Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/15/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Barbara Hendricks. Bitte schön.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bitte erlauben Sie, dass ich mich kurz an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne wende - ich sehe, dort sitzen vor allem Gruppen von jungen Menschen -: Der Sachverhalt, den ich gleich darlegen werde, ist ziemlich schwierig. Im Wesentlichen geht es um die Frage, wie viel Geld eine Bank oder Sparkasse überhaupt haben muss, damit sie an andere Geld verleihen darf. Das ist eigentlich ein ziemlich einfacher Sachverhalt. Aber die Materie insgesamt ist schwierig. Ich bitte dafür um Verständnis. Sie müssen nicht denken, Sie wären dumm, wenn Sie gleich nicht mehr so viel verstehen. ({0}) - Ein Kollege hat gerade gesagt: Den meisten Abgeordneten geht es auch so. Das will ich nicht kommentieren.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir hoffen ganz auf Sie, Frau Staatssekretärin, dass wir hinterher vollständig informiert sind und alles verstehen. Nun aber los!

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie beschlossen. Den vorangegangenen Prozess zur grundlegenden Modernisierung der bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalvorschriften für Banken und Wertpapierfirmen, bekannt unter dem Stichwort Basel II, haben wir seit Beginn der Diskussionen vor knapp sieben Jahren auf internationaler Ebene begleitet und mitgestaltet. Auch der Deutsche Bundestag hat diesen Prozess stets begleitet. Auf dem Gebiet der Finanzmarktpolitik sieht die Bundesregierung eine zentrale Aufgabe in der neuen Legislaturperiode darin, den Inhalt von Basel II eins zu eins in Verwaltungsvorschriften zu überführen, welche für die beaufsichtigten Institute praktikabel, für die Kunden und die übrigen Marktteilnehmer akzeptabel und für den Finanzdienstleistungssektor insgesamt stabilitätsfördernd sind. Dies soll eine weiterhin reibungslose Versorgung der Wirtschaft und vor allem der mittelständischen Betriebe und Unternehmen mit Bankkrediten zu attraktiven Konditionen sicherstellen. Darüber hinaus werden die neuen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen wettbewerbsneutral für die Banken und Sparkassen und außerdem benutzerfreundlich für die Kreditinstitute und deren Kunden ausgestaltet. Lassen Sie mich die vorrangigen Ziele im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungsprojekt verdeutlichen: Das Kreditgewerbe, aber auch die Kredit nehmenden Unternehmen und Haushalte sollen von der Neufassung der bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen profitieren. Die künftig differenziertere Erfassung der Risiken aus dem Kreditgeschäft ermöglicht den Instituten eine exaktere Berechnung der bankaufsichtsrechtlich verursachten Kapitalkosten. Damit wird die Voraussetzung für eine risikogerechtere Gestaltung der Kreditkonditionen geschaffen. Nach dem neuen Regelungswerk steht sämtlichen Instituten grundsätzlich Redetext die Möglichkeit offen, die modernisierten Verfahren zur Risikoanrechnung zu nutzen. Der Anreiz zur Anwendung ausgefeilter, fortgeschrittener Verfahren besteht in der Aussicht auf Erleichterungen bei den bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen. Die Sorge vor allem kleinerer Institute, die neuen Eigenkapitalregelungen könnten unverhältnismäßig hohe Hürden für sie darstellen, wird im Bundesfinanzministerium sehr ernst genommen. Einseitige Belastungen oder überzogene Anforderungen sind nicht beabsichtigt. Die im Rahmen der Baseler und Brüsseler Verhandlungen bei der Mittelstandsfinanzierung erzielten Erfolge werden nun im deutschen Bankenaufsichtsrecht festgeschrieben. Sämtliche in der neuen EU-Richtlinie enthaltenen Wahlrechte zugunsten von Mittelstandskrediten sollen ausgeübt werden. Dies betrifft sowohl die genauere Berücksichtigung von risikomindernden Portfolioeffekten bei kleinvolumigen Krediten, den so genannten Retailportfolios, als auch die Anerkennung von Kreditsicherheiten. Ganz generell ist die Umsetzung strikt an den Mindestvorgaben aus den neu gefassten EU-Richtlinien ausgerichtet worden. Eine Überregulierung wäre unerwünscht. Allerdings müssen wir einräumen, dass allein die Mindestvorgaben aus Brüssel bereits einen beträchtlichen Umfang aufweisen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellt die Bundesregierung die Weichen für eine mittelstandsfreundliche Umsetzung von Basel II. Die internationalen Verhandlungen über Basel II sind aus deutscher Sicht erfolgreich gestaltet worden und es ist ein Mittelstandspaket zur fairen Behandlung von Mittelstandskrediten vereinbart worden. Nunmehr kommt es darauf an, diesen Erfolg endgültig zu sichern. Lassen Sie mich auf das im Rahmen der Basel-II-Verhandlungen vereinbarte so genannte Mittelstandspaket eingehen: Es beinhaltet zum Beispiel eine Senkung des Anrechnungssatzes für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen, wenn es um einen Kreditbetrag von bis zu 1 Million Euro geht. Diese Zuordnung zum so genannten bankaufsichtsrechtlichen Retailportfolio, auf das ich bereits eingegangen bin, bedeutet, dass man solche kleineren Kredite bis zu 1 Million Euro auch dann ausreichen kann, wenn man bei den Banken 25 Prozent weniger Sicherheiten bzw. Eigenkapital hat. Außerdem hat das Mittelstandspaket niedrigere Anrechnungssätze für Kredite an Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro zum Inhalt. In Bezug auf diese Unternehmen kann es Abschläge bei den Eigenkapitalanforderungen von maximal 20 Prozent geben. Darüber hinaus ist enthalten, dass es keine Risikozuschläge für langfristige Kredite an Unternehmen mit einem Jahresumsatz und einer Bilanzsumme von jeweils maximal 500 Millionen Euro gibt. Die Kreditsicherheiten, die in Deutschland üblich sind, werden stärker als bisher berücksichtigt; hier lautet das Stichwort: Pfandbriefe. Zur Umsetzung der neuen EU-Eigenkapitalregelungen in das deutsche Bankenaufsichtsrecht ist vorgesehen, neben dem vorliegenden Gesetzentwurf auch zwei Rechtsverordnungen in Kraft zu setzen, die die neuen Regelungen im Kreditwesengesetz um notwendige technische Bestimmungen ergänzen sollen: Zum einen wird eine Solvabilitätsverordnung zur Festlegung von Ausführungsbestimmungen zu den Eigenkapitalanforderungen erlassen - diese Verordnung wird den bisherigen Grundsatz I im Kreditwesengesetz ersetzen -, zum anderen werden die Großkredit- und Millionenkreditverordnung überarbeitet und ergänzt. Mit dem heutigen Beschluss des Kabinetts ist die Voraussetzung für eine gründliche Befassung des Parlaments mit dem vorgelegten Gesetzentwurf geschaffen worden. Nun besteht Gelegenheit zur vertieften Erörterung dieses wichtigen Vorhabens. Das Bundesministerium der Finanzen wird Ihnen hierfür gerne zur fachlichen Beratung zur Verfügung stehen. Herzlichen Dank.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Als erster hat sich Kollege Leo Dautzenberg, CDU/ CSU-Fraktion, gemeldet.

Leo Dautzenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003067, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Die EU-Richtlinien, um die es geht, sind vom Finanzministerium relativ schnell umgesetzt worden. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, dass auch die vorhandenen Wahlrechte genutzt werden. Schließlich war es ja auch das Verdienst der parlamentarischen Begleitung dieser Maßnahmen, dass die Mittelstandskomponenten realisiert werden konnten. Meine Frage an Sie lautet: Werden die Verordnungen, die Sie gerade genannt haben - ich meine zum einen die Solvabilitätsverordnung und zum anderen die Großkredit- und Millionenkreditverordnung -, zeitgleich zur parlamentarischen Beratung vorliegen, damit wir sie in das Beratungsverfahren einbeziehen können?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, derzeit liegen lediglich Entwürfe dieser Verordnungen vor. Es wäre zwar möglich, dass sie dem Parlament informell zur Kenntnis gegeben werden. Aber im Grunde handelt es sich hier um ein exekutives Verfahren. Um diese Verordnungen zu erlassen, ist, soweit ich weiß - allerdings bin ich mir nicht sicher; da bin ich im Moment überfragt -, die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Selbstverständlich werden wir auf informellem Wege über ihren Inhalt berichten. Aber das ist nicht Gegenstand der Abstimmungen in diesem Haus oder im Finanzausschuss. Herr Kollege, der Hinweis, den Sie eingangs gemacht haben, ist richtig: Trotz wechselnder Mehrheiten hat dieses Haus den Basel-II-Prozess immer einvernehmlich sehr positiv begleitet. Sie werden sich daran erinnern, dass wir bereits im Sommer 2000 und im Sommer 2001 einvernehmlich zwei Entschließungen gefasst haben, die sehr positive Wirkungen hatten, weil sie die Position unserer Verhandlungsführer auf internationaler Ebene gestärkt haben. Denn dieser Richtlinie der Europäischen Union sind ja Verhandlungen auf der internationalen Ebene vorausgegangen, im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht. Dort ist die Position unserer Verhandler von der Deutschen Bundesbank und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durch die Entschließungen, die der Deutsche Bundestag im Hinblick auf die Mittelstandskredite gefasst hatte, sehr gestärkt worden. Sonst hätte das von mir eben angesprochene und dargestellte so genannte Mittelstandspaket innerhalb des Richtlinienvorschlages so nicht ausgestaltet werden können.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Ich erteile das Wort zu einer Frage Kollegen Roland Claus, Linkspartei.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Kollegin, ich beziehe mich auf Ihre Koalitionsvereinbarung, in der Sie in der Rubrik „Aufbau Ost voran bringen“ angekündigt haben, Mitte 2006 neue Rahmenbedingungen für Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen sowie Existenzgründer zu schaffen. In welchem Zusammenhang stehen die heutigen Entscheidungen des Kabinetts mit dieser Ankündigung und inwiefern berücksichtigen Sie mit dem Gesetzentwurf die besondere Verantwortung der Sparkassen? Welche Nachteile entfallen für die Sparkassen und was wird sich für sie verbessern?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Claus: Das steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Was in der Koalitionsvereinbarung zur Überarbeitung von Kreditkonditionen angekündigt worden ist, bezieht sich auf Mittelstandskredite, zum Beispiel durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das ist ein anderes Thema, mit dem wir uns, wie angekündigt, bis Mitte des Jahres befasst haben wollen. Zu Ihrer zweiten Frage. Es ist nicht so, dass die Sparkassen in besonderer Weise bevorteilt oder benachteiligt würden. Entscheidend ist, dass die Frage der so genannten Intergruppenforderungen auch zugunsten der Sparkassen gelöst worden ist. Das war, auch auf der europäischen Ebene, zunächst sehr fraglich. Sie müssen wissen, dass die Banken in Deutschland in drei Säulen organisiert sind: Wir haben zum Ersten die Privatbanken, die als Konzerne strukturiert sind, zum Zweiten die Sparkassen und zum Dritten die Volksbanken, die als Genossenschaften organisiert sind. Nun sind die jeweiligen Sparkassen wie auch die Genossenschaftsbanken in ihrem Verbund zunächst jeweils selbstständig. Bei einer Konzernstruktur hingegen gibt es natürlich keine eigenständige X-Bank in Y-Stadt; vielmehr ist jede Bank dem Mutterkonzern - dessen Sitz meist Frankfurt ist - zugeordnet. Die Frage war, wie Kredite innerhalb dieser Gruppen bewertet werden müssen: ob dafür viel oder wenig Eigenkapital zugrunde gelegt werden muss. Da ist es uns gelungen, im Interesse der Sparkassen und auch der Volksbanken die so genannten Intergruppenforderungen zu minimieren. Das war uns aus dem Grund möglich, weil die Sparkassen bzw. die Volksbanken untereinander einen Haftungsverbund bilden. Wir haben dafür sorgen können, dass ein solcher Haftungsverbund von Brüssel genauso gewertet wird, als wenn die jeweiligen Banken zu einem Konzern gehörten. Dadurch ist eine mögliche Benachteiligung der Sparkassen oder Volksbanken ausgeräumt worden und die besondere Struktur des deutschen Bankenwesens hat Berücksichtigung gefunden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Nun erteile ich Kollegen Fahrenschon das Wort. Bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben darauf hingewiesen, dass es sich bei Basel II um einen internationalen Rahmen für Bankgeschäfte handelt und dass die Bundesregierung vorschlägt, die nationale Umsetzung des europäischen Rahmens schnellstmöglich voranzutreiben. In den Vereinigten Staaten hat die Debatte über Basel II dazu geführt, dass dort die Umsetzung dieses Regelwerks verschoben wurde. Vor diesem Hintergrund möchte ich wissen, wo das Bundeskabinett die Vorteile einer schnelleren Umsetzung für den Finanzmarkt Deutschland sieht. Dabei würden mich auch zwei Details interessieren: Am Anfang waren zwei Wahlrechte mit sektoralen Auswirkungen in der Diskussion. Zum einen war angedacht, die Energiehändler von den Eigenkapitalanforderungen auszunehmen, zum anderen, die Wertpapierhandelsfirmen von den speziellen Unterlegungen für operationelle Risiken auszunehmen. Inwieweit sind diese Punkte im Gesetzentwurf berücksichtigt worden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, bezüglich der nicht zeitgleichen Umsetzung in den Vereinigten Staaten ist die Bundesregierung gemeinsam mit der EU-Kommission der Auffassung - die EU-Kommission wird dies in den Gesprächen mit der amerikanischen Seite mit Nachdruck vortragen -, dass Basel II möglichst rasch auch in den USA eingeführt werden sollte. Das sehen nicht nur wir und die EU-Kommission, sondern auch unsere europäischen Partner so. Unabhängig von der Umsetzung in den Vereinigten Staaten bleibt es bei dem Zeitplan, dass nämlich die neuen Eigenkapitalregelungen für die Kreditinstitute und die Wertpapierfirmen in der Europäischen Union zum 1. Januar 2007 eingeführt werden. Es liegt im Interesse der Europäer, dass die in den USA tätigen EU-Banken die Vorteile aus den neuen EU-Eigenkapitalregelungen von Beginn an ohne Einschränkung nutzen können. Die europäischen Institute haben sich darauf eingestellt, ihre neuen Systeme weltweit einzusetzen. Auch wenn sie Niederlassungen in den Vereinigten Staaten haben, werden die europäischen Institute das also zum 1. Januar 2007 tun. Sie hatten noch nach den Energiehändlern und anderem gefragt. Moment, ich habe mir die Einzelheiten dazu notiert. Ich habe es jetzt nicht im Kopf. ({0}) Zur Ausübung von Wahlrechten. Wir üben ungefähr 100 Wahlrechte aus. Insgesamt gibt es etwa 120 Wahlrechte. Für uns sind davon 100 interessant, die wir auch ausüben. 30 davon üben wir wiederum zugunsten des Mittelstandes aus. Wir üben praktisch alle aus, die von Interesse für uns sind. Eine der wichtigsten davon ist die Ausnahme von der Überwachung des Eigenkapitals beim einzelnen Institut, was bei der Aufsicht über die Bankengruppe zu Erleichterungen beim Meldeaufwand führt. Außerdem haben wir - danach haben Sie gerade gefragt - die Ausnahme für die Energiehändler in Anspruch genommen. Daneben nehmen wir auch die Ausnahme für die Wertpapierhandelsfirmen im Hinblick auf die Eigenkapitalunterlegung von operationellen Risiken in Anspruch. Die beiden Fragen, die Sie gerade gestellt haben, kann ich deswegen mit Ja beantworten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Jochen-Konrad Fromme, bitte.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Kreditversorgung ist für die Mittelstandsbetriebe ja ein besonderes Problem. Die Diskussion über Basel II hat zunächst einmal zu einer großen Verunsicherung geführt, weil viele Kredite mit Bezugnahme auf Basel II im Vorfeld versagt worden sind. Damit es jeder versteht: Können Sie noch einmal ganz einfach darstellen, wie zum Beispiel ein Kredit von bis zu 1 Million Euro - einen Kredit in einer solchen Höhe brauchen Handwerksbetriebe ja häufig - behandelt wird und was Sie tun werden, um jetzt in der Öffentlichkeit Aufklärungsarbeit zu betreiben, damit durch dieses komplizierte Gebilde keine Verunsicherung geschaffen, sondern die notwendige Sicherheit wiedergegeben wird?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar für die Frage und ich will gerne noch einmal versuchen, das mit einfachen Worten auszudrücken. Gehen wir von einem Kredit in der Größenordnung von bis zu 1 Million Euro je Kreditinstitut aus. Jemand, der genügend Bonität hat, könnte sich also bei dem einen Kreditinstitut 1 Million Euro leihen und bei einem anderen eine weitere Million Euro aufnehmen. Wenn er die Bonität nachweist, werden ihm die beiden Banken das wohl leihen. Man hat ja häufig eine Kreditstreuung über mehrere Institute. Dieser Kredit in der Größenordnung von bis zu 1 Million Euro fällt unter die so genannten Privatkredite oder auch unter das Retailportfolio. Im Zusammenhang mit dem Finanzmarkt werden ja immer englische Begriffe verwendet. - Für diese Kredite von nicht so umfangreicher Größe - also bis zu 1 Million Euro - wird es zukünftig sogar weniger Anforderungen an die Höhe des Eigenkapitals der kreditgebenden Banken geben, und zwar wird die Erleichterung etwa ein Viertel betragen. Wenn die Bank also nach noch geltendem Recht einen Kredit in der Größenordnung von 1 Million Euro vergibt, dann muss sie mehr Eigenkapital dafür haben, als sie zukünftig dafür haben muss. Das heißt, das, was zukünftig bankaufsichtsrechtlich dabei zu tun ist, führt bei den Banken zu einer Erleichterung bei der Kreditvergabe. Es geht jetzt nur um bankaufsichtsrechtliche Fragen. In Bezug darauf wird es zu einer Erleichterung kommen. Unabhängig davon muss die Bonität des einzelnen Kreditnehmers durch die Bank natürlich geprüft werden. Das ist nicht anders, als es bisher schon war. Es ist nicht so, dass man einen Anspruch auf eine Kreditvergabe hätte; vielmehr handelt es sich um ein zweiseitiges Geschäft zwischen einem, der einen Kredit haben möchte, und einem, der einen Kredit vergibt oder aber auch nicht. Niemand hat einen Anspruch auf einen Kredit; vielmehr muss eine ausreichende Bonität vorhanden sein. Das hat sich durch die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften nicht geändert. Aber vonseiten der Banken wird die Kreditvergabe in der Größenordnung von bis zu 1 Million Euro zunächst erleichtert. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das heißt im Grunde genommen: Weil die Bank weniger Eigenkapital hinterlegen muss, kann sie - eine ausreichende Bonität vorausgesetzt - den Kredit wirtschaftlicher und damit preiswerter vergeben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Richtig. Sie kann im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital mehr Kredite vergeben, als sie das bisher tun konnte, wenn die Kredite sich in dem Volumen von bis zu 1 Million Euro bewegen. Bei sehr vielen kleineren Instituten mit lokaler Bedeutung macht dies fast das ganze Geschäft aus. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Gerhard Schick von den Grünen.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Frau Staatssekretärin, meine Fragen gehen in Richtung der Diskussion, die ganz am Anfang stand, nämlich in Richtung der Systemrisiken. Meine erste Frage ist: Kann man jetzt davon ausgehen, dass durch diese Regelungen, die wir in Deutschland übernehmen, das Risiko, das wir im Zusammenhang mit der Asienkrise diskutiert haben, zurückgeht? Meine zweite Frage bezieht sich auf die prozyklische Wirkung, die die Eigenkapitalunterlegung haben kann. Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland gemerkt, wie gefährlich es ist, wenn sich die Versorgung gerade des Mittelstandes mit Krediten in der Phase eines konjunkturellen Abschwungs verschlechtert. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund einer Eigenkapitalunterlegung nach Risikokomponenten dann, wenn im Abschwung das Risiko zunimmt, eine prozyklische Wirkung auftritt. Mich interessiert, ob im Kabinett diskutiert worden ist, wie man damit umgeht und, da man in Deutschland nicht mehr das gesamte System umgestalten kann - das ist klar -, welche entsprechenden Vorkehrungen man treffen kann, um eine mögliche prozyklische Wirkung zu kompensieren.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Schick. Sie haben Recht, Ausgangspunkt der ganzen Überlegungen zu Basel II waren die Finanzkrisen insbesondere in Asien. Davor gab es aber auch schon eine Krise in Mittel- und Südamerika. Es ging um die Begrenzung der so genannten systemischen Risiken. Vereinfacht ausgedrückt: In einigen Regionen in der Welt wurden Kredite zu leichtfertig vergeben. Anschließend drohte ein Crash, der nur durch die Weltbank gemeinsam mit anderen Institutionen aufgefangen werden konnte. Dies sollte für die Zukunft möglichst vermieden werden. Das war der Ausgangspunkt der gesamten Überlegungen. Es ist gut, dass Sie daran noch einmal erinnern. Soweit man das beurteilen kann, helfen die Basel-IIRegelungen, ein solches Szenario zu vermeiden. Seither haben wir solche Krisen nicht mehr erlebt. In der Tat sind die Banken vorsichtiger geworden. Soweit wir das einschätzen können, wirken diese Vereinbarungen, die durch Basel II getroffen worden sind und über eine EURichtlinie deutsches Recht werden, den systemischen Risiken entgegen, weil die Risikogewichtung in den Vordergrund tritt. Kredite werden nicht mehr schematisch vergeben; vielmehr werden je nach Risiko unterschiedlich teure Kredite - vereinfacht ausgedrückt - vergeben. Die Zinslast wird also höher, wenn das Risiko steigt, oder aber es wird gar kein Kredit vergeben. Das ist nicht neu, das hat es auch früher schon gegeben. Nach unserer Kenntnis kann man sagen: Die Basel-II-Regelungen wirken diesen systemischen Risiken entgegen. So ist es angelegt. Mit den prozyklischen Effekten hat sich das Bundeskabinett in seiner Beratung im Einzelnen nicht befasst. Aber das Kreditgeschäft reagiert auf Konjunkturschwankungen grundsätzlich empfindlich; das ist nicht zu vermeiden. Prozyklische Effekte durch Basel II sind selbstverständlich nicht beabsichtigt und sollten möglichst vermieden werden. Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Kreditgeschäft auf Konjunkturschwankungen empfindlich reagiert und infolgedessen eine Tendenz aufweist, sich prozyklisch zu verhalten. Das wird aber durch Basel II nicht verstärkt. Die Institute sind angehalten, durch eine vorausschauende Steuerung der Kreditvergabe einem bloßen zyklischen Kreditvergabeverhalten entgegenzuwirken. Das ist die Aufgabe der Institute selbst. Der gesamte Basel-II-Prozess hat auch dazu geführt, dass in den Bankengruppen in Deutschland eine vertiefte Kenntnis über die Risikoadäquanz erworben wurde, weil sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Banken schon seit Jahren - intensiver als früher - mit diesem Thema befassen. Insofern ist die intellektuelle Kapazität der handelnden Personen in den letzten Jahren erweitert worden, sodass man in dieser Hinsicht guten Mutes sein kann. Gleichwohl lassen sich Risiken nie ganz ausschließen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ihre Nachfrage, bitte.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es bei dem Systemrisiko um die Risikoposition im Gesamtsystem aufgrund der Interaktion zwischen den verschiedenen Kreditinstituten, Währungsräumen etc. Die Basel-II-Regelungen beziehen sich aber auf die Kreditvergabe an ein einzelnes Unternehmen und reduzieren das Insolvenzrisiko des einzelnen Kreditinstituts, können aber - so habe ich es der wissenschaftlichen Diskussion entnommen - das Systemrisiko gerade dadurch noch erhöhen. Ich habe Ihre Antwort so verstanden, dass Sie auf das Risiko der Insolvenz des einzelnen Instituts eingegangen sind.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege. Das ist zwar einerseits der Fall, aber auf der anderen Seite ist bei der jeweiligen Kreditvergabe die Risikobehaftetheit des geforderten Kredites genauer zu betrachten, sodass es, vereinfacht ausgedrückt, nicht mehr so einfach ist, schlechtem Geld immer weiter gutes Geld hinterherzuwerfen, wie es manchmal der Fall ist. Das sind natürlich Fehlentscheidungen. In einigen Fällen empfiehlt es sich, einen Kreditnehmer mit einem weiteren Kredit zu stärken, wenn zu erwarten ist, dass er damit bestehende Turbulenzen überwinden kann. In manchen Fällen wird aber lediglich schlechtem Geld gutes Geld hinterhergeworfen. Das liegt zwar in der Verantwortung der einzelnen Institute - das lässt sich nicht leugnen -, aber wenn die Risikoadäquanz im Einzelnen stärkere Berücksichtigung findet, dann wird auch das systemische Risiko insgesamt vermindert.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Nun hat Kollege Axel Troost, Fraktion Die Linke, Gelegenheit zu einer Frage.

