vermögens gleichheitswidrig. ({3}) Das heißt, man kommt um die Konstruktion einer solchen Gegenleistung überhaupt nicht herum. - Selbstverständlich ist das so. - Denn ansonsten hätte ein solches Gesetz bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht von hier bis zur nächsten Tür Bestand. Insofern kann sich doch niemand darüber aufregen, dass, wenn ein solches Erbschaftsteuerprivileg gewährt wird, eine solche Gegenleistung eingefordert werden muss. Denn ansonsten könnten sich all diejenigen, die Privatvermögen haben, mit Berechtigung in der Öffentlichkeit hinstellen und fragen: Wie kommst du dazu, Betriebsvermögen zu privilegieren, warum machst du das denn nicht auch bei der Vererbung meines privaten Geldvermögens an meine Kinder und Enkel? - Da stelle ich die Frage: Wo liegt denn das Problem? In einem ersten Entwurf hat es die Definition einer Gegenleistung gegeben, die sehr stark an einem Tatbestand des Umwandlungssteuerrechts orientiert war. Viele, wie Herr Bernhardt, Herr Poß, Herr Pronold und Herr Krüger, können das nachvollziehen. Wir alle wussten, das war sehr unbestimmt und sehr vage. Wir alle wussten allerdings auch, dass die Gegenleistung nicht auf die Anzahl der Arbeitsplätze abstellen kann. Denn es kann doch nicht irgendeine Zahl festgelegt werden, die sich dann quasi wie eine Schlinge um den Hals der Mittelständler legen würde. Das Motto muss demgegenüber sein: Sie müssen innerhalb eines Konjunkturzyklus auch atmen können. Das heißt, es muss sich um eine Lösung handeln, die dieses Atmen über einen Zeitraum von sieben oder zehn Jahren zulässt. Die Lösung wurde über die Lohnsumme gefunden. Das ist, wie ich finde, ein ziemlich gut nachprüfbarer Tatbestand. Das ist überhaupt nicht bürokratisch. Ich komme jetzt darauf zu sprechen, dass wir seit diesen Beratungen, insbesondere nachdem der Regierungsentwurf vorgelegen hat, mit Blick auf dieses Erbschaftsteuerprivileg beim Betriebsvermögen eine Reihe weiterer Maßnahmen vorgesehen haben, die jede Flexibilität zulassen werden. Ich will an sie erinnern. Erstens. Die Behaltensfrist, also der Zeitraum, in dem der Erbe den Betrieb fortführen muss, wurde auf sieben Jahre verkürzt. Zweitens. An dem Nachfolgenden ist mir sehr gelegen. Denn das kam bei Ihren bisherigen Debattenbeiträgen noch nicht vor und ist, wie ich glaube, in der Öffentlichkeit, auch bei den 160 Familienunternehmen, noch nicht angekommen; oder Sie wollten auch nicht, dass das ankommt. ({4}) Wir haben die sogenannte Reinvestitionsklausel so umgestaltet, dass sie den Unternehmen ein Höchstmaß an Flexibilität geben wird. Herr Thiele, das heißt, mit der neuformulierten Reinvestitionsklausel werden alle Fälle als steuerlich unschädlich behandelt, bei denen die bei einer Veräußerung von Teilen des Betriebes oder wesentlichen Betriebsgrundlagen erzielten Erlöse im Betrieb verbleiben. Dazu gehört zum Beispiel auch selbst die Tilgung von Schulden. Das heißt, der einzige in diesem Gesetzentwurf noch enthaltene schädliche Tatbestand für ein solches Familienunternehmen, das die Absicht verfolgt, umzustrukturieren, Teile des Betriebs zu veräußern und zu reinvestieren, ist die Verlagerung von Betriebsvermögen ins Privatvermögen. ({5}) Aber aus den Familienunternehmen bekommen wir doch gesagt, dass das ohnehin nicht ihre Absicht sei. Worin also besteht das Problem? ({6}) Das Dritte, was verbessert wurde, betrifft die Lohnsummenklausel. Da hätte ich Ihnen Recht gegeben: Das Erfordernis, jährlich die Lohnsumme zu prüfen, hätte das Unternehmen von Jahr zu Jahr einer sehr schwierigen Prüfung unterwerfen können. Anstelle des Erfordernisses der jährlichen Prüfung der Lohnsumme wird nunmehr nur noch die Einhaltung der Lohnsumme für den gesamten Zeitraum erforderlich sein. Das heißt, das Atmen ist gegeben. Je nachdem, welche Option gewählt wird, sind dies, glaube ich, nach sieben oder zehn Jahren 850 Prozent oder 1 000 Prozent. Darüber hinaus haben wir auch auf die jährliche Indexierung der Lohnsumme verzichtet. Das heißt, wenn das Lohnsummenkriterium verletzt wird, also ein Unterschreiten der Lohnsumme vorliegt, dann soll nur anteilig für das Jahr nachversteuert werden, in dem die Verletzung vorgekommen ist. Das läuft unter dem schwierigen lateinischen Begriff Pro-rata-temporis-Lösung. Viertens hat jemand noch einmal ganz zutreffend darauf hingewiesen - ich glaube, das war Herr Rupprecht -, dass selbst die Verpachtung inzwischen mit Gegenstand der Verschonung sein wird. Das sind vier wichtige Veränderungen, die alle dazu beigetragen haben, dem Mittelstand entgegenzukommen und seinen Forderungen zu entsprechen. Deshalb teile ich die Einschätzung von Herrn Ramsauer und von Herrn Rupprecht, dass viele Leute, die Familienunternehmen besitzen, ihre Äußerungen zu einem Zeitpunkt getan haben, bei dem ihr Kenntnisstand nicht dem entsprochen hat, was in dem Gesetzentwurf steht. Irgendwann kommt man in die Verlegenheit, dass man sich fragt: Wie bekomme ich die Novelle eines solch komplexen und schwierigen Sachverhalts so hin, dass sie immer noch konzise ist? Ich stimme all denjenigen zu, die sagen: Nach Lage der Dinge werden wahrscheinlich 90 Prozent - ich weiß es nicht genau; ich glaube, Herr Pronold hat diese Zahl genannt - der Betriebe in Deutschland mit der Erbschaftsteuer nie wieder etwas zu tun haben - nie wieder. Einen einzigen Hinweis von Frau Höll teile ich: Schon am bisherigen Erbschaftsteuerrecht ist niemand pleitegegangen. Es gibt keinen einzigen Fall. ({7}) Deshalb können wir die Erregungszustände vielleicht etwas herunterholen: Auch am zukünftigen Erbschaftsteuerrecht wird keiner pleitegehen. ({8}) Ich halte das schlicht und einfach für eine Schimäre. Es macht auch keinen Sinn, weiter an diesem sehr abstrakten, maßstabslosen oder maßlosen - um an den Begriff aus dem Debattenbeitrag der Bundeskanzlerin anzuknüpfen - Weg festzuhalten, weil wir den Menschen etwas erzählen, was mit den realen Verhältnissen nichts zu tun hat. Ich will auf einzelne Bestimmungen mit Blick auf die Vererbung von Privatvermögen gar nicht zu sprechen kommen. Ich möchte nur noch einen Hinweis geben, auch weil Sie in Ihrer Rede etwas kabarettistisch von Picassos, Schmuck und dergleichen gesprochen haben. ({9}) - Das ist ja in Ordnung; das war mein Bild. Gelegentlich formuliert man etwas umgangssprachlicher, und wenn man das tut, wird einem das auch wieder um die Ohren gehauen. Man kann auf Dauer auch gestanzte politische Reden halten; aber die sind dann langweiliger. ({10}) Worauf es im Kern hinausläuft - Herr Thiele, das wissen Sie doch aus allen Gesprächen, die wir beide miteinander geführt haben; ich kann Ihren Sach- und Kenntnisstand doch nur respektieren -, worum es bei einer solchen Lösung geht, ist, dass es ein Interesse des Fiskus sein muss, dass es nicht zu Verschiebungen von Privatvermögen in das Betriebsvermögen kommt. Das ist doch der Grund, warum man solche Regeln finden muss. ({11}) Machen wir uns doch nicht naiver, als wir es sind. Es ist mein, wie ich zugebe, umgangssprachliches Bild gewesen - ich zeichne es noch weiter -, dass man einen Riegel vorschieben muss, damit der Picasso, der im Schlafzimmer des Unternehmers hängt, nicht plötzlich vom Schlafzimmer in den Empfangsraum des Betriebes und damit vom Privatvermögen in das Betriebsvermögen verlagert wird und dann unter das Erbschaftsteuerprivileg des Betriebsvermögens fällt. Das ist die dahinterstehende Überlegung, von mir, wie ich zugebe, etwas verzeichnet und übertrieben dargestellt. Aber im materiellen Kern wissen Sie doch, was ich meine. Darüber brauchen wir uns doch nicht weiter auseinanderzusetzen. Ich will die wichtigsten Einzelpunkte im Telegrammstil erwähnen und dabei auf einen Punkt zu sprechen kommen, der auch Sie im Ausschuss beschäftigt hat. Zunächst: Die Erbschaftsteuer hat Bestand. Dies halte ich bei einer vollständigen Unterstützung der Argumentation für richtig, dass wir auch über Gerechtigkeit in diesem Land reden und darüber, dass diejenigen, die - vor dem Hintergrund der Freibeträge, die wir festgelegt haben - erkennbar hohe Vermögen erben, mit zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen sollten. Das ist eine Begründung dafür. ({12}) Die öffentliche Auseinandersetzung mit denjenigen, die eine Abschaffung der Erbschaftsteuer zumindest insinuieren, vielleicht nach wie vor wünschen, bestehe ich vor dem Hintergrund der Verteilungsprobleme, die wir ohnehin in der Bundesrepublik Deutschland haben. Im Übrigen ist es ein Irrtum, Frau Höll, zu sagen: Steinbrück oder der Bund - um es nicht so possessiv darzustellen - bekommen die Steuereinnahmen. Dies ist eine Ländersteuer. ({13}) Ich bin mir ganz sicher, dass es im Bundesrat viele Länder geben wird, die sich - vielleicht auch unter dem Einfluss der FDP - enthalten, aber nichts dringlicher wünschen, als dass es eine Mehrheit für diesen Gesetzentwurf gibt. ({14}) Das war bei anderen Gesetzen auch schon so. ({15}) Ich bin mir sehr klar darüber, dass der Freistaat Bayern - nicht erklärtermaßen; ich freue mich, dass es bei Baden-Württemberg anders ist - und insbesondere Nordrhein-Westfalen die damit verbundenen Steuereinnahmen dringend benötigen. Nun bin ich Ihnen die Antwort auf die Frage nach der Höhe des künftigen Aufkommens und die Nennung der Zahlen, die es dort gibt, schuldig.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie vorher vielleicht noch eine Zwischenfrage zulassen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ja, bitte.

Karl Georg Wellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003862, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wie bewerten Sie das ungeheure Gedränge auf der Bundesratsbank, und könnte man nicht daraus schließen, dass die Bundesländer im Grunde an dieser Steuer ein völliges Desinteresse haben? ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das bewerte ich als eine ausgesprochene Schüchternheit. ({0}) Ich bin mir aber ganz sicher, dass sich viele Vertreter der Länder entweder am Radio oder an anderen Empfangsgeräten dieser Debatte lauschend eingeschaltet haben, ({1}) weil sie wissen, dass es um ihr Geld geht. ({2}) Ich schulde Ihnen in meiner restlichen Redezeit eine Aufklärung: Wir haben dieses Steueraufkommen von 4 Milliarden Euro auf der Grundlage des damals geltenden Rechts - da Sie heute ein neues Recht beschließen wollen, muss ich sagen: auf der Grundlage des noch geltenden Rechts - und der damaligen Steuerschätzung berechnet. Ich sage es noch einmal: auf der Grundlage des noch geltenden Rechts und der damaligen Steuerschätzung. Inzwischen gibt es eine neue Steuerschätzung, die von, ich glaube, jeweils 4,7 oder 4,8 Milliarden Euro in den nächsten Jahren ausgeht. Auf der Basis des von Ihnen jetzt zu verabschiedenden Rechts dürfte das Erbschaftsteueraufkommen nach Lage der Dinge bei 4,4 Milliarden Euro liegen. Mir ist sehr daran gelegen, festzustellen, dass diese Steuermehreinnahmen nicht auf eine in diesem Gesetz eingebaute Dynamik zurückzuführen sind. Das ist nicht der Fall. Da ist keine Dynamik drin. Die Dynamik ergibt sich aus der demografischen Entwicklung ({3}) - so leid es mir tut, und das meine ich gar nicht zynisch. Auch bei dieser Passage meiner Rede werden die abwesenden Ländervertreter übrigens sehr genau hinhören.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Bundesminister, es gibt noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Beck.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Meine restliche Redezeit beträgt jetzt minus 0,2 Sekunden. ({0}) Erlauben Sie mir, noch einmal festzuhalten: Erstens. Die Erbschaftsteuer hat Bestand. Ich halte Schlüsselbegriffe wie Bürokratisierung und Enteignung, die heute hier gefallen sind, und Floskeln wie „Die Fundamente des Staates werden erschüttert“ für maßstabslos. Zweitens. Die Bundesländer können auch künftig mit einem jährlichen Steueraufkommen in einer Größenordnung von 4 Milliarden Euro rechnen, was für die Finanzierung ihrer Aufgaben von entscheidender Bedeutung ist. Drittens. In meinen Augen wird mit der neuen Erbschaftsteuer für mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen gesorgt. Für die engere Familie, also für Eheund Lebenspartner mit Kindern, bringt die neue Regelung im Erbfall gegenüber der bisherigen Regelung klare Vorteile mit sich. Das gilt auch für die Betriebe. Viertens. Ich halte diese Reform für gerecht. Kleinere und mittlere Erbschaften im engen Familienkreis werden steuerfrei bleiben. Für höchste Vermögen und für die Übertragung von Vermögen außerhalb des engen familiären Umfeldes haben wir die Steuerlast erhöht, auch zur Gegenfinanzierung der Privilegierung bei den Betriebsübergängen. Dies ist eine richtige Maßnahme gewesen. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ja. - Die neuen Regelungen werden sich, wie ich glaube, bewähren. Ich bin mir ganz sicher: Wenn wir in zwei Jahren eine Art Überprüfung des Erbschaftsteuerrechts vornehmen, werden wir feststellen, dass weite Elemente des Erbschaftsteuerrechts nicht dem entsprechen, was uns im Augenblick von manchen kritischen und auch interessengeleiteten Stimmen - ich gebe zu, dass das legitim ist - entgegengehalten wird. Diejenigen, die solche Listen unterschreiben, werden die Erfahrung machen, dass die Erbschaftsteuer keinen Nachteil für ihren Betriebsübergang bedeutet. ({0}) Herzlichen Dank fürs Zuhören. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Hermann Otto Solms hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Steinbrück, in Ihrer Rede haben Sie das falsche Denken, das hinter diesem Gesetzentwurf steht, mustergültig zum Ausdruck gebracht, ({0}) indem Sie immer wieder davon gesprochen haben, dass es nicht das Geld des Bundes, sondern das Geld der Länder ist. ({1}) Nein, meine Damen und Herren, liebe Freunde, es ist das Geld der Steuerzahler, über das wir hier reden. Um deren Interessen haben wir uns zu kümmern und nicht nur um Ihre fiskalen Interessen. Herr Raumsauer, ich verstehe, dass Sie nervös sind, weil Sie nun ein Gesetz vertreten müssen, das im Widerspruch zu den Forderungen Ihrer Partei und Ihres Landesverbandes steht. Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, hier, eingebettet in eine Zwischenfrage, falsche Tatsachen zu berichten. Der Beschluss der Koalition wurde am 6. November gefasst. Am 7. November hat Herr Steinbrück den bekannten Brief geschrieben, der sofort veröffentlicht wurde, und erst am 8. November haben die Familienunternehmen einen Brief geschrieben und sich über das beklagt, was Sie vorhaben. ({2}) Sie kannten die Inhalte natürlich ganz genau. Wenn man es so macht wie Herr Steinbrück und nur die positiven Elemente darstellt und das Negative vernachlässigt, ergibt sich so ein Bild. Ich kann aber auch die negativen Elemente darstellen: Gerade jetzt, wo wir am Beginn einer Rezession stehen, Herr Steinbrück, rechnen die Firmen natürlich mit enormen Auftragseinbrüchen und damit, dass sie Personalmaßnahmen ergreifen müssen. Sie können gar nicht davon ausgehen, dass sie die Lohnsumme oder das Verwaltungsvermögen auf der Höhe halten können, wie Sie die Grenzen gesetzt haben. ({3}) Dann wird die Erbschaftsteuer in voller Höhe sofort fällig, und zwar viel höher als heute, weil die Bewertung gestiegen ist. ({4}) Das kann für viele Unternehmen das Ende der Existenz bedeuten. ({5}) Die Aussage des Präsidenten des DIHK, dass dieses Gesetz eine Kriegserklärung an den Mittelstand ist, bestätige ich. In diesen negativen Fällen ist es eine Kriegserklärung an den Mittelstand. Diese Unternehmen scheiden dann aus. Wir als FDP wollen uns als Verteidiger des Mittelstandes einbringen. Wir werden im Bundesrat und nach der Bundestagswahl dafür sorgen, dass dieses Gesetz korrigiert wird. So kann es nicht bleiben. ({6}) Das Gesetz ist misslungen. Es ist bürokratisch. Sie haben ja nun die Ausführungen des Ministers hören müssen; da haben Sie gemerkt, wie kompliziert es wird. Es ist familienfeindlich, ({7}) und es ist, wenn Sie den Urteilen des ehemaligen Verfassungsrichters Kirchhof und des Professors Lange folgen, wahrscheinlich auch verfassungswidrig. Das Schlimmste daran ist das Familienbild, das dahinter steht. Ich bin entsetzt über das Verhalten der SPD und insbesondere das Verhalten der Unionsparteien. Ich hatte das Glück, in einer Familie mit sieben Geschwistern aufzuwachsen. Für mich sind Geschwister natürlich Teil der Familie. ({8}) Die Geschwisterkinder sind auch Teil der Familie. Die behandeln Sie jetzt bei der Erbschaftsteuer wie Familienfremde. Was für ein Familienbild steht denn dahinter? Das kann sich doch nur jemand ausgesonnen haben, der als verwöhntes Einzelkind aufgewachsen ist, ({9}) der nicht weiß, was Familie bedeutet. Die engsten Familienmitglieder werden nun mit 30 Prozent Eingangssteuersatz wie alle Fremden besteuert. Das ist völlig unakzeptabel. Dagegen werden wir Widerstand leisten, so lange und so gut wir können. Das muss ausgeräumt werden. ({10}) Ich persönlich würde mich als Vertreter der Unionsparteien schämen und diesen Saal verlassen, wenn ich einem solchen Gesetzentwurf zustimmen sollte. Die Art und Weise, Herr Bernhardt, wie Sie gestern mit uns im Finanzausschuss umgesprungen sind, kann ich nicht akzeptieren. Unser Vorschlag zur Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder - das wäre richtig, weil es eine Landessteuer ist - ist abgemeiert, unterdrückt worden und kann heute nicht zur Abstimmung gestellt werden, damit ihm nicht zu viele Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion zustimmen. Diese „Gefahr“ bestand, weil auch die CSU die Regionalisierung der Erbschaftsteuer gefordert hat. ({11}) Ich weiß nicht, Herr Ramsauer, wie Sie Ihre Truppe hier jetzt vertreten wollen. Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie den Saal verlassen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Ramsauer. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hochverehrter Herr Kollege Solms, ({0}) Sie wissen, dass wir uns in all diesen Fragen nicht sonderlich fern, sondern sehr nahe sind ({1}) und dass wir uns gegenseitig sehr respektieren. ({2}) Aber erstens möchte ich noch einmal bezüglich des Ablaufs klarstellen, dass bei der Baden-Badener Erklärung die Namen - ich kenne viele der Betreffenden persönlich - zur Mitunterzeichnung, zur Verwendungsfähigkeit abgefragt worden sind, bevor die Beschlüsse des Koalitionsausschusses bekannt geworden sind. ({3}) Zum Zweiten möchte ich bestätigen, dass auch wir mit anderen Mehrheiten in diesem Parlament oder vielleicht mit Geläuterten, die bisher andere Ansichten haben, Korrekturen herbeiführen wollen. Ich selbst bin Mittelständler. Man kann bestimmt noch einiges besser machen. Ich bin auch eiserner Anhänger einer Regionalisierung - das ist vollkommen klar -, aber die Sozialdemokraten verweigern sich. ({4}) Jedes Land könnte viel für sich tun und sich auch hier einem echten Steuerwettbewerb der Länder stellen. ({5}) Was die Geschwister anbelangt, muss man festhalten, dass sie schon nach dem bisherigen Erbschaftsteuerrecht, über das sich niemand beklagt hat, in Steuerklasse II sind; auch das kann man natürlich beklagen. Ich sage allen Geschwistern, die zu Recht anprangern, dass sie nach dem neuen Recht wie Fremde behandelt werden: Sie können sich alle bei der SPD bedanken; auch das sei klargestellt. ({6}) Herr Solms, weil Sie gerade auf die Familienunternehmer abgehoben haben, sage ich Ihnen: Wir haben von der mittelständischen Wirtschaft eine Welle der Zustimmung erfahren. Ich möchte die paar Minuten, die mir zur Verfügung stehen, nutzen, ein paar Kommentare zur geplanten Erbschaftsteuerreform zu verlesen. ({7}) Der Verband der Familienunternehmer schrieb: Der Kompromiss ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der ganz großen Keule des Regierungsentwurfs … Der ZDH, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, schrieb: Das Handwerk begrüßt die Einigung der Großen Koalition auf die geplante Reform des Erbschaftsteuerrechts. Sie schafft nach langen und intensiven Beratungen endlich Rechts- und Planungssicherheit für die Betriebsübergabe. Jürgen Thumann, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, schrieb:

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Ramsauer.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Kompromiss bei der Reform der Erbschaftsteuer ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Ramsauer, die gewöhnliche Dauer einer Kurzintervention ist drei Minuten. Ihre dauert nun schon dreieinhalb Minuten.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zweidreiviertel Minuten. ({0}) Die Beratungskanzlei Ernst & Young, die viele Familienunternehmen berät, empfiehlt, das neue Recht anzuwenden - Zitat -: Eigentlich kann man sich nach den letzten Änderungen nicht mehr beschweren. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ramsauer, Sie haben behauptet, dass die Familienunternehmen in ihrem Brief Argumente angeführt haben, die sie in Wirklichkeit nicht richtig bewerten konnten, weil sie den Inhalt dieses Gesetzentwurfes noch nicht im Detail kennen konnten. Im Gegensatz dazu behaupte ich, dass die Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses den Inhalt des Gesetzentwurfs nicht genau kennt. ({0}) Gestern habe ich im Finanzausschuss feststellen müssen, dass manche seiner Mitglieder, die auf diesem Gebiet ja Experten sind, bestimmte Varianten des Gesetzentwurfs nicht kennen; das gilt insbesondere für einige Mitglieder aufseiten der CDU/CSU-Fraktion. Als in der Sitzung Unruhe aufkam und sie nicht mehr bereit waren, diesen Unsinn zu unterzeichnen, hat der Kollege Bernhardt erklärt: Wie auch immer das zu bewerten ist, wir werden auf jeden Fall zustimmen. ({1}) Er wollte seinen Kollegen sozusagen das Wort verbieten. Das sind undemokratische Vorkommnisse, ({2}) die die Unsicherheit verdeutlichen, mit der Sie diese Entscheidung treffen. Das ist eine Frage der Ehrlichkeit. Sie können die Verantwortung dafür nicht auf die SPD schieben. ({3}) Sie müssen zustimmen, ablehnen oder sich enthalten. Wenn Sie Ihrer Überzeugung und der Meinung Ihrer Partei folgen würden, dann würden Sie diesen Gesetzentwurf ablehnen. ({4}) Sie stimmen ihm nur aufgrund von Koalitionszwängen zu. Sie haben Angst, dass diese ohnehin zerrüttete Koalition sonst sofort zusammenbrechen würde. Das wäre allerdings ein Gottesgeschenk. Danke. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu den Ausführungen von Herrn Solms gibt es eine weitere angemeldete Kurzintervention, und zwar von Herrn Pronold, die ich angesichts der Lebendigkeit der Debatte gerne zulasse. ({0}) - Sie bezieht sich auf Herrn Solms. ({1})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Kurzintervention bezieht sich auf Herrn Solms. Da ich nach der Geschäftsordnung nicht auf die Äußerungen des Kollegen Ramsauer reagieren darf, werde ich auf die Bemerkungen des Kollegen Solms zu den Geschwistern reagieren ({0}) und ihn darüber aufklären, wie es zu diesem Ergebnis gekommen ist. ({1}) Es war so, dass wir, die SPD, sehr wohl verschiedene Modelle erarbeitet und im Rahmen der Koalition vorgeschlagen haben, wie man die Steuerklasse II gegenüber der Steuerklasse III hätte besserstellen können. Die Wahrheit ist, dass sich die CSU im Koalitionsausschuss für die Interessen der Villenbesitzer am Starnberger See eingesetzt hat. ({2}) Deswegen war für die Besserstellung der Steuerklasse II gegenüber der Steuerklasse III kein Geld mehr übrig. Das ist die Wahrheit. ({3}) Zur Wahrheit gehört auch, dass ich, als wir in der letzten Woche zusammengesessen haben, vorgeschlagen habe, die Steuerklasse II dadurch besserzustellen, dass wir den Betrag in allen Steuerklassen ab 4 Millionen Euro und nicht erst ab 6 Millionen Euro erhöhen. Dann hätten wir das locker finanzieren können. Das wurde von der CDU/CSU abgelehnt. Wir hätten auch zugestimmt, die Bürger, die in der Steuerklasse III sind, mehr heranzuziehen, aber nur dann, wenn die Lebenspartner endlich in die Steuerklasse I gekommen wären. Auch das wurde von der CDU/CSU abgelehnt, sodass das, was Sie beklagen und was der Herr Ramsauer uns zuschieben will, jetzt wirklich bei ihm liegt. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Otto Bernhardt hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0}) - Entschuldigung. - Bitte, Herr Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich denke, ich habe das Recht, auch auf diese Kurzintervention zu antworten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das sollen Sie gerne tun.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte zweierlei dazu sagen: Erstens. Durch diese Parlamentsdebatte wird besser gezeigt, als man sich das überhaupt vorstellen kann oder als man das in einem Theater darstellen könnte, wie innerhalb der Großen Koalition Gesetzentwürfe entstehen. Ich glaube, das wird in vielen Politikseminaren als Beispiel angesprochen werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Solms, einen kleinen Augenblick. Man versteht Sie nicht. ({0}) - Sie verstehen Herrn Solms also. Das ist gut.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich wäre dankbar, wenn Sie die Zeit für Ihre Einwendung nicht auf meine Redezeit anrechnen würden. Ich sage noch einmal: Diese Parlamentssitzung wird in viele Politikseminare einbezogen werden, damit die Studenten lernen können, wie die Gesetzgebung tatsächlich vonstattengeht. Das ist ja ein Grauen. Zweitens. Genauso wie von der Union bin ich auch von der SPD hinsichtlich ihres Familienbildes enttäuscht. Die SPD hat sich in den letzten Jahrzehnten immer als familienfreundliche Partei gezeigt, ({0}) und sie hat dafür gekämpft. Dass sie jetzt dazu beiträgt, dass die engere Familie - jetzt ist ja das neue Modewort „Kernfamilie“ aufgetaucht; dabei werden eben alle anderen ausgeschlossen - nicht mehr wie eine Familie behandelt wird und dass Geschwister und Geschwisterkinder wie Fremde mit dem Eingangssteuersatz von 30 Prozent auf das Vermögen besteuert werden, ist eine Blamage für die Große Koalition. Das will ich hier festhalten. ({1}) Sie müssen Ihr Familienbild in der Öffentlichkeit neu darstellen, sonst ist all das, was Sie bis jetzt gemacht haben, verlogen. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt der Kollege Otto Bernhardt für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen heute das zweite große Steuerreformvorhaben der Großen Koalition verabschieden, nämlich die Erbschaftsteuerreform, nachdem wir im letzten Jahr eine vernünftige Unternehmensteuerreform gestaltet haben, die am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Das ist zunächst einmal der Auftrag, vor dem wir stehen. Ich korrigiere den von mir sehr geschätzten Finanzminister nur ungern: Nicht durch das Bundesverfassungsgericht, sondern durch den Koalitionsvertrag von 2005 wurde der erste Anstoß für diesen Gesetzentwurf gegeben, ({0}) in dem wir gesagt haben, dass wir den Übergang eines Unternehmens auf die nächste Generation steuerlich günstiger gestalten wollen, um Arbeitsplätze zu sichern. Das war der Ausgangspunkt unserer Überlegungen. ({1}) Das Bundesverfassungsgericht hat dann gesagt, das jetzige Gesetz sei verfassungswidrig, weil unterschiedliche Vermögensteile unterschiedlich bewertet würden. Ich bin kein Jurist, aber es ist natürlich einleuchtend, dass es mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht übereinstimmt, wenn man Geldvermögen mit 100 Prozent, Immobilien mit 60 Prozent, Betriebsvermögen mit 35 Prozent und Betriebe der Land- und Forstwirtschaft mit 10 Prozent bewertet. Jetzt hat das Gericht die für uns alle sicher unangenehme, aber wahrscheinlich richtige Entscheidung getroffen, dass das gesamte Vermögen zunächst einmal mit dem gemeinen Wert in die Bemessungsgrundlage aufgenommen werden muss. Wenn tolle Juristen vom gemeinen Wert sprechen, hat jeder den Eindruck, man könne ihn leicht ermitteln. Das kann man aber nicht. Der gemeine Wert ist nämlich der, den ein Vermögensgegenstand hat, wenn er an dem Tag, an dem der Erbfall oder der Schenkungsfall eintritt, verkauft wird. Da das aber nur sehr selten der Fall ist, muss man sich diesem Wert annähern. Das führt zu Bürokratie, meine Damen und Herren von der FDP. Es gibt keine andere Möglichkeit, als hierfür Annäherungskriterien zu schaffen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Bernhardt, der Kollege Beck möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herrn Bernhardt, ich hätte die Frage vorhin gerne schon dem Finanzminister gestellt; er hat sie jedoch nicht zugelassen. Ausgangspunkt dieser Reform ist - das ist klar - das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hat uns aufgegeben, unterschiedliche Vermögensarten bei der Besteuerung gleich zu behandeln. Nun habe ich den Eindruck, dass sich die Koalition durch die Starnberger-Villen-Regelung ein neues verfassungsrechtliches Problem genau dieser Art in das Gesetz geholt hat. Sie besteuern nämlich jetzt bei der Weitervererbung Immobilienvermögen wieder anders als Geldvermögen. Nehmen wir die beiden folgenden Beispiele: Es gibt einen Erbfall innerhalb einer Ehe. Da werden ein Haus im Wert von 500 000 Euro und Geldvermögen in Höhe von 500 000 Euro vererbt. ({0}) In das Haus regnet es hinein. Das Dach muss dringend repariert werden. Das Geld, das vererbt wird, wird dringend zum Erhalt der Immobilie, die später selbst genutzt werden soll, benötigt und verwendet. Im zweiten Fall wird ein gut instandgehaltenes Haus im Wert von 1 Million Euro vererbt. Dies ist völlig steuerfrei, wenn man weiterhin in dem Haus wohnt. ({1}) Wie wollen Sie das im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung - Art. 3 Grundgesetz rechtfertigen? Haben Sie durch die Starnberger-VillenRegelung nicht die Fälle für die nächsten Verfassungsbeschwerden in das Gesetz hineingeschmuggelt?

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Kollege. Die Sache ist eindeutig, auch unter rechtlichen Gesichtspunkten. Sie sind nicht Mitglied des Finanzausschusses. ({0}) Wir haben dort natürlich ausführlich über die Dinge diskutiert. Um es ganz klar zu sagen: Wenn man Aktien im Wert von 1 Million erbt, dann muss man sie zwar höher versteuern, aber man kann sie morgen frei verkaufen. Für das Familienhaus gilt das Privileg nur, wenn man zehn Jahre darin wohnt. Die beiden Dinge können Sie doch nun wirklich nicht miteinander vergleichen. Verfassungsrechtlich habe ich an diesem Punkt keinerlei Bedenken. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es gibt noch eine Zwischenfrage des Kollegen Niebel.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gerne.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Sie haben in Ihrer Antwort gerade einen Aspekt angesprochen, der bisher noch nicht thematisiert worden ist, nämlich dass man im geerbten Haus zehn Jahre lang wohnen bleiben muss, um Erbschaftsteuerfreiheit zu erlangen. Stimmen Sie mir zu, dass dies in einer immer mobiler werdenden Gesellschaft zumindest der Aufruf zu Melderechtsverletzungen sein dürfte und dass gerade bei älteren Menschen, die von der Regelung betroffen sind, das Ausziehen aus dem eigenen Haus im Falle der Pflegenotwendigkeit immer auch dazu führt, dass die Erbschaftsteuer fällig wird, weil man das Haus verkaufen muss, um sich in ein Pflegeheim einkaufen zu können? ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ist schade, dass Kollegen zum Teil über das Gesetz nicht informiert sind. Der Kollege Solms hat es uns vorgeworfen. Er sollte sich an seine eigenen Kollegen wenden. ({0}) Natürlich haben wir von der Großen Koalition eine Härtefallregelung eingeführt, die den Fall berücksichtigt, dass jemand ins Pflegeheim muss. ({1}) Sie glauben doch nicht, dass die CSU diesen Vorschlag ohne eine solche besondere Regelung in die Verhandlungen eingebracht hätte. ({2}) - Ich glaube, wir brauchen die Diskussion jetzt nicht fortzusetzen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Niebel, Herr Bernhardt möchte eine weitere Zwischenfrage nicht zulassen. Bitte schön, Herr Bernhardt.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte im Interesse der Beschleunigung der Debatte jetzt mit meiner Rede fortfahren. Ich glaube, es geht zum Teil um Dinge, die wir im Ausschuss diskutieren können. Wir sollten das Plenum hiermit nicht unnötig strapazieren. ({0}) Ich sage zunächst einmal: Der Gesetzentwurf, den wir im Februar dieses Jahres in erster Lesung beraten haben, war in der CDU/CSU-Fraktion nicht mehrheitsfähig. Das haben wir schon in der ersten Lesung zum Ausdruck gebracht. Wir haben deshalb so lange beraten müssen, weil es zwischen den Fraktionen - das kann man in aller Offenheit bekennen - und auch innerhalb der Fraktionen sehr unterschiedliche Auffassungen gab. Es gab eine Reihe von Sozialdemokraten - ich kritisiere das nicht, sondern stelle es fest -, die das Erbschaftsteueraufkommen durch das Gesetz deutlich erhöhen wollten. Von 10 Milliarden Euro war auf Ihrem Parteitag die Rede. Es gab und gibt andere bei uns, die die Erbschaftsteuer mit Hinweis auf Österreich, Schweden und andere ersatzlos streichen wollten. ({1}) - Die FDP klatscht jetzt wieder an der völlig falschen Stelle; denn sie will die Erbschaftsteuer nicht abschaffen. Sie hat einen Parteitagsbeschluss gefasst, die Erbschaftsteuer den Ländern zu übertragen. Die FDP reist zwar durch Deutschland und kündigt dem Mittelstand an, dass sie die Erbschaftsteuer abschaffen will, aber in Wirklichkeit haben Sie einen Parteitagsbeschluss gefasst, diese Steuer den Ländern zu übertragen. ({2}) Solche Auffassungen gibt es auch bei uns; aber sie waren schon in den Ländern nicht mehrheitsfähig. Wir müssen uns gar nicht damit beschäftigen. Die Länder wollten das nicht. Am Anfang wollte das übrigens auch Bayern nicht. Inzwischen gibt es vielleicht zwei oder drei Länder, die dafür sind. Ich stelle aber einmal die kritische Frage, ob es in einer Zeit, in der wir europäisches Recht vereinheitlichen wollen, sinnvoll wäre, 16 unterschiedliche Erbschaftsteuerrechte in Deutschland zu schaffen, wo viele Firmen in mehreren Bundesländern tätig sind. Ich glaube, das wäre kein Beitrag zur Entbürokratisierung. ({3}) Dann hat sich der Bundesrat damit beschäftigt. Wir beraten das Thema für den heute nicht anwesenden Bundesrat. Aber Sie haben recht, Herr Minister: Die Vertreter des Bundesrates sitzen sicherlich alle zu Hause und freuen sich, dass wir die harte Arbeit machen und sie anschließend 4 Milliarden Euro bekommen. Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin, dass auch andere aufmerksam die Debatte verfolgen. Das sind die qualifizierten Mitarbeiter des Ministeriums, die zum Teil rund um die Uhr gearbeitet haben. Mein Kompliment! Auch ihnen sollte man Danke schön sagen. ({4}) Der Bundesrat hatte 35 Änderungswünsche. Dann folgte ein Anhörungsverfahren, in dem viele Dutzend Änderungswünsche geäußert wurden. Daraufhin haben sich die Berichterstatter - Herr Pronold und ich - zusammengesetzt, und wir haben beraten, welche dieser Änderungswünsche wir gemeinsam umsetzen können. Angesichts der Tatsache, dass wir uns in diesen Gesprächen auf 40 Änderungen geeinigt haben, kann man nicht sagen, dass sich die SPD nicht bewegt hat; denn fast alle dieser Änderungswünsche kamen von unserer Seite. Insofern sage ich herzlichen Dank. Wir hätten die Änderungen nicht ohne den Koalitionspartner geschafft. All die kritischen Punkte - von der Fortführung des Betriebs über 15 Jahre bis zur Bürokratisierung durch die Dynamisierung und zur Doppelbelastung - haben wir geklärt. Auch der geforderte branchenabhängige Kapitalisierungssatz wurde von uns aufgenommen. Wir haben fast alle der 35 Anregungen des Bundesrates berücksichtigt. Dennoch gibt es in meiner Fraktion unterschiedliche Auffassungen. Die Mehrzahl wird zwar zustimmen - einige wenige wahrscheinlich nicht -, aber es gibt zwei Kritikpunkte von unserer Seite. Darauf will ich schon deshalb eingehen, weil der Kollege Solms eine Familiendebatte geführt hat, die - vorsichtig ausgedrückt unredlich war. ({5}) Ein Kritikpunkt ist der berechtigte Hinweis vieler - übrigens in allen Fraktionen -, dass das Ganze ein bisschen bürokratischer geworden ist. Aber das liegt im Verfassungsgerichtsurteil begründet. Es ist zwar leichter, wie bisher Bilanzwerte zugrunde zu legen - man braucht nur die Bilanz einzusehen -, aber das Verfahren ist ungerecht. Wir müssen uns dem gemeinen Wert nähern. Das ist mit mehr Bürokratie verbunden. Das ist aber nicht unsere Schuld, sondern ergibt sich aus dem Verfassungsgerichtsurteil und dem Gerechtigkeitsgebot. Der zweite Kritikpunkt, der in der Tat zu lebhaften Diskussionen geführt hat, betrifft die Frage, warum es keine unterschiedlichen Steuersätze und Freibeträge in den Steuerklassen II und III gibt. Aber hier machen es sich wieder einige zu leicht oder gehen davon aus, dass die Mehrheit es nicht besser weiß. Geschwister, nicht nur Neffen - die sogenannten weitläufigen Verwandten gehören auch heute im Erbschaftsteuerrecht nicht zur Kernfamilie. Zur Kernfamilie gehören Ehepartner, Kinder und Enkelkinder. Hieran ändern wir nichts, Herr Solms. Unser Familienbild ist nicht erschüttert. Es bleibt so, wie es heute ist, um das ganz klar zu sagen. ({6}) Heute gilt für Geschwister, Nichten und Neffen ein Freibetrag in Höhe von nur 10 300 Euro. Diesen verdoppeln wir nun. Ein Stück weit sorgen wir also für Verbesserung. Ich stimme Ihnen sicherlich zu: Das ist zu wenig. Das rechtfertigt aber nicht Ihre These, dass wir unser Familienbild aufgeben. Nein, das tun wir mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil: Gerade die Kernfamilie schützen wir mit diesem Gesetz. Das sieht man insbesondere an den Regelungen zur privat genutzten Wohnimmobilie. Unfair ist aber auch, zu sagen - ich kritisiere nicht gern eigene Leute; aber ich war bei allen Verhandlungen dabei -: Letztlich ist eine Differenzierung der Steuerklassen II und III an den Sozialdemokraten gescheitert. - Uns lagen Modelle vor, wonach 100 Millionen Euro von der Steuerklasse II in die Steuerklasse III verschoben worden wären. Aber das haben die Sozialdemokraten mit Auflagen verbunden, die wir nicht übernehmen konnten. Herr Kollege Pronold, Sie haben gesagt: Ich kann den Schritt mitgehen, wenn ihr die eingetragenen Lebensgemeinschaften nicht nur beim Freibetrag, sondern auch in der Steuerklasse gleich behandelt. - Dies war aber in meiner Fraktion nicht mehrheitsfähig. Das ist also gescheitert, weil es hier grundlegende Unterschiede gibt. Aber ich sage sehr deutlich: Dies wird einer der ersten Punkte sein, der bei einer eventuellen Novellierung ganz oben auf unserer Tagesordnung steht. Ich sage noch etwas zum Steueraufkommen. Wenn wir nichts im Erbschaftsteuerrecht änderten, dann bekämen wir in den nächsten Jahren mehr Geld; Sie müssen sich nur die mittelfristige Finanzplanung anschauen. Das ist völlig klar: Wir haben in Deutschland - Gott sei Dank - seit über 60 Jahren Frieden. Das bedeutet, dass Vermögen entstanden sind, die vererbt werden können. Das heißt, das Erbschaftsteueraufkommen steigt automatisch, selbst wenn wir keine Steuererhöhungen vornehmen. Es steigt nach neuem Recht genauso wie nach altem; denn wir haben uns auf Aufkommensneutralität geeinigt. Ich will deutlich sagen, wer die Gewinner und die Verlierer dieser Erbschaftsteuerreform sind. Die Gewinner sind die Firmen, auch wenn diese uns das zurzeit zum großen Teil nicht danken. Aber das Handwerk und die Landwirtschaft haben sich schon bedankt; andere werden sicherlich folgen. Wir erleichtern den Übergang der Betriebe auf die nächste Generation und sichern Arbeitsplätze. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Die engere Familie wird trotz höherer Bewertungen im Durchschnitt nicht schlechter behandelt als heute. Die engere Familie, Ehepartner, Kinder und Enkelkinder, zahlt im Durchschnitt nicht mehr. ({7}) Da wir uns aber auf Aufkommensneutralität geeinigt haben - und die Firmen etwas weniger belastet werden; bei der engeren Familie wird es plus/minus null sein -, bedeutet das nach Adam Riese dass wir bei den weitläufigen Verwandten und den Nichtverwandten gewisse Steuererhöhungen vornehmen; das ist Fakt. Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen, damit die Diskussion versachlicht wird. Über 90 Prozent aller Deutschen zahlen heute bei Schenkungen und Erbschaften keine Steuern. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Das Problem ist aber: 7 Prozent zahlen tatsächlich Steuern. 70 Prozent hoffen, irgendwann etwas zu erben, und befürchten, dann Steuern zahlen zu müssen. Deshalb interessieren sich schrecklich viele, die überhaupt nicht betroffen sind, für dieses Thema. ({8}) 75 Prozent aller Firmen werden beim Übergang auf die nächste Generation überhaupt keine Steuern mehr zahlen. Handwerksbetriebe und landwirtschaftliche Betriebe fallen zu über 90 Prozent heraus. Bei der nächsten Zahl habe ich den Eindruck, dass sie zu Verwirrung führt: Ein anerkannter Steuerwissenschaftler kommt in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass neun von zehn Firmen, die heute Erbschaftsteuer zahlen müssten, durch das neue Recht bessergestellt werden. Aber diese Firmen kommen nicht zu mir und sagen Danke. Die 10 Prozent, die mehr zahlen müssen, kenne ich inzwischen alle, glaube ich. In der Tat handelt es sich dabei um ganz große Familienunternehmen. Diesen haben wir aber nun mit der totalen Steuerfreiheit eine Tür geöffnet. Natürlich stellen die 10 Prozent Verwaltungsvermögen eine Grenze dar. Aber diese Firmen sind sehr innovativ. Sie ahnen nicht, wie schnell sie ihre Beteiligungen und Verwaltungsvermögen in andere Gesellschaften überführen und die Möglichkeit der Steuerfreiheit nutzen. Auch hier sind Sorgen nicht angebracht. ({9}) Lassen Sie mich abschließend feststellen: Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein fairer Kompromiss innerhalb der Großen Koalition. Alle Betroffenen haben hier konstruktiv mitgearbeitet. Dafür möchte ich mich bedanken. Ich kann heute nur empfehlen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Angesichts der politischen Rahmenbedingungen ist er das Beste, was möglich und mehrheitsfähig ist. Danke schön. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Dirk Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die Frage, ob man erbschaftsteuerfrei ein Haus weiter nutzen kann, ist mit einer Zehnjahresfrist verbunden. Das regelt in dem vorliegenden Gesetzentwurf § 13 Abs. 1 Nr. 4 b. Aus der zugehörigen Begründung lässt sich erkennen, dass die Erbschaftsteuerfreiheit nur dann weiter gewährt wird, wenn einem die selbstständige Führung eines Haushalts unmöglich ist, zum Beispiel bei Tod oder Pflegebedürftigkeit. Wer sich im Sozialrecht ein bisschen auskennt, weiß, dass die Pflegebedürftigkeit in unterschiedlichen Stufen angelegt ist und in den Pflegestufen I und II die selbstständige Führung eines Haushaltes in aller Regel noch möglich ist. Allein die Summe, die einem als Pflegegeld alternativ zur Verfügung gestellt wird, würde es gar nicht möglich machen, sich in ein Pflegeheim einzukaufen. Aus diesem Grund ist der vorliegende Gesetzentwurf nicht nur familienfeindlich und mittelstandsschädlich, sondern er ist auch in höchstem Maße unsozial. ({0}) Arbeitsmarktpolitisch betrachtet muss man feststellen, dass in einer immer mobiler werdenden Welt die Forderung nach zehnjähriger Bindung an ein Haus, wenn man die Erbschaftsteuerfreiheit für dieses Haus beibehalten möchte, schlichtweg weltfremd ist. Auch die Regelung, die in dem Gesetzentwurf enthalten ist, dass bei mehreren Wohnsitzen bei Berufspendlern die Erbschaftsteuerfreiheit nur dann besteht, wenn der Lebensmittelpunkt im ererbten Haus liegt, ist insofern weltfremd, als man oftmals in Deutschland umziehen muss. Sie alle wissen das, Sie alle fordern das. Die SPD regiert seit zehn Jahren und hat viele Mobilitätskriterien eingeführt, die es notwendig machen, das ererbte Haus zu verlassen. Deswegen ist auch in diesem Fall der Gesetzentwurf weltfremd. Sie sollten sich sehr genau überlegen, ob Sie in einer sich verändernden Arbeitswelt und in einer älter werdenden Gesellschaft derartige Regelungen mittragen und dafür Ihre Hand heben können. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Bernhardt, Sie können antworten.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich widerspreche dem Kollegen und sage sehr deutlich: Das Gesetz, das wir gleich verabschieden werden, ist familienfreundlich. ({0}) Niemand ist gezwungen, das Privileg, das Elternhaus kostenlos zu übernehmen, anzunehmen. ({1}) Man muss selbst überlegen: Bin ich in der Lage, dieses Privileg anzunehmen oder nicht? Ich sage sehr deutlich: Es geht hier um ein Privileg. ({2}) Wir machen hier eine Ausnahme. Es gibt den Grundsatz der Gleichbehandlung. Deshalb müssen Sie, wenn Sie eine Ausnahme einführen, Auflagen machen. Die Auflage hier heißt die Einhaltung einer Frist von zehn Jahren. Sie werden es nicht glauben, Herr Kollege: Wir haben sogar ganz zum Schluss eine Härtefallregelung für Kinder aufgenommen, die von diesem Privileg Gebrauch machen. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts. Zu dieser Abstimmung liegen mir etliche Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung von Abgeordneten der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor.1) Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- empfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung anzunehmen, Drucksachen 16/7918, 16/8547, 16/11107 und 16/11075. Hierzu liegt ein Ände- rungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Än- derungsantrag auf Drucksache 16/11109? - Wer stimmt 1) Anlagen 2 und 3 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung von FDP und der Linken abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposi- tion angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Ge- setzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD namentlich ab. An dieser Stelle weise ich auf eine unmittelbar folgende weitere namentliche Ab- stimmung über einen Entschließungsantrag hin. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe- nen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1) Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungs- anträge, und zwar zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11112. Die Frak- tion der FDP verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge- sehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Ur- nen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstim- mung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Dies ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte Sie des- halb, sich wieder auf Ihre Plätze zu begeben. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11110? - Ge- genprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke mit den restlichen Stimmen des Hauses abgelehnt. Wir setzen unsere Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt II - fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009 ({0}) - Drucksachen 16/9900, 16/9902 - 1) Seite 20467 D 2) Seite 20470 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012 - Drucksachen 16/9901, 16/9902, 16/10426 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({2}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Wir kommen zum Tagesordnungspunkt II.12: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - Drucksachen 16/10411, 16/10423 Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel Waltraud Lehn Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Zum Einzelplan 11 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir später namentlich abstimmen werden. Außerdem liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dr. Claudia Winterstein, FDP-Fraktion. ({3})

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Scholz, Sie sind jetzt seit einem Jahr im Amt. Dies ist der erste Haushalt des Arbeitsministeriums, den Sie voll zu verantworten haben. Sie hätten die Chance gehabt, aus den Fehlern Ihres Vorgängers zu lernen und für Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu sorgen, aber Sie haben diese Chance verpasst; Sie haben es nicht getan. Stattdessen haben Sie uns wiederum einen Haushalt mit geschönten Zahlen vorgelegt. Seit der Vorlage des Haushaltsentwurfs hat die Regierung ihre Wachstumsprognose von 1,2 Prozent auf 0,2 Prozent gesenkt; das ist immer noch sehr positiv gedacht. Die Wirtschaftsweisen prognostizieren für 2009 eine Rezession. Alle Sachverständigen gehen für 2009 von steigenden Arbeitslosenzahlen aus. Nur einer tut das nicht, und das ist der Arbeitsminister, der sich gerade noch intensiv mit der Frau Bundeskanzlerin unterhält. Der Haushalt des Arbeitsministers präsentiert sich nahezu unverändert. Der Ansatz für das Arbeitslosengeld II steigt zwar um 250 Millionen Euro, aber nur für die Erhöhung bei den Krankenkassenbeiträgen. Im Sinne der Haushaltsklarheit und -wahrheit wäre eine weitere Erhöhung notwendig gewesen. Gerade in der letzten Woche musste eine knappe Milliarde Euro als überplanmäßige Ausgabe genehmigt werden, weil der Ansatz für das Arbeitslosengeld II nicht gereicht hat. Wir brauchen für dieses Jahr knapp 22 Milliarden Euro. Für 2009 sind nur 20,25 Milliarden Euro angesetzt. Das ist wieder viel zu niedrig. Diese Schönrechnerei geschieht jetzt übrigens schon das vierte Mal in Folge, und das ist unsolide, Herr Minister. ({0}) Wir wissen es jetzt genau. Insofern sollten Sie so ehrlich sein und die 1,8 Milliarden Euro, die hierfür zusätzlich benötigt werden, nicht verschweigen. Dann allerdings können Sie sich nicht mehr brüsten mit dem sogenannten Sparhaushalt, wie Sie gesagt haben; im Gegenteil. Der Ansatz für die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für die Hartz-IV-Empfänger, für die der Bund zuständig ist, bleibt unverändert. Sie sprechen zwar davon, die Instrumente neu zu ordnen und effizienter zu machen; viel Erfolg haben Sie damit allerdings nicht. Ihr Gesetzentwurf ist in der Anhörung durchgefallen. ({1}) Es hieß: viel zu mutlos; das Ziel der Instrumentenvereinfachung wird verfehlt; sogar: Beim ALG II sieht der Gesetzentwurf geradezu das Gegenteil einer Vereinfachung vor. Aus meiner Sicht ist Ihr schlimmster Fehler: Sie unterlassen es, die Finanzen neu zu ordnen und damit auch Einspareffekte zu erzielen. 10 Milliarden Euro haben Sie in diesem Jahr für Eingliederungsmaßnahmen und Verwaltung vorgesehen. Genau 10 Milliarden Euro sehen Sie auch für das nächste Jahr vor. Eine Neuordnung der Instrumente ist aber überfällig und verbunden damit natürlich auch eine Einsparung. Wir haben deswegen bei diesen beiden Titeln eine Kürzung um 20 Prozent beantragt. Wir dürfen nicht für wirkungslose Instrumente Geld aus dem Fenster werfen. Herr Minister, tun Sie endlich etwas dagegen! ({2}) Der Kommunal-Kombi beispielsweise hat sich als Flop erwiesen. 143 Millionen Euro sind dafür bereitgestellt worden. 3,5 Millionen Euro sind bisher aber nur abgeflossen. Was machen Sie? Sie nehmen das ungenutzte Geld und setzen es einfach zum Löcherstopfen beim ALG II ein. ({3}) Nun könnte man denken: Das Instrument wird im nächsten Jahr abgeschafft. Aber weit gefehlt! Es bleibt, und es wird einfach im Eingliederungsbudget versteckt. Ein zweites Beispiel. Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden in diesem Jahr bislang 340 Millionen Euro ausgegeben - mehr als im gesamten letzten Jahr. Aber gerade die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind nach dem Evaluierungsbericht negativ zu bewerten. Sie tragen erwiesenermaßen nicht zur Eingliederung bei und wirken sogar eher bremsend. Das wissen Sie nun schon seit Januar 2006. Wie kann es da sein, dass Sie immer noch so viel Geld für solche Maßnahmen ausgeben? Herr Minister, damit muss jetzt endlich Schluss sein! ({4}) Die Hälfte des Eingliederungsbudgets von 10 Milliarden Euro lassen Sie sich von der Bundesagentur für Arbeit bezahlen, also von den Beitragszahlern. Es ist und bleibt der falsche Ansatz, die Bundesagentur an der Finanzierung der Eingliederungsmaßnahmen für Hartz-IV-Empfänger zu beteiligen. Wir wollen, dass der Bund aufhört, den Beitragszahlern immer wieder in die Tasche zu greifen. ({5}) Statt dass Milliarden von Euro von der Bundesagentur in den Bundeshaushalt geschoben werden und umgekehrt, sollte jeder für das zahlen, für das er zuständig ist, nämlich der Bund für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger und die Bundesagentur für die Arbeitslosengeld-I-Empfänger. Herr Minister, Sie haben in letzter Zeit mit viel Selbstzufriedenheit auf einen Schutzschirm für die Arbeitsplätze hingewiesen. Man muss dazu aber eines ganz klar sagen: Soweit das Konjunkturpaket den Arbeitsmarkt betrifft, halten Sie Ihren Haushalt fein aus der Sache heraus. Alles, was hier als Bonbon angeboten wird, beispielsweise das Kurzarbeitergeld, wird aus dem Haushalt der Bundesagentur für Arbeit finanziert, ({6}) also aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Für Ihren Haushalt ist das ganz bequem, aber das geht zulasten Dritter. Meine Damen und Herren, Deutschland geht schwierigen Zeiten entgegen. Der Haushalt 2009 liefert dafür jedoch nicht das richtige Rüstzeug. Danke. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich komme zurück zu Tagesordnungspunkt IV und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über den Entwurf eines Erbschaftsteuerreformgesetzes der Bundesregierung bekannt, Drucksachen 17/7918, 16/8547, 16/11107 und 16/11075: abgegebene Stimmen 557. Mit Ja haben gestimmt 386, mit Nein haben gestimmt 168, Enthaltungen 3. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 555; davon ja: 384 nein: 168 enthalten: 3 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Clemens Binninger Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Anke Eymer ({2}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({3}) Dr. Maria Flachsbarth Dr. Hans-Peter Friedrich ({4}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Norbert Geis Michael Glos Ralf Göbel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({5}) Dr. Franz Josef Jung Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({6}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({7}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({8}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({9}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({10}) Maria Michalk Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({11}) Stefan Müller ({12}) Dr. Gerd Müller Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Eckhardt Rehberg Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({13}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({14}) Andreas Schmidt ({15}) Ingo Schmitt ({16}) Dr. Andreas Schockenhoff Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Gero Storjohann Andreas Storm Matthäus Strebl Thomas Strobl ({17}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({18}) Gerald Weiß ({19}) Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({20}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({21}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({22}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf ({23}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({24}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({25}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Gerd Höfer Iris Hoffmann ({26}) Frank Hofmann ({27}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({28}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({29}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({30}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({31}) Michael Müller ({32}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({33}) Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({34}) Michael Roth ({35}) Ortwin Runde Anton Schaaf Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Ulla Schmidt ({36}) Silvia Schmidt ({37}) Renate Schmidt ({38}) Heinz Schmitt ({39}) Carsten Schneider ({40}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({41}) Swen Schulz ({42}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Dr. Rainer Tabillion Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({43}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba ({44}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer fraktionsloser Abgeordneter Henry Nitzsche Nein CDU/CSU Renate Blank Wolfgang Bosbach Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Axel E. Fischer ({45}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Peter Gauweiler Eberhard Gienger Alois Karl Friedrich Merz Philipp Mißfelder Dr. Joachim Pfeiffer Beatrix Philipp Peter Rauen Franz Romer Peter Rzepka Anita Schäfer ({46}) Marion Seib Christian Freiherr von Stetten Gerhard Wächter Ingo Wellenreuther Willy Wimmer ({47}) SPD Otto Schily FDP Jens Ackermann Daniel Bahr ({48}) Uwe Barth Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Horst Friedrich ({49}) Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({50}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({51}) Markus Löning Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto ({52}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Dr. Daniel Volk Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({53}) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Kersten Naumann Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Petra Pau Bodo Ramelow Paul Schäfer ({54}) Volker Schneider ({55}) Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({56}) Birgitt Bender Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Bettina Herlitzius Peter Hettlich Priska Hinz ({57}) Bärbel Höhn Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({58}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Claudia Roth ({59}) Manuel Sarrazin Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Dr. Harald Terpe Jürgen Trittin Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Enthalten CDU/CSU Veronika Bellmann Bernhard Schulte-Drüggelte Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11112 lautet: abgegebene Stimmen 550. Mit Ja haben gestimmt 98, mit Nein haben gestimmt 443, Enthaltungen 9. Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 550; davon ja: 98 nein: 443 enthalten: 9 Ja CDU/CSU Dorothee Bär Renate Blank Klaus Brähmig Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Maria Eichhorn Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({60}) Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis Dr. Wolfgang Götzer Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Bernd Heynemann Ernst Hinsken Bartholomäus Kalb Alois Karl Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Stephan Mayer ({61}) Laurenz Meyer ({62}) Marlene Mortler Stefan Müller ({63}) Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Dr. Joachim Pfeiffer Daniela Raab Hans Raidel Peter Rauen Eckhardt Rehberg Franz Romer Albert Rupprecht ({64}) Anita Schäfer ({65}) Dr. Andreas Scheuer Marion Seib Christian Freiherr von Stetten Matthäus Strebl Dagmar Wöhrl FDP Jens Ackermann Daniel Bahr ({66}) Uwe Barth Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Horst Friedrich ({67}) Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({68}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({69}) Markus Löning Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto ({70}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Dr. Daniel Volk Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({71}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({72}) Veronika Bellmann Clemens Binninger Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({73}) Wolfgang Bosbach Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Hubert Deittert Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({74}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({75}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Axel E. Fischer ({76}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Eberhard Gienger Ralf Göbel Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({77}) Dr. Franz Josef Jung Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({78}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({79}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({80}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Maria Michalk Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Carsten Müller ({81}) Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Thomas Rachel Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Peter Rzepka Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({82}) Ingo Schmitt ({83}) Dr. Andreas Schockenhoff Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Jens Spahn Erika Steinbach Gero Storjohann Andreas Storm Thomas Strobl ({84}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({85}) Gerald Weiß ({86}) Ingo Wellenreuther Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({87}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({88}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({89}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf ({90}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({91}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({92}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({93}) Frank Hofmann ({94}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({95}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({96}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({97}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({98}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({99}) Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Walter Riester René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({100}) Michael Roth ({101}) Ortwin Runde Anton Schaaf Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Ulla Schmidt ({102}) Silvia Schmidt ({103}) Renate Schmidt ({104}) Heinz Schmitt ({105}) Carsten Schneider ({106}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({107}) Swen Schulz ({108}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Dr. Rainer Tabillion Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({109}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba ({110}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Paul Schäfer ({111}) Volker Schneider ({112}) Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({113}) Birgitt Bender Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Bettina Herlitzius Peter Hettlich Priska Hinz ({114}) Bärbel Höhn Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({115}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Claudia Roth ({116}) Manuel Sarrazin Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Dr. Harald Terpe Jürgen Trittin Wolfgang Wieland fraktionslose Abgeordnete Henry Nitzsche Gert Winkelmeier Enthalten CDU/CSU Michael Glos Hartmut Koschyk Eduard Oswald Dr. Christian Ruck Christian Schmidt ({117}) Thomas Silberhorn Willy Wimmer ({118}) SPD Otto Schily Ich gebe das Wort dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz. ({119})

Olaf Scholz (Minister:in)

Politiker ID: 11003231

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute sind wieder die Arbeitsmarktzahlen veröffentlicht worden. Nach dem letzten Monat haben wir wieder einen Monat mit guten Zahlen. Die Zahl der Arbeitslosen insgesamt ist weiter zurückgegangen. Das ist ein gutes Ergebnis der Anstrengungen der letzten Jahre. ({0}) Natürlich ist das etwas, über das wir heute reden müssen; denn tatsächlich sind die Entwicklungen, die wir heute auf dem Arbeitsmarkt sehen können, nicht zufällig zustande gekommen. Sie sind das Ergebnis der Anstrengungen von Unternehmen, sie sind das Ergebnis der harten Arbeit vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sie sind aber unverkennbar auch das Ergebnis der richtigen Weichenstellungen, die in der letzten und in dieser Legislaturperiode vorgenommen wurden. Diese haben zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit beigetragen. ({1}) Meine Damen und Herren, wenn wir uns diese Zahlen anschauen, dann ist es wichtig, dass wir uns immer wieder klarmachen, wie sie eigentlich zusammengesetzt sind, was sie uns für die Zukunft sagen und welche Handlungsmöglichkeiten sich für uns daraus ergeben. Eine wichtige Zahl ist - eine genaue gibt es nur für das letzte Jahr, für dieses Jahr kann man sie nur hochrechnen -, dass die Zahl der Zugänge und Abgänge von Arbeitslosen insgesamt jeweils über 8 Millionen gelegen hat bzw. liegen wird. Es findet also ganz viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Beschäftigung statt. Das darf man nie vergessen, wenn man die konsolidierten Zahlen betrachtet. Hinter ihnen stehen viele Schicksale. Weil es so viele Bürgerinnen und Bürger sind, um die es geht und deren Schicksal berührt wird von dem, was wir tun, ist es von zentraler Bedeutung, dass wir uns sehr viel Mühe dabei geben, die Arbeitsvermittlung zu organisieren und etwas wir für sie zu unternehmen. Dass wir die Zahl der Arbeitsvermittler erhöht haben, ist ein richtiger Ansatz. Das bedeutet, dass wir Menschen für Menschen einsetzen und ihnen in einer schwierigen Situation ihres Lebens helfen. ({2}) Die Zahlen, über die wir im Zusammenhang mit diesem Haushalt diskutieren, sind ja beeindruckend. Wir haben uns dazu entschlossen, die Zahl der Vermittler bei den Arbeitsgemeinschaften unmittelbar um etwa 2 000 zu erhöhen und innerhalb der nächsten Jahre durch Verlagerung von Stellen aus der Sachbearbeitung und der Leistungsausrechnung hin zur Vermittlung noch einmal 5 000 zusätzliche Stellen zu mobilisieren, sodass 7 000 zusätzliche Vermittlerinnen und Vermittler für Menschen in großer Not da sind. Das Gleiche gilt für die Arbeitsagentur, deren Service sich über die letzten Jahre stetig verbessert hat. Wir dürfen eines nicht vergessen: Als Walter Riester mit den Reformen begonnen hat, waren gerade einmal knapp über 10 Prozent der Beschäftigten mit der Vermittlung beauftragt. Heute sind es bei der Agentur über 30 Prozent und bei den Arbeitsgemeinschaften knapp über 40 Prozent; das sind beeindruckende Zahlen. Ich benenne unser Ziel ganz deutlich: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass irgendwann das Verhältnis halbehalbe sein wird. Im Mittelpunkt der Arbeitsagentur und der Arbeitsgemeinschaften muss die Vermittlung stehen, nicht die Auszahlung der Leistungen; Letztere muss einfach gut funktionieren. ({3}) Daher ist es richtig, dass wir uns in der jetzigen wirtschaftlichen Situation entschieden haben, für die Arbeitnehmer, die bisher ihre Beiträge gezahlt haben und eine Kündigung bekommen, 1 000 zusätzliche Vermittler einzusetzen. Eine Job-to-job-Vermittlung ist das richtige Zeichen in einer schwierigen Situation, meine Damen und Herren. ({4}) Wenn wir die Situation verstehen wollen, müssen wir uns die Zahlen noch etwas genauer ansehen. Von den jetzt unter 3 Millionen Arbeitslosen bekommen knapp über 800 000 Menschen Arbeitslosengeld, und etwas über 900 000 sind im Rechtskreis SGB III gemeldet. Das konjunkturelle Auf und Ab wird sich dort zuallererst abbilden. Deshalb ist es richtig, dass wir entschieden haben, in dieser wirtschaftlichen Situation ein Zeichen zu setzen und dazu beizutragen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch dann in den Betrieben bleiben, wenn es schwierig wird. Wir verlängern die Zeit der Kurzarbeit von sechs Monaten, wie es im Gesetz steht, auf 18 Monate. Das ist das richtige Zeichen an die Unternehmen und an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande. ({5}) Wir verbinden dies mit einer weiteren Botschaft: Die Zeiten der Kurzarbeit, in denen vielleicht weniger zu tun ist, muss man für Qualifizierung nutzen. Qualifizieren statt entlassen, das ist die zweite Botschaft, die wir in der jetzigen wirtschaftlich angespannten Situation formulieren. ({6}) Meine Damen und Herren, wir müssen deutlich sagen, wo wir stehen: Wir stehen gut da und stehen trotzdem vor schweren Zeiten. Wir sind gut vorbereitet, aber wir wandern durch unbekanntes Gebiet. Insofern kann niemand wissen, ob unsere Ausrüstung insgesamt die richtige ist. Wir müssen darüber nachdenken, was wir tun können. Natürlich wird in einer solchen Situation über sehr unterschiedliche Ansätze diskutiert. Je nach Neigung und Interesse stützen sich manche eher auf den ersten Teil der Wahrheit und beschwichtigen, während andere eher den zweiten Teil betonen und in Alarmismus machen. Beides ist nicht redlich. Weder dürfen wir so tun, als müssten wir nur wollen und dann werde alles wieder gut, noch sollten wir mit unbändiger Lust an der Apokalypse den Zusammenbruch von Wachstum und Wohlstand in Deutschland und der Welt prophezeien. Erst analysieren und dann Lösungen entwickeln, zügig, aber nicht hektisch, und das alles mit der gebotenen Klarheit, das verlangen die Bürgerinnen und Bürger in der jetzigen Situation von uns. ({7}) Niemand erwartet, dass wir jetzt schnell Flugblätter produzieren. Vielmehr erwartet man von uns, dass wir das tun, was wir tun können. Dies bedeutet, dass nicht besonders markige Forderungen vernünftig sind, sondern solche, von denen man glauben kann, dass sie wirklich helfen. Die von der Regierung auf den Weg gebrachten und die Konjunktur stützenden Impulse sind viel klüger und vernünftiger als manches, was man sonst so hört. Gäben wir jetzt einfach irgendwelche Milliarden aus, dann fehlten sie uns bitter für wirklich vernünftige und hilfreiche Dinge, die wir brauchten, wenn die Krise länger dauern und schwieriger werden sollte. ({8}) Im Übrigen entstünde, wenn wir die markigen Forderungen erfüllten, nicht das, was wir in der jetzigen wirtschaftlichen Situation wirklich brauchen: Wir brauchen Vertrauen. Das Vertrauen und der Kredit in die Finanzmärkte sind zurzeit sehr gefährdet. Das ist auch kein Wunder angesichts all der Spiele, die wir in den letzten Jahren und Monaten bei Banken und Börsen beobachten mussten, und angesichts der Tatsache, dass jetzt viele, die dafür selbst gar nichts können, um ihre Zukunft fürchten müssen, weil einige an einer ganz anderen Stelle etwas falsch gemacht haben. Die Menschen investieren Vertrauen in die Politik, weil sie uns etwas zutrauen. Sie haben gesehen, dass dies angesichts unserer schnellen und zügigen Reaktion in Bezug auf die Krise der Finanzmärkte und angesichts des Schirms, den wir aufgespannt haben, berechtigt ist. Dieses Vertrauen ist auch gerechtfertigt angesichts der Entscheidungen, die wir für den Arbeitsmarkt getroffen haben. Aber Vertrauen wird immer verspielt, wenn man nicht seriös handelt und wenn man von dem, was vorgeschlagen wurde, nicht überzeugt ist, dass es in der Zukunft hilft. Darum geht es. Ich habe schon etwas zu denjenigen der knapp unter 3 Millionen Menschen gesagt, die Arbeitslosengeld erhalten. Die anderen Arbeitslosen bekommen Arbeitslosengeld II. Darunter sind viele, die schon lange arbeitslos sind. Wir müssen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass das Schicksal vieler Bürgerinnen und Bürger von uns bewegt werden kann, und zwar unabhängig davon, ob die Konjunktur gut oder schlecht läuft; denn ihre Schwierigkeiten haben oft mit Dingen zu tun, die auch jenseits der Konjunktur ein Problem darstellen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass manche unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Ansonsten kann es passieren, dass auch in einer boomenden Konjunktur viele von ihnen keine Beschäftigung finden. Das ist die Aufgabe, die wir mit großem Mut und großer Klarheit angehen müssen. ({9}) Darum spielt für das, was wir tun, Qualifizierung eine so große Rolle. 500 000 Arbeitslose haben keinen Schulabschluss; fast alle davon sind Langzeitarbeitslose. Darum ist es richtig, dass wir bei der Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sagen: Es muss ein lebenslanges Recht geben, diesen Schulabschluss nachzuholen, um die eigene Zukunft besser meistern zu können. ({10}) Darum ist es richtig, dass wir uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass von den Langzeitarbeitslosen die Hälfte keinen Berufsabschluss hat. Wenn wir deren Schicksal wenden wollen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass jeder und jede in diesem Lande die Chance auf eine Berufsausbildung hat. Das ist das Entscheidende für die Zukunft unseres Landes. Ich will ausdrücklich sagen: Die wichtigste Ausbildung in Deutschland ist die Lehre, die Berufsausbildung. Auch mit zukünftig mehr Akademikern werden 60 bis 70 Prozent eines Altersjahrgangs diese Ausbildung brauchen. ({11}) Es wird eine große Rolle spielen, wie wir qualifizieren. Das gilt nicht nur in Zeiten der Konjunkturkrise, sondern auch langfristig. Daher müssen wir für mehr Ausbildungsplätze sorgen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch diejenigen eine Chance bekommen, die nicht so gut sind. Meine feste Überzeugung ist, dass wir deutlich darüber sprechen müssen, wie diese Menschen eine Chance bekommen können. Wer mit 16 Jahren die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Die Frage, ob er in dieser Zeit immer wieder auf fremde Hilfe angewiesen sein wird oder ob er von dem, was er selber tut, leben kann, entscheidet sich an dem, was wir an Bildungsmöglichkeiten und Bildungschancen eröffnen. Das ist unsere Aufgabe, die wir bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Blick haben müssen. ({12}) Wir müssen natürlich aus der Ausbildung auch mehr machen. Deshalb finde ich es gut, dass wir im Zusammenhang mit dem Bildungsgipfel die Zusage der Länder bekommen haben, mitzuhelfen, dass innerhalb eines Jahres überall in Deutschland nach einem einheitlichen Verfahren geregelt ist, dass Meister, Techniker und diejenigen, die eine Berufsausbildung gemacht haben und die ein paar Jahre gearbeitet haben, direkt zum Studieren an eine Universität gehen und dort ihre Talente entfalten können. Der Fachkräfte- und Ingenieursmangel kann eben auch behoben werden, indem wir die Potenziale unserer Berufsschulen und derjenigen, die dort etwas lernen, besser nutzen. ({13}) Ich glaube, das sind die wichtigsten Dinge, die wir bewegen müssen. Alles, was wir sonst noch getan haben, haben wir unter Berücksichtigung dieser Punkte auf den Weg gebracht. Ich nenne beispielsweise das Fachkräftekonzept für Spitzenkräfte. Dabei geht es um diejenigen, die einen Hochschulabschluss haben. Wir werden den Arbeitsmarkt in Deutschland ab dem nächsten Jahr öffnen, sodass es einen Ingenieursmangel nicht mehr geben muss. Denn die Unternehmen haben dann die Möglichkeit, die Kräfte zu holen, die sie brauchen. Damit werden auch Arbeitsplätze für diejenigen geschaffen und gesichert, die als Gelernte, Angelernte und auch Ungelernte Arbeit haben wollen. Diese Arbeitsplätze hängen davon ab, dass das wissenschaftliche Qualifikationsniveau unserer Arbeitskräfte insgesamt so hoch ist, dass wir alle unsere Chancen nutzen können. Man kann etwas tun. Das ist die entscheidende Botschaft, die in einer Demokratie die Politik aussenden muss. Es ist nicht die Stunde der Zyniker, die malerisch beschreiben, warum sowieso alles schiefgehen wird. Das kann von links und von rechts geschehen, um auf diese Weise Applaus zu bekommen. Aber die Demokratie lebt nicht davon, dass sie Wolkenkuckucksheime verspricht, sondern davon, dass sie ganz konkrete Vorschläge macht, wie das Schicksal der Bürgerinnen und Bürger verbessert werden kann. Wo ist das wichtiger als auf dem Arbeitsmarkt, wo wir mit besserer Vermittlung, besserer Qualifizierung und dem, was wir uns insgesamt vorgenommen haben, konkrete Handlungsmöglichkeiten haben? ({14}) Natürlich bekommt das auch noch einen gewissen Drive - das ist eine gute Entwicklung -, wenn wir sagen: Wer arbeitet, muss auch gut zurechtkommen. Deswegen freue ich mich, dass wir zum Beispiel heute wieder dabei sind, festzulegen, in welchen Branchen in Deutschland nun Mindestlöhne Einzug halten sollen. Ich bin mir sicher: Wenn wir unsere Gespräche beendet haben werBundesminister Olaf Scholz den, wird sich die Zahl der Arbeitnehmer, die durch Mindestlöhne geschützt werden, noch einmal verdoppeln. - Das ist eine gute Nachricht für Deutschland und für die vielen, die in unserem Land schwer arbeiten. ({15}) Wir müssen die Beschäftigungspotenziale derjenigen nutzen, die bisher vom Arbeitsmarkt oft ferngehalten werden. Deshalb kündige ich hier noch einmal an: Der Zugang zum Arbeitsmarkt für diejenigen, die in den Pflegeberufen tätig sein wollen, muss verbessert werden. Es kann nicht sein, dass wir so hohe Hürden aufgebaut haben, dass engagierte Absolventen der Hauptschulen kaum eine realistische Chance haben, in diesen Berufen tätig zu sein. Wir müssen ihnen dieses Feld öffnen und ihre Qualifikationsmöglichkeiten in der Berufsausbildung verbessern. Das werden wir tun. ({16}) Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss allen, die mitgeholfen haben, diesen Haushaltsentwurf aufzustellen, und die ihn mitberaten haben, danken. Ganz besonders danke ich den Berichterstattern aus dem Haushaltsausschuss. Herausheben - das sei mir gestattet möchte ich ausdrücklich Waltraud Lehn, die uns, leider zum letzten Mal, in bewährter Weise geholfen hat, einen Etat für Arbeit und Soziales auf die Beine zu stellen. Wir sollten nicht unterschätzen, welchen Eindruck solides Parlamentshandeln in der Krise machen kann. Ich glaube, wir haben einen guten Eindruck gemacht. Gehen wir an die Arbeit. Schönen Dank. ({17})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Für die Fraktion der Linken erteile ich der Kollegin Katja Kipping das Wort. ({0})

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vergangene Woche kam eine sehr engagierte Frau in meine Sprechstunde. Sie ist seit vielen Jahren ehrenamtlich aktiv, unter anderem beim DGB und in einem Erwerbslosen-Café. Sie hat sich ein ums andere Mal erfolglos beworben. Der einzige Erfolg bestand in einer längeren Maßnahme. Am Ende unseres Gespräches fasste sie ihre Situation wie folgt zusammen. Sie sagte: Es ist schon verdammt schwer, mit dem wenigen Geld klarzukommen. Besonders belastend ist jedoch das Gefühl, dem Jobcenter ausgeliefert zu sein, das Gefühl, als Bürger zweiter oder dritter Klasse behandelt zu werden. - Mit diesem Gefühl steht sie leider nicht allein. Nun werden Sie womöglich einwenden, wir als Gesetzgeber hätten nichts damit zu tun, wenn die Menschen in den Jobcentern schlecht behandelt würden. Ich meine jedoch: Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem, wie viel Mittel wir bereit sind, für Arbeitslosengeld II einzustellen, und dem, wie mit den Bedürftigen in den Jobcentern umgegangen wird. ({0}) Dieser Mechanismus funktioniert wie folgt: Alljährlich werden Leistungsvereinbarungen mit den lokalen Jobcentern abgeschlossen. Diese Leistungsvereinbarungen verpflichten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter, genau beim Arbeitslosengeld II Mittel zu sparen. Dieses Jahr wurden die Mitarbeiter gezwungen, 6,5 Prozent einfach einmal so einzusparen. Wer weiß, dass er einsparen muss, der sucht natürlich nach Anlässen für irgendwelche Sanktionen. Wer unter diesem Druck steht, kann kein Gespräch auf gleicher Augenhöhe führen. ({1}) Dieser von der Bundesregierung abgesegnete Einspardruck ist eine Quelle für Demütigungen. Insofern tragen auch wir als Bundestagsabgeordnete die Verantwortung dafür. ({2}) Die Linke beantragt deswegen, im Haushalt mehr Mittel für das Arbeitslosengeld II einzustellen. Wir meinen, der Hartz-IV-Regelsatz muss umgehend auf 435 Euro angehoben werden. Das kann nur ein erster Schritt in Richtung einer repressionsfreien Grundsicherung sein. ({3}) Von den vielen guten Gründen, die dafür sprechen, möchte ich aufgrund der knappen Redezeit nur auf zwei eingehen. Erstens. Was wir aktuell erleben, ist nur die Spitze des Eisbergs Wirtschaftskrise. Ich finde, diese Krise macht deutlich, dass der Kapitalismus abgewirtschaftet hat. ({4}) Wir müssen auch auf der Ebene der Produktion über Alternativen nachdenken, wie etwa die solidarische Ökonomie. Aber wenden wir uns heute erst einmal den kurzfristigen Maßnahmen zu. Kurzfristig kann ein Konjunkturprogramm helfen, die drohende Umsatzflaute abzumildern; hier sind wir uns ja auch einig. Strittig ist immer nur, wie ein geeignetes Konjunkturprogramm aussehen kann. Studien zum Sparverhalten geben uns hier einen ganz wichtigen Hinweis. Wenn jemand, der ein hohes Einkommen hat, 50 Euro mehr bekommt, legt er diese üblicherweise an. Wenn aber Menschen mit einem niedrigen Einkommen 50 Euro mehr bekommen, dann geben sie diese in der Regel aus. Das kurbelt die Wirtschaft an. ({5}) Insofern meine ich: Ein gutes Konjunkturprogramm muss zuallererst dafür sorgen, dass Menschen mit niedrigen Einkommen mehr haben. Deswegen setzen wir uns gerade jetzt für die Erhöhung des Regelsatzes ein. Zweitens. Der jetzige Regelsatz ist so niedrig, dass Betroffene ihre demokratischen Rechte nicht mehr wahrnehmen können. Die Kosten für eine Fahrt zu einer politischen Diskussionsveranstaltung sind im Regelsatz einfach nicht mehr vorgesehen. Daraus droht Ausgrenzung. Diese Ausgrenzung setzt sich fort. So sind im Hartz-IV-Regelsatz beispielsweise die Kosten für das Abo einer Tageszeitung nicht vorgesehen. Wer in Hartz IV fällt, ist somit gezwungen, sein Zeitungsabo zu kündigen. Nun steht zu befürchten, dass sich im Gegenzug auch die Medien immer weniger für die Belange von Hartz-IVBetroffenen engagieren. Das ist nicht aus der Luft gegriffen: Ein engagierter Oberlausitzer hat mir neulich erzählt, dass, als er seine Zeitung für das Thema Sozialticket begeistern wollte, der Lokalredakteur gesagt hat: Das Thema ist für unsere Zeitung uninteressant. Hartz-IVLeute können sich eh keine Tageszeitung mehr leisten. Hier sehen wir eine Spirale der Ausgrenzung. Unsere Verantwortung ist es, diese Spirale zu stoppen. ({6}) Als Linke bekommen wir oft vorgehalten, dass unsere Forderungen nicht finanzierbar seien, dass man sich das nicht leisten könne. Diesen Vorwurf können wir leicht entkräften. Wir haben genügend Vorschläge unterbreitet, wo man einsparen kann, beispielsweise im Bereich Verteidigung. Wir haben auch verschiedene Vorschläge unterbreitet, wo man mehr Geld einnehmen kann, zum Beispiel durch eine Börsenumsatzsteuer. Aber apropos „nicht leisten können“: Im Zuge der Haushaltsberatungen haben wir einmal nachgefragt, welche Einsparungen im Sozialhaushalt die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns mit sich bringen würde. Die Bundesregierung hat es uns schwarz auf weiß gegeben: Wenn es einen Mindestlohn von 7,50 Euro die Stunde gäbe - wir fordern ja bekanntlich einen höheren; aber die Antwort bezog sich nur auf diese Höhe -, gäbe es im Bereich der Aufstocker Einsparungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Im Klartext - und das an die Adresse der CDU/CSU gerichtet -: Solange es keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt, so lange finanzieren wir Lohndumping mit Steuergeldern. Ich finde, das ist ein unhaltbarer Zustand. ({7}) Solange sich SPD und CDU/CSU in diesem Haushalt sowohl gegen die Einführung eines Mindestlohnes als auch gegen die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes als auch gegen eine Rentenangleichung zwischen Ost und West einsetzen, können wir von der Linken diesem Haushalt nicht zustimmen. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich die Debatte von der sozialistischen Wundertütenpolitik wieder in die Realpolitik zurückführe. ({0}) Für die Fraktion der CDU/CSU stelle ich fest: Erstens. Mit einem Anteil von 42,6 Prozent am gesamten Bundeshaushalt wird der hohe Stellenwert des Sozialhaushaltes absolut deutlich. Zweitens. Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung verfügen nach drei Jahren Große Koalition nicht mehr über Schulden, sondern über mehr als 30 Milliarden Euro Rücklagen und damit über Stabilität in ganz neuer Qualität. ({1}) Ich darf dazu noch eine Anmerkung machen. Natürlich haben die Berichterstatter der Regierungskoalition sofort nach Beginn der Bankenkrise die Anlagenpolitik der Sozialversicherungen untersucht. Wir können heute Entwarnung geben: Die Prüfung hat keine negativen Überraschungen erbracht. ({2}) - Was wäre los, wenn negative Vorgänge zutage getreten wären und alle im Sozialbereich verunsichert hätten? Dann hätten Sie hier eine Sternstunde. Stattdessen haben Sie heute Ihren Abgesang. ({3}) Drittens. Die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um mehr als die Hälfte trägt ganz wesentlich zu einer beständigen Sozialleistungsquote bei. Auch die Rentner werden 2009 ein gutes Jahr haben. Viertens. Die Kosten für ALG II und die Kosten der Unterkunft - die Kollegin Winterstein hat das hier erneut problematisiert - laufen bei weitem nicht mehr so auseinander, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Auch hier können wir langsam Konsolidierungserscheinungen feststellen, wenngleich wir sagen: An diesen Dingen muss noch gearbeitet werden. Fünftens. Die Zahl der Arbeitslosen ist bekanntlich um über 1,4 Millionen auf unter 3 Millionen zurückgegangen. Auch die heute bekannt gegebenen neuen Zahlen zeigen, dass die Politik, die wir gemacht haben, richtig angesetzt war. Diese Zahlen sind für die jetzige Situation absolut okay und zeigen, dass eine gute Basis für das nächste Jahr gegeben ist. ({4}) Das Sechste, was ich hier anmerken möchte: Dank der Mitwirkung der Tarifpartner entstehen Arbeitsmarkteffekte in Deutschland bereits bei einem Wachstum von 0,2 Prozent und nicht mehr, wie vor Jahren, erst bei einem Wachstum von 1,5 Prozent. Das hat Deutschland im internationalen Bereich wieder wettbewerbsfähig gemacht. Das alles sind sehr positive Zwischenergebnisse. Sie lassen zwei Aussagen zu: Erstens. Ohne die neuen Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, hätten wir zum Ende dieser Legislaturperiode die Ziele der Koalitionsvereinbarung mehr als nur erreicht. ({5}) Zweitens. Es wäre falsch, diesen Kurs zum jetzigen Zeitpunkt aufzugeben. ({6}) So wäre es völlig falsch, das ALG II jetzt zu erhöhen. Wir müssen befürchten, dass mehr Menschen diese Leistung brauchen und gleichzeitig Investitionsprogramme gefahren werden müssen. Eine Erhöhung passt da nicht in die Landschaft. Solange es noch Rechnungshofberichte über gravierende Verschwendungen und Abweichungen von mehr als 25 Prozent vom Durchschnitt bei vergleichbaren Regionen gibt, muss der Titel im Interesse des Steuerzahlers knapp gehalten werden. ({7}) - Das geht nicht zulasten der Betroffenen, denn die haben einen gesetzlichen Anspruch, lieber Kollege von den Grünen. ({8}) Notwendig ist, dass die Politik und die Tarifpartner auf allen Ebenen aus früheren Konjunkturkrisen lernen. In der Vergangenheit wurde eine sich schnell verfestigende Sockelarbeitslosigkeit zugelassen. Arbeitslose erhielten Leistungen, für ihre Betreuung wurde aber wenig Sorge getragen. Die Vermittlung wurde oft erst nach Monaten Realität. Man hat sich in dieser Phase viel zu wenig um diese Leute gekümmert. Die Folge, ein Abrutschen in die Dauerarbeitslosigkeit, war vorprogrammiert, ebenso Qualitätsmangel, hohe Kosten für die Heranführung an den Arbeitsmarkt und Startschwierigkeiten. Das muss anders werden. Der Minister hat hier in gleicher Richtung gesprochen. Wir von der Union unterstützen diesen Kurs hundertprozentig. ({9}) Die jetzt vorgesehenen Maßnahmen zur Konjunkturförderung und die Kreditangebote der KfW haben im Blick, dass die Arbeitnehmer trotz der Auftragseinbrüche in den Betrieben gehalten werden sollen; denn nach der Krise wird mehr qualifiziertes Personal denn je gebraucht werden. Was wir einleiten wollen, ist eine neue Form der Vernetzung von Maßnahmen der Konjunkturbelebung mit Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik. Es geht also vor allem um betriebliche Weiterbildung und betriebliche Qualifikation jetzt, damit die Leute im Betrieb bleiben können. Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, damit eine bessere Ausrüstung gegeben ist, wenn die nächste positive Konjunkturwelle kommt. Das ist zentral. Das ist Politik für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. Dazu sind wir in dieser Phase verpflichtet. ({10}) In diesem Bundeshaushalt sind für Eingliederungsmaßnahmen bekanntlich 6,2 Milliarden Euro etatisiert. Über die Verwendung entscheidet in starkem Maße die örtliche Ebene. Unsere Idee ist, dass in dieser Krisenzeit in Kombination mit Impulsen, die selbstverständlich auch von der kommunalen Ebene ausgehen können und müssen, neue Pakete geschnürt werden. Bei der Bundesagentur für Arbeit stehen dafür in fünf Kategorien Mittel in Höhe von 12,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind übrigens 31 Prozent des dortigen Gesamtetats. Es wird notwendig sein, dass man sich darüber Gedanken macht, wie man durch diese Instrumente und möglicherweise durch neue Überbrückungsinstrumente das Notwendige tut, um die berufliche Qualifikation im Betrieb sicherzustellen. Wir haben bereits jetzt einige Voraussetzungen durch Neuregelungen im Bereich des Kurzarbeitergeldes geschaffen. Dies sind ganz wichtige Maßnahmen, die für mehr Sicherheit für die Menschen im Betrieb sorgen. Hierzu gehört beispielsweise das sogenannte WeGebAUProgramm, das sich bereits flächendeckend im Aufbau befindet. Wir haben die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von 12 auf 18 Monate verlängert. Wie ich höre, will die BA das auch auf die Leiharbeiter ausdehnen; das würden wir begrüßen. Aus meiner Sicht muss diese Zeit genutzt werden, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstärkt gesundheitlich fit zu machen. Wer eine Kur braucht, sollte sie jetzt, in der Zeit der Flaute, angeboten bekommen. Die Leute sollten keine Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie in dieser Phase einen Kurantrag stellen. Vor Ort, in den Betrieben, müssen Gespräche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stattfinden, damit die Situation anders wird und ein Fitmachen auf breiter Ebene stattfindet. ({11}) Wir haben die Zahl der Mitarbeiter für Grundsicherung und Vermittlung bei der Agentur für Arbeit und den Argen um 2 900 erhöht. Ich sage für die Union ganz deutlich: Damit sind auch Erwartungen verknüpft. Die Menschen müssen in Krisenzeiten verstärkt merken, dass sie von den Mitarbeitern der Agenturen angenommen werden. Auch ich habe schon von solchen Fällen, wie sie vorhin geschildert wurden, gehört. Ich sage ganz klar zur Bevölkerung und den Betroffenen: Gehen Sie, wenn Sie merken, dass sich die Dinge nicht in Ihrem Sinne bewegen, zu Ihren Abgeordneten und sagen Sie es ihnen, damit sie entsprechend vorstellig werden können. Auch wir als Abgeordnete werden in dieser Zeit der Krise eine etwas größere Verpflichtung haben, bürgernah zu arbeiten und für solche Anliegen da zu sein. ({12}) Dazu gehört für uns auch, dass sich die Öffnungszeiten ändern, dass man zum Beispiel auch samstags mit seinem Ehepartner zu einem solchen Beratungsgespräch gehen kann und dass sich die Öffnungszeiten tatsächlich an den Wünschen des Kunden und nicht an der gewünschten Arbeitszeit des Mitarbeiters ausrichten. Ich komme zum Schluss. Ich möchte allen danken, die an der Beratung mitgewirkt haben: den Mitarbeitern des BMAS und auch unseren Mitarbeitern. Natürlich danke ich auch meiner lieben Kollegin Waldtraud Lehn, für die das, wie der Minister bereits gesagt hat, die letzte Haushaltsberatung gewesen wäre; sie ist, glaube ich, heute krank. Ich möchte bekennen, dass ich mich langsam an ihren Politikstil gewöhnt hatte und ich es deswegen bedauere, dass sie künftig nicht mehr mit von der Partie sein wird. ({13}) Für die CDU/CSU kann ich Ihnen die Annahme des Einzelplans 11 empfehlen. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, dass das Wort Schirmherrschaft in den letzten Wochen eine völlig neue Bedeutung bekommen hat. Diese Regierung spannt auf, was das Zeug hält: Schutzschirm für Banken und Banker, Schutzschirm für die Realwirtschaft. Jetzt gibt es auch einen Schutzschirm für Arbeitsplätze. ({0}) Ich zeige Ihnen jetzt einmal den Prototyp

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer!

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- der Schlechtwetterüberdachung der Marke Olaf Scholz: ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer!

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

nackte Speichen im Sturm. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer!

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dass dieses Gerippe keinen wirklichen Schutz bietet, ist doch augenscheinlich. Die Beschäftigten werden nass, und die Arbeitslosen kommen vom Regen in die Traufe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer, Sie müssen die Präsidentin vorher fragen, wenn Sie zu Demonstrationszwecken etwas zeigen möchten. Sie können so etwas zu Demonstrationszwecken nicht einfach machen.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, gut, ich habe den Schirm wieder zugemacht. ({0}) Lieber Herr Scholz, Sie haben gesagt - da stimme ich Ihnen zu -: Wenn ein Schutzschirm für die Finanzmärkte recht ist, dann ist ein Schutzschirm für Arbeitsplätze mehr als billig. Stimmt, Herr Scholz. Richtig ist an dieser Aussage aber noch etwas: Der Schirm, mit dem Sie flanieren gehen, ist tatsächlich billig. Ihr Etat hat dazu keinen einzigen Cent beigetragen. Für den Finanzmarkt stellt diese Regierung eine Bürgschaft in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Verfügung, für den Arbeitsmarkt keinen zusätzlichen Cent. ({1}) Um es ganz deutlich zu sagen: Die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes halte ich für eine richtige Maßnahme. Frau Winterstein hat aber vollkommen recht: Die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes zahlen ganz allein die Beitragszahler. ({2}) Aus Ihrem Etat wird dafür kein einziger Cent zur Verfügung gestellt. Das finanziert die Bundesagentur für Arbeit. Abgesehen davon, dass sie die Kosten der Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes trägt, muss sie auch die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 2,8 Prozent finanzieren, und das bei steigender Arbeitslosigkeit. „Steigende Arbeitslosigkeit“ heißt: mehr Ausgaben und weniger Einnahmen. Herr Scholz, bei einem solchen Konzept geht jede Pommesbude pleite. Aber Sie wollen mit diesem Konzept ein Land regieren. Das wird nicht funktionieren. ({3}) Insgesamt ist Ihr Haushalt extrem unterfinanziert. Allein in diesem Jahr geben Sie 800 Millionen Euro mehr aus, als in Ihrem Etat für Arbeitslosengeld II vorgesehen ist. Trotzdem hat der Etat, den Sie uns vorlegen, ein geringeres Volumen als der Etat für das Jahr 2008. Sie werden ein Defizit von mindestens 1,5 Milliarden Euro zu verzeichnen haben. In diesem Betrag sind die steigenden Kosten aufgrund steigender Arbeitslosigkeit überhaupt noch nicht berücksichtigt. ({4}) Warum legen Sie uns diesen Haushalt überhaupt vor? Er ist doch schon jetzt Makulatur. Darüber brauchen wir gar nicht zu beraten. Ziehen Sie ihn zurück! ({5}) Gestern ist von der Kanzlerin darauf hingewiesen worden, dass wir in die größte Rezession seit 30 Jahren schlittern. Die OECD prognostiziert, dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um 700 000 steigen wird, und der Minister schwadroniert von Vollbeschäftigung und beklagt, dass andere Vorschläge machen, die Wolkenkuckucksheime sind. Herr Scholz, ich bitte Sie: Hören Sie auf, über Vollbeschäftigung zu schwadronieren, und machen Sie endlich das, wofür Sie bezahlt werden! ({6}) Inzwischen wissen wir, wie Sie Vollbeschäftigung erreichen wollen: nicht durch neue Jobs, sondern durch Manipulation der Statistiken. Statt die Statistiken zu manipulieren, sollten Sie lieber die Frage der Trägerschaft beantworten. Täglich verlässt eine große Zahl von Beschäftigten die Jobcenter, und zwar insbesondere diejenigen, die besonders motiviert und qualifiziert sind. Diese Beschäftigten wissen nicht, welche Perspektive sie dort in Zukunft noch haben. Die Neuregelung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ist, wie die Anhörung ergeben hat, wirklich eine Katastrophe. Die Leidtragenden Ihrer bockbeinigen und zentralistischen Politik, die keine individuellen und passgenauen Lösungen möglich macht, sind die Arbeitslosen. ({7}) Wir alle wissen: In Zeiten der Rezession sind die Geringqualifizierten im Niedriglohnbereich die Ersten, die ihren Job verlieren. Die Einführung eines Mindestlohns tritt auf der Stelle. Herr Scholz, Leute, die in den ALG-II-Bezug fallen, müssen jahrelang mit viel zu wenig Geld auskommen. Der ALG-II-Regelsatz ist einfach zu gering. Herr Fuchtel, Ihnen möchte ich sagen: Die Erhöhung des Regelsatzes auf 420 Euro ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern sie ist auch ein Konjunkturprogramm. Leute, die von so wenig Geld leben müssen, können keinen einzigen Cent auf die hohe Kante legen. Sie müssen ihr gesamtes Geld ausgeben. Dieses Geld fließt also direkt in die Binnenwirtschaft und ist unmittelbar arbeitsplatzwirksam. Wenn Sie mir nicht glauben, sollten Sie wenigstens der EU glauben, die Ihnen rät, ein Programm zur Verbesserung der Situation der unteren Einkommensgruppen zu erarbeiten. ({8}) Es wurde viel über die Notwendigkeit geredet, in der jetzigen Situation Qualifikation und Weiterbildung zu stärken. Ich sage: Das ist richtig. Lieber Herr Scholz, zu Ihrem Programm WeGebAU kann man wirklich nur sagen: Die Lösung wird der Dimension des Problems bei weitem nicht gerecht. So werden wir das vorhandene Leck hinsichtlich der Qualifikation jedenfalls nicht überwinden können. Wir brauchen bei der Lösung wirklich eine ganz andere Dimension. Deswegen sagt Herr Walwei vom IAB zu Recht, dass wir hier einen Bildungsruck brauchen. Wir legen Ihnen ein Programm vor, durch das 1 Million Menschen zusätzlich qualifiziert und in Arbeit gebracht wird. Erster Punkt. Alle Jugendlichen - auch die Altbewerber - müssen einen Ausbildungsplatz erhalten. Herr Scholz, Sie müssen sich einmal fragen, was diese Regierung in den letzten Jahren getan hat. Wenn nur ein Drittel der unter 30-jährigen Hartz-IV-Empfänger es schafft, aus dem Hartz-IV-Bezug herauszukommen, dann liegt das daran, dass sie eben nicht qualifiziert worden sind. Das ist ganz eindeutig nachzuweisen. ({9}) Deswegen können wir uns nicht einfach darauf verlassen, dass von den Betrieben genug Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Deshalb müssen wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Wir haben Ihnen das Programm DualPlus vorgelegt. Damit sind wir in der Lage, den über 300 000 Altbewerbern einen qualifizierten Ausbildungsplatz anzubieten. Es würden also 300 000 junge Leute qualifiziert werden, und sie hätten eine Perspektive. Wir können natürlich auch sagen, dass wir in dem Bereich gar nichts tun und sie lieber ein Leben lang alimentieren. Ich halte das für falsch. ({10}) Zweiter Punkt. Wir müssen die Akademikerquote dringend anheben. Das sollten wir nicht gegen eine berufliche Qualifizierung ausspielen. ({11}) Die Akademikerquote in Deutschland ist viel zu niedrig. Wir sollten auch diejenigen dafür gewinnen, die derzeitig berufstätig sind. Lassen Sie uns sie dazu motivieren, jetzt ein Studium anzufangen und ihren Arbeitsplatz Arbeitslosen zur Verfügung zu stellen. Wir schlagen Ihnen vor, mit 2,4 Milliarden Euro 230 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Ich glaube, mit dieser Dimension kommen Sie der Lösung des Problems näher. Dritter Punkt. Geringqualifizierte. Die Quote der Geringqualifizierten, die an Fort- und Weiterbildungen teilnehmen, geht in den Promillebereich. Andere Länder, wie zum Beispiel Finnland - Herr Müller, Sie haben es gelernt -, zeigen uns, dass das auch ganz und gar anders geht. ({12}) Wir brauchen dafür Geld, aber auch andere Konzepte. Mit Schulbänken und Klassenräumen erreichen wir diese Leute nicht. Hier muss es auf ganz anderen Wegen weitergehen. Vierter Punkt. Wir müssen den Umfang der öffentlich geförderten Beschäftigung ausweiten. Es ist einfach falsch, so zu tun, als gebe es keine Gruppe von Menschen, die unter den gegebenen Bedingungen überhaupt keine Chance auf eine Perspektive haben. Ich glaube, für 400 000 Menschen sollten wir öffentlich geförderte Beschäftigungen anbieten, damit sie eine Perspektive, aber auch die Chance haben, aus ihrer Lage wieder herauszukommen. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme sofort zum Schluss. - Herr Scholz, ich bitte Sie inständig: Geben Sie Ihre Vollbeschäftigungsträume bis auf Weiteres auf! Machen Sie eine kreative, tatkräftige Politik! Schönwetterpolitik kann jeder, beweisen Sie sich und uns, dass Sie Krisen meistern können. Ich danke Ihnen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer, ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass der Einsatz von Gegenständen zu Demonstrationszwecken der Genehmigung der amtierenden Präsidentin bedarf. Es nützt dann auch nichts, dass Sie ignorant weiterreden und die Zwischenrufe der Präsidentin einfach ignorieren. ({0}) Ich gebe der Kollegin Andrea Nahles, SPD-Fraktion, das Wort.

Andrea Nahles (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest: Die Grünen geben das Ziel der Vollbeschäftigung auf. Wir liegen jetzt bei 2,9 Millionen Arbeitslosen. Ich frage die Grünen: Ab wann stellen Sie denn dann die aktive Arbeitsmarktförderung ein? Ab 2,5 Millionen? Ab 2 Millionen? Wo ist denn dann der Punkt erreicht, an dem unser Bemühen nicht mehr darauf gerichtet sein muss, dass jeder Arbeitslose eine Zukunft mit seinem Arbeitsplatz bekommt? Da kann ich nur den Kopf schütteln, wenn Sie hier ankündigen, dass für die Grünen das Ziel der Vollbeschäftigung nicht mehr das zentrale Momentum ist. ({0}) Wenn das nicht mehr das zentrale Momentum ist, dann stellen Sie im Grunde genommen die insgesamt 6 Milliarden Euro, die für Eingliederungsmaßnahmen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen sind, infrage, und das werden wir niemals akzeptieren. ({1}) Wir wollen niemanden aufgeben. Arbeit first. Wir wollen unsere Arbeitsmarktpolitik ganz klar auf Aktivierung ausrichten. Wir parken nicht mehr Millionen von Sozialhilfeempfängern und geben ihnen keine Chance auf aktive Arbeitsmarktvermittlung. Das haben wir doch überwunden. Ich dachte, das wäre unser gemeinsames Ziel. Wir wollen, dass jeder, der gesund ist, die Chance hat, Arbeit zu bekommen. Mit 28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, mit einem überproportionalen Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit und mit den im Wesentlichen hervorragenden Zahlen bezüglich des Ausbildungsmarktes haben wir sehr gut unter Beweis gestellt, dass eine richtige Strukturreform, kombiniert mit sehr guter Arbeit der BA-Mitarbeiter, am Ende entsprechende Wirkung zeigt. ({2}) Wir können jedenfalls stolz darauf sein. Wenn die Grünen nicht mehr stolz auf ihre Arbeit sind, die sie sieben Jahre lang gemeinsam mit uns gemacht haben, dann bedauere ich das sehr. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Nahles, die Frau Kollegin Pothmer würde gerne eine Zwischenfrage stellen. ({0})

Andrea Nahles (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, es tut mir wirklich leid; das geht jetzt nicht. ({0}) Wir haben immer gesagt - das sollte man an dieser Stelle betonen -: Fordern und Fördern. Ich will vor dem Hintergrund der Bankenkrise aber auch sagen: Die Aufforderung, Fordern und Fördern, gilt nicht nur in Bezug auf Arbeitslose. Fordern und Fördern heißt für mich auch, dass diejenigen, die in den letzten Jahren die Mitbestimmung massiv angeschossen haben, erkennen, dass es ein eingebautes Korrektiv gegen Überhitzung, gegen kurzfristige Renditeorientierungen und miserable Unternehmenskultur gibt, und das ist die Mitbestimmung. Deswegen sollten wir an dieser Stelle von denen, die von uns jetzt mit Steuergeldern finanzierte Sicherheiten bekommen haben, fordern, dass sie in Zukunft das automatische Korrektiv der Mitbestimmung nicht mehr infrage stellen, sondern es mit uns zusammen weiter ausbauen. ({1}) Ich habe mich schon gefragt: Wann? Dann habe ich mich gefragt: Wer? - Ich hatte auf Herrn Niebel gehofft. ({2}) Aber nein, es war der Sachverständigenrat, der, kaum hörten wir etwas über Krise, wieder einmal auf die Idee gekommen ist, dass das Wichtigste - ({3}) - Herr Niebel, jetzt warten Sie doch einmal ab, was ich meine. Es ging um die Frage: Wer bringt als Erstes den Kündigungsschutz als Hauptursache für die Krise ins Spiel? Wie gesagt, da hatte ich an Sie gedacht. Aber Sie haben mich enttäuscht, Herr Niebel. ({4}) Es war in diesem Falle der Sachverständigenrat. Der Sachverständigenrat hat auch eines nicht verstanden. Der Sachverständigenrat hat nicht verstanden, dass es in diesen Tagen und Wochen auch um eine Vertrauenskrise geht - die wird noch lange anhalten - und dass man in diesem Land Vertrauen nur schaffen kann, wenn es auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die abhängig Beschäftigten in dieser schwierigen Situation ein Stück Perspektive und Sicherheit gibt. Deswegen wird es mit uns auch kein weiteres Aufweichen und Lockern des Kündigungsschutzes geben, und zwar aus wohlverstandenen ökonomischen Gründen. ({5}) Wir merken doch auch, wer jetzt wieder der Erste ist, der dran glauben muss. Das sind die, die ohnehin schon prekär beschäftigt sind, nämlich die Leiharbeiter. Wir kämpfen gerade darum, dass auch sie einen Mindestlohn erhalten; darüber beraten wir heute noch. Auch diejenigen, die wir immer wieder ein Stück weit unter Druck setzen, müssen von uns die Hand gereicht bekommen. Auch sie müssen von uns ein Signal bekommen, dass uns ihr Schicksal nicht egal ist. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir es angehen, auch Leiharbeitern den Bezug von Kurzarbeitergeld zu ermöglichen. Herr Fuchtel hat das schon angesprochen. Ich freue mich auch, dass das vom Koalitionspartner in vollem Umfang mit unterstützt wird. Das ist ein Signal. Dann kommt noch der Mindestlohn, ({6}) und dann spüren auch diejenigen, die sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden, etwas von der guten Politik in Deutschland. ({7}) Wir müssen uns auch darüber klar werden, dass wir uns angesichts der Anstrengungen, die wir mit dem Konjunkturpaket unternommen haben, vorsichtig verhalten sollten. Wir sollten uns auch keine eigenen Denkblockaden auferlegen, welche zusätzlichen Handlungsnotwendigkeiten die nächsten Monate vielleicht ergeben. Ich sage das bewusst nicht als Haushälterin, sondern als Arbeitsmarktpolitikerin. Wir haben dabei ohnehin manchmal einen strukturellen Konflikt. Das verstehe ich, und das ist nicht mein Punkt. Tatsache ist aber, dass es nicht ums Geldverballern geht, sondern darum, präventiv zu verhindern, dass Beschäftigung weiter ins Rutschen kommt. Den jüngsten Zahlen der BA zufolge steigt die Zahl der Anzeigen über einen drohenden Arbeitszeitausfall. Wir haben das seinerzeit gesetzlich geregelt, damit wir frühzeitig etwas für diese Menschen tun können. Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit dem verbesserten Kurzarbeitergeld und mit den 1 000 zusätzlichen Vermittlerstellen im SGB III die entsprechenden Wege eröffnen können, diesem Problem zu begegnen. Ich sage ein herzliches Dankeschön dafür, dass das im Rahmen des Konjunkturpaketes so kurzfristig in den Haushalt aufgenommen werden konnte. ({8}) Ich bin im Übrigen der Auffassung, dass wir insgesamt vorausschauend agieren und agieren müssen, und zwar mit Maßnahmen, die jetzt noch dringender geworden sind, zum Beispiel die Einführung von Mindestlöhnen. Herr Fricke hat sich im Ticker vom 20. November darüber beklagt, dass die Regierung die drohenden Mehrausgaben beim Arbeitslosengeld II nicht berücksichtige. Aber wenn sich Herr Fricke ernsthaft Sorgen um das möglicherweise steigende Arbeitslosengeld II macht, dann habe ich eine geniale Idee: Werfen Sie bei der FDP endlich die ideologischen Blockaden in Bezug auf Mindestlöhne über Bord! ({9}) Damit würden wir nämlich - darauf hat eben schon meine Kollegin hingewiesen - bei den Aufstockern 1,5 Milliarden Euro sparen. Das wäre sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, auch aus haushalterischer Sicht. ({10}) Insofern ist auch der Mindestlohn an dieser Stelle von großer Bedeutung. ({11}) Ich will mit der Feststellung schließen, dass wir in der Lage sind, die auf uns zukommenden Probleme zu bewältigen. Ich bin insofern optimistisch. Wir machen uns aber auch nicht vor, dass es sich nur um eine kurzfristige Eintrübung handelt; wir müssen uns auf eine Strecke einstellen, deren Bewältigung nicht ganz einfach werden wird. Ich bin aber zuversichtlich. Es gibt ein sehr schönes Zitat des französischen Philosophen Jacques Derrida. Er hat sinngemäß gesagt: Die Katastrophe ist nahe, doch die Apokalypse ist von langer Dauer. - Darüber sollte man nachdenken. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zu einer Kurzintervention gebe ich der Kollegin Brigitte Pothmer das Wort.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Nahles, Sie haben den Eindruck erweckt, als würden wir Grünen das Ziel der Vollbeschäftigung aufgeben. Das halte ich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ich einen Vorschlag unterbreitet habe, ({0}) der 1 Million Menschen zusätzlich in Qualifikation und Arbeit bringt, für infam. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich es angesichts der Probleme, auf die wir zulaufen - die Kanzlerin hat diese Probleme gestern in eine Reihe gestellt mit dem Aufbau in der Nachkriegszeit und der Neugestaltung Deutschlands nach dem Mauerfall; es geht also um eine Dimension eines wirklich nicht kleinen Ausmaßes -, für völlig unzureichend halte, einfach nur Vollbeschäftigung als Ziel anzugeben. Wir erwarten sehr konkrete und umfängliche Maßnahmen, aus denen hervorgeht, wie das Ziel zu erreichen ist. Statistische Manipulationen sind jedenfalls das falsche Instrument. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Nahles, bitte.

Andrea Nahles (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe jahrelang Germanistik studiert und sogar einen Abschluss gemacht. ({0}) Deswegen möchte ich wissen, wie ich folgenden Satz zu interpretieren habe: „Herr Scholz, …, hören Sie auf, über Vollbeschäftigung zu schwadronieren!“ - Ich interpretiere diesen Satz so: Die Grünen fordern den Arbeitsminister auf, das Ziel der Vollbeschäftigung aufzugeben. Vielleicht muss ich mir aber noch ein paar Semester grüner Sprachphilosophie gönnen. Frau Pothmer, die ganze Zeit schwadronieren Sie von einem bedarfsunabhängigen Bürgergeld, oder wie auch immer das heißen mag. ({1}) Viele in Ihrer Partei hängen hieran große Hoffnunen. Frau Pothmer, was halten Sie von Folgendem: Wir haben, obwohl uns die Haushälter das Leben schwer gemacht haben, den Eingliederungstitel bei 10 Milliarden Euro gehalten. Mit konkreten Eingliederungsmaßnahmen geben wir 100 000 Menschen mit großen Vermittlungshemmnissen eine Jobperspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt in der Privatwirtschaft oder bei öffentlichen Arbeitgebern. Soll ich Ihnen jetzt im Ernst unseren gesamten arbeitsmarktpolitischen Katalog vortragen, über den wir im Ausschuss gemeinsam diskutiert haben? ({2}) Ich glaube, das muss ich nicht. Sie legen in Ihren Reden zu viel Wert auf Provokation. Ich werde in Zukunft einfach mehr weghören. Dann müssen wir uns nicht streiten. Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pothmer, Sie müssen sich ein bisschen mehr mit der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages befassen. Dann wüssten Sie, dass eine Kurzintervention auf eine Kurzintervention leider nicht möglich ist. Ich gebe jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zuerst der Kollegin Waltraud Lehn alles Gute wünschen. ({0}) Waltraud Lehn hat uns in den letzten Jahren von ihrer Familie, von ihren Familientreffen, von Tante Käthe, Onkel Otto und Onkel Paul erzählt und damit ein Stück Lebenswirklichkeit und Lebenserfahrung in die Debatte gebracht. Das wird uns fehlen. Ich wünsche ihr alles Gute. ({1}) Anfang der Woche war in den Zeitungen zu lesen, dass die Koalition, zumindest die Union, den ehrbaren Kaufmann wiederentdeckt hat. Ich halte diesen Ansatz für durchaus verfolgenswert. Wenn ich mir aber vor Augen führe, welche Eigenschaften einen ehrbaren Kaufmann auszeichnen - Ehrlichkeit, Sparsamkeit, Weitblick, Entschlossenheit, Fleiß, Gerechtigkeit, Verlässlichkeit und vielleicht auch ein bisschen Demut -, dann muss ich feststellen: Das Zahlenwerk des Haushaltes 2009 wird diesem Anspruch nicht gerecht, Herr Minister Scholz. Die Bundesregierung handelt nicht wie ein ehrbarer Kaufmann. ({2}) Das Motto der Bundesregierung für 2009 scheint eher zu sein: „Augen zu und durch!“, vielleicht ergänzt durch den rheinischen Hoffnungssatz: Es ist noch immer gut gegangen. Herr Scholz, das ist der FDP-Bundestagsfraktion angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen - die Nachrichten vom Arbeitsmarkt werden schlechter werden; Herr Weise geht von 30 000 bis 130 000 Arbeitslosen mehr im Laufe des Jahres 2009 aus -, ({3}) zu wenig. Ich will Ihnen sagen, was wir für nötig erachten. Das sind vier Dinge: eine realistische Einschätzung der Lage, Vermeidung von Aktionismus, ein Neubelastungsverbot und schließlich ein konsequentes Entlastungsgebot. ({4}) Zum ersten Punkt, zur realistischen Einschätzung der Lage. Herr Scholz, ein ehrbarer Kaufmann bilanziert ehrlich und schonungslos. Er macht sich selbst nichts vor. Er schönt seine Bilanz nicht. Sie tun das aber; denn Sie wollen mehr als 100 000 Arbeitslose, die von privaten Vermittlern betreut werden, aus der Statistik herausnehmen. Ein ehrbarer Kaufmann ist ausgabenrealistisch. Das sind Sie bei den Leistungen nach dem SGB II nicht. Die Kollegin Winterstein hat das in ihrer Rede schon deutlich gemacht. Zum zweiten Punkt. Der ehrbare Kaufmann wartet nicht ab, bis der Schaden eintritt. Er handelt rechtzeitig und weitsichtig, aber nicht aktionistisch. Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern, Herr Minister. Die Einschätzung der Entwicklung 2009, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt schwieriger wird, dass die Arbeitslosigkeit zunehmen wird und dass sich das Angebot an Arbeitsplätzen eher verringern wird, ist realistisch. Was aber macht die Bundesregierung angesichts eines sich verknappenden Angebotes an Arbeitsplätzen? Sie kündigt an, dass sie tausend neue Vermittler einstellen wird. Herr Scholz, ich muss Sie daran erinnern: Sie wollten die weltbeste, nicht die weltgrößte Arbeitsvermittlung schaffen. ({5}) Mir kommt der Versuch, vor dem Hintergrund eines rückläufigen Angebotes an Arbeitsplätzen die Arbeitslosigkeit mit der Einstellung neuer Vermittler zu bekämpfen, etwa so vor, als wenn man nach einer Missernte die drohende Hungersnot durch die Aufstockung des Küchenpersonals abwenden wollte. Das wird so nichts werden. Herr Scholz, beenden werden Sie damit allenfalls die Arbeitslosigkeit der neu angeworbenen Vermittler. ({6}) Dritter Punkt: das Belastungsmoratorium. Ein ehrbarer Kaufmann bürdet seinem Unternehmen in schweren Zeiten nicht neue Belastungen auf. Das heißt für Sie, Herr Scholz: Projekte wie der Mindestlohn per Entsendegesetz oder auch Mindestarbeitsbedingungengesetz, Projekte wie die unsägliche Reform der Erbschaftsteuer, bei der aus rein ideologischen Gründen an einem willkürlich gesetzten Aufkommen festgehalten wird, verbieten sich. Das sind Mühlsteine am Hals des deutschen Mittelstandes. Sie ziehen die Unternehmen im Strudel der Krise nach unten. ({7}) Vierter Punkt. Ich sehe ein Entlastungsgebot. Es geht um die konsequente Nutzung von Handlungsspielräumen. Das gilt für die Entlastung bei den Steuern ebenso wie für Beitragssenkungen in der Sozialversicherung und natürlich auch für den Abbau von Bürokratie. Ein Zuviel an Entlastung kann es in der derzeitigen Situation nicht geben. Ich bin der Meinung, dass Steuer- und Beitragssenkungen besser und direkter als jedes zusammengewürfelte Konjunkturprogramm wirken. ({8}) Deswegen schlägt die FDP-Fraktion vor, den Rentenversicherungsbeitrag von heute 19,9 Prozent im kommenden Jahr um 0,3 Prozentpunkte auf 19,6 Prozent abzusenken. ({9}) Das entlastet die Beitragszahler um weitere 3 Milliarden Euro, die auch den Menschen mit einem geringen Einkommen zugutekommen. Sie, Herr Scholz, lehnen hier eine Senkung der Sozialversicherungsabgaben mit fadenscheinigen Begründungen ab. Das finde ich erstaunlich, weil Sie noch im Mai dieses Jahres in einem Interview mit der Wirtschaftswoche Folgendes gesagt haben - ich zitiere -: Viele Volkswirte raten uns dazu, weil das die Beschäftigung ganz unmittelbar fördern würde. Davon haben alle etwas - von den Bürgerinnen und Bürgern, die wenig verdienen, bis hin zum mittleren Management. Nehmen Sie zum Beispiel die Familie, die bis zu 60 000 Euro im Jahr verdient. Sie leidet doch unter der Abgaben- und nicht unter der Steuerlast. Und die Unternehmen - das haben Sie damals gesagt, Herr Scholz profitieren auch: Wer viele Mitarbeiter beschäftigt, wird bei den Sozialabgaben besonders entlastet. Ich sage Ihnen: Diese Entlastung, diese Absenkung ist machbar, ohne dass dafür die Nachhaltigkeitsrücklage angegriffen werden muss. Wir müssen anders als in der Arbeitslosenversicherung nicht an die Reserven herangehen. Nur der Aufbau der Rücklage soll ausgesetzt werden. Wenn das gilt, was die Bundeskanzlerin gestern an dieser Stelle gesagt hat, dass nämlich außergewöhnliche Umstände besondere Maßnahmen erfordern, dann, Herr Scholz, gibt es keinen, aber auch wirklich gar keinen Grund, den Menschen diese Entlastung nicht zuteilwerden zu lassen. Die BDA und der ZDH haben sich hinter diese Forderung gestellt. Daher sollten wir diese Forderung gemeinsam beschließen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bundeshaushalt ist ein Beleg der sozialen Verantwortung der Bundesregierung gegenüber der arbeitenden Bevölkerung, aber auch gegenüber den sozial Bedürftigen in unserem Land. Der Kollege Fuchtel hat hier bereits dargelegt: Über 42 Prozent dieses Bundeshaushaltes werden für die soziale Sicherung der Menschen in unserem Land und für die Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Deshalb, lieber Herr Kollege Kolb, ist diese Bundesregierung der ehrbare Kaufmann, dessen Aufgabe es ist, auch zukünftig gut zu gestalten. ({0}) Ich stelle fest: Die Prognosen der Opposition waren in der Vergangenheit immer falsch. ({1}) Wir haben einen großen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland mittlerweile die höchste Zahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen hat, nämlich knapp 28 Millionen. Die Zahl der erwerbstätigen Personen liegt bei 40,5 Millionen. Das ist die höchste Zahl, die es in der Bundesrepublik jemals gab. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 16 Jahren zu verzeichnen. Auch dies sind die Erfolge dieser Bundesregierung. ({2}) Ich glaube, man sollte häufiger darlegen, wie es zu diesem Ergebnis kam. Es kam dazu nicht wegen der Untätigkeit der Regierung, sondern im Gegenteil wegen der vielfältigsten Maßnahmen, die wir zur Modernisierung der Arbeitsverwaltung eingeleitet haben. Herr Kollege Kolb hat gerade kritisiert, dass wir tausend neue Vermittler einstellen; Vermittlungstätigkeit ist aber nur durch Personen zu erreichen. Wenn wir derzeit Gott sei Dank an die 800 000 offene Stellen zu verzeichnen haben, so müssen diese so schnell wie möglich besetzt werden. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung mehr für die Vermittlungstätigkeit tut. ({3}) Wir haben auch einen guten Beitrag durch die Senkung der Beitragssätze geleistet. Kollege Fuchtel und der Herr Bundesminister haben darauf hingewiesen. Beim Antritt dieser Bundesregierung lag der Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung bei 6,5 Prozent. Wir haben ihn kontinuierlich auf 4,2 Prozent und dann auf 3,3 Prozent gesenkt, und ab Januar nächsten Jahres wird er bei 2,8 Prozent liegen. Damit haben wir die Betriebe und natürlich auch die Versicherten entlastet und darüber hinaus die Konjunktur gestützt. Deshalb war diese Politik auch in der Vergangenheit alternativlos. Kollege Kolb hat vorhin das Verhalten des ehrbaren Kaufmanns eingefordert. Deshalb bin ich jetzt über seine Forderung schon überrascht, den Beitragssatz zur Rentenversicherung um 0,3 Prozentpunkte zu senken. ({4}) Natürlich kann man grundsätzlich sagen, die Beitragssätze sollten gesenkt werden. Zum Verhalten des ehrbaren Kaufmanns gehört aber auch, Herr Kollege Kolb, dass er sich an die gesetzlichen Grundlagen hält. Die gesetzliche Grundlage besteht darin, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung erst dann gesenkt wird, wenn Rücklagen in einem Umfang von eineinhalb Monatsrenten aufgebaut sind. Auch das gehört zu einer verlässlichen Politik in unserem Land. ({5}) Ich möchte auf die Vermittlungstätigkeit zurückkommen. Ich wende mich massiv dagegen - das hat Frau Kollegin Kipping heute gesagt -, die Menschen seien dem Jobcenter und damit den Verantwortlichen und denen, die den Menschen helfen wollen, ausgeliefert. ({6}) - Ungeheuerlich. ({7}) Wollen Sie, Frau Kollegin Kipping, dass die Menschen arbeitslos bleiben? Wir schaffen in diesen Jobcentern Angebote für Menschen, die erwerbsfähig sind. ({8}) Diese Angebote müssen erwerbsfähige Menschen dann aber auch annehmen. Sozialpolitik kann nicht darin bestehen, dass manchen gut arbeitenden Menschen möglichst hohe Beiträge abverlangt werden, damit möglichst viele Menschen keine Arbeit anzunehmen brauchen. Ich erinnere an die gestrige Debatte. Kollege Lafontaine hat hier wiederum die Leiharbeit kritisiert. Gerade Leiharbeit hat in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass auch Langzeitarbeitslosigkeit in unserem Land bekämpft werden konnte, dass Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit gekommen sind und dass sie überhaupt eine Arbeitsstelle gefunden haben. Damit konnten sie auch beruflich qualifiziert werden. Das geschah sicherlich nicht immer zu dem Lohn, den sich jeder wünscht, aber es wurden den Langzeitarbeitslosen damit Chancen eröffnet. Ihre Alternative ist, die Menschen in der Arbeitslosigkeit verharren zu lassen. Das ist eine verfehlte Sozialpolitik. ({9}) Frau Kollegin Pothmer hat vorhin begonnen, als ob sie eine Büttenrede halten wollte. Sie hat kritisiert, dass wir wegen der zukünftigen Herausforderungen einen Schirm aufspannen. Dieser Schirm ist aber notwendig, Frau Kollegin Pothmer. ({10}) - Wenn Sie mir vielleicht Ihre Aufmerksamkeit schenken könnten? - Es geht nicht, macht nichts. ({11}) Wenn wir die Finanzkrise bewältigen wollen, dann müssen wir einen Schirm aufspannen. Offensichtlich wollten das die Grünen nicht; Sie haben es hier ja gerade kritisiert. Mit solchen Schirmen werden die Arbeitsplätze in unserem Land gesichert bzw. erhalten. Das ist das entscheidende Argument dafür, dass der Staat solche unterstützenden Leistungen gewährt. ({12}) Wir treten für die Unterstützung der arbeitenden Menschen in unserem Land ein. In dieser Debatte ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir ein großartiges soziales Sicherungssystem für die Menschen in unserem Land haben, dass dies auch weiterhin finanziert wird und dass es auf einer soliden finanziellen Grundlage steht. Der Kollege Fuchtel hat darauf hingewiesen, dass gerade die Rentenversicherung solide finanziert ist. Das ist ein Beleg für die Qualität unseres Rentensystems, das sich auch in Krisenzeiten bewährt. Das bedeutet auch, dass sich die Rentnerinnen und Rentner auf dieses System verlassen können. ({13}) Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir in der Lage sind, eine gute Sozialpolitik für die Menschen in unserem Land zu betreiben, für viele Arbeitsplätze zu sorgen und damit auch die soziale Sicherheit für die Menschen zu garantieren. Deshalb kann ich allen nur empfehlen, diesem Bundeshaushalt die Zustimmung zu geben. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Der Kollege Scholz möchte gern mit einer Kurzintervention auf die Rede von Herrn Kollegen Kolb reagieren.

Olaf Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003231, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kolb, Sie haben mich wegen der Rücklagen der Rentenversicherung angesprochen. Darauf möchte ich reagieren. Ich glaube, dass die Rentenversicherung Vertrauen verdient. Es ist ganz wichtig, dass wir dafür sorgen, dass die finanzielle Stabilität der Rentenversicherung gewährleistet ist. Das ist uns gelungen, und darum wachsen Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr die Rücklagen der Rentenversicherung an. Wir sind jetzt bei einer Monatsausgabe angelangt. Das ist ein Wert, der von dem, was wir erreichen wollen - anderthalb Monatsausgaben -, noch entfernt ist. Das Vertrauen der Rentnerinnen und Rentner in die Rentenversicherung ist jetzt groß, weil sie gesehen haben, dass das eine gute Einrichtung ist. Um das zu erkennen, reicht es, zu betrachten, was amerikanische Pensionäre heute erleben müssen, nachdem ihre Rücklagen durch die Veränderung der Börsenkurse um über 1,5 Billionen Dollar reduziert worden sind. Eines ist ganz klar: Wer jetzt an diese Rücklagen herangeht - wie Sie es wollen, Herr Kolb -, der versetzt den Rentnerinnen und Rentnern einen Stich ins Herz; er gefährdet ihr Vertrauen in das System der Rentenversicherung. Das ist das Falscheste, was man in einer wirtschaftlichen Krise wie der jetzigen machen kann. Mit mir wird es eine solche Veränderung und ein Angreifen der Rücklagen nicht geben, weder jetzt noch im Januar noch im restlichen nächsten Jahr. Schönen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zur Entgegnung, Herr Kollege Kolb, bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Scholz, das Muster ist nicht unbekannt. Ich denke an die Entfristung der Abgabenfreiheit bei der Entgeltumwandlung: Auch da hat die Regierung bis zum letzten Moment alles abgestritten, um dann genau das zu machen, was die FDP vorher - ebenfalls über lange Zeiträume - gefordert hatte. Ich sage Ihnen, Herr Scholz: Wir haben uns diese Forderungen nicht leichtgemacht. Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Wir haben in der Rentenversicherung jetzt eine Reserve - das haben Sie zu Recht gesagt - von einer Monatsausgabe. Das hatten wir sehr lange nicht. Wir erachten das im Moment als ausreichend. Es ist so, dass der Überschuss in der Rentenversicherung im nächsten Jahr knapp 3 Milliarden Euro betragen wird. Das ist die Prognose der Bundesregierung, zuletzt auch im Rentenversicherungsbericht vorgetragen. Wir haben diesbezüglich zweimal im zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages nachgefragt: Bleibt ihr dabei, dass das so ist? Antwort zweimal: Ja. Macht es wirklich Sinn, in dieser Situation, in der wir nach Angaben der Kanzlerin eine Weltrezession erwarten, in der die Krise auf die Realwirtschaft übergreift, einfach so weiterzumachen, wie es bisher geplant war, und stur eine Rücklage, die schon jetzt ausreichend hoch ist, weiter aufzubauen? Oder kann man diese Mittel, diese 3 Milliarden Euro Überschuss, nächstes Jahr anderweitig einsetzen? Das würde genau dann der Fall sein, wenn wir den Beitrag um 0,3 Prozentpunkte senkten. Sie selbst gehen davon aus, dass der Beitrag ab 2012 gesenkt werden kann, weil die Rücklage dann aufgefüllt ist. Das heißt, Sie gehen davon aus, dass in den Jahren nach 2011 ein weiterer starker Aufbau der Rücklage erfolgen wird. Dann wollen Sie den Beitrag sogar auf 19,2 Prozent absenken. Ich glaube, es wäre gutes, antizyklisches Verhalten, wenn wir jetzt Senkungsspielräume nutzten, um eine Krise erst gar nicht entstehen zu lassen. Das Letzte - das geht an die Adresse des Kollegen Straubinger -: Gesetze können von diesem Hohen Hause geändert werden. Wir sollten in schwierigen Situationen - da zitiere ich gern noch einmal die Kanzlerin - auch außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen. Die Inkaufnahme der Reduzierung der Rücklage und die Senkung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung von 19,9 Prozent auf 19,6 Prozent gehören dazu. Danke schön. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Reinke, Fraktion Die Linke. ({0})

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Ich finde es immer wieder aufs Neue außerordentlich beschämend und respektlos, in welche Ecke manche Politiker Erwerbslose stellen. In der vergangenen Sitzungswoche forderte die Linke, auch Kindern aus Hartz-IV-Familien die 10 Euro Kindergelderhöhung zu lassen. ({0}) Dazu fiel Herrn Romer von der CDU/CSU-Fraktion folgende Peinlichkeit ein: Ich kenne Beispiele, wo Kinder vernachlässigt werden und zusätzliche Mittel in Alkohol, Zigaretten oder einen neuen Flachbildfernseher fließen. Das zeigt Ihr wahres Gesicht, Herr Romer. In die gleiche Kerbe schlägt der Berliner Finanzsenator Sarrazin. Er meint, dass eine Regelsatzerhöhung in Flachbildschirme, Videorekorder und MP3-Player fließt, wodurch das Geld nach Fernost abwandert. Das sagt jemand, der unentwegt Sozialmissbrauch wittert. Ein führender Sozialdemokrat! Wie arrogant und alltagsfern muss man sein, um so einen Mist zu verbreiten? ({1}) Es ist unerträglich, wie Menschen, die sowieso schon am sozialen Abgrund stehen, dauerhaft beleidigt und als „Sozialschmarotzer“ hingestellt werden. Ich erinnere Sie an Art. 1 unseres Grundgesetzes. Nehmen Sie ihn endlich ernst! ({2}) Über die Schuldigen der Finanzmarktkrise spannen Sie einen milliardenschweren Rettungsschirm, ohne diese Schuldigen in die Verantwortung zu nehmen; aber Millionen Menschen, die unverschuldet in Erwerbslosigkeit gekommen sind, lassen Sie im Regen stehen. Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner, Erwerbslose, Kranke, Behinderte, Migrantinnen und Migranten schauten beim Aufschwung in die Röhre, und jetzt im Abschwung werden sie weiter geschröpft. ({3}) Nun kommt die Regierung mit einem zweifelhaften Konjunkturprogramm. Doch was hilft es den rund 7 Millionen Hartz-IV-Beziehenden, wenn sie von der Kfz-Steuer für Neuwagen entlastet werden? Sie sind doch froh, wenn sie ihre 15 Jahre alte Rostlaube behalten dürfen. Die Linke fordert, die Regelsätze umgehend auf 435 Euro anzuheben. ({4}) Das würde die Binnennachfrage steigern und die Konjunktur ankurbeln. Die damit steigenden Kosten der Unterkunft dürfen aber nicht auf die Kommunen abgewälzt werden. Hier ist klar der Bund gefordert, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen. ({5}) Schließlich wurde den Kommunen schon mit Einführung von Hartz IV eine Entlastung um 2,5 Milliarden Euro zugesagt. Das alles wäre ein erster Schritt in Richtung repressionsfreie, armutsfeste, wirklich soziale Grundsicherung. ({6}) Man kann Menschen, die am Existenzminimum leben, doch nicht noch mehr belasten, während man Reiche immer reicher werden lässt. Das ist ein Widerspruch in sich und verstößt gegen die Menschenwürde. Momentan decken die Grundsicherungsleistungen das soziokulturelle Existenzminimum nicht annähernd ab. Das sagt auch eine Studie der Bundesagentur für Arbeit. Eine ausgewogene gesunde Ernährung ist kaum möglich. Die Mittel reichen weder für Bustickets noch für Medikamente; von Teilhabe an Kultur kann nicht die Rede sein. Wann begreifen Sie endlich, dass Kinder einen eigenen Bedarf haben und nicht 60 bzw. 80 Prozent Mensch sind? Wann begreifen Sie, dass Kinder wachsen? Nach dem aktuellen Existenzminimumbericht will die Regierung eine minimale Erhöhung des Eckregelsatzes vornehmen. Eines ist klar: Jeder Cent zählt. Aber die geplante Anhebung deckt nicht annähernd die gestiegenen Kosten für Energie, Lebensmittel, Kleidung oder Spielsachen ab. Die Linke fordert, die Regelsatzhöhe an den Lebenshaltungskosten auszurichten. Woran denn sonst? ({7}) Für Bildung sind im Regelsatz nach wie vor sage und schreibe 0 Euro vorgesehen. Dabei meint die Regierung: Bildung ist das beste Mittel gegen Armut. - Aber Sie wollen, dass Hartz-IV-Beziehende systematisch von Bildung ausgeschlossen werden. „Ist das politische Absicht?“, frage ich mich. Die Bundesregierung stellt zudem immer wieder mit großer Heuchelei fest, dass sich die sogenannten bildungsfernen Schichten - das ist Ihre sehr unschöne Bezeichnung - vergrößern. Das ist in meinen Augen eine zynische Doppelmoral. Ihre Politik verfestigt Bildungsarmut. ({8}) Im kommenden Jahr steht wieder pünktlich vor der Bundestagswahl eine Erhöhung des mickrigen Regelsatzes an. Glauben Sie mir: Die Betroffenen wissen ganz genau, wem sie ihr Elend zu verdanken haben. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin!

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich komme zum letzten Satz. - Nicht umsonst gehen jeden Montag bundesweit viele Menschen auf die Straße. Vergangene Woche hatten wir in Aschersleben die 222. Montagsdemo in Folge. Von Anfang an haben wir nichts anderes gesagt als das, was nun das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts bestätigt hat: Die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze verstößt gegen das Grundgesetz.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, das war jetzt bestimmt der zehnte Satz. Ich bitte Sie jetzt wirklich, zum Ende zu kommen.