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, Sie hatten noch einmal den eigentlichen Anlass der Basel-II-Regelungen dargestellt. Ich meine aber, dass Sie die Auswirkungen auf die Mittelstandsfinanzierung ein bisschen bagatellisieren. Tatsächlich hatte man noch nie Anspruch auf einen Kredit. Aber jetzt habe ich den Eindruck, dass Unternehmen, die keinen Kredit brauchen, einen bekommen, während diejenigen, die einen brauchen, keinen bekommen. Durch die Rankingverfahren und vieles andere mehr ist die Situation entstanden, dass nicht mehr allein der individuelle Tatbestand zugrunde gelegt wird. Ich bin im Rahmen der Betriebsräteberatung relativ viel herumgekommen und habe mit einem absolut gesunden Unternehmen - das ergibt sich aus der Bilanzanalyse des vergangenen Jahres - zu tun, dessen völlig verängstigte Geschäftsführung mir jetzt dargelegt hat, dass ihr die Werte aus der Vergangenheit in diesem Jahr wenig nutzen; das Kreditinstitut gibt ihm kein Geld mehr. Ich habe in der Textilbranche zu tun. In diesem Bereich werden eben keine Kredite mehr vergeben bzw. nur in Verbindung mit enormen Auflagen. Insofern stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, zu untersuchen, welche Konsequenzen sich aus den Basel-II-Regelungen für die Finanzierung des Mittelstands ergeben haben und ob andere Wege gefunden werden müssen, um die Kreditversorgung des Mittelstandes sicherzustellen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Troost, durch die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften der Basel-II-Regelungen ergibt sich keine schwierigere Situation für den deutschen Mittelstand. Im Gegenteil wird es - wie ich eben bereits ausgeführt habe - bei Krediten bis zu 1 Million Euro für die Institute sogar prinzipiell leichter, Kredite zu vergeben, weil sie selber diese Kredite mit weniger Eigenkapital unterlegen müssen. Insofern bedeutet unser Vorhaben eine Verbesserung bei der Vergabe von Krediten in einer Größenordnung von bis zu 1 Million Euro. Das sind fast 90 Prozent aller bundesweit vergebenen gewerblichen Kredite. Gleichwohl will ich nicht von der Hand weisen, dass es bei manchen Instituten - das ist manchmal fälschlich mit Basel II begründet worden - Vorsichtsprinzipien gibt, die im Einzelfall übertrieben sein mögen. Das hat sich allerdings schon wieder geändert. Im Moment gibt es keine Kreditrestriktionen, sondern eine verhältnismäßig geringe Kreditnachfrage. Tatsächlich sind die Verhältnisse nun wieder anders als vor einem Jahr. In diesem von Ihnen angesprochenen Fall, wenn also die Bilanz hervorragend ist, sollte der Betreffende natürlich einen Kredit bekommen, wenn nicht bei der einen, dann bei einer anderen Bank; das ist gar keine Frage. Andererseits müsste man den einen oder anderen deutschen Mittelständler auffordern - damit will ich jetzt nicht den Stab über alle brechen -, die Offenlegung gegenüber seiner Bank zu verbessern. Ich selber komme aus dem ländlichen Raum. Wenn dort ein Schreinermeister zu seiner Sparkasse geht und sagt: „Was willst du alles von mir wissen? Du hast doch schon meinem Vater Kredite gegeben“, dann reicht das heutzutage einfach nicht mehr aus. Er wird wohl die Fragen, die ihm seine Bank stellt, beantworten müssen, auch wenn ihm das lästig ist. Daran muss sich der eine oder andere - insbesondere kleinere - deutsche Mittelständler noch gewöhnen. In der Tat ändert sich die Kultur der Kreditvergabe, aber nicht wegen Basel II, sondern zeitgleich mit Basel II.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön, Frau Staatssekretärin. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Zuerst Kollegin Cornelia Hirsch und dann Kollegin Petra Pau.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte mich erkundigen, was heute zur geplanten Föderalismusreform beraten wurde.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wer von den anwesenden Staatssekretären möchte antworten? - Der Vertreter des Bundeskanzleramtes, Herr Staatsminister Neumann, wird antworten.

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Im Bundeskabinett wurde dieses Thema heute kurz angesprochen. Wir haben uns über den Stand der Gespräche informieren lassen. Es ist für morgen erneut eine Runde vorgesehen, die versuchen wird, die Dinge, die zwischen Bund und Ländern strittig sind, auszuräumen. Ich gehe davon aus, dass das gelingt. Das Ziel der Bundesregierung ist, zu demselben Ergebnis wie in den von der großen Koalition verabschiedeten Texten zu kommen. Von unserer Seite ist also nicht vorgesehen, Änderungen herbeizuführen. Das deckt sich auch mit der Meinung der beiden Koalitionsfraktionen. Ziel ist, auf der Grundlage der Ergebnisse der damals vorzeitig beendeten Föderalismuskommission einen gemeinsamen Entwurf vorzulegen und dann einen gemeinsamen Beschluss zu fassen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Pau, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da in die Zeit der heutigen Kabinettssitzung die Verkündung des lang erwarteten Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz fiel, interesPetra Pau siert mich eine erste Stellungnahme der Bundesregierung dazu bzw. die Antwort auf die Frage, auf welches weitere Vorgehen Sie sich verständigt haben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wer kann darauf antworten? - Bitte, Herr Staatsminister Neumann.

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Frau Kollegin, wir haben diese Nachricht über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Laufe der Kabinettssitzung erhalten. Wir haben das kurz besprochen und sind zu folgender Feststellung gelangt: Die Bundesregierung respektiert die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz. Ziel der Bundesregierung bleibt jedoch, im Rahmen der Verfassung alles Menschenmögliche zu tun, um das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen Anschlägen, auch vor solchen aus der Luft, zu schützen. Wir werden prüfen, wie der Schutzzweck des Luftsicherheitsgesetzes in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verwirklicht werden kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Golze, Sie haben sich zu einer Frage gemeldet.

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe eine Frage zur Föderalismusreform: Inwieweit wurde bei der heutigen kurzen Ansprache dieses Themas auf die von der SPD geäußerten Bedenken beim Thema Bildungspolitik eingegangen?

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Staatsminister.

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Ich wiederhole das, was ich gesagt habe. Wir haben nicht im Einzelnen Bedenken und Anregungen, die hier und dort aus den unterschiedlichsten Richtungen vorgetragen worden sind, erörtert, sondern wir haben einmütig vereinbart, was die Bundesregierung angeht, alles dazu beizutragen, dass die inzwischen vorliegenden Texte in diesem Sinne eingebracht und verabschiedet werden. Somit haben Einzelheiten zu dem von Ihnen erfragten Punkt keine Rolle gespielt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Beck, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wollte etwas zu dem von Frau Pau angesprochenen Komplex nachfragen: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass dieses Urteil eine klare Absage an einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist, und teilt sie auch die Auffassung, dass es nicht notwendig ist, in diesem Zusammenhang grundsätzliche Korrekturen an der Verfassung anzubringen, sondern dass es allenfalls darum gehen kann, für schwere Unglücksfälle in der Luft einen entsprechenden Kompetenztitel für den Bund zu schaffen, oder gehen die Überlegungen der Bundesregierung über diese Frage hinaus?

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hatte nicht die Zeit, diese Fragen im Einzelnen zu erörtern. Deswegen wiederhole ich das, was ich als letzten Satz bezogen auf die Erklärung gesagt habe. Wir wollen das Urteil in Ruhe prüfen und in Ruhe bewerten. Ich finde, das Verfahren ist angemessen. Wenn einem durch die Presse bzw. durch Anruf ein solcher Beschluss zukommt, ({0}) dann muss man sich erst einmal die Texte ansehen und die Ausführungen im Einzelnen lesen. Das haben wir uns vorgenommen. Deswegen haben wir über den Text, den ich Ihnen vorgetragen habe, hinaus keine weiteren Bewertungen vorgenommen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber Sie können doch politisch die Frage beantworten, ob die Bundesregierung in diesem Zusammenhang jenseits der Frage eines Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Luftsicherheit die Absicht hegt, die Verfassung in diesem Punkt zu ändern oder nicht. Dazu muss man das Urteil nicht kennen; dazu muss man eine politische Auffassung haben.

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Ich muss hier für die Bundesregierung sprechen. Die Bundesregierung hält daran fest, dass sie sich, bevor sie weitere Entscheidungen trifft bzw. weitere Schritte vorsieht, vorbehält, erst die Konsequenzen dieses Urteils im Einzelnen zu prüfen und zu bewerten. Deswegen, aber auch weil das nicht erörtert worden ist, bin ich nicht bereit, darüber hinaus weitere Mitteilungen zu machen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herzlichen Dank. Ich beende damit die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 16/611 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die erste Frage wird schriftlich beantwortet. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Vizepräsident Wolfgang Thierse Wir kommen zur zweiten Frage, der Frage der Kollegin Kerstin Andreae. Da sie nicht anwesend ist, wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zur Frage 3 des Abgeordneten HansKurt Hill: Welche Auswirkungen auf den Wettbewerb im deutschen Gasmarkt erwartet die Bundesregierung von der Tatsache, dass der russische Energiekonzern Gasprom, der bereits eine dominierende Marktstellung bei der Förderung, der Verteilung und dem Handel von Erdgas innehat, in Deutschland in das Endkundengeschäft einsteigt und dazu Anteile an Stadtwerken erwerben will ({0})? Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Wöhrl zur Verfügung. Bitte schön.

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Herr Kollege Hill, Vorhaben von Zusammenschlüssen, auch wenn ausländische Unternehmen beteiligt sind, sind eine Angelegenheit des Bundeskartellamts, das diese im Rahmen der Fusionskontrolle bewertet. Es gibt in Deutschland keine Möglichkeit, ausländische Kapitalbeteiligungen zu verhindern, weil wir die Freiheit des Kapitalverkehrs haben. Die Bundesregierung steht grundsätzlich Beteiligungen und Investitionen von ausländischen Unternehmen positiv gegenüber.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Sie haben die Gelegenheit zur Nachfrage, Kollege Hill.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Frau Staatssekretärin, ich möchte nachhaken. Die deutsche Tochter der Gasprom, die ZGG GmbH, ist bereits mit 35 Prozent an der Wingas GmbH und mit 50 Prozent an der Wintershall Erdgas Handelshaus GmbH beteiligt. 40 Prozent der Gasversorgung kommen aus Russland. Gasprom agiert außerhalb der Wettbewerbsregeln. Ich erinnere nur an die Probleme der Ukraine. Wie will die Bundesregierung im Interesse der Verbraucher konkret dem entgegenwirken, dass es auf dem deutschen Markt durch die Vorgaben von Gasprom zu einer verstärkten Abhängigkeit von den russischen Gaslieferungen kommt?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Hinsichtlich unserer Abhängigkeit von Russland gilt: Momentan beziehen wir 36 Prozent unseres Gases aus Russland. Was Sie dazu gesagt haben, stimmt also. Man kann aber nicht sagen, dass die deutsche Tochter von Gasprom gegen Wettbewerbsrecht verstößt; sonst wäre das Bundeskartellamt schon tätig geworden. Sie wissen ganz genau, dass wir durch das neue Netzzugangsmodell mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt schaffen wollen. Das heißt, der Verbraucher soll den Gasproduzenten künftig leichter wechseln können, um so zu günstigeren Preisen zu kommen.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich nehme das gerne zur Kenntnis. Trotzdem möchte ich noch einmal nachhaken. Die Marktsituation ist durch eine Verflechtung der großen Gasversorger in Bezug auf die Netze gekennzeichnet. Ich wage zu bezweifeln, dass dies zum Vorteil der Verbraucher sein wird. Ich glaube nicht, dass das Kartellamt ausreichend Kontrolle ausüben kann, um die Gaslieferanten davor zu schützen, einem neuen Monopol ausgesetzt zu sein. Auch Sie sagen, dass man dieses neue Monopol mit den jetzigen Möglichkeiten kaum stoppen kann. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Herr Hill, Sie sind der Erste, von dem ich höre, dass er behauptet, in diesem Bereich entstehe in Deutschland ein neues Monopol. Das widerspricht Ihrer Forderung, zu kostengünstigen Energiepreisen zu kommen. Wir wollen mehr Wettbewerb, gerade beim Netzzugang. Wir haben das Energiewirtschaftsgesetz auf den Weg gebracht. Sie sagen einerseits: Wir wollen mehr Wettbewerb; wir wollen, dass der Verbraucher seinen Gasproduzenten künftig frei wählen kann. Auf der anderen Seite sagen Sie: Den einen wollen wir nicht und den anderen wollen wir auch nicht. So geht das nicht.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Hans-Kurt Hill: Welche konkreten Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu treffen, um die aktuellen nachfrage- und witterungsbedingten Engpässe bei der Versorgung mit Erdgas in Deutschland zukünftig zu vermeiden?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Herr Kollege Hill, wir haben das Energiewirtschaftsgesetz auf den Weg gebracht. Der Versorgungsauftrag betrifft in erster Linie die Gasversorgungsunternehmen. Ich glaube hier sagen zu können, dass sie der Versorgungsverpflichtung bis jetzt in vollem Umfang gerecht geworden sind. Es gab nachfrage- und witterungsbedingte Engpässe. Das wissen wir. Aber die Lage war beherrschbar. Der Speichereinsatz ist sehr hoch. Wir haben in Deutschland allein 40 Gasspeicheranlagen mit 100 Milliarden Kubikmetern, in denen ein Fünftel des jährlichen Bedarfs gespeichert werden kann. Außerdem gibt es eine Diversifikation des Gasbezugs: Bestimmte Kunden haben Gasminderlieferungen vertraglich vereinbart. Es gibt verschiedene Verträge mit Kunden, die die Möglichkeit vorsehen, statt Erdgas andere Energieträger einzusetzen. Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen können die Lieferungen reduziert werden. Die entsprechenden Verträge beinhalten also Alternativen, weswegen Gas zu günstigeren Konditionen geliefert wird.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Das klingt sehr beruhigend. Trotzdem möchte ich eine Nachfrage stellen: Ist der Bundesregierung bekannt, dass einzelne Energieversorgungsunternehmen planen, die Kapazität der Gasspeichersysteme auszubauen? Hält die Bundesregierung das momentane Reservevolumen für ausreichend?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Mir liegen momentan keine Angaben dazu vor. Aber ich kann Sie darüber schriftlich unterrichten. ({0}) - Bitte.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Frage 5 wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Scharfenberg auf: Betrachtet die Bundesregierung den Erhalt von wohnortnahen Arbeitsplätzen, von dem insbesondere in Teilzeit arbeitende Frauen profitieren, wie zum Beispiel bei der Telekom, als Chance für strukturschwache Regionen und was wird die Bundesregierung als größter Anteilseigner der Telekom tun, um Schließungen von Callcenterstandorten der Telekom, zum Beispiel in Oberfranken, zu verhindern und damit die drohende Arbeitslosigkeit von Frauen abzuwenden, die auf wohnortnahe Arbeitsplätze angewiesen sind?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Frau Scharfenberg, zu Ihrer Frage ist zu sagen, dass es die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gibt - Sie kennen sie auch -, die besonders in strukturschwachen Gebieten zum Tragen kommt. Die GA-Förderung ist zwar nicht geschlechtsspezifisch ausgerichtet, aber nichtsdestoweniger können in Ländern, die strukturschwache Regionen haben, Investitionen gefördert werden, die gezielt Arbeitsplätze für Frauen schaffen, und dafür die Höchstförderbeträge gewährt werden. Dann fördert die GA auch Investitionen zur Schaffung von Telearbeitsplätzen, wenn das mit Erziehungsbzw. Pflegeaufgaben in der Familie zusammenhängt. Teilzeitarbeitsplätze werden bei der GA-Investitionsförderung anteilig berücksichtigt. Darüber hinaus kann auch die Neuerrichtung von Callcentern, deren Arbeitsplätze überwiegend mit Frauen besetzt werden, mit GAZuschüssen gefördert werden. Nun noch zu Ihrer speziellen Frage zu den Callcentern der Telekom. Sie wissen, dass die Telekom eine börsennotierte Aktiengesellschaft ist. Eine Einwirkung der Bundesregierung ist nach dem Aktiengesetz nicht zulässig; denn nach dem Aktiengesetz werden die Geschäfte vom Vorstand des Unternehmens in alleiniger Verantwortung geführt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Scharfenberg, bitte.

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe dazu noch eine Nachfrage. Wie ich aus Ihren Ausführungen heraushören kann, betrachten Sie es schon als Chance für strukturschwache Gebiete, dass solche Teilzeitarbeitsplätze, egal ob für Männer oder Frauen, gefördert werden. Wenn die Bundesregierung das als Chance sieht, dann würde mich interessieren, wie die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Telekom abgestimmt haben, als es um den angekündigten Stellenabbau bzw. um die Verlagerung der Callcenter aus strukturschwachen Gebieten in Ballungsgebiete ging.

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Dazu kann ich Ihnen keine Angaben machen; ich habe keine Kenntnis von dem Abstimmungsverhalten. Ich habe aber schon darauf hingewiesen, dass aufgrund des Aktiengesetzes keine Einflussnahme möglich ist. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Der Parlamentarische Staatssekretär Peter Paziorek beantwortet die Fragen hierzu. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Goldmann von der FDP-Fraktion auf: Durch welche Regelungen will die Bundesregierung das Bedürfnis nach unabhängigen und verlässlichen Informationen der Verbraucherinnen und Verbraucher in einem Verbraucherinformationsgesetz - wie unter anderem im Zehnpunkteprogramm vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, angekündigt - befriedigen?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Kollege Goldmann, um die Informationsmöglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher nachhaltig und wirksam zu stärken, wird sich die Bundesregierung für die Schaffung einer effektiven und praktikablen gesetzlichen Regelung zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation einsetzen. Neben einer Erleichterung der Befugnis der Behörden zur Information der Öffentlichkeit soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein auf die Produkte des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie des Weingesetzes bezogenes Zugangsrecht zu Informationen eröffnet werden, die bei Behörden vorhanden sind. Dies, Herr Goldmann, sollte heute Nachmittag im Bund-Länder-Gespräch detailliert erörtert werden. Wieweit dies aber aufgrund der aktuellen Entwicklung im Zusammenhang mit der Vogelgrippe tatsächlich der Fall sein wird, kann von mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Goldmann, bitte.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, zunächst einmal möchte ich Verständnis für den Teil Ihrer Antwort zum Ausdruck bringen. Wir haben uns heute Vormittag im Ausschuss ausgiebig mit dem Fall der Vogelgrippe beschäftigt. Nur, in Ihrem Hause gibt es konzeptionelle Überlegungen. Die wollten Sie heute Nachmittag der Verbraucherschutzministerkonferenz vorstellen. Ich hatte nun gefragt, durch welche Regelungen Sie den Konflikt, der hier angesprochen worden ist, befrieden oder die Chance, die nach Ihrer Auffassung in dem Zehnpunkteprogramm liegt, nutzen wollen. Vielleicht können Sie an der einen oder anderen Stelle doch noch etwas konkreter werden; das, denke ich, darf ich als Parlamentarier von einer leistungsfähigen Regierung erwarten.

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Goldmann, ich habe Verständnis dafür, dass Sie sehr hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Regierung stellen. Das ist auch grundsätzlich richtig so. Man muss nur sehen, dass wir im Augenblick dabei sind, die praktischen Fragen mit den zuständigen Ländern zu erörtern. Bei den Fragen, ob ein eigenständiges Verbraucherinformationsgesetz aufgelegt und was im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch geregelt werden soll, kommen wir, wie Sie wissen, in den Bereich der Zuständigkeit der Länder. Deren Antworten müssen also in der Tat abgewartet werden. Deshalb kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nur sagen, dass wir die gesamte Palette der Möglichkeiten erst einmal noch mit den Ländern erörtern müssen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Goldmann, noch einmal.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Herr Präsident. - Ich ahne jetzt schon, wie Sie, Herr Staatssekretär, die weiteren Antworten ausgestalten werden. Wir haben ja, wie Sie sicherlich zur Kenntnis genommen haben, einen ganzen Fragenkomplex an Sie gerichtet, weil wir uns für diesen Sachverhalt ganz besonders interessieren. Und erst gestern Abend, als wir, Herr Staatssekretär, gemeinsam beim Abendessen waren, ist der Fall von Vogelgrippe aufgetreten. ({0}) - Ich rede von dem Fall auf Rügen, nicht von unserem Abendessen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Da sind wir beruhigt.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie die Antworten auf die sechs Fragen, die wir gestellt haben, erst heute Morgen entwickelt haben. Lassen Sie mich deshalb zum Ausdruck bringen, dass ich ein wenig über Ihre Antworten verwundert bin. Wir haben darüber hinaus nämlich auch Informationen, dass Sie konzeptionelle Vorstellungen bezüglich der Gesetzesformulierungen schon an andere Institutionen herausgegeben haben. Vor diesem Hintergrund halte ich es nicht für korrekt, dass Sie mich als Parlamentarier - jedenfalls empfinde ich es so - jetzt so auflaufen lassen. ({0}) Ich versuche es aber trotzdem noch einmal: Ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, dass ein Verbraucherinformationsgesetz präventiv gegen Kriminalität wirkt? Vielleicht kann ich an dieser Stelle gleich den Streit zwischen der Staatsanwaltschaft und den Ministerien in Bayern einbinden, den es im Zusammenhang mit dem dortigen Wildfleischskandal gibt. Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass schon nach der jetzigen Regelung die Staatsanwaltschaft die Ministerien darüber informieren muss, dass Schaden für Menschen entstehen kann, und dass es deshalb eigentlich gar keiner Neuregelung in Form eines Verbraucherinformationsgesetzes mehr bedarf?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Goldmann, zunächst einmal muss ich an dieser Stelle klar und deutlich sagen, dass wir zurzeit in unserem Hause einen ersten Referentenentwurf erstellen. Eine Kabinettsabstimmung hat also noch gar nicht stattgefunden. Wir sind vielmehr dabei, die nach den verschiedenen Verfahrensbestimmungen notwendigen Anhörungen und Gespräche zu führen. Wir sind dabei, mit den Ländern Detailfragen abzustimmen; auch Sie rekurrieren ja mit Ihrem Hinweis auf Bayern auf die bestehende Gesetzeslage. Auch ich bin ja lange Zeit Oppositionspolitiker gewesen und weiß, dass man als Parlamentarier in einer solchen Situation gerne wissen möchte, wie der Sachstand zu einem bestimmten Zeitpunkt im Ministerium ist. Ich muss an dieser Stelle aber klar und deutlich sagen, dass wir uns in Abstimmungsgesprächen mit den zuständigen Stellen befinden, und bitte um Verständnis, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt eine Position des Hauses aufgrund der Gesprächslage nicht vortragen kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit sind wir bei der Frage 8, ebenfalls vom Kollegen Goldmann: Wie will die Bundesregierung zugleich den durch unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung garantierten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen sicherstellen? ({0})

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Ich gebe wenigstens eine Antwort in einem Satz, Herr Goldmann. - Mit der von mir in der Antwort zur vorigen Frage genannten gesetzlichen Regelung soll nach unseParl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorek ren Vorstellungen ein umfassender Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen gewährleistet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse - das ist eine Grundsatzposition unseres Hauses - sollen nicht offenbart werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nachfragen dazu?

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, selbstverständlich, Herr Präsident.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine Nachfrage zu dem Verbraucherinformationsgesetz, das die Bundesregierung auf den Weg bringen will. Wie wollen Sie, Herr Staatssekretär, denn dieses Verbraucherinformationsgesetz - vielleicht gibt es dazu ja schon Vorstellungen - in bestehende gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel die Informationsfreiheitsgesetze, die es auf Bundes- und Länderebene gibt, integrieren oder wollen Sie auch das erst mit den Ländervertretern besprechen?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Hier geht es in der Tat um die äußerst spannende Frage, ob im IFG abschließende Regelungen für diesen Fall vorgesehen sind oder ob die Rechtsmeinung zutrifft, dass tatsächlich noch Formulierungen zum Schutze von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eingefügt werden müssen, die über die jetzige Rechtslage hinausgehen. Diese Rechtsfrage wird im Augenblick geprüft. Aus diesem Grunde kann ich Ihnen nicht mehr als den Hinweis auf diesen Rechtsstreit mitteilen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Noch einmal.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie mir vielleicht andeutungsweise darlegen, welche Absichten Sie verfolgen - ich nehme an, dass Sie präventiv gegen Fleischskandale wirken wollen - und was bisher konzeptionell im Hause angedacht ist, um konsequenter gegen Fleischskandale vorzugehen?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Goldmann, ich habe großen Respekt vor der Art und Weise, in der Sie immer wieder versuchen, zu einem internen Beratungsstand Informationen zu bekommen. Ich kann an dieser Stelle nur auf den augenblicklichen Sachstand hinweisen. Ich habe schon angedeutet - das möchte ich noch einmal positiv erwähnen -, dass wir das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis - Ihnen ist es ein besonderes Anliegen; so haben Sie sich, Herr Goldmann, in der letzten Legislaturperiode auch bezüglich des Vermittlungsausschusses immer eingelassen - als ein wichtiges Kriterium sehen. Ich muss aber ganz klar und deutlich sagen: Bei Rechtsverstößen ist es natürlich eine spannende Frage, wie in diesem Fall der Informationsanspruch gestaltet werden kann. Wir sind im Augenblick dabei, diesen Sachverhalt im Zusammenhang mit der Erstellung des Gesetzentwurfes zu prüfen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollegin Höfken.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch ich bin brennend daran interessiert, Näheres dazu zu erfahren. Herr Staatssekretär, ist der Tatbestand der wirtschaftlichen Täuschung auch im Verbraucherinformationsgesetz erfasst und gibt es in diesem Bereich ein aktives und passives Informationsrecht bzw. eine aktive und passive Informationspflicht?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

In der Tat wird im Augenblick bei uns geprüft, ob bei der anstehenden Novellierung von Gesetzen zum Lebensmittelrecht und eventuell bei einem eigenständigen Entwurf zum Verbraucherinformationsgesetz die Fragen der aktiven und der passiven Rolle ausgewogen gestaltet werden müssen. Beim aktiven Recht geht es ja um die Fragen: Was kann die Behörde selbst im Rahmen eines bestimmten Falles tun? Wie kann sie informieren? Das passive Recht beinhaltet die Frage: Welche Fragen können die Bürger im Laufe eines Verfahrens den zuständigen Behörden stellen und welche Antworten müssen dann von den Behörden gegeben werden? Das alles ist eng miteinander verwoben. Wir werden das in dem Gesetzentwurf, den wir im Augenblick vorbereiten, miteinander abstimmen und harmonisiert in einem Artikelgesetz, das dann zum Beispiel Regelungen zu einem bestimmten Gesetz beim Lebensmittelrecht und zum Verbraucherinformationsgesetz enthält, zusammenfassen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Jetzt kommen wir zu den Fragen des Kollegen Geisen, zunächst zur Frage 9: Plant die Bundesregierung, in dem vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, vorgeschlagenen Verbraucherinformationsgesetz einen unmittelbaren Auskunftsanspruch von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen Unternehmen zu verankern, und, falls ja, aus welchen Gründen?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Kollege Geisen, Herr Bundesminister Seehofer hatte die Absicht, am heutigen Tag in einem Gespräch mit den Wirtschaftsverbänden und einzelnen Unternehmen die Möglichkeit der Einbeziehung der Wirtschaft in eine verbesserte Verbraucherinformation zu erörtern, um eventuell Vorschläge aus der Praxis bei dem jetzt anstehenden Erarbeitungsverfahren zu diesem Gesetzeswerk einzubeziehen. Leider musste das Gespräch aufgrund der aktuellen Entwicklung im Zusammenhang mit der Vogelgrippe kurzfristig abgesetzt werden. Es besteht aber die Absicht aller Beteiligten, dieses Gespräch baldmöglichst nachzuholen, weil diese Fragen für die Ausgestaltung eines Regierungsentwurfs von großer Bedeutung sind.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nachfrage.

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wenn ich eine Nachfrage stellen darf: Plant die Bundesregierung den Ausschluss der Informationsweitergabe bei Daten, die Gegenstand eines laufenden Verwaltungsverfahrens sind, und, falls ja, warum, falls nein, warum nicht?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Dazu kann ich noch nichts sagen, weil die Planungsabsicht in unserem Hause noch nicht endgültig zum Abschluss gebracht worden ist.

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eine zweite Frage: Wird die Bundesregierung die Weitergabe und Veröffentlichung von in der Vergangenheit liegenden Sachverhalten, insbesondere von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht, bei denen aber keine Gefahr mehr für die Verbraucherinnen und Verbraucher besteht, künftig zulassen, auch wenn dadurch die Gefahr der Berufsschädigung für Unternehmen besteht, und, falls ja, aus welchen Gründen hält die Bundesregierung dies insbesondere für mit der Verfassung vereinbar?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Auch dazu, Herr Kollege Geisen, muss ich Ihnen mitteilen, dass die endgültige Entscheidung in unserem Hause zu diesem Gesetzentwurf noch nicht getroffen ist, sodass ich Ihnen hierzu im Detail keine Antwort geben kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Dann kommen wir zur Frage 10 des Kollegen Geisen: Wie will die Bundesregierung die Unternehmen allgemein an dem Prozess der Information und Auskunft durch die Behörden, die ein Auskunftsbegehren eines Verbrauchers gemäß dem geplanten Verbraucherinformationsgesetz bearbeiten, beteiligen, insbesondere durch Anhörungs- und Einspruchsrechte?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Kollege Geisen, die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass bei der geplanten gesetzlichen Regelung zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation auch berechtigte Belange betroffener Dritter bei der Bearbeitung eines Auskunftsbegehrens insbesondere durch verfahrensmäßige Absicherungen zu berücksichtigen sind.

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Wir kommen damit zur Frage 11 der Kollegin Schuster, FDP-Fraktion: Wie will die Bundesregierung ein angekündigtes Verbraucherinformationsgesetz ausgestalten, damit komplexe und fachspezifische Daten in allgemein verständlicher und für die Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbarer Weise herausgegeben werden?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Frau Kollegin Schuster, die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die genannte gesetzliche Regelung eine Bestimmung enthält, wonach die an die Verbraucherinnen und Verbraucher herauszugebenden Informationen verständlich dargestellt werden sollen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte, Sie haben Gelegenheit zur Nachfrage.

Marina Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003845, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, meine Nachfrage betrifft die Verbraucherinnen und Verbraucher. Plant die Bundesregierung, die Auskunftserteilung durch die Behörden gegenüber den Verbrauchern kostenpflichtig zu gestalten? Falls ja: In welchem Rahmen sollen sich die Gebühren bewegen? Mich interessiert, ob sich die Höhe dieser Gebühren an dem Informationsfreiheitsgesetz oder dem Umweltinformationsgesetz orientieren wird.

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Auch dazu muss ich klar und deutlich sagen, dass eine endgültige Entscheidung darüber noch nicht getroffen worden ist. Die Problemlage, auf die sich auch Ihr berechtigter Hinweis bezogen hat, ist bekannt. Es ist sinnvoll, hier eine Abgleichung vorzunehmen. Aber ich kann noch nicht sagen, wie die endgültige Entscheidung aussehen wird.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Jetzt zunächst der Kollege Goldmann mit seiner Zwischenfrage.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie in groben Zügen darstellen, was Inhalt dieser „verständlichen Aufbereitung“ sein soll und welcher personelle - und damit kostenmäßige - Aufwand nach Ihrer Meinung nötig ist, um diese sicherzustellen? Sie können dazu einmal ins Internet schauen. Da sind konzeptionelle Vorstellungen Ihres Hauses zu finden. Wie Sie sicherlich wissen, ist einer der Juckepunkte, wie sich der Kostenrahmen beim Verbraucherinformationsgesetz entwickelt.

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Herr Goldmann, Sie haben in der letzten Legislaturperiode monatelang an den Beratungen teilgenommen. Daher ist Ihnen sicherlich bekannt, dass die Länder zu dieser Verpflichtung immer eine gewisse reservierte Haltung einnahmen. Denn diese Vorgehensweise ist personal- und damit kostenaufwendig. Ich weiß nicht, wie Sie damals im Vermittlungsverfahren abgestimmt haben ({0}) - Sie waren also dagegen; jetzt verstehe ich Ihre Frage -, aber jedenfalls ist seinerzeit vereinbart worden, dass die Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich dargestellt werden sollen. Das war Konsens im Vermittlungsausschuss. Niemand in der Bundesregierung und in diesem Hohen Hause käme doch auf die Idee, eine andere Forderung zu erheben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich gebe jetzt Kollegin Schuster die Gelegenheit zu ihrer zweiten Nachfrage.

Marina Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003845, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Herr Präsident. - Auch auf die Gefahr hin, dass es aus den bekannten Gründen jetzt keine Antwort gibt, möchte ich fragen: Will die Bundesregierung die Behörden zu weiter gehenden Veröffentlichungen, also auch ohne konkretes Auskunftsbegehren eines Verbrauchers, insbesondere unter der Nutzung des Internets gesetzlich verpflichten? Aus welchen Gründen sieht die Bundesregierung den bestehenden § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches als nicht ausreichend an?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie Kenntnis über die genauen Formulierungen haben wollen. Aber es existiert noch nicht einmal ein Referentenentwurf. Ihre Fragen sind zwar berechtigt - damit treffen Sie den Kern der Probleme, Hochachtung! -, aber sie werden etwas zu früh gestellt, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Ich muss klar und deutlich sagen: Die Probleme sind bekannt. Wenn es wissenschaftlichen Streit in der Frage der Bewertung gibt, zum Beispiel ob etwas genotoxisch ist oder nicht, dann muss der Sachverhalt so aufbereitet werden, dass der interessierte Internetbenutzer erkennt, dass es viele Meinungen und nicht eine einzige Meinung gibt. Dieses Problem ist bekannt. Mit den Ländern muss erörtert werden, wie man praktikabel vorgehen kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Höfken hat auch noch eine Nachfrage.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben heute im Ausschuss auch schon ein wenig über dieses Thema diskutiert. Sie konnten leider nicht anwesend sein. Daher ist es ein bisschen gemein, wenn Sie jetzt gefragt werden. Aber so ist es nun einmal. Wir haben uns ausführlich mit dem Wildfleischskandal beschäftigt und haben, wie ich denke, im Großen und Ganzen übereinstimmend festgestellt, dass es sich um einen unsäglichen Skandal handelt, der die Landwirtschaft und die gesamte Lebensmittelbranche in Verruf bringt. Aus diesem Skandal muss eine Vielzahl von Konsequenzen gezogen werden. In diesem Zusammenhang ist das Verbraucherinformationsgesetz von besonderer Bedeutung. Meine Frage dazu lautet: Gedenken Sie aus dem Wildfleischskandal - wie Umetikettierung und Neudeklaration, Auftauen von Tiefkühlware und Verkauf als frische Ware - entsprechende Konsequenzen für das Verbraucherinformationsgesetz zu ziehen?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Frau Höfken, alle Vorkommnisse und alle Tatbestände, die Sie gerade angesprochen haben, müssen vom Sachverhalt her beurteilt und gewichtet werden. Daraus müssen dann Konsequenzen hinsichtlich der Praktikabilität der neuen gesetzlichen Regelungen gezogen werden. Aus diesem Grunde ist es eine dringende Notwendigkeit, diese Fragen in den Gesprächen mit den Ländern, die teilweise die allein zuständigen Vollzugsbehörden sind, zu erörtern und darüber nachzudenken, welche Konsequenzen für die Formulierung der Gesetzesbestimmungen gezogen werden müssen. Daher kann ich nur sagen: Wir sind bereit, alle Vorkommnisse in die Überprüfung einzubeziehen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Dann der Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, über den Diskurs, den wir zu den Fragen der FDP-Fraktion im Zusammenhang mit dem Verbraucherinformationsgesetz führen, bin ich insgesamt etwas verwundert. Denn im Wesentlichen sagen Sie uns: Informationen müssen verständlich sein. Über alles muss geredet werden. - Das sind sehr pauschale Auskünfte. Wie erklären Sie es sich, dass man in dieser Fragestunde den Eindruck gewinnen muss, dass die Bundesregierung nicht weiß, was sie im Zusammenhang mit dem Verbraucherinformationsgesetz will, bzw. Sie uns Volker Beck ({0}) dies nicht sagen dürfen, angesichts der Tatsache, dass ein Entwurf dieses Gesetzes für Ende Januar angekündigt war und seit Dezember ein Gesetzentwurf unserer Fraktion dem Ausschuss vorliegt? Es steht Ihnen frei, von diesem Gesetzentwurf abzuschreiben, wenn Sie selber nicht mehr weiterwissen. Können Sie mir, falls Sie dem Eindruck widersprechen wollen, dass Sie hier nur sehr allgemein und an der Sache vorbei antworten, im Gegenzug, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, sagen, in welchen Punkten sich die Vorstellung der Bundesregierung vom Gesetzentwurf der Grünen, der schriftlich vorliegt, unterscheidet?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Zunächst einmal muss ich mit aller Entschiedenheit den Vorwurf zurückweisen, die Bundesregierung in meiner Person rede an der Sache vorbei. Ganz im Gegenteil: Ich habe Ihnen den Beratungsbedarf und den Arbeitsstand innerhalb der Bundesregierung bzw. des Ministeriums exakt geschildert. Ich bin der Ansicht - das ist der Sachverhalt -, dass Informationen umfassend und korrekt erfolgen müssen. All die Punkte, die hier inhaltlich angesprochen worden sind, müssen in der Tat bei der rechtlichen Ausformulierung besonders berücksichtigt werden. Wenn der Referentenentwurf in unserem Hause fertig gestellt sein wird, wird das Verfahren so ablaufen, wie Gesetzgebungsverfahren bei allen Bundesregierungen - auch zu Ihrer Zeit, als Sie in der Regierung waren abgelaufen sind: Dann wird der Referentenentwurf sowohl der Bundesregierung als auch dem Ausschuss und den interessierten Kreisen für eine breitere Diskussion zur Verfügung gestellt. ({0}) - Herr Beck, ich kenne keine Differenzen in der Sache.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Jetzt Kollegin Wolff und dann Kollege Goldmann. Dann sollten wir die Frage 12 abschließen und zur nächsten übergehen.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme - auch ich bin im Übrigen der Meinung, dass wir diese Frage abschließen sollten -, dass das, was in der Bundesregierung jetzt vorbereitet wird, mit allen Betroffenen besprochen wird? Soweit mir bekannt ist, ist das bisher der Fall gewesen. Vielleicht könnten Sie den Parlamentariern noch erklären, dass, wenn ein Gesetzentwurf auf den Tisch kommt, das Parlament gefragt ist und alle Kolleginnen und Kollegen - jedenfalls kenne ich das so aus den sieben Jahren meiner Parlamentsarbeit - dann die Möglichkeit haben, an diesem Gesetz mitzuarbeiten. ({0})

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Den ersten Aspekt Ihrer Frage kann ich bejahen. Ich will ausdrücklich betonen, Frau Wolff, dass aktuell Gespräche mit den betroffenen Bereichen der Wirtschaft, den zuständigen Behörden und den Ländern geführt werden, um abzuchecken, ob uns eine Gesetzesformulierung, die wir eventuell vorschlagen wollen, auch tatsächlich in der Praxis einen Schritt weiterbringen würde. Das ist ein ganz normales Verfahren, das in Gesetzesverfahren bei der Erarbeitung von Entwürfen immer angewandt wird. In der Praxis gibt es da kein Abweichen. Ich kann also feststellen: Gespräche mit interessierten Kreisen sind fest terminiert. Nach Abschluss dieser Gespräche werden wir einen Referentenentwurf erstellen. Darüber hinaus wird es so sein, dass wir, wie es nach der Geschäftsordnung die Pflicht unseres Hauses ist, in einen engen Dialog mit dem Gesetzgeber, nämlich mit diesem Hohen Hause, treten, das dieses Gesetz letztlich verabschieden wird.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun noch Kollege Goldmann.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nach meiner Einschätzung haben die Ungereimtheiten beim Fleischskandal sehr viel mit „regionaler Verfilzung“ zu tun. Ist in Ihren Vorstellungen, die Sie heute Morgen Vertretern von Verbänden und Parteien dargelegt haben und die Sie heute Nachmittag den Verbraucherschutzministern zur Kenntnis geben, der Gesichtspunkt einer fachlichen, informativen Meinungsführerschaft des Bundes gegenüber den Ländern berücksichtigt, oder ist das von Ihnen nicht angedacht?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Generell ist zu sagen, dass wir im Rahmen des BundLänder-Verhaltens von dem Grundsatz der Kooperation ausgehen. Es muss ein gemeinsames Vertrauensverhältnis geben. Das ist sogar ein tragender Grundsatz der Verfassung. Unter diesem Gesichtspunkt beantworte ich Ihre Frage nicht positiv. ({0}) - Das ist durchaus nicht ausgeschlossen. Auch eine Taskforce ist im Gespräch. Hierzu gibt es aber noch keine verbindliche Entscheidung.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wenn ich richtig aufgepasst habe, kommen wir jetzt zur Frage 12 der Kollegin Schuster. - War die schon beantwortet? - Entschuldigung, dann zur Frage 13 der Kollegin Höfken: Wird die Bundesregierung die fehlenden toxikologischen Daten, die für eine Gesamtbewertung der Gesundheitsgefährdung durch Isopropylthioxanton, ITX, erforderlich sind, erheben oder von der Verpackungsindustrie einfordern, um zu einer abschließenden Empfehlung für die Verwendung dieser Chemikalie zu kommen?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Frau Höfken, in ihren Stellungnahmen kommen die europäischen Behörden für Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertung zu dem Schluss, dass die ITX-Rückstände in Lebensmitteln nach dem jetzigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht genotoxisch sind. Für eine vollständige gesundheitliche Bewertung sind zusätzliche Daten zur toxischen Wirkung, zur Bioverfügbarkeit und zur Toxizität dieses Stoffes erforderlich. Es obliegt der Industrie, diese weiteren Daten zur Verfügung zu stellen. Das BMELV ist mit den Ländern und den beteiligten Wirtschaftskreisen bezüglich eines nationalen Orientierungswertes für ITX im Gespräch. In Kontakt mit der Wirtschaft sollen tragfähige Lösungen entwickelt werden, die dem Problem gerecht werden. Wie bekannt ist, hat unter anderem Tetra Pak angekündigt, die Belastungen deutlich zu minimieren. In diesem Zusammenhang wird aber geprüft, ob ein EU-weites Vorgehen, zum Beispiel die Festlegung einheitlicher Beurteilungskriterien einschließlich der eventuellen Schließung von Datenlücken, auf Gemeinschaftsebene erforderlich ist. Es war vorgesehen, Frau Höfken, auch diesen Sachverhalt in dieser Woche zu erörtern. Die Termine waren schon vereinbart, sowohl mit Vertretern der Wirtschaft als auch mit Vertretern der zuständigen Länder. Inwieweit sich die beiden Termine in dieser Woche aufrechterhalten lassen, kann ich heute nicht beurteilen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte, Kollegin Höfken.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Instrument REACH, das es ermöglicht, Aufschluss über die Daten solcher Altlasten zu geben? Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass es völlig ungerechtfertigt ist, wenn die Bundesregierung die Bestimmungen in REACH in Brüssel derart massiv einschränkt und hier nicht die notwendigen Informationen über möglicherweise gefährliche Altlasten gibt?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Gefährliche Altlasten müssen - das ist unbestritten und war immer Position der Bundesregierung - eindeutig benannt werden. Dazu bedarf es eines entsprechenden Prüfverfahrens. Die entscheidende Frage in der letzten Legislaturperiode war ja, ob all die Verfahrensbestimmungen, die im ersten Entwurf zu REACH von der Kommission angedacht waren, tatsächlich notwendig sind, um Gefahrensituationen zu beschreiben. Es gab unterschiedliche Ansichten darüber. Wir sind der Ansicht, dass das, was jetzt auf europäischer Ebene zu REACH vereinbart worden ist, ausreicht, um Gefahrenlagen, wie sie jetzt bei ITX aufgetreten sind, zu beschreiben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Haben Sie eine weitere Nachfrage dazu? - Dann können wir zur Frage 14 der Kollegin Höfken übergehen: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass angesichts der ungeklärten toxikologischen Bewertung der Chemikalie ITX in Kartonsäften und den von der Deutschen Umwelthilfe gefundenen Belastungen in Höhe von bis zu 447 Mikrogramm pro Kilogramm in einzelnen Säften, die den österreichischen Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kilogramm erheblich überschreiten, eine Aktion des Rückrufs der belasteten Säfte durch die Behörden und Unternehmen durchzuführen ist?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Nach Angaben der österreichischen Regierung ist vorgesehen, zum Vorkommen von ITX eine Empfehlung zu erarbeiten. Einen Grenzwert für ITX gibt es in Österreich nicht. Für die Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln sind in der Bundesrepublik Deutschland die Länderbehörden zuständig. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat in seiner Empfehlung im Rahmen der Bewertung von ITX dargelegt, dass die bisher von der Industrie vorliegenden toxikologischen Daten zum Ausschluss der Genotoxizität für die Bewertung mit einem maximalen Übergang von 50 Milligramm pro Kilogramm in Lebensmitteln ausreichen. Zu diesem Schluss kommt auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in ihrer Bewertung. Diese Empfehlungen der beiden Stellen liegen den zuständigen Länderbehörden vor.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich würde gerne noch wissen, ob Sie in dem Zusammenhang nicht eine Rückrufaktion für erforderlich halten, weil der Wert doch sehr hoch ist. Ganz allgemein kann man doch sagen: Druckereierzeugnisse gehören wohl kaum in Säfte. Wann rechnen Sie - das ist meine zweite Frage - mit dem Abschluss der Datenerhebung?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Zunächst einmal kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir Ihrer Meinung sind: Solche Druckermittel dürfen natürlich nicht in Lebensmitteln anzufinden sein. Wir werden auch alles tun und die Wirtschaft darauf hinweisen, dass Verfahren geändert werden müssen, damit solche Gefahren von vornherein ausgeschaltet sind. Es hat bereits Mitte Dezember Gespräche zwischen Vertretern unseres Hauses und denen der betroffenen Wirtschaft dazu gegeben. Diese hat in den Gesprächen zugesagt, die Verfahren sofort zu verändern. ({0}) - Das wollte ich gerade sagen. Das ist erfolgt, sodass wir jetzt davon ausgehen können, dass die Verfahren, die zum Eintrag der Stoffe geführt haben, nicht mehr angewandt werden. Wir wollen in dieser Woche mit der Wirtschaft sprechen, ob das Verfahren, das wir angestrebt haben, in der Sache auch ausreichend ist oder ob noch weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wir stehen also in Kontakt mit der Wirtschaft, um mögliche Gefahrenquellen von vornherein zu beseitigen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sind denn jetzt alle Verfahren geändert?