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte bitte noch einen wichtigen Satz sagen, Frau Präsidentin. ({0}) Solange Sie zulassen, dass die Schere zwischen Arm und Reich jeden Tag weiter auseinandergeht, haben Sie nicht das Recht, das Wort „soziale Gerechtigkeit“ in den Mund zu nehmen. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Wolfgang Meckelburg, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Redner vor einer namentlichen Abstimmung hat es bekanntlich etwas schwerer; aber ich bemühe mich, Ihnen noch einmal eine Zusammenfassung zu liefern, der man folgen kann. Es ist in heutiger Zeit schwierig, Haushaltsberatungen durchzuführen. Niemand weiß genau, wie sich das nächste Jahr entwickeln wird. Politik sollte nur das versprechen, was sie auch wirklich halten kann. Wir könnten so tun, als gäbe es keine Krise, und nichts machen. Das wäre falsch. Wir könnten aber jetzt auch das Chaos ausrufen und alles Mögliche unternehmen. Das wäre genauso falsch. Das wäre nämlich ein ganz falsches Signal. Das sage ich hauptsächlich in Richtung der Linken. Frau Pothmer, Ihre Geschichte eben mit dem Schirm habe ich nicht verstanden. Bisher habe ich Sie für eine ernst zu nehmende Debattenrednerin gehalten. Diesmal war es eher ein Karnevalsauftritt. Ich hoffe, Sie haben an den belehrenden Worten der Präsidentin gemerkt, dass das hier nicht hingehört, vor allem nicht in einer solchen Situation. ({0}) Meine Damen und Herren, es gibt Hauptbotschaften. Die erste lautet: Wir sind zur Jahreswende 2008/2009 besser aufgestellt als vor drei Jahren. ({1}) Wir können eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verzeichnen: Die Arbeitslosenzahl ist von 5 Millionen auf jetzt unter 3 Millionen gesunken. Wir sind bei der Vermittlung älterer Arbeitsloser in Beschäftigung einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Wir haben immer noch offene Stellen. Vor allem an einer Stelle sind wir besonders deutlich weitergekommen - das wird heute gerne als „gute“ Arbeit bezeichnet -, nämlich bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. In den 65 Monaten vor März 2006 ist die Zahl dieser Beschäftigten Monat für Monat zurückgegangen. Innerhalb der letzten Monate und Jahre der rot-grünen Regierung haben wir 1,7 Millionen Arbeitsplätze „guter“ Arbeit verloren. Wenn Sie sich nun die Zahl anschauen, die heute veröffentlicht worden ist, dann stellen Sie fest, dass wir es seit der Trendwende im März 2006 bis heute geschafft haben, wieder eine Zahl von 28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigter zu erreichen. Das sind vom absoluten Tiefpunkt aus gerechnet 2 Millionen mehr. ({2}) Wir haben in den letzten drei Jahren das, was verloren gegangen ist, mehr als ausgebügelt. ({3}) Insofern gilt der Satz: Wir sind gut aufgestellt. Wir haben den Arbeitslosenversicherungsbeitrag in mehreren Stufen verringert, von 6,5 Prozent auf im nächsten Jahr 2,8 Prozent. Das bringt insgesamt eine Entlastung von 30 Milliarden Euro für Arbeitnehmer und Unternehmer. Das kommt einer Gehaltserhöhung in ebendiesem Umfang gleich. Auch das entlastet die Wirtschaft und die Arbeitnehmerhaushalte. ({4}) Nun zur zweiten Hauptbotschaft: Wir haben die Rentenversicherung wieder stabilisiert. In den letzten Jahren von Rot-Grün erlebten wir ein Ausplündern der Rücklage. Wir sind bei stabilen Beiträgen und wieder steigenden Renten jetzt dabei, wieder eine Rücklage aufzubauen. Diese sollten wir auch nicht antasten, weil niemand genau weiß, wie es in den nächsten zwölf Monaten weitergeht. Man kann über alles reden. Zum jetzigen Zeitpunkt aber über Beitragssenkungen zu reden, ist wirklich falsch, auch wenn Sie von der FDP bei diesem Thema immer leuchtende Äuglein bekommen. Gestern hat Herr Westerwelle hier gemeint, die Politik der Großen Koalition sei nun keine Politik der kleinen Schritte mehr, sondern eine Politik der eingeschlafenen Füße. ({5}) Bei Ihnen von der FDP habe ich den Eindruck, dass Sie bei Themen wie der Beitragssatzsenkung jedes Mal Ihren blau-gelben Strampelanzug anziehen, mit den Füßchen strampeln, kieksen und sich freuen. Sie müssen erst einmal wieder auf einem realen Boden laufen lernen, wenn Sie wieder mitregieren wollen. ({6}) Die dritte Botschaft: Wir haben schnell und verantwortungsvoll für das Funktionieren der Finanzmärkte gesorgt, indem wir einen Schirm aufgespannt haben. Hätten wir dies nicht getan, brauchten wir über all die Themen, die jetzt den Bundeshaushalt betreffen, gar nicht zu reden. Erst mussten die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass wieder Kredite gegeben werden, sodass investiert werden kann und Arbeitsplätze erhalten werden können. Wenn Sie von der Linken immer wieder sagen, für die Banken seien 500 Milliarden Euro vorhanden, für die Ärmsten der Armen aber nichts, dann verwechseln Sie Äpfel und Birnen. Das eine ist notwendig, um die Rahmenbedingungen zu erhalten; diese Mittel werden nicht aus dem Bundeshaushalt gezahlt. Demgegenüber reden wir hier über Zahlen des Bundeshaushalts. Unsere vierte Botschaft lautet: Wir wollen den Haushalt stabil erhalten. Wir verschieben das Erreichen des Endes der Neuverschuldung um ein oder zwei Jahre; aber es bleibt für uns die Leitschnur, von vermehrten Ausgaben wegzukommen. Das Maßnahmenpaket für Arbeit und Wachstum stellt einen weiteren Schritt dar, um gut aufgestellt zu sein. Im Bereich der Gebäudesanierung werden zusätzliche Investitionen möglich sein. Der Steuerbonus für Handwerkerleistungen ist verdoppelt worden; dies wird helfen, im Handwerk Arbeitsplätze zu sichern. Bei der Beschäftigungssicherung haben wir Sonderprogramme für Ältere und Geringqualifizierte ausgebaut und die Bezugszeit des Kurzarbeitergeldes von 12 auf 18 Monate erhöht. All diese Maßnahmen sind geeignet, in dem krisenhaften Jahr 2009 die Beschäftigung so stabil wie möglich zu halten. Alle sind aufgefordert, daran mitzuwirken. ({7}) Ein Letztes sage ich in Richtung der Linken: Wir haben die Anträge voller Ideologien, populistischer Ansätze und Heilsversprechen verhindert, die Sie über drei Jahre lang in den Bundestag eingebracht haben. ({8}) Immer dann, wenn es um die Frage ging, wie etwas zu bezahlen sei, haben wir von Ihnen gehört, zahlen sollten die Vermögenden und Reichen. Haben Sie nicht mitbekommen, dass diese Menschen dann, wenn sie so besteuert würden, dass sie nicht mehr leben könnten, schnell aus Deutschland weg wären? Wenn sie aber Deutschland verlassen hätten, fehlten uns allen die Rahmenbedingungen, um das bezahlen zu können, was wirklich bezahlt werden muss. ({9}) Auch heute legen Sie wieder nur ein Programm auf den Tisch, mit dem Sie 7 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben wollen. Das ist Ihre Politik. Sie sagen am Ende nicht, woher das Geld dafür kommen soll, weil in diesem Fall die Menschen, die es bezahlen sollen, längst weg wären. Sie machen jetzt erneut den Versuch, die Finanzkrise für sich auszunutzen. Kolleginnen und Kollegen von der Linken, bei dieser Nummer werden Sie sich verheben. Zwar bekommen Sie durch das Thema „Finanzzocker“ zunächst Wasser auf Ihre Mühlen. Aber am Ende steht die Frage, wem die Deutschen zutrauen, sie durch diese schwierige Zeit zu führen. Hier sind eine Politik und Politiker gefragt, die Vertrauen haben. ({10}) Wir brauchen keine Politiker wie Gysi und Lafontaine, die abhauen, sondern eine standfeste Kanzlerin und eine standfeste Regierung. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen ein ÄnderungsVizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner antrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11059. Die Fraktion Die Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke bekannt. Es geht dabei um den Einzelplan 11, den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Abgegeben wurden 534 Stimmen. Es haben 45 Abgeordnete mit Ja gestimmt. Mit Nein haben 489 Abgeordnete gestimmt. Es gab keine Enthaltung. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 534; davon ja: 45 nein: 489 Ja CDU/CSU Willy Wimmer ({0}) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Paul Schäfer ({1}) Volker Schneider ({2}) Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Alexander Ulrich fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({3}) Clemens Binninger Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({4}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({5}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({6}) Axel E. Fischer ({7}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({8}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({9}) Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({10}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({11}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({12}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({13}) Dr. Michael Meister Friedrich Merz Laurenz Meyer ({14}) Maria Michalk Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({15}) Stefan Müller ({16}) Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Eckhardt Rehberg Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({17}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({18}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({19}) Ingo Schmitt ({20}) Dr. Andreas Schockenhoff Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Matthäus Strebl Thomas Strobl ({21}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Peter Weiß ({22}) Gerald Weiß ({23}) Ingo Wellenreuther Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({24}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({25}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({26}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Graf ({27}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({28}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({29}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({30}) Frank Hofmann ({31}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Brunhilde Irber Johannes Jung ({32}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({33}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({34}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({35}) Michael Müller ({36}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({37}) Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({38}) Ortwin Runde Anton Schaaf Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Ulla Schmidt ({39}) Silvia Schmidt ({40}) Renate Schmidt ({41}) Carsten Schneider ({42}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({43}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({44}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Engelbert Wistuba ({45}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Daniel Bahr ({46}) Uwe Barth Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Horst Friedrich ({47}) Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({48}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({49}) Markus Löning Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Burkhardt Müller-Sönksen Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Dr. Daniel Volk Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({50}) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({51}) Birgitt Bender Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Bettina Herlitzius Peter Hettlich Priska Hinz ({52}) Ulrike Höfken Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({53}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Claudia Roth ({54}) Manuel Sarrazin Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Dr. Harald Terpe Jürgen Trittin Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Henry Nitzsche Damit kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11056. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion, bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11 ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Ich rufe Tagesordnungspunkt II.13 auf: Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Drucksachen 16/10416, 16/10423 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Ole Schröder Petra Hinz ({55}) Roland Claus Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, wobei wir über einen Änderungsantrag namentlich abstimmen werden. Außerdem liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir morgen im Anschluss an die Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Das ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Ina Lenke von der FDPFraktion. ({56})

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Einzelplan 17 stehen Familien, Frauen, Senioren, der Zivildienst und die Jugend im Mittelpunkt. Die Steigerung der Ausgaben im Einzelplan 17 täuscht aber darüber hinweg, dass die Regierung den Familien in den letzten Monaten und Jahren eine hohe Steuer- und Abgabenlast aufgebürdet hat. Seit Jahren gibt es keine echte Steuersenkung für Familien. Im Gegenteil: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer hat - das wissen wir doch alle Familien mit Kindern Geld gekostet, ihnen das Geld aus der Tasche gezogen. ({0}) Eine Familie mit zwei Kindern muss jedes Jahr 1 600 Euro mehr löhnen. Sie hat höhere Ausgaben. Sie wissen ja, wo die Mehrwertsteuer überall zuschlägt. Auch gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit wird im Gesamthaushalt 2009 verstoßen. Ich habe im Bereich der Familienpolitik eine besonders große Kritik an dieser Regierung: ({1}) Seit Jahren drückt sie sich vor der Evaluierung, der Prüfung der ehe- und familienbezogenen Leistungen in Höhe von 185 Milliarden Euro. Wenn Sie sich die dort bestehenden 145 Töpfe anschauen, dann wissen Sie doch, dass sie historisch gewachsen sind, dass sich vieles vielleicht gegenseitig ausschließt, dass vieles vielleicht weg muss oder neu geschaffen werden muss. Ich muss sagen: Ich bin sehr enttäuscht. Die Regierung hat immer gesagt, sie wolle eine Analyse machen. Kurz vor dieser Haushaltsberatung hat sie gesagt - wir haben immer wieder nachgefragt -, das könne man selber machen; es gebe sehr viele Gutachten. Ich glaube, dass wir das nicht machen sollten. Vielmehr muss uns diese Bundesregierung mit dieser Familienministerin noch in dieser Legislaturperiode Antwort darauf geben. ({2}) Die FDP will diese 185 Milliarden Euro zielgerichtet ausgeben für Familien, für Alleinerziehende, für Paare, die erwerbstätig sind und gerade mal so über die Runden kommen. Dazu habe ich ein gutes Beispiel: das Schulstarterpaket. Sie geben nur den Familien 100 Euro - das steht im Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen -, die staatliche Leistungen beziehen. Die Familien, deren Einkommen knapp über der Bemessungsgrenze liegt, die ihr Einkommen selbst sichern, aber trotzdem zu wenig haben, bekommen das Starterpaket nicht. Das finde ich unseriös und unsozial. Das sollten wir nicht tun. ({3}) Das Größte ist, dass Sie das Schulstarterpaket für Kinder von Hartz-IV-Empfängern nur bis zur 10. Klasse geben, also nur bis zum Ende der Sekundarstufe I. Frau Humme, ich habe im Gesetz nicht gelesen, dass Sie dieses Geld auch bei einem Besuch der gymnasialen Oberstufe gewähren. Sie könnten in Ihrer Rede ja einmal erklären, warum Sie so etwas machen. Ich kann das nicht verstehen. Wenn, dann sollten Sie den Kindern von Empfängern staatlicher Leistungen das Schulstarterpaket für die gesamte Schulzeit gewähren. So geht das meines Erachtens nicht. Das ist in Teilen wirklich nicht in Ordnung. Wenn ich mir die Legislaturperiode anschaue, stelle ich fest, dass Sie sich auf Gesetze geeinigt haben, die enorm fehlerhaft sind. Weil ich so wenig Redezeit habe, will ich hier nur auf den Kinderzuschlag und das Elterngeld zu sprechen kommen. Diese Regierung hat eine Analyse der Wirkung des Elterngeldes nicht vorgelegt. Sie hat nur einen Bericht vorgelegt. Sie hat nichts zur Steuerklasse V, nichts zum Teilzeitelterngeld und nichts dazu gesagt, dass manche Selbstständige überhaupt kein Elterngeld bekommen. ({4}) Ich bin entsetzt, dass die Regierung hier nur alles schönredet. Ein neuer Gesetzentwurf wird hier nicht einmal auf den Prüfstand gestellt. Dafür hätte ich Sie nicht kritisiert, ich kritisiere Sie aber dafür, dass Sie keine Evaluation, keine Prüfung gemacht haben. Als Jugendministerin erhöhen Sie, Frau von der Leyen, die Zahl der Zivildienstleistenden. Heute Morgen habe ich im Radio gehört, dass in den neuen Bundesländern händeringend nach Azubis gesucht wird. Es heißt, die jungen Leute sollen erst einmal einen Pflichtdienst machen und dann mit ihrer Ausbildung beginnen. Wo sind wir denn eigentlich? In diesem Jahr werden erstmals mehr Ausbildungsstellen angeboten, als Ausbildungsinteressenten vorhanden sind. Wir sollten lieber die Freiwilligendienste fördern - denn davon haben wir mehr -, und dann kann sich jeder selbst entscheiden. ({5}) Zur Steuerpolitik. Die Große Koalition sieht tatenlos zu, wie die Steuerprogression die Bürger und vor allem die Familien kalt erwischt. Jede Gehaltserhöhung bedeutet prozentual mehr Lohnsteuer. Ich kann nicht verstehen, warum Sie die Mehrwertsteuer bei Skiliften von 19 auf 7 Prozent verringern, den Mehrwertsteuersatz für Pampers, die Familien brauchen, aber bei 19 Prozent belassen. Das ist mir wirklich ein Graus. Wenn Sie uns das bitte erklären könnten. Das wäre sicher ein guter Lacherfolg. ({6}) Sie haben ein neues Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen gemacht. Ich will Ihnen sagen: Das ist kein Familienleistungsgesetz. Das ist ein Mittelstandsförderungsgesetz. Dieser Name passt überhaupt nicht. Wenn Sie die Leute verleiten wollen, aus privaten Mitteln 25 500 Euro für Handwerkerlöhne, haushaltsnahe Dienstleistungen und Minijobs zu bezahlen, damit sie eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 5 100 Euro bekommen, dann ist das ein Witz. Wer kann sich so hohe Ausgaben erlauben? Das hat mit Familie nichts zu tun. Das hat eher mit Mittelstandsförderung zu tun und gehört hier nicht rein. Ich komme zum Schluss, auch wenn ich gerne noch etwas zur Erbschaftsteuer gesagt hätte; vielleicht kommen andere Oppositionspolitiker dazu. Betrachtet man als FDP-Politikerin den Gesamthaushalt und nicht nur den Haushalt des Familienministeriums, steht unterm Strich fest: Familien sind die großen Verlierer dieser Großen Koalition. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Ole Schröder von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Haushalt 2009, Frau Lenke, zeigen wir, dass die Familienpolitik in Deutschland unter Familienministerin Frau von der Leyen einen so hohen, positiven Stellenwert hat wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) Auch wenn sich die Haushaltslage durch die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise verschlechtern wird, gehen wir den Weg der Stärkung der Familie weiter. Mit der Erhöhung des Kindergeldes, mit der Ausweitung des Kinderzuschlages, mit der Einführung des Elterngeldes und mit dem Ausbau der Kinderbetreuung haben wir die Situation für Familien mit Kindern erheblich verbessert. Beim Kindergeld sind wir eben nicht den Weg derjenigen gegangen, die Misstrauen gegenüber den Familien aussprechen und sagen: Das zusätzliche Geld durch die Kindergelderhöhung wird nur für Alkohol, Zigaretten und Flachbildschirme ausgegeben. Wer so etwas behauptet, verkennt die Realität der Familien in Deutschland. ({1}) Sie verkennen, dass sich die meisten Eltern für ihre Kinder langmachen. Wir haben uns daher aus voller Überzeugung dafür entschieden, die direkten finanziellen Hilfen an die Eltern zu erhöhen. Denn wir wissen, dass das Geld bei den Eltern richtig angelegt ist, wenn es darum geht, die Kinder zu fördern. ({2}) Das Kindergeld wird jeweils monatlich für das erste und zweite Kind um 10 Euro, für das dritte und die weiteren Kinder um 16 Euro angehoben. Familien mit drei Kindern verfügen damit über 432 Euro mehr im Jahr. Für Familien mit vier Kindern sind es 624 Euro. Wir setzen damit ein deutliches Signal für Familien mit vielen Kindern. Eltern von drei Kindern sind natürlich ganz besonders auf das Kindergeld angewiesen, weil es für sie wesentlich schwieriger ist, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Diese Familien haben häufig nur ein Arbeitseinkommen zum Lebensunterhalt. Dass gerade für Mehrkindfamilien Handlungsbedarf besteht, zeigt die jüngste Allensbach-Umfrage. Demnach sind drei Kinder nur für 13 Prozent der Deutschen das Ideal, aber für 38 Prozent der Franzosen. Eines der zentralen Projekte der Großen Koalition hat sich zu einem großen Erfolg entwickelt: das Elterngeld. Selten ist eine familienpolitische Leistung so stark angenommen worden wie das Elterngeld. ({3}) Das zeigt die nahezu hundertprozentige Inanspruchnahme des Elterngeldes. ({4}) Diese hohe Inanspruchnahme führt zusammen mit der Einkommenssteigerung des letzten Jahres dazu, dass wir mehr Geld für das Elterngeld ausgeben müssen, als wir es in der Finanzplanung vorgesehen haben, ({5}) nämlich 350 Millionen Euro mehr. Wir sind sozusagen Opfer unseres eigenen Erfolges geworden. Gerade das Elterngeld ermutigt berufstätige Frauen und Männer, sich für ein Kind zu entscheiden. ({6}) Vor allem Frauen zwischen 33 und 37 Jahren, die schon mitten im Berufsleben stehen, entscheiden sich jetzt vermehrt für Kinder. ({7}) Zudem hat das Elterngeld die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der sogenannten Vätermonate eröffnet. Die Anzahl der Väter, die sich dazu entschließen, vorübergehend auf ihre berufliche Tätigkeit zu verzichten, um sich um ihre Kinder zu kümmern, steigt deutlich. ({8}) Das zeigt eben auch, dass die Herausforderung, ein Leben mit Kindern zu organisieren, nicht nur die Frauen betrifft, sondern eben auch die Männer, ({9}) und dass die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eben nicht nur eine Sache der Mütter ist, sondern eben auch eine Sache der Väter. Der Erfolg des Elterngeldes hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir es durch den Ausbau der Kinderbetreuung entsprechend unterstützen. Die Mittel, die wir dafür bereitgestellt haben, fließen jetzt - je nach Bundesland in unterschiedlicher Geschwindigkeit - an die Länder ab. Es ist jetzt Aufgabe der Kommunen und der Länder, unsere Vereinbarung umzusetzen, damit wir die Ziele, die wir uns gesteckt haben, bis 2013 erreichen. Ich bin froh, dass wir im parlamentarischen Verfahren der Haushaltsaufstellung noch erhebliche Verbesserungen erreichen konnten. Ich möchte hier vor allen Dingen die Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens“ nennen. Wir werden hier 5 Millionen Euro mehr ausgeben. Das finde ich auch richtig, weil diese Stiftung von der letzten Regierung etwas stiefmütterlich behandelt wurde. Unter Rot-Grün hat der Bund die von ihm für diese Stiftung bereitgestellten Mittel auf die vorgegebene Mindesteinlage zurückgefahren, und dies, obwohl die Hilfebedürftigkeit schwangerer Frauen in Notlagen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Mit den Mitteln für diese Stiftung helfen wir gerade denjenigen, die unsere Unterstützung am dringendsten benötigen, nämlich den schwangeren Frauen, die sich in Konfliktlagen befinden und die anerkannten Beratungsstellen aufsuchen. Diese Frauen bekommen von der Stiftung die notwendige Unterstützung, die ihnen die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtert, sei es für die Erstausstattung des Kindes, für die Fortführung des Haushalts oder für die Betreuung des Kindes. Darüber hinaus erleichtert diese Stiftung auch den Zugang zu Frühen Hilfen; sie ist sozusagen ein Türöffner. Außerdem schaffen wir auf diesem Weg einen Anreiz, dass auch überforderte Väter und Mütter die Beratungsstellen aufzusuchen. Ich bin wirklich froh, dass wir es im parlamentarischen Verfahren geschafft haben, die Mittel hierfür erheblich aufzustocken. ({10}) Eine weitere Änderung, die im parlamentarischen Verfahren vorgenommen worden ist, betrifft die Maßnahmen zur Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund. Ich finde, wir sollten diese Mittel ganz besonders für die nachholende Integration aufwenden. Gerade junge Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren sind, brauchen noch mehr Hilfe, um sich in die Gesellschaft und ins Berufsleben zu integrieren. Ich würde mir wünschen, dass wir auch die Reputation der Otto-Benecke-Stiftung nutzen, um zur Stärkung der nachholenden Integration beizutragen. Meine Damen und Herren, ein weiteres Zeichen setzen wir in diesem Jahr bei der Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements. Aus gutem Grund haben wir die Mittel für den Titel „Modellvorhaben zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ um 750 000 Euro erhöht. Dafür hat sich insbesondere meine Kollegin Petra Hinz eingesetzt. Ich habe mich diesem Vorschlag gerne angeschlossen. Denn das freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist besonders wertvoll, ({11}) sei es bei der Unterstützung von Jugendlichen, den richtigen Weg ins Erwachsenenleben zu finden, sei es bei der Unterstützung der Kinder von Eltern, die ihrer Erziehungsverantwortung nicht in ausreichendem Maße nachkommen können. Die Erhöhung der Mittel für diesen Haushaltstitel ermöglicht uns, in Zukunft zusätzliche Modellprojekte zu fördern, die sicherlich auch für andere Initiativen Vorbildcharakter haben. ({12}) An den Ergebnissen des von der Prognos AG erstellten Engagementatlas 2009 wird eines deutlich: dass es gerade bei älteren Menschen ein unglaublich großes Potenzial gibt, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sie sind dazu bereit. Hier können wir mit nur wenigen Impulsen eine ganze Menge erreichen. Diese Impulse sollten wir setzen, um das hervorragende Engagement insbesondere älterer Menschen zu nutzen. Das ist vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in unserem Land besonders wichtig. Meine Damen und Herren, wie schon im vorigen Haushalt ist es uns auch in diesem Haushalt gelungen, Akzente bei Familien, Frauen, Senioren und Jugendlichen zu setzen. Ich bedanke mich ganz besonders bei der Hauptberichterstatterin und bei den Mitberichterstattern für die gute Zusammenarbeit und die konstruktive Beratung. Ganz besonders bedanke ich mich bei der Ministerin, Frau von der Leyen, und ihrem Haus für die konstruktive Zusammenarbeit. Ich denke, dass wir einen hervorragenden Haushalt aufgestellt haben. Daher bitte ich Sie, diesen Haushalt zu unterstützen. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Diana Golze von der Fraktion Die Linke. ({0})

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Brandenburg, dem Bundesland, aus dem ich komme, leben jeder achte Erwachsene und sogar jedes vierte Kind in Armut, Tendenz steigend. Zu diesem Ergebnis kam man im offiziellen Lebenslagenbericht, den die Große Koalition in Brandenburg vorgestern vorgestellt hat. Im Jahr 2005 umschrieb Bundesministerin von der Leyen ihre Ziele auf der Startseite der Homepage ihres Ministeriums mit den Sätzen: Wir müssen uns besser um die Kinder kümmern, die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden. Denn gerade in jungen Jahren werden die entscheidenden Weichen für ihr späteres Leben gestellt. Familie muss wieder ein Erfolgsmodell in der Gesellschaft werden. Dafür setze ich mich ein. Das alles ist Schnee von gestern. Jedes vierte Kind in Brandenburg - ein Viertel der Kindergartengruppe meiner Tochter - ist Beweis dafür. Heute haben wir eine Ministerin, bei der nur noch die weitausschweifende Handbewegung alle Familien zusammenzuführen vermag. Frau von der Leyen, mit Ihrer Politik tun Sie das nicht. ({0}) Mit Ihrer Politik werfen Sie so viel Schatten, dass die Zahl der Kinder, die darin stehen, größer geworden ist. ({1}) Mit den Instrumenten, die Sie vollmundig als Mittel zur Armutsbekämpfung ankündigten, wurden die Armutsrisiken noch weiter verschärft. Dieser Haushalt, mit dem die Bundesregierung in das Wahljahr 2009 gehen will, erscheint mir wie die Fortsetzung der Unendlichen Geschichte: Dort wächst die Dunkelheit wegen der Fantasielosigkeit der Menschen, hier wächst der Schatten aufgrund der Tatenlosigkeit der Regierung. - Das ist leider bittere Realität und kein Kinderfilm. ({2}) Sicher, Frau Ministerin, Sie haben in den Köpfen der Menschen viel bewegt. Das Wort „Rabenmutter“ für berufstätige Frauen ist im Sprachgebrauch zum Glück kaum noch zu finden. Auch Väter gehen heute selbstbewusst in die Elternzeit, weil sie nicht nur finanziell aufgefangen werden, sondern dafür auch eine gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Doch dass die Einführung des Elterngeldes mit einer Schlechterstellung der Familien einherging, die wenig oder kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit haben, wurde nicht nur von der Linksfraktion kritisiert. ({3}) Darum haben wir auch für diesen Haushalt einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem wir vorschlagen, die Bezugszeit des Elterngeldes zu erhöhen und jedem Elternteil einen individuellen Anspruch einzuräumen. Dies würde eine Weiterentwicklung der sogenannten Vätermonate bedeuten, und Frauen und Männer würden gerechter an der Erwerbs- und Erziehungsarbeit beteiligt werden. ({4}) Um das Elterngeld sozial gerechter zu gestalten, fordern wir hinsichtlich der Bezugsdauer eine Gleichbehandlung aller Familien und eine Anhebung der Mindestleistungen. Frau von der Leyen, mit einem solchen Schritt würden Sie allen Familien und nicht nur denen auf der Sonnenseite den Start erleichtern. Kindertagesbetreuung und Elterngeld sind nicht voneinander zu trennen; denn junge Familien brauchen auch nach der Elterngeldzeit eine ganztägige Kinderbetreuung, und zwar nicht nur in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, sondern auch in den übrigen Bundesländern. Da diese bekanntermaßen größer an Zahl und Einwohnern, aber kleiner an Zahl der Kindertagesangebote sind, sehen wir auch hier einen erhöhten Nachholbedarf. ({5}) Wir sehen aber nicht die logischen Schlussfolgerungen der Bundesregierung. Der Umfang des Sondervermögens, das gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister zur Beschleunigung eingerichtet wurde, ist ungenügend. Die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel reichen für ein flächendeckendes Kindertagesstättennetz nicht aus - von einem gebührenfreien Ganztagsangebot ganz zu schweigen. Auch mit dem Ausbauziel, dass 35 Prozent der Kinder bis zum Jahr 2013 einen Platz erhalten, bleiben viele Fragen offen. Wie sollen berufstätige Mütter, zum Beispiel in Niedersachsen, Beruf und Familie bis dahin unter einen Hut bringen? Es bleibt auch die Frage, aus welchen sozialen Strukturen die übrigen 65 Prozent der Kinder kommen, die bei diesem Ausbauziel eben nicht vorgesehen sind. Wenn wir die Kindertagesstätten völlig zu Recht als einen wichtigen Teil des Bildungsweges betrachten, dann muss dieser auch für alle zugänglich sein. ({6}) In unserem Änderungsantrag fordern wir daher, dass die Ausgaben des Bundes für den Ausbau der Kindertagesbetreuung aufgestockt werden. Diese Mittel sind wichtig, um die Kommunen und die gemeinnützigen Träger bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Es ist für mich aber nicht nachvollziehbar, dass die Debatte zur Gemeinnützigkeit von Ihnen, Frau Ministerin, immer noch unter dem Zeichen der Förderung privatgewerblicher Anbieter geführt wird - und das trotz breiter Kritik und einer merklichen Abschwächung bei der Gesetzgebung. Noch in der Debatte zum Kinderförderungsgesetz hieß es aus der SPD-Fraktion - Zitat -: Öffentliche Gelder für Kinderbetreuung sollen auch in Zukunft nicht zur Maximierung des Gewinns von privatgewerblichen Trägern eingesetzt werden. ({7}) In der Ausgabe des Informationsmagazins des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste vom 27. Oktober 2008 erklärte die Ministerin hingegen - Zitat -: Das bedeutet, dass das Kriterium der Gemeinnützigkeit bei der öffentlichen Förderung keine Rolle mehr spielen darf. ({8}) Das ist hü und hott. Die gemeinnützigen Träger der freien Jugendhilfe brauchen eine klare Antwort. Sie haben auch mittels einer Kleinen Anfrage meiner Fraktion die Möglichkeit, diese Antwort zu geben. Vielleicht bekommen wir ja endlich einmal eine Antwort, die zur Erhellung beiträgt. ({9}) Wir sagen: Die Bildung unserer Kinder gehört nicht an den Markt. ({10}) Gewinnorientierung und gleiche Teilhabemöglichkeiten aller Kinder sind nicht miteinander vereinbar. Auch der Ausbau der Kindertagesbetreuung braucht einen Schutzschirm, und zwar einen, der den Gesetzen des Marktes nicht unterworfen ist. ({11}) Kinderbetreuung ist Armutsbekämpfung. Sie gewährleistet die Erwerbstätigkeit der Eltern. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung wirkt auch maßgeblich gegen die vorhandene Ausgrenzung von Kindern im Bildungswesen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Golze, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, sehr gern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Golze, Sie haben sich sehr stark gegen die privatwirtschaftliche Kinderbetreuung ausgesprochen. Das gilt zum Beispiel für den Fall, dass eine Erzieherin sich selbstständig macht und einen Kindergarten eröffnet. Ich sehe überhaupt keinen Unterschied darin, ob eine Erzieherin ihren Lohn letztendlich aus ihrem Gewinn erhält oder als Angestellte eines Kindergartens. Ich frage Sie: Würden Sie auch private Schulen wie die Waldorfschulen abschaffen? Wenn Sie nämlich gegen privatgewerbliche Kindergärten oder Kitas sind, dann müssten Sie auch gegen private Schulen sein. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Golze.

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ob Waldorfschulen privatgewerblich sind, sei einmal dahingestellt. Schon in meiner letzten Rede zu diesem Thema hatte eine FDP-Kollegin Fragen gestellt, die mich doch sehr an ihrem Verständnis von privatgewerblichen Angeboten zweifeln ließen. Frau Lenke, bei Ihnen hätte ich das jetzt nicht erwartet. Mir geht es darum, dass allen Kindern der Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Angebot gewährleistet wird ({0}) und nicht nur den Kindern von Eltern mit einer dicken Brieftasche. ({1}) Ich möchte nicht, dass öffentliche Gelder in solche privatgewerblichen Angebote gesteckt werden, um zur Gewinnmaximierung der Träger beizutragen. ({2}) Mir geht es um die Stärkung gemeinnütziger Angebote, um die Stärkung von öffentlichen und gemeinnützigen Trägern. Damit ist die Frage, denke ich, beantwortet. ({3}) Es ist viel von Chancen die Rede. Ich denke aber, es geht eher um das Wort „Teilhabe“. Zur Teilhabe an Bildung für alle Kinder gehört, dass die zusätzlichen Leistungen für Schülerinnen und Schüler, die in Hartz-IVBedarfsgemeinschaften leben, bis zum Abitur und nicht nur bis zur 10. Klasse gezahlt werden. Geschieht dies nicht, bekommt das Wort „Chance“ glücksspielhaften Charakter. Die Kinder, deren Eltern die Schulmaterialien nicht bezahlen können, werden benachteiligt; denn Bildungskosten sind im ALG-II-Regelsatz nicht berücksichtigt. Für die Fraktion Die Linke steht die Bekämpfung der Kinderarmut nicht erst an letzter Stelle wie bei dem eingangs erwähnten Internetauftritt des Ministeriums. Zur Erinnerung, Frau von der Leyen: Es war eines Ihrer Hauptziele, die Kinderarmut zu bekämpfen. Auch hier kann ich nur feststellen: Selbst mit den Änderungen beim Kindergeld und dem überarbeiteten Kinderzuschlag haben Sie in diesem Haushalt Ihr Ziel verfehlt. Der Kinderzuschlag war in seiner Ursprungsform zu bürokratisch. Dies belegt allein die hohe Ablehnungsquote. Wie eine schallende Ohrfeige muss sich nun für die Betroffenen der Satz lesen - Zitat -: Flexibel können die Eltern dann wählen, ob sie lieber ALG II oder den Kinderzuschlag in Anspruch nehmen wollen. Im Moment sieht es so aus, dass viele der Betroffenen aus dem System des Grundsicherungsamts herausfallen, bevor sie in das System der Familienkasse aufgenommen worden sind. Da erhält das Wort „Flexibilität“ doch wirklich einen sehr faden Beigeschmack. Die Chance, den Kinderzuschlag zu einem wirksamen Mittel gegen Kinderarmut zu machen, haben Sie vertan, Frau von der Leyen. Der Kinderzuschlag ist unzureichend. Deshalb haben wir auch hierzu einen Änderungsantrag eingebracht. Unser Hauptproblem ist, dass die Gruppe der Alleinerziehenden davon weiterhin nicht profitieren wird. Die Gruppe der Alleinerziehenden ist es auch, die gemeinsam mit Familien im Hartz-IV-Bezug von der längst überfälligen Kindergelderhöhung nicht profitieren wird, da diese ihnen angerechnet wird auf Unterhaltsvorschuss und ALG II. Bei einem Viertel der Kindergartengruppe meiner Tochter wird also diese Kindergelderhöhung nicht ankommen. Vielleicht können Sie in diesem Zusammenhang erklären, warum Sie in diesem Haushalt beim Unterhaltsvorschuss Kürzungen vornehmen konnten. Das wurde nämlich dadurch möglich, dass die Anrechnung gleich wieder als positive Einnahme zugrunde gelegt wurde. Das ist eine Linke-Tasche-rechte-Tasche-Politik. ({4}) Die Kinder werden davon nicht profitieren. Sie stehen wieder einmal auf der Schattenseite. Doch auch für die Familien, die nicht in derartige Anrechnungsfallen rutschen, ist diese Kindergelderhöhung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. 10 Euro für das erste und das zweite Kind decken nicht einmal ansatzweise den Wertverlust, den das Kindergeld seit seiner letzten Erhöhung erfahren hat. Auch aus diesem Grund ist die Staffelung der Kindergelderhöhung ab dem dritten Kind nicht zu erklären. Ich komme zum Schluss. Im dritten Jahr der Großen Koalition und der Familienministerin von der Leyen ist in der Debatte um die Rolle von Familien viel geschehen. Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder haben Sie aber nicht verringert, wie Sie es versprochen haben; Sie haben sie stattdessen vergrößert. Das Wort Schattenkabinett bekommt in diesem Zusammenhang eine völlig neue Bedeutung. Vielen Dank. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Petra Hinz von der SPDFraktion. ({0})

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Von der Opposition muss man nicht unbedingt etwas anderes erwarten als das Aufzählen von Verbesserungsvorschlägen. ({0}) Aber ich habe weder von der FDP noch von den Linken einen entsprechenden Gegenfinanzierungsvorschlag gehört. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Kindergeld nicht angerechnet wird, aber Sie verschweigen, dass für alle Kinder, die in den Kindergarten gehen und Sozialleistungen beziehen, keine Kindergartengebühren gezahlt werden müssen. Die eine Seite nennen Sie; die andere Seite verschweigen Sie. Insofern muss ich Sie bitten: Wenn Sie über einen Sachverhalt berichten, dann nennen Sie bitte auch das, was wir gut vorangebracht haben. ({1}) Ich bin der Auffassung, dass wir mit diesem Haushalt gerade vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise noch einmal sehr deutlich gemacht haben, was wir für den Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf den Weg gebracht haben. ({2}) Wir haben dafür gesorgt, dass die Rahmenbedingungen geschaffen wurden, damit junge Paare sich für Kinder und Familie entscheiden können. Die Zahlen belegen das, und es ist auch im Rahmen der Haushaltsberatungen deutlich gemacht worden. Beim Elterngeld gab es immer wieder Nachbewilligungen. Das zeigt, wie viele daran partizipieren. Man kann also von einem Erfolgsmodell reden. Wir haben dafür gesorgt, dass Familien mit ihren Verantwortungen und Fähigkeiten gestärkt werden. Unser Augenmerk liegt insbesondere auf Familien mit sozialen Risiken. Wir haben dafür gesorgt, dass entsprechende Mittel bereitgestellt werden, um die Bildungschancen für Kinder, Mütter und Väter, die in diesem Bereich dringend Kompetenzvermittlung brauchen, zu verbessern. Wir haben dafür gesorgt, statt es abzulehnen, wie es die Linken grundsätzlich tun. Wir haben dafür gesorgt, dass im Kinder- und Jugendplan weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. So sind 1 Million Euro zusätzlich für Integrationsmaßnahmen vorgesehen. Allein für den Kinder- und Jugendplan stehen damit 142 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt stehen für Maßnahmen der Kinder- und Jugendarbeit 192 Millionen Euro zur Verfügung. Ist das nichts? Ich denke, das sind genau die Mittel für Maßnahmen, die abgerufen werden, die zeitnah sind, den Bedarfen gerecht werden und Orientierung geben, und zwar in den Kommunen, über Vereine, Organisationen und sonstige Träger. ({3}) Wir haben über das Kinder- und Jugendprogramm entsprechende Mittel für Maßnahmen zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zur Verfügung gestellt. Wir haben 192,6 Millionen Euro in diesem Bereich bereitgestellt. Diese Mittel stehen für Maßnahmen für Toleranz, gegen Diskriminierung und für Integration zur Verfügung. Wir haben in diesem Jahr auch zusätzliche Mittel für den Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt von Frauen bereitgestellt. Ich erinnere an die Diskussion über die Unterstützung von Contergan-Geschädigten. Wir haben seit eineinhalb Jahren im engen Dialog mit den Betroffenen, der Contergan-Stiftung und der Firma Grünenthal Gespräche geführt und die Haushaltsmittel in diesem Bereich verdoppelt. Sie belaufen sich jetzt auf 31 Millionen Euro. Ist das nichts? ({4}) Seit dem 1. Juli 2008 bekommen Betroffene, die den Höchstsatz erhalten, 1 090 Euro statt wie bis dahin 545 Euro. Ist das nichts? An zusätzlichen Leistungen sind das in diesem Jahr 6 540 Euro. Wir befinden uns mit den Betroffenen weiterhin im Gespräch. Wir werden weitere Maßnahmen durchführen, damit diejenigen, die geschädigt wurden, zu ihrem Recht kommen. Für Entschädigungsleistungen bringt der Bund künftig 31 Millionen Euro jährlich auf. Für Gleichstellung, Familien, ältere Menschen steht ein Leistungspaket mit einem Volumen von 36 Millionen Euro zur Verfügung. 36 Millionen Euro für Gleichstellung, Familien und ältere Menschen! Allein für die älteren Menschen, die noch aktiv sind, und die Stärkung des zivilen Engagements geben wir 13,9 Millionen Euro aus. Maßnahmen für diejenigen, die nicht mehr so aktiv teilhaben können, der Pflegebereich, die Weiterbildung im Bereich der Pflege- und Betreuungsmaßnahmen für ältere Menschen, Teilhabe und Gleichstellungspolitik sind weitere Schwerpunkte. Auch dafür stellen wir Petra Hinz ({5}) Mittel bereit. Ich nenne nur ein Stichwort: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist unser Ziel. Für diesen Bereich stellen wir 14,4 Millionen Euro zur Verfügung. Mein Kollege Ole Schröder hat die Gleichstellungspolitik schon angesprochen. Für die Verbesserung der Teilhabe derjenigen, die alleinerziehend sind, haben wir 5 Millionen Euro bei der Bundesstiftung „Mutter und Kind“ draufgesattelt. Uns wurde nämlich im Berichterstattergespräch glaubhaft mitgeteilt, dass zusätzliche Mittel aufgrund der Kostensteigerung notwendig sind. Insgesamt stehen nun 97,033 Millionen Euro zur Verfügung. ({6}) Für Familienprojekte - ohne die Bundesstiftung „Mutter und Kind“ - geben wir 12,1 Millionen Euro aus. Insgesamt sind es 36,4 Millionen Euro. Das Elterngeld wurde bereits angesprochen. Die Vorzüge des Elterngeldes werden hier grundsätzlich negiert. Wir waren es, die nach intensiven Beratungen deutlich gemacht haben, wie wichtig und sinnvoll das Elterngeld ist. Aber wie wird das hier angenommen? Sie sagen, es müsste noch mehr und länger gezahlt werden. Erinnern Sie sich doch bitte an die Anhörung und die Diskussionen hier im Parlament! Es geht beim Elterngeld darum, dass die Eltern, wenn sie es wollen, schnellstmöglich in den Beruf zurückkehren können. Die frühkindliche Erziehung soll möglichst früh einsetzen. Die starke Inanspruchnahme des Elterngeldes macht deutlich, dass wir genau die richtige Zielsetzung verfolgt haben. Ganztagsschulen, flexible Elternzeiten, das Recht auf Teilzeit und steuerliche Vergünstigungen für Familien sind weitere Stichworte. Liebe Frau Lenke, man kann nicht ein bisschen Steuererleichterungen vornehmen. Wir haben in diesem Bereich für Steuererleichterungen gesorgt. Die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, die Allianz für Familien und die lokalen Bündnisse für Familien, dies alles sind wichtige Bausteine. Mehr Gerechtigkeit ist das Ziel. Mit diesem Haushalt machen wir das deutlich. Mein Kollege Ole Schröder hat gerade ausgeführt, welche Mittel wir nachträglich auf dem parlamentarischen Weg zur Verfügung stellen. Ich möchte unsere Leuchtturmprojekte im Bereich der Freiwilligendienste erwähnen. Die Zahl der Projekte steigt von 30 auf 45. Dafür stehen 750 000 Euro zusätzlich zur Verfügung. Diese 45 Projekte sind zielorientiert und machen deutlich, wie engagiert unsere Bürger für die Gesellschaft arbeiten. Für den gesamten Bereich „Stärkung der Zivilgesellschaft“ stehen 33,975 Millionen Euro zur Verfügung. Der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen mit circa 38 000 Gruppen und Initiativen stellen wir 260 000 Euro zusätzlich zur Verfügung. Für das kommende Jahr sind Ausgaben in Höhe von rund 6,147 Milliarden Euro vorgesehen. Wir dürfen nicht vergessen, was wir im zurückliegenden Jahr auf den Weg gebracht haben. Für das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ stehen 4 Milliarden Euro zur Verfügung, und zwar nicht aus unserem Etat, sondern aus dem Gesamtetat. Das ist der richtige Weg. Aber mehr hilft nicht immer. In diesem Fall müssen wir sehen, dass die Bundesländer die Mittel leider noch nicht in dem gewünschten Maß abrufen. Beispiel NRW: Die Ausführungsbestimmungen sind erst jetzt auf den Weg gebracht worden. Die Gelder, die bereits in diesem Jahr hätten fließen können, kommen dadurch zeitverzögert bei den Trägern und Kommunen an. Wir stellen 4 Milliarden Euro für ein Sonderausbauprogramm zur Verfügung, mit dem der Bau von Kindertagesstätten unterstützt und die dadurch entstehenden Betriebskosten getragen werden. Lassen Sie uns gemeinsam das, was wir hier für Familien, Senioren, Frauen und Jugend auf den Weg gebracht haben, nicht kleinreden. Wir machen mit diesem Haushalt genau die richtigen Schritte auf dem richtigen Weg. Ich will nicht verschweigen, dass es schöner wäre, manchmal mehr zu fördern. Aber man muss einmal genauer hinsehen, was man in einem Haushaltsjahr verausgaben kann. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen Ole Schröder, Anna Lührmann, Otto Fricke und auch Roland Claus für die konstruktive Zusammenarbeit ganz herzlich bedanken. Dieser Dank geht auch an die Ministerin Frau von der Leyen, an ihr gesamtes Haus und auch an die Fachkolleginnen und -kollegen, die immer fair und sachlich mit uns Haushaltspolitikern zusammengearbeitet haben, damit wir möglichst viel für die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für die Kinder, für die Jugend und für die Seniorinnen und Senioren auf den Weg bringen können. Es gilt, nicht alles kleinzureden, sondern das, was möglich ist, eins zu eins umzusetzen. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Britta Haßelmann von Bündnis 90/Die Grünen.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Lassen Sie mich zu Beginn sagen: Puh, so viele Zahlen. Ich hatte gedacht, dass wir uns hier nicht nur wechselseitig den Haushalt vortragen und Zahlen vorstellen. Ich fange einmal so an: Aus der Feder Bertolt Brechts stammen folgende Worte: Ist das nötige Geld vorhanden, ist das Ende meistens gut. Das kann man für den Einzelplan 17 nicht sagen, auch wenn Sie jetzt gerade versucht haben, sich alles schönzureden. Statt eines dringend nötigen Neuanfangs steht aus meiner Sicht am Ende des Tages nur folgendes Ergebnis: ein Kinderfreibetrag von 237,80 Euro für Besserverdienende ({0}) und ein Kindergeld in Höhe von 164 Euro für Familien, die Einkommen beziehen. ({1}) Gerade da, wo das nötige Geld nicht vorhanden ist, nämlich in den Familien, in denen die Eltern ALG II beziehen - das war früher die Sozialhilfe -, kommt nichts an. ({2}) Ich finde, dass Sie an dieser Stelle aufhören sollten, sich wechselseitig auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, wie toll Sie das alles machen und dass Sie für alle Familien etwas tun. ({3}) Sie tun nicht für alle Familien das Gleiche. Leider ist aus dem Anspruch, dass Ihnen jedes Kind gleich viel wert ist, nichts geworden. ({4}) Sie fördern durch Ihre Maßnahmen nicht jedes Kind in gleicher Weise. Sie sind mit dem hohen Anspruch angetreten: Wir überprüfen die Familienleistungen. Wir richten ein Familienkompetenzzentrum ein. ({5}) Wir stellen das alles auf ganz neue Füße. Alles wird viel gerechter. - Was ist am Ende geblieben? Der Kinderfreibetrag erhöht sich. Das Kindergeld erhöht sich. Das ist selbstverständlich und keine Großtat der Großen Koalition. ({6}) Wie wollen Sie es politisch durchhalten, das Kindergeld nicht zu erhöhen? Das ist eine logische Folge der Kinderfreibetragserhöhung. Das ist keine besondere Wohltat. Das könnten Sie den Zuhörerinnen und Zuhörern ruhig erklären. ({7}) Natürlich ist die Kindergelderhöhung für die Familien gut, die dieses Geld bekommen. 10 Euro mehr bedeuten möglicherweise ein bisschen mehr Spielraum für kleinste Kleinigkeiten in ihrem Familienbudget. Aber dennoch werden davon sehr viele Kinder nicht profitieren, weil sie das Geld nicht erreicht. Hier ist kein Neuanfang gemacht worden. Sie haben hier hohe Erwartungen geweckt und hehre Versprechungen abgegeben. Aber am Ende stehen nur wenige Maßnahmen. Wir wollen an dieser Stelle doch ein bisschen Bescheidenheit an den Tag legen. ({8}) Wir reden seit drei Jahren über die Kinderregelsatzerhöhung. Wir reden seit Jahren über die Frage der Investitionen in Infrastruktur, jüngst beim Bildungsgipfel; den Etat des entsprechenden Ministeriums haben wir gestern diskutiert. Frau Ministerin, Sie müssen sich eingestehen, dass auch Ihre Maßnahmen nicht dazu führen, dass die gesellschaftlichen Gräben und die Ungleichbehandlung von Kindern und Familien nicht kleiner, sondern größer werden und sich vertiefen. Das ist im Grunde genommen ein Armutszeugnis für die Große Koalition. ({9}) Da hilft aus meiner Sicht auch kein Schulstarterpaket. Schauen Sie sich das Schulstarterpaket an! Was ist denn die Botschaft? Die Botschaft ist: Wir führen bis zur 10. Klasse eine Maßnahme durch, aber von der 11. bis zur 13. Klasse nicht. Was heißt das bildungspolitisch? Kinder aus ärmeren Familien machen kein Abitur, oder was bedeutet das? Ich finde, Sie sollten sich einmal fragen, welche bildungspolitische Botschaft das ist. ({10}) Lassen Sie mich jetzt zum bürgerschaftlichen Engagement kommen. Welche Kraft hat es gekostet, über die Frage der notwendigen Arbeit der Selbsthilfegruppenbewegung und der NAKOS hier im Land zu diskutieren. Ich kann Ihnen sieben verschiedene Begründungen des Ministeriums nennen, warum wir keine Förderung mehr brauchen. Dabei gibt es 3 Millionen Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren. Ich bin froh, dass Sie aufgrund des öffentlichen Drucks und aufgrund der ganzen Diskussionen, die es in dem Bereich gegeben hat, noch in allerletzter Minute die Kurve gekriegt haben und sich jetzt entschließen, die Selbsthilfebewegung doch noch zu fördern. Ich glaube, alles andere hätte riesengroßen Schaden angerichtet; denn Sie können sich in Sachen bürgerschaftliches Engagement nicht von einem Wettbewerb zum nächsten und von einer Preisverleihung zur nächsten hangeln, am Ende aber auf einem so wichtigen Feld nichts tun. ({11}) Ein zweiter Punkt ist für mich die Frage, wie Sie eigentlich mit dem bürgerschaftlichen Engagement umgehen, wenn es konkret wird. Ich erinnere an das, worüber wir gestern beraten haben, nämlich über die 400 000 Euro, die wir für den Zug der Erinnerung brauchen. Die hätten wir aus dem Gesamtbudget finanzieren können. In dieser Arbeit steckt ganz viel bürgerschaftliches Engagement. Die Große Koalition ist nicht in der Lage, dieses Geld aufzubringen, aber es werden massenhaft Broschüren, Preisverleihungen und sonst was finanziert, und es wird viel über bürgerschaftliches Engagement geredet. Aber da, wo ganz viel bürgerschaftliches Engagement besteht, haben wir nicht die Kraft gehabt, etwas zu leisten und ein Zeichen für eine lebendige Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement zu setzen. Deshalb hat Ihr Haushalt Schwächen, und zwar massive, auf die man hinweisen muss. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat das Wort die Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen. ({0})

Dr. Ursula Leyen (Minister:in)

Politiker ID: 11004092

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Politik ist sicher aufgefordert, sich immer wieder für eine offene Gesellschaft und ihren Zusammenhalt einzusetzen. Das spiegelt der Etat 2009 auch wider, auch wenn er ein trockenes Zahlenwerk ist. Deshalb gleich vorweg, Frau Lenke: Ich weiß, dass Sie den Haushalt gut kennen und dass Sie auch die Prozesse und die Dinge, die wir im Familienausschuss beraten, gut kennen. Ich nehme aber mit einiger Verblüffung zur Kenntnis, dass Sie einfach nicht wahrnehmen wollen, dass die Durchforstung und die Analyse, die systematische Aufarbeitung der Familienleistungen längst ein Prozess ist, der läuft, und dass diese wissenschaftlichen Aufgaben im Übrigen mit dem Bundesfinanzminister nicht nur abgestimmt sind, sondern mit ihm gemeinsam finanziert werden. Das ist nicht etwas, das man soeben einmal innerhalb von sechs Monaten so hinwirft. ({0}) Sie haben inzwischen den Arbeitsbericht bekommen. Sie wissen, dass das ein längerer Prozess ist. Der Übergang vom Erziehungsgeld zum Elterngeld, der neue Kinderzuschlag, das gestaffelte Kindergeld und der Ausbau der Infrastruktur in der Kinderbetreuung sind Ergebnisse, die sich sehen lassen können. Ich glaube, Sie sollten das einfach einmal zur Kenntnis nehmen, wenn ich auch weiß, dass ich Ihnen dadurch ein Argument wegnehme, das Sie immer wieder anbringen. ({1}) Man spricht in der Tat von der offenen Gesellschaft, vom Zusammenhalt der Gesellschaft und davon, am Anfang Hürden abzubauen, damit Menschen für sich überhaupt Perspektiven sehen, eine Familie zu gründen. Ein Synonym dafür ist das Elterngeld. Ich kann mich an den Anfang erinnern, liebe Renate Schmidt. Welch ein Kampf war es, erst einmal Offenheit im Kopf zu schaffen, damit der Gedanke an das Elterngeld angenommen wurde. Jetzt ist es seit 2007 da, und es ist auf 4,4 Milliarden Euro angewachsen. Das ist eine stolze Summe. Ich weiß, dass Sie, Herr Fricke, ab und zu wegen des stetigen Anwachsens des Elterngeldes die Stirn runzeln. Ich rufe Ihnen zu: Weil mehr Kinder geboren werden und weil mehr junge Väter Elternzeit nehmen, müssen wir immer wieder das Elterngeld erhöhen. Das ist das Beste, was einem Land überhaupt passieren kann. ({2}) Genauso eindeutig ist der Kinderzuschlag. Inzwischen wurde er auf 374 Millionen Euro erhöht. Er ist nicht nur deshalb so wichtig, weil dadurch 250 000 Kinder aus Hartz IV geholt werden, sondern auch, weil er das eindeutige und ermutigende Signal an ihre Eltern aussendet: zu arbeiten ist immer besser als nicht zu arbeiten. Wenn es für das eigene Einkommen reicht, dann sollt ihr nicht wegen der Kinder in Armut rutschen. Frau Golze, deshalb sage ich - ob Sie es wahrnehmen wollen oder nicht -: Gerade für Alleinerziehende ist der Kinderzuschlag deutlich verbessert worden. Alleinerziehende haben das Recht, das zu wählen, was in ihrer spezifischen Lebenssituation besser ist. Noch ein Satz zu den Alleinerziehenden. Wir haben gesehen, dass durch die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 - es hilft gerade Alleinerziehenden - die Zahl der jungen Mütter, die nach der Geburt eines Kindes in Hartz IV rutschen, um 5 Prozent gesunken ist. Nehmen Sie diese Dinge einfach einmal zur Kenntnis! Es heißt, Mut zur Gründung einer Familie zu machen und auch dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen ihren Lebensunterhalt selber verdienen können. ({3}) Sie sprechen zu Recht über Kinder, die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden. Frau Golze, Sie haben wahrscheinlich nicht wahrgenommen, wie viel auch in Ihrem Bundesland, Brandenburg, gerade durch die Frühen Hilfen, durch die Modellprojekte, die wir gemeinsam mit den Ländern und Kommunen durchführen, geschehen ist. Wir wissen nämlich, dass Kinder, die von Misshandlung und Verwahrlosung bedroht sind, nicht ohne Weiteres nur durch die kommunale Arbeit oder nur durch die Landes- oder Bundesarbeit gerettet werden können; vielmehr muss es ein Netz der Frühen Hilfen geben. Da ist im letzten Jahr viel geschehen. Inzwischen haben fast alle Bundesländer das verbindliche Einladewesen. Neu ist bei uns die Früherkennungsuntersuchung U 7 a im dritten Lebensjahr. Die Familiengerichte sind gestärkt worden. Das entsprechende Gesetz ist hier im Bundestag verabschiedet worden. Das Kinderförderungsgesetz ist verabschiedet. Das Kinderschutzgesetz ist jetzt in der Ressortabstimmung. Das alles ist innerhalb eines Jahres geschehen. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis! Es ist für uns alle bedrückend, Kinder auf der Schattenseite zu erleben; aber wir tun etwas. Ich rufe alle auf, die mitmachen wollen, dieses Netz der Frühen Hilfen gemeinsam zu knüpfen. ({4}) Vorsorgende, ermutigende Politik hat die Aufgabe, in allen Lebensabschnitten und Lebenssituationen Möglichkeiten zu geben. Das gilt für die Bildungschancen aller Kinder; das gilt genauso für die Erwerbschancen ihrer Eltern. Deshalb hat die Große Koalition eine Bresche für den Ausbau der Kinderbetreuung geschlagen. Das ist jetzt in den Kommunen angekommen. Für das Jahr 2008 sind bereits 333 Millionen Euro angemeldet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Ministerin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ilja Seifert?

Dr. Ursula Leyen (Minister:in)

Politiker ID: 11004092

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, Sie haben gerade aufgezählt, was alles für Kinder auf der Schattenseite usw. gemacht wird. Wieso enthält Ihr Haushalt nicht einen einzigen Posten, der die Umsetzung der UNO-Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen vorsieht, die wir wahrscheinlich in der nächsten Woche - wenn auch zu sehr später Stunde - mit großer Einmütigkeit beschließen, also ratifizieren werden? Warum enthält Ihr Haushalt keinen einzigen Posten, durch den Kinder mit Behinderungen, Frauen mit Behinderungen, Familien, die von behinderten Menschen gegründet werden, gefördert werden sollen? Die UNO-Konvention schreibt vor, was die Staaten zu tun haben: dass Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben tatsächlich teilhaben können. Gerade das ist der Paradigmenwechsel, der durch diese UNO-Konvention eingeleitet wird. In Ihrem Haushalt, in dem all diese Punkte eigentlich berücksichtigt sein müssten, kommt das alles nicht vor. Wieso beachten Sie solche Dinge überhaupt nicht?

Dr. Ursula Leyen (Minister:in)

Politiker ID: 11004092

Es kommt in unserem Haushalt nicht spezifisch vor, weil die Hilfen für Menschen mit Behinderungen in anderen Ressorts angesiedelt sind. Ich nehme als Beispiel nur das Thema „Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige“. Da sind integrative Gruppen eine der großen Chancen, die sich für Kinder mit Behinderungen eröffnen. Bei diesem Thema sage ich immer wieder: Die Türen müssen aufgemacht werden, damit Kinder mit Handicaps und Kinder ohne Handicaps unvoreingenommen miteinander den Weg ins Leben gehen können. Herr Seifert, Sie werden nicht einen einzelnen Posten dafür finden; vielmehr geht es darum, die Fülle der Aufgaben zu sehen und immer wieder den Blick auf die Menschen mit Behinderungen zu werfen. Ich war bei dem Thema „Ausbau der Kinderbetreuung“. Ich sagte: Es ist jetzt bei den Kommunen angekommen. Heute sind für das Jahr 2008, also für das laufende Jahr, 333 Millionen Euro angemeldet, obwohl das Gesetzespaket gerade erst einige Wochen alt ist. Insofern zeigt sich, dass die Botschaft angekommen ist und dass auch die Bereitschaft der Kommunen, nachdem mittlerweile sämtliche Verwaltungsvereinbarungen der Länder getroffen worden sind, vorhanden ist, den Ausbau der Kinderbetreuung voranzubringen. Frau Golze, auch da gilt: Bitte, sagen Sie doch die volle Wahrheit! Wenn es 2013 für alle Eltern einen Rechtsanspruch gibt, dann heißt das 100 Prozent und nicht 35 Prozent. Der Sinn des Rechtsanspruchs ist, dass alle Eltern eine Chance haben, einen Kindergartenplatz zu erhalten, wenn sie es denn möchten. ({0}) Im Augenblick suchen 35 Prozent. Insofern wird jetzt vorsorgend ausgebaut. Wir sehen im Haushalt zusätzliche Mittel für die Qualifikation von Tagesmüttern und für betrieblich unterstützte Kitas vor. Von dieser Stelle und an diesem Punkt noch einmal von Herzen meinen Dank an alle streitbaren Familienpolitikerinnen und Familienpolitiker, die unsere geschätzten Haushälter beim Thema „Ausbau der Kinderbetreuung“ mitgerissen haben! Ich weiß, es war ein ungewöhnlicher Weg. Ich weiß, es ist eine stattliche Summe Geld; 4 Milliarden Euro wurden zur Verfügung gestellt. Mein Dank von Herzen an dieses Parlament! Ohne Sie wäre es nicht gegangen, meine Damen und Herren. ({1}) Die globalisierte Gesellschaft bietet für viele Menschen Chancen, aber sie ruft bei vielen auch Ängste hervor. Das betrifft vor allem Menschen aus bildungsfernen Milieus, die sich von Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen oder von der Gesellschaft vernachlässigt fühlen. Das ist nicht nur so irgendein Gefühl, sondern es bestehen reale Barrieren für diese Kinder und Jugendlichen. Deshalb wollen wir gezielt jungen Menschen, die Probleme haben, die Schule abzuschließen, eine zweite Chance geben. Wenn sie den Weg in die Berufswelt nicht finden können, wollen wir in Kompetenzagenturen ihre Stärken zutage fördern, auch wenn diese vielleicht unter einer dicken Schicht von Schwächen, Unzulänglichkeiten oder negativen Lebenserfahrungen verborgen sind. 143 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds stellen wir in den nächsten drei Jahren für die insgesamt 400 Standorte für die Programme „Schulverweigerung“ und „Kompetenzagenturen“ zur Verfügung. Es geht um die Kompetenz, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und zu entwickeln, um dann am Arbeitsmarkt eine reelle Chance zu haben. Deshalb auch die 53 Millionen Euro aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans für die Integration von Jugendlichen! Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist - dafür bin ich auch dankbar -, eine weitere Million Euro einzustellen, um diese Mittel zu verstärken. Wir brauchen diese jungen Menschen im Land. An dieser Stelle noch einmal zur Otto-Benecke-Stiftung. Damit das in diesem Raum klar ist: Wir übernehmen jetzt 28 Beschäftigte mit ihren Kompetenzen beim Thema Integration in diese Integrationsarbeit vor Ort. Wir wollen nicht, dass diese Kompetenzen verloren gehen. Aber Tatsache ist, dass die Zahl der Aussiedlerinnen und Aussiedler dramatisch zurückgegangen ist. Deshalb ist es richtig, die Kompetenzen der Beschäftigten anderweitig zu nutzen, die Menschen weiterhin zu beschäftigen und damit die Integration vor Ort allgemein und nicht nur die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler voranzutreiben. Ebenso drastisch wie bei den jungen Menschen fordert der demografische Wandel auch eine Neubewertung der Fähigkeiten, Erfahrungen und der Verantwortung älterer Menschen. Die älteren Menschen werden in absehbarer Zeit einen Großteil, wenn nicht die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Deshalb fördern wir das Thema „Wirtschaftskraft Alter“ und das Thema „Aktiv im Alter“. Es geht um ehrenamtliches, bürgerschaftliches Engagement im Alter. Wir brauchen mehr bürgerschaftliches Engagement. Jeder kann mitmachen, egal woher er kommt. Vom Sofa aufstehen muss jeder allein, aber dann - das ist das Entscheidende - müssen auch Orte da sein, an die die Menschen gehen und sich engagieren können. Da sprechen die 500 Mehrgenerationenhäuser im Land eine ganz lebendige Sprache. Dazu gehört das jetzt erweiterte, bereits erwähnte Programm „Freiwilligendienste aller Generationen“. Das sind Pionierprojekte, die hoffentlich eine deutliche Vorbildfunktion im Land entfalten werden. Das bürgerschaftliche Engagement muss Spaß machen - sonst kommt keiner -, und es muss gewürdigt werden; sonst bleibt keiner. Das bleibt auch das große Thema bei der Förderung der Qualifizierung der ehrenamtlichen Demenzbegleiter. Deshalb sagt unsere Initiative ZivilEngagement sehr deutlich: Schiebt die Puschen in die Ecke, wir brauchen euch! „Alter ist etwas Herrliches“, sagt Martin Buber, „wenn man nicht verlernt hat, anzufangen!“ Vielen Dank. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Otto Fricke von der FDPFraktion. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es einfach wäre, jetzt zu sagen: „Ich mache bei diesem Schönen und Guten mit“, bleibe ich als Haushaltsausschussvorsitzender doch dabei: Ja, es ist richtig, das Elterngeld auszubauen. Ja, es ist richtig, mehr Geld für Kinder zu geben. Ja, es ist richtig, für die Schwachen in unserer Gesellschaft mehr Leistungen von den Starken zur Verfügung zu stellen. Aber eines muss man bei diesem Haushalt für die Zuhörer, die jetzt hier sind oder die am Fernseher sind, sagen: Immer daran denken: Geld ist endlich. Das geht nicht, wie von den Linken immer gesagt wird: Mehr Geld für alle von niemandem. - Irgendwo muss das herkommen. Ich erwarte von Familienpolitikern und von Ihnen, Frau Ministerin - Sie wissen es -, dass gesagt wird: Vorsicht! Wo ist die Grenze dessen, was wir als Gesellschaft können? Wenn wir nämlich weiter so agieren, dass wir uns, sobald schlechte Zeiten kommen, immer wieder über alle Maßen verschulden, ohne vorher Reserven geschaffen zu haben, dann nützt das den Kindern überhaupt nichts; denn die Schulden, die wir heute machen, müssen entweder unsere Kinder später abbezahlen, oder uns fehlt, wenn wir sie abtragen, das Geld für Bildungs- und Forschungsausgaben, die nötig sind, um eine Zukunft zu gestalten, auf die unsere Kinder Anspruch haben. ({0}) Ich weiß, es ist immer leicht und schön, nur für das Gute zu sprechen und Leistungen einzufordern. Aber man muss aufpassen. Dem Elterngeld als Grundleistung - Sie haben es gesagt - stimmen wir zu. Aber nach dem, was Sie und Ihr Haus gemacht haben - erst wird mehr Elterngeld gefordert, dann kommt man gegen Ende des Jahres wieder und spricht davon, dass mehr Erziehungsgeld nötig ist, und verweist dabei darauf, dass die Länder es nicht entsprechend abgefordert haben -, bin ich sehr gespannt, was noch kommt. ({1}) Am Ende steckt dahinter wahrscheinlich eine einfache Theorie: Beim Elterngeld, beim Erziehungsgeld, bei Leistungen für Kinder kann ich ruhig etwas weniger veranschlagen. Keiner in diesem Parlament wird nachher sagen: Wir zahlen das Geld nicht und kürzen die Leistung. - So etwas ist verfehlte Haushaltspolitik, denn wenn Sie den Haushalt zu niedrig veranschlagen, trägt das dazu bei, dass an anderer Stelle mehr Geld ausgegeben wird. Ich erhoffe mir, dass die Zahlen für das Jahr 2009 besser sind. Ich bin mir nicht sicher, ich bin aber gespannt. Wir werden es am Ende sehen. Es wird sozusagen Ihre kleine Meisterprüfung sein, ob Sie es wenigstens für dieses Jahr hinbekommen. ({2}) Kommen wir zur Kindergelderhöhung. Ja, wir alle haben sofort gesagt, sie ist richtig und gut trotz des Problems, ob es korrekt ist, das erhöhte Kindergeld gegen andere staatliche Leistungen gegenzurechnen. In diesem Zusammenhang müsste man eigentlich über die Bundesratsbank reden. Was passiert denn im Moment? Was machen denn CDU-Minister landesweit? Was machen denn die SPD-Länderminister? Die sagen auf einmal: Ich bin für eine Kindergelderhöhung, aber bezahlen will ich sie als Landesminister nicht, auch wenn ich bisher immer daran beteiligt war. - Frau Ministerin, hier kommt auf Sie harte Arbeit zu. Sie können nicht nur einfach das Finanzministerium agieren lassen und es auffordern: Ihr müsst euch dagegen wehren. - Beim Kindergeld und beim Kinderfreibetrag sind die Länder und Kommunen genauso beteiligt, wenn es wie bisher eine gesamtstaatliche Aufgabe sein soll. Dafür müssen Sie sorgen. Es darf nicht sein, dass der Bund diese nachher alleine bezahlt. Die Länder sich hier aus der Verantwortung stehlen zu lassen, wäre unverantwortlich gegenüber unserer Gesellschaft. ({3}) Sie haben eben so schön von Evaluierung gesprochen, als Sie auf den Einwand von der Kollegin Lenke reagiert haben. Jeder hat jetzt den Eindruck, Sie hätten eine Evaluierung gemacht. Das stimmt zwar, aber es ging folgendermaßen - ich verkürze das etwas -: Ursprünglich wollte man die Leistungen, die es gab, evaluieren und dann schauen, welche falsch ist. Die Grundfrage war ja, warum wir so viel Geld für Kinder und Familien ausgeben, aber so wenig davon im Lande ankommt. ({4}) Jetzt Achtung! Wie lautete die Antwort der Sachverständigen? Sie lautete nicht: Diese Leistung ist falsch, jene Leistung müsste verändert werden. Die Antwort lautete: Da brauchen wir mehr, hier wäre es besser, noch ein wenig mehr zu haben, dort wäre es wichtig, ganz viel mehr zu haben. - Nicht einmal wurde gesagt: Eine Leistung ist falsch, unnötig oder Derartiges. Das war doch keine Evaluierung, was da gemacht worden ist, sondern ein reines Wünsch-dir-was-Programm. ({5}) Ich gehe kurz auf die Otto Benecke Stiftung ein. Sie haben diesen Punkt angesprochen und gesagt, dass die Leute übernommen werden. Das betrifft aber nur die Fachleute. Was geschieht mit den anderen, die jetzt Ängste haben, weil Sie die Stiftung nicht weiter finanzieren wollen? Ich gestehe ja zu - das ist ja vollkommen richtig -, dass die Otto Benecke Stiftung in dem Bereich, wo sie bisher arbeitete, nicht mehr arbeiten kann. Sie will das ja auch gar nicht mehr. Das hat sie von sich aus gesagt. Bitte kümmern Sie sich aber auch um die genannten Personen. Der Haushaltsausschuss wird mit Sicherheit ein genaues Auge darauf haben - das sage ich jetzt auch im Namen meiner Mitberichterstatter -, was da passiert. Ich will noch kurz auf die Erbschaftsteuer zu sprechen kommen. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass Sie als Familienministerin das dort verankerte Prinzip der Kernfamilie haben durchgehen lassen. ({6}) Ich habe Sie immer so verstanden, dass Sie Ihre Partei dahin gebracht hätten, einzusehen, dass der Begriff der Familie viel vielschichtiger ist: Es gibt die PatchworkFamilien, Unterschiede aller Art. ({7}) Aber jetzt kommt Ihre Partei und sagt: Nein, bei der Erbschaftsteuer erkennen wir nur ein Modell von Familie an, das steuerrechtlich bevorzugt wird. Ich halte das für einen großen Schritt zurück. Ich verstehe das nicht. Hierzu hätte ich gerne mehr von Ihnen gehört. ({8}) Zum Schluss meiner Rede ({9}) möchte ich etwas zum Schluss des Lebens sagen. In der Politik gibt es ein hohes Engagement von Senioren. Bei meinen Bürgergesprächen und beim Zusammentreffen mit Besuchergruppen erlebe ich es immer wieder, dass hier sehr viel kommt. ({10}) - Da kommt es wieder. Ich trage doch als 43-Jähriger nicht nur Verantwortung für meine drei Kinder. Ich trage auch Verantwortung für meine Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten usw. in höherem Alter. Hier zu sagen, das müsste man trennen, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich für völlig falsch. Man steht in der Mitte des Lebens, und das heißt, man trägt für alle Generationen Verantwortung. Ich möchte insbesondere auf ein Thema ganz kurz hinaus, nämlich auf die Patientenverfügung. Kein Thema wird mir gegenüber von Senioren häufiger angesprochen als die Patientenverfügung. Ich will jetzt nicht die Position darstellen, für die ich stehe, aber ich will ganz bewusst sagen, dass es hier bei den Bürgern sehr viele Ängste und einen unglaublichen Bedarf gibt, diese Ängste abzubauen. Die Bürger sorgen sich, ob man in ihr Leben hereinreden wolle bzw. was sie tun können, damit man sie nicht so lange wie möglich an irgendwelche Apparate anschließt. Wir müssen hier dringend etwas tun. Eine Ministerin, die für Senioren zuständig ist, muss, auch wenn dieses Problem jedes Ressort betrifft, an dieser Stelle irgendwann bekennen, wo sie hin will, was sie für die Senioren tun will. Alles in allem: Der Haushalt könnte besser sein. Es sind noch viele Aufgaben zu erledigen; ich bin gespannt, wie Sie das bis zum Ende der Legislaturperiode hinbekommen wollen. Danach werden Sie einen neuen Koalitionspartner benötigen, der Ihnen dabei ein bisschen mehr auf die Beine hilft. Welcher das ist, können Sie sich denken. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Spanier von der SPD-Fraktion. ({0})

Wolfgang Spanier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002803, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Fakten des Einzelplans 17, Familienministerium, ist hier ausreichend informiert worden. Weil es sich um den letzten Haushalt in dieser Legislaturperiode handelt, gestatte ich mir, die Gelegenheit zu nutzen, eine Art Bilanz zu ziehen. Zunächst einmal stelle ich fest: Es gab auf diesem politischen Feld durchaus eine konstruktive Zusammenarbeit in der Koalition ({0}) und auch - das will ich gern einräumen, Frau Lenke eine konstruktive Diskussion mit den Oppositionsfraktionen. Natürlich sind nicht alle Erwartungen erfüllt worden. Aber wir - das ist das Entscheidende - haben große Schritte in die richtige Richtung gemacht. ({1}) Wir haben einen Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Familienpolitik eingeleitet. Dass Sie, Frau Lenke, Sie, Frau Golze, und Sie, Frau Haßelmann, die Bilanz anders sehen, kann ich nachvollziehen. ({2}) Aber insgeheim werden Sie mir sicherlich recht geben. ({3}) Wir haben einen Familienbegriff zugrunde gelegt, der nicht nur die Tatsache berücksichtigt, dass Eltern und Kinder zusammenleben, sondern darüber hinaus vom Zusammenleben mindestens dreier Generationen ausgeht. Dies war ein wichtiger Paradigmenwechsel, weil er der demografischen Entwicklung Rechnung trägt und den Zusammenhalt der Generationen betont. ({4}) Ich nenne die wichtigsten Punkte. Wir haben das Ganztagsschulprogramm fortgesetzt: 6 500 Grundschulen in Deutschland mit dem offenen Ganztag. Das sind noch keine Ganztagsschulen; ({5}) aber das hat im Bewusstsein und in der politischen Diskussion eine wirklich nachhaltige Änderung gebracht. Die Widerstände, die es vor allen Dingen aus den Reihen der Union vor Ort über Jahrzehnte gegeben hat, sind aufgebrochen worden. Dies gibt uns Zuversicht, dass wir das Instrument der Ganztagsschulen nutzen können, weil es besondere Fördermöglichkeiten für benachteiligte Kinder gewährleistet. ({6}) Das Kinderförderungsgesetz ist ein Meilenstein. RotGrün hat mit dem Tagesstättenausbaugesetz den Anfang gemacht und das ehrgeizige Ziel verfolgt, bis 2010 20 Prozent zu erreichen. In dieser Legislaturperiode haben wir noch einmal richtig draufgelegt und das mehr als ehrgeizige Ziel festgeschrieben, bis 2013 auf 35 Prozent zu kommen. In diesem Zusammenhang haben wir, was für uns Sozialdemokraten besonders wichtig war, den Rechtsanspruch durchgesetzt. ({7}) Dies ist, gerade was wiederum die Förderung benachteiligter Kinder anbetrifft, ein echter Meilenstein. Dass wir hier den Akzent auf die frühe Förderung gesetzt haben, ist ein ganz entscheidender Fortschritt. Dass wir dabei gleichsam als Anmerkung einen Hinweis auf das Betreuungsgeld ins Gesetz aufgenommen haben, war eine bayerische Kröte, die nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch Sie, Frau Ministerin, schlucken mussten. ({8}) Ich gehe davon aus, dass der nächste Bundestag, dem ich nicht mehr angehören werde, hier eine weise Entscheidung treffen und sich nicht an dem genannten Beispiel orientieren wird. ({9}) Ganz entscheidend - dies betone ich an dieser Stelle erneut - ist, dass wir neben der Familienpolitik die Bildungspolitik an die Stelle gerückt haben, an die sie gehört. Bildung ist in der Tat der Schlüssel. Vor über 40 Jahren hat der Philosoph Georg Picht ein Buch über den Bildungsnotstand geschrieben. Dieses Thema hat mich damals als jungen Lehrer umgetrieben. Es ist beschämend und erschreckend, dass sich an dieser Situation in 40 Jahren nichts grundlegend geändert hat. Deswegen müssen wir hier - wir tun es ja auch - einen neuen Anlauf nehmen. Im Übrigen müssen wir uns alle, egal welchem politischen Lager wir angehören und auf welcher politischen Verantwortungsebene wir tätig sind, an die Nase fassen, auch wenn man ein paar Jahre Ministerpräsident des Saarlandes war. Wir haben dieses Thema nicht angepackt; wir haben diese grundsätzliche Schwäche unseres Bildungssystems, nämlich dass die Bildungschancen in Deutschland von der sozialen Herkunft abhängig sind, leider nicht beseitigt und noch nicht einmal gemildert. ({10}) Deswegen ist das Kinderförderungsgesetz ein so entscheidender Schritt nach vorne. Das Elterngeld. Ich freue mich, dass Sie, Frau Ministerin, Renate Schmidt in diesem Zusammenhang genannt haben. Das Elterngeld ist in der Tat eine Initiative der SPD, namentlich von Renate Schmidt. Es ist hier schon genügend vorgestellt und gewürdigt worden. Es hat sich in der Tat in den Köpfen der jungen Männer etwas verändert. Ich sehe es an unseren beiden Söhnen. Sie haben eine ganz andere Einstellung zu den Kindern und zu den Erziehungsaufgaben der Väter. Deswegen hat es mich nicht erstaunt, dass das Angebot in einem solch erfreulichen Umfang von den Vätern angenommen wird. ({11}) Frau von der Leyen hat vorhin schon darauf hingewiesen, wie wichtig es war, dass wir bei den Frühen Hilfen, beim Frühwarnsystem vorangekommen sind. Ich beobachte das auch bei mir zu Hause im Kreis Herford. Da ist wirklich etwas in Bewegung gekommen. Der Anstoß kam von der Bundesebene. Dass das novellierte Kinderschutzgesetz in absehbarer Zeit hier ergänzend verabschiedet wird, sei nur noch erwähnt. ({12}) Das Kindergeld. Die Erhöhung der Freibeträge und dementsprechend die Erhöhung des Kindergeldes waren eine zwangsläufige Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Natürlich hätten wir Sozialdemokraten uns eine andere Gestaltung des Kindergeldes vorstellen können: gleicher Betrag für jedes Kind. Das ist in der Großen Koalition nicht durchsetzbar gewesen. Das wird sicherlich eine Aufgabe der Zukunft sein. Es war leider genauso wenig durchsetzbar, beim Ehegattensplitting Veränderungen vorzunehmen. Der Staat soll selbstverständlich die Ehe schützen und fördern. Aber ich will an einem Punkt deutlich machen, wie verquer die ganze Regelung ist. Wenn beide Ehepartner gleich viel verdienen, dann ist die steuerliche Förderung der Ehe gleich null. ({13}) Da kann doch irgendetwas nicht stimmen. Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand. ({14}) Wir müssen da also ran. Das war aber in dieser Koalition bislang - leider - noch nicht möglich. ({15}) Die Ausweitung des Kinderzuschlages und die deutliche Anhebung des Wohngeldes - beides gehört zusammen - zum 1. Januar 2009 sind weitere wichtige Maßnahmen, die wir in dieser Großen Koalition in diesen gut drei Jahren auf den Weg gebracht haben. Auch das ist ein Erfolg, den wir uns sicherlich zugute halten lassen können. Schulbedarfspaket. Da will ich ganz offen einräumen, dass wir es für richtig halten. Es war ein längst überfälliger Schritt. Aber es ist uns in der Großen Koalition nicht gelungen - das möchte ich an dieser Stelle frank und frei sagen -, die Regelsätze und die Ermittlung der Regelsätze insbesondere für Kinder tatsächlich auf den Prüfstand zu stellen und zu verändern. Möglicherweise wird uns ein höchstrichterliches Urteil dazu zwingen. Das scheint absehbar zu sein. Ich halte es für bedauerlich, dass womöglich erst ein Urteil uns dazu bringt, dieses endlich zu vollziehen. Für den Zusammenhalt der Generationen ist das Mehrgenerationenhaus ein Beispiel und Impulsgeber. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Anträge der Linken eingehen. Was Frau Golze hier vorgetragen hat, klang sehr sympathisch. Eines hat sie aber vergessen. Sie hat keine Zahlen genannt. Allein die Kosten, die die Vorschläge in Ihren beiden Anträgen zum Einzelplan 17 verursachen würden, belaufen sich auf annähernd 6 Milliarden Euro jährlich. Der gesamte Haushalt unseres Einzelplans umfasst gerade einmal 6,3 Milliarden Euro. Das wäre also mal eben locker eine Verdoppelung. Dazu sollen 18 Milliarden Euro Mehrausgaben jährlich für Bildung, 9 Milliarden Euro für SGB II und XII und 38 Milliarden Euro für die Rente kommen. Ich werde es noch erleben - wir werden noch ein halbes Jahr Sitzungswochen im Deutschen Bundestag haben -, dass Sie endlich Ihr Ziel erreichen werden, dass Ihre Forderungen nach jährlichen Mehrausgaben die Höhe des jetzigen Bundeshaushalts übertreffen werden. Das wäre dann schlicht eine Verdoppelung. Wie soll man das nennen? Ich möchte mich im parlamentarischen Rahmen bewegen. Vorhin hat uns eine Ihrer Rednerinnen Doppelmoral vorgeworfen. Ich meine, man sollte mit solchen Vorwürfen vorsichtig sein. Ich nenne das, was Sie hier machen, auch Doppelmoral. Das sind wirklich Versprechungen im absolut luftleeren Raum. ({16}) Wenn jemand irgendwo in diesem Land etwas fordert - mag es inhaltlich auch noch so wenig begründbar sein -, dann greifen Sie das auf, formulieren hier mal locker einen Antrag und warten eigentlich immer nur darauf, dass wir diese Anträge ablehnen müssen, weil wir auch eine Verantwortung hinsichtlich der Finanzen und eine Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen haben. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Spanier.