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Soweit ich das im Augenblick beurteilen kann - das muss ich an dieser Stelle etwas vorsichtig sagen -, sind deutliche Minderungen eingetreten. Man hat mir gesagt, man könne nach dem jetzigen Stand davon ausgehen, dass fast alle Verfahren geändert worden sind. Wir werden auch dazu in dieser Woche eine Information seitens der Wirtschaft bekommen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Kollegin Schuster hat mir signalisiert, dass ich doch Recht hatte und die Frage 12 der Kollegin Schuster noch nicht beantwortet ist. Ich rufe sie daher auf: Wie will die Bundesregierung insbesondere vermeiden, dass Informationen dadurch missverständlich werden, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen an die Öffentlichkeit oder an einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher herausgegeben werden? Herr Staatssekretär.

Dr. Peter Paziorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001685

Frau Schuster, die in der Antwort auf eine vorhergehende Frage - ich weiß nicht, ob es eine von Ihnen war genannte Bestimmung kann im Einzelfall natürlich auch erfordern, dass herauszugebende Informationen aufbereitet, mit Erläuterungen versehen oder im Zusammenhang dargestellt werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte.

Marina Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003845, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe keine Nachfrage, danke.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. Dann kommen wir zum nächsten Geschäftsbereich, und zwar dem des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht Staatssekretär Hermann Kues zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 15 der Kollegin Lötzsch: Welche Aktivitäten plant die Bundesregierung in diesem Jahr anlässlich des Internationalen Frauentages?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Konkret aus Anlass des Internationalen Frauentages wird die Bundesregierung am Vorabend in Berlin ein bundesweites Frauen-Business-Mentoring mit dem Titel „Von Vorbildern lernen“ durchführen lassen. Die Mentoringfachtagung wird von der Käte-Ahlmann-Stiftung organisiert. Es ist die Abschlussveranstaltung eines sehr erfolgreichen Modellprojektes, das vom Ministerium finanziert wurde. Die Käte-Ahlmann-Stiftung als Organisatorin setzt damit das erste bundesweite Mentoringprogramm von Unternehmerinnen für Unternehmerinnen erfolgreich um. Über den konkreten Anlass des Internationalen Frauentages hinaus sind im weiteren Verlauf der Legislaturperiode zahlreiche Projekte und Initiativen im Bereich der Gleichstellungspolitik vorgesehen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Lötzsch, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, dankenswerterweise haben Sie in Ihrer Antwort den direkten Bezug auf den Internationalen Frauentag genommen. Ich habe auf der Homepage Ihres Ministeriums den Suchbegriff „Frauentag“ eingegeben. Dort erschien jedoch kein Stichwort. Vielleicht können Sie eine entsprechende Änderung veranlassen, damit das der Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Sie haben gesagt, Sie planen zahlreiche Initiativen. Mich würde interessieren, welche Initiativen die Bundesregierung noch in diesem Jahr plant, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Können Sie Beispiele nennen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ja. Zunächst einmal vielen Dank für die Anregung zur Gestaltung der Homepage. Ich werde das im Haus entsprechend weitergeben. Konkret planen wir - auch gemäß Koalitionsvertrag einen Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Bundesregierung wird dazu eine Stellungnahme abgeben. Es ist eine Regierungserklärung vorgesehen. In dieser sollen weitere Fortschritte aufgezeigt werden. Die verbliebenen Defizite sollen offen gelegt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen gezogen werden. Die Grundlage für diesen Bericht wird der kommentierte Datenreport sein, der 2005 im Auftrag des BMFSFJ durch das Deutsche Jugendinstitut erstellt worden ist. Als weiteren Punkt - neben vielen anderen - möchte ich nennen: Es wird einen Bericht zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes geben, beispielsweise zur Frage, ob die damit verbundenen Erwartungen erfüllt wurden. Eine Frage, über die viel diskutiert wurde und die in diesem Zusammenhang auch erörtert werden muss, ist, welche Konsequenzen sich aus dem Prostitutionsgesetz für die Strafverfolgung von Menschenhandel ergeben haben. Dazu gibt es verschiedene Hypothesen und Behauptungen. Dies soll untersucht werden. Des Weiteren soll der Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen fortgeschrieben werden. Als Letztes will ich eine bundesweite Helpline „Gewalt gegen Frauen“ nennen.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich komme noch einmal auf Ihre ursprüngliche Antwort zur Frage zurück. Sie erwähnten das Mentoringprogramm. Welche weiteren Initiativen plant die Bundesregierung, um Frauen zu unterstützen, Führungspositionen in Wirtschaft und anderen Bereichen der Gesellschaft zu erreichen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wir werden das Mentoringprogramm, das erfolgreich durchgeführt wurde, auswerten und dann in der Regierungserklärung zum Gleichstellungsbericht die notwendigen Konsequenzen aufzeigen. Das werden wir mit den anderen Ressorts abstimmen, damit es handfest wird.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Lenke werden schriftlich beantwortet, da sie nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth steht zur Beantwortung bereit. Die Fragen 18 und 19 des Kollegen Döring werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir bei der Frage 20 der Kollegin Ekin Deligöz: Welche Informationen hat die Bundesregierung über den Abfluss der Mittel für die Fertigstellung des vierspurigen Ausbaus der Bahnstrecke zwischen Augsburg und München und gibt es Informationen darüber, wann die Fertigstellung endgültig erfolgen soll?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Verehrte Kollegin Deligöz, ich habe eine für Sie sicherlich erfreuliche Antwort. Die Fertigstellungen und Inbetriebnahmen sind wie folgt vorgesehen: für den Abschnitt Augsburg-Mering bis Ende 2008, für den Abschnitt Mering-Olching Ende 2010 bzw. Anfang 2011. Der Mittelabfluss der DB Netz AG und der DB Station & Service AG beträgt inklusive der Planungskosten bis einschließlich November 2005 249,9 Millionen Euro.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nachfragen zur Frage 20?

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank für Ihre Antwort. Ich habe eine Nachfrage. Es mag zwar sein, dass für ein solches Ausbauvorhaben die Daten - 2008 und 2010 ganz gut sind, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Fertigstellung damals von Herrn Waigel für 2004 angekündigt wurde, ist es trotzdem zu spät. Wenn jetzt die Trasse zwischen München und Ingolstadt in Betrieb kommt, fallen 50 Prozent aller ICE-Verbindungen über Augsburg aus. Über 27 000 Pendler sind davon betroffen. Welche Ratschläge werden Sie vonseiten der Bundesregierung an die Pendler geben, wenn die Verbindung nicht mehr gewährleistet ist?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Eine zügige Fertigstellung ist geplant. Sie wissen, dass die Höhe der Haushaltsmittel hierbei eine Rolle gespielt hat. Die Planung und die Durchführung müssen stringent durchgeführt werden. Wir haben schon einige fertig gestellte Abschnitte. Wir wissen, dass das notwendig ist. Deshalb bauen wir den Schienenverkehr aus.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darf ich noch eine Nachfrage stellen?

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ja.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie guten Willens sind. Aber während die Kürzungen der Bahn auf dieser Strecke, jetzt im Februar angekündigt, zum nächsten Fahrplanwechsel kommen werden, dauert es bis zur Fertigstellung des Ausbaus noch ein paar Jahre. Für die Region Schwaben ist das ein großes Desaster, weil sie so auch wirtschaftlich abgehängt wird. Wie übernimmt die Bundesregierung ihre Verantwortung, dieses wirtschaftliche Defizit, das durch den Wegfall der ICE-Verbindung entstehen wird, wettzumachen? Ist Ihnen in der Bundesregierung dieses Problem bewusst und gibt es schon Gegenmaßnahmen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Es ist eine Hypothese, zu sagen, dass die Verzögerung des Ausbaus Nachteile für die Region mit sich bringt. Wir gehen davon aus, dass die Planungen, die vonseiten des Bundes vorgenommen wurden, notwendig und richtig waren und den dortigen Wirtschaftsraum unterstützen und beflügeln werden. Wir denken aber nicht, dass diese Maßnahme negative Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben wird.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit sind wir bei der Frage 21 der Kollegin Ekin Deligöz: Welche Informationen hat die Bundesregierung bezüglich der Berücksichtigung in der Bedarfsplanung zum Ausbau des Schienennetzes über den Bahnstreckenausbau zwischen Ulm und Oberstdorf, insbesondere zum geplanten Ausbau des Teil1284 Vizepräsident Wolfgang Thierse stücks von Neu-Ulm nach Memmingen, und welche finanziellen Mittel des Bundes sind für die Realisierung des Projekts eingeplant?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Der Ausbau der Strecke Ulm-Memmingen-Oberstdorf wurde in der Bedarfsplanung zum Ausbau des Schienennetzes nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplans 2003 wurde zum Ausbau der Strecke Ulm-Memmingen-Oberstdorf eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt. Diese ergab, dass aus Sicht des Schienengüterverkehrs und des Schienenpersonenverkehrs für diese Strecke kein Ausbaubedarf besteht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Deligöz.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da Sie die Nachfrage, die ich vorhin gestellt habe, nicht zufrieden stellend beantwortet haben, muss ich darauf zurückkommen: Wenn 50 Prozent aller ICE-Verbindungen, die auf einer Strecke abgewickelt werden, gestrichen werden, aber nur durch sie die Anbindung an die Flughäfen und Großstädte in der Region gewährleistet werden kann, dann hat das wirtschaftliche Nachteile. Um diese Feststellung treffen zu können, braucht man keine großartigen Expertisen durchzuführen; denn das ist schon bekannt, und zwar auch bei der Bahn. Inwieweit wird die Bundesregierung auf die Deutsche Bahn AG und die Bayerische Staatsregierung Einfluss nehmen, damit Maßnahmen wie der Ausbau der Regionalstrecken eingeleitet werden, durch die insbesondere diese Region wieder gestärkt wird?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Kollegin, seit der Bahnreform sind die Länder, hier der Freistaat Bayern, für den regionalen Verkehr bzw. den Schienenpersonennahverkehr zuständig, nicht die Bundesregierung.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Angesichts der Tatsache, dass CDU und CSU im Deutschen Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft bilden, frage ich Sie: Inwieweit wird die Bundesregierung im Interesse der Förderung der regionalen Wirtschaft ihren Einfluss geltend machen? Oder werden Sie hier überhaupt nichts unternehmen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Was Ihre Frage hinsichtlich unseres Einflusses auf den Freistaat Bayern betrifft, so muss ich Ihnen sagen: Wir gehen davon aus, dass die in der Region vorhandenen Bedarfe und Bedürfnisse bekannt sind. Über die Verteilung der Regionalisierungsmittel entscheidet der Freistaat Bayern aus seiner regionalen Sicht. Dabei soll es auch bleiben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Frage 22 des Kollegen Winfried Hermann sowie die Fragen 23 und 24 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl - werden schriftlich beantwortet. Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Die Fragen 25 des Kollegen Hans-Josef Fell sowie die Fragen 26 und 27 der Kollegin Priska Hinz werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Fraktion Die Linke, auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass zurzeit aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Haushaltsverhandlungen keine Auszahlungen über den so genannten Verbändetitel, über den unter anderem Seminare politischer Studierendenorganisationen - Jungsozialisten, Ring Christlich-Demokratischer Studenten, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der Bundesausschuss der Studentinnen und Studenten, Freier Zusammenschluss von Student/inn/enschaften usw. - gefördert werden, erfolgen, womit die Möglichkeiten zur politischen Arbeit für die Betroffenen deutlich eingeschränkt werden?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung begrüßt die Arbeit der studentischen Verbände auf dem Gebiet der politischen und kulturellen Bildung. Im Jahr 2006 wird das Haushaltsgesetz erst nach Beginn des Haushaltsjahres verkündet. Bis zu diesem Zeitpunkt richtet sich die vorläufige Haushaltsführung zur Wahrung der Budgethoheit des Parlamentes nach Art. 111 Grundgesetz. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung betrachtet in dieser Zeit die geltenden verfassungsmäßigen Vorgaben. Danach können Ausgaben, zu denen besagter Art. 111 Grundgesetz nicht ermächtigt, nur unter Beachtung sehr enger Voraussetzungen, nämlich einem unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnis, mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen geleistet werden. Diese engen Voraussetzungen für die Bewilligung von Zuwendungen sind nach Einschätzung der Bundesregierung im Falle der Förderung der Studentenverbände nicht erfüllt. Im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten wird das Bundesbildungsministerium bemüht sein, nach In-Kraft-Treten des Haushaltsgesetzes 2006 etwaige Bewilligungsrückstände aufzuholen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe eine konkrete Nachfrage zu dem, was Sie zuletzt gesagt haben: Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der genannten Organisationen haben uns ihre Befürchtung mitgeteilt, dass durch die faktische Verkürzung des Bewilligungszeitraums - die Haushaltsgesetzgebung ist ja noch nicht erfolgt - insgesamt weniger Mittel für die Seminarförderung zur Verfügung stehen werden. Wird über so etwas diskutiert bzw. wie wird damit umgegangen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Die großen, leistungsstarken Verbände in diesem Bereich sind bereits mit Schreiben vom 8. September 2005 darüber unterrichtet worden, dass im Haushaltsjahr 2006 diese besondere Situation besteht. Sie sind darüber hinaus aufgefordert worden, zu überlegen, ob langfristig eine zeitliche Verlagerung ihrer förderfähigen Maßnahmen möglich wäre, zum Teil in das Jahr 2005 oder in das Jahr 2006. Im Übrigen wird sich die Situation dann ergeben, wenn konkret Mittel bewilligt sind, also voraussichtlich im Frühsommer 2006.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich verstehe nicht, warum Sie gesagt haben, dass nur die Finanzstarken angeschrieben sind. Gerade die finanzschwächeren Organisationen haben doch besonderen Bedarf: Sie sind darauf angewiesen, ihre Seminarförderung, ihre politische Arbeit durch das BMBF zu finanzieren.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, Sie waren in der Vergangenheit selbst in diesem Bereich aktiv. Man kann nicht sämtliche Verbände anschreiben. Aber die Ihnen bekannten großen Verbände wie RCDS, Jusos, fzs oder GEW, die regelmäßig von der Förderung profitieren, sind mit diesem Schreiben vom September des Jahres 2005 informiert worden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit zur nächsten Frage der Kollegin Hirsch, Frage 29: Aus welchen Gründen orientiert sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zuweisung der Mittel für den Hochschulbau gemäß den im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen Pläne zur Föderalismusreform an den abgerufenen Mitteln der Jahre 2000 bis 2003?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Im Koalitionsvertrag ist auf der Basis der Vorschläge der Föderalismuskommission eine Folgeregelung für die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“, die abgeschafft werden soll, vorgesehen: Ab dem 1. Januar 2007 sollen den Ländern jährliche Beträge aus dem Haushalt des Bundes als Ausgleich für den Wegfall seiner Finanzierungsanteile zustehen. Die Regelung zur Aufteilung des daraus resultierenden Betrages unter den Ländern beruht auf einer Verständigung zwischen den Ländervertretern in der Föderalismuskommission: Maßgeblich ist der Durchschnittsanteil eines jeden Landes an den allen Ländern tatsächlich zugewiesenen Bundesmitteln im Zeitraum 2000 bis 2003.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Von den finanzschwächeren Bundesländern wurde Kritik an dieser Verfahrensweise geäußert, weil sie im Zeitraum 2000 bis 2003 weniger Mittel zur Verfügung gestellt bekommen haben und daher befürchten, dass sich diese Diskriminierung verfestigen wird. Inwieweit sieht die Bundesregierung hier im Zuge der geplanten Föderalismusreform Nachbesserungsbedarf, beispielsweise durch Änderung des Verteilungsschlüssels - Ausrichtung an der Studierendenzahl oder ähnlichen Punkten -, und inwieweit sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, diese Diskriminierung abzubauen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, ich darf auf meine vorherige Antwort verweisen: Der Verteilungsschlüssel ist von den Ländern in der Föderalismuskommission so vorgeschlagen und von uns akzeptiert worden. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, auf eine Veränderung des Schlüssels hinzuwirken, weil dieser eine Angelegenheit der Länder ist.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Studierendenquote deutlich steigern. Inwieweit sieht sie die Möglichkeit, nach einem Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ eine Art gesamtstaatliche Bildungsplanung vorzunehmen, damit die Hochschulen ausreichend ausgebaut werden, um die größeren Studierendenzahlen aufzufangen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete, wenn, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Vorschläge der Föderalismuskommission umgesetzt werden, sind investive Maßnahmen im Bereich der Hochschulen Aufgabe der Länder. Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass die Bundesbildungsministerin mit den Ministern der Länder Gespräche über die Vorbereitung eines möglichen Hochschulpaktes 2020 führt, der genau diese Punkte zum Gegenstand hat.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Die Fragen 30 und 31 werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres. Ich rufe zunächst die Frage 32 der Kollegin Brigitte Pothmer auf: Mit welchen konkreten Ausweichreaktionen auf die geplante Erhöhung der Abgaben auf Minijobs im gewerblichen Bereich um 5 Prozent rechnet die Bundesregierung, wenn sie unterstellt, dass durch die Erhöhung die Lohnsumme aus geringfügiger Beschäftigung um 15 Prozent sinken wird?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Präsident! Frau Kollegin Pothmer, wenn Sie einverstanden sind, würde ich die Fragen 32 und 33 gerne zusammen beantworten.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin einverstanden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Dann rufe ich zusätzlich noch die Frage 33 auf: Mit welchen Nettomehreinnahmen für den Bundeshaushalt durch die geplante Erhöhung der Abgaben auf Minijobs im gewerblichen Bereich um 5 Prozent rechnet die Bundesregierung, wenn nach eigenen Annahmen durch diese Erhöhung die Lohnsumme aus geringfügiger Beschäftigung um 15 Prozent sinken wird? Bitte schön.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Sehr verehrte Frau Kollegin, offensichtlich beziehen Sie sich bei Ihren Fragen auf einen Arbeitsentwurf, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Vorbereitung des Haushaltsbegleitgesetzes dem Bundesminister der Finanzen zur Verfügung gestellt hat. Dieser auf Arbeitsebene entwickelte Entwurf, der die Umsetzung der von der Bundesregierung in Genshagen beschlossenen Erhöhung der Pauschalabgaben für geringfügige Beschäftigungen im gewerblichen Bereich von bisher 25 Prozent auf künftig 30 Prozent zum Ziel hat, basiert auf einer Modellrechnung, wie sich die Erhöhung der Beiträge um 5 Prozentpunkte und der Ansatz bestimmter Annahmen mathematisch auf die gesamte Lohnsumme auswirken könnten, wenn man Ausweichreaktionen unterstellt. Es ist nicht vorhersehbar, ob es überhaupt zu Ausweichreaktionen kommen wird. Die Bundesregierung rechnet daher auch nicht mit einem Rückgang der Lohnsumme aus den Minijobs in Höhe von 15 Prozent. Die von Ihnen genannte Quote stellte lediglich den Wert einer beispielhaften Modellrechnung und nicht die Einschätzung der Bundesregierung dar. Die Bundesregierung geht, netto betrachtet, insgesamt von deutlichen Mehreinnahmen in der Sozialversicherung durch die Anhebung der Pauschalabgaben aus, selbst wenn es zu Ausweichreaktionen kommen sollte. Diese Mehreinnahmen schaffen Spielraum für eine Entlastung des Bundeshaushaltes, indem Zuweisungen an die Sozialversicherung entsprechend reduziert werden. Die Höhe der nach Auffassung der Bundesregierung zu erwartenden Mehreinnahmen wird aktuell durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen noch geprüft. Eine Bezifferung wird im Rahmen der Vorlage des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes erfolgen, das nach derzeitiger Planung am 22. Februar 2006 im Bundeskabinett behandelt werden soll.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte, Sie haben Gelegenheit zu Zusatzfragen.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Geht die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass der Herr Professor Friedrich Schneider, der auch gerne der „Papst der Schwarzarbeit“ genannt wird, in seinem letzten Report noch einmal darauf hingewiesen hat, dass der Rückgang der Schwarzarbeit sowohl im Jahre 2004 als auch im Jahre 2005 mit der derzeitigen Regelung der Minijobs zu tun hat, nicht auch davon aus, dass eine Neuregelung zu einer erneuten Abwanderung der Inhaber von Minijobs in die Schwarzarbeit führen würde?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Kollegin, wie ich Ihnen in meiner Antwort schon gesagt habe: Es kann sein, es kann aber auch nicht sein.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ja.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich habe die Frage beantwortet. - Ich glaube, Sie waren in der vorletzten Woche auf einer ähnlichen Veranstaltung wie ich. Dort haben diejenigen, die sich mit den Minijobs auseinander setzen, den Verlauf dargestellt. Im letzten Dreivierteljahr sank die Zahl der Minijobs um etwa 500 000. Dieses Instrument wird relativ flexibel gehandhabt: Wenn es einen entsprechenden Bedarf gibt, dann erhöht sich die Zahl, wenn nicht, dann geht sie wieder zurück. Ich kenne die aktuellen Zahlen von Herrn Schneider nicht. Deswegen will ich mich darauf auch nicht beziehen.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich stelle sie Ihnen gerne zur Verfügung. - Ich frage Sie: Warum stellen Sie eigentlich Modellrechnungen an, wenn Sie die Ergebnisse der Modellrechnungen doch für so beliebig halten?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, ich halte sie nicht für beliebig. Ich sage: Es kann passieren, es kann sein.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ah, ja. Wenn der Hahn kräht auf dem - Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales: Mit einer Erhöhung der Abgaben kann in bestimmten Branchen das Sinken der Zahl der Beschäftigten einhergehen. Diese Branchen argumentieren auch damit, dass das passieren würde, und sagen: Dann werden wir die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich reduzieren. Der DEHOGA und andere sagen das gegenwärtig. Ob sie das dann real auch tun, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Man kann das berechnen. Sie können sich vielleicht an die Erhöhung der Tabaksteuer erinnern. ({0}) Es wurde gesagt: Wenn man sie erhöht, dann kommt das und das heraus. - Wenn es aber teurer wird und ganz viele das Rauchen einstellen, dann kommt gar nichts dabei heraus. Man muss sich also anschauen, wie das ist. Es ist schwierig, das vorherzusagen bzw. zu prognostizieren. Ich kann Ihnen sagen, wie das auf der Arbeitsebene gemacht wird. Wenn Sie das genauer kennen, wissen Sie, dass die jeweiligen Häuser mit dem Finanzminister verhandeln, wie viel oder wie wenig eingestellt werden muss. Wenn man von einer relativ vorsichtigen Annahme ausgeht, dann ist man umso freudiger überrascht, wenn die Einnahmen höher ausfallen als das, was man angenommen hat. ({1}) - Bitte sehr. Das war kein Problem, Frau Kollegin.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine Nachfrage dazu vom Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich möchte Sie gerne fragen, ob Ihnen Fälle bekannt sind, bei denen der Preis einer Ware oder Dienstleistung erhöht wurde und sich infolge dieser Preiserhöhung die Nachfrage nach dieser Ware oder Dienstleistung erhöht hat. Das könnte für das Hohe Haus anschaulich sein.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Solche Fälle sind mir bekannt, Herr Kolb. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit sind wir bei der Frage 34 der Kollegin Petra Pau: Beabsichtigt die Bundesregierung, im Laufe dieser Legislaturperiode dem Parlament den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Arbeitnehmerdaten zuzuleiten? Kollege Staatssekretär, bitte sehr.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Kollegin Pau, nach Auffassung der Bundesregierung ist es sinnvoll, vor einer nationalen Kodifikation die Überlegungen der Europäischen Kommission für einen Gemeinschaftsrahmen zum Schutz der Arbeitnehmerdaten abzuwarten. Diesen Punkt hat auch der Deutsche Bundestag in seiner Entschließung zum 19. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gesehen, indem er auf die Überlegungen der Kommission für einen solchen Gemeinschaftsrahmen hingewiesen hat. Dies ist in der Bundestagsdrucksache 15/4597 nachzulesen. Die Sachlage ist insoweit unverändert.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Ihnen ist genau wie allen anderen Mitgliedern des Hohen Hauses sicherlich bekannt, dass ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz seit 1986 aussteht und dies seitdem in Entschließungen des Deutschen Bundestages an die wechselnden Bundesregierungen regelmäßig gefordert wird. Deshalb interessiert mich der von der Bundesregierung in Aussicht genommene Zeitrahmen. Wann, denken Sie, werden wir in der Bundesrepublik ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz haben?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich kann Ihnen nicht sagen, wann wir ein solches Gesetz haben werden. Wenn ich das könnte, ginge es mir wahrscheinlich viel besser. Ich kann nur das wiederholen, was ich Ihnen eben schon geantwortet habe: Wir warten auf das, was die Europäische Kommission dazu machen wird. Die Bundesregierung hält weiterhin an dem Vorhaben, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu machen, fest. Dies wird nicht aufgegeben. Aber wir wollen doch sehen, was dazu auf europäischer Ebene passiert. Das hatte ich Ihnen in meiner Antwort schon mitgeteilt.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es tut mir Leid, dass es Ihnen offensichtlich nicht so gut geht, wie es sein sollte. Mich interessiert dann noch, ob die Bundesregierung beabsichtigt, auf europäischer Ebene initiativ zu werden, um diesen Prozess vielleicht zu inspirieren oder gar zu beschleunigen, damit wir auch national weiterkommen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wir haben Erfahrungen damit, wie bestimmte Dinge beschleunigt werden können. Wir haben in Brüssel unser Interesse bekundet. Wir werden das gerne wieder tun. Aber, wie gesagt, wir wollen gerne abwarten, was die Kommission dazu für Vorstellungen hat. Diese soll sie erst einmal vorlegen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit kommen wir zu der Frage 35 des Kollegen Kolb: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen und des Verbandes der Arbeiterersatzkassen aus dem Schreiben vom 6. Januar 2006 an die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung aus Vizepräsident Wolfgang Thierse dem Schreiben vom 12. August 2005, dass es sich bei der am drittletzten Bankarbeitstag jedes Monats zu erbringenden Beitragsschuld nicht um einen bloßen Abschlag handelt, sondern die zu erbringende Leistungsschuld der endgültigen Beitragsschuld nahezu entsprechen soll?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Kollege Kolb, die Frage 35 - das gilt auch für die Frage 36 - könnte ich so, wie sie gestellt ist, schlicht mit Ja beantworten. Ich will aber meine Antwort doch ein bisschen ausführlicher formulieren. In der gesetzlichen Regelung zur Neuordnung der Fälligkeit der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wird ausdrücklich von der voraussichtlichen Beitragsschuld gesprochen, nicht von einer Abschlagsregelung. Von daher teilt die Bundesregierung in vollem Umfang die Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherung, dass die voraussichtliche Beitragsschuld in der Weise zu ermitteln ist, dass der im Folgemonat fällige Restbeitrag so gering wie möglich ausfällt. Dabei können Arbeitgeber allerdings nur verpflichtet werden, Daten zu berücksichtigen, die ihnen zum Zeitpunkt der Ermittlung der voraussichtlichen Beitragsschuld bekannt sind.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, das trifft aber für eine Reihe der von mir in Frage 36 genannten Aspekte zu. Die Zahl der Kalendertage und Mitarbeiter variiert. Beitragssatzänderungen der Einzugsstellen, das heißt der verschiedenen Krankenkassen, sind auch bekannt. Im Ergebnis läuft das darauf hinaus, dass ein Unternehmen faktisch eine eigene Lohn- und Gehaltsabrechnung zur Ermittlung der voraussichtlichen Beitragsschuld durchführen muss. Stimmen Sie mir in dieser Einschätzung zu?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nächste Nachfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es keiner eigenständigen Lohn- und Gehaltsüberschlagsrechnung bedarf, dann möchte ich gerne wissen, Herr Staatssekretär, wie ein Unternehmen sonst das Kunststück zustande bringen soll, die voraussichtlich bestehende Beitragsschuld abzuschätzen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Kolb, die Bundesregierung hat bewusst darauf gedrungen, dass es jedem Unternehmen möglich sein muss, eine Vorausberechnung nach den individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens vorzunehmen. Dadurch wird es möglich, dass die Berechnungsläufe für die voraussichtliche Beitragsschuld mit den Abrechnungsläufen für die Lohnabrechnung des vergangenen Monats zusammengefasst werden können. Dazu ist es notwendig, einmalig in den Entgeltunterlagen die Faktoren zu dokumentieren, mit denen die voraussichtliche Beitragsschuld jeweils errechnet wird. Wird ein solches Verfahren zusammen mit der gesetzlichen Erleichterung, dass nur noch einmal im Monat ein Beitragsnachweis abzugeben ist, eingesetzt, ist mit keinem nennenswerten Mehraufwand zu rechnen. Es ist doch klar, dass von der Zahl der Beschäftigten auszugehen ist. Änderungen hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten haben schließlich weitere Auswirkungen. Auch Einmalzahlungen und Beitragssatzänderungen bei den Sozialkassen ziehen Änderungen nach sich. Das sind im Wesentlichen die zu berücksichtigenden Punkte. Es gibt sehr viele Unternehmen - darin werden Sie mir sicherlich zustimmen, Herr Kolb -, in denen die Zahl der Beschäftigten konstant ist. Beitragssatzänderungen erfolgen häufig zum Jahreswechsel. Auch wird das Weihnachtsgeld bzw. die Jahresabschlussprämie - wie auch immer Sie es nennen wollen; sofern es überhaupt noch gezahlt wird - nicht einmal im Juni und einmal im Mai fällig; auch dies ist absehbar. Insofern glaube ich, dass sich das Verfahren administrativ bewältigen lässt, auch ohne ein zusätzliches Abrechnungsbüro zu eröffnen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit kommen wir zu Frage 36 des Abgeordneten Kolb: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung und der Verbände der Angestellten-Krankenkassen und der Arbeiterersatzkassen, wie sie sich aus den in Frage 35 genannten Schreiben ergibt, dass daher für die Berechnung des Beitragssolls am drittletzten Bankarbeitstag jedes Monats für den letzten Entgeltabrechnungszeitraum die jeweils im letzten Monat eingetretenen Änderungen in der Zahl der Beschäftigten, der Arbeitstage bzw. Arbeitsstunden sowie der einschlägigen Entgeltermittlungsgrundlagen und Beitragssätze aktualisiert werden müssen und daher alle Vorgehensweisen mit dem Gesetz vereinbar sind, die diesem Anliegen gerecht werden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Kolb, die Bundesregierung teilt die Aussage der Spitzenverbände der Sozialversicherung vom 6. Januar 2006, dass alle Vorgehensweisen mit dem Gesetz vereinbar und von den Ausführungen des gemeinsamen Rundschreibens getragen sind, die darauf abzielen, eine möglichst genaue Vorausberechnung der Beitragsschuld zu erreichen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Äußerungen Ihres Kollegen Schauerte aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bekannt, der darauf verwiesen hat, dass man, um eine weitgehend einfache HandDr. Heinrich L. Kolb habung der Beitragsberechnung zu ermöglichen, eine Beitragsschuld in Höhe des Vormonats anmelden und abführen könne? Eine solche Praxis müsste der von Ihnen hier gegebenen Antwort zufolge eigentlich unzulässig sein.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Die Überlegungen von Herrn Kollegen Schauerte sind mir bekannt. Wir haben darüber auch korrespondiert. In der Sozialversicherung gilt nicht das Zuflussprinzip, sondern das Entstehungsprinzip bezogen auf den jeweiligen Monat. Insofern stellen wir ausdrücklich fest, dass zwar auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung oder auf die Unterlagen des Vormonats Bezug genommen werden kann, aber mögliche Änderungen berücksichtigt werden müssen. Auch muss das in dem Monat realisiert werden, in dem die Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Insofern unterscheidet sich das Sozialrecht leider von anderen Rechtsgebieten. Ich habe, wie gesagt, mit Herrn Schauerte sowohl über das Thema gesprochen als auch mit ihm korrespondiert. Ich stelle Ihnen die Unterlagen gerne zur Verfügung, wenn Sie möchten.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das würde mich sehr interessieren.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das mache ich gern.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich würde gerne noch eine zweite Zusatzfrage stellen. Wenn ich die Antworten auf die beiden Fragen und die Zusatzfragen resümiere, dann stelle ich fest - ich bitte Sie um Ihre Einschätzung, ob das zutrifft -, dass die Bundesregierung gegenüber dem Rundschreiben des VdAK, das auch im Namen aller anderen relevanten Träger der gesetzlichen Krankenversicherung verfasst wurde, keinen Handlungsbedarf sieht und dass nicht geplant ist, eine Initiative zu ergreifen, wie sie von dem Kollegen Schauerte angedacht wurde. Können Sie das bestätigen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das kann ich so bestätigen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Fragen beantwortet Staatsminister Gernot Erler. Ich rufe zunächst die Frage 37 des Kollegen Addicks auf: Wie begründet und bewertet die Bundesregierung, dass die Beiträge der Bundesrepublik Deutschland an UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, in der Verantwortung des Auswärtigen Amts liegen, also im Einzelplan 05 des Bundeshaushalts geregelt werden, obwohl die Aufgaben von UNICEF als Entwicklungsorganisation in den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit fallen und somit in dem Einzelplan 23 geregelt werden müssten?