Wolfgang Spanier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002803, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das scheinen Sie zu vergessen. Herzlichen Dank. - Herr Präsident, Entschuldigung. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort erhält jetzt der Kollege Kai Gehring von Bündnis 90/Die Grünen.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Spanier, für Ihre nachdenklichen und zum Teil auch selbstkritischen Worte möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Frau Ministerin, an Sie gerichtet, möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen: Obwohl Sie Kleckerbeträge draufgelegt haben, stellen Sie sich mit diesem Haushalt im Bereich der Jugendpolitik selber ein Armutszeugnis aus. ({0}) Weder verfolgen Sie eine Strategie gegen die zunehmende Armut von Jugendlichen, noch setzen Sie Prioritäten bei deren sozialer und beruflicher Integration. Viel zu viele Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich in sinnlosen Warteschleifen oder müssen 1-EuroJobs machen. Sie sind in diesen Warteschleifen geparkt. Das ist für die Betroffenen demotivierend und kommt die Gesellschaft teuer zu stehen. Deshalb fordern wir, dass der Vorrang für die Vermittlung junger Arbeitslosengeld-II-Bezieher in eine Ausbildung endlich gesetzlich festgeschrieben wird. Da fragen wir uns schon: Wo bleibt da die Initiative der Bundesjugendministerin, zusammen mit dem Arbeitsminister und der Bildungsministerin, für diese Jugendlichen? - Sie sollten hier nicht über den Aufstieg durch Bildung schwadronieren, sondern Sie sollten ihn als Bundesregierung endlich organisieren. ({1}) Angesichts der Vergeudung von Lebenschancen der Jugendlichen können Sie als Jugendministerin nicht schweigen und wegsehen. Anstatt die jugendpolitischen Scheuklappen bei der Arbeit in Ihrem Ministerium weiter zu tragen, sollten Sie sich bei unseren grünen Anträgen bedienen und unsere Vorschläge aufgreifen, die zeigen, wie die Lage armer und benachteiligter Jugendlicher verbessert werden kann. ({2}) Frau Ministerin, Sie dürfen zum Beispiel das Programm „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ nicht einfach streichen, sondern Sie müssen es fortsetzen und fortentwickeln. Nur so kann der Bund auch weiterhin Verantwortung dafür übernehmen, dass es eine starke Jugendhilfe gibt und dass mehrfach benachteiligten Jugendlichen tatsächlich geholfen wird. Sie müssen besser unterstützt werden. Dafür brauchen wir starke Initiativen. ({3}) Ebenso wie in der gesamten Jugendpolitik erwarten wir auch, dass beim Zivildienst und bei den Freiwilligendiensten endlich mehr geschieht und Sie uns nicht jedes Jahr aufs Neue Ihre konservativen Ladenhüter vorstellen. Vielmehr sollten Sie uns endlich zukunftsfähige Konzepte anbieten. Es ist so, dass sich die Wehrungerechtigkeit in den Zeiten dieser Großen Koalition von Jahr zu Jahr verschärft hat. ({4}) Das geht jedes Mal auf Kosten der Ausbildungschancen junger Menschen. Da sind wir uns, die Vertreter der Opposition, völlig einig. ({5}) Es gibt in diesem Deutschen Bundestag längst eine parlamentarische Mehrheit, um endlich aus der Wehrpflicht auszusteigen, die Freiwilligendienste massiv aufzustocken und den Zivildienst entsprechend umzuwandeln. Das ist eine Gegenkonzeption, von der ich mir wünschen würde, dass man den Mut hat, das endlich in diesem Land umzusetzen, um damit das Engagement Jugendlicher stärker zu fördern und anzuerkennen. ({6}) Frau Ministerin, ich würde mir auch wünschen, dass Sie Jugendliche als Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und sie nicht bevormunden. Starten Sie endlich eine Ausbauoffensive für demokratische Jugendarbeit in unserem Land! Anderenfalls überlassen Sie das Feld den Rechtsextremisten, die Jugendliche für ihre menschenverachtende Ideologie ködern wollen. Ich finde es schade, dass Sie unsere Vorschläge, zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus gezielt zu fördern und diesen eine direkte Antragsmöglichkeit bei der Mittelvergabe zu eröffnen, in den letzten Jahren immer wieder aus ideologischen Gründen abgelehnt haben. Sie sind damit konzeptionslos umgegangen. Das ist aus unserer Sicht verantwortungslos und reicht nicht aus, um Rechtsextremismus in diesem Land wirklich zu bekämpfen und eine demokratische Jugendkultur zu fördern. ({7}) Diese brauchen wir aber dringend; denn wir benötigen Nachwuchs für die Demokratie. Ein letzter Punkt. Seit Roland Koch Jugendliche mit Migrationshintergrund skrupellos in seinem Wahlkampf instrumentalisiert hat, ({8}) hat die Bundesjugendministerin ein Jahr lang zum Thema Jugendgewaltprävention geschwiegen. Es ist schon ein starkes Stück, dass Sie vorgestern zusammen mit Herrn Schäuble einmal ganz locker eine PR-Aktion zum Thema Jugendgewalt gestartet haben, in der Sie zum Ausdruck bringen, dass Sie den Extremismus allein über das Ehrenamt bekämpfen wollen. Das wird nicht ausreichen. Da Sie gleichzeitig einzelne Programme zur Prävention und zur Jugendarbeit auslaufen lassen, ist das wieder nur ein typischer PR-Gag. Das reicht überhaupt nicht aus, um eine entsprechende Jugendgewaltprävention zu betreiben. Die Jugendlichen hierzulande haben es nicht verdient, von Ihnen weitgehend ignoriert zu werden. Das spiegelt dieser Haushalt wie alle vorherigen Haushalte auch wider. Das wird der jungen Generation nicht gerecht. Stellen Sie endlich Kinder und auch Jugendliche in den Mittelpunkt Ihrer Politik, anstatt sie großkoalitionär im Regen stehen zu lassen! Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Singhammer von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wichtigste, erfreulichste, mutmachendste, kurzum, die schönste Zahl im Haushalt für das kommende Jahr ist die der Steigerung der Ausgaben des Elterngelds: 225 Millionen Euro sind für das kommende Jahr zusätzlich eingeplant. Ich glaube, da wird es auch dem ansonsten verschlossensten Haushälter warm ums Herz. ({0}) Warum ist das so? Diese 225 Millionen Euro werden deshalb mehr eingeplant, weil aller Voraussicht nach mehr Elterngeld beantragt werden wird. Mehr Elterngeld wird deshalb beantragt, weil voraussichtlich mehr Kinder geboren werden. ({1}) Seit dem Jahr 1964 haben wir bei der Zahl der Geburten einen Rückgang zu verzeichnen; manche sprechen auch von einem freien Fall. Seit der Einführung des Elterngelds erstmals 2007 gibt es eine Trendwende - zwar auf einem niedrigen Niveau, aber immerhin. In diesem Jahr hat sich die Trendwende fortgesetzt. Die Prognosen für das kommende Jahr lassen, wie dieser Haushaltsplan zeigt, einen weiteren Anstieg erwarten. Das ist deshalb schön, weil wir in einer Zeit leben, in der viele eine Krise heraufziehen sehen, in der Unheilspropheten nicht müde werden, apokalyptische Szenarien zu entwickeln. Gleichzeitig gibt es nichts Mutmachenderes, als wenn sich junge Menschen entschließen, Kinder zu bekommen, weil sie damit ihr Vertrauen nicht nur in die eigene Partnerschaft, sondern auch in die Zukunft unseres Landes dokumentieren. ({2}) Es wird immer an der Kindergelderhöhung im kommenden Jahr herumgemäkelt. Mindestens 120 Euro mehr im Jahr und, je nach Kinderzahl, 240 Euro, 432 Euro oder 624 Euro mehr für Familien mit mehr Kindern - das ist nicht nur Symbolpolitik, sondern effektiv mehr. ({3}) Natürlich kann man daran herummäkeln und fordern, man müsse noch mehr machen. Führen Sie, liebe Kollegen von der Opposition, sich die Zahlen einmal vor Augen: Elterngeld - 300 Euro mindestens - und erhöhtes Kindergeld zusammengenommen, das bedeutet für die ersten zwölf Monate beim ersten Kind mindestens 464 Euro im Monat. Man kann zwar sagen, dass das immer noch zu wenig ist, aber Sie müssen doch feststellen, dass damit die Zeit des Abwartens, der Pausen und des Verzögerns vorbei ist. Hier wird nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr zeigt das. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Singhammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Gruß?

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Gruß.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Singhammer, Sie haben gerade Beträge genannt, die den Familien jetzt angeblich zur Verfügung stehen. Sind Sie ungeachtet der Koalition in Bayern geneigt, zur Kenntnis zu nehmen, dass die CSU zusammen mit SPD und CDU in den letzten drei Jahren mit insgesamt 19 Steuererhöhungen dafür gesorgt hat, dass einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie auf der anderen Seite 1 600 Euro mehr aus der Tasche gezogen wurden? ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Kollegin Gruß, wollen Sie bei Ihren Überlegungen zur Kenntnis nehmen, dass mit dem schon beschlossenen Kinderzuschlag, dem Schulbedarfspaket, der Kindergelderhöhung, dem Ausbau der Kinderbetreuung, ({0}) dem beabsichtigten Betreuungsgeld und dem Umstand, dass die Kindergartenplätze in den Ländern nach und nach - hoffentlich - kostenfrei werden, ({1}) in den letzten Jahren wesentlich mehr passiert ist als in den Jahren zuvor? ({2}) Sind Sie bereit, zumindest zuzugestehen, dass nach sieben Jahren der Durststrecke in Bezug auf Kindergelderhöhungen im kommenden Jahr das Kindergeld endlich wieder erhöht wird? ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Erlauben Sie eine zweite Zwischenfrage der Frau Gruß?

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde jetzt gerne weitermachen. ({0}) An dieser Stelle sage ich aber auch: Geld allein ersetzt nicht mehr Kinderfreundlichkeit in unserem Land. Ohne Geld und ohne einen Ausgleich für die ständig steigenden Kosten ist mehr Kinderfreundlichkeit aber schwer vorstellbar. Ich freue mich, dass es nach vielen Jahren des Stillstands, nach mehr als zehn Jahren gelungen ist, bei den Mitteln für die Stiftung „Mutter und Kind“ 5 Millionen Euro draufzusatteln. ({1}) Dabei geht es nicht um Nebensächliches, sondern darum, jemandem zu helfen, der sich in einem schwierigen Abwägungsprozess befindet. Es geht darum, schwangeren Frauen eine finanzielle Unterstützung anzubieten. ({2}) An dieser Stelle sage ich aber auch: Wir wissen, dass alle Steigerungen im Haushalt, dass alle staatlichen Maßnahmen nicht das aufwiegen können, was die Eltern an Fürsorge, Liebe und Erziehung ihren Kindern angedeihen lassen. ({3}) Deshalb sage ich gerade in einer Haushaltsdebatte: Das, was wir vorhaben, sind keine Almosen, sind keine Wohltaten. ({4}) Das ist das, was der Staat den Familien schuldet. Wir sagen den Familien, die wesentlich mehr leisten, die wesentlich mehr tun, gleichzeitig Danke schön. Ich denke an die Mütter und die Väter, die heute früh, an diesem Donnerstag, früher als ihre Kinder aufgestanden sind, um ihnen ein Pausenbrot zu machen. Ich denke an die Eltern, die sich krummlegen und ein paar Stunden länger arbeiten, damit ihre Kinder es besser haben. Ich möchte diesen Eltern im Rahmen der Haushaltsberatungen an dieser Stelle sagen: Danke schön. Ohne eure Leistung wäre das alles nichts. Wir brauchen euch. Danke. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner zu diesem Einzelplan hat das Wort der Kollege Sönke Rix von der SPD-Fraktion.

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Schönen Dank, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Singhammer, natürlich muss die Politik den Eltern danken. Wir müssen aber auch den engagierten Menschen in den Kindertagesstätten und den Ganztagsschulen, die sich um die Kinder kümmern, immer mal wieder Danke sagen. Ich glaube, es ist ein Gesamtkunstwerk, dass wir uns alle gemeinsam als Gesellschaft um die Kinder kümmern. ({0}) Im Rahmen der Haushaltsberatungen, nachdem der Regierungsentwurf vorgelegen hat, haben wir ein paar Veränderungen gemeinsam innerhalb der Koalition vorgenommen. Ich will hier auf einige eingehen, die die Vorredner schon genannt haben. Wir nehmen mehr Geld in die Hand für die generationenübergreifenden Freiwilligendienste bzw. die - sie heißen jetzt anders - Freiwilligendienste aller Generationen. Wir alle gemeinsam haben erkannt, dass es hier gute Ansätze gibt, um nicht nur junge Menschen für Freiwilligendienste zu begeistern, sondern eben auch ältere Menschen. Deshalb sind eine Verdoppelung der Projekte und 750 000 Euro mehr ein sehr guter Ansatz. ({1}) Leider hat es vorher im Haushalt eine Kürzung im Bereich NAKOS - das ist die Organisation, die den Selbsthilfegruppen Infrastruktur bietet - gegeben. Die hier vorgesehenen 260 000 Euro sind wenig Geld im Verhältnis zum großen Haushalt. Man hätte diese Strukturen, die Selbsthilfegruppen, die so sinnvoll sind, beinahe zerschlagen. Auf Druck der SPD haben wir dieses Geld wieder in den Haushalt eingestellt. Ich finde, wir haben da eine gute gemeinsame Leistung erbracht. ({2}) Auch die Mittel für die Bekämpfung des Rechtsextremismus und des Antisemitismus haben wir nicht gekürzt. Wir haben in dieser Legislaturperiode - das war erst vor ein paar Wochen - einen Antrag zum Thema Antisemitismus verabschiedet. Darin haben wir die Forderung aufgestellt, dass wir die Projekte, die im Moment zum Thema Antisemitismus laufen - das sind die Projekte gegen rechts, für Demokratie und für Toleranz -, daraufhin prüfen, ob wir sie verstetigen, ob wir eine dauerhafte Förderung vorsehen. Hier haben wir einen riesigen Schritt getan. Ich hoffe, wir kommen da gemeinsam zu guten Zielen. ({3}) Wenn ich über den KJP, über den Bereich Jugend, spreche, dann muss ich erwähnen, dass wir 1 Million Euro mehr für Jugendliche mit Migrationshintergrund, für Projekte, die sich speziell um diese Jugendlichen kümmern, haben einstellen können. Das ist ein guter Ansatz. Im KJP sind auch die Mittel für die Jugendverbandsarbeit enthalten. Wir sagen, wenn wir dort zu Gast sind, immer gern, dass die Verbände ein wichtiger und starker Partner für die Arbeit des Jugendund Familienministeriums sind. Deshalb bitte ich umso stärker, bei der Verteilung der Mittel für die Jugendverbände darauf zu achten, dass sie weiterhin ein starker Partner bleiben, auch wenn sie manchmal kritische Meinungen gegenüber unserer Politik äußern. ({4}) In einem Punkt waren wir uns in der Großen Koalition leider nicht einig. Wir haben in der, glaube ich, vorSönke Rix letzten Legislaturperiode einen Beschluss gefasst, dass mehr Mittel für Freiwilligendienste, für in diesem Rahmen tätige Jugendliche bereitgestellt werden sollen. Wir haben in den letzten Jahren nur zaghaft ein paar Millionen draufgelegt. Die Trägerorganisationen und die Einrichtungen hätten es verdient, dass wir hier deutlich mehr Mittel in die Hand nehmen und nicht immer nur in Sonntagsreden sagen, wie wichtig das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr sind. Nein, hier hätten wir an die Trägerorganisationen und vor allen Dingen an die Jugendlichen selbst ein Signal setzen können. Wir hätten ihnen sagen können: Hier macht ihr gute Arbeit; das ist ein guter Punkt. Wir haben uns leider mit der Union nicht einigen können, mehr Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. ({5}) Aber hier ist noch nicht aller Tage Abend. Wir haben noch Gelegenheit, in dem Bereich mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. ({6}) In der vergangenen Debatte war öfter das Schulbedarfspaket angesprochen worden. Es wurde zu Recht kritisiert, dass es für Schüler im 11., 12. und 13. Jahrgang nicht gelten soll. Dies ist ein zweiter Punkt, bei dem wir uns mit der Union leider nicht einigen konnten. Für die Sozialdemokraten ist klar: Auch Kinder aus Familien mit Geringverdienern haben das Anrecht, Abitur zu machen. Deshalb sollten wir das Schulbedarfspaket auf Schüler des 11., 12. und 13. Jahrgangs ausweiten; auch für diese Schüler sollte es gelten. ({7}) Es ist schön, wenn man einmal vor einem so vollen Haus sprechen darf; aber meine Redezeit ist abgelaufen. Ich hätte noch jede Menge Punkte nennen können, bei denen wir uns einig sind oder vielleicht auch nicht einig sind. Aber wir machen trotzdem immer wieder richtige und gute Schritte im Bereich der Familien- und Jugendpolitik. Ich finde, daran sollten wir alle gemeinsam weiterarbeiten. Schönen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/11058? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/11051? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist ebenfalls bei Zustimmung der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11057. Die Fraktion Die Linke hat namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführer und Schriftführerinnen, ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt, unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den dritten Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zum Einzelplan 17, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bekannt: abgegebene Stimmen 526. Mit Ja haben gestimmt 40, mit Nein haben gestimmt 486. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 526; davon ja: 40 nein: 486 Ja DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Paul Schäfer ({0}) Volker Schneider ({1}) Dr. Petra Sitte Alexander Ulrich fraktionslose Abgeordnete Henry Nitzsche Gert Winkelmeier Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({2}) Veronika Bellmann Clemens Binninger Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({3}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({4}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({5}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({6}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({7}) Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({8}) Volker Kauder Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({9}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({10}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({11}) Dr. Michael Meister Friedrich Merz Laurenz Meyer ({12}) Maria Michalk Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({13}) Stefan Müller ({14}) Dr. Gerd Müller Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Eckhardt Rehberg Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({17}) Ingo Schmitt ({18}) Dr. Andreas Schockenhoff Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Matthäus Strebl Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({19}) Gerald Weiß ({20}) Ingo Wellenreuther Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({21}) Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({22}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({23}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({24}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf ({25}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({26}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({27}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({28}) Frank Hofmann ({29}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Brunhilde Irber Johannes Jung ({30}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({31}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({32}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({33}) Michael Müller ({34}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Steffen Reiche ({35}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({36}) Ortwin Runde Anton Schaaf Bernd Scheelen Marianne Schieder Ulla Schmidt ({37}) Silvia Schmidt ({38}) Renate Schmidt ({39}) Heinz Schmitt ({40}) Carsten Schneider ({41}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({42}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Dr. Peter Struck Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jörn Thießen Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({43}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Engelbert Wistuba ({44}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Daniel Bahr ({45}) Uwe Barth Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({46}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({47}) Markus Löning Dr. Erwin Lotter Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto ({48}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Dr. Daniel Volk Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({49}) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({50}) Birgitt Bender Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Bettina Herlitzius Peter Hettlich Priska Hinz ({51}) Ulrike Höfken Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({52}) Markus Kurth Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({53}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Claudia Roth ({54}) Manuel Sarrazin Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Damit kommen wir nun zur Abstimmung über den Einzelplan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt da- für? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 17 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- nen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen ange- nommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte VII a und b sowie Zusatzpunkt 3 auf: VII a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Humanitäre Entschädigungslösung für mit HCV infizierte Hämophilieerkrankte schaffen - Drucksache 16/10879 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit ({55}) Ausschuss für Arbeit und Soziales b) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({56}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({57}) Energiespeicher - Stand und Perspektiven Sachstandsbericht zum Monitoring „Nachhaltige Energieversorgung“ - Drucksache 16/10176 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({58}) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neuer Schwung für die Klimaverhandlungen Poznan zum Erfolg machen - Drucksache 16/11024 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({59}) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen, wobei die Vorlage auf Drucksache 16/10176 federführend beim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie beraten werden soll. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Die Vorlage auf Drucksache 16/11024 soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, zur Mitberatung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist auch diese Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte VIII a bis o auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt VIII a: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes ({60}) - Drucksache 16/7252 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({61}) - Drucksache 16/10690 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({62}) Dr. Gesine Lötzsch Alexander Bonde Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/10690, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 16/7252 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Geschäftsführer, aufpassen! - Es stimmt also keiner zu. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Was machen Die Linken? ({63}) Wünschen Sie, dass ich die Abstimmung wiederhole? ({64}) - Stimmt, Herr Tauss; da gebe ich Ihnen ausnahmsweise recht. ({65}) Wir wiederholen also die Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Zustimmung der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt VIII b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb - Drucksache 16/10145 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({66}) - Drucksache 16/11070 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Günter Krings Dirk Manzewski Wolfgang Nešković Jerzy Montag Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11070, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/10145 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen. Tagesordnungspunkt VIII c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({67}) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Link ({68}), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Das Instrument der Wahlbeobachtungen durch die OSZE darf nicht geschwächt werden - ODIHR muss handlungsfähig und unabhängig bleiben - Drucksachen 16/7001, 16/10919 Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Grund Uta Zapf Harald Leibrecht Monika Knoche Marieluise Beck ({69}) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/10919, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7001 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII d: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dorothée Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bahnchef Mehdorn ablösen - Bundesminister Tiefensee entlassen - Börsengang der Deutschen Bahn AG endgültig absagen - Drucksache 16/10848 Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Fraktion Die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt VIII e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({70}) Sammelübersicht 474 zu Petitionen - Drucksache 16/10856 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 474 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({71}) Sammelübersicht 475 zu Petitionen - Drucksache 16/10857 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch Sammelübersicht 475 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({72}) Sammelübersicht 476 zu Petitionen - Drucksache 16/10858 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 476 ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt VIII h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({73}) Sammelübersicht 477 zu Petitionen - Drucksache 16/10859 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 477 ist bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen mit den übrigen Stimmen aller Fraktionen. Tagesordnungspunkt VIII i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({74}) Sammelübersicht 478 zu Petitionen - Drucksache 16/10860 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 478 ist einstimmig angenommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Tagesordnungspunkt VIII j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({75}) Sammelübersicht 479 zu Petitionen - Drucksache 16/10861 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch Sammelübersicht 479 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({76}) Sammelübersicht 480 zu Petitionen - Drucksache 16/10862 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 480 ist bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen. Tagesordnungspunkt VIII l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({77}) Sammelübersicht 481 zu Petitionen - Drucksache 16/10863 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 481 ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt VIII m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({78}) Sammelübersicht 482 zu Petitionen - Drucksache 16/10864 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 482 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt VIII n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({79}) Sammelübersicht 483 zu Petitionen - Drucksache 16/10865 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 483 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt VIII o: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({80}) Sammelübersicht 484 zu Petitionen - Drucksache 16/10866 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 484 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt II. 14 auf: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - Drucksachen 16/10412, 16/10423 Berichterstattung: Abgeordnete Bartholomäus Kalb Norbert Königshofen Dr. Claudia Winterstein Anna Lührmann Zum Einzelplan 12 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir morgen nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Dr. Claudia Winterstein, FDP-Fraktion, das Wort. ({81})

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben die letzten Haushaltsberatungen vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr. Herr Minister Tiefensee, wenn man sich Ihre Bilanz nach drei Jahren Regierungszeit ansieht, kann man davon ausgehen, dass es für Sie die letzten Haushaltsberatungen im Amt des Verkehrsministers sein werden. Pleiten, Pech und Pannen haben Ihre Amtszeit geprägt. Ich nenne nur die jüngsten Fälle. Bonuszahlungen für Bahnmanager: Sie wollten sich als edler Ritter darstellen und wetterten gegen die Boni für den Bahnvorstand im Fall des Bahnbörsenganges, nur leider viel zu spät. Sie haben bereits viel früher von den Bonusplänen gewusst und hätten das Problem entschlossen aus der Welt schaffen können. Stattdessen haben Sie sich in Widersprüche verwickelt und sogar Ihren Staatssekretär als Bauernopfer entlassen, ({0}) um Ihre eigene Haut zu retten. Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern schlichtweg unwürdig für einen Minister. ({1}) Verschiebung des Bahnbörsenganges: Es ist in letzter Zeit billige Masche der Regierung, die Schuld für alles Mögliche in der Finanzkrise zu suchen. Wir stimmen mit Ihnen überein, dass ein Verkauf von Bahnaktien in diesem Herbst nicht die 5 Milliarden Euro eingebracht hätte, die mindestens nötig gewesen wären. Der Grund dafür ist aber das schlechte Privatisierungskonzept der Bundesregierung. Das Scheitern der Bahnprivatisierung in dieser Legislaturperiode ist das größte Desaster Ihrer Amtszeit. ({2}) Jetzt kommen diese Woche undurchsichtige Zahlungen an Beraterfirmen hinzu, übrigens nicht das erste Mal in Ihrem Hause. Herr Tiefensee, Sie haben sich und Ihr Ministerium ganz offensichtlich nicht im Griff. Das gilt auch für Ihren Haushalt. Der Haushalt des Verkehrsministeriums ist der Etat, der am stärksten vom sogenannten Konjunkturpaket profitiert: 1 Milliarde Euro mehr für Investitionen in 2009, 1 Milliarde Euro mehr in 2010. Je 11 Milliarden Euro können in den beiden nächsten Jahren in Straße, Schiene und Wasserstraße investiert werden. Das ist eine sehr positive Nachricht. Aber was kommt danach? 2011 sollen die Investitionen schon wieder sinken, und zwar auf ganze 9,8 Milliarden Euro. Sie wissen ganz genau, dass das zu wenig ist. ({3}) Allein für die Straße empfehlen Verkehrsexperten jährliche Investitionen in Höhe von 7 Milliarden Euro. Aktuell sind es aber weniger als 5 Milliarden Euro. Es ist kaum zu glauben: Im Jahre 2004, als es die Maut noch nicht gab und Rot-Grün an der Regierung war, lagen die Investitionen für die Straße höher als heute. ({4}) Dabei hätten Sie längst höhere Investitionen realisieren können, wenn Sie die Einnahmen aus der Lkw-Maut konsequent für den Ausbau der Infrastruktur genutzt hätten. Ich erinnere noch einmal daran: Die Mauteinnahmen waren ursprünglich als zusätzliche Mittel für die Verkehrsinfrastruktur gedacht. Daran haben Sie sich aber nicht gehalten. Im Gegenteil: Die Mauteinnahmen verschwinden zum großen Teil im Haushalt. Das ist Mautbetrug; das werfe ich Ihnen auch heute wieder vor, Herr Minister. ({5}) - Das kommt noch, im nächsten Jahr. Sie werden sich wundern. ({6}) Bei der Bahn gehen Sie in gleicher verantwortungsloser Weise mit dem Geld der Steuerzahler um. Nach unzähligen Versuchen liegt nun eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor, in der die Zahlungen des Bundes an die Bahn für das Schienennetz geregelt werden. 2,5 Milliarden Euro sollen jährlich fließen. ({7}) Leider aber hat die Vereinbarung einige Macken. Sie wird nichts an der Situation ändern, dass die Bahn unattraktive Strecken verrotten lässt, obwohl sie jährlich Milliardenzuschüsse aus dem Steuertopf erhält. ({8}) Die Vereinbarung enthält keine ausreichenden Kontrolloder Sanktionsmöglichkeiten für den Bund, um den Einsatz des Geldes wirkungsvoll zu prüfen. Das halte ich für sehr fahrlässig, Herr Minister. ({9}) Die Vereinbarung wird auch nichts an der Situation ändern, dass der Bund jährlich auf Millionensummen verzichtet, weil er die Mittel an die Bahn als Zuschüsse zahlt und nicht als Darlehen vergibt, die die Bahn dann zurückzahlen müsste. Sie verschenken hier einfach Millionen von Steuergeldern. Der Rechnungshof weist schon seit Jahren darauf hin, dass die Vergabe von Darlehen die Regel ist, und bis Ende der 90er-Jahre ist auch so verfahren worden. Die FDP hat deswegen den Antrag gestellt, der Bahn wieder Darlehen statt Zuschüsse zu gewähren. Durch die Rückzahlungen wären dann pro Jahr etwa 750 Millionen Euro mehr in der Kasse. Aber die Koalition ist offenbar der Meinung, dass solche - um einmal den Bahnjargon aufzunehmen - „Möhrchen“ nicht weiter ins Gewicht fallen. Herr Tiefensee, Ihr leichtfertiger Umgang mit öffentlichen Mitteln verdeutlicht noch einmal Ihre Unfähigkeit im Amt des Ministers. ({10}) Die Diskussion um Ihre Person und die Rücktrittsforderungen haben sehr wohl berechtigte Gründe. Die Tatsache, dass Sie überhaupt noch im Amt sind, verdanken Sie vor allem dem anstehenden Wahljahr. Vielen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Frank Schmidt spricht jetzt für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Frank Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003473, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Claudia Winterstein, ({0}) da Sie eben rhetorisch den Bundesminister Wolfgang Tiefensee angegriffen haben, muss man auf eines hinweisen: Sie in der FDP gehören doch zu denen, die sich im nächsten Jahr aufgrund dessen, dass ein Rekordetat hinsichtlich der Investitionen ansteht, bei Pressefotos genüsslich mit auf das Bild drängen und dabei sein wollen, wenn dieser Bundesminister den Spatenstich macht. ({1}) Das ist der beste Beweis dafür, wie man hier im Parlament mit den Dingen umgeht: Auf der einen Seite wird auf alles eingedroschen, auf der anderen Seite ist man gerne dabei, wenn Positives bewegt wird. ({2}) Mit diesem Bundeshaushalt wird viel Positives bewegt. Wir haben nach dem Mautkompromiss, den wir Gott sei Dank erzielt haben, und der Einstellung zusätzlicher Bundesmittel einen starken Einzelplan 12 vorlegen können. Dieser Rekordinvestitionsetat kommt ohne Luftbuchungen aus; das muss man sehr deutlich hervorheben. Einige Fraktionen hier im Deutschen Bundestag haben noch mehr gefordert. Aber wir haben sehr deutlich gemacht: Wir können nur das etatisieren - das haben wir auch im Haushaltsausschuss gesagt -, was auch ausgegeben werden kann. Es ist natürlich das Vorrecht der Opposition, zu fordern, die Steuern zu senken, die Investitionen zu erhöhen und gleichzeitig die Neuverschuldung abzubauen. Aber diese Rechnung geht nun einfach nicht auf, liebe Freunde; das ist nicht möglich. Das kann die Bundesregierung nicht umsetzen. Natürlich kann man den Minister angreifen. Natürlich kann man hier die eine oder andere Forderung stellen. Aber all das geht ins Leere: Wir haben einen guten Bundesminister. Wir haben eine gute Regierung, und mit dem Einzelplan 12 wurde ein hervorragender Investitionsetat vorgelegt, der sich sehen lassen kann. ({3}) Ich will aber auch auf die Ansätze selber eingehen. Wir haben - ich habe es eben gesagt - realistische Ansätze eingebracht. Das sieht man allein daran, dass wir zum Beispiel für die Straße einen höheren Barmittelanteil als VEs eingestellt haben, weil wir hier schneller anfangen können. Bei der Schiene hingegen haben wir einen niedrigeren Barmittelansatz und einen höheren VE-Anteil eingebracht, weil wir nämlich wissen, dass im Schienenbereich Dinge etwas langsamer auf den Weg gebracht werden, weil die Vorplanungen intensiver sind. Das heißt, dass wir einen realistischen Ansatz gewählt haben. Es gab andere Fraktionen hier im Deutschen Bundestag, die mehr bereitstellen wollten. Nur, was nützt es, Geldmittel als Barmittel im Bundeshaushalt 2009 bereitzustellen, die überhaupt nicht ausgegeben werden können? Wir haben hier einen realistischen Ansatz gewählt, der die Antwort auf die gestiegenen Baupreise und die zahlreicheren Instandhaltungsmaßnahmen, die wir durchführen müssen, ist. Der Ansatz zeigt aber auch, dass wir neue Investitionen tätigen wollen. Ich weise hier darauf hin, dass wir allein 5,7 Milliarden Euro für die Straße bereitstellen. Das ist ein Rekordanteil. Hier steht eine Menge an. Das bedeutet aber nicht, dass nur Neubaumaßnahmen durchgeführt würden - darauf will ich ausdrücklich hinweisen -, es sind auch eine Menge Instandhaltungsmaßnahmen notwendig. Jeder von uns, der über die Autobahn zu seinem Wahlkreis fährt, weiß, was auf der rechten Spur los ist. Die ist in der Zwischenzeit nämlich ziemlich zusammengefahren worden. Wir müssen kräftig in die rechte Spur der Autobahnen investieren und Instandhaltungsmaßnahmen durchführen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein. Diese Instandhaltungsmaßnahmen können mit dem erhöhten Einzelplanansatz, den wir hier haben, durchgeführt werden. Sonst hätten wir das nicht tun können. Der Einzelplan 12 mit insgesamt 11 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen ist eine hervorragende Antwort auf die Herausforderungen, vor denen wir im nächsten Jahr stehen. ({4}) Im Bereich des Schienennetzes stellen wir insgesamt 4,1 Milliarden Euro bereit. Viele von uns haben teilweise Bahnhöfe in ihren Wahlkreisen, mit deren äußerlichem Bild es nicht unbedingt zum Besten bestellt ist. ({5}) Wir haben im Bundeshaushalt reagiert und ein Sonderprogramm zur Sanierung von Bahnhöfen aufgelegt. Das ist ein Teil dieser 4,1 Milliarden Euro. Darüber wurde lange Jahre geredet. Wir packen es jetzt an und bringen diese wichtige Maßnahme auf den Weg, mit der in ganz Deutschland die Bahnhöfe saniert werden. ({6}) Wir haben auch im Bereich Wasserstraßenbau kräftig zugelegt. Ich will auf das eine oder andere verweisen. Es ist notwendig, mehr Geld für den Wasserstraßenbau bereitzustellen, auch wenn die Vorplanungsmaßnahmen ihre Zeit brauchen. Allein im letzten Jahr wurden 12 Prozent mehr Gütertransporte über die Wasserstraßen abgewickelt. Das sind 12 Prozent mehr Gütertransporte, die nicht auf der Straße durchgeführt werden mussten. Das ist eine richtige Antwort zur richtigen Zeit. In einigen Regionen haben wir Schleusenkanäle und Schleusenanlagen, die noch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Diese bewältigen nicht mehr den Verkehr der Schiffe aus der heutigen Zeit. Wir müssen dringend Schleusen bauen, um für Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Wir müssen die Häfen besser als bisher an den Hinterlandverkehr anbinden. Hierfür stellen wir 1,2 Milliarden Euro bereit. Das ist gut investiertes Geld. ({7}) Auch im Bereich Städtebau haben wir die richtigen Akzente gesetzt. Insbesondere bei der Energieeinsparung können wichtige Maßnahmen durchgeführt werden. Ich erinnere nur an das äußerst erfolgreiche CO2Gebäudesanierungsprogramm. Das wurde vor vielen Jahren noch belächelt. In der Zwischenzeit müssen wir im Haushaltsausschuss jedes Jahr zur Jahresmitte aufstocken, weil wir zu wenig Geld bereitgestellt haben. Die Abfrage hat sich aufgrund der gestiegenen Energiepreise erheblich erhöht, und das Programm ist so erfolgreich, dass mit der über 1 Milliarde Euro, die wir in den beiden Jahren bereitstellen, mehr als das Zehnfache an entsprechenden Finanzmitteln bewegt wird. Das bedeutet Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft. ({8}) Wir konnten im Rahmen der Haushaltsberatung erreichen, dass wir die Mittel für den Stadtumbau West und den Stadtumbau Ost anheben konnten. Wir konnten den Investitionspakt von Bund, Ländern und Kommunen mit 300 Millionen Euro wesentlich besser ausstatten, und wir konnten Mittel für strukturschwache Kommunen bereitstellen, und zwar immerhin 150 Millionen Euro. Darauf weise ich ausdrücklich hin; denn nicht alle Kommunen sind auf Rosen gebettet. Was nützt ein zinsgünstiges Angebot von der KfW oder wem auch immer, wenn eine Kommune unter verschärfter Finanzaufsicht steht und gar keine Kredite aufnehmen darf? Wir haben in diesem Bundeshaushalt die richtige Antwort gefunden. Wir haben ein Bundesprogramm für strukturschwache Kommunen aufgelegt, damit auch diese Kommunen in den Genuss kommen können, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Das ist der richtige Weg. ({9}) Bei einem Programm bin ich besonders froh, dass es aufgelegt worden ist. Ich denke an das Programm zur Förderung seniorengerechten Wohnens, das wir in den letzten Haushaltsberatungen schon einmal andiskutiert haben. Man schaue sich an, wie sich unsere Gesellschaft verändert: Wir alle werden älter - gesünder älter, Gott sei Dank -, und wir wollen gerne dort älter werden, wo wir aufgewachsen sind, in unserer Heimatgemeinde. Dies bedingt aber, dass wir Möglichkeiten dafür schaffen, dass die eigenen vier Wände so umgebaut werden, dass man darin älter werden kann. Dieses neue Programm halte ich für bahnbrechend; denn es ist die richtige Antwort auf die Fragen der Zeit. Wir sind dadurch in der Lage, älteren Menschen die Möglichkeit zu verschaffen, in den eigenen vier Wänden alt zu werden. Das ist die drängende Frage der Zukunft. Es ist wichtig, dass dieser Bundeshaushalt mit einem großen Investitionsanteil für den Verkehr, den Städtebau und Weiteres ausgestattet ist. Wir alle können froh darüber sein, dass wir diesen Bundeshaushalt als richtige Antwort zur richtigen Zeit verabschieden können. Wir alle können uns im nächsten Jahr freuen, wenn Bundesminister Tiefensee mit seiner hervorragenden Mannschaft, darunter seine drei Parlamentarischen Staatssekretäre, bei uns in den Wahlkreisen auftaucht ({10}) und den einen oder anderen Spatenstich vornimmt, den wir uns schon seit Jahren wünschen. Plötzlich sind wir alle wieder einer Meinung: dass das ein hervorragendes Werk ist. Deswegen bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit. Alles Gute! Danke. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Roland Claus spricht jetzt für die Fraktion Die Linke. ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch dieser Haushaltsplan wird mit dem 1. Januar 2009 beginnen. Was wir heute beschließen, wird schon zu Beginn zu einem guten Stück veraltet sein. Wir lesen heute, dass die Kanzlerin die Koalitionsspitzen bereits zum 5. Januar zusammenruft. Seit Mitte September ticken auf dieser Welt die ökonomischen Uhren anders. Nur die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als hätte sie den Schuss nicht gehört und könnte mit einem „Weiter so!“ agieren. Ungewöhnlich häufig wird in dieser Haushaltsdebatte von staatlicher Verantwortung, gar von Verstaatlichung geredet. Bei diesem Begriff kann man sich unter anderem vorstellen, dass etwas Werthaltiges in die Hände des Staates genommen wird, um es zum Nutzen zu vermehren. Man muss hier erst einmal die Wahrheit aussprechen: Was wir im Moment machen, ist eine Verstaatlichung von Schulden. Wenn ich hier einmal, Frau Präsidentin, Karl Marx zitieren darf, dann würde ich das gerne tun. ({0}) - Für Sie ist es, glaube ich, ganz hilfreich, zuzuhören. Marx schrieb im Kapital: Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist - ihre Staatsschuld. Die Quelle kann ich nachliefern. ({1}) - Auch Sie wären gut beraten, sich mit dieser Quelle vertraut zu machen. ({2}) Wir reden hier über den Etat des Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der zuständige Bundesminister und Ostbeauftragte war während der ganzen Beratung des Etats vorwiegend mit dem Dilemma der DB AG und natürlich mit der Rettung seines eigenen Amtes beschäftigt. Er hat großes Glück gehabt, dass der Titel „Ostbeauftragter“ nicht so eine Art Nebenjob ist; denn wenn er nicht der Ostbeauftragte wäre, wäre er jetzt nicht mehr Minister. Das wissen nicht nur die Oppositionskollegen hier im Haus. Es ist der Invest-Etat des Bundes; das ist hier schon richtig hervorgehoben worden. Die Bundesregierung hat die Chance gehabt, an dieser Stelle ein Konjunkturprogramm zu platzieren, das diesen Namen verdient. ({3}) Natürlich steckt in diesem Etat viel Richtiges und Gescheites; darum machen wir doch keinen Bogen. Aber es wird den Anforderungen der Zeit in keiner Weise gerecht. Das Beispiel Gebäudesanierungsprogramm ist schon angesprochen worden. Regelmäßig hat meine Fraktion hier Erhöhungen beantragt. ({4}) Regelmäßig haben Sie sie abgelehnt. Regelmäßig haben Sie sie in der Realität dann doch vorgenommen. Wir können so weitermachen. Herr Minister, richtig wäre an dieser Stelle gewesen - ich nenne Ihnen nur eine Idee -, sich mit Ihrer Kollegin von der Leyen sowie mit den Ländern und Kommunen zu verbünden und zu sagen: Wir legen ein großes Programm auf, um in der Kinderbetreuung im Westen wenigstens das Niveau zu erreichen, das wir gegenwärtig im Osten schon haben. Das wäre ein mutiger Schritt gewesen, den Sie hätten gehen können. ({5}) Leider leben wir immer noch mit der Situation: Im Westen gibt es die Arbeit, aber keine Kita, und im Osten gibt es die Kita, aber keine Arbeit. Hier hätten Sie wirklich etwas zur Stadtentwicklung leisten können. Insofern ist das, was Sie uns vorlegen, ein Etat in der Krise und nicht ein Etat gegen die Krise. In den Haushaltsberatungen haben wir mehrfach den Satz zu hören bekommen: Auf einem Schuldenberg können unsere Kinder nicht spielen. ({6}) Das ist ja okay, aber ich sage Ihnen: Auf dem Scherbenhaufen Ihrer verfehlten Investitions- und Bildungspolitik können unsere Kinder noch weniger spielen. ({7}) Der Ostbeauftragte muss natürlich Antworten auf die Frage geben: Was bedeutet die Krise für Ostdeutschland? Da die Ostdeutschen nicht so hohe Spareinlagen haben, konnte man zunächst annehmen, dass sie davon nicht so sehr betroffen sein würden. Ich will nur einen Fakt hervorheben, nämlich dass wir im Osten eine riesige Dimension von Zeit- und Leiharbeit haben; es gibt viele 1-Euro-Jobber und Aufstocker. In mehr als einem Drittel der ostdeutschen Betriebe stellen die genannten Gruppen die Mehrheit der Beschäftigten. Wir gehen also auf eine sehr ernsthafte Herausforderung zu. Ein positiver Schritt ist im Zuge der Haushaltsberatungen erreicht worden - er gehört natürlich zum Bauetat -, und das ist der kleine Schritt, den der Haushaltsausschuss vollzogen hat, nämlich die Möglichkeit einzuräumen, dass die Bundesregierung, die noch immer zweigeteilt in Bonn und Berlin arbeitet, eine Wiedervereinigung in Berlin vollzieht. Wenn wir das nicht angestoßen hätten, hätten Sie dort nichts bewegt. ({8}) Die Bundesregierung hätte an dieser Stelle die Chance gehabt, einen Etat für Investitionen und für die Konjunktur vorzulegen. So ist es ein Plan der vertanen Chancen. Diese Bundesregierung ist in schwieriger Situation nicht konjunkturfähig. Das ist zu bedauern. Deshalb können wir diesem Etat nicht zustimmen. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Bartholomäus Kalb spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen hatten bei den Beratungen zu diesem Haushalt durchgängig das Anliegen, die Investitionen zu stärken. Es ist uns gelungen, in diesem Etat die Investitionssumme auf insgesamt 27 Milliarden Euro zu erhöhen. Dabei hat das Programm „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ einen besonderen Stellenwert. Wir stellen für Verkehrsinvestitionen im Jahr 2009 1 Milliarde Euro mehr und im Jahr 2010 ebenfalls 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung. Damit erreichen die Verkehrsinvestitionen einen historischen Höchststand. Ich sage dazu: Das ist notwendig und richtig, weil, wie schon gesagt worden ist, sowohl bei den Neubauten als auch beim Erhalt und beim Unterhalt der Infrastruktur ein großer Nachholbedarf besteht. ({0}) Einschließlich der Mittel aus der Mauterhöhung und aus dem Programm „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ werden wir über 11 Milliarden Euro für die klassische Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung haben. Im Bereich Straße können wir - beide Blöcke eingerechnet, also Mautmittel und Mittel aus der Mauterhöhung sowie Mittel des Programms „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ - die Investitionen um 824 Millionen Euro verstärken, bei den Bundesschienenwegen um 374 Millionen Euro und bei den Bundeswasserstraßen um 369 Millionen Euro. Auch im Jahr 2010 - dafür haben wir bereits Verpflichtungsermächtigungen ausgemacht - werden wir die Mittel für diese drei Verkehrsträger um insgesamt 1 Milliarde Euro verstärken können. Ich danke dem Bundesfinanzministerium ganz herzlich dafür, dass es in den Ausschussberatungen eines deutlich gemacht hat: Für den Fall, dass die Mittel in diesen beiden Jahren nicht abfließen sollten, werden Überhänge zusätzlich nachveranschlagt; übertragbar sind die Mittel ohnehin, weil sie investiv sind. Das ist wichtig, damit diese Mittel wirklich ausschließlich für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen. Das BMF will dies auch in einem Schriftverkehr mit dem BMVBS absichern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine gute Verkehrsinfrastruktur ist nun einmal die wichtigste Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung. Heute gehört dazu natürlich auch eine gute Infrastruktur bei den Datenkommunikationsnetzen; die Frau Bundeskanzlerin hat es in Ihrer Rede gestern angesprochen. In diesem Zusammenhang darf ich auch das Projekt Galileo, das in unserem Haushalt eine Rolle spielt, erwähnen. All das gehört zusammen, um die Leistungsfähigkeit unseres Landes und auch der ländlichen Räume zu sichern, zu verbessern und zukunftsfest zu machen. ({1}) Ich stehe nicht an, zu sagen, dass bereits in den letzten Monaten und Jahren deutlich geworden ist, dass die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur zum begrenzenden Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung geworden ist. Umso richtiger ist es, dass wir hier nun deutliche Verstärkungen vornehmen. Wir haben auch dafür Sorge getragen - das möchte ich auch erwähnen -, dass die Zusagen, die beim Mautkompromiss gemacht wurden, jetzt voll erfüllt werden können. 600 Millionen Euro werden zur Entlastung des nationalen Transportgewerbes bereitgestellt. Dafür haben wir Vorsorge getroffen. Deshalb habe ich auch kein Verständnis für die Kampagne, die derzeit vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung gegen die Bundesregierung gemacht wird. ({2}) Wir haben auch ein neues Programm zur Modernisierung der Binnenschifffahrtsflotte initiiert. Ich denke, das ist auch ganz wichtig, zum einen für die Unternehmen, zum anderen aber auch für die Sicherheit auf den Wasserstraßen und zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit dieser Verkehre. Für die Engpassbeseitigung auf viel befahrenen Schienenstrecken - darauf wird sicherlich der Kollege Norbert Barthle eingehen - ist es uns gelungen, Vorsorge für wichtige Zukunftsprojekte zu treffen. Ich nenne die Stichworte Stuttgart 21, Rhein-Ruhr-Express. Auch im Bereich des Lärmschutzes sind wir drauf und dran, neue Wege zu gehen; zum Beispiel soll mit Absorbern direkt an der Schiene der Lärmschutz verbessert werden. Hier müssen wir aber europäisch koordiniert vorgehen. Hier müssen Standards gesetzt werden. Es darf nicht sein, dass wir mit nationalen Mitteln Verbesserungen an unserem rollenden Material vornehmen, aber dann Güterwaggons aus ganz Europa ohne diese Ausstattung auf den viel belasteten Strecken fahren und zusätzlichen Lärm verursachen. Wir müssen auch die Trassenentgelte je nach Lärmemission staffeln, so wie es beim Luftverkehr schon der Fall ist. Wir haben auch kein Verständnis dafür, wenn auf hoch belasteten elektrifizierten Strecken mit Dieselloks gefahren wird und diese dann nachts mit laufenden Motoren vor den Häusern der Bürger abgestellt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Dr. Schmidt hat schon darauf hingewiesen, dass wir wiederum Schwerpunkte bei der Gebäudesanierung und anderen Maßnahmen zur CO2-Minderung gesetzt haben im Interesse des Klimaschutzes, aber auch im Interesse von Beschäftigung. Gerade hier kann eine große Hebelwirkung erzielt werden, und davon können sehr positive Beschäftigungseffekte für die mittelständischen Handwerksbetriebe ausgehen. Ich freue mich, dass dieser Haushalt ein Investitionshaushalt mit einer Akzentuierung ist, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Ich möchte zum Abschluss den Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstattern und auch den Kolleginnen und Kollegen aus der Verkehrspolitik ganz herzlich danken. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit! Ich wünsche natürlich dem Minister und den Mitarbeitern im Ministerium viel Erfolg bei der Umsetzung des Haushaltes, den wir heute verabschieden werden. Ich danke im Übrigen auch - das sei an dieser Stelle auch gesagt den Mitarbeitern der Ministerien, der Fraktionen und des Haushaltsausschusssekretariates. Es waren in diesem Herbst doch etwas ungewöhnliche und anstrengende Haushaltsberatungen. Herzlichen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als Nächste hat jetzt Anna Lührmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition! Sie feiern sich gerade, weil Sie die Verkehrsinvestitionen für die nächsten Jahre um 1 Milliarde Euro steigern. ({0}) Es ist ja richtig - nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen -, dass der Staat in einer Rezession mehr investieren muss. Aber es kommt nicht nur darauf an, dass Geld ausgegeben wird, sondern es kommt vor allem darauf an, dass es sinnvoll ausgegeben wird. ({1}) Das aber kriegen Sie, Herr Tiefensee, nicht auf die Reihe. ({2}) Sinnvoll Geld auszugeben, bedeutet zum einen, dass das Geld für die richtigen Projekte ausgegeben wird. Da denke ich zum Beispiel an klimafreundliche Mobilität, an Gebäudesanierung und Ähnliches. Dazu wird mein Kollege Herrmann nachher noch mehr sagen. Sinnvoll Geld auszugeben, bedeutet zum anderen, dass man für jeden Euro möglichst viel Leistung bekommt. In der Bundeshaushaltsordnung heißt das „wirtschaftliche und sparsame“ Mittelverwendung. Eine Ausnahme für den Verkehrsbereich ist in der Bundeshaushaltsordnung nicht vorgesehen, auch wenn Sie, Herr Minister Tiefensee, so tun, als gälte dieser Grundsatz für Ihr Ministerium nicht. Dafür führe ich drei Beispiele an: Erstes Beispiel: Jahrelang verhandelt das Verkehrsministerium mit der Bahn über eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, die LuFV. Sie soll die Ausgaben des Bundes für Investitionen in das bestehende Schienennetz in Höhe von 2,5 Milliarden Euro - einer enormen Summe - regeln. Eigentlich war der Sinn dieser LuFV, dass die Bahn damit zu einer effizienteren Verwendung von Steuergeldern gebracht werden sollte. In der Vorlage der Regierung ist davon allerdings nicht mehr viel übrig geblieben; denn nach dem jüngsten Ländergutachten ist die LuFV schlicht und einfach unwirksam. Zudem kritisiert der Rechnungshof, dass eine echte Kontrolle des Bundes nur bei den viel befahrenen Schienen möglich ist. Das heißt, dass Strecken mit geringer Auslastung, Weichen, Brücken, Tunnel und Bahnhöfe außen vor bleiben. Als Folge kann die Bahn schalten und walten, wie sie will, und muss keinerlei Sanktionen befürchten, wenn sie Bahnhöfe, Brücken und Tunnel verlottern lässt. Das ist das Gegenteil von nachhaltiger Investitionspolitik und eine Verschwendung von Steuergeldern. ({3}) - Ich habe das sehr wohl gelesen. In der nächsten Woche werden wir im Verkehrsausschuss eine Anhörung dazu durchführen, und ich hoffe, dass die Expertinnen und Experten Ihnen hierzu noch einiges sagen können, damit Sie diesen Unfug wirklich stoppen. ({4}) Ein zweites Beispiel für eine nicht sinnvolle Verwendung von Steuergeldern: Für Stuttgart 21, auch ein Bahnthema, sind 3 Milliarden Euro eingeplant. Diese Kostenschätzung ist jedoch nicht mehr aktuell; denn in einem Bericht an den Haushaltsausschuss stellt Ihr Ministerium, Herr Tiefensee, fest: Besonders anfällig für außergewöhnliche Preissteigerungen scheinen sehr komplexe Bauvorhaben mit Gesamtkosten jenseits von 100 Millionen Euro zu sein … Hier werden aktuell Kostensteigerungen von bis zu 100 Prozent beobachtet. In dem Bericht heißt es weiter, dass gerade bei Tunneln die Kosten um bis zu 60 Prozent steigen. Mithilfe dieser Zahlen rechnete der Bundesrechnungshof das Großbauprojekt Stuttgart 21, auf das genau diese Kriterien zutreffen, nach. Dabei kam heraus, dass die Untertunnelung des Stuttgarter Hauptbahnhofs nicht mehr 3 Milliarden Euro, sondern realistischerweise 5,3 Milliarden Euro kosten wird. Minister Tiefensee leugnet diese Kostenexplosion. Dabei hat sein eigenes Haus, wie ich eben zitiert habe, vor solchen Kostensteigerungen gewarnt. Angesichts dessen frage ich Sie, Herr Tiefensee: Wollen Sie uns hier eigentlich für dumm verkaufen? 3 Milliarden Euro sind für dieses unsinnige Prestigeprojekt schon viel zu viel. 5,3 Milliarden Euro für einen einzigen Bahnhof sind absurd. ({5}) Ein drittes Beispiel: Mittelverschwendung gibt es nicht nur bei Bahnprojekten, sondern auch bei der Schifffahrt. Der Spiegel berichtete am Wochenende über Lohnkostenzuschüsse für deutsche Reedereien. Hier haben Sie, Herr Tiefensee, den Bock zum Gärtner gemacht; denn die Unternehmensberatung PwC hat zum einen für die Bearbeitung der Anträge 700 000 Euro vom Ministerium kassiert. Gleichzeitig hat PwC als Wirtschaftsprüfer für die Reedereien gearbeitet, deren Anträge sie hinterher bearbeitet hat, und auch dafür noch einmal Geld kassiert. Ich halte es ja für gut, dass das Ministerium angesichts dieser Faktenlage irgendwann auf die Idee gekommen ist, die Sinnhaftigkeit dieser Subventionen überprüfen zu lassen. Jetzt raten Sie einmal, wer dazu mit einem Gutachten beauftragt wurde! ({6}) - Genau. - Kein Wunder, dass dabei herauskam, dass sich diese Subventionen lohnen, jedenfalls für PwC. ({7}) Herr Tiefensee, diese drei Beispiele zeigen sehr deutlich: Sie können mit Geld nicht umgehen, und es wäre das beste Konjunkturprogramm für Deutschland, wenn Sie endlich Ihren Hut nehmen würden. Vielen Dank. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat der Herr Bundesminister Wolfgang Tiefensee das Wort. ({0})

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich vermute, die Damen und Herren, die uns heute hier zuhören, und diejenigen, die morgen die Zeitung lesen werden, werden weniger an den Zahlen interessiert sein, die wir uns gegenseitig vorrechnen. Sie haben in dieser Zeit vielmehr ganz schlichte Fragen: Ist mein Sparkonto sicher? Bleibt mein Arbeitsplatz erhalten? Kann ich mir die Wohnung noch leisten? Ist für mich Mobilität bezahlbar? In der äußerst schwierigen Situation, in der wir uns jetzt mit Blick auf die Finanzmärkte und mit Blick auf die Wirtschaft befinden, hat Politik eine Antwort zu geben. Der Einzelplan 12 mit einem riesigen Volumen an Investitionen muss eine besondere Antwort auf diese Fragen geben. ({0}) Frau Winterstein, billige Polemik, und dem Minister am Schlips zu ziehen, wird keinen interessieren. Auch die Antworten von Karl Marx aus dem 19. Jahrhundert passen nicht. Das Gleiche gilt für eine falsche Darstellung der Fakten. Das sind nicht die richtigen Antworten auf diese Fragen. Die richtige Antwort ist vielmehr, dass wir gemeinsam etwas dafür tun müssen, dass Arbeitsplätze gesichert werden, dass Wohnen bezahlbar bleibt und dass man mobil sein kann, auch wenn man wenig Geld im Portemonnaie hat. Unsere Koalition gibt diese Antwort. Ich möchte mich am Anfang, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr herzlich dafür bedanken, dass Sie es uns im engen Schulterschluss ermöglicht haben, eine Antwort zu geben. Diese legen wir Ihnen hier vor. Ich will es so zusammenfassen: Eine Finanzkrise, die wir nicht verursacht haben, bedarf einer Antwort im investiven Bereich. Ich nehme zunächst den Bereich des Verkehrs und will versuchen, auf ein paar Ihrer Einwürfe zu reagieren. ({1}) Im Verkehrsbereich hat der Haushalt hinsichtlich der Investitionen die Grenze von 10 Milliarden nicht nur knapp, sondern mit 11,2 Milliarden Euro deutlich überschritten. Das ist einmalig und das ist gut, damit wir in verschiedenen Sektoren einen großen Schritt vorankommen. So sichern wir vor allem im Baugewerbe und in der Bauindustrie direkt und indirekt Arbeitsplätze. ({2}) Das gilt für die Straße genauso wie für die Schiene oder für die Binnenwasserstraße. Darüber hinaus tun wir endlich etwas für die Bahnhöfe und gegen den Lärm, damit Mobilität und Verkehr Akzeptanz bei der Bevölkerung finden. Es ist unsinnig, dass alle drei Oppositionsfraktionen an der Leistungsund Finanzierungsvereinbarung auf diese Weise herumkritisieren. Das bringt uns unserem Ziel nicht näher. Ich rate insbesondere Ihnen, Frau Lührmann, einmal die aktuelle Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zu lesen. Da ist explizit enthalten, dass es Parameter für die Qualität von Bahnhöfen und für die Qualität des Nebennetzes gibt. ({3}) Diese Parameter müssen eingehalten werden. Ansonsten gibt es Sanktionen mittels Abzug von Geldern. Wie kann man an dieser Stelle nur so viel Falsches über ein schriftlich vorliegendes Vertragswerk sagen? ({4}) Das Gleiche gilt in Bezug auf die Deutsche Bahn AG. Frau Winterstein, Sie wissen ganz genau, dass wir 2,5 Milliarden Euro konstant als Zuschuss über die nächsten Jahre gewähren müssen, um die Dienstleistungsqualität zu erhöhen. Etwas anderes zu behaupten, ist Unsinn. Warum propagieren Sie nach den ausführlichen Diskussionen, die wir geführt haben, nach wie vor die, dass der Zuschuss auf Kreditbasis erfolgen soll? Am Ende müssten wir bei der Bahn wieder zuschießen, damit sie die erforderliche Qualität erreicht. Das ist Unsinn. Aus diesem Grund haben wir uns anders entschieden und legen eine andere Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor. Herr Claus, ich wundere mich darüber, wie Sie von einem Scherbenhaufen reden können. Wissen Sie, was unser zentrales Problem ist? Das zentrale Problem ist, dass wir von den 185 Milliarden Euro, die wir seit 1990 in die Infrastruktur Deutschlands gesteckt haben, 75 Milliarden Euro in den Osten transferieren mussten, damit wir den Scherbenhaufen beseitigen konnten, der sich bis 1990 aufgehäuft hatte. Das ist die Wahrheit. ({5}) Ich wünschte mir, wir brauchten nicht Stadtumbau in dieser Art und Weise zu leisten. Ich wünschte mir, dass wir nicht die Ortsumgehungen bauen und die Lückenschlüsse im Osten in dieser Art und Weise finanzieren müssten. Ich wünschte mir, dass wir nicht 40 Jahre Misswirtschaft - 40 Jahre, die auf Karl Marx aufgebaut haben ausgleichen müssten. Das kann also nicht das Argument sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte aber Ihren Blick weg vom Verkehr hin zu einem anderen Bereich lenken. Das ist der Gebäudesektor. Die Zahlen wurden von den Vorrednern angesprochen. Ist Ihnen bewusst, dass wir bei all diesen Programmen mit 1 Euro eingesetztem Geld mindestens 8 Euro Investitionen generieren? Das fließt direkt in die Bauwirtschaft. Erstens betrifft dies das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Zweitens können wir erstmalig Großwohnsiedlungen umbauen. Ich appelliere an die Städte und Gemeinden, daraus ein Klima- und Energieprogramm zu machen. Drittens können wir dann aufgrund des Investitionspaktes einen Zuschuss an die Kommunen geben - das ist kein Kredit -, damit Schulen, Kindertagesstätten, Turnhallen und Krankenhäuser endlich energetisch saniert werden. ({6}) Viertens arbeiten wir darüber hinaus an dem Umbau von Wohnungen, die seniorengerecht werden sollen. Außerdem wollen wir älteren Menschen ermöglichen, so lange wie möglich in ihren vier Wänden zu bleiben. Das fünfte Programm bezieht sich auf den Sektor Stadtumbau. Das meint den Stadtumbau Ost und den Stadtumbau West. Das meint die „Soziale Stadt“, das meint den städtebaulichen Denkmalschutz, der erstmalig ab dem Januar 2009 auch für Westdeutschland gelten wird. Dort können wir zulegen. Sechstens tun wir schließlich erstmals etwas dafür, dass die Städte und Gemeinden unterstützt werden, die Weltkulturerbe haben und pflegen müssen. Ich meine, aus diesem Grund kann man auch in dem Gebäudesektor von einer Erfolgsstory reden. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Tiefensee, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hofreiter zulassen?

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Ich möchte den Gedanken gerne zu Ende führen. Sie haben nachher Gelegenheit, in Ihren Beiträgen etwas dazu zu sagen. Mir sind zwei Dinge noch wichtig. Die möchte ich kurz ansprechen und damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Dinge richten. Das erste ist Folgendes. Wir kümmern uns darum, dass Wohnen bezahlbar bleibt, indem wir das Wohngeld erhöhen. Das Wohngeld wird erhöht, sodass Rentnerinnen und Rentner mit schmalem Portemonnaie im Durchschnitt statt 90 Euro 140 Euro im Monat erhalten werden. Ich hoffe, dass auch der Bundesrat zustimmen wird, damit wir dieses Wohngeld rückwirkend vom 1. Oktober 2008 zahlen können. Wir haben also eine soziale Komponente eingebaut, die dafür sorgt, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Ein anderer Aspekt ist, dass dieser Haushalt alles andere als ein Haushalt sein wird, mit dem in Beton investiert wird. Vielmehr handelt es sich um einen Haushalt, der sich den neuen Technologien und den Innovationen stellt. Gestern haben wir eine Konferenz über Wasserstoff- und Brennstoffzellen und über Elektromobilität abgehalten. Wir können auf solche Programme wie Galileo, auf moderne Verkehrsleittechnik und die Ausstattung kombinierter Verkehrsterminals schauen. Wenn wir das tun, wird klar, dass es sich um einen Haushalt handelt, mit dem im doppelten Sinne investiert werden soll. Mit ihm wird in die Infrastruktur investiert werden. Mit ihm wird in neue Technologien investiert werden. Mit ihm wird vor allem aber auch in die Menschen und in das soziale Gefüge in unserem Land investiert werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt ist gut. Die Bilanz ist gut. Das ist so, auch wenn es immer wieder Nörgler gibt, die das anders sehen. Vielen herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich erteile dem Kollegen Anton Hofreiter das Wort zu einer Kurzintervention.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Minister, ich wollte Ihnen eigentlich eine Zwischenfrage stellen. Ich habe bei Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört. Es war viel von der Finanzkrise die Rede. Es war auch viel von der Finanzierung des Haushalts die Rede. Mir ist aufgefallen, dass ein Thema überhaupt nicht vorkam. Dazu wollte ich Sie jetzt fragen. Sie haben auf dem Gewerkschaftstag der Transnet bekannt gegeben, dass es unter einem Verkaufserlös von 5 Milliarden Euro für das Paket der Bahn von 24,9 Prozent keinen Börsengang geben soll. Da das mehr als finanzrelevant ist und zum Haushalt passt, würde mich sehr interessieren, ob Sie das hier bestätigen können oder ob die Berichte falsch waren, die dazu in der Zeitung zu lesen waren.