Not found (Gast)

Herr Kollege Addicks, in der Arbeit von UNICEF fließen menschenrechtliche, humanitäre und entwicklungspolitische Gesichtspunkte zusammen. Die institutionelle Zuständigkeit des für die internationale Menschenrechtspolitik sowie die humanitäre Hilfe zuständigen Auswärtigen Amtes für UNICEF ist daher gegenwärtig in der Bundesregierung trotz des auch entwicklungspolitischen Charakters der Arbeit von UNICEF unstrittig. Insbesondere findet eine enge Abstimmung zwischen dem AA und dem BMZ statt, sofern Aspekte mit entwicklungspolitischem Bezug berührt sind. Der freiwillige Regelbeitrag erfolgt aus dem Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - und zweckgebundene entwicklungspolitische Beiträge erfolgen aus dem Einzelplan 21, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollege Dr. Addicks.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke sehr, Herr Staatssekretär. - Teilen Sie bzw. die Bundesregierung meine Besorgnis, dass es dem Ansehen Deutschlands in der Welt schadet, dass wir uns, was die Beiträge zu UNICEF betrifft, auf einem beschämenden 16. Rang befinden, und dies vor dem Hintergrund, dass wir uns normalerweise bei den Beiträgen zu solchen Organisationen auf Platz drei oder vier befinden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Addicks, Sie haben Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass sich die Regelbeiträge in den letzten Jahren eher reduziert haben. Der Regelbeitrag lag 2005 etwas unter 5 Millionen Euro, genau bei 4,75 Millionen Euro. Damit belegt Deutschland in der Tat keinen sehr prominenten Platz in der Reihenfolge der Länder, die Regelbeiträge leisten. Aber der Gesamtbeitrag, der geleistet wird, setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Dazu gehört auch der Beitrag, der vom nationalen Komitee von UNICEF geleistet wird. Hier sieht die Sache völlig anders aus. Dieser jährliche Beitrag ist sehr hoch. Er lag 2005 bei 172 Millionen Euro. Damit belegen wir im internationalen Vergleich nach Japan den zweiten Platz. Wenn man den Regelbeitrag und das, was das nationale Komitee - insbesondere durch viele Spenden, die aus der Öffentlichkeit kommen - leistet, zusammennimmt, dann stellt man fest, dass wir auf einen sehr anerkennenswerten Beitrag zu UNICEF kommen.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit kommen wir zu Frage 38 des Kollegen Dr. Addicks: Sieht sich die Bundesregierung veranlasst, diesen Sachverhalt in absehbarer Zeit zu ändern? Herr Erler, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege Addicks, aus den schon genannten Gründen gibt es derzeit keine Absicht, die Zuständigkeit zu verändern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Addicks.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Herr Präsident. - Nun werden die deutschen Beiträge zu UNICEF immerhin auf die ODA-Quote angerechnet. Diese Quote bezieht sich im Wesentlichen auf Mittel aus dem Einzelplan 23. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht folgerichtig, wenn auch die Beiträge zu UNICEF aus dem Einzelplan 23 und nicht aus dem Einzelplan 05 kämen?

Not found (Gast)

Das wäre in der Tat folgerichtig. Auf jeden Fall lassen wir uns diese Beiträge gerne auf die ODA-Quote anrechnen; denn wir verfolgen - international und von der EU unterstützt - die ehrgeizige Zielsetzung, die ODA-Quote heraufzusetzen. Der Grund dafür, dass eine Änderung der Zuständigkeit nicht vorgenommen wurde, liegt in einer Veränderung der Aufgabenstellung von UNICEF. Wir beobachten, dass sich die Arbeit von UNICEF in den letzten Jahren zunehmend auf die rechtliche Stellung von Kindern konzentriert hat. Es gibt zwar nach wie vor sozusagen bedürfnisorientierte Arbeiten. Aber vor allen Dingen nach der Kinderrechtskonvention von 1990 und dem Weltkindergipfel von 2002 müssen wir feststellen, dass der Hauptschwerpunkt der Tätigkeit von UNICEF auf der rechtlichen Stellung von Kindern liegt. Das rechtfertigt weiterhin die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit kommen wir zu Frage 39 des Kollegen Volker Beck: Wie bewertet die Bundesregierung die Arbeit der bisherigen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung im Auswärtigen Amt seit der Einrichtung dieser Funktion und wann soll ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Tom Koenigs in dieser Funktion die Arbeit aufnehmen? Herr Erler, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, die Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt haben seit Schaffung des Amtes einen anerkannten Beitrag zur Menschenrechtspolitik der Bundesregierung geleistet. Die Position des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt sollte mit einer Persönlichkeit besetzt werden, die dieses Amt optimal ausfüllt. Die Bundesregierung führt daher entsprechende Konsultationen mit dem Ziel einer möglichst schnellen Nachbesetzung dieses wichtigen Amtes.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darf ich nachfragen? - Ich hatte danach gefragt, wann dieses vakante Amt endlich besetzt wird. Ich meine, dass es dem Ansehen dieses Amtes nicht dient, wenn man wochenlang in der Presse über parteipolitisches Schachern um dieses Amt liest. Bislang ist keine Besetzung vorgenommen worden. Ich würde gerne wissen, wann Sie damit rechnen, dass das Amt spätestens besetzt ist.

Not found (Gast)

Wir sind überhaupt nicht daran interessiert, dass durch öffentliche Äußerungen oder Diskussionen in der Öffentlichkeit das Amt, dessen Inhaber eine wertvolle Arbeit leisten, beschädigt wird. Wir müssen eine sorgfältige Auswahl treffen. Es gebietet die Achtung vor der Bedeutung des Amtes, dass hier keine große Eile an den Tag gelegt, sondern eine sehr sorgfältige Auswahl getroffen wird. Wir sind zwar intensiv auf der Suche, ich kann Ihnen aber im Augenblick nicht sagen, zu welchem Zeitpunkt diese Suche abgeschlossen sein wird.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Müssen wir also damit rechnen, dass das Auswärtige Amt in diesem Jahr ohne eine Besetzung dieses Amtes wird arbeiten müssen, oder können Sie sagen, ob eine Vorentscheidung nach dem Parteibuch gefallen ist? In der Zeitung liest man, es müsse zwingend jemand von der Union sein. Überraschen Sie mich und sagen Sie mir, dass es nicht jemand von der Union ist!

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, ich teile Ihre pessimistische Prognose nicht, dass wir noch sehr lange ohne eine Besetzung dieses Amtes arbeiten werden. Ganz im Gegenteil: Wir sind auf einem guten Weg. Sie werden verstehen, dass ich jetzt hier keine personalpolitischen Angaben zu dieser Frage machen kann. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine Nachfrage zu diesem Thema von Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident. - Ich habe eine inhaltliche Nachfrage. Nun haben uns wie auch die europäische Öffentlichkeit in den letzten Wochen, wenn nicht gar Monaten, Menschenrechtsfragen bzw. die Aufklärung von schweren Vorwürfen zu Menschenrechtsverletzungen auf oder über dem Territorium der Bundesrepublik beschäftigt. Hat sich denn Herr Koenigs an der Aufklärungsoffensive der Bundesregierung, die nächste Woche in einen Bericht sowohl an den Europaratssonderermittler als auch in einen Bericht an den Bundestag münden soll, beteiligt und können Sie die Frage des Kollegen Beck nach der Bewertung der Qualität der Arbeit des Menschenrechtsbeauftragten anhand dieser Aufklärung und seiner Beteiligung daran beantworten?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Pau, Sie wissen, dass die Arbeit von Tom Koenigs beendet ist. ({0}) Er hat bis zum letzten Moment seiner Beschäftigung alle seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit der Bundesregierung erfüllt und damit zu dem hohen Ansehen dieses Amtes wesentlich beigetragen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Frage 40 wird schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 41 des Kollegen Paul Schäfer auf: Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung gegen einen UN-geführten Einsatz zur Sicherung der Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schäfer, zum Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für die VN-Operation in der Demokratischen Republik Kongo, MONUC, gehört die Aufgabe, für ein sicheres Umfeld für die Parlamentsund Präsidentschaftswahlen zu sorgen. Der Leiter des Department for Peacekeeping Operations der Vereinten Nationen, Jean-Marie Guéhenno, hat Ende 2005 die EURatspräsidentschaft schriftlich um EU-Unterstützung für MONUC während des Wahlzeitraums gebeten. In seinem Schreiben brachte er die Sorge der Vereinten Nationen zum Ausdruck, dass es bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu neuerlichen Ausbrüchen von Gewalt kommen könnte, die weder MONUC noch die kongolesischen Streitkräfte und Polizeikräfte eindämmen könnten. Eine Deterrent Force, die, falls nötig, während der Wahlen in die Demokratische Republik Kongo verlegt werden könnte, solle die Reaktionsfähigkeit von MONUC stärken. Diese Einschätzung wurde seitens der Vereinten Nationen in New York wie seitens MONUC in Kinshasa gegenüber den beiden Erkundungsmissionen des EURatssekretariats bestätigt, als diese dort in der vorvergangenen Woche sondierende Gespräche führten. Die Bundesregierung nimmt diese Einschätzung ernst.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Schäfer, bitte.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, lieber Kollege Erler, trifft es denn zu, dass in der Vergangenheit eine Aufstockung bzw. eine Verstärkung von MONUC im Rahmen der Vereinten Nationen blockiert wurde, und befinden sich eventuell EU-Mitgliedsländer unter denen, die das blockiert haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schäfer, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass MONUC mit einer Gesamtstärke von 16 700 Mann im Augenblick in der ganzen Geschichte des Peacekeepings die umfangreichste und auch die kostenträchtigste Mission ist, sodass man hier keinesfalls von einer Verweigerung irgendeiner Seite bei der Bereitstellung der notwendigen Mittel und Kräfte sprechen kann. Das Problem ist ganz anders gelagert: MONUC ist schwerpunktmäßig im Ostteil des Landes aktiv; dort sind nämlich 15 000 der 16 700 Kräfte stationiert. Dementsprechend ist die Hauptstadt Kinshasa in der entscheidenden Phase der Wahlkämpfe, was das internationale Peacekeeping angeht, zu schwach abgesichert. ({0}) Die Ängste des Beauftragten der UN bestehen darin, dass die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen - das sind der amtierende Präsident Kabila und zwei seiner Stellvertreter, die auch über bewaffnete Einheiten verfügen - das Wahlergebnis vielleicht nicht anerkennen, was den ganzen Friedensprozess, der am 30. Juni zu einem Abschluss kommen kann, gefährden könnte. Das ist der Hintergrund der Nachfrage an die EU, ob im Rahmen der ESVP vorübergehend eine zusätzliche Sicherung dieses Wahlprozesses stattfinden kann.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Erler, wäre in den Augen der Bundesregierung eine vorübergehende Aufstockung der UNO-geführten MONUC eine realistische Option, um den Wahlprozess zu stabilisieren?

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das könnte überhaupt nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Vereinten Nationen darum bitten würden. Aber es ist nicht irgendeine andere Organisation, sondern das Department for Peacekeeping Operations der Vereinten Nationen, das sich mit dem Brief vom 27. Dezember von Jean-Marie Guéhenno an die EU gewandt hat und etwas ganz anderes wollte. Hintergrund ist sicherlich, dass man hofft, dass die Autorität der EU und die Verfügung der EU über schnell einsetzbare Kräfte tatsächlich eine entmutigende Wirkung auf eventuelle Störer dieses Wahlprozesses ausüben; Guéhenno nennt das eine Deterrent Force. Die MONUC - sie ist ausreichend stark vertreten; ich habe Zahlen genannt - ist genau dazu nicht in der Lage. Insofern gibt es gute Gründe dafür, dass die Nachfrage eben nicht auf eine Erweiterung der MONUC zielt, sondern auf eine vorübergehende Zurverfügungstellung einer Deterrent Force durch einen anderen Organisator, in diesem Fall durch die EU.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 42 des Kollegen Schäfer auf: Welche besonderen militärischen Gründe sprechen für eine Beteiligung der Bundeswehr an einem Militäreinsatz zur Sicherung der Parlamentswahlen der Demokratischen Republik Kongo?

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäfer, in den Brüsseler Gremien wird derzeit die Frage eines militärischen Einsatzes im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ESVP - ich habe es gerade angesprochen -, zur Unterstützung von MONUC bei den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo behandelt. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht getroffen worden. Gestern hat das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU, PSK, darüber beraten. Dabei hat es beschlossen, den EU-Militärausschuss als das zuständige militärische Gremium der EU zu beauftragen, einen Ratschlag auf der Basis des vorgelegten Optionenpapiers zu geben. Dieser Ratschlag wird die weitere Entscheidungsfindung der EU prägen. Sollte ein ESVP-Einsatz nach umfassender Abwägung, wozu neben der Einschätzung der Lage in der Demokratischen Republik Kongo auch das in der europäischen Sicherheitsstrategie niedergelegte Bekenntnis der EU zur Stärkung der Vereinten Nationen gehört, beschlossen werden, wäre es ein Gebot europäischer Solidarität, die Verantwortung und die Kosten auf mehrere Mitgliedstaaten zu verteilen. Das ist die Auffassung der Bundesregierung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Sie haben das Kriterium „europäische Solidarität“ genannt. Welche anderen Kriterien müssten Ihrer Meinung nach erfüllt sein, um einen Einsatz der Bundeswehr als zwingend und unabweisbar erscheinen zu lassen?

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäfer, ich möchte noch einmal betonen, dass wir mitten in einem Klärungs- und Entscheidungsprozess sind. Ich wiederhole ausdrücklich: Es gibt noch keine Entscheidung dieser Art. Wichtig sind Klärungen der Rahmenbedingungen. Zum Beispiel wäre es wichtig, zu wissen: Wie verhält sich eigentlich die amtierende Regierung, der so genannte Espace présidentiel, also der Präsident des Kongo und seine Stellvertreter, zu diesem Vorschlag der Vereinten Nationen? Ist man bereit, eine solche Mission zu akzeptieren? Es sind noch wichtige Fragen der Sicherheit vor Ort zu klären: Wie ist eigentlich das Gefährdungspotenzial einzuschätzen? Es ist auch wichtig, zu wissen und zu klären: Was sollen denn die eigentlichen Aufgaben sein? In dem Optionenpapier, das gestern Grundlage der Beratung des PSK war, sind sieben verschiedene Einsatzmöglichkeiten genannt, aber zum Teil noch nicht klar definiert. All diese Dinge soll jetzt das Sicherheitskomitee der EU dort klären, um dann die Mitgliedstaaten zu beraten bzw. ihnen eine Empfehlung zu geben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Habe ich Sie richtig verstanden, dass nach Meinung der Bundesregierung eine Zustimmung der kongolesischen Regierung für eine eventuelle EU-Militärmission unverzichtbar ist? Bislang hörte man nur, Präsident Kabila habe aus der Zeitung erfahren, dass so etwas diskutiert wird.