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Herr Hofreiter, die Teilprivatisierung der Mobilitätssparte der Deutschen Bahn AG ist kein Selbstzweck. Sie verfolgt Ziele. Dazu gehört, diese Ziele mit einer bestimmten Erlösstruktur zu erreichen. Was sind das für Ziele? Das erste Ziel ist: Die Deutsche Bahn AG muss angesichts geöffneter Grenzen in Deutschland und in Europa wettbewerbsfähig gemacht werden. Das zweite Ziel ist: Wir wollen die Dienstleistungsqualität erhöhen. Das gilt sowohl für die Kunden, die am Bahnsteig stehen, als auch für die Unternehmen, die ihre Güter auf die Schiene bringen. Das dritte Ziel ist, dass wir in dieser Branche eine große Verantwortung für 240 000 direkt Beschäftigte und für eine weitaus größere Zahl indirekt Beschäftigte haben. Dies wollen wir mit der Teilprivatisierung der Mobilitätssparte stabilisieren. Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir einen Erlös, der nicht unter 5 Milliarden Euro sein soll. Im gegenwärtigen Umfeld ist ein solcher Erlös nicht zu erzielen. Aus diesem Grund wird es zurzeit keine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG geben. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, auch noch auf Frau Winterstein einzugehen, die meint, dass dieses Kapitel des Koalitionsvertrages nicht eingelöst ist. Sie irren. Drei Voraussetzungen sind für den Börsengang nötig: Die erste ist, dass sich das Parlament dazu positiv verhält und der Minister dafür die Vorbereitungen trifft. Die zweite ist, dass die Bahn kapitalmarktfähig ist, und die dritte, dass der Kapitalmarkt eine Teilprivatisierung hergibt. Zwei Punkte kann ich direkt und indirekt beeinflussen - sie sind positiv -, nämlich Kriterium eins und zwei. Das dritte Kriterium hängt von der Finanzmarktsituation ab. Die ist momentan nicht geeignet, die Teilprivatisierung zu vollziehen. Ich denke, die Experten haben Verständnis dafür. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt erteile ich Herrn Mücke das Wort für die FDPFraktion. ({0})

Jan Mücke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003813, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor Sie sich weiter selbst feiern für 1 Milliarde Euro mehr, die Sie für das kommende Haushaltsjahr einplanen, muss ich Sie daran erinnern, dass Sie mit diesem Geld nicht wesentlich mehr bauen können, als es bisher schon der Fall war. Das vergessen Sie bei Ihrer Diskussion gern, und deshalb muss es immer wieder für die Öffentlichkeit klargestellt werden. Sie können mit diesem Geld höchstens genauso viel bauen wie in den Jahren zuvor; denn es hat eine Mehrwertsteuererhöhung gegeben, die jede Bauleistung sehr viel teurer macht. Die Baupreise und die Stahlpreise sind massiv gestiegen. Überhaupt sind alle Baustoffe etwas teurer geworden. Das heißt, dass Sie, wenn Sie mehr Geld einsetzen, trotzdem nicht unbedingt mehr Infrastruktur errichten können. Tun Sie also bitte nicht so, als könnten Sie mit den bisher zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln und der 1 Milliarde Euro zusätzlich wesentlich mehr bauen. Das ist schlicht falsch. ({0}) Es ist sehr verräterisch, was Kollege Dr. Schmidt von der SPD hier geäußert hat. Er hat vorhin gesagt - ich habe es mir genau aufgeschrieben -, dass Herr Minister Tiefensee „bei uns in den Wahlkreisen auftauchen und den einen oder anderen Spatenstich vornehmen“ werde. Das ist eine sehr verräterische Äußerung; denn aus meiner Sicht zeigt es ganz deutlich, was dieses Programm eigentlich sein soll. Es geht Ihnen gar nicht um eine Verbesserung der Infrastruktur. Es geht Ihnen darum, damit Wahlkampf zu machen. Das ist alles, was Sie damit vorhaben. ({1}) Sie können gern versuchen, Ihr Wahlkampfprogramm „Spatenstich mit Tiefensee“ durchzuführen. Wir werden weiter darauf hinweisen, dass bestimmte Dinge trotzdem nicht fertigwerden. Ich will dafür ein Beispiel nennen, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Herr Minister Tiefensee müsste eigentlich das gleiche Interesse haben wie ich als sächsischer Abgeordneter. Herr Minister, nehmen Sie es mir nicht übel; aber ich habe den Eindruck, Sie vergessen manchmal, woher Sie kommen. Ich will Ihnen eines unserer wichtigsten Infrastrukturprojekte nennen - darüber habe ich heute in der Zeitung gelesen -: die Bahnstrecke Dresden-Berlin. Sie soll nun endlich ausgebaut werden. Die ursprüngliche Planung war, dass wir bereits im vergangenen Jahr - ich rede vom Jahr 2007 - mit der vollständigen Sanierung dieser Bahnstrecke durch sind und dass man bereits ein Jahr lang die Strecke zwischen Dresden und Berlin mit dem Zug in 58 Minuten hätte zurücklegen können. Passiert ist bisher nichts. In den nächsten Monaten soll eine Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Sie planen einen Ausbau für Tempo 160, um keine Bahnübergänge beseitigen, um keine Brücken und keine Tunnel bauen zu müssen. Sie sparen also Mittel ein. Eigentlich müssten wir mit Tempo 200 fahren, um die geplante Fahrtzeit zu erreichen. Das ist der Hintergrund. Trotz der Tatsache, dass Sie 1 Milliarde Euro mehr ausgeben wollen, fehlen Ihnen für den Ausbau der Strecke Dresden-Berlin immer noch über 200 Millionen Euro, um genau dieses Problem in den Griff zu bekommen. Ich kann Ihnen weitere Verkehrsprojekte überall in Deutschland nennen, wo genau das der Fall ist. Tun Sie also bitte nicht so, als ob Sie enorme Summen investieren, um die Infrastruktur in Deutschland wesentlich zu verbessern. Sie versuchen nur, die Bugwelle, die Sie schon seit Jahren vor sich hertreiben, ein bisschen abzumildern. Das ist nicht das, was wir uns unter einer langfristigen Haushalts- und Investitionspolitik im Bereich Verkehrsinfrastruktur vorstellen. ({2}) Die Bundeskanzlerin hat gesagt, es würde keinen Sinn machen, ein Infrastrukturprogramm aufzulegen und 7 oder 8 Milliarden Euro zu investieren, wenn es dafür gar keine Projekte gibt. Der Frau Bundeskanzlerin nehme ich es aufgrund all ihrer Verantwortung nicht übel, dass sie nicht genau weiß, wie viele Verkehrsprojekte in Deutschland planfestgestellt und sofort begonnen werden können. Ich kann Ihnen auch diesbezüglich nur einen Blick auf die Details empfehlen. Allein im Bereich Straßenbau - ich rede noch nicht über die Schiene und auch noch nicht über die Wasserwege - haben wir überall in Deutschland planfestgestellte Projekte mit einem Volumen von mehr als 2 Milliarden Euro, bei denen sofort mit dem Bau begonnen werden kann. ({3}) - Allein in Baden-Württemberg, das der Kollege gerade erwähnt hat, geht es um Projekte mit einem Volumen von 600 und 700 Millionen Euro, die sofort begonnen werden können. - Jeder von uns kann leicht feststellen, welche Projekte in seinem Bundesland auf Eis liegen, weil schlicht und einfach kein Geld da ist. ({4}) So kann man Verkehrsinfrastrukturpolitik nicht betreiben. Sie sollten versuchen - da haben Sie die Opposition immer an Ihrer Seite -, eine langfristige Planung zu machen. Es macht keinen Sinn, jedes Jahr wieder 1 Milliarde Euro mehr zu versprechen. Im letzten Jahr haben Sie nur eine halbe Milliarde Euro zusammenbekommen. Das Wichtige ist, dass es bei den Verkehrsinvestitionen langfristig ein hohes Niveau gibt, damit langfristig geplant werden kann. Das gilt insbesondere für die Schiene. Bevor im Bereich Schiene ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt, bevor Sie große Projekte umsetzen können, vergehen mindestens zwei, wahrscheinlich eher drei bis vier Jahre. Wenn Sie solche Projekte realisieren wollen, sollten Sie langfristig mehr Geld zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass Planungssicherheit besteht. Die erratische Haushaltspolitik, die Sie betreiben - erst einmal 10 Milliarden Euro, und dann schauen wir, ob wir in den Nachverhandlungen noch 1 Milliarde Euro mehr bekommen -, hilft niemandem in Deutschland.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Jan Mücke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003813, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eine solche Politik hilft vielleicht Ihrem Wahlkampf, sie wird am Ende aber nicht dazu führen, dass die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland wesentlich verbessert wird. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dem Kollegen Norbert Barthle erteile ich jetzt das Wort für die CDU/CSU. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An den Anfang meiner Ausführungen will ich die wichtigste Botschaft stellen: Der große Gewinner der diesjährigen Haushaltsberatungen ist der Verkehrsetat. ({0}) Wir haben die Mittel für Investitionen im Etat um insgesamt 1,35 Milliarden Euro erhöht. Davon fließt ein großer Teil in Investitionen in Verkehrsachsen. Man muss hinzufügen: Als Haushälter bedauern wir es zwar, dass wir das Ziel der Konsolidierung unseres Haushaltes etwas verschieben müssen. Dennoch kann ich diese neuen Schulden gegenüber der jüngeren Generation gut vertreten; denn wir schaffen Werte, denn wir investieren in die Zukunft. Das ist ein Verfahren, das man zu Recht vertreten kann. Wir Abgeordneten folgen dabei nicht nur unserer Einsicht und unserer Erfahrung. Nein, wir folgen auch dem Sachverständigenrat, der explizit gesagt hat: Für die Verkehrsinfrastruktur sind jetzt Investitionen auch zulasten neuer Schulden sinnvoll. Warum investieren wir in den Verkehr? Ich denke, erstens, weil es klug ist. Minister Tiefensee hat bereits darauf hingewiesen, dass der Multiplikatoreffekt hier besonders groß ist. Jeder investierte Euro sorgt für ein Mehrfaches an Wachstum. Mit diesen Investitionen sichern wir Beschäftigung und schaffen Werte für die Zukunft. Das ist sinnvoll. Zweitens. Genauso wichtig ist, dass diese Investitionen direkt vor Ort wirken. Beim Bau einer Ortsumfahrung zum Beispiel bleiben die Investitionsmittel in der Region. Dort werden Arbeitsplätze gesichert. Dort wird die Nachfrage angeschoben. Dort wird der Warenverkehr erleichtert. Dienstleistungen können schneller erbracht werden. Eines ist sicher: Wo Verkehr ist, da ist Leben. Es geht darum, dass wir jetzt dort, wo Leben und Verkehr sind, die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Wirtschaftskreislauf wieder in Gang kommt. ({1}) Drittens. Die Verstärkung in diesem Bereich ist eine großartige Botschaft insbesondere für die Teile unseres Landes - Baden-Württemberg wurde schon mehrfach angesprochen -, in denen erheblicher Nachholbedarf besteht. Ganze Regionen warten schon seit Jahren auf den Bau entsprechender Verkehrsachsen. Wenn ich allein an meine Wahlkreisgemeinde Mögglingen denke, die seit 50 Jahren von zunehmend unerträglicher werdendem Durchgangsverkehr geplagt wird, dann weiß ich, dass Investitionen in solche und ähnliche Projekte gut angelegtes Geld sind. Denn dadurch wird - auch über die Punkte, die ich bereits angeführt habe, hinaus Lebensqualität geschaffen. ({2}) Baden-Württemberg hat tatsächlich großen Nachholbedarf. Wir haben planfestgestellte Straßenverkehrsmaßnahmen mit einem Volumen von rund 1,2 Milliarden Euro, aber die notwendigen Baufirmen müssen natürlich vorhanden sein. Das ist ein limitierender Faktor. Es ist richtig und gut, dass jetzt das Notwendige vor dem Wünschenswerten gebaut wird. Da bin ich ganz bei den Entscheidungen des Ministeriums. Viertens. Es ist auch gut und richtig, dass wir von den zusätzlichen 2 Milliarden Euro den Löwenanteil, nämlich knapp 1 Milliarde Euro, in den Straßenverkehr fließen lassen. Denn dort kann dieses Geld sofort wirken, dort kann schnell gebaut werden. Wir können es uns nicht leisten, in Projekte zu investieren, die erst in zwei oder drei Jahren realisiert werden können. Wir brauchen frisches Geld für Projekte, die jetzt anstehen. Man muss schnell handeln; das ist richtig so. Es gibt für Baden-Württemberg - wenn ich als jemand, der von dort kommt, schon einmal die Gelegenheit habe, zum Verkehrsetat zu sprechen, will ich diese nutzen - eine weitere gute Botschaft, die bereits angesprochen worden ist. Das ist die finanzielle Beteiligung des Bundes an Stuttgart 21 und an der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Das ist im Haushalt abgesichert. Das gilt dank der Kollegen Kampeter und Königshofen auch für den Rhein-Ruhr-Express. ({3}) Das ist gut so; das ist wichtig. Denn damit sind sozusagen die Hauptsignale für die Finanzierungsvereinbarung zwischen Stadt, Land, Bund und Bahn auf Grün gestellt. Freie Fahrt ist angezeigt. Damit kann eines der wichtigsten Zukunftsprojekte des gesamten Landes zügig in Angriff genommen werden. Dafür sind uns viele, viele Menschen dankbar, ({4}) auch wenn die Grünen, Frau Lührmann - Kollege Hermann wird es wahrscheinlich auch noch tun -, immer wieder dagegen polemisieren und versuchen, die Gegner zu mobilisieren. Natürlich gibt es wie bei jedem großen Projekt Gegner. Aber dieses Signal ist für ganz Baden-Württemberg ganz wichtig, weil es sich um ein Zukunftsprojekt handelt, das für das ganze Land von Bedeutung ist, nicht nur für Stuttgart. ({5}) Das Gutachten des Bundesrechnungshofes haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen und auch kritisch beleuchtet. Es gibt aber auch eine Gegenstellungnahme der Landesregierung. Ich muss dem Bundesrechnungshof von dieser Stelle sagen, dass er sich an manchen Stellen etwas verrechnet hat und dass er vielleicht auch nicht mehr auf dem aktuellsten Stand ist. Zum Beispiel, Herr Kollege, sind die Stahlpreise inzwischen ähnlich abgestürzt wie die Ölpreise. Würde man es jetzt berechnen, käme man auf ganz andere Kosten. Deshalb muss man das alles in einem größeren Gesamtzusammenhang sehen. Das heißt, eine kurzfristige betriebswirtschaftliche Betrachtung, bei der man allein die eingesparte Fahrzeit oder ähnliche Parameter misst, wird diesem Verkehrsprojekt nicht gerecht. Man muss es volkswirtschaftlich beleuchten. Aus volkswirtschaftlicher Betrachtung ist das eines der wichtigsten Projekte für ganz Baden-Württemberg. Wir Baden-Württemberger sind dem Bund, diesem Hohen Hause und Verkehrsminister Tiefensee sehr dankbar, dass jetzt grünes Licht gegeben wird. Deshalb bin ich der Auffassung - ich komme zum Schluss -: Mit diesem Etat wird der Verkehr zu einem der wichtigsten Treiber für die wirtschaftliche Stabilisierung Deutschlands. Sie, Herr Minister, haben eine großartige Chance und eine großartige Verantwortung zugleich, dies entsprechend umzusetzen und einen Beitrag zu leisten, dass es mit uns wirtschaftlich wieder aufwärts geht. Wir vertrauen Ihnen und empfehlen Zustimmung zum Einzelplan. Herzlichen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dorothée Menzner ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Linken, zitieren die EU-Kommission nicht sehr oft. Wenn sie recht hat, kann man sie aber einmal zitieren. Gestern war der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen - ich zitiere -: Um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten, empfiehlt die EU-Kommisson den Mitgliedsländern, die Steuern massiv zu senken und die Staatsausgaben zu steigern. Der größte Widerspruch dagegen komme von der Bundesregierung. Die Zahl der Wirtschaftswissenschaftler, die fordern, die Wirtschaft anzukurbeln, um die Konjunktur am Laufen zu halten und sie nicht abstürzen zu lassen, steigt. Sie schlagen zwei Instrumente vor: erstens die Erhöhung des verfügbaren Einkommens der unteren Einkommensgruppen und zweitens Investitionen in Infrastrukturprojekte. Hierfür ist der Verkehrsetat prädestiniert, und er gibt - das muss ich zugeben - positive Signale; denn sein Volumen wird erhöht. Dennoch ist die Schwerpunktsetzung falsch. Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass viel zu viele überdimensionierte und zweifelhafte Großprojekte in Milliardenhöhe durchgeführt werden: der Hyper-U-Bahnhof Stuttgart 21, die Y-Trasse als Rennbahn durch die Lüneburger Heide mit zweifelhaftem Nutzen für den Hafenhinterlandverkehr, ({0}) die ICE-Piste unter dem Thüringer Wald, vom Berliner Stadtschloss und der Kfz-Steuer-Befreiung, die in die falsche Richtung geht und nicht die richtigen Anreize setzt, ganz zu schweigen. Was ist stattdessen zu tun? Engpässe im Schienengüterverkehr müssen dringend beseitigt werden; in aktuellen Studien heißt es, dass es einen akuten Mangel an Abstellgleisen in einer Größenordnung von rund 60 Kilometern gibt. Knotenbahnhöfe im Güterverkehr sind dringend auszubauen. Die Zahl der Lkw-Rastanlagen an Autobahnen ist zügig dem gestiegenen Lkw-Aufkommen anzupassen; ({1}) jeder, der nachts einmal auf der A 2 unterwegs war, weiß, wovon ich rede. Schäden an Autobahnbrücken sind zu beheben. Die Anstrengungen zum Lärmschutz sind deutlich zu verstärken. Wir brauchen kleinteilige Projekte, keine Großprojekte. Bahn und öffentlicher Nahverkehr müssen ausgebaut und Mobilitätsbarrieren beseitigt werden; dazu gehört auch, dass der Eisenbahnfernverkehr dort, wo er in den letzten Jahren abgebaut wurde, wiederbelebt werden muss. ({2}) Die Infrastruktur muss für die Zukunft fit gemacht werden. Dabei müssen die Bedingungen der globalen Welt und der knapper werdenden Ressourcen berücksichtigt werden. Nur so können wir die von uns allen immer wieder formulierten Ziele der Minimierung des CO2-Ausstoßes und des Klimaschutzes erreichen. ({3}) Eine gute Infrastruktur, die die Bedürfnisse der Menschen erfüllt, ist auch für die Volkswirtschaft von morgen unerlässlich. In Zeiten, in denen wir in den Abgrund einer von profitgeilem Kapital angezettelten Weltkrise blicken, ist die Linke nicht dagegen, für Verkehrsprojekte Geld auszugeben, ({4}) auch viel Geld auszugeben. Wir wollen aber, dass dieses Geld nicht von Mammutprojekten mit zweifelhaftem Nutzen verschlungen wird. Das eingesetzte Geld muss mehrere Stationen der Volkswirtschaft durchfließen, damit es vielen Menschen nützt, nicht nur wenigen Konzernen. ({5}) Das eingesetzte Geld muss nachhaltige Wirkungen haben; es muss zur Schaffung sicherer Arbeitsplätze beitragen und ökologisch nachhaltig wirken. Mit dem eingesetzten Geld müssen wir auch deutlich machen, dass wir unseren Auftrag, uns um die Daseinsvorsorge zu kümmern, ernst nehmen und verstanden haben. Ich danke. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Winfried Hermann spricht jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist nicht klug, dass die Große Koalition die Kritik der Opposition als Nörgelei abtut; ({0}) das haben Sie in Ihren heutigen Reden allerdings immer wieder getan. Auch eine Regierung kann nämlich durch die Argumente einer guten Opposition besser werden. Auffällig ist, dass einige Probleme sowohl von Ihnen als auch von uns, obwohl wir in vielen Punkten auch unterschiedlicher Meinung sind, wahrgenommen werden. Erstens zur Finanzierung der Infrastruktur. Wir erkennen an, dass dafür im nächsten und im übernächsten Jahr jeweils 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung gestellt wird. Eines darf man aber nicht übersehen: Diese Erhöhung der Mittel um 1 Milliarde Euro pro Jahr ist in Anbetracht der Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplanes und der Preissteigerungen, die bei Bauprojekten zu beobachten sind, nicht wirklich eine Steigerung. Das muss man zur Kenntnis nehmen. ({1}) Zweitens zu den verschiedenen Projekten. Ein Kollege hat gesagt: Wir verschönern die Bahnhöfe, wir bauen neue Strecken, wir betreiben Klimaschutz und Lärmschutz usw. - Schauen Sie sich nur einmal das Großprojekt Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm an. Alleine diese beiden Großprojekte haben einen Umfang von mehr als dem Zehnfachen von dem, was Sie in den zwei Jahren drauflegen. ({2}) Das heißt, im selben Augenblick, in dem Sie sagen, dass Sie vorankommen und die Zahl der Projekte verringern wollen, stoßen Sie noch zwei Großprojekte an, was nur dazu führt, dass alles andere noch langsamer realisiert wird. Das ist doch die Wahrheit. ({3}) Wir sind ja nicht gegen Stuttgart 21, weil wir etwas gegen die Bahn oder gegen eine Modernisierung haben, sondern weil wir einfach sehen, dass ein funktionierender Bahnhof mit unglaublich viel Geld von oben nach unten verlegt werden soll, wodurch ein unterirdischer Engpass gebaut wird, den man anderswo beseitigen möchte. ({4}) Der Bahnhof ist anschließend so groß wie der Cannstatter Bahnhof und kleiner als der Karlsruher Bahnhof als vergleichbarem Bahnhof. Das ist doch der Unsinn. Es bringt für das Netz nichts. Insofern ist das gesamtwirtschaftlich unsinnig. Deswegen lehnen wir das ab. ({5}) Ich will dazu jetzt nichts mehr sagen, sondern aufgrund der Kürze meiner Redezeit noch ein ganz anderes Thema ansprechen, nämlich Klimaschutz und Autoverkehr. Herr Minister, Sie haben, wie übrigens auch die Kanzlerin, vor einem guten Jahr nach dem MesebergBeschluss hier verkündet, was Sie alles tun werden, um das Autofahren klimafreundlicher zu machen. Dazu haben gehört: neue CO2-Grenzwerte auf europäischer Ebene, eine Effizienzauszeichnung mit Ampeln usw., sodass die Bürger wissen, welches Auto sie kaufen können, welches klimafreundlich ist, und die Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Basis. Von diesen drei zentralen Punkten Ihres Klimaschutz- und Energieprogramms ist nach einem Jahr nichts, aber auch gar nichts übrig. Das ist angesichts der Tatsache, dass wirklich etwas zu tun ist, verheerend. Ich komme zu dem, was Sie in dem Zusammenhang wirklich beschlossen haben, nämlich zur Aussetzung der Kfz-Steuer für zwei Jahre bei dem Neukauf eines Autos. Das ist sozusagen Ihre Klimaschutzantwort. Jetzt spreche ich die Genossen und die Freunde der Facharbeiter an: Sie sorgen für eine Steuerbefreiung, durch die der Käufer eines teuren spritfressenden Wagens wie der Audi Q7 - wie wir alle wissen, kostet er 60 000 Euro aufwärts - von 3 600 Euro Kfz-Steuer in zwei Jahren befreit wird, während der Käufer eines kleinen Smarts, eines kleinen Toyota-Aygos oder eines anderen spritsparenden Kleinwagens zusammengerechnet auf vielleicht 300 Euro Steuerbefreiung kommt. Das ist Ihre sozial verträgliche Klimaschutzpolitik. Das ist doch absurd. Das ist Absurdistan. ({6}) Dass Sie dann auch noch stolz darauf sind, dass Sie diese Maßnahme korrigiert haben, kann ich gar nicht mehr nachvollziehen, weil Sie bei einer völlig vermurksten, mistigen Regelung, die weder ökonomisch der Automobilindustrie etwas bringt noch ökologisch dem Klimaschutz hilft, nur die entsprechende Frist verkürzt haben. Sonst haben Sie aber nichts korrigiert. Sie haben das, was Sie in diesem Bereich wollten, letztendlich gar nicht getan, sondern stattdessen noch eine Maßnahme durchgeführt, mit der all das konterkariert wird, was Sie bisher erzählt haben. Das ist wirklich eine Schande für Sie und Ihre Klimaschutz- und Verkehrspolitik. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Klaus Hofbauer spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden uns das nicht kleinreden lassen: Mit 11,2 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur wird ein Rekordhaushalt aufgestellt, und wir sind gemeinsam stolz darauf, dass wir dies bei diesen Haushaltsberatungen erreicht haben. ({0}) Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch bei unserer Bundeskanzlerin und beim Bundeswirtschaftsminister, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass für die Verkehrsinfrastrukturprogramme pro Jahr 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung gestellt werden kann. Erlauben Sie mir, auch festzustellen, dass für mich zwei Dinge dafür entscheidend sind, dass wir in diese Verkehrsinfrastruktur investieren: Erstens. Durch diese Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur fördern wir die dringend notwendige Mobilität. Wir leisten damit einen wesentlichen Beitrag dafür, den Zuwachs des Verkehrs - insbesondere des Güterverkehrs - zu bewältigen. Zweitens. Mit diesen Investitionen sichern wir Arbeitsplätze. Durch Verkehrsinvestitionen werden Arbeitsplätze geschaffen und gehalten. Ich glaube, das ist in der heutigen Zeit von ganz großer Bedeutung. ({1}) Es verdienen nämlich nicht nur einige Bauunternehmer. Schauen Sie sich zum Beispiel an, wie der Mittelstand vom CO2-Gebäudesanierungsprogramm profitiert. Gehen Sie doch zu unseren Elektromeistern und zu denen, die Sanierungsmaßnahmen im Wohnungsbereich durchführen. Hier gibt es doch einen Auftragsboom; die Menschen nehmen diese Maßnahmen an und sind vor allen Dingen bereit, zu investieren. Das ist ein Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Klimaschutz in der Bundesrepublik Deutschland. ({2}) Es wurde gesagt, wir würden nur Konzerne und Großprojekte fördern. Diese Große Koalition bemüht sich um Großprojekte, aber zum Beispiel auch um den öffentlichen Nahverkehr. Hier gibt es eine optimale Lösung; hier erreichen wir einiges. Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Günther zulassen?

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Joachim Günther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000750, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kollege Hofbauer, Sie haben das CO2-Gebäudesanierungsprogramm angesprochen und gesagt, der Gesamthaushalt sei gut. Wenn Sie am Beispiel dieses Programms das zugrunde legen, was der Bundesminister gesagt hat, nämlich dass mit 1 Euro 8 Euro angestoßen werden, dann zeigt sich, dass allein durch die Mehrwertsteuer mehr eingenommen wird, als Sie ausgeben. Warum begrenzen Sie dann die Investitionen in dieses Programm?

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die meisten der Kolleginnen und Kollegen kommen aus der Kommunalpolitik und sind dort zum Teil nach wie vor verankert. ({0}) - Das sind die Besten, das gebe ich zu; schließlich bin ich seit 40 Jahren im Stadtrat. ({1}) Als Kommunalpolitiker sehen wir, wie sich die Initiativen, die wir im Bundestag beschließen, bei den Menschen vor Ort, in den Kommunen, konkret auswirken. Sie dürfen nicht nur das CO2-Gebäudesanierungsprogramm sehen, sondern müssen die Maßnahmen, die der Herr Minister angesprochen hat, insgesamt betrachten. Das ist eine Palette von verschiedenen Initiativen, die sich positiv auswirken. Deswegen bleibe ich bei meiner Feststellung: Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist ein Erfolgsprogramm. ({2}) Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Bemerkung zum Bereich der Schiene. Es tut uns leid - ich teile hier die Auffassung vom Herrn Minister -, dass der Börsengang momentan nicht sinnvoll ist. Aber was zum Beispiel die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung anbelangt, ist bisher hervorragende Arbeit geleistet worden. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Beckmeyer, Herr Dr. Friedrich, Herr Ferlemann, die Sie mit dem Ministerium einen Weg aufgezeigt haben, auf dem wir Politiker erstmals die Möglichkeit haben, noch mehr bei der Gestaltung der Investitionen in die Bahn mitzuwirken. ({3}) Ich glaube, dass wir hier auf einem guten Weg sind, wenn wir politisch Einfluss darauf nehmen, wie die 2,5 Milliarden Euro umgesetzt werden. Herr Kollege Mücke, ich gebe Ihnen recht, und ich möchte das als zentrale Forderung für uns alle aufstellen: Wir haben einen Rekordhaushalt; aber dieser wird nichts nutzen, wenn wir die Summe nicht verstetigen. ({4}) Wir müssen sie über das Jahr 2011 hinaus verstetigen, und zwar im Interesse der Planungsbehörden und der Bauten. Sie können nicht für ein Jahr 1 Milliarde Euro dazulegen und im nächsten Jahr wieder 1 Milliarde Euro wegnehmen. Das können wir uns nicht leisten. Das heißt, wir müssen und werden miteinander darum kämpfen, dass die hohe Verkehrsinvestition - ich gebe Ihnen recht, dass hier sicherlich das eine oder andere noch geschehen muss und dass wir einen gewissen Nachholbedarf haben - verstetigt wird. Dabei möchte ich auch erwähnen, dass wir - der Kollege Barthle hat es gesagt bratfertige Projekte vorliegen haben. In Bayern sind es Projekte in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro, die wir sofort starten können. Hinzu kommt, dass wir Verkehrsinvestitionen in die Sanierung von Brücken usw. tätigen, die sofort umgesetzt werden können. Erlauben Sie mir eine Bemerkung zu den Mauteinnahmen. Wir sind uns sicherlich einig, dass die gezogenen Einnahmen richtig sind ({5}) und dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Aber eines möchte ich sagen: Die Spediteure haben gewusst, was auf sie zukommt. ({6}) - Lassen Sie mich doch den Satz vollenden. - Aber wir sollten die Probleme, die die Spediteure zurzeit haben, ernst nehmen. ({7}) Es darf nicht das Ziel der Politik sein, dass für die Spediteure die deutschen Verkehrszeiten nicht mehr gelten. Deswegen müssen wir diese Themen aufgreifen. Es gibt dazu einiges zu sagen. Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum Thema Breitbandversorgung. Der Kollege Kalb hat es bereits angesprochen. Für mich ist das ein zentrales Thema. Früher stand der Bau von Autobahnen im Vordergrund. Natürlich ist eine Autobahn notwendig, aber eine attraktive Breitbandversorgung auch im ländlichen Raum ist für die Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. ({8}) Die Breitbandversorgung ist ein Thema, das nicht nur die Wirtschaft angeht. Jede Familie ist auf Breitbandversorgung angewiesen. In Zukunft wird ein Bürgermeister keinen Bauplatz mehr verkaufen können, der keine Breitbandversorgung bietet. ({9}) Lassen Sie mich zusammenfassen: Es ist für mich von entscheidender Bedeutung, diesen hohen Ansatz zu verstetigen. Ich halte es für wichtig, die Wirtschaft und hier insbesondere den Mittelstand in den Mittelpunkt zu stellen. Ich glaube, wir können feststellen, dass wir mit dem Einzelplan 12 einen Superhaushalt haben. Darauf können wir stolz sein. Wir werden ihn miteinander erfolgreich umsetzen. Herzlichen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich gebe jetzt dem Kollegen Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon fast alles gesagt worden, ({0}) gleichwohl, so ist mein Eindruck, von einigen Oppositionsrednern noch nicht. ({1}) Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und die größte innerhalb der Europäischen Union. Ich glaube, wir haben allen Grund, dafür zu sorgen, dass das, was diese Volkswirtschaft am Laufen hält - nämlich die Verkehrsinfrastruktur -, in einem ausgesprochen guten Zustand ist. Ich denke, dass der Bundesverkehrsminister und die für die Verkehrsinfrastrukturpolitik Verantwortlichen in diesem Hause sich dessen immer bewusst sind. Wir kämpfen um hohe Investitionen und haben erreicht - die Kollegen der Großen Koalition haben darauf hingewiesen -, dass im Haushaltsjahr 2009 eine überaus große Investitionssumme den Haushalt schmückt. Das ist gut, und das ist eine grundsätzlich richtige Voraussetzung. Wenn wir jetzt gleichzeitig darum ringen, dass wir auch mit dem Verkehrshaushalt einen Schutz vor der Krise erreichen, die auf uns zukommt, und die Arbeitsplätze schützen wollen, dann geht es insbesondere darum, dass wir mit diesem vielen Geld möglichst viel bewirken. Was bedeutet das für die Ausgabe der vor uns liegenden Projekte? Es geht darum, dass wir die Projekte identifizieren, die schon laufen, und dass wir sie dazu bringen, noch schneller zu laufen, und vorziehen, was vorgezogen werden kann. Das sind schon alles planfestgestellte Projekte. Es geht auch darum, die Projekte, die schon planfestgestellt sind und vielleicht erst im übernächsten Jahr anlaufen würden, vorzuziehen. Diese Aufgabenstellung sehen der Bund und die obersten Verkehrsbehörden der Länder für das Jahr 2009 auf sich zukommen. ({2}) Das ist, denke ich, unsere Aufgabe, die wir jetzt zu leisten haben. Das bedeutet, dass für den Verkehr, den Tiefbau und den Hochbau in der Bundesrepublik Deutschland, die Gebäudesanierung, das Handwerk, aber auch das produzierende Gewerbe ein großer Schub kommen wird, der aber auch verkraftet werden muss. Wir müssen alles tun, dass diese Aufgaben so zügig und exakt umgesetzt und unserer Wirtschaft zugeführt werden, dass wir am Ende des Jahres 2009 feststellen können, die 11 Milliarden Euro für Investitionen sind vollständig ausgegeben und haben den größtmöglichen Effekt erreicht. Das ist unser Ziel für das kommende Jahr. ({3}) Ich will einige Beispiele nennen, weil man nicht nur, wie es die Opposition heute teilweise gemacht hat, kritisieren, sondern auch darüber nachdenken sollte, was man mit den Mitteln Sinnvolles anfangen kann. Es gilt nicht nur die Bauinvestitionen zu berücksichtigen, sondern auch das, was der Umweltminister und der Verkehrsminister in der letzten Woche vorgestellt haben. Das eröffnet dem Verkehr, aber auch der Industrie eine Zukunftsperspektive. Stichwort Elektromobilität: Wir müssen das Thema Elektromobilität so puschen - hier sind der Bundesverkehrsminister und der Bundesumweltminister hochgradig engagiert -, dass unsere Automobilindustrie rechtzeitig - vielleicht noch zügiger als bisher geplant - in die Lage versetzt wird, Elektrofahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen. Das lässt die Arbeitsplätze in dieser Branche krisenfester werden als bisher. Die Brennstoffzellentechnologie ist ein weiteres wichtiges Thema. Der Haushalt enthält auch kleine Positionen, die ich dennoch erwähnen möchte, weil sie für ganz bestimmte Branchen wichtig sind. Thema Binnenschiffflotte: Wir fördern zum Beispiel Doppelhüllenschiffe, die auf unseren Kanälen fahren. Wir machen den Verkehr so sicherer, egal ob es um die Tankschifffahrt oder um Stückgutfrachter geht. Das alles ist wichtig und wesentlich. Ich habe in meinen letzten Reden häufig darauf hingewiesen, dass wir uns um die Akzeptanz des Verkehrs kümmern müssen, zum Beispiel um den Lärmschutz am Gerät der Bahn, entlang der Autobahnstrecken und des Bahnnetzes. Das ist weiterhin ein ganz wesentliches Thema und wird in unserem Haushalt gut abgebildet. Mich erfreut außerdem, dass es uns gelungen ist, im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms einen Programmteil zu verstärken, der von struktur- und steuereinnahmenschwachen Gemeinden genutzt werden kann. Nicht nur Darlehen, sondern auch Zuschüsse spielen hier eine Rolle; denn solche Gemeinden können sich nicht weiter verschulden und müssen dennoch dringend in den Genuss der Vorteile des CO2-Gebäudesanierungsprogramms kommen, egal ob es um städtische Einrichtungen oder Sportstätten geht. Es ist wichtig, dass wir das Programm so gestalten, dass auch finanzschwache Gemeinden mit Bundes- und Landesmitteln ausgestattet werden können, um ihre Projekte vor Ort zu realisieren. ({4}) Da ich noch ein paar Minuten Zeit habe, möchte ich auf das eine oder andere, was seitens der Opposition gesagt wurde, eingehen. Frau Menzner, Sie haben von einer falschen Projektsetzung gesprochen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Auch andere Kollegen haben das Projekt Stuttgart 21 angesprochen. Wir sind hier nicht im baden-württembergischen Landtag. ({5}) Unsere Aufgabe ist, die Projektkosten, die bei der Ertüchtigung der Strecke ohnehin anfallen, zu tragen. ({6}) Wenn Sie anderer Meinung sind, empfehle ich, sie im baden-württembergischen Landtag zu artikulieren. Der Bundestag ist jedenfalls die falsche Adresse. ({7}) Das Land ist für das Projekt verantwortlich. Die Kommune Stuttgart will dieses Projekt. In einer Demokratie müssen Sie dies akzeptieren. Es ist wichtig, hier nicht Wahlkampf zu machen, Herr Mücke. Wir müssen im Rahmen der Infrastrukturvorhaben für sichere Straßen, intakte Autobahnen und sanierte Fernstraßen sorgen. Hier wird nicht nur ein Spatenstich ausreichen. Vielmehr muss eine Bauleistung erbracht werden, und zwar möglichst rasch. Wenn planfestgestellte Projekte begonnen werden, dann ist das gut, egal ob in Ihrem Wahlkreis oder im Wahlkreis anderer Kollegen. Das hat aber nichts mit Wahlkampf zu tun. Vielmehr wird mit einem notwendigen Projekt begonnen, für das wir alle gemeinsam gestritten haben. ({8}) Was wir haben, ist ein echtes Konjunkturprogramm; denn alles, was wir ausgeben, wirkt ganz gezielt auf eine große Branche. Gleichzeitig ist es uns mit Unterstützung des Bundesrates gelungen, die Mautmittel für das Jahr 2009 parlamentsfest zu machen. Ich denke, das ist ein großer Vorteil, weil uns die Mauteinnahmen auf diese Weise für den Haushalt 2009 zur Verfügung stehen. Wenn man all dies zusammennimmt, kann man schlussendlich einen relativ guten und wohldotierten Haushalt für die Jahre 2009 und 2010 erwarten. Bei welchem Verkehrspolitiker kommen Initiativen, dies zu verstetigen, nicht gut an? Ich denke, dass sie bei uns allen gut ankommen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir auch in den kommenden Jahren der Finanzplanung einen gut dotierten Bundesverkehrshaushalt vorfinden. Die Sozialdemokraten jedenfalls werden dafür streiten, damit dies auch in Zukunft der Fall ist. Recht herzlichen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zum Ende der Debatte spricht der Herr Kollege Arnold Vaatz für die CDU/CSU. ({0})

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Situation, in der man damit rechnen muss, dass die Nachfrage infolge der Finanzkrise schlagartig wegbricht, ist es sicher richtig, wenn die öffentliche Hand ihre Nachfrage forciert. Das hat sie in diesem Fall getan. Sie hat es sogar in erheblichem Maße getan. Allerdings sollte uns allen angesichts der Tatsache, dass wir die neu zustande kommende Nachfrage ausschließlich durch Verschuldung erzeugen, ein kleines bisschen unwohl sein. Wir sollten uns daran erinnern, dass das, was Keynes als erste Phase beschrieben hat, in der Welt sehr oft praktiziert worden ist. Die zweite Phase, die Refinanzierung, ist allerdings fast nie eingetreten. ({0}) Das sollte man einfach als nachdenkenswerten Hinweis aus dieser Debatte mitnehmen. Jetzt komme ich auf die Bemerkung des Herrn Kollegen Mücke zu sprechen. Herr Kollege Mücke, ich möchte Ihnen fast Punkt für Punkt recht geben. ({1}) - Ich habe gesagt: fast. Klatschen Sie nicht zu früh. - Sie sagen: Die Baupreise sind viel schneller gestiegen als der Aufwuchs unserer Infrastrukturhaushalte. Selbstverständlich haben wir Projekte en masse. Wir könnten eigentlich aus dem Vollen schöpfen und sofort alles umsetzen. Eigentlich brauchten wir aber viel mehr. Ich bin auch der Meinung, dass wir für die Infrastrukturhaushalte mehr Geld aus dem Bundeshaushalt benötigen. Herr Mücke, gleichzeitig verlangt Ihre Partei eine Steuersenkung. Das bedeutet, dass das Deckungsdefizit zunächst einmal größer und nicht kleiner wird. Das Vabanquespiel, das wir auf diese Weise beginnen, wird für uns damit noch unkalkulierbarer. Wir sollten zu einer realistischen Politik kommen. Das heißt, dass wir das, was wir ausgeben, durch Einnahmen so stark wie möglich abdecken müssen. Das ist die große Zukunftsaufgabe. Erstens müssen wir unsere Infrastrukturhaushalte vergrößern; dies gilt insbesondere für Ostdeutschland, wo die Lücken noch am größten sind. Zweitens müssen wir für eine wesentlich bessere Deckung durch Einnahmen sorgen. Es wäre uns sehr lieb, wenn der größte Anteil dieser vermehrten Deckung durch Einnahmen aus einer florierenden Wirtschaft käme. Lassen Sie uns alles dafür tun. ({2}) Genau in diese Richtung geht unser Haushalt. Ich finde es großartig, dass es in der Bereinigungssitzung möglich war, 2 Milliarden Euro aufzusatteln, und zwar für das nächste und das übernächste Jahr. Allerdings sollten wir es nicht nur bei Lückenschlussplänen belassen. Lückenschlüsse sind zum Beispiel im Autobahnbereich notwendig. Wir brauchen auch noch eine ganze Menge von Ortsumgehungen in Ostdeutschland. Aber es gibt einen großen Mangel. Darüber sollten wir uns in diesem Haus einmal intensiver unterhalten und nicht immer nur am Rande. Das ist die Tatsache, dass eine leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung in Deutschland, nämlich die Rhein-Schiene, zu wenig für das wiedervereinigte Deutschland ist. ({3}) Wir brauchen ein Konzept und eine langfristige Planung in Übereinstimmung mit den Planungen der Europäischen Union für einen zweiten leistungsfähigen Nord-Süd-Korridor, der die Ostsee mit den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt verbindet und eine Erschließungswirkung für Ostdeutschland entfaltet. Das wäre nämlich etwas, was die Wirtschaft selbst täte und was wir nicht Schritt für Schritt finanzieren müssten. Diese Erschließungswirkung kennen wir von anderen Nord-Süd-Verbindungen, die in der Bundesrepublik Deutschland die Stärke des Westens erzeugt haben. Das ist umso wichtiger, als im Augenblick die chinesischen Schifftransporte durch den Suezkanal, soweit sie nicht von Piraten gekapert werden, in das Mittelmeer über die Straße von Gibraltar an der Bretagne vorbei nach Rotterdam führen. Wenn aber der Hafen Koper in Slowenien als leistungsfähiger Abnehmer infrage kommt und eine Ableitung nach Norden durch eine leistungsfähige Schienen-Meer-zu-Meer-Verbindung stattfände, dann hätten wir eine tolle Verkürzung dieser wichtigen Verkehrsader. Wir hätten eine Erschließungslinie für Ostdeutschland und für ganz Osteuropa, die für uns einen existenziellen Rang haben könnte. ({4}) Ich kann Sie, Herr Minister Tiefensee, nur auffordern: Bitte, kümmern Sie sich darum, verstolpern Sie nicht die Möglichkeit, werden Sie in Brüssel vorstellig, und sorgen Sie dafür, dass dieser Gedanke bei der Revision der transeuropäischen Netze aufgenommen wird! ({5}) Gestatten Sie mir noch ein Wort in Bezug auf die Bereinigungssitzung. Ich freue mich besonders, dass es gelungen ist, Gelder für ein Denkmal für die Freiheit und Einheit Deutschlands in Leipzig lockerzumachen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, mit diesem Denkmal ein Symbol für einen der wichtigsten und entscheidendsten Momente in der europäischen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg in Leipzig zu installieren. ({6}) Die Menschen warten auf dieses Signal der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben es verdient, und wir sollten es machen. Ganz herzlichen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/11062? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist bei Zustimmung der einbringenden Fraktion, Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und Ablehnung des übrigen Hauses abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/11063? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt wie vorher. Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt II.15 auf: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drucksachen 16/10423, 16/10424 Berichterstattung: Abgeordnete Georg Schirmbeck Ernst Bahr ({0}) Roland Claus Alexander Bonde Zum Einzelplan 10 liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Zwischen den Fraktionen ist eine Debattenzeit von eineinviertel Stunden vorgesehen worden. - Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann ist so beschlossen. Ich erteile das Wort zur Beginn der Debatte dem Kollegen Jürgen Koppelin und grüße alle Besuchergruppen ganz herzlich. ({1})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, Sie sind anscheinend sehr gut informiert. Ich glaube, auf der Besuchertribüne sitzt auch eine Besuchergruppe des Kollegen Kampeter.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Deswegen habe ich alle Besuchergruppen begrüßt und nicht nur Ihre, Herr Koppelin. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Wer die einzelnen Beratungen zu den Etats, auch die zum Verkehrsetat eben, den ganzen Nachmittag verfolgt hat, der stellt etwas teilweise Erschreckendes fest: dass das Bundeskanzleramt an diesen Etats anscheinend überhaupt nicht interessiert ist. Es ist nicht ein Vertreter des Bundeskanzleramtes da, und das trotz seiner starken Besetzung. Man verlangt nicht, dass die Kanzlerin da ist, aber zumindest einer der Staatsminister. Frau Präsidentin, das sollte auch im Ältestenrat einmal angemerkt werden. Das ist ein Vorgang, der nicht in Ordnung ist. ({0}) Aber das mag auch ein bisschen ein Symbol für das Interesse des Kanzleramtes an einzelnen Etats sein. Frau Ministerin, Gratulation, dass Sie seit kurzem Ministerin sind. Ich denke, Sie werden zu den Freien Demokraten immer ein sehr gutes Verhältnis pflegen. Das mag daran liegen, dass die FDP durch einen sensationellen Erfolg in Bayern nun in der Koalition ist. Der frühere Minister Seehofer wurde Ministerpräsident, und dadurch sind Sie - eigentlich durch die FDP - Ministerin geworden. ({1}) Wir gratulieren und hoffen, dass wir ein gutes Verhältnis zueinander pflegen können. ({2}) Jetzt aber zum Ernst der Sache. Man muss diesen Ministerwechsel eigentlich begrüßen; denn in dieser Legislatur - das muss man einfach sagen, und daran muss man sich erinnern - war das Landwirtschaftsministerium in einen Dornröschenschlaf gefallen. Das lag an Herrn Minister Seehofer, der an diesem Ministerium eigentlich überhaupt kein Interesse hatte, sondern ganz andere Interessen verfolgte. Das mag ja menschlich verständlich sein. Das Ministerium hat allerdings erheblich darunter gelitten. Frau Ministerin, insofern hoffen wir, dass Sie jetzt etwas daraus machen. ({3}) Dass Minister Seehofer an diesem Etat und an seinem Ministerium wenig Interesse hatte, das mögen Sie auch daran sehen, dass er in seiner Amtszeit - immerhin fast drei Jahre - keinerlei Akzente und auch keine politischen Schwerpunkte gesetzt hat. Wenn man sich den Etat anschaut, dann kann man sagen: Er hat eigentlich einfach den Etat der ehemaligen Ministerin Künast fortgeführt und keine neuen Akzente gesetzt. Das war das Bedauerliche. ({4}) Allerdings hat es Minister Seehofer immer verstanden - das wollen wir gar nicht verkennen -, uns Wasser als Wein zu verkaufen. Das war sein größtes Talent. Aber der Etat hat sich - das muss man sagen - nicht allzu sehr geändert. Sie haben nach wie vor hohe Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit. Da sollten Sie einfach einmal schauen. Auch wenn Sie diesen Etat nicht auf den Weg gebracht haben, müssen Sie ihn jetzt verantworten. Außerdem ist die Ökoförderung in diesem Etat ganz stark: 16 Millionen Euro für ein Programm, das überhaupt nicht angenommen wird. Schauen Sie sich die Dinge einfach einmal an! Keiner hat etwas gegen Öko; das ist bei den Menschen angekommen. Frau Ministerin - jetzt haben auch Sie eine Stimme im Kabinett -, sorgen Sie dafür, dass die Menschen durch Steuersenkungen wieder mehr Geld in der Tasche haben, damit sie sich Öko auch leisten können. ({5}) Die Entscheidung wird ja am Ladentisch getroffen. Frau Ministerin, ich hoffe, dass Sie in einem Punkt anders als Ihr Vorgänger handeln. Minister Seehofer hat nur an 18 von 32 Sitzungen in Brüssel teilgenommen. Dazu kann ich nur sagen: Das ist ein schlechtes Ergebnis. Bei Ihnen kann man zumindest sagen: Sie haben bisher an 100 Prozent der Sitzungen teilgenommen. Ich glaube, in Ihrer bisherigen Amtszeit hat nur eine Sitzung stattgefunden. ({6}) Ich möchte einen anderen Bereich ansprechen, in dem wir uns als Freie Demokraten sehr engagiert haben: Verbraucherschutz. Frau Ministerin, ich weiß, dass Sie sich ebenfalls in diesem Bereich engagieren wollen. Setzen Sie bitte Akzente! Wenn beim Verbraucherschutz in diesem Ministerium nicht endlich etwas geschieht - wir haben nicht nur Streichungsanträge gestellt, sondern auch Aufstockungen der Mittel verlangt -, dann werden Sie erleben, dass man in der nächsten Legislatur sagt: Verbraucherschutz gehört gar nicht in dieses Ministerium, sondern ins Justizministerium. Wir wollen, dass der Verbraucherschutz bei Ihnen ist; aber dann sorgen Sie auch dafür, dass wir in Deutschland einen vernünftigen Verbraucherschutz haben ({7}) und dass unsere Bevölkerung durch Ihr Ministerium intensivst informiert wird. ({8}) Nehmen Sie einmal Themen wie Gaspreise, Energiekosten, Interneteinkauf, Onlinebanking, Finanzanlagen. Eine Aufgabe Ihres Ministeriums besteht darin, die Verbraucher auf diesen Gebieten zu schützen und vor allem ein verlässlicher Ratgeber zu sein. Frau Ministerin, Sie haben sich in der Vergangenheit - das weiß ich - im Bereich der Agrarsozialpolitik sehr engagiert. Sie haben Reformen gefordert. Jetzt haben Sie die Chance, sie durchzusetzen. Minister Seehofer hatte anscheinend weder Zeit noch Lust, sich um die landwirtschaftliche Unfallversicherung oder die landwirtschaftliche Krankenversicherung zu kümmern. Hier brauchen wir dringend Reformen. Wir sind dabei, wenn Sie das anpacken; wir wollen das mit Ihnen zusammen angehen. Wir halten das für dringend erforderlich. ({9}) Frau Ministerin, lassen Sie mich wegen der kurzen Redezeit zum Schluss nur noch Folgendes sagen: Mit uns können Sie rechnen, wenn es darum geht, die Interessen der Landwirte zu vertreten, so wie Sie es in Brüssel versucht haben. Da war aus meiner Sicht mehr nicht drin; es war schon vorher durch Herrn Seehofer so verkorkst. Wie soll man sagen? Vielleicht haben Sie wirklich versucht, das Beste zu erreichen. Befriedigend ist das Ergebnis für unsere Landwirte natürlich nicht. Dazu werden Sie gleich sicherlich etwas sagen. Sie werden unsere Unterstützung haben, auch meine als Berichterstatter; das ist ganz klar. Aber gehen Sie auf die Landwirte zu! Ihr Vorgänger Seehofer konnte das leider nicht. Herzlichen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Georg Schirmbeck hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Unterhaltungswert mancher Rede mag hoch sein, aber es geht eigentlich darum, dass wir uns mit den Fragen von Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auseinandersetzen. Deshalb möchte ich zu diesen Einzelpunkten etwas sagen. Der besonderen Initiative des Vorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, ist es zu verdanken, dass wir einen unabhängigen Verbraucherschutz bekommen, ({0}) der auch von den Zyklen des Haushalts unabhängig ist. Auf hohem Qualitätsniveau werden die Verbraucher von unabhängigen Personen informiert. Deshalb ist es unser Anliegen, dass die Stiftung Warentest dauerhaft selbstständig ist und das Kapital so aufgestockt wird, dass dort unabhängig von den Zyklen des Bundeshaushalts gearbeitet werden kann. Es ist uns in intensiven Gesprächen mit dem Koalitionspartner auch gelungen, entsprechende Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt auszubringen. Herr Kollege Kelber, in diesem Zusammenhang verwundert uns, dass Sie in einer Presseerklärung den Eindruck erweckt haben, das sei Ihre Idee gewesen. Wir sollten gerade unter Koalitionsfreunden so viel Charakterfestigkeit beweisen, dass wir uns nur die Blumen ans Revers heften, die wir auch selber gepflückt haben. ({1}) Ich gehe davon aus, dass wir die Probleme mit dem Verbraucherschutz im nächsten Jahr geregelt bekommen. Der Kollege Ernst Bahr und ich haben wiederholt mit den Verbraucherschützern gesprochen und großes Einvernehmen erzielt. Deshalb darf man sagen: Das, worüber früher immer Streit zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen war, ist heute in der Sache auf gutem Weg. Wir haben wirklich eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Herr Kollege Koppelin, vielleicht haben Sie das gar nicht bemerkt. ({2}) Das ist uns ebenfalls im Ökolandbau gelungen, und das ist uns auch bei der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung gelungen. Natürlich kann man in jedem Politikbereich immer Reformen fordern. Aber erst einmal ist festzustellen, dass uns Folgendes gelungen ist: Die Kinder der Landwirte werden, was die Krankenversicherung angeht, genauso behandelt wie die, die in der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung sind. ({3}) - Das ist überhaupt nicht selbstverständlich, ({4}) und deshalb darf man das auch herausstellen. Für die Krankenversicherung der Landwirte müssen immerhin 45 Millionen Euro zusätzlich oder 3,8 Prozent mehr zur Verfügung gestellt werden. Das darf man in diesem Zusammenhang erwähnen. Dass es uns gelungen ist, die Berufsgenossenschaft mittelfristig, vielleicht sogar langfristig, beitragsstabil zu organisieren, ist auch erwähnenswert. Wir werden im Haushalt 2009 dafür 200 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Ich sage einmal ganz ehrlich: Ich habe mich im vorigen Jahr ein bisschen geärgert, wenn der eine oder andere Vertreter der Berufsgenossenschaften den Eindruck vermittelt hat, als wäre das alles nichts oder als wäre das alles selbstverständlich. 200 Millionen Euro sind viel Geld. ({5}) Man darf dabei auch erwähnen, dass in dieser Wahlperiode in jedem Jahr, also laufend, 100 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt worden sind. Das ist eine enorme Leistung. Dafür darf man auch dankbar sein. ({6}) Im letzten Jahr ist hier mit Recht kritisiert worden, dass die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ nicht so ausgestattet worden ist, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Man kann in einem Haushalt, der ja nach Möglichkeit irgendwann ausgeglichen sein soll, nicht jeden Wunsch erfüllen. Umso bemerkenswerter ist, dass jetzt 700 Millionen Euro zur Verfügung stehen und dass vor allen Dingen der Wunsch der norddeutschen Länder oder der Küstenländer nach einem Sonderprogramm zum Küstenschutz erfüllt werden konnte. Langfristig stehen dafür 25 Millionen Euro zur Verfügung. ({7}) Ich habe in der ersten Beratung des Einzelplans 10 hier deutlich gemacht, dass in der Vergangenheit die eine oder andere Küstenschutzmaßnahme unterblieben ist, weil die Länder ihre Pflichten nicht erfüllt haben. Ich gehe davon aus, dass die Länder die Mittel, die jetzt insgesamt durch die GAK und das genannte Sonderprogramm zur Verfügung stehen, auch wirklich ausschöpfen und dass nicht immer auf den Bund mit dem Finger gezeigt wird, obwohl der Bund seine Pflichten eigentlich schon lange erfüllt hat. Bei der Diskussion im Fachausschuss hat mich enttäuscht, dass wir uns nicht darauf einigen konnten, die GAK um weitere 150 Millionen Euro aufzustocken. Der Kollege Carsten Schneider ist mir noch eine Antwort auf die Frage schuldig, warum er dagegen war. Wir wollen ja mit diesem Haushalt kurzfristig Arbeit schaffen. Überlegt man sich einmal, wo man kurzfristig Arbeit schaffen und wo man kurzfristig privates Kapital mobilisieren kann, dann käme man darauf, dass eine Möglichkeit wäre, die GAK um weitere 150 Millionen Euro aufzustocken. Das hätte dazu geführt, dass beispielsweise schon im Januar Aufträge für die einzelbetriebliche Förderung hätten vergeben werden können. Das wäre wirklich etwas gewesen, was jedem Tischler und jedem Zimmermann im ländlichen Raum Arbeit gebracht hätte. ({8}) Es ist schade, dass das nicht geklappt hat. Aber ich sage schon jetzt: Es wird eine Wiedervorlage geben. Wenn es dann an der einen oder anderen Stelle Handlungsbedarf gibt, neue Arbeitsplätze zu schaffen, dann werden wir darauf zurückkommen. Jedenfalls ist das bei uns auf Wiedervorlage. Hier ist eben schon von den Verkehrspolitikern die Breitbandverkabelung, also der Anschluss an die sogenannte Datenautobahn, angesprochen worden. Man könnte ja sagen, dass das die moderne Form des Verkehrs ist. ({9}) Dadurch, dass wir im Einzelplan 10 hierfür im laufenden Haushalt mindestens 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, ist es uns gelungen, diese Frage zu einem Thema zu machen, das in ganz Deutschland diskutiert wird. Wir können mit den Mitteln, die wir im Einzelplan 10 zur Verfügung stellen, nicht die Probleme lösen, aber wir haben Problembewusstsein geschaffen. Ich fand es beachtlich, dass die Bundeskanzlerin bei den Gesprächen, die jetzt in Brüssel über ein europäisches Konjunkturprogramm geführt werden, vorschlagen wird, mit den großen Versorgern wie Vodafone und Telekom darüber zu diskutieren, ein großes Breitbandprogramm aufzulegen, damit in drei oder vier Jahren jeder Haushalt in Deutschland entsprechend versorgt werden kann. Wenn das gelingt, dann ist das wirklich ein Konjunkturprogramm, das auch sehr gute Auswirkungen im ländlichen Raum haben wird. Deshalb können wir das nur unterstützen. ({10}) Ich glaube, es ist ein großes Verdienst von uns, dass wir diese Initiative ergriffen haben. ({11}) Meine Damen und Herren, wer ein bisschen weiß, wofür ich mich besonders engagiere, der wird Verständnis dafür haben, dass ich auch darauf hinweise, dass in diesem Jahr 2 Millionen Euro für die Waldkalkung zur Verfügung stehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es entsprechende Anträge gibt, die einen Umfang von 5,6 Millionen Euro haben. Es reicht also eigentlich überhaupt nicht aus, nur 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Deshalb liegt dieses Anliegen bei mir auch auf Wiedervorlage. Bei passender Gelegenheit werde ich versuchen, eine entsprechende Aufstockung dieser Mittel zu erreichen. Ich sage das auch deshalb, weil im Einzelplan des Umweltministeriums Einnahmen in Höhe von 600 Millionen Euro aus dem CO2-Zertifikatehandel eingestellt sind. Eigentlich sind das ja Gelder, die Umwelt- bzw. Luftverschmutzer zahlen. Wenn nun durch diese Luftverschmutzung auch unsere Wälder in großem Umfang geschädigt worden sind, dann ist es, wie ich glaube, naheliegend, von den Einnahmen aus diesem CO2-Zertifikatehandel auch einen größeren Teil für die Wälder in Deutschland zur Verfügung zu stellen. ({12}) Immerhin ist jeder dritte Quadratmeter in Deutschland durch Wald bedeckt. Der Kollege Koppelin hat eben gesagt, in diesem Haushalt seien überhaupt keine Schwerpunkte gesetzt worden. Wo liegt denn nun unser Schwerpunkt in einem Hochtechnologieland? Unser Schwerpunkt liegt auf der Förderung der Forschungsinstitute, die wir haben. Wir können feststellen, dass wir gerade für diese Forschungsinstitute in den vergangenen Jahren Mittel in erheblicher Höhe zur Verfügung gestellt haben. Im nächsten Jahr werden wir 50 Millionen Euro bzw. 16 Prozent mehr Mittel zur Verfügung stellen. Das führt dazu, dass wir auf hohem wissenschaftlichen Niveau Verbraucherund Gesundheitsschutz für die Menschen betreiben, auf hohem Niveau Tierzucht betreiben und auf hohem Niveau für Tiergesundheit sorgen können und Technologien für die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen voranbringen können. Das führt dazu, dass wir in unserem Land eine höhere Wertschöpfung haben. Das führt dazu, dass wir diese Technologien auch auf den internationalen Märkten anbieten können. ({13}) Ich sage Ihnen, das führt dazu, dass Wohlstand in Deutschland, gerade auch im ländlichen Bereich, dauerhaft gesichert wird. Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass über unseren Einzelplan heute nicht namentlich abgestimmt wird, zeigt ja, dass es unter den wirklichen Fachleuten gar nicht so viel Streit gibt, wie es hier bei den Diskussionen manchmal scheint. Wenn es um richtige Sachfragen geht, habe ich sogar ein gutes Einvernehmen mit Frau Behm. Mit Michael Goldmann liege ich eh auf einer Linie, auch wenn es manchmal so aussieht, als wären gerade wir diejenigen, die sich heftig bekämpfen. In den dreieinhalb Jahren, in denen wir beide, Ernst Bahr, diese Fragen erörtert haben - das gilt auch für Frau Wolff und für Frau Drobinski-Weiß -, haben wir dies sehr einvernehmlich hinbekommen. ({14}) Spannend wird es immer erst, wenn Leute, die von der Sache relativ wenig verstehen, von außen hineinschießen. Ich bedanke mich jedenfalls bei dir, Ernst, ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit. Wir werden hier ja noch einige Monate gemeinsam das eine und andere bestreiten können. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ich habe, Frau Präsidentin, meine Redezeit bis auf eine Sekunde ausgeschöpft. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt für meine Fraktion eine ganze Reihe von Gründen, den Einzelplan des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz abzulehnen. Auf einige wenige werde ich eingehen. Der wichtigste Grund ist für mich die Rolle der ostdeutschen Agrarbetriebe. Ich habe jene Zeit nicht vergessen, als wir - im Jahre 1990 war ich Mitglied der Volkskammer - beim Entstehen des Einigungsvertrages in einem halben Jahr fraktionsübergreifend darum rangen, dass die Ergebnisse der Bodenreform nicht revidiert, sondern anerkannt wurden. Dies war die rechtliche Grundlage dafür, dass ostdeutsche Agrarunternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen überhaupt eine ökonomische Chance hatten, sich am Wettbewerb zu beteiligen und sich durchzusetzen. Ich verweise deshalb darauf, weil gerade die ostdeutschen Agrarunternehmen von der Kürzung der EU-Fördermittel in besonders hohem Maße betroffen sind. Dies wissen Sie hier natürlich alle, zumal die Frau Ministerin in einem Brief an die agrarpolitischen Sprecher gerade die Ergebnisse der Beratungen von Brüssel zu erklären versucht hat. Bevor Sie uns nun wieder der Kassandrarufe zeihen, zitiere ich den Landwirtschaftsminister von Brandenburg, der als Folge dieser Kürzungen den Verlust von 5 000 Arbeitsplätzen befürchtet, was strukturelle Probleme in Form von Verlusten ganzer Unternehmen aufwirft. Ich sage Ihnen ganz deutlich: So kann man Menschen im ländlichen Raum nicht für die europäische Idee gewinnen. Zu den Fakten, die Ihnen auch nicht neu sind: Von den Kürzungen sind in der Gruppe der größten Unternehmen 1 900 Betriebe betroffen, von denen 95 Prozent im Osten und 5 Prozent im Westen ihren Standort haben. Nun wird oft damit argumentiert, dass das Geld nicht verlorengehe, sondern zurückfließe, es gebe als zweite Säule die Förderung des ländlichen Raums. Dafür können sich aber die neuen Bundesländer nichts kaufen. Eine solche Förderung des ländlichen Raums kann nur dann zum Tragen kommen, wenn sie eine entsprechende Kofinanzierung erfährt. Wenn ich den Finanzministern in den neuen Bundesländern mit einem gewissen Stolz aus dem Haushaltsausschuss berichte, dass wir bei der Gemeinschaftsaufgabe gemeinsam wieder etwas bewegt hätten, sagen sie: Oje, wir können das nicht kofinanzieren. - Wegen dieses Problems produzieren die Mittelkürzungen, die einseitig die ostdeutschen Agrarunternehmen treffen, so viel Frust in den neuen Bundesländern. Ich sage dies deshalb, weil ich die Agrarbetriebe - unter ihnen viele Genossenschaften - im Osten wirklich für zukunftsfähig halte. Sie praktizieren ein hohes Maß an Mitbestimmung und Mitarbeiterbeteiligung und sind der einzige lebendige ökonomische Beweis, dass es in der DDR wirtschaftliche Strukturen gab, die denen des Westens überlegen waren. ({0}) Deswegen hatten sie es auch seit 1990 schwer und mussten sich gegen erhebliche Widerstände durchsetzen. Aber sie haben es getan, und das verdient Anerkennung. Nach langer Zeit hat dies ja auch der Bauernverband eingesehen. Der zweite Bereich betrifft die Problematik der ländlichen Räume. Ich hatte eine gewisse Hoffnung, als ich Ihr Konjunkturprogramm, das Sie so nicht nennen dürfen, zum ersten Mal durchgeblättert habe. Darin stand etwas von Hilfe für strukturschwache Kommunen, natürlich in Ost und West; das versteht sich. Da habe ich gedacht: Hoppla, das ist ja die von vielen schon lange geforderte Investitionspauschale; das wäre eine tolle Hilfe. Aber es ist nur eine Erweiterung des Kreditrahmens der KfW. Das hilft natürlich den Kommunen in Ost und West, die hoch verschuldet sind, keineswegs. Dort haben wir es mit solchen Problemen zu tun, dass die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2020 um ein Drittel zurückgeht und eine mangelhafte medizinische Versorgung auf absehbare Zeit zu befürchten ist. Als einen falschen Weg sehen wir auch die Kürzung der Mittel für die Agrarforschung an. Gerade angesichts solcher großen Herausforderungen wie der Bewältigung des Klimawandels ist es falsch, dass in den Bereichen Energieerzeugung, Flächenkonkurrenz und globaler Wasserhaushalt im Durchschnitt um 2 Prozent gekürzt wird. ({1}) Über die Verbraucherschutzprobleme gerade infolge der Finanzmarktkrise wird meine Kollegin Binder sprechen. Weil Sie sich vorhin so aufgeregt haben, als ich Karl Marx zitiert habe, werde ich noch ein Zitat von ihm präsentieren. ({2}) - Sie sollten mich nicht über Gebühr ärgern. Ich halte noch mehrere Reden in dieser Haushaltswoche. ({3}) Zum Schluss also ein Zitat von Karl Marx: … bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine ganz neue Macht, das Kreditwesen, das in seinen Anfängen verstohlen, als bescheidene Beihilfe der Akkumulation sich einschleicht, … aber bald eine neue und furchtbare Waffe im Konkurrenzkampf wird und sich schließlich in einen ungeheuren sozialen Mechanismus zur Zentralisation der Kapitale verwandelt. Recht hatte er, damals wie heute. Vielen Dank. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Ernst Bahr das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Ernst Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wer Marx als Zeugen für eine erfolgreiche Gesellschaftspolitik zitiert, der muss beachten, dass die Theorie von Marx da, wo sie angewendet wurde, völlig gescheitert ist. ({0}) Wenn mein Vorredner, der in der DDR gelebt hat und der jetzt in einem der wohlhabendsten und nach innen und außen sichersten Länder der Welt lebt, versucht, alles schwarzzumalen, dann muss ich sagen: Die Landwirtschaft in der DDR war nun wirklich kein Musterbeispiel für Versorgungssicherheit, Umweltschutz und Mitbestimmung. ({1}) Der Bürgermeister musste einen Kindergarten bauen, weil die Partei das angeordnet hatte. Manchmal wurden auch diejenigen Bürgermeister, die es gar nicht wollten. Solche Verhältnisse kann man doch wohl nicht loben. ({2}) An dieser Stelle ist es mir sehr wichtig, zu sagen: Die Politik, die seit 1990 für die ehemaligen ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe gemacht wurde, ist so gut und erfolgreich, dass alle existierenden Eigentumsformen - ob es die Wiedereinrichter, die Alteigentümer, die Agrargenossenschaften oder auch die GbRs sind - eine stabile Entwicklung genommen haben. Mit großer Unterstützung der Politik haben sie eine wirtschaftlich gute Existenzgrundlage bekommen. ({3}) Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer noch eine Reihe von Problemen gibt. Die Veredelungspolitik liegt immer noch im Argen, weil wir leider immer noch nicht die richtigen Möglichkeiten haben, dort voranzukommen. Die Kürzungen aus Brüssel sind natürlich nicht unbedingt zu begrüßen. Dennoch müssen wir den Landwirten in Ostdeutschland sagen: Es muss an dieser Stelle mitgemacht werden, ob wir es nun wollen oder nicht. Wir müssen eine Umstrukturierung in diesem Bereich mittragen, auch wenn es vielleicht - das ist nicht zu leugnen - besonders für die ostdeutschen Betriebe zum Teil schmerzhaft ist. Ich wollte eigentlich mit einem Glückwunsch an die Ministerin, also an Sie, liebe Frau Aigner, liebe Ilse, beginnen und möchte auf unsere gute Zusammenarbeit hinweisen. Ich möchte auf einen anderen bemerkenswerten, für unsere Arbeit wichtigen Aspekt zu sprechen kommen, nämlich auf den Finanzmarkt. Der Kollege Schirmbeck hat in seiner tollen Rede unsere Leistung dargestellt. Dafür herzlichen Dank, Schorsch. Damit hast du wieder Pluspunkte sammeln können. ({4}) Du hast es richtig dargestellt, wie es ist. ({5}) Wir sind hier an einer Stelle, an der wir auf die Finanzkrise aus dieser Sicht eingehen müssen. Denn das Problem ist, dass wir oft so tun, als sei alles vorhersehbar gewesen und als habe man wissen können, was da alles kommt. Ich erinnere an die Diskussion, die wir voriges Jahr geführt haben. Die Agrarmärkte sind vor die Situation gestellt worden, dass in den Schlagzeilen zu lesen war, dass es demnächst in den Supermärkten leere Regale geben würde. So war die Situation. Wenn wir uns das ansehen, erkennen wir, dass es sich inzwischen so entwickelt hat, dass die Preise für Agrarprodukte leider wieder gesunken sind. Ich sage „leider“, weil das die Verbraucher nicht in allen Fällen zurückbekommen haben, was man bedauern muss. Ich sage „leider“ natürlich auch hinsichtlich der Landwirte, weil sie ihre Produktion nicht entsprechend bezahlt bekommen. Das sind zwei Probleme. Es wäre zu wünschen, dass man da Änderung schaffen kann. Die Agrarstrukturreform, die die Europäische Union eingeleitet hat, soll langfristig darauf hinwirken. Das heißt, die Umverteilung der Mittel aus der ersten Säule in die zweite Säule wird fortgesetzt. Damit sind wir bei den Kürzungen, von denen wir gesprochen haben, die wir unter diesem Gesichtspunkt dann auch akzeptieren müssen. Wir haben bei der Sicht auf die Entwicklung des Agrarmarktes und die landwirtschaftliche Produktion nicht nur Sorgen. Die Landwirtschaft arbeitet mit einem Produktionsmittel, das nicht mehr, sondern eher weniger wird. Wir haben die Bodenerosion. Wir haben die VerErnst Bahr ({6}) salzung und die Versteppung landwirtschaftlicher Produktionsflächen. Ich sage das alles unter dem Gesichtspunkt, dass nicht nur mehr Nahrungsmittel in hoher Qualität und Güte, übrigens in Deutschland, produziert werden sollen, sondern dass wir auch eine Nachfrage nach Energierohstoffen aus der Landwirtschaft haben. Das wird zu einer großen Nachfrage in der Landwirtschaft führen. Das wird natürlich auch zu einer Anhebung der Preise führen. Ich hoffe, dass die Landwirte, die das dann produzieren, davon auch etwas haben werden. Wir brauchen eine gesunde Landwirtschaft. Das ist uns allen hoffentlich klar. Denn die Landwirte sind nicht nur eine Betriebsform und ein Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum. Vielmehr haben sie im ländlichen Raum eine wesentliche, tragende Funktion. Deswegen muss uns daran liegen, die Landwirtschaft im Sinne eines Wirtschaftsfaktors im ländlichen Raum zu stärken. Das ist auch der Grund, warum wir noch versuchen, Infrastrukturmaßnahmen durchzuführen. Beispielsweise wollen wir bei der Gemeinschaftsaufgabe um 85 Millionen Euro aufstocken, um sie damit zu verstärken. Das ist für den ländlichen Raum ein wesentliches Infrastrukturpaket. Wir haben darin auch das enthalten, was wir schon im vorigen Jahr begonnen haben, nämlich die Versorgung mit dem Breitbandkabel zu verbessern. Hierfür sollen wieder mehr als 10 Millionen Euro vorgesehen werden, sodass man davon ausgehen kann, dass auch nichtlandwirtschaftliche Betriebe, also Unternehmer, Handwerker, Ärzte, Ingenieurbüros und andere, die auf dem Land arbeiten, dann auch eine verbesserte Infrastruktur für ihre Arbeit zur Verfügung haben. Der ländliche Raum wird deshalb weiter belebt bleiben. ({7}) Die Situation in der Verbraucherpolitik haben wir insofern verbessert, als wir die schon, so glaube ich, im Jahre 2004 begonnene Förderung der Landesverbraucherzentralen insgesamt verstärken werden. Wir wissen, dass da die Situation ziemlich schlecht war. An dieser Stelle möchte ich aber auch noch einmal unterstreichen, dass der Rechnungshof kritisiert hat, dass wir diese Aufgabe übernommen haben. Denn so ohne Weiteres ist dafür keine Zuständigkeit des Bundes gegeben. Ich plädiere sehr dafür, dass wir diese Zuständigkeit durch Gesetz schaffen, aber mit der Maßgabe, dass wir die Länder darauf hinweisen, dass sie ihrer gesetzlichen Aufgabe mit angemessener Beteiligung nachkommen, damit das umgesetzt wird, was wir da fordern. ({8}) Herzlichen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun erhält die Kollegin Nicole Maisch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf des Einzelplans 10 macht wieder einmal deutlich: Der Verbraucherschutz steht bei dieser Bundesregierung immer an letzter Stelle. Das ist auch den Bürgerinnen und Bürgern nicht verborgen geblieben. Eine Studie aus dem Sommer dieses Jahres belegt - da war Herr Seehofer, zumindest formal, für den Verbraucherschutz noch zuständig -: Die Hälfte der Befragten hat der verbraucherpolitischen Arbeit der Bundesregierung geringe Wirksamkeit bescheinigt. Als gefragt wurde, welche Politikerin oder welcher Politiker sich denn besonders für die Verbraucherinnen und Verbraucher einsetzt, bekam nicht Horst Seehofer, sondern natürlich Renate Künast mit Abstand die meisten Stimmen. ({0}) - Nur zu Ihrer Erläuterung: Das Gutachten wurde nicht von den Grünen bezahlt, sondern von einer unabhängigen Verbrauchervertretung, der vzbv, die Sie in Ihrer Rede auch sehr gelobt und unterstützt haben. Zurück zum Thema. Die Bilanz der Arbeit der Bundesregierung in Sachen Verbraucherpolitik ist mager. Sie hinken den Themen hinterher, die die Menschen in diesem Land wirklich bewegen. Das beste Beispiel hierfür ist die aktuelle Finanzmarktkrise. Die gibt es nicht erst seit gestern, sondern schon seit einiger Zeit. Wer sind denn die wirklich Leidtragenden dieser Krise? Es sind die Sparerinnen und Sparer, diejenigen Menschen, die ihr Gespartes den Sparkassen und Banken anvertraut haben und jetzt Angst um ihre private Altersvorsorge, um ihre Fonds haben. Die Leute haben Angst um ihr Geld, und sie wollen von der Bundesregierung etwas hören, und zwar nicht nur vom Finanzminister, sondern natürlich vor allem auch von dem Haus, das den Verbraucherschutz im Namen trägt. Da brauchen wir gar nicht über Marx zu reden, sondern eher über Horst Seehofer. ({1}) Der hat sich nämlich in diesem Bereich nicht besonders engagiert. Außer der Finanzierung des Notfalltelefons - das ist ja schon einmal ganz gut - kommen aus dem Verbraucherschutzministerium überhaupt keine Vorschläge, wie man die Finanzmärkte verbraucherpolitisch besser gestalten kann. ({2}) - Die Wahrheit tut weh; aber es wäre doch schön, wenn Sie etwas leiser leiden würden. ({3}) Es wäre zum Beispiel notwendig, bei der unabhängigen Finanzberatung zu klotzen, statt zu kleckern. ({4}) Aber eine solche Schwerpunktsetzung können wir im Haushalt nicht erkennen. Die Mittel, die Sie für die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher zur Verfügung gestellt haben, reichen nicht aus. Das gilt vor allem für den wirtschaftlichen Verbraucherschutz und für das Thema „nachhaltiger Konsum“. Aber als konstruktive Opposition haben wir natürlich umfangreiche Verbesserungsvorschläge gemacht. Punkt eins: Stärkung der sektorspezifischen Verbrauchervertretung. Das Land Baden-Württemberg, die vzbv und natürlich auch Bündnis 90/Die Grünen arbeiten seit langem an Konzepten zu den sogenannten Watch-Dogs, an Konzepten für eine sektorspezifische Verbrauchervertretung. Leider hören wir aber aus dem Bundesverbraucherministerium nichts über Konzepte. Der Einzige, der das in einem Nebensatz anspricht, ist der Wirtschaftsminister. Auch das Verbraucherministerium, das für die Belange der Verbraucherinnen und Verbraucher zuständig ist, sollte sich da engagieren - und nicht nur die Grünen. ({5}) - Nein, das werde ich mir verkneifen. Punkt zwei. Die Erhöhung der Zuschüsse an die Vertretung der Verbraucherinnen und Verbraucher ist notwendig; das hat mittlerweile sogar die FDP eingesehen. Die Zahl der Aufgaben steigt; da müssen auch die Mittel moderat steigen. Vorschläge dazu haben wir Ihnen gemacht. Punkt drei. Es ist notwendig, zusätzliche Mittel für die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher zur Verfügung zu stellen. Ich habe das Thema „wirtschaftlicher Verbraucherschutz“ angesprochen. Ich möchte noch etwas zum Thema „nachhaltiger Konsum“ sagen. Sie alle wissen: Die Art, wie wir einkaufen, verändert die Welt. Mit unseren Konsumentscheidungen können wir beeinflussen, ob Arbeiterinnen auf Ananasplantagen knietief im Gift stehen oder nicht. ({6}) - Da brauchen Sie gar nicht zu jammern. Da werden Pestizide ausgebracht, die in der EU schon lange verboten sind und von denen auch die Union nicht will, dass sie wieder eingeführt werden. Das will schon etwas heißen bei diesem Thema. ({7}) Darüber entscheiden also die Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit sie aber ihre Macht auf den Märkten ausspielen können, müssen sie informiert werden. Zu rot-grünen Zeiten war im Bereich des nachhaltigen Konsums noch einiges an Geld im Haushalt eingestellt. Das ist Ihnen jetzt nur noch eine halbe Million wert. Ich finde das ziemlich dürftig; da war mal mehr. Zu diesem Standard sollten wir zurückkommen. ({8}) Letztes Thema: die Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung. Die Bundesregierung macht ein gutes Projekt in Form dieser Kennzeichnung. Das haben auch wir von den Grünen immer unterstützt. Aber wo sind denn die Mittel im Haushalt, um dieser Kennzeichnung durch Informationskampagnen auch durchschlagende Wirkung auf den Märkten zu verschaffen? Da sehen wir nichts. ({9}) Aber das ist auch nicht verwunderlich bei einem Minister, der seine Zustimmung zur Gentechnik vom bayerischen Landtagswahlkampf abhängig macht. ({10}) Frau Aigner, die Verhandlungen zum Health Check in Brüssel sind jetzt beendet und gegen den Widerstand der Bundesregierung zu einem positiven Ende gebracht worden. ({11}) Jetzt haben Sie Ihre ganze Kraft und Ihre ganze Zeit der Verbraucherpolitik zuzuwenden. Wir wünschen Ihnen dabei ein gutes Händchen. Sie haben mit den Grünen eine konstruktive Opposition an Ihrer Seite. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre wie immer die Zustimmung zum Haushaltsantrag der Grünen. Ich bedanke mich. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun erhält die Bundesministerin Gelegenheit, sich für die guten Wünsche auch und gerade aus den Reihen der Opposition zu bedanken. ({0})

Ilse Aigner (Minister:in)

Politiker ID: 11003028

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sei mir am Anfang gestattet, mich bei allen zu bedanken, die mir zu der Amtsübernahme gratuliert haben. Ich bedanke mich wirklich ganz herzlich bei allen Seiten. Ich kann Ihnen zusichern: Ich habe bisher bei all meinen Tätigkeiten immer auf eine kollegiale, konstruktive Zusammenarbeit Wert gelegt und plane, dies auch in Zukunft so fortzuführen. Ich glaube, das ist auch im Sinne der Politik. ({0}) Dabei setze ich auf der einen Seite natürlich auf Kontinuität, was offensichtlich nicht allen gefällt. Dafür setze ich auf der anderen Seite aber auch auf Innovation, und zwar in allen Bereichen, nämlich der Ernährungs-, der Landwirtschafts- und der Verbraucherpolitik. Aufgrund der aktuellen Situation will ich mit der Verbraucherpolitik beginnen. Es wurde schon mehrfach gesagt, dass es auch in diesem Bereich aufgrund der Finanzmarktkrise große Turbulenzen gibt. Die Bundesregierung hat einen Schutzschirm aufgespannt, um gerade die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Zeichen an den Finanzmarkt und die Sparer gewesen, aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die weiterhin auf ihr Erspartes hoffen können. Auf der anderen Seite werden aber auch die Firmen unterstützt, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt. ({1}) Ferner haben wir mit dem Wachstumspaket dafür gesorgt, dass die Land- und Forstwirtschaft in die besondere Abschreibung einbezogen wird. Ich glaube, das ist im Sinne der ländlichen Räume, weil die besondere Abschreibung zu zusätzlichen Investitionen führen kann. Ich bedanke mich bei allen, die dafür gesorgt und dieses Vorhaben unterstützt haben. Ich bedanke mich bei den Haushälterinnen und Haushältern dafür, dass sie die Verpflichtungsermächtigungen für die Stiftung Warentest eingestellt haben. Ich glaube, das war ein Zeichen im Sinne des Verbraucherschutzes. Zwar sind die Mittel noch gesperrt, aber ich hoffe, dass sie irgendwann entsperrt werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir für Verbraucherpolitik insgesamt rund 88 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt haben, allein 17 Millionen für die Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Ich gehe dementsprechend davon aus, dass alle Bereiche der Informationspolitik abgedeckt werden können. Ein weiteres Anliegen ist mir gesunde Ernährung in Verbindung mit viel Bewegung. Wir werden in der nächsten Woche im Gesundheitsministerium gemeinsam das neue Projekt „IN FORM“ auf den Weg bringen. Das ist auch deshalb wichtig, weil gesunde Ernährung etwas mit Bewusstsein zu tun hat und durch das Bewusstsein vielleicht auch das Verständnis für die Landwirtschaft, für die Produktion von gesunden Nahrungsmitteln gestärkt wird. Auch das ist mir ganz wichtig. ({2}) Damit sind wir bei einem wesentlichen Bereich, der Agrarpolitik. In der vergangenen Woche hat eine Ratssitzung in Brüssel stattgefunden, die heute schon mehrfach angesprochen wurde. Natürlich kann man hierzu viele hundertprozentige Forderungen aufstellen. Die meisten zielten übrigens in ganz unterschiedliche Richtungen. Man sieht an diesem Beispiel, dass es bei 27 Nationen nicht ganz einfach ist, alle Wünsche zu erfüllen. Die Wünsche sind schon innerhalb Deutschlands unterschiedlich und erst recht bei 27 Nationen. Ich glaube aber nach wie vor, dass wir uns mit dem Ergebnis, das wir nach Hause gebracht haben, durchaus sehen lassen können. Wir haben wesentliche Eckpunkte, die wir uns gewünscht haben, umsetzen können. Ich nenne als Beispiel nur die Milchpolitik und den Bereich der Modulation, bei dem wir die bisherigen Vorgaben wesentlich verändern konnten. Fangen wir bei der Milch an. Wir haben einen Milchfonds gefordert, und wir haben ihn bekommen. Das Schöne an dem Milchfonds ist, das jedes Land ihn seinen Prioritäten entsprechend einsetzen kann, wie es will. Die Mittel, die wir bei der Modulation umgeschichtet haben, und die Mittel aus den Direkthilfen bleiben in dem jeweiligen Mitgliedstaat und dem jeweiligen Bundesland. Daher kann jedes Land eigene Akzente setzen. ({3}) Um auf den Bereich der Modulation zu sprechen zu kommen - damit klar wird, woher wir kommen und wo wir letztlich gelandet sind -: Die ursprüngliche Regelung war eine 8-prozentige Basismodulation und eine progressive Modulation in drei Stufen: 3 Prozent, 6 Prozent und 9 Prozent. Durch Verhandlungen haben wir eine Reduzierung auf eine 5-prozentige Basismodulation erreicht. In der obersten Stufe, bei Betrieben, die mehr als 300 000 Euro Direktzahlungen erhalten, ist zusätzlich eine 4-prozentige progressive Modulation vorgesehen. Das muss ich Ihnen vielleicht einmal an einem Beispiel verdeutlichen, damit man das versteht: Wenn ein Betrieb bis 300 000 Euro Direktbeihilfen bekommt, werden 5 Prozent Basismodulation abgezogen. Bei allem, was darüber liegt, greift zusätzlich die 4-prozentige Modulation. Bei einem Betrieb mit 500 000 Euro Direktzahlungen macht das einen Unterschied von 8 000 Euro aus. Ich weiß, dass das nicht schön ist, aber ich glaube, dass das eine oder andere überzogen dargestellt wird, wenn man sagt, dass daran der Betrieb scheitert. Ich glaube, wir haben das Bestmögliche in diesem Bereich erreicht. Noch einmal - ich will das betonen -: Die Mittel bleiben in dem jeweiligen Bundesland, in dem diese Modulation entsprechend umgestaltet wird. ({4}) Ferner haben wir beim Bürokratieabbau einiges vorangebracht - auch das ist ein wichtiger Bereich in diesem Wirtschaftsfeld -, ({5}) und - das will ich noch sagen, weil die Debatte darüber heute früh stattgefunden hat - wir haben bei der Erbschaftsteuer auch für die Landwirtschaft extrem viel erreicht. Mittlerweile braucht kein landwirtschaftlicher Betrieb mehr Angst zu haben, wenn der Betrieb übergeben bzw. vererbt werden muss, ({6}) dass eine hohe Erbschaftsteuer anfällt oder der Betrieb sogar gefährdet ist. ({7}) Ein weiterer wichtiger Punkt - das wurde schon angesprochen - ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Wir haben es mittlerweile geschafft, die Mittel dafür wieder auf 700 Millionen Euro aufzustocken; 25 Millionen Euro davon sind für den Küstenschutz reserviert. Das ist sozusagen ein Zeichen in diese Richtung. Aber das ist nur die reine Summe. Ich weise immer darauf hin, was für eine große Hebelwirkung die Gemeinschaftsaufgabe hat. ({8}) Sie löst in den Regionen, in denen die Mittel eingesetzt werden, ein Investitionsvolumen in vier- bis sechsfacher Höhe aus. Genau diese Investition in die Zukunft brauchen wir in den ländlichen Regionen. ({9}) Es wurde auch schon angesprochen, dass ländliche Räume sehr viel mit Infrastruktur, mit der Frage der Breitbandverkabelung zu tun haben. In diesem Jahr wurden schon 10 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Das wird fortgesetzt. Ich halte es für zwingend erforderlich, dass - so hat es auch die Kanzlerin gestern früh gesagt - jeder Haushalt die Möglichkeit hat, auf einen Breitbandanschluss zuzugreifen. Dazu werden wir aber, glaube ich, auf europäischer Ebene noch über andere Maßnahmen diskutieren müssen, ({10}) zum Beispiel darüber, ob es nicht sinnvoll ist, im Wettbewerbsrecht eine Ausnahmeregelung für diejenigen zu finden, die diese Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit es sich für sie auch rentiert. Denn sonst werden sie es im Zweifelsfall nicht machen. Ich glaube, dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen. ({11}) Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass für alle diese Bereiche, sowohl für die Ernährung als auch für die Verbraucherpolitik, aber auch für die Landwirtschaft, Forschung ganz wesentlich ist. Ich möchte mich hier ausdrücklich dafür bedanken, dass die Mittel für das Forschungsinstitut auf der Insel Riems zur Verfügung gestellt werden. Auch hier setzen wir in diesem Haushalt einen wichtigen Schwerpunkt. ({12}) - Ich gehe davon aus und bedanke mich dafür ganz herzlich. - Ich will darauf hinweisen, weil uns die Innovationen, die letztendlich aus Forschungsergebnissen entstehen, wettbewerbsfähig machen. Wir haben heute Mittag die Exportstrategie vorgestellt. Wir können im internationalen Wettbewerb hauptsächlich mit qualitativ sehr hochwertigen Produkten bestehen. Deshalb ist der Bereich der Forschung ein ganz wichtiger Schwerpunkt, den wir setzen werden. ({13}) Die Zukunft erkennt man nicht, man schafft sie. ({14}) Ich glaube, mit diesem Haushalt haben wir ein ordentliches Fundament gelegt. Lassen Sie uns gemeinsam im Sinne einer ordentlichen, zukunftsgewandten und zukunftsinnovativen Ernährungspolitik, Verbraucherpolitik und Landwirtschaftspolitik auf diesem Fundament bauen. Herzlichen Dank. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bevor der Kollege Goldmann nun das Wort erhält, der, um den Präsidenten gar nicht auf andere Einfälle zu bringen, vorsichtshalber schon einmal ans Rednerpult geschritten ist, ({0}) möchte ich die Ministerin mit dem Hinweis ermutigen, dass ich den Kollegen Kampeter in einer Haushaltsdebatte bei der Rede eines amtierenden Ministers oder einer amtierenden Ministerin noch nie so häufig ohne Not und erkennbar im Brustton der Überzeugung ein kräftiges „Sehr wahr!“ habe rufen hören wie heute Nachmittag. ({1}) Nun hat der Kollege Goldmann das Wort.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Nachbar von Herrn Kampeter war es unter Verbrauchergesichtspunkten schwer erträglich; ({0}) denn es hat fast zu einem Hörschaden geführt. ({1}) Aber wenn man manches laut sagt, ist man vielleicht mehr davon überzeugt. ({2}) Frau Ministerin, auch ich bzw. die Fraktion der FDP gratuliert. Wir sind leider heute sehr schwach vertreten; Frau Dr. Happach-Kasan und Herr Dr. Geisen sind erkrankt. Ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg. Ich hatte bei Ihrer Rede und bei dem einen oder anderen kleinen Schnack mit Ihnen den Eindruck, dass wir endlich wieder über die Probleme, die uns bewegen, gemeinsam reden können. Ich bitte Sie nur um eines - das sage ich ganz deutlich -: Verzichten Sie auf Kontinuität zu Ihrem Vorgänger! ({3}) Was unter seiner Verantwortung passiert ist, war eine einzige Katastrophe. ({4}) Er hat auf der Anuga erklärt, die Ampelkennzeichnung sei dummes Zeug. Später hat er sie eingeführt, weil er sich an den Ergebnissen einer komischen Umfrage, die er hat durchführen lassen, orientiert hat. Er hat gefordert, in Bayern auf die Anwendung Grüner Gentechnik zu verzichten. Gleichzeitig hat er gesagt, in Brandenburg könne Grüne Gentechnik angewandt werden, weil dort nicht so viele Menschen lebten. ({5}) Hinzu kommt, dass er sich selbst als „Bananenminister“ bezeichnet hat. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! ({6}) Hier geht es immerhin um einen Bereich, in dem wir vor dramatischen Herausforderungen stehen. Angesichts dessen muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Es ist gut, dass er gegangen ist. Soll er doch in die Bierzelte Bayerns gehen. Vielleicht findet er dort größere Zustimmung zu seiner Politik, als er sie hier gefunden hat. ({7}) Es kann nur besser werden. Liebe Frau Aigner, Sie haben ein schweres Erbe übernommen. Ich will ganz vorsichtig anmerken: Sie haben den Verbraucherschutz völlig zu Recht angesprochen; das möchte ich gar nicht kritisieren. Wir müssen aber feststellen, dass es im Moment ein Thema gibt, das unsere Dörfer bzw. den ländlichen Raum insgesamt zerreißt: die Diskussion über die Milchpreise. In diesem Bereich ist so ziemlich alles falsch gelaufen, was falsch laufen konnte. ({8}) Das Anliegen der BDM-Vertreter ist berechtigt. Die Milchpreise sind zum Teil nicht fair. Herr Seehofer und zum Teil auch sein Haus haben darauf überhaupt nicht erfolgsorientiert reagiert. Der BDM ist galoppiert, hat die Leute mitgenommen und Erwartungen geweckt. Diese Erwartungen kann er aber nicht erfüllen. Das BDM-Modell eines national regulierten und zollbestimmten Marktes ist in Anbetracht der vergemeinschafteten Agrarpolitik völlig unrealistisch. Das hätte Herr Seehofer den Bäuerinnen und Bauern des BDM klipp und klar sagen müssen. Jetzt haben wir das Problem, dass bestimmte Versprechen, zum Beispiel die Maßnahmen zu Saldierung und Umrechnungsfaktor, nicht eingehalten werden können, und zwar völlig zu Recht. Das hätte im Grunde genommen nur dazu geführt, dass Milch aus dem Ausland nach Deutschland gebracht worden wäre. Jetzt ist das Problem, dass die Leute beim BDM nicht mehr weiterwissen und die Sache mit den Köpfen verwechseln. Mittlerweile werden dort zum Teil ohne Sinn und Verstand Personen abgelöst, die in diesem Bereich eigentlich gute Politik gemacht haben. Frau Ministerin, das Wort Wortbruch spielt auch mit Blick auf das, was beim Health Check passiert ist, eine Rolle. Wer die Modulation im vorauseilenden Gehorsam politikfähig macht, indem er erklärt, sie sei ein gutes Instrument, der darf sich nicht wundern, dass die Modulationsmittel von den Betrieben, die bereits im Markt sind, abgezogen werden. Genau das ist das Problem. Frau Aigner, ich unterstütze den von Ihnen befürworteten Milchfonds. Aber Ihr Milchfonds wird aus Modulationsmitteln und nicht aus frischem Geld gespeist; das ist der springende Punkt. Sie nehmen dieses Geld den Betrieben, die schon im Markt sind, weg. Ich glaube, man sollte einmal sehr gründlich darüber nachdenken, ob das richtig ist. ({9}) Ich muss einen zweiten Punkt ansprechen - dabei geht es um eine Erfahrung, die keinem von uns gefällt -: Wir alle kommen bei Veranstaltungen immer wieder mit Bäuerinnen und Bauern ins Gespräch. Dann erzählen sie uns zum Beispiel von ihrer Betriebsstruktur und sprechen von 12 bis 14 Kühen. Daraufhin werden wir gefragt: Welche Perspektive habe ich? Ich bin nicht so vermessen, zu behaupten, dass ich genau weiß, wie die Perspektive eines solchen Betriebes ist; denn ich kenne weder seine finanzielle Situation noch seine Chancen im Tourismusbereich gut genug. Unter normalen Umständen muss ich einem Bauern, der mir diese Frage stellt, allerdings sagen: Steig so schnell wie möglich aus diesem Markt aus! Mit deiner Betriebsstruktur hast du in diesem Markt, der sich global entwickelt, keine Chance! Wir müssen klipp und klar sagen: Mit dem Milchfonds müssen wir dafür sorgen, dass den noch produzierenden Betrieben der Ausstieg aus dem Markt erleichtert wird. Mit dem Milchfonds müssen wir an den Stellen, an denen eine andere Form der Beweidung nötig oder eine andere Form der regionalen Vermarktung möglich ist, Hilfen geben. Mit dem Milchfonds müssen wir aber auch ganz klar zum Ausdruck bringen, dass die Dinge nicht bis zum Jahr 2015 - dann wird die Quote fallen; das ist erneut beschlossen worden - so weitergehen, wie es sich der eine oder andere erträumt. Ich finde es super, dass Sie heute auch die Absicht zum Ausdruck gebracht haben, den Export zu fördern. Ihr Staatssekretär hat die Weichen richtig gestellt. ({10}) Bei diesem Thema werden Sie immer unsere volle Unterstützung haben. Wir müssen aber auf beiden Schienen fahren: so viel Export wie möglich und so starke unternehmerische Marktorientierung wie möglich, um - auch im Bereich der Biotechnologie - neue Chancen zu nutzen und in diesen Bereichen Akzente zu setzen. Dann müssen wir denjenigen, die langfristig keine Chance in diesem Markt haben, sagen: Wir helfen euch beim sozialen Umoder sogar Ausstieg. In diesem Sinne bieten wir unsere Zusammenarbeit sehr gerne an, und wir wissen, dass wir bei Ihnen auch Gehör finden. Herzlichen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ulrich Kelber von der SPD-Fraktion ist der nächste Redner.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Finanzkrise wurde in der Tat nicht nur gezeigt, welche Bedeutung die Verbraucherinnen- und Verbraucherpolitik unmittelbar für den Einzelnen oder die Einzelne hat, der oder die Schutz vor Überforderung und unlauterem Wettbewerb benötigt und nach Sicherheit und Gesundheit strebt, sie hat auch gezeigt, dass ein solcher Verbraucherschutz auch für das reibungslose Funktionieren von Märkten notwendig, also auch ein Teil von unmittelbarer Wirtschaftspolitik ist. Die Große Koalition macht diese Bedeutung des Verbraucherschutzes mit dem Budget im Haushalt durchaus erneut deutlich: durch Akzentsetzungen und durch das Aufrechterhalten bestimmter Budgetansätze für die Bereiche, in denen wir in den letzten Jahren Arbeit geleistet haben. Nach über drei Jahren können wir gemeinsam durchaus auf einige Erfolge beim Verbraucherschutz zurückblicken. In nächster Zeit haben wir einige weitere wichtige Weichenstellungen zu erreichen. Die Erste wird sein, dass wir den Verbraucherschutz im gesamten Bereich der digitalen Welt stärker durchsetzen müssen. Ein Beispiel: gegen die unerwünschte, lästige und in ihren finanziellen Folgen für die Menschen schwer zu tragende Telefonwerbung. Zweitens wollen wir im Bereich der Fahrgastrechte ein einfaches, klares und im gesamten Bereich des Bahnverkehrs gültiges Entschädigungsrecht in der Form einführen, dass am Ende nicht möglichst viel Entschädigung gezahlt wird, sondern dass die Bahn auch wirtschaftlich angereizt wird, möglichst pünktlich zu sein. Wenn wir diese beiden Punkte demnächst erledigt haben werden, dann haben wir in etwas mehr als drei Jahren ein großes Pensum geschafft. ({0}) Ein weiterer Bereich: Nach den ersten Rettungsmaßnahmen für das Finanzsystem und nach den ersten Definitionen dafür, was auf dem internationalen Finanzmarkt anders laufen muss, müssen wir klare und zusätzliche Regelungen für den Bereich der Finanzmärkte schaffen, und zwar über das hinaus, was in den letzten drei Jahren schon erreicht wurde. Wir müssen erreichen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Kundinnen und Kunden bei den Finanzgeschäften mit Banken und Versicherungen auf gleicher Augenhöhe sind und einen Schutz vor Übervorteilung haben. Wer einmal in die Beraterprotokolle bestimmter Banken hineingeschaut und gesehen hat, wie Menschen - zum Teil hohen Alters - aus sicheren Finanzanlagen wie Tagesgeldern oder Sparbüchern herausgelockt wurden, wird mir zustimmen. Bei ihnen wurde ein Risikoprofil festgestellt: möchte kein Risiko eingehen, möchte Sicherheit für die Anlage, ist auch zu niedrigeren Zinsen bereit, wenn dadurch Sicherheit gewährleistet ist. - Weiter unten auf der Seite wird dann ein Häkchen gemacht, dass es der Wunsch des Kunden ist, ein Zertifikat zu kaufen, was aber mit der Gefahr eines Totalverlustes verbunden ist. Irgendwo auf der siebten Seite erscheint dann eine Unterschrift. Die Menschen dürfen in einem solchen sogenannten Beratungsgespräch, das in Wirklichkeit ein Aufschwätzgespräch ist, nicht mehr im Stich gelassen werden. Dass wir dort klare Informationen, eine Standardisierung und eine Veränderung der Dokumentationspflicht und der Rücknahmepflicht brauchen, ist offensichtlich. Ich bin mir sicher, dass diese Große Koalition dies bis zum Frühjahr auch erreichen wird. ({1}) Wir werden ein ganzes Stück weitergehen müssen. Vorhin habe ich einen Zwischenruf gehört. Man muss in der Tat aufpassen, dass es zu keiner Nabelschau kommt. Sowohl bei der CDU/CSU als auch bei der SPD hat es Arbeitsgruppen, Konferenzen und Fachgespräche zum Thema Marktwächterfunktion gegeben. Ich glaube, das ist eine gute deutsche Übersetzung für die Consumer Watchers. ({2}) Wir müssen eine Möglichkeit schaffen, dass zusätzlich zur verstärkten staatlichen Aufgabenteilung auch Nichtregierungsorganisationen mit Aufgaben des Marktwächtertums - verbunden mit unabhängiger Information - betraut werden, und wir müssen die Frage beantworten, wie wir die Finanzkompetenz unserer Bürger durch entsprechende Inhalte in den Schulen und durch entsprechende Förderungen im Erwachsenenbereich vergrößern können. Der Kollege Schirmbeck ist in einer für ihn ungewohnt harten Wortwahl auf zwei Presseerklärungen von SPD und CDU/CSU eingegangen. Die Presseerklärung der CDU/CSU endete mit dem Satz, damit sei wieder der Beweis angetreten, dass die CDU/CSU der alleinige Vorantreiber von Verbraucherschutzpolitik sei. ({3}) Ich finde das gut. Ich habe zwar irgendwann einmal gelernt, dass man, wenn man etwas betont, das in der Regel deshalb tut, weil es sonst niemand merkt; ({4}) aber Sie sind herzlich eingeladen zu einem Wettbewerb in diesem Bereich. Ich biete Ihnen drei weitere Bereiche für einen Wettbewerb an: Erstens. Lassen Sie uns gemeinsam das Verbraucherinformationsgesetz endlich auf alle Produkte und Dienstleistungen ausdehnen ({5}) und verzichten Sie auf die bisher von der CDU/CSU vorgebrachten Vorbehalte in Bezug auf die Fälle, in denen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht durch die öffentlichen Behörden informiert werden dürfen! ({6}) Zweitens. Beschließen Sie mit uns gemeinsam eine klare, übersichtliche Kennzeichnung dessen, was in den Lebensmitteln enthalten ist, damit die Menschen das schnell erkennen können! ({7}) Auch da scheitern wir bisher am alleinigen Vorantreiber des Verbraucherschutzes. Drittens; das ist mir besonders wichtig. Nach dem Gammelfleischskandal haben die Landesregierung und Ihr Vorgänger, Frau Ministerin, einen Mitarbeiter, der die Öffentlichkeit darüber informiert hat, dass sein Arbeitgeber mit Gammelfleisch arbeitet, mit einem Orden ausgezeichnet. Gleichzeitig will unser Koalitionspartner diesem Menschen aber den nötigen gesetzlichen Schutz verweigern. Wir brauchen in Deutschland endlich einen Informantenschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Öffentlichkeit über gefährliche Machenschaften ihrer Arbeitgeber informieren. ({8}) Geben Sie sich endlich einen Ruck und beschließen Sie mit uns gemeinsam diesen Informantenschutz! Das wäre ein echter Fortschritt für den Verbraucherschutz in Deutschland, und der ist wichtiger als irgendwelche beleidigten Pressemitteilungen, die auf das zurückgehen, was man selber zwei Wochen zuvor gemacht hat. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Karin Binder für die Fraktion Die Linke. ({0})

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Angst, ob später die Rente reichen wird, hat viele Menschen in Deutschland in die Fänge von windigen Finanzinstituten getrieben. Mit entsprechend schlechter oder falscher Beratung wurden den Leuten Zertifikate mit hohen Gewinnerwartungen aufgeschwatzt, wie es auch der Herr Kollege Kelber gerade beschrieben hat. Die Information, dass damit ein entsprechendes Risiko verbunden ist, ist dabei leider auf der Strecke geblieben. Die Problematik wurde zumindest von einigen dieser Bankberater nicht so zum Ausdruck gebracht, dass die Menschen es verstanden hätten. Deshalb brauchen wir dringend eine qualifizierte und unabhängige Finanzberatung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch den Abbau von Sozialleistungen immer mehr Menschen in private Vorsorge gedrängt werden. Langfristige Geldanlagen für zusätzliche Altersvorsorge oder kurzfristige Kreditnahmen für Ausbildung stellen Verbraucherinnen und Verbraucher immer wieder vor schwierige Entscheidungen. Viele dieser Menschen waren, wie sich jetzt herausstellt, schlecht beraten. Die Verbraucherverbände haben Belege dafür. Es gibt nicht wenige Bankkunden, die mit dem ausdrücklichen Wunsch nach sicherer Geldanlage in die Beratung gehen und mit einem risikobehafteten Papier wieder herauskommen. ({0}) Fest steht, dass durch die weltweite Finanzmarktkrise auch in Deutschland schon Tausende Menschen ihre Rücklagen fürs Alter, für den Pflegefall oder für sonstige Notfälle verloren haben. Als Maßnahme zur Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher wurde eine Hotline geschaltet. ({1}) Diese Hotline finde ich durchaus lobenswert; aber sie war völlig überlastet, und sie ist nach wie vor überlastet. ({2}) Hunderttausende Menschen haben versucht, diese Hotline zu erreichen und dort Beratung zu bekommen; aber nur ein Bruchteil von ihnen kam durch. Es sind also viel zu wenige unabhängige Finanzberater und Finanzberaterinnen eingesetzt. Sie reichen gerade einmal für die Spitze des Eisbergs. ({3}) Diese unabhängige Finanzberatung darf vor allem nicht dadurch lahmgelegt werden, dass sie sich immer wieder über befristete Projekte finanzieren muss. Es wäre viel sinnvoller, die Energie und die Arbeit, die immer wieder für die Beschaffung der notwendigen Mittel aufgewendet werden muss, für die Beratung selbst einzusetzen. Deshalb plädieren wir dafür, die unabhängige Finanzberatung als wichtige Kernaufgabe für die Verbraucherverbände zu betrachten und sie verlässlich, kontinuierlich und langfristig abzusichern. Für die Finanzierung der Finanzberatungsstellen werden derzeit von Bund und Ländern rund 4 Millionen Euro pro Jahr aufgebracht. Jetzt gibt es ein großes Konjunkturprogramm mit einem Schutzschirm, der aber diesen Bereich und die betroffenen Menschen gar nicht berücksichtigt. Damit komme ich zu unserem Antrag. Die Linke möchte gerne mit 10 Millionen Euro zusätzlich für 2009 ({4}) - was ist das im Vergleich zu den vielen Milliarden, die jetzt aufgebracht werden müssen? - die unabhängige Finanzberatung dauerhaft auf- und ausbauen. ({5}) Die Verbraucherzentrale Bundesverband schlägt in einem Papier zur Finanzmarktkrise den Aufbau einer sogenannten Leitzentrale vor. Diese Finanzleitzentrale soll den Markt - also Produkte und Unternehmen - beobachten, bewerten und kontrollieren, Verbraucherbeschwerden aufnehmen und kollektiven Rechtsschutz gewährleisten. Ich denke, dass die Politik die Pflicht hat, die Mittel dafür bereitzustellen, dass diese Arbeit geleistet werden kann. Die Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen die unabhängige Finanzberatung. Dafür müssen wir jetzt die Entscheidung treffen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelia Behm, Bündnis 90/Die Grünen.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin, Sie werden sich nicht wundern, dass wir als bündnisgrüne Fraktion zumindest einen Teil der Beschlüsse zum Health Check begrüßen, ({0}) auch wenn der Kompromiss weit hinter den Erwartungen an die dringend notwendigen Reformen der EUAgrarpolitik zurückgeblieben ist. Durch die Erhöhung der Modulation geht die EU in die richtige Richtung, mehr Mittel für die Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen, um klima-, wasser- und umweltschonend zu produzieren. Allerdings geht diese Rechnung nur auf, wenn auch die Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben machen. Davon ist in Deutschland allerdings bisher nicht viel zu merken. Herr Schirmbeck, auch auf die Gefahr hin, die Harmonie zwischen uns zu stören: Der vorgelegte Agrarhaushalt ist nicht nur in dieser Hinsicht ein Armutszeugnis der Großen Koalition. Sie sind nicht bereit, mehr für die so notwendige ökologische Intensivierung der deutschen Landwirtschaft zu tun. Ich will einige Beispiele nennen. Um auf die neuen Herausforderungen angemessen reagieren zu können, ist eine deutliche Verbesserung der Bedingungen für den Ökolandbau nötig. Dafür muss die zwischen den Agrarministern in Bund und Ländern vereinbarte Erhöhung der Umstellungs- und Beibehaltungsprämien in den Bundesländern zügig umgesetzt werden. Außerdem brauchen die Landwirte die Wiedereinführung des Fördertatbestandes „Ökologischer Landbau“ bei den Agrarinvestitionen, der einen um immerhin 10 Prozentpunkte erhöhten Fördersatz von 35 Prozent ermöglicht. Zusätzlich muss die Forschung in diesem Bereich verstärkt werden. Dazu fordern wir die Umwandlung des Bundesprogramms Ökologischer Landbau in ein permanentes Forschungsprogramm und eine deutliche Erhöhung des Forschungsbudgets für diesen Bereich. ({1}) Ich meine, wir brauchen nicht nur für diesen Bereich ein erhöhtes Forschungsbudget. Ich glaube, dass die von Ihnen angesprochene Aufstockung, Herr Schirmbeck, vor allem dann nicht ausreicht, wenn sie für Gentechnikforschung verwendet wird. Wir brauchen Forschung zur nachhaltigen Landnutzung, zum Beispiel zur Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen. ({2}) Gestatten Sie mir einige Sätze zur Milchpolitik. Die Erhöhung der Milchquote ist - das ist wohl unbestritten eine Katastrophe für die Milchbauern in Deutschland. Die Industrialisierung im Milchsektor wird weiter angeheizt. Der Strukturwandel wird befördert. Ich meine den Strukturwandel, bei dem die Agrarproduktion anstelle der Agrikultur im Vordergrund steht. Daran wird auch der von Ihnen als Verhandlungserfolg gefeierte Milchfonds, Frau Ministerin, nichts ändern. Die enormen Verluste der Milchbauern lassen sich so nicht ausgleichen. Das wird schon an der geplanten Konstruktion des Fonds deutlich. Die Speisung dieses Fonds durch die Modulationsmittel in der zweiten Säule, die in den Bundesländern verbleiben, aus denen sie stammen, wird zu einer sehr unausgewogenen Situation zwischen den Bundesländern führen. Im Grunde genommen kann man davon ausgehen, dass in den südlichen Bundesländern, wo die Milchbetriebe vor besonders großen Schwierigkeiten stehen, der Zuwachs an Modulationsmitteln eher bescheiden ausfallen wird. Hier ist nicht wirklich Hilfe zu erwarten. Das Abzweigen der eigentlich für Klimaschutz, Biodiversität und Wassermanagement gedachten zusätzlichen Modulationsgelder für einen wirkungslosen Milchfonds darf deshalb auf keinen Fall dazu führen, dass Milchbauern und Umwelt gegeneinander ausgespielt werden. Das Konstrukt sieht leider im Moment so aus. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene endlich für die Einführung eines flexiblen Milchmengenregulierungsinstruments als Nachfolge der heutigen Quotenregelung stark zu machen und den Milchfonds so zu gestalten, dass die bäuerlichen Betriebe unterstützt werden. Investitionsbeihilfen, die zur weiteren Industrialisierung der Milchwirtschaft führen, sind der falsche Weg. Ihr Agrarhaushalt bedeutet nichts weiter als ein „Weiter so“. Sie nehmen den Ball der EUKommission nicht auf und bereiten die deutsche Landwirtschaft auf die bevorstehenden Probleme nicht vor. Ihr Haushalt ist nicht mutig und konsequent. Er ist leider nicht zukunftsfähig. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Wilhelm Priesmeier, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in der Diskussion ist einiges klar geworden. Wir haben an sich einen guten Haushalt auf den Weg gebracht, einen Haushalt, der dazu beiträgt, die deutsche Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Als kleine Replik auf Sie, Frau Kollegin Behm: Was Sie eben zur Milchpolitik geäußert haben, halte ich für äußerst fragwürdig. Sie stellen sich den wahren Problemen der Milchbauern und -bäuerinnen nicht. An der in Brüssel gefallenen Entscheidung, die Milchquote 2015 auslaufen zu lassen, wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Deshalb kommt es darauf an, das richtige Instrumentarium zu entwickeln, um diesen Prozess zu begleiten. Man kann aber nicht in die Mottenkiste des Kartellrechts bzw. des Kartellwidrigen greifen und versuchen, mit Instrumentarien, die wir längst überwunden zu haben glaubten, eine Lösung herbeizuführen. Was Sie betreiben, ist nichts anderes als Anbiederung an einen bestimmten Verband, den ich hier nicht namentlich nennen will; denn das Optionsmodell ist nicht zukunftsfähig. Das ist unbestritten. Aus diesem Grunde werden die Forderungen zunehmend leiser erhoben. Ich glaube, dass das, was wir zu entscheiden haben, nicht mit dem von dieser Seite geforderten Instrumentarium begleitet werden kann; das sage ich ganz klar. Frau Ministerin, mein Kompliment für das, was Sie in Brüssel erreicht haben! Das ist mehr, als man erwarten konnte. Das gilt auch im Hinblick auf die Unterlegung der prozentualen Größenordnungen mit Zahlen. So wird in Bayern für 23,2 Millionen Euro aus dem Milchfonds Masse moduliert. Insgesamt stehen zu Beginn 30 Millionen Euro zur Verfügung. Das wächst bis 2013 auf etwa das Doppelte auf. Das reicht natürlich nicht aus, um alle Strukturprobleme gerade in den süddeutschen Bundesländern anzugehen. Deshalb müssen wir den Landwirten und den Milchbauern eine klare Antwort auf ihre Fragen geben. Die klare Antwort heißt: Wir werden erhebliche Strukturveränderungen hinnehmen müssen. Das heißt auch, dass in bestimmten Bereichen die Milchviehhaltung nicht in dem Umfang vorhanden sein wird, wie dies bisher der Fall war. Das ist eine klare Ansage und auch eine klare Aussage. Dieser Entwicklung müssen wir uns ganz klar und deutlich stellen. Wir dürfen nicht so tun, als ob diese Entwicklung rückgängig zu machen wäre. Wir haben Verpflichtungen, was die Maßnahmen, die der Milchfonds ermöglicht, angeht. Per definitionem ist das eine der großen Herausforderungen, von denen hier auch noch andere zu erwähnen sind, wie zum Beispiel die Frage der nachhaltigen Energieerzeugung oder die Frage des Klimawandels. Deshalb ist dies als gleichgewichtig anzusehen. Ich halte es für richtig, dass die Mittel den Ländern zugewiesen werden ({0}) und dort entsprechend der Ausgestaltung der jeweiligen Schwerpunkte verausgabt werden können. Das bringt den Ländern Flexibilität, und sie können entsprechend reagieren. ({1}) Zur Größenordnung ist eines natürlich zu bemerken: Die neuen Bundesländer verlieren zwar nominal. Wenn man es aber umrechnet, steht zumindest dem Milchbereich, auch in den neuen Bundesländern, eine erhebliche Größenordnung zur Verfügung. Die dortigen Betriebe sind bereits wettbewerbsfähig. Aus diesem Grunde brauchen sie keine Förderung in dem Maße, wie sie in den süddeutschen Ländern erforderlich wäre. Wir dürfen nicht alles und jeden fördern. Die Illusion, jeder Landwirt würde dadurch überleben - so haben wir es bei der Einführung der Milchquote in den 80er-Jahren getan -, sollten wir nicht erwecken. An dieser Stelle ist Klarheit und Wahrheit angesagt. Ich glaube, dass kein Hektar in Baden-Württemberg oder Bayern in Zukunft nicht mehr bewirtschaftet wird. Wir müssen intelligente Agrarumweltprogramme schaffen, um diesen Regionen eine Perspektive zu geben. ({2}) Geld ist ausreichend vorhanden, wenn man das bisherige Instrumentarium im Rahmen der zweiten Säule entsprechend ausgestaltet. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir jeden Cent, der moduliert wird, nur für den Bereich Milch ausgeben. Die aktuellen Äußerungen vonseiten der neuen Bundesländer besagen, dass sie die Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Milch in dieser Größenordnung nicht brauchen werden. Es gibt also auch dort neue Optionen in den Gestaltungsmöglichkeiten. Das sollte man entsprechend ausschöpfen. ({3}) Wichtig sind mir auch die strukturverändernden Maßnahmen im Hinblick auf die Molkereien. An dieser Stelle muss ein klares Wort gesprochen werden. Ich halte es für notwendig, dass wir die Andienungsverpflichtung, den Ausnahmetatbestand für Genossenschaften aus dem Wettbewerbsrecht streichen. Das macht die Milcherzeuger freier, zum Beispiel bei der Gestaltung von Verträgen mit den Molkereien. Das macht den Molkereien Druck, ihre Strukturen zu reformieren. Rund um Deutschland passiert einiges. In den Niederlanden fusionieren zwei große Molkereien und stellen sich zur viertgrößten Molkerei der Welt auf. Arla in Dänemark fusioniert mit einer großen Molkerei aus Großbritannien. Um uns herum passiert also etwas. Es gibt einen erheblichen Nachholbedarf. Auch in diesem Bereich sind zusätzliche Kosten zu senken und zusätzliche Erträge zu erwirtschaften. ({4}) Wir müssen aber auch vorsichtig sein. Dies gilt zum Beispiel für die Förderung der Biogasanlagen. In einer Untersuchung - die Ergebnisse habe ich aus Kiel bekommen - wurden dazu ganz klare Feststellungen getroffen. In den Bereichen, in denen die Energieerzeugung mit der Milcherzeugung konkurriert, ist aufgrund steigender Flächenpreise die Vollkostenrechnung Milch um 3 bis 5 Cent angestiegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege.

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir müssen an dieser Stelle klare Prioritäten setzen. Was wollen wir? Wollen wir Milch in wettbewerbsfähigen Standorten, oder wollen wir Energieerzeugung in diesen Standorten? Für mich ist die Entscheidung klar: Unsere deutsche Milcherzeugung ist auch im Weltmaßstab wettbewerbsfähig. Ich glaube, dass die Entscheidungen, die getroffen wurden, auch im Hinblick auf die Quotenerhöhung, uns die Perspektive verschaffen, dass wir auf den Zukunftsmärkten bestehen können. Aus diesem Grunde ist mir nicht bange. Vielen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Peter Bleser ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man eine gerade Furche pflügen will, muss man weit vorausschauen, und man muss wissen, wo man steht. Wenn wir uns das vor Augen halten, dann müssen wir zunächst einmal attestieren, dass wir jetzt schon den zweiten Monat haben, in dem die Arbeitslosenzahl vorne eine zwei aufweist. Wir müssen auch attestieren, dass wir die Einkommen in der Agrarwirtschaft in den letzten Jahren verbessert haben. Wenn wir das feststellen, dann bedeutet das, dass unsere Grundsätze, unsere Ziele und auch die Maßnahmen, die wir getroffen haben, richtig waren. ({0}) Das ist zunächst einmal das Erste, was wir heute feststellen müssen. Wenn wir uns dann vor Augen halten, dass wir auch dieses Jahr in der Agrarwirtschaft im dritten Quartal hintereinander ein Exportplus von 17 Prozent vorweisen können, dann zeigt das, dass wir in der Wettbewerbsfähigkeit einen entscheidenden Schritt vorangekommen sind. Das ist ein Erfolg dieser Bundesregierung, von Herrn Seehofer und von Frau Aigner, die diese Politik fortsetzt. Die Einkommen der Landwirte sind stabilisiert worden, aber wir dürfen nicht verkennen, dass seit einigen Wochen die Situation eine andere ist. Wir haben eine Finanzkrise, die von den USA und Großbritannien auf uns hereingebrochen ist, und wir haben eine veränderte Marktsituation bei den Agrarrohstoffen. Das führt zu Veränderungen der Einkommenssituation in der Gesamtwirtschaft, aber auch in der Agrarwirtschaft. Deswegen ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir jetzt die Rahmenbedingungen so setzen, dass wir aus dieser Krise gut herauskommen. Es ist nicht entscheidend, wie man in eine Krise hineinschlittert, sondern entscheidend ist, wie man wieder herauskommt. Dazu werden wir die richtigen Entscheidungen treffen. Ein gutes Ergebnis ist, dass der Health Check in Brüssel so ausgegangen ist, wie er ausgegangen ist. Frau Aigner, das war ein erster Härtetest. Der ist bestanden worden, auch wenn unsere Fraktion eigentlich überhaupt keine höhere Modulation wollte. Man muss attestieren, dass die Forderung der Kommission, zusätzlich Mittel für die Landwirtschaft in Höhe von 17 Prozent zu streichen, doch deutlich unterschritten worden ist. Damit ist den Betrieben geholfen worden, diese schwierige Zeit zu überstehen. Herzlichen Dank, Frau Ministerin. ({1}) Es ist schon angesprochen worden, dass die Einrichtung eines Milchfonds erreicht worden ist. Man muss sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, was damit möglich wird. Damit ist bei der Milchproduktion nicht nur ein gleitender Übergang für die Landwirte, die Milch produzieren, für die Zeit nach der Quote möglich geworden, sondern mit der Weideprämie kann gleichzeitig - das sollten Sie, Frau Behm, achten, wenn Sie den Namen „Grüne“ weiter zu Recht tragen wollen - natürlich etwas für den Umweltschutz und den Erhalt der Kulturlandschaft getan werden. Jetzt können auch mit Investitionshilfen, die zusätzlich für Stallbauten gewährt werden können, modernere und artgerechtere Ställe errichtet werden. Sie sollten auch sehen, dass mit zusätzlichen Mitteln die Verbesserung der Infrastruktur in der Milchwirtschaft - Herr Goldmann, da sind wir einer Meinung - erreicht werden kann. Das ist der richtige Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Milchwirtschaft zu stärken. Das hilft den Bauern in Deutschland, insbesondere denen in Bayern, wo die natürlichen Voraussetzungen nicht ganz so gut wie woanders sind. ({2}) In diese Strategie der Hilfe, um die vor uns liegenden Probleme zu überwinden, passt die Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz. 40 Millionen Euro mehr - das ist schon sehr viel. Herr Kollege Schirmbeck, Dank auch an Sie, dass Sie im Haushaltsausschuss für weitere Mittel im Rahmen des Impulsprogramms gekämpft haben. Dass das mit dem Koalitionspartner nicht zu machen war, ist das eine; aber richtig ist, dass wir nach wie vor in der Landwirtschaft einen Investitionsstau haben. Den aufzulösen, wäre eigentlich eine dringende Aufgabe. Das gelingt jetzt nicht in der Form, wie es möglich gewesen wäre, aber es gelingt mit 40 Millionen Euro mehr besser, und das ist ein riesiger Erfolg. Frau Ministerin, dass wir die Förderung für die DSLAnschlüsse fortsetzen, ist sehr lobenswert. Das hat nicht nur Impulse ausgelöst, sondern letztlich auch dazu beigetragen, dass sich die große Politik, auch die Europäische Union, des Themas annimmt. Wenn es gelingt, in drei Jahren in jedem Weiler einen leistungsfähigen DSL-Anschluss bereitzustellen, dann dient das der Schaffung von Arbeitsplätzen mehr als manche Million oder Milliarde an Förderung. ({3}) Deswegen muss das intensiv verfolgt werden. Ich bin wirklich begeistert, dass unsere Bundeskanzlerin das in dieser Klarheit angesprochen hat. Von ihr kann man erwarten: Wenn sie etwas ankündigt, dann wird es auch umgesetzt. ({4}) Hier ist viel über Verbraucherschutz geredet worden. Es wurde gesagt, es sei nicht genug getan worden. Dazu will ich, weil das schon viele andere angesprochen haben, nicht viel sagen. Die Tatsache, dass die Bundeskanzlerin mit einer sehr gewagten, aber richtigen Erklärung alle deutschen Sparer vor dem Verlust ihrer Spareinlagen geschützt hat, zeigt: Wir betreiben Verbraucherschutz, wie er besser nicht sein kann. ({5}) Das sollte man nicht vergessen. Ich will die lange Liste unserer Erfolge - sie ist schon angesprochen worden nicht noch einmal vortragen: Fahrgastrechte, Verbraucherinformationsgesetz -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das wäre in Ihrer verbleibenden Redezeit auch schwer möglich, Herr Kollege.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das ist schade, denn jetzt wird es gerade interessant. ({0}) Es sind viele Dinge, die wir aufweisen können. Wir haben Erfolge erzielt; aber wir befinden uns jetzt in einer Situation, in der wir eine gewisse Sorge wegen der Zukunft haben. Das soll man den Menschen nicht verschweigen. Man soll ihnen auch sagen, dass wir die richtigen Rezepte haben, um aus dieser Krise herauszukommen. Ich sage Ihnen eines: Wir werden am Ende stärker sein als vorher. Herzlichen Dank. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Aigner, es war noch Ihr Vorgänger, Herr Seehofer, der diesen Haushalt als Landwirtschaftsminister in erster Lesung eingebracht hat. Er hat ihn als Bekenntnis zur Landwirtschaft bezeichnet. Dabei hat er die Stärke der ländlichen Räume explizit an die Stärke der Land- und der Forstwirtschaft geknüpft. Vor zwei Wochen nun hat die EU-Kommission die Rückmeldungen auf ihr Grünbuch zur Reform des EUHaushalts vorgestellt. Das Ergebnis: Viele der Konsultationsteilnehmer wünschen eine Senkung der Agrarausgaben, insbesondere der Direktzahlungen. Aus dieser Reformdebatte erwächst natürlich ein sehr großer Druck auf die Agrarpolitik. Dieses Ergebnis kommt für uns nicht überraschend. Es bedeutet aber, dass wir sehr aufpassen müssen. Wir müssen uns mit unserer nationalen Agrarpolitik darauf vorbereiten, was in der EU schon absehbar ist. 2003 hat die EU die Landwirtschaft in den Markt entlassen. Sie hat die Förderung an höhere Anforderungen gekoppelt. Im Jahr 2013 - das ist uns allen klar - folgt der nächste Schritt. Das ist keine Überraschung. Die Frage ist aber: Werden wir darauf vorbereitet sein? Mein Kollege Wilhelm Priesmeier hat ausführlich zum Thema Milch gesprochen. Ich will hier nur eines doppelt unterstreichen: Ab 2015 wird es keine Mengensteuerung mehr geben, auch nicht, Frau Behm, auf nationaler Ebene. Da wird es nichts geben. Das bedeutet ganz klar: Wir müssen den Ausstieg begleiten; wir können es nicht einfach laufen lassen. Die Vorschläge des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter - ich nehme das doch noch einmal in den Mund - würden eindeutig zum Verlust von Marktanteilen und der Wettbewerbsfähigkeit führen. ({0}) Das ist jedenfalls das Ergebnis des Gießener Instituts für Agribusiness. Das deckt sich mit unserer Einschätzung. Wir wollen die Milcherzeugung in Deutschland aber nicht vor die Wand fahren. Wir wollen einen sanften Ausstieg. Deshalb heißt Verlässlichkeit an dieser Stelle: Perspektiven eröffnen. Das bedeutet wiederum, dass wir uns wirklich dem stellen müssen, was absehbar vonseiten der EU auf uns zukommt. Waltraud Wolff ({1}) Sind wir denn darauf vorbereitet, die neuen Herausforderungen überhaupt anzunehmen? Es wäre natürlich wichtig gewesen, die Entwicklung der ländlichen Räume auf EU-Ebene als neue Herausforderung zu begreifen und anzunehmen. Wie erhalten wir in den ländlichen Räumen die öffentliche Infrastruktur, wie die Daseinsvorsorge und wie die regionale Wirtschaftsstruktur? Wir haben mit der Förderung der Breitbandversorgung über die GAK einen kleinen Schritt gewagt. Ansätze dafür gibt es auch noch in der zweiten Säule. Diese Ansätze müssen wir national und auch europäisch stärken. In den Beschlüssen zum Gesundheitscheck ist es leider nicht gelungen, die ostdeutschen Landwirte vor Sonderlasten zu bewahren. Die progressive Modulation - lassen Sie es mich als ostdeutsche Abgeordnete so sagen - ist ein Sündenfall, und sie passt nicht zur Gesamtreform der Agrarpolitik. ({2}) Wir brauchen eine zielgerichtete Politik, die sich an den Leistungen für die Gesellschaft orientiert, und das ist keine Frage der Größe von Betrieben. ({3}) Immerhin ist es gelungen, dass die Mittel in den jeweiligen Bundesländern verbleiben. Das ist auch notwendig, damit nämlich nicht gerade die strukturell benachteiligten Gebiete noch einmal leiden müssen. Frau Ministerin, bei den künftigen Verhandlungen in Brüssel müsste als Erstes auf der Tagesordnung stehen: Schluss mit dieser Sonderlast! ({4}) Eines ist uns auch ganz klar: Es muss aufhören, dass Deutschland in Brüssel aus kurzfristigen Überlegungen heraus, vielleicht auch mit Blick auf das Wahlverhalten bayerischer Bauern, zu den Bremsern gehört. Wir müssen in Brüssel für eine zielgerichtete Agrarpolitik eintreten. ({5}) Wir müssen sie so gestalten, dass sie auch nach 2013 noch Bestand hat, national, indem wir gerade in der Gemeinschaftsaufgabe den neuen Herausforderungen begegnen und uns daran orientieren, und in Europa müssen wir dafür sorgen, dass es eine Agrarpolitik gibt, die die Leistungen für die Gesellschaft honoriert. Das verstehen die Menschen - nicht nur hier im Saal, sondern auch draußen. ({6}) Dafür müssen wir die Weichen stellen. Das sind wir allen unseren Landwirten schuldig. Vielen Dank. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/11067? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/11068? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Damit ist der Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt II.16 auf: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit - Drucksachen 16/10414, 16/10423 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Dr. Claudia Winterstein Dr. Gesine Lötzsch Omid Nouripour Zum Einzelplan 15 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Über einen Änderungsantrag werden wir am Schluss dieser Debatte namentlich abstimmen. Nun bitte ich diejenigen, die an der Debatte teilnehmen wollen, die reichlich vorhandenen Plätze einzunehmen, und diejenigen, die gegebenenfalls anderes Dringliches zu erledigen haben, den Sitzungssaal zu verlassen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. So kann man sich auch schon darauf einrichten, dass wir gegen 19.30 Uhr die namentliche Abstimmung durchführen werden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst die Kollegin Dr. Claudia Winterstein für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. Januar 2009 beginnt das letzte Amtsjahr der Großen Koalition. Das ist eine gute Nachricht. Es startet aber auch das, laut Kanzlerin Merkel, wichtigste Projekt dieser Großen Koalition: der Gesundheitsfonds. Das ist eine schlechte Nachricht. Schon vor dem Start droht das wichtigste Projekt von Schwarz-Rot zu einem Debakel zu werden, und das aus mehreren Gründen. Wunsch und Wirklichkeit liegen bei der Koalition weit auseinander. Das zeigt ein Blick in den Koalitionsvertrag. Dort sind unter der Überschrift „Wettbewerbliche und freiheitliche Ausrichtung des Gesundheitswesens“ vier zentrale Ziele aufgezählt. Im Koalitionsvertrag steht erstens: „Erweiterung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten“. Aber: Wo ist denn die Wahlmöglichkeit, wenn alle Versicherten den gleichen Beitrag bezahlen müssen? Zweitens: „Intensivierung des Wettbewerbs um Qualität und Wirtschaftlichkeit“. Aber: Wo ist der Wettbewerb, wenn alle Versicherungen den gleichen Beitrag anbieten müssen? Drittens: „Erhöhung der Transparenz über Angebote, Leistungen und Abrechnung“. Aber: Wo ist denn die Transparenz, wenn alle Mittel in einen Topf fließen und nach einem undurchsichtigen System dann wieder verteilt werden? Viertens: „Verminderung des bürokratischen Aufwands“. Aber: Wo ist der Bürokratieabbau, wenn die Kassen neue Strukturen aufbauen müssen, um mit ihren Versicherten abzurechnen? ({0}) Die Große Koalition ist vor drei Jahren mit großen Ambitionen angetreten und droht jetzt kläglich zu scheitern. Der Gesundheitsfonds steht auf äußerst wackeligen Beinen. Unter dieser Regierung sind die Gesundheitskosten seit 2005 um 24 Milliarden Euro gestiegen. 167 Milliarden Euro sollen 2009 aus den Taschen der rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten in den Fonds fließen. Um diese Kosten zu decken, haben Sie den Einheitsbeitrag mit 15,5 Prozent auf Rekordhöhe angesetzt. 90 Prozent der Versicherten werden im nächsten Jahr höhere Beiträge zahlen müssen. ({1}) Ich weiß nicht, was der Einzelne dazu sagt. Das ist aus ökonomischer Sicht auch der größte Fehler überhaupt, den Sie mit der Einführung dieses Gesundheitsfonds begehen; denn Deutschland befindet sich in keiner besonders guten Situation. Wir befinden uns im Wirtschaftsabschwung. Genau in dieser Phase erhöhen Sie die Beiträge und treiben damit die Lohnnebenkosten in die Höhe. Damit wird es für Arbeitgeber noch schwieriger, Arbeitsplätze zu halten, und die Arbeitnehmer haben immer weniger Geld im Portemonnaie, um den Konsum zu stützen. Eine fatale Entwicklung. Da nutzt es dann leider auch gar nichts, wenn der Arbeitsminister den Arbeitslosenbeitrag um 0,5 Prozentpunkte senkt. Diese Bemühungen machen Sie, Frau Ministerin, durch höhere Krankenkassenbeiträge wieder zunichte. Auch in diesem Punkt ist die Regierung an ihren Ansprüchen aus dem Koalitionsvertrag gescheitert. Ich zitiere aus dem Papier: CDU, CSU und SPD stellen sicher, dass die Lohnzusatzkosten … dauerhaft unter 40 % gesenkt werden. ({2}) 2009 werden die Beiträge auf 40,15 Prozent steigen. ({3}) Von Entlastung bei den Arbeitskosten also keine Spur. ({4}) - Sie können mir das gern noch einmal anders vorrechnen; da bin ich sehr gespannt. Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob der Rekordbeitrag von 15,5 Prozent überhaupt ausreichen wird, um den Fonds zu 100 Prozent auszustatten. Ich habe ernste Zweifel an den Rechenkünsten Ihrer Experten, Frau Ministerin. Schon bei der Berechnung des Konvergenzbetrags, also des Ausgleichs der Bundesländer aus dem Fonds, hat sich Ihr Haus um über 700 Millionen Euro verschätzt, weswegen jetzt kaum Rücklagen im Fonds gebildet werden können. Dies bedeutet, dass Sie mit dem Gesundheitsfonds ein massives Risiko für den Bundeshaushalt schaffen. Wir alle kennen doch die Konjunkturprognosen für das nächste Jahr. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, damit gehen die Beitragszahlungen zurück. Wer muss zahlen, wenn dann nicht genug Geld im Fonds ist? Der Steuerzahler! Sie reden nur von „unterjährigen Schwankungen“, die „kurzfristig mit Steuermitteln ausgeglichen werden“, oder davon, dass das Risiko beim Fonds liege. Frau Ministerin, sagen Sie doch deutlich, wie es ist: Das Risiko für Ihre Gesundheitspolitik liegt beim Steuerzahler und sonst nirgendwo. ({5}) Der Bürger wird doppelt zur Kasse gebeten: als Beitragszahler und als Steuerzahler. Das ist die ganze Wahrheit. Das wichtigste Projekt dieser Legislaturperiode ist im Ergebnis ein Reinfall. Das können aber weder die SPD noch die CDU zugeben; denn wir befinden uns schließlich im Wahlkampf. Vielen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Bundesregierung erhält nun die Bundesministerin Ulla Schmidt das Wort. ({0})