Not found (Gast)

Dies ist ein Zustand, den wir schon überwunden haben. Das heißt, es hat Kontakte gegeben und es hat von der Präsidentschaft Äußerungen gegeben, die schon wesentlich freundlicher waren. Besonders freundlich hat sich der Außenminister geäußert. Auch hat ein Telefongespräch zwischen Javier Solana und dem kongolesischen Präsidenten stattgefunden. Aber es ist schon sehr wünschenswert, dazu eine noch deutlichere Äußerung des Präsidenten zu haben; denn in der Regel ist es natürlich eine wichtige Basis, zu wissen, ob man bei einer solchen Maßnahme - um es einmal unwissenschaftlich auszudrücken - erwünscht ist oder nicht. Dabei ist natürlich klar, dass in dieser Region - das ist eine Region, in der seit 1994 Krieg bzw. Bürgerkrieg geherrscht hat, und zwar mit einer unvorstellbaren Zahl von Opfern, nämlich von 3,8 Millionen Menschen - allein durch Initiativen aus der Region heraus ein solcher Friedensprozess nicht hätte in Gang gebracht werden können. Für uns ist es, wie gesagt, sehr wünschenswert, wenigstens eine klare Antwort auf diese Frage zu bekommen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 43 der Kollegin Dagdelen auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass der in der Nacht zum 31. Januar 2006 nach Togo abgeschobene togoische Oppositionelle A. M. direkt nach seiner Ankunft am Flughafen in Lomé von der Polizei festgehalten und bedroht wurde und sich später einer Inhaftierung durch vermutlich zivile Milizen nur durch Flucht entziehen konnte ({0}), und wie bewertet die Bundesregierung diese Inhaftierungsversuche in Bezug auf die Sicherheit des Betroffenen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Dagdelen, der Bundesregierung sind die Behauptungen in der Pressemeldung, die Sie angesprochen haben, bekannt. Das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist an das Auswärtige Amt mit der Bitte herangetreten, in Amtshilfe den vorgetragenen Behauptungen nachzugehen. Die Prüfung des Sachverhalts dauert derzeit noch an. Bislang liegen folgende Erkenntnisse vor: Die Rückführung von Herrn M. wurde der Botschaft Lomé am 26. Januar 2006 für den 31. Januar 2006 angekündigt. Eine Unterstützung durch die Auslandsvertretung wurde nicht erbeten. Der Leiter der Einreisestelle, also der Chef d’Immigration, am Flughafen Lomé wurde von der Botschaft Lomé über die Ankunft informiert. Er ist für die Routinebefragung der rückgeführten Personen zuständig. Falls Schwierigkeiten bei der Rückführung auftreten, informiert er die Botschaft umgehend telefonisch. Im Fall M. berichtete er von keinen Problemen. Die Botschaft hat am 9. Februar 2006 den Leiter der Einreisestelle persönlich zu den Umständen der Rückführung von Herrn M. befragt. Er zeigte sich über die erhobenen Vorwürfe erstaunt. Bestätigt durch das in Kopie vorgelegte und von Herrn M. unterzeichnete Befragungsprotokoll hat die Botschaft folgende Auskünfte erhalten: Es seien Herrn M. keinerlei Fragen hinsichtlich seiner politischen Aktivitäten im Ausland gestellt worden. Ebenfalls habe er keine polizeilichen Meldeauflagen erhalten. Herr M. sei am 31. Januar 2006 um 21 Uhr in die Obhut seines Cousins entlassen worden. Dieser sei am Flughafen persönlich anwesend gewesen und habe eine schriftliche Bestätigung abgegeben, dass er den Rückgeführten bei sich aufnehme. Nach Angaben des Leiters der Reisestelle waren während des Aufenthalts von Herrn M. am Flughafen keine Vertreter von Menschenrechtsorganisationen anwesend. Erst nach Abschluss der Befragung von Herrn M. sei ein Mitglied der Ligue Togolaise des Droits de l’Homme erschienen, um sich nach ihm zu erkundigen. Ob er Herrn M. außerhalb des Flughafens noch angetroffen habe, sei ungewiss. Die Botschaft Lomé ist mit der weiteren Sachverhaltsaufklärung beauftragt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Zusatzfrage?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, es scheint, dass da widersprüchliche Angaben bzw. Aussagen gemacht werden. Es gibt zig Presseerklärungen von Menschenrechtsorganisationen, auch der Menschenrechtsorganisation aus Togo, dass es bereits in der kurzen Zeit, nachdem A. M. nach Togo abgeschoben worden war, zwei Versuche gab, ihn zu inhaftieren. Der erste Versuch, der am Flughafen selber stattgefunden hat, konnte durch die Anwesenheit von Menschenrechtlern verhindert werden; der zweite Versuch, den frühmorgens zivile Milizen vor seiner Haustür unternahmen, schlug deshalb fehl, weil er sich bereits auf der Flucht befand. Mich würde als Erstes interessieren, wie die Bundesregierung und das Auswärtige Amt die Glaubwürdigkeit einer offiziellen Stelle aus Togo besonders im Hinblick auf die Menschenrechtsverletzungen, die dort unter dem jetzigen Regime immer noch stattfinden, einschätzen.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich hatte gesagt, dass ich in meiner Antwort eine Art Zwischenbilanz der bisherigen Nachforschungen gezogen habe. Natürlich haben auch wir gesehen, dass diese in Widerspruch zu den Angaben und Erklärungen von Menschenrechtsorganisationen, die auch wir kennen, steht. Dieser Widerspruch ist allerdings nur sehr schwer aufzuklären, wenn uns Dokumente vorgelegt werden, die von Herrn M. und seinem Cousin, der ihn abgeholt hat, gegengezeichnet worden sind. In der Tat gestehe ich, dass hier noch weiterer Klärungsbedarf besteht. Naturgemäß kann die Botschaft durch Befragung des Flughafenpersonals und der zuständigen Stellen nicht ermitteln, was später geschehen ist. Das ist klar. Deswegen habe ich Ihnen auch gesagt, dass weitere Ermittlungen über den Sachstand erfolgen werden. Die Botschaft Lomé ist damit beauftragt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zweite Zusatzfrage?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, die habe ich. - Es gibt auf der Homepage von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl eine Pressemitteilung vom 8. Februar, in der konstatiert wird, dass es in dem relativ kleinen Togo sehr schwierig bzw. kaum möglich ist, sich der Überwachung durch das Regime zu entziehen. Vor diesem Hintergrund möchte ich gerne wissen, wie hoch die Bundesregierung die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass abgeschobene togolesische Flüchtlinge von Sicherheitskräften nicht inhaftiert werden bzw. ihr Leben nicht gefährdet ist.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung kann sich natürlich nur nach den Erfahrungen richten, die sie bisher gemacht hat. Ich hatte Ihnen schon in der Fragestunde vom 18. Januar mitgeteilt, dass uns Meldungen, in denen im Einzelfall belegt wird, dass so ein Vorgehen, wie Sie es eben beschrieben haben, gegenüber zurückgekehrten Asylbewerbern erfolgt ist, nicht vorliegen. Auf diese Erkenntnis muss sich natürlich die Bundesregierung stützen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Zusatzfrage der Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, vor dem Hintergrund der Debatte vom 18. Januar, auf die Sie ja selbst hier schon verwiesen haben, der darauffolgenden Auseinandersetzung und Ihrer Feststellung, dass zumindest in diesem Einzelfall Aufklärungsbedarf besteht, frage ich: Sieht die Bundesregierung eventuell die Notwendigkeit, den derzeitigen aktuellen Lagebericht, der innenpolitischen Entscheidungen Deutschlands zugrunde liegt, zu überarbeiten bzw. die Botschaft mit der Prüfung zu beauftragen, inwieweit dieser Lagebericht noch den Tatsachen entspricht und dessen Informationen für die Behörden der Bundesrepublik Entscheidungsgrundlage sein können?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Pau, ich kann Ihnen dazu sagen, dass wir eine routinemäßige Überarbeitung dieser Berichte, die ja für alle Asylentscheidungen wichtig sind, vornehmen. In der Tat ist der Lagebericht zu Togo gerade in Überarbeitung. Sollten sich die Berichte bestätigen, die uns im Fall M. erreichen, dann würde natürlich dieser Fall in eine Fortschreibung dieses Lageberichtes eingehen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 44 der Kollegin Dagdelen auf: Sieht die Bundesregierung die Einschätzung von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen bestätigt, dass bei einer Abschiebung nach Togo das Leben abgelehnter Asylbewerber bedroht ist, und beabsichtigt die Bundesregierung, der Aufforderung von Amnesty International vom 20. Juli 2005 zu folgen, sich dafür einzusetzen, dass Asylsuchende nicht zur Rückkehr nach Togo gezwungen werden, wenn sie dort schwere Menschenrechtsverletzungen zu befürchten haben?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Dagdelen, aufgrund der Ereignisse im Zusammenhang mit der Wahl im April hat Amnesty International mit seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2005 die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen - jetzt zitiere ich wörtlich -, darauf zu achten, dass Asylsuchende nicht zur Rückkehr nach Togo gezwungen werden, wenn sie dort schwere Menschenrechtsverletzungen zu befürchten haben, und sicher zu stellen, dass Asylbegehren … gründlich und unparteiisch geprüft werden. Amnesty International ermahnt die ausländischen, vor allem die europäischen Regierungen, Asylanträge im Zusammenhang mit der Menschenrechtslage in Togo zu prüfen. Diesen an die internationale Gemeinschaft gerichteten Forderungen entspricht das Asylverfahren in Deutschland. Auch bei dem Herkunftsland Togo prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in jedem Einzelfall individuell, ob dem Asylbewerber bei seiner Rückkehr tatsächlich asylrelevante Gefahren oder sonstige Gefahren drohen, die einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen. Ist das der Fall, wird Asyl bzw. Abschiebeschutz gewährt. Die zuständigen Länderbehörden prüfen darüber hinaus vor einer Abschiebung, ob im Einzelfall Abschiebungshindernisse bestehen, die sich nicht auf drohende Gefahren im Heimatstaat beziehen, zum Beispiel gesundheitliche Probleme.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch hier danke ich. - Ich möchte an die Frage meiner Kollegin Pau anknüpfen. Wie Sie wissen, ist im vergangenen Monat in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund des öffentlichen Drucks ein Abschiebestopp verhängt worden, der auch in diesem Monat noch andauert. Es ist begrüßenswert, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende, Struck, sich in der Weise geäußert hat, dass der Lagebericht des Auswärtigen Amtes aktualisiert werden müsse. Meine Frage richtet sich auf die Eilbedürftigkeit des Lageberichts. Sie sagen selber, aktuell werde an diesem Lagebericht gearbeitet. Mich interessiert: Bis wann beabsichtigen die Bundesregierung und das Auswärtige Amt, den Lagebericht vorzulegen?

Not found (Gast)

Ich hatte hier schon dazu gesagt, dass im Augenblick die Überarbeitung dieses Lageberichtes im Gange ist. Das erfolgt nach einem bestimmten Turnus. Wenn ich Ihr Anliegen richtig verstanden habe, müssten Sie daran interessiert sein, dass erst der Fall M. geklärt wird, damit er noch in diesen Lagebericht eingehen kann. Insofern wäre vielleicht eine vorschnelle Fortschreibung des Lageberichts gar nicht so zielführend.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ich hoffe sehr, Herr Erler, dass Sie mein Anliegen richtig verstanden haben. Es geht mir nämlich nicht nur um die über 300 von Abschiebung bedrohten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch um die in den anderen Bundesländern. Mich würde interessieren, ob es wahrscheinlich ist, dass der Lagebericht bis zur Innenministerkonferenz am 4. und 5. Mai vorliegt, sodass andere Bundesländer ebenfalls einen Abschiebestopp erlassen könnten.

Not found (Gast)

Es ist die Absicht des Auswärtigen Amtes, bei der Fortschreibung des Lageberichtes möglichst noch aktuelle Informationen einfließen zu lassen. Insofern gibt es hier einen Zusammenhang mit der Klärung dieses Falls, die, wie ich Ihnen geschildert habe, im Gange ist. Wenn eine rechtzeitige Klärung erfolgt, müsste der Zeitplan einhaltbar sein. Wie Sie wissen, ist es dann Angelegenheit der Bundesländer, ihre Schlüsse aus dem neuen Lagebericht zu ziehen und unter Umständen über einen Abschiebestopp zu entscheiden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes. Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Karl Diller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 45 der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann auf: Wie bewertet die Bundesregierung, dass trotz steigenden Investitionsbedarfs der Kommunen - so rechnet die Bankengruppe KfW mit einem Schulsanierungsbedarf von 60 Milliarden Euro bis 2009 - laut den jüngsten Angaben der kommunalen Spitzenverbände ({0}) die jährlichen Investitionszuweisungen von Bund und Ländern an die Kommunen von 8 Milliarden Euro in 2004 auf 7,5 Milliarden Euro in 2006 zurückgehen, und Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die Investitionszuweisungen seitens des Bundes und der Länder an die Kommunen wieder anzuheben?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Dr. Enkelmann, ich möchte aufgrund der in Ihrer Frage enthaltenen Formulierung „die Investitionszuweisungen seitens des Bundes … an die Kommunen wieder anzuheben“ vorausschicken, dass es keine direkte Zuweisung von Mitteln des Bundes an die Kommunen gibt. Das ist verfassungsrechtlich gar nicht möglich. Insbesondere durch die Maßnahmen bei der Gewerbesteuer und die Entlastung im Rahmen von Hartz IV hat die Bundesregierung die Voraussetzung geschaffen, die Investitionsfähigkeit der kommunalen Ebene zu festigen und wieder zu verbessern. Durch die verbesserte Gewinnsituation der Unternehmen, aber insbesondere durch unsere gesetzlichen Änderungen bei der Gewerbesteuer und bei der Abführung der Gewerbesteuerumlage durch die Kommunen an die Länder und den Bund, gibt es eine sehr erfreuliche Entwicklung, die ich Ihnen in Erinnerung rufen möchte. In den neuen Bundesländern betrug das Nettogewerbesteueraufkommen im Jahre 2003 1,54 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr wird es auf 2,586 Milliarden Euro geschätzt, mithin 75 Prozent mehr. Die erfolgreiche Trendwende kommt im Übrigen auch im jüngsten Bericht des Deutschen Städtetages zur Investitionsentwicklung bei den Kommunen zum Ausdruck, in dem für das Jahr 2006 eine leichte Belebung der kommunalen Investitionen in den alten Bundesländern erwartet wird. Diese Zahlen ebenso wie die zu den Investitionszuweisungen stellen für das Jahr 2005 eine Schätzung und für das Jahr 2006 eine Prognose der kommunalen Spitzenverbände dar. Sie sind deshalb zurückhaltend zu bewerten. Wie gesagt: Direkte Zuweisungen von Mitteln an die Kommunen durch den Bund gibt es nicht. Die Einnahmen der Kommunen aus Investitionszuweisungen kommen ausschließlich von den Ländern bzw. sie fließen ihnen über die Länder zu. Der Bund ist beispielsweise im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen und im Falle der neuen Bundesländer im Rahmen der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen engagiert. Auf die Höhe und Verwendung dieser Mittel hat der Bund aber keinen Einfluss. Die Bundesregierung wird auch weiterhin eine Vielzahl von Investitionsprogrammen fortführen, von denen die Gemeinden in besonderem Maße profitieren. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Gemeinschaftsaufgaben, die Fortsetzung unseres Ganztagsschulprogramms sowie die KfW-Programme. Wenn der Haushalt 2006 in Kraft getreten ist, Frau Dr. Enkelmann, wird der KfW beispielsweise durch das neu aufgelegte CO2-Programm ermöglicht werden, stark zinsverbilligte Kredite an die Kommunen für die energetische Gebäudesanierung zu vergeben. Wir setzen auch die Städtebauförderung fort. Dazu findet sich im Übrigen im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wegen des enormen Investitionsbedarfs der Kommunen, der beispielsweise im Bereich der Schulen bei über 60 Milliarden Euro liegt, möchte ich fragen: Ist die Bundesregierung angesichts der offensichtlich geplanten zusätzlichen Steuereinnahmen, die für die nächsten Jahre mit etwa 80 Milliarden Euro beziffert werden, bereit, die Kommunen in höherem Maße als bisher an diesen Einnahmen beispielsweise durch ein kommunales Investitionsprogramm zu beteiligen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Dr. Enkelmann, das Thema Schulbausanierung wird von den Bundesländern entsprechend den landesgesetzlichen Bestimmungen höchst unterschiedlich geregelt. Ob und in welchem Umfange die Länder dafür Zuschüsse geben, ist von Land zu Land verschieden. Ich will außerdem darauf aufmerksam machen, dass von den gesetzlichen Maßnahmen, die die Bundesregierung bereits beschlossen hat - beispielsweise der Abschaffung der Eigenheimzulage -, auch die Kommunen profitieren. Denn es gibt einen Mehrertrag bei der Lohnund Einkommensteuer. Die Kommunen haben einen Anteil in Höhe von 15 Prozent an dem Mehraufkommen originär; die Länder haben einen Anteil in Höhe von 42,5 Prozent an dem Mehraufkommen originär. Da dieses Mehraufkommen in die kommunale Verbundmasse des jeweiligen Landes eingeht und in Höhe des Verbundsatzes an die Kommunen weitergeleitet wird, profitieren je nach Höhe dieses Satzes auch die Gemeinden. Den Kommunen kommen dadurch zusätzlich rund 8 Prozent des Gesamtertrages zugute. Der kommunale Anteil wird also bei etwa 23 bis 24 Prozent - das ist von Bundesland zu Bundesland je nach Verbundsatz unterschiedlich liegen. Was die Bundesregierung tun kann, tun wir. Wir sorgen dafür, dass es einen fairen Anteil der Kommunen an den perspektivisch geschätzten Steuermehreinnahmen gibt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Trotz allem ist das nach wie vor für die Kommunen zu wenig. Aber darüber wollen wir jetzt nicht reden. Sie haben unter anderem das Ganztagsschulprogramm angesprochen. Nun beklagt die Bundesregierung ab und zu, dass die Mittel für dieses Programm nicht in dem Maße abgerufen werden, wie es mit Blick auf die Schulen notwendig wäre. Was will die Bundesregierung tun, um die Lage der Länder bei der Kofinanzierung zu verbessern - man könnte beispielsweise den Anteil der Kommunen an der Kofinanzierung senken -, damit ein Zugriff auf die Mittel dieses Programms erfolgen kann?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Nach meinem Eindruck besteht das Problem weniger in dem fehlenden Interesse bzw. Desinteresse seitens der Kommunen, sondern eher in dem fehlenden Interesse bzw. Desinteresse der Länder. Ich kann Ihnen berichten, dass mein Bundesland, Rheinland-Pfalz, den Gemeinden die Möglichkeit bietet, von diesem Bundesprogramm massiv zu profitieren. Allein in meinem Wahlkreis Trier beispielsweise werden zurzeit Bundesmittel in Höhe von mehr als 11 Millionen Euro in entsprechende Projekte investiert. Das ist eine Frage, die sich an das jeweilige Bundesland richtet. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Sie hatten bereits zwei Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 46 von Frau Dr. Enkelmann auf: Wie bewertet die Bundesregierung die laut den jüngsten Angaben der kommunalen Spitzenverbände ({0}) von 31,93 Milliarden Euro in 2004 auf 36,60 Milliarden Euro ansteigenden Ausgaben der Kommunen für soziale Leistungen, und was will die Bundesregierung tun, um die Städte, Gemeinden und Landkreise hier zu entlasten?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Dr. Enkelmann, die in der Gemeinschaftsprognose der kommunalen Spitzenverbände dargestellten Ausgaben für soziale Leistungen - dies betrifft die Jahre 2004, 2005 und 2006 - sind nicht miteinander vergleichbar. Mit Hartz IV wurden die Kommunen nämlich ab dem Jahre 2005 einerseits um die Sozialhilfeausgaben für Erwerbsfähige entlastet. Andererseits tragen sie nun die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose, wobei ihnen aber der Bund 29,1 Prozent der Kosten erstattet. Dazu kommen bei den Ländern die durch Hartz IV eingesparten Wohngeldausgaben in Höhe von 2,1 Milliarden Euro, die diese Länder jeweils an ihre Kommunen weiterzugeben haben. Dadurch stehen den durch die Unterkunftskosten gestiegenen kommunalen Sozialausgaben höhere kommunale Einnahmen gegenüber. Das muss man zusammen sehen. Fairerweise sagt dies auch der Deutsche Städtetag selbst - ich zitiere ihn -: Ihre Höhe ist aber mit dem Vorjahr nicht vergleichbar, da sich bei den Einnahmen der Kommunen auch die Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten niederschlägt. Durch Festhalten an der Beteiligungsquote des Bundes von 29,1 Prozent nicht nur für das Jahr 2005, sondern auch für das Jahr 2006 werden die Kommunen im Übrigen nach Überzeugung der Bundesregierung - Kollege Andres und ich können ein Lied davon singen - entgegen der in Ihrer Frage enthaltenen Intention sogar um mehr als die ihnen zugesagten 2,5 Milliarden Euro entlastet. Wir schätzen: Sie bekommen zusätzlich 1,3 Milliarden Euro zu den 2,5 Milliarden, die ihnen zugesagt worden sind. Frau Kollegin, ich füge aber hinzu: Die Bundesregierung ist bereit, Landes- und Kommunalhaushalte zu entlasten, wenn sie durch die Umsetzung bundesgesetzlicher Regelungen belastet werden. In all den Programmen, die wir schon vor dem Jahreswechsel auf den Weg gebracht haben - und noch bringen werden -, achten wir immer darauf, dass nicht nur die Bundesseite entlastet wird, sondern auch die Länder und die Kommunen parallel dazu eine Entlastung erhalten. Wir werden beim Abbau von Standards und Bürokratiekosten vorangehen. Die Länder haben zugesagt, dem Bund entsprechende Vorschläge vorzulegen, die wir umzusetzen bereit sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Die erste Frage: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Kommunen durch Hartz IV unter anderem zusätzlich mit den Kosten für die Obdachlosenbetreuung, die Schuldnerberatung, Suchtberatung usw. belastet werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

All das ist in die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden, die vor der Einführung von Hartz IV stattgefunden haben, mit einbezogen worden und hat seinen Niederschlag im Rechenwerk gefunden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ist die Bundesregierung angesichts Ihrer Erklärung, dass der Bund bereit ist, für zusätzliche Kosten, die aufgrund der Umsetzung von Bundesgesetzen entstehen, eine Entlastung vorzusehen, bereit, im Grundgesetz eine Klausel im Sinne des Konnexitätsprinzips aufzunehmen, das heißt, im Grundgesetz zu sichern, dass Kosten, die Kommunen und Ländern durch die Umsetzung von Bundesgesetzen zusätzlich entstehen, entsprechend finanziell ausgeglichen werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Verehrte Frau Kollegin, ich hatte darauf hingewiesen, dass die Gesetze, die wir vorbereiten, nicht ausschließlich im Bundesinteresse liegen, was die finanziellen Auswirkungen angeht, sondern auch im Interesse der Länder und der Kommunen. Sie werden entsprechend ihrem Anteil an den Steuereinnahmen davon profitieren. Zu Ihrer zweiten Frage. In jedem Gesetzentwurf, den der Bundestag berät und beschließt, gibt es einen Teil, der sich mit den Kosten befasst. Darin gibt es eine AufParl. Staatssekretär Karl Diller stellung darüber, in welchem Umfang die Kommunen eventuell belastet oder entlastet werden. Es ist immer am Gesetzgeber, also an Ihnen, darauf zu achten, dass die Kommunen nicht über Gebühr belastet werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Staatssekretär, es gibt noch eine Zusatzfrage der Kollegin Bluhm.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege, Sie haben in Ihren Ausführungen zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung für die Jahre 2005 und 2006 den Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft auf 29,1 Prozent jährlich festgelegt hat. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich zwar auf diesen Kompromiss mit der Bundesregierung eingelassen, sind aber nach wie vor der Auffassung, dass der Kostenausgleich durch die Sozialhilfe, wie versprochen, nicht stattgefunden hat und dass der Bundesanteil im Durchschnitt 34,4 Prozent hätte betragen müssen, um diesem Erfordernis Rechnung zu tragen. Meine Frage: Hat die Bundesregierung schon eine Vorstellung dazu, wie der Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft ab dem Jahr 2007 gestaltet werden soll, um den von den kommunalen Spitzenverbänden bezifferten Anstieg der kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen von 32 auf 36,6 Milliarden Euro zu kompensieren?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Verehrte Frau Kollegin, wir haben während der Entwicklung der Hartz-Gesetzgebung mit den kommunalen Spitzenverbänden viele Stunden um die Frage gerungen, wie wir alles festzurren können. Auf Drängen der kommunalen Spitzenverbände wurde dem Gesetz ein Anhang zugefügt. In diesem Anhang sind alle Parameter aufgeführt, die in das Rechenwerk eingehen sollen, um die Belastung bzw. Entlastung zu ermitteln. Das BMWA hat in der letzten Wahlperiode aufgrund des Rechenwerks entsprechend der Anlage zu diesem Gesetz festgestellt, dass man eigentlich einen deutlich niedrigeren Satz als gerechtfertigt ansehen müsste. Das ist von den Kommunen bestritten worden; ich kenne aber kein Rechenwerk der Kommunen, das das Gegenteil beweist. Deswegen ist in den Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden, um die sich Bundesminister Müntefering persönlich sehr bemüht hat, keine Einigung zustande gekommen. Die Kommunen haben darauf beharrt, unser Rechenwerk stimme nicht und ihr Rechenwerk - das sie aber nicht im Detail aufgeschlüsselt vorlegen wollten - sei richtig. Ich hatte den Eindruck, dass die kommunalen Spitzenverbände am Schluss der Gespräche, als wir gesagt haben, dass keine Rückzahlung der Beträge des Jahres 2005 erfolgt und es für das Jahr 2006 zu dieser Einigung kommt, erleichtert waren. Lassen Sie mich das einmal deutlich festhalten. Zum Zweiten. Wir werden noch in diesem Jahr festlegen - das wird das Parlament noch beschäftigen, weil dies Niederschlag in einem Gesetz finden muss -, wie die Kosten der Unterkunft künftig geregelt werden. Dies bedarf aber noch sorgfältiger Beratungen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frage 47 des Kollegen Hermann und die Frage 48 des Kollegen Fell werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zur Frage 49 des Kollegen Volker Beck: Wie erklärt sich die Zusage des Bundesministeriums der Finanzen, dass trotz der angespannten Haushaltslage dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales „19 neue Stellen im Leitungsbereich zur Verfügung gestellt“ werden ({0}), und auf welcher haushaltsrechtlichen Grundlage beruht sie?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Beck, das Bundesministerium der Finanzen hat auf Grundlage von § 13 Abs. 1 Satz 2 des Haushaltsgesetzes 2005 in den Abschluss von 19 Arbeitsverträgen des neu gegründeten Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingewilligt, damit der Leitungsbereich des neuen Ministeriums arbeitsfähig werden konnte. Mit dieser Einstellungsermächtigung wurde aber noch keine Entscheidung über neue Stellen getroffen. Diese Entscheidung bleibt dem Parlament vorbehalten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Ausweitung der Stellen zur Erledigung der üblichen Aufgaben der Bundesregierung angesichts der gegenwärtig angespannten Haushaltslage unangemessen wäre? Plant sie, diese 19 Stellen gegebenenfalls anderweitig zu erwirtschaften, und können Sie mir sagen, um was für Stellen es im Einzelnen geht?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Beck, wie Sie selber wissen, ist das alte Wirtschafts- und Arbeitsministerium 2003 neu konzipiert worden und wurde in der neuen Wahlperiode erneut anders zusammengesetzt. Deswegen ist dieser Mehrbedarf an Stellen vorhanden. Diesem Bedarf wird so Rechnung getragen, dass von den 19 Stellen 14 auf Dauer bewilligt und auf die Fusionsrendite angerechnet werden. Fünf der neuen Stellen sollen mit kw-Vermerken versehen werden. Sie haben nach der Wertigkeit der Stellen gefragt: Im Bereich der A-Besoldung sind es neun Stellen, im Bereich der B-Besoldung fünf Stellen, im Bereich der Angestellten drei Stellen und im Bereich der Arbeiter zwei Stellen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre weitere Zusatzfrage, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie erklären Sie sich den zusätzlichen Bedarf - wenn man die kw-Stellen einmal außer Acht lässt - an 14 Stellen angesichts dessen, dass nicht die Arbeit der Bundesregierung zugenommen hat, sondern nur - was den Steuerzahler ebenfalls schon belastet - die Zahl der Bundesministerien zugenommen hat? Halten Sie es nicht für angemessen, diese Stellen zu erwirtschaften? Denn zusätzliche Arbeit gibt es nicht. Man muss zusehen, dass man sich umorganisiert. So würde das auch ein Unternehmen machen, das eine Umstrukturierung vornimmt und dabei nicht mehr Aufträge und nicht mehr Einnahmen hat und weiterhin die gleichen Aufgaben zu bewältigen hat.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass die Entwicklung der Personalkosten eine Erfolgsgeschichte der Bundesregierung ist, auch der früheren Bundesregierung - wir haben es erreicht, dass die Personalkosten seit 1994 relativ konstant geblieben sind, obwohl es dazwischen Tarifsteigerungen gab, obwohl dazwischen die Dienstalterssprünge in der A-Besoldung zu Buche schlugen -, und zwar deswegen, weil wir seit 1994 jedes Jahr 1,5 Prozent aller Stellen streichen und die Mittel plafondiert sind. Es kommt also für ein Haus nicht nur darauf an, dass es Stellen hat, sondern auch darauf, dass es das Geld dafür hat, die Stellen zu besetzen. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass wir einen Teil der Stellen mit Einsparauflagen bzw. mit kw-Vermerken versehen haben. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Sie hatten zwei Zusatzfragen. Die Fragen 50 und 51 der Kollegin Bellmann sowie die Fragen 52 und 53 des Kollegen Rainder Steenblock werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Finanzen. Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen. Damit sind wir auch am Ende der Fragestunde. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN Zu den von der Bundesregierung geplanten Kürzungen bei Hartz IV zulasten junger Erwachsener Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Kollegin Elke Reinke, Fraktion Die Linke. ({0})

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir gewünscht, dass ein solcher Antrag für eine Aktuelle Stunde von allen Oppositionsfraktionen gemeinsam gestellt worden wäre. Hartz IV bewegt noch immer sehr viele Menschen - und das zu Recht. Ich war doch sehr erstaunt, dass die Fraktionen von Union und SPD quasi über Nacht diesen Änderungsantrag eingebracht haben. Wollen Sie das Parlament möglichst schnell und unbemerkt über die Hartz-IV-Verschlechterungen abstimmen lassen? ({0}) Wollen Sie damit den gesellschaftlichen Debatten und öffentlichen Protesten ausweichen? Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Menschen auf der Straße ernst zu nehmen. Demokratie darf nicht an den Wahlurnen aufhören. ({1}) Auch Sachverständige haben bei der letzten Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. In dem von Ihnen vorgelegten Änderungsantrag sieht das Ministerium von Herrn Müntefering Kürzungen in Höhe von 600 Milliarden Euro zulasten junger Erwerbsloser und ihrer Familien vor. ({2}) Erinnern Sie sich: Junge Menschen sind in der Bundesrepublik mit 18 Jahren volljährig. Wir verlangen von ihnen Eigenverantwortung und sie haften rechtlich für ihr Handeln. Nicht die jungen Erwerbslosen sind für diese teure Arbeitsmarktreform ohne Wirkung verantwortlich, sondern die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger. ({3}) In der Begründung des Änderungsantrags wird argumentiert, die Kürzungen der Regelleistungen seien zumutbar, weil Jugendliche unverzüglich in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden sollten. In der Realität sieht das aber leider anders aus. Die Vermittlungsversprechen werden nicht eingelöst. Jährlich bekommen circa 100 000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Im bisherigen SGB II wurde wenigstens die Eigenständigkeit der jungen Erwachsenen mit einer abgeschlossen Berufsausbildung anerkannt. Jetzt beseitigen Sie noch die letzten Reste des Förderns. Wenn Sie meinen, ich argumentiere einseitig, dann empfehle ich Ihnen, die „Frankfurter Rundschau“ von gestern zu lesen. Dort wurde die Situation junger Menschen in der Bundesrepublik treffend zusammengefasst: Sie dürfen wählen. Sie dürfen Kredite aufnehmen … Sie dürfen, nein müssen, notfalls Krieg führen. Nur aus dem heimischen Kinderzimmer ausziehen, dürfen sie nicht - jedenfalls nicht, sofern sie arbeitslos sind. ({4}) Was sollen diese jungen Menschen machen, damit sie vom Amt das Recht zugesprochen bekommen, in einem eigenen Haushalt für sich selber Verantwortung zu übernehmen? ({5}) Die Zustimmung für einen Auszug erfolgt nur, wenn schwerwiegende soziale Gründe vorliegen. Wie viel Gewalt oder Alkoholkonsum in der Familie reicht aus, um das Recht auf eine eigene Wohnung zu haben? Können die Angestellten in den Agenturen für Arbeit das angemessen entscheiden? Ich meine, sie sind schon jetzt überfordert. Die Erfahrung von vielen Hartz-IV-Betroffenen zeigt: Ermessungsspielräume werden selten zu ihren Gunsten ausgelegt. Frau Ministerin von der Leyen sprach von Kindern, die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden. Mit diesem Antrag sorgen Sie dafür, dass ein großer Teil dieser Kinder sie nie verlassen kann. ({6}) Sie nehmen ihnen mit Ihrem Änderungsantrag die Möglichkeit, mit einem selbstständigen Leben auf unterstem Niveau zu beginnen. Das jetzige Arbeitslosengeld II reicht nicht für eine Existenzsicherung und das Recht auf eine gesellschaftliche Teilhabe. Das muss ich Ihnen nicht noch einmal vorrechnen. Gerade jungen Menschen darf man nicht noch 69 Euro wegnehmen. Wir fordern eine armutsfeste Grundsicherung als individuelles Recht. ({7}) Das Thema „arbeitsscheue Jugendliche“ lässt sich hervorragend an Stammtischen besprechen. Wer diese Zwangsmaßnahmen begrüßt, der sollte sich überlegen, woher das Ministerium von Herrn Müntefering den Rest der 3 Milliarden Euro Etatkürzungen nimmt. Bisher müssen nur junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger unter 25 Jahren mit Leistungskürzungen rechnen, wenn sie Arbeitsangebote nicht annehmen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert unter anderem diese Sanktionen für alle Langzeitarbeitslosen, sollten sie Angebote für Arbeit, für die ihnen 3 Euro Stundenlohn gezahlt werden, ablehnen. Herr Minister, werden Sie, um die geplanten Kürzungen durchführen zu können, auf die Vorschläge des DIHK zurückgreifen? Ich als Abgeordnete kann den Bürgerinnen und Bürgern nur empfehlen, diese Debatte sehr aufmerksam zu verfolgen und ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen, bevor es zu spät ist. Ich danke. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Stefan Müller, CDU/ CSU-Fraktion.

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Reinke, über Ihre Aufregung muss ich mich schon ein bisschen wundern. Sie haben gesagt, wir hätten unsere Änderungsanträge quasi über Nacht eingebracht. ({0}) - Ja, ja. Erstens empfehle ich Ihnen einen Blick in die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD, die auch Ihnen zugänglich ist. Auf Seite 27 sind genau die Vorschläge genannt, die wir in der letzten Woche in das Parlament eingebracht haben. Zweitens empfehle ich Ihnen, sich die Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 18. Januar dieses Jahres zu vergegenwärtigen, in der Herr Bundesminister Franz Müntefering sein Arbeitsprogramm mündlich vorgetragen hat. Auch in der schriftlichen Ausarbeitung, die damals ebenfalls vorgelegt worden ist, findet sich auf Seite 12 der Hinweis auf unsere Änderungsanträge. In der letzten Woche haben wir unsere Anträge in den Ausschuss für Arbeit und Soziales, der federführend ist, eingebracht. Am vergangenen Montag haben wir eine Anhörung zu diesem Themenbereich durchgeführt. Heute früh fand im zuständigen Ausschuss die abschließende Beratung statt. Am Freitag dieser Woche wird es im Plenum des Deutschen Bundestages zur zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs kommen. Es hätte also genügend Möglichkeiten für eine Aussprache gegeben. Der heutigen Aktuellen Stunde hätte es jedenfalls nicht bedurft. ({1}) Angesichts des Verlaufs dieses Gesetzgebungsverfahren und angesichts der verschiedenen Möglichkeiten zur Aussprache, die es gegeben hätte, sage ich noch einmal: Diese Aktuelle Stunde ist völlig überflüssig. Ihnen geht es überhaupt nicht um eine sachliche Diskussion - denn es hätte genügend Diskussionsmöglichkeiten gegeben -, sondern Sie betreiben pure Polemik, weil Sie sich davon Vorteile bei den anstehenden Landtagswahlen erhoffen. ({2}) Ich verstehe gar nicht, dass Sie sich über Hartz IV so sehr aufregen. Denn wäre Hartz IV in der letzten Legislaturperiode nicht auf den Weg gebracht worden, würden Sie heute nicht hier sitzen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Linken. ({3}) Nun zur Sache. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Darf ich Sie bitten, dem Redner zuzuhören? ({0})