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wäre bei Ihrer Rede jetzt gar nicht auf die Idee gekommen, dass sich auch die FDP im Wahlkampf befindet. Zunächst bedanke ich mich bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für die konstruktiven Beratungen und vor allen Dingen bei den Berichterstattern der Koalition, den Kollegen Schurer und Barthle, für die wirklich sehr gute Zusammenarbeit, die dazu geführt hat, dass wir auch im kommenden Jahr einen Haushalt haben werden, der gute Voraussetzungen für die gesundheitliche Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger schafft. Mit diesem Haushalt werden wir mehr in Prävention investieren, vor allen Dingen bei HIV/Aids; aber auch im Hinblick auf Bewegung und Ernährung bei den Programmen „IN FORM“ und „3.000 Schritte“. Wir investieren des Weiteren in die Erprobung besserer Versorgungskonzepte vor allen Dingen für demenziell erkrankte Menschen, aber auch in die Verbesserung der Kindergesundheit. Aufgrund der uns vorliegenden Daten wissen wir, dass nicht alle Kinder in Deutschland die gleichen Chancen haben, gesund aufzuwachsen. Hier setzen wir im Rahmen dessen, was ein öffentlicher Haushalt dazu tun kann, die richtigen Schwerpunkte. ({0}) Der größte Betrag in unserem Haushalt ist der Bundeszuschuss an die Krankenversicherung in Höhe von 4 Milliarden Euro. Ich bin sehr froh, dass wir in der langfristigen Haushaltsplanung sichergestellt haben, dass der Betrag in den folgenden Jahren bis zum Erreichen einer Summe von 14 Milliarden Euro um jeweils 1,5 Milliarden Euro erhöht wird. Diese Mittel benötigen wir als pauschale Abgeltung dafür, dass die gesetzliche Krankenversicherung eine Reihe von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben übernimmt, womit bislang die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler belastet werden. Wir halten es für richtig, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einen Anteil mittragen, weil dies nicht allein Sache der Beitragszahler sein kann. Insgesamt stehen den gesetzlich Versicherten im kommenden Jahr über den Gesundheitsfonds 167 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich bleibe dabei: Die Krankenkassen tragen im kommenden Jahr kein Einnahmerisiko. In der jetzigen Situation stellt dies eine sehr gute Grundlage im Hinblick auf die Ausgabenplanung für 2009 dar. Die Krankenkassen tragen das Ausgabenrisiko, da sie dafür verantwortlich sind, dass diese 167 Milliarden Euro, die die Beitragszahler hart erarbeiten, effizient und effektiv eingesetzt werden und dafür gesorgt wird, dass kein Geld in irgendwelche Projekte fließt, die für eine gute medizinische Versorgung nicht notwendig sind. Frau Kollegin Winterstein, die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland sind auch in Zukunft wettbewerblich organisiert. Wettbewerb allein über Beiträge wollten wir nicht mehr, weil er dazu führt, dass Krankenkassen, in denen viele ältere und kranke Menschen versichert sind, höhere Beitragssätze erheben müssen als diejenigen Kassen, die junge und gesunde Versicherte haben. Der Wettbewerb allein über den Beitrag hat dazu geführt, dass wir heute bei den Beiträgen eine Spreizung von 5 Prozent haben. Bei einem Einkommen von 1 000 Euro im Monat macht das 50 Euro Unterschied bei gleichem Anspruch auf Leistung, Medikamente, ärztliche Behandlung und Behandlung im Krankenhaus aus. Es ist daher richtig, dafür zu sorgen, dass bei den Krankenkassen, die viele ältere Menschen haben, die Beitragssätze nicht stark ansteigen und bei den Krankenkassen, die viele junge Versicherte haben, die Beitragssätze nicht immer weiter abgesenkt werden. Alle sollen sich mit dem gleichen Anteil ihres Einkommens an der Finanzierung der medizinischen Versorgung beteiligen. Die Koalition stellt sich einen Wettbewerb vor, bei dem es um gute Qualität in der Versorgung geht. Dazu gehört, dass sich Krankenkassen anstrengen, einen guten Service für ihre Versicherten zu bieten und gute Verträge abzuschließen, damit die ambulante und die stationäre Versorgung besser koordiniert werden können. Dazu gehört auch, dass eine gute Versorgung für chronisch kranke Menschen organisiert wird und dass Wahlmöglichkeiten, die die Versicherten wollen, eingeräumt werden. Das ist Wettbewerb, wie wir ihn wollen. Wir wollen aber keinen Wettbewerb, der sich nur an Beitragssätzen ausrichtet. ({1}) Im kommenden Jahr fließen fast 11 Milliarden Euro mehr in das System der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist sehr viel Geld. Aber dieses Geld hat nichts mit dem Gesundheitsfonds zu tun. Es wird investiert, damit wir eine bessere und zugleich transparentere Bezahlung beispielsweise der Vertragsärzte auf den Weg bringen können und damit wir die Kliniken bei ihrer schweren Aufgabe unterstützen können, die Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Dieses Geld steht auch dafür zur Verfügung, dass mehr Pflegekräfte eingestellt werden können oder dass in der Gesundheitsversorgung auf einen wachsenden Behandlungsbedarf reagiert werden kann, der entsteht, weil es mehr ältere Menschen gibt. Außerdem kostet der medizinische Fortschritt, der therapeutische Erfolge mit sich bringt, mehr Geld. Wir haben ein Ziel: Wir wollen, dass 100 Prozent unserer Bürgerinnen und Bürger am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Wir wollen eine Versorgung für alle. Deswegen werden wir auch dafür sorgen, dass das notwendige Geld zur Verfügung steht. ({2}) Die FDP hingegen will eine Grundversorgung und eine privat abgesicherte gute Rundumversorgung für die, die Geld haben. Das wissen wir schon lange. Aber das entspricht nicht unserer Auffassung von Gesundheitspolitik in diesem Lande. Ich will auch noch sagen: Die Lohnnebenkosten liegen im kommenden Jahr bei 39,15 Prozent. ({3}) Sie können das nachrechnen. Die Versicherten übernehmen 0,9 Prozentpunkte, was zu einer Entlastung bei den Lohnnebenkosten führt. ({4}) Hören Sie auf, dies in die Lohnnebenkosten hineinzurechnen! ({5}) Die Kassen wissen seit der letzten Woche, wie viel Geld ihnen zugewiesen wird. Wir erwarten, dass die Kassen ihre Chancen nutzen, Verhandlungsmöglichkeiten ausloten und dass sie sich daranmachen, dieses Geld - sie wissen jetzt erstmals, wie viel Geld sie für ein ganzes Jahr, aufgeteilt auf zwölf Monatsraten, zur Verfügung haben - für gute Versorgungsangebote, für guten Service und für wirtschaftliches Handeln einzusetzen. Ich glaube, an diesem Punkt haben die Kassen einiges zu tun. Das wird sie vor neue Herausforderungen stellen. Aber wir brauchen das, damit wir zu einer guten Gesundheitsversorgung kommen. ({6}) Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung und Zukunft der Krankenhäuser. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass wir im kommenden Jahr zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Demnächst wird ein entsprechendes Gesetz hier beraten. Wir sind bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfs davon ausgegangen, dass 3 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Der Schätzerkreis hat 500 Millionen Euro für Mengenausweitungen und anderes mehr hinzuaddiert. In diesen 3,5 Milliarden Euro sind aufgrund des Wegfalls des Solidarbeitrages, des Auslaufens der Anschubfinanzierung und der Grundlohnsummensteigerung 1,5 Milliarden Euro enthalten, die den Krankenhäusern für eine gute Versorgung zur Verfügung stehen. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Die Krankenhäuser selbst fordern 6,7 Milliarden Euro für die Jahre 2008 und 2009. Alle Experten gehen davon aus, dass die Krankenhäuser im Jahre 2008 2 Milliarden Euro erhalten werden. Für das kommende Jahr haben wir im Gesundheitsfonds 3,5 Milliarden Euro eingeplant. Wenn man dazunimmt, was die Krankenhäuser auch über die private Krankenversicherung und die Beihilfe erhalten, kann man sagen: Allein damit sind rund 6 Milliarden Euro von den geforderten 6,7 Milliarden erfüllt. Das Folgende sage ich jetzt auch an die Fraktion Die Linke. Wenn die Länder ihre Verpflichtung wahrnehmen und Mittel für die Investitionen bereitstellen würden, stünden die deutschen Krankenhäuser richtig gut da. ({7}) Sie haben heute wieder gefordert, dass der Bund Steuermittel zur Verfügung stellen soll, während sich Ihre Gesundheitssenatorin in Berlin, so glaube ich, nie dafür eingesetzt hat, dass die 50 Prozent von den Investitionen, die in Berlin noch fehlen und die in jedem Land erhöht werden müssen, erbracht werden. So funktioniert das Ganze nicht. ({8}) - Ich greife meine Leute an, Sie greifen Ihre nicht an. Ich bin die Einzige, die deswegen durchs Land geht. Von Ihnen habe ich noch nichts gehört, damit der Investitionsanteil der Länder wirklich hereinkommt. ({9}) Dazu sage ich: Hier werden nur Forderungen gestellt, und es wird gar nicht akzeptiert, dass in der föderalen Struktur, die wir haben, die Länder für die Investitionen verantwortlich sind. Wenn die Länder das nicht wollen, sind wir gerne bereit, andere gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Wer bestimmt, wie viele Betten es in einem Land gibt, der muss auch dafür sorgen, dass die Aufgabenteilung bei der Finanzierung stimmt. Die Krankenkassen sind für den Bedarf an medizinischer Versorgung und für die Innovationen da. Die Länder sind für die Investitionen, also die Kosten der Gebäude und auch der Geräte, zuständig. Da haben sie ihre Aufgabe wahrzunehmen. Ich erwarte, dass auch die Vertreter der Krankenhäuser - und Sie mit - genau dies einfordern. Denn das brauchen wir. ({10}) Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, das Geld der Beitragszahler ist hart erarbeitet. Deshalb werden wir auch nicht lockerlassen, darauf zu achten, dass das Geld der Beitragszahler dahin fließt, wo wir es für eine gute Versorgung brauchen. Hinsichtlich der Frage, wie das Geld verteilt wird, möchte ich hier abschließend noch einmal Folgendes sagen. Da geht es nicht nur um die Krankenhäuser. Da geht es nicht nur um die Apotheker. Da geht es nicht nur um die Ärzte oder andere. Vielmehr geht es uns um die Patientinnen und Patienten. Wir müssen dafür sorgen, dass das Ganze und nicht nur ein Teilbereich stimmt. Ich glaube, dass wir deswegen mit unseren Projekten und auch mit dem Gesundheitsfonds, der eine fairere Finanzierung bietet, sowie mit dem, was wir im Haushalt vorgesehen haben, einen guten Weg einschlagen. Ich bedanke mich ganz herzlich. Machen wir weiter so! ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Martina Bunge ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Martina Bunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003743, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Wochen dreht sich die Debatte um den Gesundheitsfonds mit seinen rund 167 Milliarden Euro. Der Einzelplan des Bundeshaushalts, über den wir heute sprechen und zu befinden haben, ist dagegen sehr bescheiden. Für das Jahr 2009 sind ganze 4,45 Milliarden Euro vorgesehen. Die Ministerin sagte es gerade: 4 Milliarden Euro davon sollen an den Fonds gehen. Also nur mit Aufwendungen im Null-Komma-Milliarden-Bereich will die Bundesregierung gesamtgesellschaftliche Aufgaben für die Gesundheit der Bevölkerung befördern. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Gesundheit in Deutschland trotz der milliardenschweren Ausgaben über die Krankenversicherung im EU-weiten Vergleich im hinteren Mittelfeld liegt. Es ist traurig, aber wahr: In der Bundesrepublik ist Gesundheit stark vom sozialen Status abhängig. - Zugegeben, die Erkenntnis ist nicht neu. Die Erkenntnis ist nicht neu, dass arme Männer im Durchschnitt zehn Jahre früher als reiche sterben. Es ist lange bekannt: Armut macht krank. Das ist unhaltbar, so denken wir. ({0}) Gerade weil diese Erkenntnis nicht neu ist, sollte man meinen, dass sie zu politischen Maßnahmen führt. Aber an dieser Bundesregierung geht diese Erkenntnis vorüber, ohne dass sie den geringsten Niederschlag in der Politik und auch im Haushalt findet. Wer die Gesundheit befördern will, muss aber zuallererst die sozialbedingte Ungleichheit der Gesundheitschancen verringern. Gesundheits-, Arbeitsmarkt-, Sozial-, Familien- und Bildungspolitik müssen hierfür Hand in Hand gehen; aber leider passiert das nicht. Wenn Sie nun schon nichts dagegen tun, dass sich die Schere immer weiter auseinanderspreizt, dann wäre es zumindest geboten, gegen die Auswirkungen dieses Auseinanderspreizens auf die Gesundheit vorzugehen. ({1}) Was aber macht die Bundesregierung? Gesundheitskampagnen. Obwohl in der Koalitionsvereinbarung 2005 fixiert, hat die Große Koalition dank besonderer Unterstützung seitens der CDU/CSU kein Präventionsgesetz zustande gebracht. ({2}) Werbekampagnen - ich meine, Gesundheitskampagnen sollen jetzt demonstrieren, dass die Bundesregierung auf dem Feld der Prävention aktiv ist. Die Wirkung dieser Kampagnen ist aber sehr umstritten, vor allem, weil sie nicht diejenigen erreicht, die am meisten betroffen sind, nämlich Menschen mit wenigen Ressourcen - und das sind in der Regel sozial benachteiligte Menschen. Anstatt dass die Regierung also versucht, die gesundheitlichen Folgen ihrer Politik zumindest zu mildern, verschärft sie die Situation noch. ({3}) Verschärft wird unseres Erachtens auch die Situation für die Präventionsmaßnahmen der Krankenkassen. Diese werden zuallererst bei freiwilligen Leistungen und damit bei der Prävention sparen, wenn das Geld in Zeiten des Gesundheitsfonds knapp wird. Aus Wettbewerbsgründen werden sie sehr lange - so lange wie möglich - warten, Zusatzbeiträge zu erheben. Ich habe, ehrlich gesagt, sehr große Sorge um die Primärprävention. Ich sehe da richtig schwarz. Trotz aller Beteuerungen der Bundesregierung ist zu konstatieren: Gesundheitsförderung und Prävention haben keinen guten Stand bei dieser Bundesregierung. Tausende auf diesem Gebiet Engagierte sind zutiefst enttäuscht. Funktionierende Konzepte für Kinder und Jugendliche, für Menschen aller Altersgruppen können nicht verstetigt bzw. verbreitert werden. Um hier endlich Änderungen zu schaffen, muss ein Präventionsgesetz her, ({4}) das die soziale Ungleichheit ins Zentrum rückt, wie von meiner Fraktion vorgeschlagen. ({5}) Dies ist ein Ansatz, der im Juni dieses Jahres in einer Anhörung breite Zustimmung bei den Experten fand. Im Haushalt muss die gesamtgesellschaftliche Verantwortung hierfür zum Ausdruck kommen. Deshalb schlagen wir die Bereitstellung von 1 Milliarde Euro für die Prävention vor. Das wäre nicht zu viel für diese wichtige Aufgabe. Danke schön. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert Barthle, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Bunge, Sie haben eine interessante These aufgestellt: Armut macht krank. ({0}) - Ich will darüber gar nicht streiten. Ich will nur feststellen: In denjenigen Ländern in Deutschland, in denen die Linke mitregiert, geht es den Menschen deutlich schlechter als in denen, in denen die CDU mitregiert. ({1}) Also heißt dies doch: Die Linke macht arm. ({2}) Wenn dies so ist, brauche ich gar nicht weiterzureden. Nach der hervorragenden Haushaltsrede, die die Ministerin Schmidt gehalten hat, will ich meine Ausführungen auf einige Schwerpunkte lenken, die sonst untergehen könnten. Zuallererst möchte ich sagen: Den Dank, Frau Ministerin, den Sie geäußert haben, will ich zurückgeben. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen und Ihrem Haus für die sehr gute Zusammenarbeit und die tatkräftige Unterstützung. Ich bedanke mich auch beim Sekretariat des Haushaltsausschusses; es hat häufig bis in die Nachtstunden aufopferungsvoll gearbeitet. Ich bedanke mich bei den Referenten unserer Fraktion und natürlich bei den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern, die über die Parteigrenzen hinweg sehr gut und konstruktiv zusammengearbeitet haben. Eines ist mir noch erwähnenswert: Der Etat des Gesundheitsministeriums wurde im parlamentarischen Verfahren dieses Jahres praktisch nicht verändert. Es war gerade einmal eine Baumaßnahme, die wir verschieben mussten; ansonsten sind wir beim Regierungsentwurf geblieben. Das ist angesichts der Tatsache, dass das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlaments ist, etwas Außergewöhnliches. ({3}) Dieses Ergebnis kam dadurch zustande, dass der Regierungsentwurf gut war und die Kommunikation zwischen den Berichterstattern und dem Haus sehr gut funktioniert. Sie wissen, was wir wollen, und wir wissen, was Sie wollen. Auch dafür mein herzlicher Dank. Nun aber zur Gesundheit. Ein kluger Kopf sagte einmal: Gesundheit ist ein Geschenk, das man sich selber machen muss. Da ist was dran. Je älter man wird, desto wahrer wird dieser Satz. Da wir Deutschen immer älter werden, ist er umso richtiger. Mädchen, die heute geboren werden, zum Beispiel die Tochter unseres Haushaltskollegen Alexander Bonde, dem ich von dieser Stelle ebenso wie seiner Frau Conny ganz herzlich gratulieren will ({4}) - ja, das ist einen Beifall wert; dazu kann man nur sagen: Weiter so! -, haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 82 Jahren. Ein anderer kluger Kopf sagte, dass nicht die Jahre in unserem Leben zählen, sondern das Leben in unseren Jahren. Es kommt also auch auf die Qualität und nicht nur auf die Quantität an. Das ist der Grund, weshalb viele Menschen Sport treiben. Damit bin ich wieder am Ausgangspunkt: Gesundheit ist nichts Selbstverständliches. Dafür ist nicht nur die Medizin zuständig, sondern dafür sind vor allem wir selbst zuständig. Je früher man dieses Bewusstsein bei den Menschen implantiert, desto besser ist es. Wenn Mädchen und Jungen bereits in der Familie, im Kindergarten und in der Schule gesundes Verhalten von ihren Eltern, ihren Erzieherinnen und Erziehern sowie ihren Lehrerinnen und Lehrern erlernen, dann ist das der beste Weg. ({5}) Das können wir zwar nicht herbeiführen, aber unterstützen, und das tun die Koalitionsfraktionen und die Regierung mit dem Haushaltsentwurf für 2009 noch stärker als bisher: 3 Millionen Euro mehr für Prävention, 40 Millionen Euro insgesamt. Das ist angesichts der geringen Spielräume in diesem Etat eine gute Botschaft für uns alle. Dabei lobe ich ausdrücklich, dass sich das Ministerium nicht nur gegen die Volksseuche Übergewicht einsetzt, sondern sich zunehmend auch das Thema Schlankheitswahn vornimmt; denn die gesundheitlichen Folgen sind in beiden Fällen ähnlich gravierend. In den Bereichen „Aidsaufklärung“ und „Drogenund Suchtmittelmissbrauch“ unterstützen Union und SPD die lobenswerte Arbeit Ihres Hauses und der nachgeordneten Behörden ebenfalls. Jede vermiedene Neuinfektion und jedes vermiedene Abrutschen in die Sucht sind ein Erfolg und ersparen der Solidargemeinschaft, nebenbei bemerkt, erhebliche Folgekosten. Lassen Sie mich noch einen anderen Punkt aufgreifen, der in den Gesprächen der Berichterstatter mit dem Hauptpersonalrat eine große Rolle gespielt hat. Die Personalsituation in den Ministerien und in den nachgeordneten Behörden ist angespannt. Normalerweise drängen wir Haushälter auf weitere Personaleinsparungen; heute muss ich aber sagen: Ich begrüße es, dass wir die lineare Stellenkürzung auf 0,6 Prozent abgesenkt haben. Inzwischen ist das für manch eine nachgeordnete Behörde Ihres Hauses, Frau Ministerin, genug, fast zu viel. Ich erwarte deshalb, dass Ihr Haus zusammen mit dem Personalrat in den kommenden Jahren ein tragfähiges Konzept entwickelt, das uns über lange Zeit hinweg vor einer schwierigen Situation bewahrt. Vielleicht muss man eine ordentliche Aufgabenkritik vornehmen und sich von manchen Tätigkeitsfeldern trennen. Ein „Weiter so!“ kann es jedenfalls nicht geben; denn auch bei der Personalgewinnung stehen wir inzwischen vor Problemen, die sich nicht einfach lösen lassen. Wir brauchen in den Fachabteilungen und in den Behörden immer weniger allgegenwärtige Juristen oder Verwaltungsexperten, sondern Chemiker, Physiker, Mediziner und Informatiker. ({6}) Der öffentliche Dienst steht natürlich in Konkurrenz zu anderen Bereichen, insbesondere zur Privatwirtschaft. Manchmal passiert es, dass eine junge Ärztin, die sich beworben hat, nachdem sie die Rahmenbedingungen, zum Beispiel das Gehaltsniveau, erfahren hat, sofort wieder Lebewohl sagt. Kompensieren kann man das nur dadurch, dass man die ohnehin „schwierige“ Bezahlung durch entsprechende Angebote kompensiert, zum Beispiel durch solche, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betreffen. Man muss also Dinge anbieten können, die ansonsten nicht so leicht zu erreichen sind. Wir brauchen vor allem auf diesem Feld gute Ideen und kreative Konzepte, um die öffentliche Verwaltung flexibler gestalten und für attraktive Stellen sorgen zu können. Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch auf die Kritik am Gesundheitsfonds eingehen. Das richtet sich an die Adresse der FDP: Wenn Ihnen die Erhöhungen des Beitragssatzes, die wir aufgrund der Vergütung für die Ärzte, aufgrund der Vergütung für das Pflegepersonal in den Krankenhäusern und aufgrund der Kostensteigerungen im Medikamentenbereich vorgenommen haben, nicht recht sind, dann können Sie das sagen. Aber die Beitragssteigerungen sind genau darauf zurückzuführen und haben mit dem Fonds nichts, aber auch gar nichts zu tun. Das muss man wieder einmal feststellen. ({7}) Abschließend möchte ich sagen: Der Etat des Gesundheitsministeriums ist ein guter. Ich empfehle Zustimmung. Herzlichen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Birgitt Bender ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen ist viel von der Rückkehr des Staates die Rede gewesen: Angesichts der Finanzmarktkrise müsse die Politik wieder die Zügel in die Hand nehmen; Deregulierung und übermäßiges Marktvertrauen seien gestern gewesen. Wenn man sich die Gesundheitspolitik dieser Ministerin und der Großen Koalition in ihrem Fahrwasser ansieht, könnte man fast auf die Idee kommen, dass sie ihrer Zeit voraus sind: So viel Staat wie seit der letzten Gesundheitsreform hat es im Gesundheitswesen dieser Republik noch nie gegeben. ({0}) Da aber endet die Analogie. Was für die anarchischen Finanzmärkte eine dringend notwendige Medizin ist, wird sich für die Gesundheitsversorgung als Gift erweisen. Verglichen mit Gesundheitssystemen in anderen Ländern ist die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland finanziell gut ausgestattet. ({1}) Das liegt auch daran, dass die GKV mit ihren zweckgebundenen Beiträgen und der Beitragsfestsetzung durch die Kassen bisher vergleichsweise unabhängig über ihre Finanzausstattung entscheiden konnte. Das unterscheidet sie von Gesundheitssystemen, die aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden. ({2}) Herr Kollege Spahn, wir haben das in Großbritannien studieren können, und wir haben beispielsweise in Kanada sehr eindrucksvoll vorgeführt bekommen, zu welchen Situationen von Unterversorgung das je nach Haushaltslage führen kann. In Deutschland wird sich das durch den Gesundheitsfonds grundlegend ändern; denn jetzt übernimmt auch hier der Staat die Regie für die Einnahmeseite des Gesundheitswesens. ({3}) Künftig, liebe Kollegin Widmann-Mauz, wird die Finanzausstattung der Krankenkassen mehr von politischen Konjunkturen und Kalkülen als von den Anforderungen der Gesundheitsversorgung abhängig sein. ({4}) Den Auftakt für diesen Paradigmenwechsel haben wir in den letzten Wochen mit der Diskussion über die erstmalige Festsetzung des Einheitsbeitrags für das nächste Jahr schon erlebt. ({5}) Die beschlossenen 15,5 Prozent sind ausschließlich der Absicht geschuldet, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu Beginn des Wahljahres möglichst nicht ansteigen zu lassen - die Ministerin hat uns das vorhin noch einmal vorgeführt -; deswegen darf der Beitragssatz der GKV nicht stärker ansteigen, als Sie den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung absenken. ({6}) Reichen werden diese 15,5 Prozent aber hinten und vorne nicht. Das sagen die Kassen schon seit einiger Zeit. ({7}) Inzwischen - das muss man sagen - räumt die Koalition, wenn auch auf etwas verdruckste Weise, im Grunde genommen genau dies ein. Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass Sie bei den Krankenhäusern das zusätzliche Geld, das Sie mit der einen Hand versprochen haben, mit der anderen Hand wieder einsammeln wollen. ({8}) In Zukunft soll wieder 1 Milliarde Euro aus diesem Bereich herausgeholt werden. Daran sieht man doch, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Union und überhaupt aus der Koalition, dass Sie hier eine Gesundheitspolitik machen, die sich zwischen gesundheitspolitischen Zielsetzungen auf der einen Seite und fiskalpolitischen auf der anderen Seite nicht entscheiden kann. Mit diesen selbstgeschaffenen Handlungszwängen haben Sie sich selber völlig überfordert. ({9}) Tatsächlich ist das erst der Anfang; denn wer die Einnahmen kontrolliert, muss natürlich auch die Ausgaben diktieren. Auch da kann man wieder auf das Beispiel Krankenhausfinanzierung schauen: Künftig möchte die Regierung jedes Jahr festlegen, ob - und, wenn ja, wie stark - die Preise für Krankenhausleistungen steigen dürfen. Damit wird dieser Sektor, der ohnehin schon stark von politischen Kalkülen geprägt ist, vollends von Kalkülen abhängig, die mit der Gesundheitsversorgung nichts zu tun haben. Statt für mehr finanzielle Eigenständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung sorgt die Große Koalition für staatliche Finanzsteuerung und Dirigismus. Bald wird man das System kaum noch wiedererkennen. Das ist kein Kompliment. Das wird der Qualität der Gesundheitsversorgung schaden. Manchmal habe ich den Eindruck, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, dass noch nicht alle von Ihnen wirklich erfasst haben, auf welchen Weg Sie sich begeben haben. ({10}) Ich kann Ihnen nur sagen: Es wird Zeit, aufzuwachen. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ewald Schurer erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der guten Ordnung halber möchte auch ich mich erst einmal bedanken. Das ist der letzte Haushalt, zu dem ich in dieser Legislatur in meiner Funktion als Hauptberichterstatter für Gesundheit spreche. Was danach geschieht, werden das Schicksal und das Ergebnis der Bundestagswahl im September 2009 entscheiden. ({0}) Alle Spekulationen, die vonseiten der FDP angestellt werden, sind ohnehin verfrüht. Sie werden sich nicht so erfüllen, wie man es sich bei Blau-Gelb wünscht. Mein Dank geht an die Ministerin und an alle Beteiligten im Gesundheitsministerium. Mein Dank geht natürlich auch an das Finanzministerium, an die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker, an das Haushaltssekretariat und an alle anderen, die daran mitgewirkt haben, dass wir unsere Beratungen relativ geräuschlos abschließen konnten, und das trotz einer Unterbrechung. Denn aufgrund der Finanzmarktkrise waren die Haushaltsberatungen faktisch für eine Woche unterbrochen. Trotzdem haben wir inhaltlich sehr gute Ergebnisse erzielt. Ich möchte mich auch bei meinem Kollegen Norbert Barthle bedanken. Wir hatten im Hinblick auf die Gesundheitsreform zwar nicht immer die gleichen inhaltlichen Präferenzen, haben es aber geschafft, relativ kollegial und sehr gut zusammenzuarbeiten. ({1}) Mein Dank richtet sich auch an die Berichterstatter der Oppositionsfraktionen. Trotz unterschiedlicher Auffassungen haben wir es geschafft, immer sehr fair über die Inhalte zu diskutieren, auch wenn wir oftmals zu verschiedenen Ergebnissen gekommen sind. Richtig ist: Im Mittelpunkt des Gesundheitshaushalts stehen die 4 Milliarden Euro, die für die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben bereitgestellt werden. Diese Mittel wurden um 1,5 Milliarden Euro erhöht. ({2}) In der Perspektive wollen wir auf einen Betrag von 14 Milliarden Euro kommen. Verehrte Frau Bunge, aufgrund der Rückstellungen für die Baumaßnahmen beim RKI stehen nur noch 424 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist zwar der Kern dieses Haushalts, wurde von Ihnen allerdings missinterpretiert. Dieser Betrag versetzt das Gesundheitsministerium in die Lage, gemeinsam mit fünf weiteren Instituten alle hoheitlichen Aufgaben in diesem Bereich wunderbar zu erledigen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass wir auch den fachlichen Belangen des Leitinstituts im Bereich von Public Health, dem RKI, durch einen Stellenaufwuchs gerecht geworden sind. Ich möchte auf die Struktur des Haushalts eingehen. Für die eigentlichen Aufgaben des BMG werden 73 Millionen Euro und für allgemeine Bewilligungen 121,5 Millionen Euro bereitgestellt. Aufgrund der bereits erwähnten Rückstellungen für Baumaßnahmen beim RKI benötigen wir im Augenblick noch 210 Millionen Euro für Institute. In Kap. 1567 verbleiben noch 19,4 Millionen Euro für die sogenannten Versorgungsausgaben in diesem Bereich. Meine Damen und Herren, wir haben inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Mit diesem Haushalt werden 73 Millionen Euro für gesundheitspolitisch relevante Maßnahmen des Ministeriums zur Verfügung gestellt. ({3}) - Frau Bunge, Sie müssen sich einmal genau informieren, was im Haushalt steht. ({4}) Es geht um Forschungsvorhaben, Modellprogramme und Maßnahmen zur gesundheitlichen Aufklärung. Mich interessiert ganz besonders der Bereich der Prävention. Das hat allerdings nichts mit Ihrem Schau20556 fensterantrag zu tun, der nur beweist, dass Sie das System der Bezahlung und der finanziellen Generierung gesundheitlicher Leistungen nicht verstehen. Die 1 Milliarde Euro, um die es hierbei geht, muss auch durch die im Gesundheitswesen gezahlten Beiträge aufgebracht werden, also von den Krankenkassen. Auch die Kassen werden sich künftig vermehrt präventiven Leistungen widmen. Die 40 Millionen Euro, die an dieser Stelle eingeplant sind, sind wichtig, weil es um ernste Inhalte geht. Uns alle beschäftigt zum Beispiel die Tatsache, dass die Zahl der Aids-Neuinfektionen leider erneut gestiegen ist; deswegen kommt der Aufklärung an dieser Stelle eine eminent wichtige Bedeutung zu. Ich habe schon bei der ersten Lesung des Haushalts darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung des Drogenund Suchtmittelmissbrauchs, gerade durch junge Menschen, intensiv fortgesetzt werden muss. In einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die am 14. November dieses Jahres veröffentlicht wurde, kommt ganz deutlich zum Ausdruck, dass mittlerweile mehr als 1 Million junge Menschen in Deutschland regelmäßig exzessiv Alkohol trinken, um sich zu entspannen. Diese Dinge müssen mit neuen, wirksamen Konzepten bekämpft werden. Wir brauchen dabei neue und unkonventionelle Wege, um junge Menschen in dieser schwierigen Lebensphase - zum Beispiel in der Pubertät zu erreichen. Wir erreichen mit dem pädagogischen Zeigefinger und altbackenen Methoden nichts. Das sind ganz wichtige Dinge. Verehrte Kollegin, über diese Dinge und nicht über Schaufensteranträge müssen wir reden. ({5}) Zum RKI ist bereits einiges gesagt worden. Wir sind stolz darauf, dass wir als Haushälter aufgrund der fachlichen Notwendigkeiten - Stichwort: Public Health - dazu beigetragen haben, die zentrale Überwachungs- und Forschungseinrichtung RKI in drei Schritten mit 45 neuen Stellen so auszustatten, dass es seine originären Aufgaben auch künftig wahrnehmen kann. Es gibt eben auch Gesundheitsrisiken, die sich verändert haben. Ich nenne zum Beispiel den Anstieg der Anzahl der HI-Viren, die Influenzaverbreitung, das Auftreten von Pandemien und die Ausweitung der Antibiotikaresistenzen. All das sind immense wissenschaftliche Aufgaben, denen sich das RKI zu stellen hat. Deswegen haben wir als Haushälter an dieser Stelle gesagt: Es geht nicht nur um den Sparprozess, sondern auch darum, dieses Institut im Hinblick auf seine weltweite Reputation und den wissenschaftlichen Dialog so auszustatten, dass man federführend ist und gut arbeiten kann. Werte Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nichts vor: Der politische Diskurs über die Ursachen und Wirkungen der internationalen Finanzkrise wird sich auch auf das Feld der Gesundheitsversorgung ausweiten; das ist ganz klar. Daher sage ich als Sozialdemokrat ganz bewusst: Wir sehen jetzt, dass es für die Menschen von eminenter Bedeutung ist, dass es funktionierende öffentliche Gesundheitssysteme gibt, die durch die Art und Weise, wie sie in Deutschland - auch aufgrund der öffentlichen Strukturen - angelegt sind, ein Stück weit Stabilität besitzen. Das ist ein Wert an sich, den wir als Sozialdemokraten in dieser Zeit der Finanzkrise bewusst unterstreichen wollen und müssen. ({6}) Ich möchte hier auch noch einen weiteren Gedanken ansprechen, der für mich in diesen vier Jahren als Gesundheitshaushälter immer mehr an Bedeutung gewonnen hat: Es wird in der öffentlichen Diskussion immer nur von den Kosten der Gesundheitsmechanik gesprochen. Kosten bedeuten aber auch Wertschöpfung. Diese Wertschöpfung dient der Gesundheit der Menschen. Es ist richtig: In allen wissenschaftlichen Studien wird gesagt, dass die Bildungsvoraussetzungen der Menschen für ihr späteres Bewusstsein im Bereich der Gesundheit immens wichtig sind. Auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen sind für ihre Gesundheit von eminenter Bedeutung. Umso mehr betone ich, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit gesicherten Arbeitsverhältnissen durch ihre soziale Absicherung bessere Chancen haben, gesund zu werden bzw. zu bleiben, während Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen - auch das besagt die Sozialforschung - aufgrund der nicht vorhandenen sozialen Standards in der Tat einem eminent hohen Risiko ausgesetzt sind, krank zu werden. Daher will ich diesen Zusammenhang hier bewusst ansprechen. In der Gesundheitslandschaft gibt es mittlerweile ganz andere Verhältnisse.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, denken Sie bitte daran, dass Sie jetzt gerade noch Zeit für eine fulminante Schlussbemerkung, aber nicht mehr für einen neuen Abschnitt haben. ({0})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich danke Ihnen für diesen zarten Hinweis. Ich möchte zum Schluss sagen: 4,6 Millionen Menschen in Deutschland sind mittlerweile im Gesundheitssektor beschäftigt. Die Prognosen besagen, dass es bis 2020 800 000 Menschen mehr sein werden. Ich glaube, Herr Präsident, das ist fulminant. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Versuch, jetzt alle namentlich anzusprechen, würde sicher scheitern. ({0})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Gesundheitssektor ist gemeinsam mit dem Umweltsektor derjenige Sektor, der für die Wertschöpfung der Volkswirtschaft künftig von eminenter Bedeutung ist. In diesem Sinne glaube ich sagen zu können, dass wir einen guten Haushalt vorgelegt haben. Ich bedanke mich für die große Aufmerksamkeit. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun hat der Kollege Heinz Lanfermann für die FDPFraktion das Wort, die ihm ärgerlicherweise auch nur fünf Minuten zubilligt. ({0})

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade heute - zu dieser Debatte passend - ist die neue Allensbach-Studie zum Gesundheitswesen vorgestellt worden. Ich nenne einmal vier wesentliche Ergebnisse in Schlagworten: Nur noch etwa jeder Zweite ist mit dem Gesundheitswesen zufrieden. Mehr als 60 Prozent rechnen mit einer sich verschlechternden Gesundheitsversorgung. 87 Prozent aller Ärzte prophezeien eine Zweiklassenmedizin. 94 Prozent der ostdeutschen Ärzte rechnen mit einem Ärztemangel in ihrer Region. Nach drei Jahren Gesundheitspolitik der Großen Koalition ist das die Realität. Realität ist also nicht die Heile-Welt-Rhetorik der Gesundheitsministerin. ({0}) Die Bilanz der letzten drei Jahre ist - auch wenn die Jahre davor ebenfalls nicht besonders gut waren - wirklich erschreckend: immer mehr Gesetze, die zudem handwerklich immer schlechter werden; immer mehr Bürokratie; immer mehr Staat; höhere Beiträge; ein nicht zu übersehender Trend zu schlechteren Leistungen; weniger Selbstverwaltung und dafür noch mehr Gängelung. ({1}) Verbunden wird das Ganze mit einer gewissen Diskrepanz zwischen öffentlicher Darstellung - ich will jetzt nicht „Propaganda“ sagen - und der Realität. Ein Beispiel dafür haben wir heute erlebt. Meine Damen und Herren, machen wir heute Abend noch eine kleine Rechenstunde - alles bezogen auf das nächste Jahr -: 19,9 Prozent Rentenversicherung, 14,6 Prozent Krankenversicherung - so sagt die Ministerin; ich belasse es einmal dabei -, 2,8 Prozent Arbeitslosenversicherung und 1,9 Prozent Pflegeversicherung; bei den Kinderlosen ist es noch etwas mehr - das sind insgesamt 39,2 Prozent. Damit, so behauptet die Ministerin, wäre die Selbstvorgabe der Großen Koalition im Koalitionsvertrag erfüllt, dauerhaft dafür zu sorgen, dass die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent sinken. ({2}) Dabei haben Sie etwas übersehen, Frau Ministerin. Es war nämlich nicht die Rede von Arbeitgeberbeiträgen, sondern von Lohnnebenkosten. Das sind diejenigen prozentualen Beiträge, die nach dem Gesetz verpflichtend von Lohn und Gehalt abgeführt werden. Dann gibt es den kleinen Unterschied - der wirkt sich für Arbeitnehmer aber noch schlimmer aus, als wenn, wie üblich, geteilt wird; das bejammern Sie sonst immer -: Das ist der Teil des Beitrages zur Krankenversicherung - 0,9 Prozent -, den die Arbeitnehmer selbst zu zahlen haben. Das gehört aber auch zu den gesetzlich vorgeschriebenen Lohnnebenkosten, die man abführen muss. ({3}) Wenn wir also auf diesen Taschenspielertrick aus der untersten Schublade nicht hereinfallen wollen, dann müssen wir diese 0,9 Prozent dazurechnen. Damit sind wir tatsächlich bei 40,1 Prozent. Das sind - glauben Sie es mir, Frau Ministerin - wirklich mehr als 40 Prozent. ({4}) Ein weiterer Gedanke zur Differenz zwischen Darstellung und Realität. Die Bundesregierung gibt sich trotz aller Anfragen, trotz aller Bemerkungen und trotz aller entsprechenden Vorträge in diesem Hohen Hause viel Mühe, einfach darüber hinwegzureden und zu ignorieren, dass bei diesem bürokratischen Monster Gesundheitsfonds Bürokratiekosten entstehen. Die Bundesregierung behauptet immer - das ist sogar amtlich; es steht nämlich in den Mitteilungen des Bundespresseamtes -, es seien nur ganz wenige Stellen, die zusätzlich geschaffen würden, damit man die Gelder, die im Zusammenhang mit dem Risikostrukturausgleich schon jetzt eingingen und verwaltet würden, an die Krankenkassen verteile, die auf das warteten, was ihnen zugeteilt werde. Immer wieder verschweigen oder negieren Sie, dass 51 Millionen Versicherte - ich rede nur von denen, die etwas zahlen, nicht von den Mitversicherten - jetzt neue Konten bekommen müssen. Konten dieser Art hat es bisher nicht gegeben und musste es auch nicht geben. Der AOK-Bundesverband - nicht die FDP - hat gesagt: Das führt zu Kosten von 2,50 Euro pro Versicherten und Monat. Ich glaube, das ist eher konservativ gerechnet; denn man muss Personalkosten, Raumkosten, Kosten für EDV usw. dazurechnen. Im Monat 2,50 Euro mal 51 Millionen - ich bleibe bei dieser Rechnung - sind nun einmal etwa 125 Millionen Euro. Da das bezogen auf das Jahr bekanntlich zwölfmal so viel ist, sind das jährlich 1,5 Milliarden oder 1 500 Millionen Euro, wie immer Sie es gerne hätten. Das entspricht im Übrigen 0,15 Prozentpunkten des Beitragssatzes. Jetzt rede ich vom Geld der Beitragszahler. Das ist nämlich wichtig, wie wir schon bei dem anderen Beispiel gesehen haben. Entweder schlagen Sie das Geld den Versicherten bei Ihrer nächsten staatlichen Zwangsfestsetzung der Beiträge drauf, ({5}) oder Sie schreiben den Kassen vor, die 0,15 Prozentpunkte wieder einzusparen oder nach der Logik dessen, was Sie mit Ihrem Gesundheitsfonds angerichtet haben, Zusatzbeiträge in entsprechender Höhe zu erheben. Das sind nur drei kleine Beispiele für den Unterschied zwischen Darstellung und Realität. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Zöller für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Lanfermann. Da Sie sich so stark auf Umfragen gestützt haben, schildere ich Ihnen das folgende Ergebnis einer Umfrage: Danach befragt, ob ältere, pflegebedürftige Menschen in Pflegeheimen mit Dihydrogenmonoxid behandelt werden dürfen, gaben 95 Prozent an, das müsse sofort abgestellt werden. Dabei ist Dihydrogenmonoxid normales Trinkwasser. Es kommt also darauf an, wie eine Frage gestellt wird und welche Konsequenzen man daraus zieht. ({0}) Ich kann schon im Vorhinein die gewünschte Antwort mit meiner Frage vorgeben. ({1}) - Wenn Sie eine Frage haben, können Sie sie gerne stellen. Dann bekommen Sie die richtige Antwort. ({2})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Jetzt haben Sie Herrn Lanfermann zu einer Zwischenfrage ermuntert.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, natürlich.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Lanfermann, bitte.

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Zöller, meine Frage geht dahin: Hat Allensbach falsch gefragt, haben die betroffenen Menschen - darunter auch mehrere Hundert Ärzte, wie aus der Darstellung erkennbar war - falsch geantwortet, oder waren sie zu dumm, die richtigen bzw. die falschen Fragen zu verstehen?

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich würde sagen, Sie haben die falschen Schlüsse gezogen. ({0}) Wenn nämlich 50 Prozent etwas nicht gut finden, dann müssen die übrigen 50 Prozent sagen, dass sie zufrieden sind. ({1}) Sie hätten heute genauso verkünden können, in Deutschland hätten über 50 Prozent angegeben, sie seien mit dem Gesundheitssystem zufrieden. Wenn Sie Menschen fragen - damit sind wir wieder beim Thema -, ob sie in der gesetzlichen Krankenversicherung alle Medikamente bekommen, dann werden sicherlich einige antworten, sie bekämen nicht jedes Medikament. In der gesetzlichen Krankenversicherung wird auch nur das bezahlt, was notwendig und wirtschaftlich ist. Insofern kann man mit einer Frage eine Antwort vorformen. Deshalb sollte man damit sehr vorsichtig sein. ({2}) Trotz aller Kritik, die vorgetragen wurde, können wir, glaube ich, feststellen, dass wir in den letzten Wochen unsere Hausaufgaben gemacht haben. Die gesetzlichen Krankenversicherungen erhalten im kommenden Jahr 167 Milliarden Euro. Das sind über 10 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Es trifft also nicht zu, dass die Krankenkassen mehr Probleme haben werden. Die Kassen bekommen mehr Geld als in diesem Jahr. Damit werden die Versorgung der Patienten und eine leistungsgerechtere Vergütung sichergestellt. Gleichzeitig haben wir durch die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages erreicht, dass es nicht zu einer Steigerung der Lohnzusatzkosten kommen wird. Die Koalition kann mit Recht behaupten: Wir haben Wort gehalten. Es werden mehr als 3 Milliarden Euro für die ambulante Versorgung und 3,5 Milliarden Euro für die stationäre Versorgung ausgegeben. Das heißt, diese beiden Bereiche sind finanziell besser ausgestattet als in diesem Jahr. Bei dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung haben wir mit der Konvergenzklausel erreicht, dass der Gesundheitsfonds keine negativen Auswirkungen auf einzelne Bundesländer hat. Auch hier gilt: In jedem Land steht für die Krankenversorgung nach Einführung des Gesundheitsfonds 2009 mehr Geld zur Verfügung als 2008. ({3}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas ansprechen. Ich halte es für verantwortungslos, wie manche im Vorfeld der Reform die Menschen mit Zahlen verunsichert haben. Ich nenne ein konkretes Beispiel. Eine Krankenkasse hat behauptet, aus Bayern würden 500 Millionen abfließen. ({4}) - Von wegen „So ist es“! Sie haben wirklich Ahnung. Daraufhin haben die Ärztevertreter ihren Mitgliedern mitgeteilt, sie würden Einbußen in Höhe von 25 bis 30 Prozent haben. Dann hat man die Patienten durch Plakataktionen verunsichert. Gleichzeitig hat man Mitarbeiter unter Androhung von Personalabbau zu Postkartenaktionen aufgerufen, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. So weit zum Vorspiel. Was kam als Ergebnis heraus? Die besagte Krankenkasse bekommt nicht 500 Millionen Euro weniger, sondern erhält 200 MillioWolfgang Zöller nen Euro mehr. Deshalb sage ich: Es ist unverantwortlich, wie manche die Menschen verunsichern. ({5}) Ich wünsche mir, dass man in Zukunft mit Zahlen ehrlicher umgeht. Man kann sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Aber dann wären keine sachlich unbegründeten Protestaktionen mehr notwendig. Das Gesetz ist auch mit Verbesserungen für die Patienten verbunden, speziell für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung. Auf Leistungen zur sozialmedizinischen Nachsorge besonders für chronisch kranke und schwerstkranke Kinder besteht künftig ein Anspruch. Die enterale Ernährung wird sichergestellt, genauso wie eine Versorgung mit qualitativ hochwertigen Hilfsmitteln. All das sind Maßnahmen, die den Versicherten zum Vorteil gereichen. Die Ministerin hat es schon angesprochen: In diesem Jahr geht es auch um die Krankenhausfinanzierung. Wir wissen, dass die Krankenhäuser nicht nur einer der wichtigsten Kostenträger, sondern auch wichtig für die Versorgung der Patienten sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, selbstverständlich.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Zöller, ist es Ihrer Ansicht nach wirklich eine Verbesserung für Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen, wenn Krankenkassen nun dazu übergehen, Monopolverträge zum Beispiel über die Versorgung von inkontinenten Menschen abzuschließen, was zur Folge hat, dass einem das, was man früher aus der Apotheke um die Ecke geholt hat oder was einem nach Hause gebracht wurde, von irgendwoher geliefert wird - in Berlin zum Beispiel gibt es noch nicht einmal einen barrierefreien Zugang, sodass man sich als Mensch mit Behinderung noch nicht einmal beschweren kann - und dass viele Apotheken vor Ort ruiniert werden? ({0})

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Genau den Fall, den Sie beschreiben, beheben wir mit der Gesetzesänderung. ({0}) - Selbstverständlich. ({1}) - Entschuldigung, ich bin gefragt worden. Ich habe gesagt, dass wir eine Regelung vorbereiten, die besser ist. Sie ist deshalb besser, weil wir die Hilfsmittelerbringer in die Verhandlungen einbeziehen. Es wird zuerst festgestellt, was überhaupt sinnvoll ist auszuschreiben. Das, was Sie geschildert haben, wäre nicht sinnvoll. Wir wollen eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige Versorgung erreichen. Die Kritik ist angekommen. Wie Sie sehen, sind wir nicht beratungsresistent. Wir werden hier handeln. ({2}) Bei der Krankenhausfinanzierung müssen wir folgende Überlegungen berücksichtigen: Man darf das nicht aus dem Blickwinkel einer Kapitalgesellschaft sehen, sondern man muss sich am medizinischen Bedarf orientieren. Frau Kollegin Bender, wir werden deshalb im Gegensatz zu Ihrer Äußerung die Budgetierung aufheben. Wir sind für eine wohnortnahe Versorgung. Das heißt, wir müssen sicherstellen, dass die Krankenhäuser auch im ländlichen Raum eine Regelversorgung anbieten können. Aber der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass hier die Bundesländer gefordert sind. Sie müssen endlich ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen. Es kann nicht sein, dass Krankenhäuser etwas von dem Geld, das sie für den Betrieb brauchen, abzweigen müssen, um notwendige Investitionen tätigen zu können. Die richtigen Ansprechpartner sind hier die Bundesländer. Wir wollen eine ausreichende Anzahl an Ärzten und Pflegepersonal. Hierbei kommt es uns auch auf die Qualität der Patientenversorgung an. Ein Punkt, der immer wieder angesprochen wird, betrifft die Entbürokratisierung der Arbeitsabläufe. Auch die Selbstverwaltung muss etwas ernster an diese Sache herangehen. Wir wollen den Aufwand nämlich auf das wirklich Notwendige reduzieren und unnötige - ich sage jetzt: bürokratische - Vorgaben ersatzlos streichen. Die Notwendigkeit der Sicherstellung der Aus- und Weiterbildung in den medizinischen Berufen sowie einer leistungsgerechten Vergütung ist, glaube ich, ebenfalls unbestritten. Frau Kollegin Bender, ich finde es schade, dass Sie sich hier hinstellen und etwas behaupten, das nicht stimmt. Sie suggerieren wieder, die Leute würden 1 Milliarde Euro weniger bekommen. Ich kenne niemanden aus der Koalition, der das vorgeschlagen hat. Sie zitieren aus einem Brief, den eine Krankenversicherung geschrieben hat. ({3}) Aber noch ist die Koalition nicht der Handlungsbevollmächtigte von Krankenversicherungen. ({4}) Wir werden mit der Reform der Krankenhausfinanzierung weiter dafür sorgen, dass die finanzielle Lage der Kliniken wesentlich verbessert wird. Schwerpunkte sind eine anteilige Refinanzierung der Tariflohnsteige20560 rungen für die Jahre 2008 und 2009 sowie ein Förderprogramm für die Pflege, das es ermöglicht, zusätzliche Pflegekräfte einzusetzen. Außerdem wird in diesem Gesetz die Aufhebung des bisherigen Sparbeitrags der Krankenhäuser geregelt. Ebenfalls geregelt wird der neue Orientierungswert; da rufen Sie auch wieder nach dem Staat. Es ist doch sinnvoll, dass sachverständige Fachleute einen bestimmten Betrag festsetzen, der dann flexibel gestaltet werden kann. Nun kommt natürlich von den Krankenkassen die Kritik, das sei nicht ausreichend. Die Krankenhäuser sagen: Wir brauchen mehr Geld. - Die Krankenkassen sagen: Es ist genügend da. - Es ist unbestritten, dass wir an dieser Stelle mehr finanzielle Mittel brauchen. Die wirtschaftliche Lage der einzelnen Kliniken ist jedoch höchst unterschiedlich. Die aktuellen Daten des Deutschen Krankenhausinstituts weisen zwar aus, dass rund 30 Prozent der Krankenhäuser ein Defizit verzeichnen. Sie weisen aber gleichzeitig aus, dass 50 Prozent der Krankenhäuser einen ausgeglichenen Haushalt bzw. einen Überschuss haben. Deshalb ist es verkehrt, alle Krankenhäuser pauschal zu beurteilen. ({5}) Wir haben mit diesem Gesetz erhebliche Verbesserungen vorgesehen. Dies sollte man nicht kleinreden. Wie in jedem Gesetzgebungsverfahren wird es sicherlich noch zu der einen oder anderen Änderung des Regierungsentwurfs kommen. Die Krankenhäuser bieten eine hochwertige medizinische Versorgung. Sie nehmen damit eine wichtige Schlüsselrolle in der gesamten medizinischen Versorgung ein. Deshalb werden wir als Fraktion dafür sorgen, dass die Verbesserung der Finanzausstattung wie zugesagt erfolgen kann. Vielen Dank. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Frank Spieth das Wort. ({0})

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Um es noch einmal zu sagen: Knapp 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sowie fast 90 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland befürchten eine Entwicklung, die mehr und mehr zu einer Zweiklassenmedizin führt. 60 Prozent sagen, die Gesundheitsversorgung sei in den vergangenen zwei bis drei Jahren schlechter geworden. Herr Zöller, das kann doch einen normalen Menschen nicht kaltlassen. ({0}) Die Zufriedenheit sank von 82 Prozent im Jahre 1994 auf mittlerweile nur noch 59 Prozent. In Ostdeutschland sind sogar nur noch 49 Prozent mit der Versorgung zufrieden. Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, Sie müssten bei diesem Vertrauensverlust eigentlich längst die Warnsignale hören. ({1}) Um es medizinisch zu sagen: Das ist kein Tinnitus, den Sie da klingeln hören, sondern das ist eine Katastrophe in der Bewertung. ({2}) - Herr Koschorrek würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Entschuldigung, ich war gerade abgelenkt. - Herr Kollege, bitte sehr.

Dr. Rolf Koschorrek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003791, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Spieth, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieselbe Allensbach-Studie auch ergeben hat, dass 60 Prozent der Bevölkerung die gesundheitliche Versorgung als gut oder sehr gut bezeichnen und 80 Prozent der Ärzte die medizinische Versorgung genauso beurteilen?

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das ist richtig, Herr Koschorrek. ({0}) - Herr Zöller, Sie lachen zu früh. - Vorhin hat Herr Zöller in Entgegnung auf Herrn Lanfermann versucht, den Leuten dicken Kleister auf die Augen zu schmieren und ihnen die Ohren zuzustopfen. ({1}) Tatsächlich ist es so, dass diese Studie, die gestern vorgestellt worden ist, besagt, dass die Zufriedenheitswerte dramatisch gesunken sind. Das ist kein Widerspruch zu der von Ihnen getroffenen Aussage. Wir haben einen erheblichen Vertrauensverlust zu verzeichnen. ({2}) Die Bürgerinnen und Bürger sehen für die Zukunft des Gesundheitssystems schwarz und geben dieser Bundesregierung schlechte Noten. Sie befürchten höhere Zuzahlungen und steigende Beiträge bei gleichzeitig abnehmenden Leistungen. Nur noch 15 Prozent der Bürger und Ärzte glauben, dass die Politik es schafft, längerfristig eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen. 90 Prozent glauben nicht daran, dass der Gesundheitsfonds daran etwas ändert, im Gegenteil. - Das sind, wie gesagt, keine Horrorszenarien der Linken. - Gesetzlich Krankenversicherte fühlen sich nur noch zu 56 Prozent gut abgesichert; bei privat Versicherten sind dies immerhin 89 Prozent. Klar, wir haben schon längst den Weg in die Zweiklassenmedizin beschritten. Gesetzlich Krankenversicherte warten länger in den Arztpraxen auf die Behandlung, kommen schwerer an Termine und erhalten weniger Leistungen. Sie werden deutlich schlechter behandelt. Das ist die gelebte Realität in Deutschland. ({3}) Wenn die Damen und Herren oben auf der Tribüne abstimmen könnten, dann würden sie diese Aussagen sehr wahrscheinlich einstimmig bestätigen. Schlecht behandelt fühlen sich die Patientinnen und Patienten auch im Krankenhaus. Die unterlassenen Investitionen haben zu einem Investitionsstau von rund 50 Milliarden Euro geführt. Viele Krankenhäuser haben durch Personalkosteneinsparungen über den Abbau von Stellen für Krankenschwestern und Krankenpfleger die Mittel frei gemacht, die sie für die dringendsten Investitionen brauchten. Patienten werden deshalb schlechter betreut. Die Länder - das stimmt - sind ihrer Aufgabe, in neue Gebäude und in neue Technik zu investieren, seit Jahren - auch in Bayern, Herr Zöller - nicht mehr ausreichend nachgekommen. ({4}) Sie sind nicht mehr dazu in der Lage - das ist die andere Seite der Medaille -, die entstandene Investitionslücke zu schließen. Wir schlagen deshalb ein Zukunftsinvestitionsprogramm für Krankenhäuser vor, ({5}) mit dem der Bund über einen Zeitraum von zehn Jahren jährlich 2,5 Milliarden Euro bereitstellt. Der Bund wird außerdem von uns aufgefordert, die Länder nicht zu entlasten, sondern zu verpflichten, einen Beitrag in derselben Höhe aufzuwenden. Das wäre übrigens ein sinnvolles Konjunktur- und Beschäftigungsprogramm zugleich. ({6}) Im April 2008 hat Frau Staatssekretärin CaspersMerk einen Brief an die Abgeordneten der Großen Koalition geschrieben. Darin heißt es wörtlich: Die Krankenhäuser brauchen für ihre Investitionsentscheidungen solide Kalkulationsgrundlagen und verlässliche Rahmenbedingungen. Diese können oder wollen die Länder trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung … nicht mehr bieten. So weit das Zitat. Sie führt dann weiter aus, dass die Investitionen der Länder in den Krankenhäusern seit den 1970er-Jahren stetig gesunken sind. Sie erwähnt ein aktuelles Gutachten von Professor Dr. Bert Rürup, in dem ein notwendiger Investitionsbedarf von 5 Milliarden Euro pro Jahr beschrieben wird. - Genau diese 5 Milliarden Euro wollen wir den Krankenhäusern zukommen lassen. ({7}) Auf der Grundlage richtiger Erkenntnisse ist jetzt endlich konsequentes Handeln geboten. Sie müssen deshalb, wenn Ihre Erkenntnisse zutreffen, unserem Änderungsantrag zustimmen. Alles andere ist unglaubwürdig und überhaupt nicht mehr zu vermitteln. ({8}) Die Linke lehnt den Einzelplan 15 des Bundesministeriums für Gesundheit aus weiteren vier zentralen Gründen ab: erstens weil Sie wahrscheinlich unseren Änderungsantrag zur Beseitigung des Investitionsstaus bei den Krankenhäusern ablehnen

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

- ich komme zum Ende -, zweitens weil Sie die von uns geforderte 1 Milliarde Euro für Prävention -

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich wollte Sie nicht auf Ihre Redezeit aufmerksam machen, sondern auf den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Wodarg.

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Entschuldigung. - Selbstverständlich gerne.

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie mir zustimmen, dass das, was Sie eben gefordert haben, nämlich den Krankenhäusern jedes Jahr 5 Milliarden Euro zusätzlich zu geben, ohne über die Ursachen des Defizits zu diskutieren, verantwortungslos ist? Ich habe vor kurzem ein Praktikum in der Aufnahmestation eines Krankenhauses gemacht. Dort sind in zwölf Stunden 40 Patienten eingeliefert worden. Die Hälfte der Einlieferungen wäre nicht nötig gewesen. Wir haben keine Strukturen, die dafür sorgen, dass Menschen nicht ins Krankenhaus müssen. Im ambulanten Bereich haben wir schlechte Strukturen. Hier muss viel gemacht werden. Es spricht doch für eine schlechte Qualität von Politik, wenn Sie jetzt einfach nur mehr Geld in diesen Bereich stecken wollen.

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich bedanke mich ausgesprochen für Ihre Zwischenfrage. Sie gibt mir die Gelegenheit, Folgendes zu entgegnen: In unserem Antrag, den wir im März eingebracht haben, um die Finanznot der Krankenhäuser zu beenden, haben wir genau das gefordert, was jetzt im Krankenhausfinanzierungsreformgesetz steht. Wir haben in diesem Zusammenhang über 3 bis 3,5 Milliarden Euro geredet. Damals hat uns insbesondere die sozialdemokratische Fraktion erklärt, das sei finanzpolitisch unverantwortlich. Genau das, was wir gefordert haben, machen Sie jetzt. Das ist die Halbwertszeit Ihrer Aussagen hinsichtlich unverantwortlicher Politik. Insofern ist Ihre Frage beantwortet. ({0}) Ich möchte zu dem zweiten Punkt zurückkommen, weshalb wir den Einzelplan 15 ablehnen: Die von uns geforderte 1 Milliarde Euro für einen Präventions- und Gesundheitsförderungsfonds wird von Ihnen abgelehnt. Drittens. Sie unterstützen unsere Forderung nach einer industrieunabhängigen Forschung nicht. Viertens. Die Bundesregierung ist nicht bereit, den Krankenkassen für einen Arbeitslosengeld-II-Bezieher anstatt der Pauschale von nur 118 Euro den Betrag zuzuweisen, den Sie selbst, Frau Ministerin, als notwendig ansehen, nämlich eine Pauschale in Höhe von 180 Euro. An welcher Stelle im Haushalt finden wir die finanzielle Umsetzung Ihrer richtigen Erkenntnis? In diesem Gesundheitssystem brennt es an allen Ecken und Enden. Die Löschwerkzeuge reichen nicht aus.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, kommen Sie dann zum Schluss?

Frank Spieth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Deshalb lehnen wir diesen Haushalt ab. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Harald Terpe für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Drogen- und Suchtpolitik ist selten Gegenstand von Plenardebatten. Wie sieht die Bilanz der drogenpolitischen Arbeit der Bundesregierung aus? Der Haushalt 2009 enthält eine Vielzahl drogenpolitischer Projekte, sicher auch auf Initiative der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Aber so richtig Einzelmaßnahmen auch sind, der bunte Strauß aus Forschungs- und Modellprojekten, aus Fachtagungen und Kampagnen ist eben nur ein bunter Strauß. Eine umfassende, ebenso wirksame wie glaubwürdige Präventionspolitik, die alle Drogen gleichermaßen betrachtet, sieht anders aus. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, es offenbaren sich wieder und wieder die entscheidenden Schwächen und Differenzen Ihrer Drogenpolitik. Sie betonen in Teilen weiter ideologische Vorbehalte, die am Alltag der Menschen vorbeizielen. Sie setzen bei einigen Drogen noch immer vor allem auf das Mittel der Repression und eben nicht auf die Stärkung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, ({1}) ganz zu schweigen von fehlender ausreichender Hilfestellung gegenüber den Suchtkranken. Bei anderen Drogen wie Alkohol wird Verharmlosung als Selbstbestimmung stilisiert. Ich will Ihnen das anhand einiger Beispiele illustrieren. Wir diskutieren in diesem Hause seit fast zwei Jahren über die Behandlung von schwer abhängigen Menschen mit Heroin - bisher ohne Ergebnis; es werden sogar Bundesmittel gestrichen. Weder die geballte Mehrheit des Bundesrates noch Hilferufe aus den Kommunen können die Unionsfraktion in ihrer halsstarrigen Ablehnung beirren. Sie von der Union haben seit zwei Jahren keinen einzigen sachlichen Grund dafür geliefert, warum Sie den Betroffenen die Hilfe zum Weiterleben mit einem besseren Gesundheitszustand verweigern. Das grenzt an Borniertheit, ist mitmenschlich fragwürdig und volkswirtschaftlich gesehen fahrlässig. ({2}) Aber es gibt einen aktuellen Lichtblick. Die SPD hat heute den Entwurf eines Gruppenantrags zur Heroinbehandlung herumgeschickt. Natürlich bin ich darüber sehr froh, eröffnet er doch die Möglichkeit, über die Heroinbehandlung als ethische Frage frei vom Fraktionszwang zu entscheiden. ({3}) Ein weiteres Beispiel belegt anschaulich, dass der Koalition wirtschaftliche Interessen der Industrie im Zweifelsfall wichtiger sind. Es geht um bis zu 400 000 Menschen in Deutschland, die glücksspielabhängig sind. Sie sind häufig hoch verschuldet, haben ihren Job verloren; ihre Familien sind auseinandergebrochen. Ich erwähne dieses Beispiel, weil Ihre Regierung es war, die Anfang 2006 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Spielverordnung geändert und so die Probleme eher verschärft hat. ({4}) Mein drittes Beispiel ist gewissermaßen das Paradebeispiel für die Folgen einer ideologischen Drogenpolitik. Es geht um Cannabis. Cannabis kann bei riskantem Gebrauch zu einer psychischen Abhängigkeit und, falls es geraucht wird, zu Lungenkrebs führen. Cannabis ist also keineswegs harmlos. Aber es gibt bis heute keinen praktischen Beleg dafür, dass die Kriminalisierung von Cannabis in Deutschland irgendeinen Effekt auf die Prävention des riskanten Konsums hätte; ({5}) im Gegenteil: Das Strafrecht ist und bleibt ein stumpfes Schwert. ({6}) Unser Anliegen muss eine Präventionspolitik sein, die auf die Stärkung der Selbstverantwortung und auf einen besseren Jugendschutz setzt. Nachhaltige Primärprävention ist von Ihnen unzureichend gesetzlich verankert worden. Sicherlich kostet sie Geld - im Haushalt ist zu wenig eingestellt -, aber mit Sicherheit ist sie ökonomisch sinnvoller, als es später notwendige Therapien sind. ({7}) Ich komme zum Schluss. Eine wirksame Drogenpolitik verlangt vor allem Glaubwürdigkeit und ein schlüssiges Konzept. Ihrer Drogenpolitik fehlt es an beidem. In diesem Sinne ist Ihre bisherige Regierungszeit leider verschenkte Zeit. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Jella Teuchner für die SPD-Fraktion. ({0})

Jella Teuchner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002816, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Das Volumen des Einzelplans 15 wird im kommenden Jahr um über 50 Prozent steigen. Der Großteil davon, nämlich 1,5 Milliarden Euro, dient dem Ausgleich für die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die von der Krankenversicherung getragen werden. ({0}) Bis zum Jahr 2014 wird der Bundeszuschuss auf 14 Milliarden Euro angehoben. ({1}) Damit sollen die gesetzliche Krankenversicherung und somit auch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler entlastet werden. - An die Adresse der FDP sage ich: Wir glauben, dass das so vollzogen wird. ({2}) - Wir werden es auch machen. Im aktuellen Einzelplan 15 stehen einige Bereiche im Mittelpunkt, die ganz besonders hervorzuheben sind - die Bundesministerin hat darauf hingewiesen -: Damit Prävention und Aufklärung gestärkt werden, stehen fast 40 Millionen Euro bereit. Wichtig sind die Programme zu gesunder Ernährung, für mehr Bewegung, für die Stärkung der Bereitschaft zum Spenden von Blut oder Organen und nicht zuletzt gegen den Drogen- und Suchtmittelmissbrauch. Das ist gut angelegtes Geld. Zu dem Schluss kommt man, wenn man die täglich erscheinenden Meldungen in der Zeitung liest, nach denen junge Menschen nach viel Alkoholkonsum in Kliniken eingeliefert worden sind. Ich finde es richtig und wichtig, dass hierfür mehr Mittel fließen. Der Politik und damit uns kann es nicht gleichgültig sein, wenn sich junge Menschen - zum Teil sind es noch Kinder - mit Alkohol zudröhnen. Auch sehr wichtig ist der Kampf gegen Aids. Dafür sind fast 17 Millionen Euro vorgesehen. Unter anderem werden wichtige Projekte in Osteuropa unterstützt. ({3}) Prävention erscheint mir ganz besonders wichtig, damit die Lebensqualität steigt, Kinder gesund aufwachsen und wir alle gesund altern können. Ich bin sehr dafür, dass sich die Koalitionsfraktionen noch einmal zusammenraufen und ein Präventionsgesetz auf den Weg bringen. Wir in der SPD-Fraktion wollen dieses Gesetz, gerne auch mit Ihnen, werte Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU, verabschieden und durchsetzen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der aktuellen Nachrichten über die Finanzkrise bin ich sehr froh darüber, dass die Koalition an einer solidarischen Krankenversicherung festhält. Die Umlagefinanzierung ist wichtig, leistungsfähig, funktionierend und meiner Meinung nach auch modern. Eine Kapitaldeckung könnte allenfalls eine Ergänzung in einem gewissen Rahmen darstellen. Bisher jedoch hat sich die Umlagefinanzierung bewährt. Es ist zweifellos gut, dass die Politik nicht denjenigen Wissenschaftlern und Verbänden folgte, die auf Kapitaldeckung umstellen wollten. ({5}) Im kommenden Jahr werden Mehrbelastungen auf die gesetzliche Krankenversicherung zukommen. Daran ist aber mitnichten der Gesundheitsfonds schuld. Das hat mit der vereinbarten Honorarreform zu tun. Hier will die Politik ein überschaubares, kalkulierbares und verlässliches Vergütungssystem. Wir wollen auch, dass es in unterversorgten Regionen weiter Ärzte gibt. Dafür wird es Anreize geben. Ebenso sollen Hausbesuche, die Arbeit in Pflegeeinrichtungen und vieles mehr adäquat honoriert werden. ({6}) Ebenfalls für die Mehrausgaben ursächlich ist das geplante Gesetz zur Krankenhausfinanzierung. Wenn in der Gesundheitspolitik etwas falsch läuft, dann schimpfen alle immer zuerst auf den Bund. Ich kann mich noch gut an die Proteste der Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern Ende September vor dem Brandenburger Tor erinnern. Auf den Plakaten stand: „Ullas Politik sorgt für kranke Häuser“. Aber für die Misere ist nicht die Bundesministerin oder die Bundespolitik verantwortlich, sondern die Bundesländer sind es. Eigentlich hätte diese Demonstration am 25. September vor dem Bundesrat statt vor dem Brandenburger Tor stattfinden müssen. ({7}) Seit Jahren weigern sich die Länder, genügend Geld für die Instandsetzung der Kliniken auszugeben, obwohl es ihre Aufgabe wäre. Hier liegt für die Kliniken ein viel größeres Problem, als es die gestiegenen Personalkosten darstellen, deretwegen die Bundesregierung richtigerweise eine Finanzspritze von 3 Milliarden Euro setzt. Oft werden die Kliniken durch Baumängel immer unwirtschaftlicher. Obwohl die Länder die Kliniken vernachlässigen, wachen sie geradezu eifersüchtig darüber, dass der Bund ihnen nicht die Finanzhoheit wegnimmt. Es spricht vieles dafür, dass die Versorgung der Krankenhäuser besser würde, wenn sich die Länder aus der Bauplanung heraushielten und die Kliniken einheitliche Investitionspauschalen von den Kassen bekämen. So etwas lehnen aber gerade Bayern und Baden-Württemberg ab. Es ist doch zu verlockend für die Landespolitiker, weiter als Gönner und Planer aufzutreten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Krankenhausfinanzierung ist richtig und wichtig. Mehr Einsicht bei den Ländern wäre aber wirklich schön und würde uns weiterhelfen. ({8}) Mehr Ausgaben haben auch Auswirkungen auf den Beitragssatz; das kann sich ja jeder denken. Aber eine realitätsnahe Politik hat mit dem Wünsch-dir-was der Opposition nichts zu tun. Wir als SPD drängen schon seit der letzten Gesundheitsreform auf eine größere Steuerfinanzierung, damit Beitragszahler entlastet werden. Wir wollen nach wie vor eine Bürgerversicherung, die sich ebenfalls entlastend auf die Beiträge auswirkt. Daran zu arbeiten, bleibt auch weiterhin unsere Aufgabe. Vielen Dank. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich nun der letzten Rednerin in dieser Debatte das Wort erteile, bitte ich Sie, dieser Kollegin auch wirklich noch ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Das Wort hat die Kollegin Annette Widmann-Mauz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Haushaltsberatungen über den Etat des Gesundheitsministeriums gleichen im Grunde den Haushaltsberatungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie haben, liebe Kollegin Winterstein, ganz zu Beginn der Debatte gesagt, wir hätten steigende Ausgaben. Ja, Frau Winterstein, da haben Sie recht. Aber warum haben wir sie? Weil es einen steigenden medizinischen Bedarf gibt, weil wir die Ärzteschaft endlich von der Budgetierung befreit haben - nach 16 Jahren der Budgetierung werden wir leistungsgerechte Honorare bezahlen -, ({0}) weil wir Innovation und Fortschritt in diesem System weiterhin allen Menschen verfügbar erhalten und weil wir den Krankenhäusern, die zum Teil wirklich am Rande der Zumutbarkeit arbeiten müssen, das notwendige Finanzpolster verschaffen wollen, damit angemessene medizinische Leistungen auch im ländlichen Raum möglich sind. ({1}) Wir ignorieren die Versorgungsnotwendigkeiten nicht. Das ist in einer Zeit, in der wir nicht wissen, wie stark sich die Finanzkrise auf die Wirtschaft niederschlagen wird, von besonderer Bedeutung. Die Gesundheitswirtschaft ist der größte Sektor in unserem Land. Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade hier beschäftigungspolitische Impulse geben. Dies tun wir zum Beispiel mit dem geplanten Programm zur Mehreinstellung von Pflegekräften. ({2}) Ich kann die Bundesländer nur auffordern, die Chance zu nutzen, den Antragsstau bei den Bauinvestitionen in ihren jeweiligen Ländern abzubauen. Das sind sinnvolle Investitionen, die der Wirtschaft, aber in allererster Linie den Patientinnen und Patienten in unserem Lande zugutekommen. ({3}) Ich kann es auch nicht nachvollziehen, dass Sie hier von steigenden Lohnnebenkosten sprechen. Es ist zum ersten Mal die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags gelungen. Das können Sie nicht ignorieren; die Wirtschaftsverbände zumindest ignorieren es nicht. Außerdem trägt die Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags dazu bei, dass die Lohnnebenkosten weiterhin deutlich unter 40 Prozent bleiben. Nehmen Sie dies zur Kenntnis und machen Sie den Menschen nicht ständig etwas anderes vor! ({4}) Gott sei Dank ist mittlerweile auch an der Krankenkassenfront etwas mehr Ruhe eingekehrt. Die Demonstranten haben die Barrikaden verlassen und sind an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, wohin sie auch gehören. Die einen arbeiten an neuen Verträgen und an Strukturveränderungen. Andere sind noch etwas unsicher, weil sie sich auf der neuen Fahrbahn Gesundheitsfonds mit ihren neuen Autos noch nicht zurechtfinden; weil sie die Strecke nicht kennen, fahren sie besonders langsam und auf Sicht. Manche fahren im Hinblick auf eine adäquate medizinische Versorgung sogar zu langsam. Mehr Erfahrung mit dem neuen System wird aber mehr Sicherheit bringen. Wir haben auf jeden Fall die Steuerungsinstrumente ins Gesetz hineingeschrieben. Sie sind dafür da, angewandt zu werden; denn nur derjenige, der sie anwendet, kann mit ihnen auch etwas bewirken. ({5}) Lassen Sie mich an dieser Stelle auf ein Steuerungsinstrument näher eingehen, das wir in der Gesundheitsreform verankert haben und das insbesondere dafür von Bedeutung ist, auf der einen Seite Innovation weiterzugeben und auf der anderen Seite die Ausgabenentwicklung im Griff zu halten. Ich spreche von der KostenNutzen-Bewertung, um Höchstpreise für Arzneimittel festlegen zu können. Seit 2007 haben wir diese Vorschriften im Gesetz. Seitdem tobt eine akademische Diskussion, die sich im Kreis dreht. Die Selbstverwaltungspartner, die Träger des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Ärzteschaft, Krankenhäuser, Krankenkassen, das Gesundheitsministerium und die Pharmaindustrie kommen nicht zu Potte. Aus meiner Sicht ist dies eine skurrile Situation: Niemand bewegt sich, niemand entscheidet, weil die einen lieber nichts als etwas Suboptimales wollen und die anderen am liebsten gar nichts wollen, da sie wissen, dass bei so viel Druck im System am Ende Zwangsmaßnahmen die einfachere Lösung sind. Das kann nicht das Ziel unserer Politik sein, da die politischen Steuerungsinstrumente nicht fürs Nichtstun vorgesehen sind und Selbstverwaltungspartner fürs Nichtstun nicht belohnt werden. ({6}) Deshalb kann ich Sie nur auffordern, Frau Ministerin: Setzen Sie nicht aufs Aussitzen, sondern nehmen Sie sich die Verhandlungspartner vor, setzen Sie sich mit ihnen an einen Tisch und bringen Sie die Verantwortlichen endlich zum Handeln! Wir brauchen diese Kosten-Nutzen-Bewertung. ({7}) Zur Linken kann man wirklich nur sagen: Dass Sie in solchen Situationen nach mehr Steuergeld rufen und die Verantwortlichen damit aus der Verantwortung nehmen, ist verantwortungslos. Das können wir nicht hinnehmen, und deshalb machen wir bei dieser Art Gesundheitspolitik nicht mit. ({8}) Meine Damen, meine Herren, wir haben mit der Finanzierungsreform einen ersten Schritt getan, das kasseninterne Denken zu verändern. Wir wollen weg von der Risikoselektion unter Einnahmeoptimierung hin zu mehr medizinischer Versorgung und hin dazu, dass die Qualität, der Zugang und der Service zum besten Preis im Vordergrund der Vertragsverhandlungen und des Kassengeschehens stehen. Zugegeben: Für den einen oder anderen Kassenvertreter war und ist dies ein Kulturschock. Trotzdem ist dieser Schritt notwendig und richtig. Ich sage am Ende ganz bewusst: Dies ist erst der halbe Weg; denn ohne die notwendige Transparenz und Orientierung für die Versicherten und für die Patientinnen und Patienten entfaltet das neue System nur die halbe Wirkung. Deshalb sind wir noch nicht am Ende des Weges, den wir gemeinsam gehen wollen. Die gesetzliche Krankenversicherung ist für die Versicherten und für die Patientinnen und Patienten geschaffen; sie sind der Souverän. Also lassen Sie uns gemeinsam auf dieser Grundlage für bessere Bedingungen streiten und unsere Verantwortung dafür im Hause wahrnehmen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 15, Bundesministerium für Gesundheit, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/11036? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag auf Drucksache 16/11035. Die Fraktion Die Linke verlangt dazu namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Stimmen auszuzählen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11035 bekannt: abgegebene Stimmen 510. Mit Ja haben gestimmt 38, mit Nein haben gestimmt 472. Enthaltungen gab es keine. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 509; davon ja: 38 nein: 471 Ja DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Inge Höger Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Jan Korte Oskar Lafontaine Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kersten Naumann Bodo Ramelow Paul Schäfer ({0}) Volker Schneider ({1}) Dr. Petra Sitte Alexander Ulrich fraktionslose Abgeordnete Henry Nitzsche Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({2}) Veronika Bellmann Clemens Binninger Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({3}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Cajus Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({4}) Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({5}) Axel E. Fischer ({6}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({7}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Dr. Franz Josef Jung Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({8}) Volker Kauder Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({9}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({10}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({11}) Dr. Michael Meister Friedrich Merz Laurenz Meyer ({12}) Maria Michalk Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({13}) Stefan Müller ({14}) Dr. Gerd Müller Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Eckhardt Rehberg Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({17}) Andreas Schmidt ({18}) Ingo Schmitt ({19}) Dr. Andreas Schockenhoff Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Matthäus Strebl Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({20}) Gerald Weiß ({21}) Ingo Wellenreuther Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({22}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({23}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({24}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf ({25}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({26}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Gustav Herzog Petra Heß Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({27}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({28}) Frank Hofmann ({29}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Brunhilde Irber Johannes Jung ({30}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({31}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({32}) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({33}) Michael Müller ({34}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Steffen Reiche ({35}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({36}) Anton Schaaf Bernd Scheelen Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({37}) Silvia Schmidt ({38}) Renate Schmidt ({39}) Heinz Schmitt ({40}) Carsten Schneider ({41}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({42}) Swen Schulz ({43}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Dr. Peter Struck Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jörn Thießen Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({44}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Engelbert Wistuba Waltraud Wolff ({45}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Daniel Bahr ({46}) Uwe Barth Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({47}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({48}) Dr. Erwin Lotter Burkhardt Müller-Sönksen Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Dr. Daniel Volk Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({49}) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({50}) Birgitt Bender Alexander Bonde Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({51}) Ulrike Höfken Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({52}) Markus Kurth Monika Lazar Jerzy Montag Kerstin Müller ({53}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Claudia Roth ({54}) Krista Sager Manuel Sarrazin Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Wir können mit der Abstimmung über den Einzelplan 15 in der Ausschussfassung fortfahren. Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 15 ist damit mit den Stimmen der Koalitions- fraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.17 auf: a) Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz - Drucksachen 16/10407, 16/10423 20568

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Dr. Ole Schröder Lothar Binding ({0}) Roland Claus Manuel Sarrazin b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht - Drucksachen 16/10423, 16/10424 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Ole Schröder Lothar Binding ({1}) Dr. Dietmar Bartsch Manuel Sarrazin Zum Einzelplan 07 liegen ein Änderungsantrag sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Über den Entschließungsantrag werden wir morgen nach der Schlussabstimmung abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann werden wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Sabine LeutheusserSchnarrenberger für die FDP-Fraktion. ({2})

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesjustizministeriums ist klein, fein und enthält ein Juwel: das Deutsche Patentund Markenamt. Es ist ein Juwel, weil es für einen fetten Einnahmeposten sorgt und weil es für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine überragend wichtige Stellung einnimmt. Innovativen Unternehmen bei der Absicherung der Verwertung ihrer Produkte zu helfen, ist gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs wichtig. Alle Maßnahmen, die der Verkürzung und der Effektivität der Patenterteilungsverfahren dienen, sind zu unterstützen. Patentrecht ist insofern auch ein Standortfaktor. Finanziell nicht so gut wie dem Patent- und Markenamt geht es der Justiz insgesamt. Wir von der FDP-Fraktion unterstützen es vom Grundsatz her, dass die Bundesanwaltschaft personell verstärkt wird, um große Prozesse besser bewältigen zu können. Aber es wird sich zeigen, in welchem Umfang die Stellen wirklich benötigt werden. Noch entscheidender ist aber, dass auch die Länderjustizhaushalte in den nächsten Jahren so ausgestattet werden, dass sie gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs die bei ihnen anhängigen Verfahren zügig bewältigen können. In Bayern haben wir uns in der Koalitionsvereinbarung deshalb darauf verständigt, in den Haushalt 2009/2010 400 Stellen für Richter, Staatsanwälte und für den Bereich der Justizvollzugsanstalten einzustellen und sie natürlich auch zu besetzen. Das soll ein Zeichen sein: Wir wollen den Trend der Kürzung bei der Justiz stoppen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern die Botschaft übermitteln, dass man ihre Erwartungen in die Funktionsfähigkeit der Justiz und ihre berechtigten Klagen über zu lange Verfahrensdauern, wodurch dem Gerechtigkeitsanspruch nicht Rechnung getragen wird, ernst nimmt. Wir wollen, dass das Vertrauen in die Justiz gestärkt wird. ({0}) Deshalb sieht die FDP-Bundestagsfraktion eine Entwicklung mit Sorge: Das Gleichgewicht zwischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft auf der einen und der Polizei auf der anderen Seite verschiebt sich nachhaltig zugunsten der Polizei. Um andere zu zitieren: Nicht zu Unrecht warnen Generalbundesanwältin Monika Harms und der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, immer wieder vor einem Paradigmenwechsel im Strafprozess. ({1}) Der Umstand, dass sich die Ausübung der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft zunehmend stärker auf eine gewisse Anzahl von bedeutenden Verfahren konzentriert, die entscheidende Einwirkung und vor allen Dingen die Bestimmung von Art und Umfang der konkreten Ermittlungsmaßnahmen aber bei der Polizei liegen, ist aus Sicht des Richterbundes und aus Sicht der FDP-Fraktion berechtigterweise zu kritisieren. ({2}) Gerade angesichts der Verlagerung der Tätigkeit der Polizei in den präventivpolizeilichen Bereich kommt den Anforderungen an eine möglichst frühzeitige Überleitung der Ermittlungsergebnisse vom präventiven in den repressiven Bereich mit einer staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Absicherung eine große Bedeutung zu, um die Justizförmigkeit der Verfahren bis in die Hauptverhandlung zu sichern. Deshalb muss unserer Meinung nach der Ermittlungsrichter aufgewertet werden, stärker spezialisiert werden, und in den Ländern, in denen das notwendig ist, muss eine personelle Aufstockung bei den Ermittlungsrichtern erfolgen. ({3}) Wenn wir das tun, brauchen wir keine Eilfallregelungen in dieser Form. Die rechtsstaatliche Hürde des Richtervorbehalts, die bei seiner Einführung eine Rolle gespielt hat, darf nicht entwertet werden. ({4}) Ich denke, wir sollten im Rechtsausschuss einmal überlegen, wie wir das Gewicht des Richtervorbehalts wieder stärken können. Weil die Justizhaushalte unter starkem Druck der Finanzminister stehen, erleben wir erhebliche rechtspolitisch nachteilige Auswirkungen. Der Deal im Strafprozess ist eine Folge wegbrechender Ressourcen. Bei einer Vielzahl von Verfahren entsteht insbesondere in HaftSabine Leutheusser-Schnarrenberger sachen ein immer stärker werdender Druck, die Verfahren irgendwie ökonomisch zu beenden. Deshalb lässt man sich in Absprachen auf einen verkürzten Abschluss ein. Dass das von Dritten nicht unbedingt als gerecht empfunden wird, ist eine Einschätzung, die wir, glaube ich, teilen. Deshalb ist wichtig, was vonseiten der Bundesregierung auf diesem Themenfeld verfolgt wird; es gibt da ja Überlegungen. Ich darf für die FDP-Fraktion sagen: Wir sehen diese Entwicklung als sehr problematisch an. Man muss alles tun, um das massiv einzuschränken. Wir wissen ja, wo die Probleme liegen. ({5}) Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zur Stellung der Berufsgeheimnisträger - ich habe dieses Thema schon in der letzten Debatte zu diesem Haushalt angesprochen -: Ich denke, es wäre gut, wenn die rechtspolitisch unterschiedliche Behandlung von Berufsgeheimnisträgern auf den Prüfstand käme und hier eine Korrektur vorgenommen würde, und zwar im Interesse des Schutzes aller Berufsgeheimnisträger. Strafverteidiger, Anwälte und Ärzte sollen gleichbehandelt werden. Ich weiß, wie kontrovers das ist. Ich denke aber, dass es gerade angesichts der Tatsache, dass sich das in allen Rechtsordnungen festsetzt, gut wäre, wenn wir diesen Punkt nicht als der Materie angemessen stehen lassen. ({6}) Wir erwarten, Frau Ministerin, dass Sie uns zu den offenen Punkten - Kronzeugenregelung und Strafbarkeit des Aufenthalts in einem Terrorcamp - heute sagen, wie es weitergeht. Wird das betrieben? Wird das beerdigt? ({7}) Gibt es dazu noch ein Verfahren im Rechtsausschuss? Erlauben Sie mir noch ein paar Worte zum Schluss. Frau Raab, Sie hatten letztes Mal, am 16. September dieses Jahres, in der Haushaltsdebatte darauf hingewiesen, dass ganz entscheidend ist, dass das Einverständnis des Verbrauchers zur Weitergabe der personenbezogenen Daten generell in die Gesetze aufgenommen wird. Ich spreche das heute an.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist mein letzter Satz.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, ich möchte Sie zwar auf die Redezeit hinweisen, aber auch darauf, dass es vom Kollegen Stünker den Wunsch nach einer Zwischenfrage gibt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Oh, Entschuldigung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wenn Sie mir versprechen, dass Sie den Schluss Ihrer Rede in die Antwort einbeziehen, sind wir alle zufrieden.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Joachim Stünker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, auch ich verspreche, dass ich mich kurz fasse. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ich fand Ihre Ausführungen bezogen auf die Stärkung der Strafjustiz und die Probleme, die wir vor Ort teilweise beobachten können, sehr überzeugend. Ich möchte Sie fragen: Sind Sie bereit, das in die Landesregierungen zu tragen, in denen die FDP mitregiert? Denn die sind gegenwärtig dafür verantwortlich. ({0})

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Stünker, dass Sie mir die Möglichkeit geben, noch einmal zu sagen, dass wir gerade im Rahmen der Koalitionsvereinbarung in Bayern - da habe ich nun die meiste Einwirkungsmöglichkeit - die Bereitstellung von 400 Stellen für Richter, Staatsanwälte und die Justizvollzugsanstalten beschlossen haben. ({0}) Weil das nicht ganz leicht war, habe ich es hier erwähnt. Ich denke, das zeigt, dass man es auch anders machen kann. ({1}) Ein letztes Wort zur Einwilligung. ({2}) - Ich komme zu meinem letzten Wort. Beim Scoring ist dies nicht vorgesehen. Ich hoffe, dass wir nächste Woche, wenn wir im Rechtsausschuss darüber sprechen, gemeinsam eine Korrektur vornehmen. Damit kann ich hier für die FDP-Fraktion meinen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums und des gesamten Rechtsausschusses für die guten Arbeiten zum Ausdruck bringen. Vielen Dank. ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Kollege Lothar Binding. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein schöner Zufall, dass wir hier heute eine Besuchergruppe der Bundesrechtsanwaltskammer begrüßen dürfen, die gerade zu diesem Tagesordnungspunkt anwesend sein kann. Das ist, finde ich, ein netter Zufall. ({0}) - Ja, wir haben noch Termine. Fritz Rudolf Körper hat gerade gefragt, worüber ich zehn Minuten reden wolle, es gebe doch umfangreichere und spannendere Einzelpläne. Umfangreicher stimmt in jedem Fall; aber es kann durchaus spannend sein, worüber wir hier sprechen. Zum Beispiel ist spannend, wie wir Berichterstatter miteinander kooperieren. Dafür möchte ich Ole Schröder, Otto Fricke, Manuel Sarrazin, Roland Claus und Dietmar Bartsch danken. ({1}) - Es ist eine reine Männergruppe, funktioniert aber trotzdem sehr gut, manche sagen, gerade deswegen. ({2}) Nicht minder möchte ich die gute Kooperation und lösungsorientierte Arbeit mit den Mitarbeitern des Ministeriums hervorheben: natürlich mit der Ministerin, Brigitte Zypries, ({3}) Herrn Schmidt-Wellbrock und Axel Vogel, aber auch den damit befassten Staatssekretären, Lutz Diwell, Alfred Hartenbach und, last, but not least - er ist jemand, der so über und zwischen allem steht - Karl Diller. ({4}) Ich erwähne das, weil es Dinge gibt, die nicht selbstverständlich sind. Wir wollten zum Beispiel für einzelne Stellen, die sehr notwendig sind, zusätzliche Mittel. Jeder kennt die Komplexität in diesem Haushalt und den Mittelbedarf insgesamt. Es war nicht ganz einfach, den Deckungsbeitrag aus dem Einzelplan selbst herauszuquetschen. Dass ein Ministerium da mitmacht, halte ich nicht für selbstverständlich. Dafür vielen Dank. Karl Diller winkt mir gerade zu; er dankt in einer ähnlichen Weise. Denn das hat die Ausgabesituation dort sehr entspannt. Apropos Ausgaben: Es ist ein sehr kleiner Haushalt, der nur eine halbe Milliarde Euro umfasst. Er ist aber besonders erwähnenswert, weil es der einzige Haushalt ist, der eine so hohe Deckungsquote hat. Er deckt 76 Prozent aus sich selbst, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, deshalb teile ich Ihr Lob für das DPMA, das Sie eben vorgetragen haben. Wenn man die Versorgungsausgaben herausrechnet, ist sogar eine Deckungsquote von 100 Prozent gegeben. Das ist eine Einmaligkeit. Vielleicht können wir deshalb gelegentlich darüber nachdenken, in diesem Ministerium insgesamt mehr zu machen. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Ich möchte die Besonderheiten dieses Haushalts erwähnen. Dabei geht es um die Personalausstattung. Zur Verstärkung des internationalen Bereichs, zur Institutionalisierung des Redaktionsstabes für verständliche Gesetzessprache und natürlich zur Ausstattung mit dem erforderlichen Personal im Zusammenhang mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz wird das Ministerium mehr Stellen bekommen. Auch Zuwendungsempfänger, das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Institut für Ostrecht, werden personell verstärkt. Der Generalbundesanwalt wird ebenfalls personell verstärkt. Auch der Bundesfinanzhof wird personell verstärkt. Darüber hinaus wird das Bundesamt für Justiz personell verstärkt, natürlich insbesondere mit Blick auf das EHUG. Das Bundesamt für Justiz wird im Zusammenhang mit der Strafregistervernetzung in den Bereichen IT und Sonstiges ebenfalls personell verstärkt. Ich denke, das ist eine sehr gute Sache. Dem Anliegen von Frau LeutheusserSchnarrenberger ist dadurch Rechnung getragen worden, dass für das DPMA 45 zusätzliche Stellen geschaffen wurden, allerdings in dem Wissen, dass es im Moment nicht gerade leicht ist, auf dem Markt geeignete Bewerber zu rekrutieren. Die Ausstattung ist also ganz gut. Zumindest erlaubt sie uns, alles, was nötig ist, zu tun. Jetzt komme ich zu einem Thema, mit dem sich Ole Schröder und ich seit zwei Jahren etwas intensiver befassen: zur Einrichtung eines Redaktionsstabes der Bundesregierung für verständliche Gesetzessprache. ({5}) In diesem Bereich wurde sozusagen ein kleiner Quantensprung erzielt; eigentlich sind Quantensprünge ja gar nicht unterscheidbar. ({6}) Das, was hier gelungen ist, ist deshalb ein Quantensprung, weil es im Justizministerium künftig eine Art Fremdkörper geben wird: einen Redaktionsstab, der sich mit Sprache befasst. ({7}) Die Einrichtung eines solches Redaktionsstabes hielten wir für sehr wichtig. Ich als Nichtjurist bin natürlich besonders daran interessiert, dass sich die Situation auf diesem Gebiet verbessert. Ich will Ihnen erklären, warum. Zu diesem Zweck gebe ich Ihnen ein paar Kostproben, die zumindest bei Laien zu Verwirrung führen. Einzelne Beispiele kennen Sie eventuell schon, und wahrscheinlich können Juristen diese Formulierungen besser interpretieren als Nichtjuristen. Ich zitiere aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts. Darin heißt es: Lothar Binding ({8}) Der Entwurf sieht davon ab, im Rahmen der Absätze 3 bis 5 ein bloßes entgeltliches Nutzungsverhältnis der Ehegatten untereinander zuzulassen. ({9}) Wie ist das zu verstehen? Wer nutzt wen oder was in der Ehe gegen Entgelt? Ich halte diese Formulierung für relativ kompliziert. Außerdem gibt es sprachliche Spezialprobleme, die uns auch in der Gesetzessprache Probleme bereiten. Damit beschäftigt sich die Wissenschaft. Ich möchte auf ein Projekt hinweisen, das im Fachbereich Allgemeine und Theoretische Psychologie an der Universität Heidelberg durchgeführt wird. Es geht darum, auch in Gesetzen eine geschlechterneutrale Sprache zu verwenden. Hier findet man Formulierungen, die einen ganz einfachen Text unlesbar machen: Der/Die Wähler/in ist an die vorgeschlagenen Bewerber/innen der Wahlvorschläge gebunden. Jeder/ Jede Wähler/in hat 8 Stimmen. Von dieser Gesamtstimmenzahl können einem/r Bewerber/in bis zu zwei Stimmen gegeben werden. Wie Sie sehen, ist eine solche Formulierung absolut unlesbar. Das erscheint Ihnen jetzt vielleicht sehr weit hergeholt zu sein. Sie merken aber, dass solche Projekte unterstützenswert sind. ({10}) Ich werde Ihnen noch etwas vorlesen, damit Sie merken, wie notwendig die Einrichtung dieses Redaktionsstabes ist. Es handelt sich um die Formulierung in einem Gesetzentwurf, den wir noch in dieser Woche, nämlich morgen, beschließen werden. Auch wenn fast nur Juristen anwesend sind, habe ich jetzt die Leute im Blick, die mich auf der Straße ansprechen und mich fragen: Wie ist das eigentlich gemeint? Vielleicht können wir uns, wenn an dieser Stelle gelegentlich etwas vorsichtiger und sorgfältiger gearbeitet würde, in Zukunft sogar unendlich viel unnötige Bürgerkorrespondenz sparen. Ich zitiere: Der Ausgleich oder die Verrechnung eines Übertragungsgewinns mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4 h Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ({11}) des übertragenden Rechtsträgers sind nur zulässig, wenn dem übertragenden Rechtsträger die Verlustnutzung auch ohne Anwendung der Absätze 1 und 2 möglich gewesen wäre. Satz 1 gilt für negative Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum entsprechend. Das wollen wir morgen beschließen. ({12}) Wir müssen uns darum kümmern, dass die Gesetzestexte sprachlich verbessert werden, auch um Lerneffekte bei den Verfassern zu erzielen. Ich glaube, dass die Installation eines solchen Redaktionsstabes im Bundesjustizministerium, flankiert durch Mittel, die es ermöglichen, diese Aufträge nach außen zu vergeben, ein sehr guter Weg ist, um die Rechtssprache in Zukunft auch in der Gesetzgebung zu verbessern. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke. ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Selbstbetrug ist nicht strafbar, aber oft verhängnisvoll. Ich halte es für ein Stück Selbstbetrug, dass wir heute einen Etat beschließen, von dem die meisten von uns wissen, dass er zu dem Zeitpunkt, ab dem er gültig ist, am 1. Januar 2009, zu einem guten Stück schon veraltet sein wird. ({0}) Ich halte es auch für Selbstbetrug, dass den Menschen gesagt wird, man wolle ihnen mit dem Haushalt eine Brücke über das Jahr 2009 bauen, damit es 2010 wieder besser wird. Allerdings wird damit die Grenze zwischen dem Selbstbetrug und dem Wählerbetrug schon ziemlich fließend. Wenn das soziale Gleichgewicht bedroht ist, dann wird es für den Rechtsstaat schwerer, aber gerade dann muss er sich beweisen und vorsorgen. Er muss stark und widerständig sein, und er darf sich nicht bücken. In diesen Tagen erleben wir in manchen Situationen auch eine Krise des Rechtsstaates. Es ist doch Fakt, dass auch Menschen in rechtliche Notlagen geraten - zum Beispiel durch Insolvenzen -, die sich das vor einigen Jahren überhaupt noch nicht vorstellen konnten. ({1}) Das Maß, mit dem Sie durch Ihre Politik beispielsweise den Mittelstand zerstören, ist ein Ausdruck dafür. ({2}) In dieser Situation wäre ein guter Justizetat erforderlich. Mit dem vorliegenden leisten Sie das nicht. ({3}) Ich will das an drei Fakten kenntlich machen: Erstes Beispiel. Seit dem vorigen Jahr ist das Bundesamt für Justiz in Bonn. Die Bundesministerin preist die Entscheidung, die ministerielle Weisheit hier in Berlin und die Ausführungskompetenz in Bonn zu konzentrieren, ({4}) gewissermaßen als eine sehr gute Lösung. Wir beurteilen die Situation anders und sehen das wesentlich kritischer. ({5}) Inzwischen gibt es zwei etwa gleich große Verwaltungsstrukturen. Für die Verwaltung des Bundesministeriums steht ein Ausgabenblock von 50 Millionen Euro zur Verfügung, während es beim Bundesamt 41 Millionen Euro sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass zwei so große sich gegenüberstehende Verwaltungen auch Verselbstständigungstendenzen gegeneinander entwickeln. ({6}) Ein zweites Beispiel. Wir schlagen Ihnen, wie bereits im vergangenen Jahr, vor, die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den obersten Gerichten zu erhöhen, ({7}) um wenigstens auf ein Verhältnis von eins zu eins zwischen den Richterinnen und Richtern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kommen. Wir machen das ausdrücklich mit dem Ziel, die Verfahrensdauern an den Gerichten zu verkürzen. Bei so vielen Wohltaten, die wir Ihnen vorschlagen, sollten Sie hier wirklich nicht noch protestieren. ({8}) Der dritte Punkt, bei dem es eine Differenz zwischen uns gibt - das ist hier erfreulicherweise schon angesprochen worden -, ist das Deutsche Patent- und Markenamt mit Sitz in München und Jena. Ihnen ist bekannt, dass wir seit dem Jahr 2006 beharrlich Anträge dafür stellen, die Zahl der Stellen zu erhöhen und die Sachmittel aufzustocken. Ich freue mich, wie mein Vorredner, dass es hier im Vergleich zum vorigen Etat einen tatsächlichen Aufwuchs gibt. Das begrüßen wir selbstverständlich auch. Dennoch stellen auch wir fest, dass die Patentbearbeitung, also die Phase von der Anmeldung und damit dem einsetzenden Rechtsschutz bis zur möglichen Vermarktung, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen und für Existenzgründerinnen und Existenzgründer immer noch zu lang ist. Gerade in der jetzigen Situation ist es doch ein Gebot, jedem Start-up-Unternehmen, den jungen Unternehmen, die Chance zu geben, ihre kreativen Leistungen auch zu vermarkten. Es ist schlimm, dass Ihnen ein Sozialist einen solchen Grundzug der Marktwirtschaft hier erklären muss. ({9}) Wir wissen, dass das der Justizetat nicht hergibt. Dafür ist er zu klein. Deshalb schlagen wir die Deckung aus dem Einzelplan 09 vor. Das ist der Etat des Ministers für Wirtschaft und Technologie. Dieser enthält auch einen entsprechenden Titel, nämlich „Patentbegleitung“. Das ist also nichts Unmögliches. Das einzige, woran das immer wieder scheitert, ist ein purer Ressortegoismus. Dieser passt auch nicht mehr in diese Zeit. ({10}) Deshalb sage ich Ihnen zum Schluss noch einmal: Selbstbetrug ist nicht strafbar, aber oft verhängnisvoll. Aus diesem Grunde müssen wir diesen Etat auch ablehnen. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ole Schröder für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die derzeitige Wirtschaftskrise macht deutlich, dass für unsere Gesellschaft nicht nur der nationale Rechtsrahmen, sondern vor allem auch der internationale Rechtsrahmen von großer Bedeutung ist. ({0}) Die Gestaltung und die Regelung insbesondere der internationalen Finanzmärkte sind eine Herausforderung von epochaler Bedeutung, die vielleicht höchstens mit der internationalen Klimapolitik vergleichbar ist. Daher ist es so wichtig, dass wir diese Rahmenbedingungen mitgestalten und unsere Wirtschaftsordnung, die geregelte soziale Marktwirtschaft, auch international etablieren. Die Ergebnisse des internationalen Finanzgipfels sind ein guter Anfang. Es kommt jetzt auf deren Umsetzung und die Ausgestaltung der einzelnen Bereiche an. Deshalb ist es auch richtig, dass wir bei der Aufstellung des Haushalts darauf geachtet haben, in den einzelnen Ressorts die entsprechenden Stellen zu schaffen, damit wir insoweit Einfluss nehmen können. Wenn wir von internationalen Rahmenbedingungen sprechen, heißt das auch, dass diese für deutsche Unternehmen so zu gestalten sind, dass sie im internationalen Wettbewerb gut bestehen können. Für unsere exportorientierte Wirtschaft ist es ein Vorteil, wenn auch die Rechtsrahmen auf internationaler Ebene so gestaltet sind, dass sie unseren Prinzipien und nicht denen anderer Länder entsprechen. ({1}) Eine vergleichbare Rechtsordnung in anderen Ländern führt zu mehr Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen, erspart diesen Rechtsberatungskosten und führt damit automatisch zum Bürokratieabbau. Es ist ein Vorteil, wenn sich internationale Unternehmen bei Vertragsabschlüssen für das deutsche Rechtssystem entscheiden. ({2}) Andere Nationen machen es uns vor. Die Briten beispielsweise schaffen es, ihre Rechtsordnung internationalen Unternehmen so schmackhaft zu machen, dass diese nicht unsere Rechtsordnung nutzen, sondern vor allem die Rechtsordnung des Königreichs. Das erspart den britischen Unternehmen erhebliche Kosten, weil sie günstiger prozessieren können. Auch die Amerikaner sind uns um einiges voraus, wenn es darum geht, Recht als Wettbewerbsfaktor zu nutzen. Während beispielsweise wir Deutschen im Kosovo das Führerscheinrecht eingeführt haben, was durchaus eine wichtige Sache ist, haben die Amerikaner sich darauf konzentriert, das Immobilienrecht nach ihren Prinzipien zu gestalten, was für die Unternehmen, für die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt von wesentlich größerer Bedeutung ist als das Führerscheinrecht. Deshalb ist es wichtig, dass Deutschland sich im Wettbewerb der Rechtsordnungen noch stärker engagiert und gleichzeitig sein eigenes Recht attraktiver gestaltet. Ich denke, wir haben mit der GmbH-Rechtsreform und der Gründung der Unternehmergesellschaft einen wichtigen Schritt gemacht, deutsche Rechtsformen im europäischen Wettbewerb attraktiver zu gestalten. Aber verglichen mit anderen Ländern haben wir hier noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Wenn ich mir anschaue, was auf der Ebene des EURechts passiert, auf der insbesondere immer mehr angloamerikanische Rechtsprinzipien eingeführt werden, wie beispielsweise die Sammelklage nach US-Vorbild, dann kann ich nur sagen: Wir müssen hier wirklich aufpassen; wir müssen uns auf diesem Gebiet einfach stärker engagieren. ({3}) Das gilt auch für internationale Organisationen. Wir sind im Bereich der internationalen Organisationen einfach zu wenig engagiert. Wir haben es in den letzten Jahrzehnten versäumt, unsere eigenen guten Leute dort hinzubekommen, um Einfluss nehmen zu können. Viele Staaten, wie beispielsweise die USA, leisten sich zum Beispiel Attachés für den Bereich des internationalen Privatrechts, die informell Einfluss nehmen. Diese Einflussmöglichkeiten haben wir nicht; wir verzichten darauf. Aus den genannten Gründen haben wir das Justizministerium mit sechs neuen Stellen ausgestattet. Ich denke, das ist ein Anfang. Es kann aber noch nicht das Ende sein. Wir müssen etwas tun, um gerade bei den internationalen Organisationen besser vertreten zu sein. Das Justizministerium setzt sich auf internationaler Ebene auch für Rechtsstaatlichkeit ein. Das ist wichtig, um anderen Ländern auf ihrem Weg zu Demokratie und zur Durchsetzung von Menschenrechten zu helfen. Dabei nimmt die Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit eine besonders bedeutende Stellung ein. Die Stiftung wurde 1992 als gemeinnütziger Verein gegründet. Das hat der damalige FDP-Justizminister Klaus Kinkel vollbracht. Die Stiftung verbindet zwei Ziele. Sie unterstützt Länder auf dem Weg zum Rechtsstaat. Diese Länder orientieren sich dann wiederum beim Aufbau einer privaten Wirtschaftsordnung an deutschen Rechtsvorschriften und suchen den Dialog mit deutschen Rechtspartnern. Das führt letzten Endes dazu, dass wir dort indirekt Einfluss gewinnen können, was die Rechtsordnung angeht. Deshalb ist es gut, dass wir die vernünftige Idee von Klaus Kinkel über das Jahr 2011 hinaus fortführen und die Mittel mit 1,3 Millionen Euro deutlich erhöht haben. ({4}) Eines ist dabei allerdings wichtig: Wir haben noch andere Organisationen, die sich im Bereich der internationalen Rechtspflege engagieren und in diesem Bereich Entwicklungshilfe leisten, zum Beispiel die GTZ. Ich denke, wir können als Parlament erwarten, dass zwischen diesen Organisationen eine stärkere Abstimmung erfolgt. Statt parallel zu arbeiten, muss klar geregelt werden, für welche Bereiche die Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit und die GTZ jeweils zuständig sind. Gestatten Sie mir eine Anmerkung zur internationalen Bedrohung. Der internationale Terrorismus hat sich zur größten sicherheitspolitischen Herausforderung entwickelt. Unsere bisherigen Methoden und Vorgehensweisen sind nicht auf eine solche Bedrohung zugeschnitten. Deshalb sind Anpassungen dringend notwendig. Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, dass wir das BKA-Gesetz bekommen. ({5}) Sonst sind wir nicht vernünftig gewappnet. ({6}) Darüber hinaus sind auch im Bereich der Generalbundesanwaltschaft entsprechende Anpassungen notwendig. Denn die Verfahren werden in einem Rechtsstaat immer noch von der Anwaltschaft geführt statt von der Polizei. Damit rechtsstaatliche Maßstäbe auch weiterhin eingehalten werden können und überführte Terroristen schnell angeklagt werden können, ist es notwendig, dass die Generalbundesanwaltschaft besser ausgestattet wird. Deshalb haben wir 21 neue Stellen geschaffen, die zum größten Teil mit Staatsanwälten besetzt werden. Ich habe bisher vor allen Dingen von internationalen Herausforderungen gesprochen. Zum Schluss möchte ich auch auf unser Projekt „Verständliche Gesetze“ eingehen. Lothar Binding hat das Projekt bereits gut vor20574 gestellt. Wir haben bei dem Projekt erlebt, dass alle Beteiligten sehr positiv dazu eingestellt waren, dass die anderen Ministerien vernünftig daran mitgearbeitet haben und dass dieses Projekt akzeptiert wird. Insofern ist es richtig, es angemessen zu institutionalisieren. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir den Redaktionsstab der Bundesregierung auch in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien verankern. Die jetzige Situation ist nicht stringent. In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien wird auf den Redaktionsstab des Bundestages Bezug genommen. In der Geschäftsordnung des Bundestages wird aber nicht auf den Redaktionsstab des Bundestages Bezug genommen. Es ist jetzt insbesondere Aufgabe der Justizministerin, den Redaktionsstab der Bundesregierung, der beim Bundesministerium angesiedelt ist, in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien zu verankern. Wir müssen im Bereich des Bundestages unsere Aufgabe hinsichtlich der Geschäftsordnung des Bundestages wahrnehmen. Ich möchte mich auch für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich denke, wir haben einen guten Haushalt aufgestellt. Ich bitte Sie daher, die beiden Haushalte - den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts und den Justizhaushalt - zu unterstützen. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort der Kollege Hans-Christian Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Stokar meinte gerade, ich solle erzählen, was der BND im Kosovo gemacht habe; das interessiere sie viel mehr. ({0}) Dazu kann ich nur sagen: Erstens darf ich das nicht, weil ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin. ({1}) Zweitens hätte wahrscheinlich die Präsidentin etwas dagegen, weil das nicht zur Tagesordnung gehört. Drittens gibt es hier einige, die das genauso erläutern könnten wie ich. Diese kann man vielleicht nachher befragen, soweit die Betreffenden dazu überhaupt etwas sagen dürfen. Ich wende mich dem Haushalt der Bundesjustizministerin zu. ({2}) Ich will ihr den überhaupt nicht streitig machen. Ich will nicht über Zahlen reden. ({3}) Ich glaube, über die Zahlen muss man sich nicht streiten. Hier herrscht weitgehend Einigkeit. Ich will vielmehr versuchen, eine Art Bilanz zu ziehen. ({4}) Bei dieser Bilanz kommt es sicherlich darauf an, dass Sie in der Regierung sitzen und wir in der Opposition. Trotzdem sage ich: Es war nicht alles schlecht, was aus Ihrem Hause gekommen ist. ({5}) Es war auch nicht alles schlecht, was die Große Koalition in der Rechtspolitik auf den Weg gebracht hat. Ich nenne die Reform des FGG und des Urheberrechts als Beispiele. Hier gibt es eine ganze Reihe von Gesetzen - an den Beratungen hat sich auch der Kollege Montag verdienstvoll beteiligt -, die wir gemeinsam getragen haben und die vorzeigbar sind. Hier wurden notwendige Reformen durchgeführt. ({6}) Ich will auch nicht kritisieren, dass Sie, Frau Ministerin, sich persönlich vor das Oberlandesgericht gestellt haben, das die Freilassung von Christian Klar angeordnet hat, und darauf hingewiesen haben, dass Gesetze für alle gleich gelten, dass Entscheidungen, die nach Gesetz gefällt werden, zu akzeptieren sind und dass man keine neuen Voraussetzungen schaffen muss. Das war in Ordnung. Das sehe ich positiv. Aber, Frau Ministerin, wenn ich mir Ihre Bilanz als Verfassungsministerin, als Ministerin, die die Freiheitsund Bürgerrechte sowie wichtige Verfassungsgrundsätze wahren soll, ansehe, dann muss ich feststellen, dass Ihre Bilanz viel trauriger aussieht. ({7}) Ich will versuchen, das an sechs Beispielen zu verdeutlichen. ({8}) - Das müssen Sie sich schon anhören. Das ist meine Redezeit und nicht Ihre. Als Erstes haben Sie uns die Vorratsdatenspeicherung - das war das Weihnachtsgeschenk im letzten Jahr sozusagen vererbt. Sie haben dazu gesagt, damit verhalte es sich nicht viel anders als mit einem gefüllten Briefumschlag; mehr Gefahren gebe es nicht. Das Bundesverfassungsgericht sieht das offenbar anders. ({9}) Es ist mit der höchsten Zahl von Verfassungsbeschwerden befasst, die jemals in der Bundesrepublik erhoben wurden. Es gibt eine Wiederbelebung der Straße. Seit den Notstandsgesetzen und vielleicht seit der Volkszählung ist noch nie so intensiv über ein Gesetz, bei dem es um Bürgerrechte geht, auf der Straße diskutiert worden. 15 000 Menschen sind - auch hier in Berlin - dagegen auf die Straße gegangen. Das haben Sie wenigstens zur Kenntnis genommen. Leider haben Sie daraus bisher keine Schlussfolgerungen gezogen. Sie hätten beispielsweise die Anwendung dieses Gesetzes aussetzen können, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Das wäre vernünftig gewesen. ({10}) Ich komme zweitens zum BKA-Gesetz. Hierzu haben Sie sich am Anfang - das schien ganz hoffnungsvoll zu sein - mit einigen kritischen Bemerkungen an die Öffentlichkeit gewagt. Sie haben beispielsweise geäußert, dass das BKA-Gesetz die Onlinedurchsuchung beinhalten soll. Sie haben außerdem gefragt: Welchen Sinn macht eigentlich die präventive Onlinedurchsuchung? Wozu brauchen wir das? Sie haben auch etwas zum Spähangriff auf Privatwohnungen gesagt: Wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht abgehört werden darf, also etwa intime Gespräche im Schlafzimmer, dann gilt das erst recht für die heimliche Beobachtung mit Kameras. Sie haben das BKA-Gesetz mit auf den Weg gebracht und im Deutschen Bundestag für die Verabschiedung gesorgt. Offenbar waren Ihnen all Ihre starken Worte, die Sie vorher in der Kritik, auch an Ihrem Ministerkollegen, geäußert haben, nichts mehr wert. Das war alles vergessen. Das ist nicht gut und wirft ein schlechtes Licht auf die Ministerin, die eigentlich für die Wahrung der Freiheits- und Bürgerrechte zuständig ist. ({11}) Als dritten Punkt möchte ich etwas erwähnen, wo es noch viel schneller ging. Zunächst haben Sie sich durchaus kritisch zu den Plänen, den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren zuzulassen, geäußert. Sie haben dann mit Ihrem Kollegen im Bundeskabinett, ganz stickum und ohne dass es irgendjemand außerhalb bemerkt hat, eine Änderung des Grundgesetzes ausgehandelt und verabschiedet. ({12}) Eine solche Änderung wird hier im Hause offenbar und glücklicherweise keine Mehrheit finden. Auch da haben Sie wichtige Verfassungsgrundsätze, nämlich dass die Bundeswehr für Sicherheit und Ordnung im Inneren nicht zuständig ist und auch nicht zuständig werden soll, einfach aufgegeben und über Bord geworfen. Ich komme zum vierten Punkt. Er betrifft eine unserer Lieblingskritiken. Sie haben unter Rot-Grün einmal etwas gewagt, was ich damals anerkannt habe. Sie haben die UN-Konvention gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 unterzeichnet, obwohl Sie wussten, dass das einige Fraktionen im Parlament und einzelne Abgeordnete aus allen Fraktionen anders sehen. ({13}) Sie haben aber nicht dafür gesorgt, dass diese internationale Verpflichtung, die Sie eingegangen sind, auch eingehalten wird. Diese Verpflichtung beinhaltet, ({14}) dass wir eine gesetzliche Bestimmung schaffen, nach der Abgeordnetenbestechung über die jetzige Regelung § 108 e StGB hinaus strafbar wird. Darum haben Sie sich nicht mehr gekümmert. Sie können auch nicht sagen, dass das Sache des Parlaments ist und Sie damit nichts zu tun haben. Soweit ich weiß, sind Sie auch Bundestagsabgeordnete ({15}) und wären durchaus aufgerufen, eine Regelung zu treffen. Ich komme zum vorletzten Punkt, den ich in diesem Zusammenhang nennen will. Es geht um den neuesten Vorstoß Ihres Regierungskollegen Schäuble. ({16}) Nachdem er für das BKA-Gesetz im Bundesrat ganz offensichtlich keine Mehrheit gefunden hat, nicht findet und keine Aussicht darauf besteht, will er nichts anderes tun, als die Verfassung kompatibel zu machen und sie so zu ändern, dass in Zukunft der Bundesrat nicht mehr so wie bisher darüber entscheiden kann, wie das in den inzwischen fast 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland üblich war. Ich habe von Ihnen kein Stopp und keine klare Aussage gehört, dass Sie das für falsch halten und auf keinen Fall mitmachen. Ich komme zum letzten Punkt, ({17}) der vor allen Dingen mich betrifft. Im Jahre 1999 - damals waren Sie noch nicht Ministerin - haben die damalige Justizministerin und insbesondere der Staatssekretär Geiger mir persönlich und der grünen Bundestagsfraktion versprochen, dass das Bundesdatenschutzgesetz novelliert wird. Das Datenschutzgesetz sollte modern und bürgernah gestaltet werden und die Daten in allen Bereichen, auch im privaten Bereich, schützen. Bis heute warten wir darauf, dass ein solches Gesetz vorgelegt wird, obwohl es immer wieder von Verbänden, von Fachleuten und von Sachverständigen gefordert worden ist. Da sind Sie Ihrer Pflicht nicht nachgekommen. ({18})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, achten Sie auf die Redezeit.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Letzter Satz: Eine gute Ministerin für die Verfassung und für die Grundrechte und Freiheitsrechte sind Sie leider nicht gewesen. Ich hoffe, Sie geloben Besserung. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat für die Bundesregierung die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, das Wort. ({0})

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Ströbele, das trifft sich gut: Ich mag in Ihren Augen keine gute Ministerin für die Verfassung sein, Ihnen hingegen fehlen grundlegende Kenntnisse über den Verfassungsaufbau des Staates. ({0}) Es kann überhaupt nicht sein, dass ich ein Gesetz aussetze, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. ({1}) Was glauben Sie, welche Kompetenzen eine Ministerin in diesem Lande hat? ({2}) Es kann auch gar nicht sein, dass eine Ministerin alleine ein Gesetz zur Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung im Parlament durchbringt. Das geht nicht. Es muss schon die Mehrheit dieses Hauses diesem Gesetzentwurf zustimmen. ({3}) Es ist auch - das hat weniger mit Verfassungsrecht als mit der Frage zu tun, wer innerhalb der Bundesregierung zuständig ist - immer noch so, wie seit 1999, dass für das Bundesdatenschutzgesetz der Bundesinnenminister zuständig ist und nicht die Bundesjustizministerin. ({4}) - Das ist eine andere Frage, lieber Herr Kollege Fricke. Deswegen gebe ich diese Empfehlung weiter. Das geht einfach nicht. Insofern bitte ich sehr um Nachsicht, dass man nicht alles machen kann, was man tun möchte. Ich gebe Herrn Fricke durchaus recht; ich hätte gegen die Zuständigkeit nichts einzuwenden. ({5}) Für die Haushaltsberatungen des Parlaments will ich zunächst einmal Dank sagen, zum einen an das Haus BMJ, das mich sehr unterstützt hat und dessen Mitarbeiter hier schon hinreichend gelobt worden sind. Also auch von mir das verdiente Lob! ({6}) Zum anderen will ich auch dem Parlament Dank sagen, das die Aufstellung dieses Haushalts sehr gut unterstützt hat, insbesondere Dank an die beiden Berichterstatter Lothar Binding und Ole Schröder. ({7}) Gute Berichterstatter - das haben Sie heute Abend an den Reden schon gemerkt - verfolgen eigene Projekte. Es ist keineswegs so, dass sie nur den Haushalt begleiten, sondern sie haben eigene Vorstellungen. Die Vorstellungen, die die beiden Berichterstatter haben, betreffen zum Beispiel die verständliche Gesetzessprache. Sie haben schon gemerkt, dass es ihnen diesmal gelungen ist, uns zu den dazugehörigen Stellen zu verhelfen. Wir haben die Ankündigung schon gehört. Das nächste Mal müssen wir die GGO ändern, damit das Ganze weitergeht. Lieber Ole Schröder, wir werden das gerne im Auge behalten. Weil wir die Ehre haben, heute Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer als einzige Gäste bei unserer Parlamentsdebatte zu begrüßen, habe ich mir vorgenommen, etwas über das Anwaltsrecht und über die vielen Projekte, die wir im Bereich des Anwaltsrechts gemacht haben, zu sagen; denn es gibt nicht nur die innere Sicherheit und andere Themen, sondern wir haben durch Gesetzgebung auch für den Berufsstand einzutreten, der ein wesentlicher Berufsstand in der Justiz ist. Das Erste, das ich gerne in dem Zusammenhang erwähnen möchte, ist ein Gesetz, das schon seit vielen Jahren in Kraft ist. Es betrifft die Rechtsanwaltsvergütung. Das ist eines der ersten größeren Gesetzgebungsvorhaben, für die ich als Ministerin verantwortlich war. Ich habe schon Mitte des Jahres deutlich gemacht, dass ich für eine vernünftige Evaluierung dieses Gesetzes offen bin; denn jedes Gesetz gehört evaluiert. Bei dieser Evaluierung müssen wir die Einkommensentwicklung ab dem Jahre 2004 berücksichtigen. Wir müssen auch schauen, in welchen Tätigkeitsgebieten es Defizite gibt; denn wir haben seinerzeit mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz neue Schwerpunkte gesetzt. So sind zum Beispiel die Streitwerte für die Asylverfahren seit 15 Jahren nicht mehr angepasst worden. Wir müssen auch überlegen, ob wir bei den Sozialrechtsmandaten sowie bei den Regelungen für die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe bei den Familienrechtsmandaten etwas ändern müssen. Denn auch hier gilt mit Blick auf die Anwaltsgebühren: Gerechtigkeit hat ihren Preis; den Zugang zu einer guten anwaltlichen Beratung kann es nicht zu Dumpingpreisen geben. ({8}) Das zweite Thema, das die Anwaltschaft betrifft, ist das Rechtsdienstleistungsgesetz, das am 1. Juli 2008 nach langen Beratungen in Kraft getreten ist und das von der Anwaltschaft durchaus mit einer gewissen Skepsis beäugt wurde. Deshalb bin ich froh, hier sagen zu können: Die erste Bilanz nach einem knappen halben Jahr zeigt, dass sich das Gesetz in der Praxis in der Tat bewährt. Auch die Regelungen zur Rechtsberatung als Nebenleistung, die von der Anwaltschaft besonders skeptisch beäugt worden waren, sind so gut wie keiner nennenswerten Kritik ausgesetzt. Vielen Dank dafür, dass es gelungen ist, mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz ein Gesetz aus der Zeit des Faschismus abzulösen und ein modernes Recht zu schaffen. ({9}) Das dritte Thema, das die Anwaltschaft interessieren wird und das das Haus noch nicht kennt, ist die Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit auf die Verfahrensgebühr. ({10}) Das ist ein Thema, das durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine gewisse Aktualität erfahren hat. ({11}) Wir wollen mit Ihnen gemeinsam darüber sprechen, ob es noch einer kurzfristigen Änderung bedarf. ({12}) Ein vierter Punkt, den ich ansprechen möchte und dessen Beratung noch auf das Parlament zukommt, ist die Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung. Dabei geht es um zwei wesentliche Punkte: Erstens. Streitigkeiten über die Zulassung zur Anwaltschaft sollen künftig nach der VwGO erfolgen. Zweitens. Bei der BRAK, der Bundesrechtsanwaltskammer, soll eine Schiedsstelle mit einem sogenannten Ombudsmann eingerichtet werden, damit Konflikte zwischen Mandantschaft und Anwaltschaft schon auf dieser Ebene beigelegt werden können. Der Ombudsmann der Versicherungswirtschaft, der sich in den letzten Jahren gut bewährt hat, ist ein bisschen das Vorbild für diese Institution. An dieser Stelle geht mein Dank an die Bundesrechtsanwaltskammer, insbesondere an ihren Präsidenten, Herrn Filges, der sich für diese Idee sehr engagiert eingesetzt hat. ({13}) Last, but not least wollen wir auch den Zugang zum Anwaltsnotariat ändern und eine andere notarielle Fachprüfung einführen. In Zukunft wollen wir bei der Auswahl der Bewerber noch stärker auf die individuelle Eignung der Bewerber achten. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Der Gesetzentwurf hat bei einer Anhörung im Rechtsausschuss am 5. November 2008 breite Unterstützung gefunden, sodass man davon ausgehen kann, dass er noch verabschiedet wird. Es geht der Dank an die Anwaltschaft für die gute Zusammenarbeit. Dank gilt der Anwaltschaft, aber auch dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Juristinnenbund und anderen für die Zusammenarbeit beim „Bündnis für das deutsche Recht“. Dieses Thema hat Ole Schröder schon angesprochen. Wir haben jetzt eine neue, druckfrische Broschüre, die in großer Zahl vorliegt. ({14}) Ich sende sie Ihnen gerne zu, damit Sie sie verteilen können, um deutlich zu machen: Unser deutsches Recht ist gutes Recht; wir wollen das kontinentaleuropäische Recht behalten. Im Hinblick darauf, dass die Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer auf das Essen warten, will ich dazu keine weiteren Ausführungen machen; ich erinnere Sie an die Ausführungen von Herrn Schröder zu diesem Thema. ({15})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Otto Fricke. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Justiz und Finanzkrise: Passt das zusammen? Eigentlich könnte man fragen: Führt die Tatsache, dass sich die Wirtschaft in der Rezession befindet, nicht dazu, dass sich möglicherweise irgendwann auch das Recht in der Rezession befindet? Ich glaube, dass das Recht durch die Wirtschafts- und Finanzkrise und die Reaktion des Staates darauf gefordert sein wird, dass die Gerichte gefordert sein werden. Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich möchte Ihnen - gerade als Rechtspolitiker - Folgendes anheimgeben: Achten Sie bei allem, was jetzt Wirtschafts- und Finanzpolitiker machen, darauf, dass wir im Rahmen des Haushalts nicht Investitionen versprechen, die später aufgrund überlanger Verfahren nicht getätigt werden können! Achten Sie bitte auch darauf, dass die zusätzlichen Mittel, die die Länder für die Personalausstattung der Gerichte bereitstellen - sie geben ausnahmsweise mehr -, am Ende nicht steckenbleiben, weil viele Verfahren bei den Bundesgerichten, die immer mehr angefordert werden, hängenbleiben! Das wird eine Aufgabe sein, Frau Ministerin, bei der ich Sie wirklich nur bitten kann, genau zu schauen, wohin die Entwicklung geht, und dann, wenn Sie sehen, dass sie in die falsche Richtung geht, sehr schnell, frühzeitig zu reagieren; denn sonst bleiben die Investitionen, die wir in der nächsten Zeit brauchen, sozusagen beim Recht hängen, und das kann in einem gut funktionierendem Rechtsstaat nicht der Sinn der Sache sein. ({0}) Ich habe die Länder angesprochen. Insofern will ich durchaus auch Kritik üben. Wenn ich mir anschaue, was die Länder in der letzten Zeit so alles gemacht haben, ({1}) fällt mir auf, dass sie finanziell immer wieder auf der Bremse stehen, um so den Rechtsstaat mehr oder weniger Stück für Stück an die Wand zu fahren. ({2}) - PKH, Kollege Stünker; genau. ({3}) Es kann nicht sein, dass man versucht, Prozesskostenhilfe abzuwürgen, indem man da und dort die Gebühren herunterfährt. ({4}) Das kann mit Sicherheit nicht sein; denn Recht - ich glaube, da sind wir uns einig - steht allen zu. Der Zugang zum Recht ist essenzielle Voraussetzung für unseren Rechtsstaat. ({5}) Es gibt nach meiner Meinung immer wieder den Versuch der Länder, sich aus der finanziellen Verantwortung zu stehlen. Wir erleben es zurzeit beim Kindergeld, wo es gerade umgekehrt ist. Eigentlich sind die Länder - mit den Kommunen - für das Kindergeld und den Aufwand zuständig, sie sagen aber: Das soll der Bund machen. Wir haben eine Aufteilung. Sie ist richtig so. Darauf sollten wir achten. Ich glaube, dass die Aufteilung - Gesetzgebung, Zuständigkeit für den größten Teil der Rechtsprechung, Frage der Finanzierung - so richtig ist. Gerade im Rechtsstaat ist der Föderalismus ein starker Faktor. Aber dann müssen wir auch dafür sorgen, dass sich die Länder nicht aus der Verantwortung stehlen. ({6}) Ein wenig Kritik muss ich in der Frage der Verständlichkeit von Sprache im Recht üben. ({7}) Wenn ich bei der Sprache die Wahl habe zwischen Schönheit und Präzision, zwischen Lesbarkeit und Präzision, ({8}) dann wähle ich als privater Leser die Schönheit und die Lesbarkeit. Wenn ich aber als Jurist mit Sprache umgehe, ist das anders. Weil beim Recht und bei der Auslegung des Rechts die Grenze der Wortlaut ist, muss diese Grenze präzise sein; sonst ist Recht nichts mehr wert. ({9}) Deshalb bitte ich darum, bei dem, was Sie wollen - ich weiß, Sie wollen, dass es in eine andere Richtung geht -, darauf zu achten, dass die Grenze nicht verwischt wird. Der Glaube, man könne durch bessere Lesbarkeit Recht präziser und besser machen, ist nach meiner Meinung ein Irrglaube. ({10}) Eine kurze Anmerkung zum Einzelplan 19, um den es jetzt ja auch geht. Ohne es zu weit auszuführen - die Berichterstatter wissen es; ich möchte es aber auch im Protokoll haben -: Ein Parlament muss sich bei der Frage, wie man mit der Bezahlung eines Präsidenten eines Verfassungsorgans umgeht, immer vergegenwärtigen, wie die Kleiderordnung sein sollte. Ich glaube, dass das, was wir insofern beim Verfassungsgericht gemacht haben, nicht richtig ist und dass wir das spätestens in der nächsten Legislatur - sprich: im nächsten Jahr - klären sollten. Oder handelt es sich etwa um eine Strafaktion des Parlaments gegenüber dem Gericht? ({11}) Das kann ich mir auf gar keinen Fall vorstellen. Deswegen hoffe ich, dass wir vernünftig im Blick behalten, wie die Kleiderordnung ist. Zum Schluss: Eine Tendenz fällt mir auch hier im Parlament im Umgang mit dem Recht auf. Ich will nicht sagen, dass wir da ein wenig feige wären, aber doch, dass wir immer mehr zurückschrecken. Ich nenne die Themen „Spätabtreibung“ und „Patientenverfügung“. Ohne in die Details zu gehen, will ich sagen - das ist meine persönliche Meinung, nicht die Meinung meiner Fraktion -: Ich erlebe, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen den Standpunkt vertreten: Besser nicht anpacken, besser nichts regeln. - Ich will ausdrücklich davor warnen. Nach der Gewaltenteilung ist es unsere Aufgabe, Regeln zu treffen, wo das, was die Rechtsprechung normiert hat, nicht ausreicht, und dann müssen wir ihr auch nachkommen. ({12}) Das Ergebnis bei der Spätabtreibung mag für viele kein gutes Ergebnis sein, aber es ist immer noch ein besseres als gar keins. Das Gleiche gilt bei der Patientenverfügung. Eine Regelung, sei es die vom Kollegen Stünker, die ich nicht unterstütze, sei es die vom Kollegen Bosbach, ist besser als keine. Etwas zu regeln, ist besser, als zu sagen: Bloß keine Regelung, bloß nicht anfassen. ({13}) Alles andere würde die Menschen auf Dauer zu sehr verunsichern, nicht deshalb, weil die Rechtsprechung schlecht ist, sondern deshalb, weil die Menschen vom Gesetzgeber eine Orientierung erwarten. ({14}) Diese Art von Rechtspolitik ist unsere Verantwortung. Diese Art von Rechtspolitik werden wir in der nächsten Zeit, so hoffe ich, auch betreiben, spätestens wieder nach den Wahlen. Herzlichen Dank. ({15})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort der Kollege Dr. Jürgen Gehb für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gemerkt, dass nicht nur ich die Haushaltsdebatte zum Anlass nehme, über den nationalen Tellerrand der Rechtspolitik hinauszublicken - ich habe das schon immer getan -, sondern auch Ole Schröder und die Ministerin. Das freut mich insofern ganz besonders, als ich merke, dass das auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Nun will ich Ihnen nicht schon wieder mit meinem Lieblingslogo „German Law goes Hollywood“ auf die Nerven fallen, aber es war kein Geringerer als der Bundespräsident, der dieses Thema auf dem Juristentag in Erfurt aufgegriffen hat. Nicht nur er hat dieses Thema aufgegriffen: Die Berufsorganisationen der Anwälte und Notare und die der Richter haben vor kurzem ein „Bündnis für das deutsche Recht“ gegründet. Vor wenigen Tagen wurde uns - mit „uns“ meine ich die rechtspolitischen Sprecher im Beisein der Ministerin aus den Händen des Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes, Herrn Frank, im Beisein der Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer, Herrn Filges, des Deutschen Notarvereins, Herrn Vossius, und der Bundesnotarkammer, Herrn Götte, sowie eines Vertreters des Deutschen Anwaltvereins ein entsprechendes Schriftstück überreicht. Das heißt, auch der DAV macht sich für den Export deutschen Rechts stark, und das, obwohl sich dessen Präsident beim Deutschen Anwaltstag im Mai hier in Berlin vor dem Hintergrund der Sicherheitsdebatte weiß Gott dazu hat hinreißen lassen, unsere Rechtsordnung in die Nähe von Guantánamo zu rücken. ({0}) - Vorsicht, Herr Montag, sonst erzähle ich die Geschichte mit den 2 Zentimetern. ({1}) Wörtlich hat er ausgeführt - das ist im Anwaltsblatt vom Juni 2008 auf Seite 407 nachzulesen -: Unsere Rechtsordnung reicht. Alles andere, meine Damen und Herren, ist ein Schritt in die Zustände von Guantánamo. Wir haben bisher ein gutes Verhältnis zur BRAK, zum DAV und allen anderen Vereinigungen gehabt. ({2}) Ich kann an dieser Stelle Herrn Kilger nur auffordern, dass er mit dem Ausdruck des Bedauerns dafür um Entschuldigung bittet, sonst kann er für uns kein seriöser Gesprächspartner mehr sein. Guantánamo hat hier nichts zu suchen. ({3}) Genauso neben der Kappe ist ein Artikel in der Ausgabe des Spiegels vom 17. November, also vom letzten Montag, mit dem schmissigen Titel „Der letzte Versuch“. Hier ist ein Bild vom Plenum abgedruckt, das von oben aus der Kuppel aufgenommen wurde und unter dem steht: „Deutscher Bundestag: eine Maschine, gebaut für Gesetze, nicht für Gerechtigkeit.“ Hintergrund dieses Artikels ist ein zugegebenermaßen tragisches Schicksal des Witwers einer ermordeten Frau. Der Mörder läuft frei herum, obwohl man ihn möglicherweise mit neueren Erkenntnismethoden, namentlich der DNAAnalyse, überführen könnte. Der Bundesrat hatte ja eine diesbezügliche Initiative zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts auf den Weg gebracht; den entsprechenden Gesetzentwurf haben wir vor wenigen Wochen im ganz normalen Verfahren in erster Lesung, wenn auch ohne Debatte, an den zuständigen Ausschuss überwiesen. Wir müssen uns nun in diesem Bericht vorhalten lassen: „Doch der Großen Koalition ist die Sache vor allem eines: lästig.“ ({4}) Meine Damen und Herren, bei allem, was uns vielleicht parteipolitisch trennt, diesen Vorwurf sollten wir uns alle nicht gefallen lassen. ({5}) Wir werden in einem ganz normalen Prozedere dieses Gesetzesvorhaben auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses setzen und noch im Frühjahr hierzu eine Anhörung durchführen. Hier warten zwar sehr viele Schlingpflanzen, sehr viele verfassungsrechtliche und prozessuale Implikationen auf uns. Dennoch sage ich an dieser Stelle, ohne hiermit schon dem Ergebnis vorzugreifen: Ich persönlich, meine Kolleginnen und Kollegen aus der Arbeitsgruppe Recht und wahrscheinlich die gesamte CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben für diesen Antrag viel Sympathie. Auch wir halten es für unerträglich, dass für das schwerste Verbrechen, nämlich für unverjährbaren Mord, die materielle Gerechtigkeit hinter dem Prinzip der formellen Rechtssicherheit zurückstehen soll. ({6}) Wo ich nun schon an diesem Punkt bin: Haushaltsdebatten sind ja in der Regel eine Generalabrechnung der Opposition mit der Regierung. Da aber die Opposition nicht wahrzunehmen ist, müssen wir deren Aufgabe auch noch mit übernehmen. ({7}) Es gibt viele Dinge zu kritisieren, aber den Grünen, die sich jetzt über die Höhe der Haftentschädigung, die ja Thema der Justizministerkonferenz war, echauffieren - immerhin ist der Vorschlag gemacht worden, sie von mindestens 11 Euro auf 25 Euro zu erhöhen; das sind mehr als 100 Prozent -, sage ich: ({8}) Jemand, der dieses Thema überhaupt noch nicht angepackt hat und in seiner Regierungszeit nicht in der Lage war, den Betrag um einen einzigen Cent zu erhöhen, sollte ganz kleine Brötchen backen. ({9}) Vor wenigen Tagen haben wir uns, liebe Frau Justizministerin, darauf geeinigt, dass wir den Ball an die Justizminister zurückgeben, zumal sie in ihrer Auffassung nicht ganz einheitlich waren. Frau von der Aue aus Berlin hat wie der DAV von 100 Euro gesprochen. ({10}) Wir haben gesagt, die Justizminister sollten einen schönen Gesetzentwurf erarbeiten und die Höhe der Haftentschädigung bestimmen, die schließlich aus ihrem Landesetat bezahlt wird. Dann werden wir dies genauso auf den Weg bringen wie den Opferschutz - diese Initiative haben Sie aus dem Bundesrat aufgenommen - und wie die Erhöhung des Kinderschutzes im Wege eines erweiterten Führungszeugnisses. Auch hier freue ich mich, Brigitte, dass du das aufgenommen hast. Aber die Freude über die Aufnahme wäre noch größer, wenn gelegentlich auch einmal der geistige Urheber der einen oder anderen Idee genannt würde, insbesondere wenn er aus dem Lager der Union kommt. ({11}) Es gibt kein Copyright und auch keinen Schutz des geistigen Eigentums; aber es gibt eine gewisse Fairness. Meine Damen und Herren, das Thema Justiz ist immer nur abends an der Reihe. Deswegen bewundere ich, dass immer noch ein Teil des Vorstands der BRAK auf der Besuchertribüne sitzt, obwohl klar war, dass ich jetzt reden würde. Ich hätte es ja verstanden, Herr Filges, wenn Sie früher gegangen wären. Aber nach mir müssen Sie noch einen anderen ertragen; das wird noch viel schöner. ({12}) Meine Damen und Herren, wir können uns weiß Gott nicht den Vorwurf gefallen lassen, wir würden Fälle nur dilatorisch und sehr schleppend bearbeiten. Wir haben, auf Deutsch gesagt, die Raufe voll bis oben hin. Weit bis in das nächste Jahr werden wir in jeder Sitzungswoche mindestens eine Anhörung, gelegentlich sogar zwei Anhörungen durchführen. Andreas Schmidt, der Vorsitzende unseres Rechtsausschusses, hat vor wenigen Tagen bei einem sehr schönen parlamentarischen Abend des Rechtsausschusses in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung Bilanz gezogen und dargestellt, was wir schon alles erledigt haben. Wenn heute unter unserer Zuhörerschaft schon die großen Repräsentanten der Bundesrechtsanwaltskammer sind, um deren Anerkennung und Lob alle Vorredner ein bisschen gebuhlt haben, dann will ich Folgendes sagen: Wir haben nicht nur ein hervorragendes Verhältnis miteinander, wir haben das Rechtsdienstleistungsgesetz gewissermaßen im Zusammenspiel mit den Anwälten erarbeitet, wir haben für die Erfolgshonorare gesorgt, wenn auch in abgespeckter Form, aber eigentlich so, wie es die Anwaltskammer wollte. Wir werden des Weiteren - auch dies hat die Ministerin angesprochen -, um die Sache rund zu machen, das Anwaltsnotariat so regeln, dass wir weder ein drittes Staatsexamen einführen noch zulassen, dass nur Anwälte aus großen Kanzleien dahin kommen. Vielmehr soll auch der kleine Krauter aus Falkensee oder aus meinem Heimatort Heringen eine Chance haben; wir werden also die lokale Verwurzelung ins Gesetz schreiben. Wenn uns dies gelingt, dann werden wir auch im Berufsrecht unsere Pflicht erfüllt haben. Wir konnten sie nur erfüllen, weil außer den Politikern von der Ministerin über den Staatssekretär bis zu den Sprechern und Berichterstattern sowie den Haushältern all die vielen fleißigen Ministerialbeamten - ein Teil von ihnen sitzt da hinten - mitgearbeitet haben. Die Große Koalition funktioniert mindestens auf dem Gebiet der Rechtspolitik. ({13}) Dies wollte ich vor Beginn der Adventszeit, die ja auch die Zeit der Besinnlichkeit ist, als ein versöhnliches Abschlusswort zum Ausdruck bringen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir so diszipliniert zugehört haben. ({14})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Nešković für die Fraktion Die Linke. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Gehb, recht herzlichen Dank, dass Sie mich so freundlich annonciert haben. Da die Zeit nun fortgeschritten ist, könnte es dazu führen, ein wenig kuschelig mit der Ministerin und ihrer Politik umzugehen. Da Sie von mir sicherlich keine kuschelige Rede erwarten, werde ich Sie in Ihrer Hoffnung auch nicht enttäuschen, sondern gleich an einen Vorwurf anknüpfen, den ich in meiner letzten Rede erhoben habe. Frau Ministerin, ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie wirklich keine Bremserin von Herrn Schäuble sind, sondern dass Sie gemeinsam mit ihm in die falsche Richtung fahren: im Zweifel für die Sicherheit und nicht für die Freiheit. In der Süddeutschen Zeitung vom 21. November heißt es hierzu: Auch bei der SPD dominieren in der Innen- und Rechtspolitik die Innenpolitiker, für die Sicherheit stets den Vorrang vor Freiheit hat. Justizministerin Brigitte Zypries, die ehemalige Staatssekretärin Schilys, stammt auch aus dieser Denkschule und ist von daher kein gleichrangiges Gegengewicht zu Schäuble und seinen orwellhaften Vorstellungen vom Staat. ({0}) So schnell, Frau Zypries, wird unsere Einschätzung Ihrer Politik bestätigt. ({1}) Ein weiterer Vorwurf, den ich erhoben habe, war: Das Personaldilemma der SPD schlägt sich in den Personen Steinbrück, Steinmeier und Zypries in prägnanter Weise nieder. Sie stehen für den Typ Politikbeamte und Technokraten. ({2}) Was ist das Wesen des Technokraten? Kein Herzblut, keine inhaltlichen Überzeugungen und keine politischen Visionen. ({3}) An der Stelle der Macht der Visionen tritt nur noch die Vision von der Macht. Die politischen Inhalte sind nur ein Mittel, ein Instrument zum Machtgewinn und zum Machterhalt. Die Reaktion auf meine Rede und auf diesen Vorwurf war erstaunlich: Frau Zypries grüßt mich nicht mehr. ({4}) Diese Form des Beifalls ist bemerkenswert, aber nicht bedeutsam. Bedeutsam ist vielmehr, dass Frau Zypries einen bemerkenswerten Eifer an den Tag legt, ihre Kritiker durch immer neue Aktionen zu bestärken. Jüngstes Beispiel - Herr Ströbele hat es schon angeführt -: ist die Einigung innerhalb der Koalition zum Bundeswehreinsatz im Innern. Gemeinsam mit Herrn Steinmeier haben Sie sich im Wesentlichen den Begehrlichkeiten von Herrn Schäuble unterworfen. Herr Steinmeier verkündet dann im besten Technokratendeutsch, die Einigung belege die Handlungsfähigkeit der Koalition. Kein Wort zum Inhalt. Das einzig Entscheidende ist also nur die Handlungsfähigkeit der Koalition. Das ist das beste Technokratendeutsch. ({5}) Doch auch Technokraten beherrschen manchmal nicht ihr Geschäft. Frau Zypries, Sie vergaßen die Abstimmung mit Ihrer Fraktion. Sie wurden von dieser auch zurückgepfiffen und standen sehr blamiert da. Was machen Technokraten angesichts einer solchen Situation? Natürlich, sie reagieren technokratisch. Sie setzen dem Ganzen noch die Krone auf, indem Sie sich, Frau Zypries, als Leiterin einer Arbeitsgruppe installieren lassen, die einzig und allein die Aufgabe hat, das mit Steinmeier erarbeitete Ergebnis wieder einzusammeln. Das ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus. Das ist nicht Realpolitik, sondern Realsatire. ({6}) Aber auch das BKA-Gesetz belegt den Kotau vor Herrn Schäuble und erneut das Verhalten von Technokraten. Entgegen den Bedenken vieler Fachleute, insbesondere des ehemaligen Staatssekretärs aus dem Justizministerium Herrn Professor Geiger haben Sie, Frau Zypries, dem BKA-Gesetz zugestimmt. Dies ist ein Gesetz, das Herrn Schäuble einen ungeheuren Machtzuwachs sichert und das mit wesentlichen rechtsstaatlichen Prinzipien bricht. So wird das Bundeskriminalamt zukünftig die Kompetenzen von Geheimdiensten und Polizei unter einem Dach besitzen. Damit wird gegen das rechtsstaatliche Trennungsgebot verstoßen. ({7}) - Ich sehe mich zur Wiederholung veranlasst, weil es ein Prinzip der Pädagogik ist. ({8}) Auch der Kernbereichsschutz ist verfassungswidrig geregelt. Aber auch hier die gleiche Inszenierung für die Technokratentruppe Zypries und Steinmeier wie beim Bundeswehreinsatz, diesmal aber mit anderen Akteuren. Diesmal sind es die Landesverbände der SPD, die die Bauchlandung für diese Truppe organisieren. ({9}) Gut, dass es gelegentlich noch Sozialdemokraten gibt, die sich daran erinnern, dass es in der Anatomie einer Partei etwas gibt, das man Rückgrat nennt. Herz und Rückgrat sind die Elemente, die für die Zukunft einer Partei überlebensnotwendig sind. In Ihrer Politik, Frau Zypries, sind solche Wesenselemente nicht erkennbar. Sie stehen nicht in der rechtsstaatlichen Tradition eines Adolf Arndt, eines Hans-Jochen Vogel, eines Herbert Schnoor oder einer Frau Herta Däubler-Gmelin. Die SPD ist - das sage ich an die Adresse der Kollegen rechtsstaatlich unzuverlässig geworden. Ich teile deswegen ausdrücklich die Auffassung des Autors aus der Süddeutschen Zeitung in dem eingangs zitierten Artikel, der dazu auffordert, die SPD müsse sich endlich auf ihre rechtsstaatlichen Traditionen besinnen. ({10}) Mit Ihnen, Frau Zypries, wird das nicht möglich sein. Ich erinnere dabei nur an das Strafvollzugsgesetz. Ein Kleinod sozialdemokratischer Rechtspolitik wird mit der Föderalismusreform einfach über Bord geworfen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich bin am Ende meiner Rede angelangt. Frau Zypries, ich würde Ihnen wünschen, dass Sie wirklich einmal in die Werke Adolf Arndts und anderer gucken, die ich zitiert habe. Ich glaube, dann hätten wir eine bessere Rechtspolitik der SPD. Vielen Dank. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Der Kollege Joachim Stünker hat seine Rede zu Pro- tokoll gegeben. Ebenso hat dies die Kollegin Daniela Raab getan.1) ({0}) Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Linken vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/11037? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Wer stimmt nun für den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 07 ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke und Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 19 ist damit mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung angelangt. Ich bedanke mich herzlich für die aktive Diskussion und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Freitag, den 28. November 2008, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und schließe die Sitzung.