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Wesentlichen geht es jetzt um zweierlei: Erstens. Wir wollen die Gleichbehandlung von minderjährigen Kindern bzw. Jugendlichen und volljährigen Jugendlichen in einer Familie. Diesen Schritt halten wir für vertretbar; denn diese Differenzierung im Gesetz ist nicht einsichtig. Zweitens. Ein 18- bis 25-Jähriger, der zu Hause auszieht, bekommt gegenwärtig nicht nur Arbeitslosengeld II, sondern es werden auch die ihm entstehenden Kosten für Miete und Heizung und für die Erstausstattung seiner Wohnung übernommen. ({0}) Ursprünglich hat man beabsichtigt, durch diese Regelung Hilfebedürftige zu unterstützen, die aus bestimmten Gründen nicht mehr zu Hause wohnen können, zum Beispiel weil sie an einem anderen Ort eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle angenommen haben. Darüber hinaus hatte man Jugendliche im Blick, die aus verschiedenen sozialen Gründen nicht mehr bei ihrer Familie leben konnten. Nach Einführung dieser Regelungen mussten wir feststellen, dass sie massiv in Anspruch genommen wurden, und zwar auch von solchen Personen, angesichts deren Situation man sich schon die Frage stellen musste, ob sie tatsächlich hilfebedürftig sind; aus der massiven Inanspruchnahme dieser Regelungen resultieren im Übrigen auch die hohen Kostensteigerungen in diesem Bereich. Nun wollen wir verhindern, dass Bedarfsgemeinschaften in Zukunft nur gegründet werden, um Arbeitslosengeld II und andere staatliche Transferleistungen in größerem Umfang in Anspruch nehmen zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, es handelt sich lediglich um die Wiederherstellung der Rechtslage vor Hartz IV. Denn es gab schon früher die Regelung, dass der kommunale Träger bzw. der Sozialhilfeträger zustimmen musste. Letztendlich stellen wir nur diesen Rechtszustand wieder her; denn er hat sich seinerzeit bewährt. Auch das ist eine Erkenntnis aus Hartz IV. ({1}) Da Sie immer von Gerechtigkeit und persönlicher Entfaltung sprechen, will ich Ihnen folgenden Fall schildern: Was sagen Sie einem jungen Berufstätigen, der eine Ausbildungs- bzw. Arbeitsstelle hat und sein eigenes Geld verdient, der aber zu viel verdient, um noch zusätzlich staatliche Hilfeleistungen in Anspruch nehmen zu können, und der eine eigene Wohnung haben möchte, aber nicht genug Geld hat, um sie selber zu finanzieren? Wie sieht es hier mit freier Entfaltung aus? Warum muss die Solidargemeinschaft in dem einen Fall die Kosten für die Wohnung übernehmen, in dem anderen Fall aber nicht? Ist das Ihr Verständnis von sozialer Gerechtigkeit? Meines jedenfalls ist es nicht. ({2}) Für manch einen jungen Menschen unter 25 Jahren mag es zwar eine Zumutung sein, noch bei seinen Eltern zu wohnen. Aber es ist nicht unzumutbar, wenn wir verlangen, dass ein junger Hilfebedürftiger noch bei seinen Eltern wohnt. Ich will festhalten: Es wird auch in Zukunft die Möglichkeit geben, dass ein junger Mensch von zu Hause auszieht: wenn er eine Ausbildungsstelle an einem anderen Ort antritt oder wenn es schwer wiegende soziale Gründe gibt; Sie haben ja davon gesprochen. Dann muss der kommunale Träger seine Zustimmung geben - und das wird er, wenn diese Gründe vorliegen: weil er es nach dem Wortlaut des Gesetzes muss. Ich bin der Meinung, wir sollten, anstatt die Zeit mit solchen Aktuellen Stunden zu verplempern, ({3}) ernsthaft darüber diskutieren, wie wir die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen verbessern können. ({4}) Wir sollten darüber reden, wie wir die jungen Menschen in Lohn und Brot bekommen, ({5}) wie sie eine Arbeitsstelle oder eine Ausbildungsstelle bekommen; dann brauchen wir über staatliche Fürsorge und die Zustimmung kommunaler Träger nicht zu reden. Stattdessen sprechen wir hier über irgendwelche Themen, die Sie aus purer Polemik aufbringen; jede Woche versuchen Sie mit einer Aktuellen Stunde irgendein Thema aufzubauschen. Ich würde mir wünschen, dass wir die Zeit effizienter nutzen. Aber wenn nicht, dann könnten wir wenigstens über andere, interessante Themen sprechen: Wir könnten zum Beispiel eine Aktuelle Stunde zu den Vorkommnissen in Ihrer Fraktion machen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mich würde zum Beispiel eine Aktuelle Stunde zu den Vorkommnissen in den letzten Tagen in Ihrer Fraktion interessieren Stefan Müller ({0}) ({1}) die Allgemeinheit mit Sicherheit auch. ({2})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Heinrich Kolb, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreformen zu Hartz IV wurden von Rot-Grün, mit Duldung der Union, gravierende handwerkliche Fehler gemacht. Diese handwerklichen Fehler sind eine, wenn auch zugegebenermaßen nicht die einzige Erklärung dafür, dass statt der vorausberechneten 14 Milliarden Euro im ersten Jahr der Anwendung von Hartz IV rund 26 Milliarden Euro auf der Ausgabenseite gebunden wurden. Gleich als diese Fehler erkennbar wurden, wurde der Ruf nach Korrekturen laut. Das galt insbesondere für die zahlreichen Fälle, dass Hilfebedürftige unter 25 Jahren mit Unterstützung der Träger einen eigenen Hausstand gegründet haben. Dafür, dass so etwas tatsächlich stattgefunden hat, haben wir in der Anhörung am Anfang dieser Woche Belege geliefert bekommen. Unter den 2,8 Millionen Bedarfsgemeinschaften, die Leistungen nach SGB II beziehen, sind rund 2,2 Millionen Einpersonenbedarfsgemeinschaften, was 78 Prozent entspricht. ({0}) Der Vertreter der Bundesagentur hat bei uns unter Berufung auf Stellungnahmen und Aussagen der Arbeitsgemeinschaften sehr offen von Fehlanreizen gesprochen. Er sagte wörtlich: Diese Fehlanreize entsprechen für mich auch fast der Lebenswirklichkeit. Wenn ein junger Mensch die Möglichkeit hat, zulasten der Allgemeinheit aus dem elterlichen Haushalt auszuziehen, und seine Haushaltsgründung auch noch von der Allgemeinheit finanziert wird, dann wird das wahrscheinlich von vielen in Anspruch genommen worden sein. Das heißt für uns: Es gibt Missbrauch. Die FPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Zielsetzung, diesen Missbrauch zurückzuführen, nachdrücklich. ({1}) Es geht also darum, Fehlanreize auszuräumen. Es kann nicht sein, dass, wie nach der bestehenden Rechtslage möglich, unter 25-Jährige relativ wahllos die elterliche Bedarfsgemeinschaft verlassen, eine eigene Bedarfsgemeinschaft gründen und für Unterkunft und Heizung zusätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld II Ansprüche geltend machen können. Wir begrüßen daher im Grundsatz die vorgesehene Einbeziehung arbeitsloser Jugendlicher unter 25 Jahren in die elterliche Bedarfsgemeinschaft und auch die vorgesehene Beschränkung, dass unter 25-Jährige nur noch im Ausnahmefall aus der elterlichen Wohnung ausziehen und eine geförderte Bedarfsgemeinschaft gründen können. Allerdings haben wir in diesem Zusammenhang einige Bedenken: Erstens. Es kann nach unserer Auffassung nicht so sein, dass zum Stichtag - dem 17. Februar 2006 - vorhandene Bedarfsgemeinschaften einen weitestgehenden Bestandsschutz genießen und diese Änderungen nur für neu einzurichtende Einpersonenbedarfsgemeinschaften gelten sollen. Wir sind vielmehr der Auffassung, dass im Rahmen der alle sechs Monate stattfindenden Überprüfungen der Anspruchsvoraussetzungen dort, wo es möglich und sinnvoll ist - es wird nicht überall möglich und sinnvoll sein -, auf die Rückeingliederung in die familiäre Bedarfsgemeinschaft gedrungen wird; wenn erforderlich - auch mit Blick auf bestehende Mietverträge - auch mit Toleranzfristen. Aber der Grundsatz muss klar sein. Ansonsten käme es zu einer dauerhaften Belohnung der Findigen. Das darf nicht sein. Denn wie wollen Sie einem Sozialhilfeempfänger klar machen, dass er seine Wohnung wegen Fehlbelegung räumen soll, wenn ein unter 25-Jähriger auf Dauer in einer solchen leben darf? Hier gibt es aus unserer Sicht Handlungsbedarf. ({2}) Zweitens. Die vorgesehene Genehmigungsregelung, wonach der Betroffene aus schwer wiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, wird in der Verwaltungspraxis sehr schwer zu handhaben sein und die Mitarbeiter der Bundesagentur und der Arbeitsgemeinschaften erneut vor Probleme stellen. Das gilt auch dann, wenn, wie wir heute im Ausschuss gehört haben, darauf verwiesen wird, dass die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Rechtsprechung der Sozialgerichte, zum Beispiel zum Sozialhilferecht, ausgeformt seien. Es bleibt das Problem, dass die Mitarbeiter in der Agentur und in den Arbeitsgemeinschaften die vorgebrachten Gründe nachprüfen müssen, wofür sie aber nicht ausgebildet sind. Bei der ohnehin bereits bestehenden hohen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter werden auch wohl kaum die Möglichkeit und die Zeit gegeben sein, hier entsprechende Nachschulungen vorzunehmen. Im Ergebnis würde hier eine Prozessflut ausgelöst werden. Dem Ziel, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, dient man damit auf jeden Fall nicht. Das dritte Problem, das wir ansprechen, ist der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der neuen Regelung. Bei der Frage, ob das bereits am 1. Juli 2006 oder erst am 1. Januar 2007 möglich ist, ist die Kakophonie in den Reihen der Koalition komplett. ({3}) Die Union will wohl ein schnelles In-Kraft-Treten. Herr Müntefering, die Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums hat gestern erklärt, das Gesetz könne erst zum 1. Januar 2007 umgesetzt werden; früher sei die Umsetzung nicht möglich. Da auch die Bundesagentur darauf hinweist, dass Umgehungslösungen bezüglich der nicht anwendbaren Software in diesem Fall wohl nicht möglich sein werden, kann man hier nur sehr deutlich vor zu viel Optimismus warnen. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass man sehr optimistisch an Dinge herangegangen ist und dass die Verfahren in der Praxis dann nicht sauber durchgeführt werden konnten. Das alles klingt für uns nicht sonderlich ermutigend. Schließlich warnen wir auch noch vor Missbrauchstatbeständen, die sich aus der Zusicherung nach § 22 Abs. 2 a des Entwurfs ergeben könnten. Hier gibt es ein großes Interesse der abgebenden Träger, einen Umzugskostenzuschuss zu gewähren. Ich sage: Wenn sich der Arbeitslose an seinem neuen Wohnort wohl fühlt, dann wird es nur sehr schwer möglich sein, einen Rückumzug auf den Weg zu bringen. Das hätte für die verschiedenen Träger aber dauerhafte Folgen in der einen und in der anderen Weise. Insgesamt stellen sich hier also viele Fragen. Wir sind aber bereit, an dem grundsätzlichen Ziel der Korrektur der Fehlanreize mitzuwirken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Bundesregierung hat nun der Herr Bundesminister Franz Müntefering das Wort. ({0})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man ein großes Gesetzgebungswerk wie die Schaffung der Grundsicherung in Bewegung setzt, dann ist ganz klar, dass man beobachtet, was daraus wird, und dass man dann auch Konsequenzen daraus zieht und Veränderungen vornimmt, wenn sich dies als nötig erweist. Das tun wir. Ich gehe davon aus, dass wir am Freitag dieser Woche das SGB-II-Änderungsgesetz im Deutschen Bundestag beschließen werden. Es gibt einige Punkte darin, die ich ansprechen möchte. Punkt 1 des Gesetzes ist eine Mehrausgabe. Es geht dort um die Anhebung der im Osten zu zahlenden ALGII-Beträge auf das Westniveau. Das steht darin. Das tritt zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft. Dadurch entstehen in diesem Jahr Kosten in Höhe von 220 Millionen Euro. Im nächsten Jahr gilt das dann voll. Nun bin ich ganz gespannt, was Sie am Freitag tun werden, ob Sie dem Gesetz zustimmen oder nicht; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie diese Anhebung des Betrages vom Ostniveau auf das Westniveau nicht wollen. Ehe man sich hier also derart zu Wort meldet, sollte man sich überlegen, welcher Zusammenhang da eigentlich besteht. Wir warten also gespannt darauf, was am Freitag passiert und wie Sie sich dabei verhalten. ({0}) Es gibt aber auch andere Punkte, bei denen wir versuchen müssen, einzusparen. Die Erfahrung des Jahres 2005 war, dass die Bestimmungen des Gesetzes gedehnt worden sind. Ich gebrauche ausdrücklich nicht das Wort „missbraucht“; denn das, was da passiert ist, war nach dem Gesetz möglich. Wir als Gesetzgeber müssen sagen, dass wir uns da korrigieren und darauf achten müssen, dass die entstehenden Kosten nicht über Gebühr über das Ziel hinausschießen. Was waren die Probleme? Es haben sich neue Bedarfsgemeinschaften gebildet, und zwar in erheblichem Maße durch die ganz jungen Menschen, die 18-, 19- und 20-Jährigen, die aus ihrem elterlichen Verbund ausgezogen und in eine eigene Wohnung gezogen sind. Damit waren sie eine eigene Bedarfsgemeinschaft und erhielten 100 Prozent ALG II. Auch die Einrichtung für ihre Wohnung wurde in hohem Maße bezuschusst und dazu werden natürlich auch die Wohnkosten finanziert. Es hat sich herausgestellt, dass dies eine große Gruppe ist und dass an dieser Stelle eine Menge Kosten entstanden sind, die wir nicht gewollt haben. So war das nicht gemeint. Das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein; denn die Kosten, die dort entstehen, müssen natürlich von den Steuerzahlern insgesamt getragen werden. Diese Situation nehmen wir auf, um sie zu korrigieren. Wir haben im Verlauf des Jahres auch festgestellt: Die Tatsache, dass jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren, die zu Hause wohnen bleiben, 100 Prozent statt 80 Prozent des Regelsatzes gezahlt wird, ist mit deren Situation nicht vereinbar; denn in einer Familie gibt es keine doppelten Haushaltskosten. Deshalb können an dieser Stelle Korrekturen stattfinden. ({1}) Wenn man das so macht, wird man im Jahr der vollen Wirksamkeit 500 bis 600 Millionen Euro sparen. ({2}) Es wird dann so sein, dass die Bedarfsgemeinschaften, die sich durch Umzug bilden, nur noch möglich sind, wenn es dafür gute Gründe gibt. Das kann die Notwendigkeit sein, in eine andere Stadt umzuziehen. Das können aber auch schwerwiegende soziale Gründe sein, etwa Verwerfungen in der Familie, die zwangsläufig dazu führen, dass der junge Mensch auszieht. Das hat es im Bereich der Sozialhilfe schon gegeben. Diese Entscheidungen muss man vor Ort individuell treffen. Solche Ausnahmesituationen gibt es. Aber es darf eben nicht mehr die Regel sein, dass 18- oder 19-Jährige von zu Hause ausziehen, sich eine eigene Wohnung nehmen und die Kosten dafür von der Gemeinschaft aller getragen werden, wie wir das im Jahre 2005 erlebt haben. Es gibt also diese Regel und es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Es wird auch in Zukunft so sein, dass diejenigen, die im elterlichen Verbund wohnen bleiben, nicht 100 Prozent, sondern 80 Prozent des ALG II bekommen. Die Frage ist: Wann wird das umgesetzt? Aufgrund von technischen Problemen hat die BA mitgeteilt, dass dies vernünftigerweise erst zum 1. Januar des nächsten Jahres umgesetzt werden könne. Dies hat sich auch in den Zeitungsmeldungen vom heutigen Tag niedergeschlagen. Aber darüber kann man ganz offen sprechen. Wir in der Koalition haben heute im Ausschuss entschieden: Wir wollen diese Regelung ab dem 1. Juli umsetzen. Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestages am Freitag wollen wir der Agentur signalisieren, Druck zu machen und sich zu beeilen, da die Umsetzung dieser Regelung nicht unnötig lange dauern soll. Ich glaube, dass diese Entscheidung vertretbar und richtig ist. Nun muss man versuchen, diese Regelung ab dem 1. Juli umzusetzen. Dies kann auch dadurch geschehen, dass man sich überlegt, mit welcher anderen Methode als nur mit der vorhandenen Technik diese Dinge umgesetzt werden können. Wir wollen, dass dies so schnell wie möglich realisiert wird. Wichtig ist - da stehe ich im Widerspruch zu dem, was Herr Kolb von der FDP gesagt hat -: Diejenigen, die auf legale Weise eine Bedarfsgemeinschaft gegründet haben und in eine eigene Wohnung gezogen sind, werden wir dort lassen. Es macht überhaupt keinen Sinn, so zu tun, als ob diese Menschen diese Regelung missbraucht hätten. Das Gesetz bot diese Möglichkeiten. Dies wird korrigiert. Aber die jungen Menschen, die bereits eine eigene Wohnung haben, werden in ihrer Bedarfsgemeinschaft bleiben können. Man kann sich hier viele Tausend Einzelfälle vorstellen. Darüber haben wir in den letzten Tagen in allen Fraktionen hinreichend diskutiert. Einen Teil dieser Einzelfälle wird man vor Ort zu klären haben. Die große Menge derer, die bereits in einer eigenen Bedarfsgemeinschaft leben, wird da bleiben. Aber in der Zukunft wird das anders gehandhabt werden. Ich glaube, es ist vernünftig, hier etwas zu ändern. Ich will abschließend sagen: Mindestens so wichtig wie das Thema, das wir hier jetzt behandeln, ist, dass wir die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, noch konzentrierter und energischer dafür einsetzen, den jungen Menschen eine Chance zu geben, in Ausbildung, Qualifizierung oder Beschäftigung zu kommen. ({3}) Wir in der Koalition haben uns vorgenommen, zu erreichen, dass junge Menschen maximal drei Monate arbeitslos sind und dass sie in den Argen oder in den optierenden Gemeinden so intensiv betreut werden, dass sie innerhalb dieser drei Monate Ausbildung, Qualifizierung oder Beschäftigung finden. Wenn man das erreicht, beantwortet das übrigens auch einen Großteil der Frage: Was passiert mit denen, die arbeitslos sind, und wie wird deren Lebensweg aussehen? Es ist nicht gut, wenn wir als Staat jungen Menschen Arbeitslosengeld-II-Karrieren finanzieren, sondern es ist besser, wenn wir das Geld dafür einsetzen, diesen Menschen eine Chance zu geben, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Die Dauer der Arbeitslosigkeit junger Menschen beträgt zurzeit in Deutschland im Schnitt 4,4 Monate - damit sich auch da das eine oder andere Gerücht ein bisschen relativiert. Im europäischen Vergleich stehen wir so schlecht nicht da. Deutsche Jugendliche in der Altersklasse zwischen 18 und 25 Jahren sind im Schnitt 4,4 Monate arbeitslos. Das muss an vielen Stellen besser werden - das wissen wir -, aber ich sage Ihnen: Das Geld, das wir einsparen wollen, geht den Jugendlichen nicht verloren. Wir werden es dafür einsetzen, diesen Jugendlichen noch stärker als bisher zu helfen, um in vernünftiger Weise Qualifizierung, Ausbildung und letztlich eine Arbeit zu bekommen. Insofern bin ich ganz sicher: Das, was wir machen, ist ein vernünftiger Weg in die richtige Richtung. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich erteile das Wort der Kollegin Brigitte Pothmer, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Müntefering, dass jetzt auch ein sozialdemokratischer Arbeitsminister junge ALG-II-Empfänger zumindest als potenzielle Schmarotzer ansieht ({0}) und damit relativ umstandslos an die Töne des nordrhein-westfälischen Sozialministers Karl-Josef Laumann anknüpft, finde ich enttäuschend. ({1}) Letzterer hat schon im Herbst vergangenen Jahres festgestellt - das sage ich an die CDU/CSU gewandt -, es gehe nicht an, dass ganze Schulklassen eigene Wohnungen anmelden, um Anspruch auf ALG II zu bekommen. ({2}) - Das ist Ihre Auffassung; so betrachten Sie diese jungen Leute. - In der Grobfassung dieser Rede wird dann von Missbrauch geredet. Für die Feinnervigen - dazu gehören sicherlich Sie, Herr Müntefering - wird dann davon gesprochen, dass die große Koalition die Familie als Verantwortungsgemeinschaft stärken will. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die vorgesehenen Änderungen nicht auf Kinder beziehen. Es geht dabei um junge Staatsbürger, von denen wir auch ziemlich viel verlangen. ({3}) Sie sind volljährig. Sie müssen die Wehrpflicht ableisten. Sie sind voll geschäftsfähig. Sie sind straffähig und - auch daran will ich Sie erinnern - sie haben Gott sei Dank das Wahlrecht. Diese jungen Leute sollen sich jetzt wieder in die Haushalte ihrer Eltern einfügen. ({4}) Ich will gar nicht leugnen, dass auch wir einen gewissen Handlungsbedarf sehen. ({5}) Wenn junge Leute im Haushalt ihrer Eltern leben, bin ich ebenfalls der Auffassung, dass die Generalkosten nicht mehrfach anfallen und anders aufgeteilt werden können wie bei anderen Erwachsenen auch. ({6}) Aber dann frage ich Sie: Warum bekommen diese jungen Leute unter 25 nicht wie andere Erwachsene auch 90 Prozent der Regelleistung? Es gibt schließlich nicht mehr den Haushaltsvorstand, der 100 Prozent bekommt, während alle anderen 80 Prozent bekommen. Das SGB II sieht eine gleichberechtigte Behandlung vor. Das bedeutet dann eben auch 90 Prozent der Regelsätze für beide Partner. Das sollte dann auch für unter 25-Jährige gelten. ({7}) Herr Laumann, den ich bereits zitiert habe, hat von einer Auszugslawine gesprochen, die angeblich unter den 18- bis 25-Jährigen stattgefunden hat. Das ist gefühltes Wissen. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. Belastbare Daten gibt es dafür nicht. ({8}) Im Gegenteil: Es gibt deutliche Indizien für eine Entwicklung in die umgekehrte Richtung. ({9}) In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, in denen nur eine Person lebt, vom Februar bis zum September 2005 um 0,2 Prozent zurückgegangen. ({10}) Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es ist nicht das politische Ziel der Grünen, 18-Jährigen aus Steuermitteln ihre erste eigene Bude zu finanzieren, wenn dazu keine Notwendigkeit besteht. Das ist auch nicht unser Ziel. Aber die von Ihnen in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Korrekturen widersprechen jeder Vernunft. Denn nach Ihren Vorstellungen müssen junge Menschen nicht nur ihren Erstauszug genehmigen lassen; vielmehr müssen sie in der Folge jeden Umzug genehmigen lassen. ({11}) Stellen Sie sich einmal vor, ein junger Mensch aus den neuen Bundesländern zieht nach Stuttgart, weil er dort einen Arbeitsplatz gefunden hat. Wenn er diesen wieder verliert und sich deshalb eine billigere Wohnung suchen will, dann braucht er dafür wieder eine Genehmigung. Dann hat der kommunale Träger erneut das Recht, ihm die eigene Bedarfsgemeinschaft zu verweigern. Das bedeutet eine Rückabwicklung zum Einchecken in das Hotel Mama. Vielleicht hat das Hotel Mama aber in der Zwischenzeit längst dichtgemacht, weil sich die Eltern bereits auf die neue Situation eingestellt haben und eine kleinere Wohnung genommen haben. ({12}) Das, was Sie hier machen, stärkt in keiner Weise die Verantwortungsgemeinschaft. Sie überfordern die Familie als Solidargemeinschaft. ({13}) Das vertreibt die jungen Leute eher aus den Haushalten der Eltern, also genau von dort, wo Sie sie halten wollen. Das, was Sie hier anzetteln wollen, nenne ich eine Stubenhockerkampagne. Sie wollen eine Renaissance der Heimschläfer einleiten. ({14}) Um Ihr Vorhaben sollte man ein großes Schild hängen, auf dem steht: Ins Leben eintreten verboten; Eltern haften für ihre Kinder! ({15})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, kommen Sie allmählich zum Schluss.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. Herr Müntefering, das Versprechen, jungen Menschen umgehend einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsplatz anzubieten, ist nicht eingelöst worden. ({0}) Das ist das Kernproblem; dieses sollten Sie lösen. Aber Sie zetteln hier Scheindebatten an, die niemandem nutzen, auch nicht den Jugendlichen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich danke Ihnen. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich erteile das Wort der Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beim Zuhören der Rede der Kollegin Pothmer - man konnte ja nicht weghören ({0}) fiel mir ein Satz unseres ehemaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer ein, der einmal sagte: „Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont.“ ({1}) Jedenfalls habe ich die Rede von Herrn Bundesminister Müntefering vollkommen anders verstanden, Frau Pothmer. Man kann aber auch mit dem Bonmot eines Schriftstellers sagen, dass häufig diejenigen, die laut schreien, heiser sind, wenn sie bekennen müssen. Ich glaube, auch darum geht es heute. Frau Pothmer, im Gegensatz zu Ihnen kann ich bestätigen, was der Bundesminister gesagt hat. Ich lebe in einem ländlichen Raum. Bei uns waren bislang gemeinsame Haushalte die Regel. Aber im letzten Jahr ist auch bei uns die Zahl der Singlehaushalte schlagartig explodiert. Es war, als hätte die ganze Welt auf einmal die Freuden des Alleinlebens entdeckt. Das betraf vor allem die Haushalte, die ALG II beziehen. Nicht nur im Landkreis Leer - aus diesem komme ich und dort habe ich mich informiert; das hätte Ihnen sicherlich ebenfalls gut angestanden ({2}) stieg ihre Zahl um mehr als 40 Prozent. Vielmehr war landauf, landab die Geschichte von der wundersamen Vermehrung der Bedarfsgemeinschaften zu hören. ({3}) Da waren nicht nur die nicht ehelichen Lebensgemeinschaften, in denen zwar die Liebe nicht endete, die aber seltsamerweise ihre gemeinsamen Haushalte auflösten. Vielmehr gab es auch Jugendliche, die ihre Sachen packten, und zwar auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist gut so, Frau Kollegin, wenn es um die Eingliederung in den Arbeitsmarkt geht. Das ist gut so, wenn das Familienleben zu Hause unerträglich ist. In diesen Fällen ist der Staat, ist die Allgemeinheit gefordert, den betroffenen Jugendlichen zu helfen; denn sie sind dann hilfsbedürftig. ({4}) Das war bislang der Fall und das wird weiterhin so sein. Auch zukünftig übernimmt die Allgemeinheit die Kosten der Unterkunft, wenn ein Grund für einen Erstwohnungsbezug vorliegt. Aber zukünftig muss die Arbeitsgemeinschaft oder die optierende Kommune vorher zustimmen. Die jungen Arbeitslosen, die bei den Eltern wohnen bleiben, erhalten nur noch 80 Prozent der Regelleistung. Das ist leicht zu berechnen; denn die Kosten einer gemeinsamen Wohnung sind nun einmal nicht so hoch wie die mehrerer Haushalte. Die Gegner dieser Pläne hatten ihr Urteil schnell gefällt. Wenn man im Internet chattet, dann stellt man fest, dass dort die Rede vom Aushungern junger Hartz-IVEmpfänger sowie von Jugendlichen zweiter Klasse ist. Meine Damen und Herren von der Linken, das ist aus meiner Sicht Pathos pur. Große Worte, aber ohne jede Substanz! ({5}) Frau Pothmer, Sie hätten sich ebenso wie ich mir die Mühe machen sollen, sich vor Ort zu informieren. In den Ämtern hätten Sie gehört, dass es auch Mitnahmeeffekte gibt. Beispielsweise kursieren an den Gymnasien in meinem Landkreis inzwischen Formulare mit dem Titel „Das Recht auf eine kostenfreie Bude“. Diese Formulare werden bei den Ämtern vorgelegt. Sie hätten gehört, dass der Abschluss von Mietverträgen in Familien auf einmal Konjunktur hat. Da wird schon einmal die Einliegerwohnung von den Eltern an die Kinder vermietet. Die Versuche der Kommunen, auf die Unterhaltsverpflichtung der Eltern hinzuweisen, scheitern spätestens vor Gericht. Es gilt die Überleitung: Der Staat soll doch versuchen, sich die Miete bei den Eltern zu holen. Deshalb wünschen sich zum Beispiel die Landkreise in meinem Wahlkreis die beabsichtigte Gesetzesänderung, sorgt sie doch auch für Klarheit bei den Sozialgerichten. ({6}) Das Angebot zum Alleinwohnen auf Kosten der Steuerzahler findet reißenden Absatz, allerdings mit unerwünschten Nebeneffekten. Die Kosten explodieren. Aber es geht um mehr als Geld. Es geht hier auch um die Frage, was sich der Sozialstaat noch leisten kann und soll. ({7}) Ist es die Aufgabe der Solidargemeinschaft, den Start in ein eigenständiges Leben zu finanzieren? Werden Volljährige, die bei ihren Eltern wohnen, zu Erwachsenen zweiter Klasse? Wohl kaum. Der staatlich finanzierte Auszug von zu Hause ist kein Menschen- oder Bürgerrecht. Es geht hier übrigens auch um Fragen der Gerechtigkeit. Ist es gerecht, wenn Jugendliche, die nicht arbeiten, genauso viel erhalten wie Jugendliche in der Ausbildung? Der ALG-II-Satz von 345 Euro liegt über dem, was in vielen Ausbildungsberufen verdient wird. Ein Bauzeichner in Ostfriesland bekommt im ersten Lehrjahr 311,88 Euro, eine Floristin 321 Euro. Wer ist denn jetzt der Jugendliche zweiter Klasse, meine Damen und Herren von der Linken? Keiner mehr als der andere. Das Signal ist für beide verheerend, sowohl für den jugendlichen Arbeitslosen als auch für den Auszubildenden, nämlich dass sich Arbeit nicht mehr lohnt. Ist es gerecht, dass die ursprünglich gedachte Unterstützung inzwischen zum Blankoscheck geworden ist, der von den einen ausgegeben, aber von den anderen gezahlt werden muss? Ich spreche hier von vielen Millionen Normalverdienern. Ich selbst habe eine Lehre als Einzelhandelsverkäuferin gemacht. Nach dem aktuellen Tarifvertrag beträgt das Monatsgehalt einer Vollzeitverkäuferin in Sachsen-Anhalt nach sieben Berufsjahren 1 987 Euro Brutto. Meine früheren Kolleginnen stehen dafür bei Wind und Wetter auf und arbeiten. Ist es gerecht, dass die Eigenständigkeit junger Menschen staatlich finanziert wird und nicht mehr von der Familie? ({8}) Hier geht es nicht um die Frage der Emanzipation junger Menschen, sondern auch um die Frage der Entsolidarisierung von Familien. ({9}) Wenn Sie meinen, Eltern könne man nicht zumuten, für ihren 20-jährigen Sohn aufzukommen, dann haben Sie aus meiner Sicht ein ganz merkwürdiges Verständnis von einer solidarischen Gesellschaft. Am Ende dieser Aktuellen Stunde bleibt für mich ein schaler Beigeschmack. ({10}) Denn Ihre fragwürdige Fähigkeit - sowohl bei der Linken als auch leider bei der Kollegin von den Grünen -, größte Worte zu machen, hilft allenfalls Ihnen bei Landtagswahlen, aber nicht den Betroffenen. Ich bitte Sie: Pathos eignet sich nur für das Theater, aber nicht für das Plenum. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Jörn Wunderlich, Fraktion Die Linke. ({0})

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass ich nicht mehr in Ostfriesland lebe, wo es so schlimm ist. Zwangsfamilie. Wir alle in diesem Hohen Haus sprechen uns gegen Zwangsehen bzw. Zwangverheiratungen aus und Sie wollen durch die Novellierung des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt durch die Hintertür wieder Zwangsfamilien einführen. Sieht so die Förderung von Familie aus? ({0}) - Hören Sie mir einmal zu! Es wird noch besser. ({1}) Die Ausdehnung der Bedarfsgemeinschaft auf die unter 25-Jährigen und die Einschränkungen beim Erstwohnbezug sind völlig überzogen. Das sagt übrigens auch der DGB. Ich weiß nicht, wer von Ihnen bei der Expertenanhörung war. Ich war dabei und habe sie mir angehört. Es wird seitens der Regierung von ständigem und massivem Missbrauch dieser Altersgruppe gesprochen und mit Zahlen herumgeworfen. Woher kommen diese Zahlen? Diese Zahlen gibt es überhaupt nicht. In der Expertenrunde ist gesagt worden, dass es keine belegbaren Zahlen gibt. Ich war bei den Arbeitsgemeinschaften bei mir zu Hause im Kreis. Auch dort ist gesagt worden: Wir haben keine Zahlen. - Es gibt keine Hinweise auf Missbrauch durch diese Altersgruppe. Das ist erstunken und erlogen. ({2}) Sie haben als hehres Ziel benannt, junge Arbeitslose unter 25 keine drei Monate in der Arbeitslosigkeit zu belassen. Daran sollten Sie arbeiten; das ist das Ziel. Sie sollten die Betroffenen aber nicht weiter schröpfen und bluten lassen. Von der Schaffung von Arbeitsplätzen wird hier überhaupt nicht mehr gesprochen. Es geht doch nur um die Verwaltung von Arbeitslosen bei gleichzeitiger Kostendämpfung. Bestes Beispiel ist die Senkung der Bemessungsgrundlage für die Beitragsberechnung der Renten von ALG-II-Empfängern. Wenn seitens der CDU festgestellt wird - ich zitiere -, „dass die Kosten so explodiert sind, dass gehandelt werden muss“, dann ist es endlich an der Zeit, zuzugeben, dass die Berechnungen zur Hartz-Gesetzgebung verfehlt waren. Aber diese Größe fehlt der Koalition. Wie gehabt, sollen diese Fehler auf dem Rücken der Betroffenen ausgeglichen werden, und das durch weitere Eingriffe in Bürgerrechte. ({3}) Das heißt, es kommt wieder zu Leistungsbeschneidungen, Verdrängungseffekten und Repressionen. Aber was kümmert das unseren Arbeitsminister? In diesem Zusammenhang möchte ich einmal an das Godesberger Programm erinnern, in welchem es unter anderem heißt - ich zitiere -: Die Sozialisten erstreben eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten und als dienendes Glied der Gemeinschaft verantwortlich am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Menschheit mitwirken kann. ({4}) Noch im Berliner Programm von 1989 heißt es: Die Sozialdemokratie führt die Tradition der demokratischen Volksbewegungen des neunzehnten Jahrhunderts fort und will daher beides: Demokratie und Sozialismus, - hört! Selbstbestimmung der Menschen in Politik und Arbeitswelt. ({5}) Zurück zum SGB II. Aus meiner Sicht will die Koalition das SGB II nur aus fiskalpolitischen Erwägungen ändern. Lebenslagen von Betroffenen werden überhaupt nicht berücksichtigt. ({6}) Hier wird doch wieder nach dem Motto verfahren: Rechnet sich das überhaupt? Eine solche Politik ist weder kinder- noch familienfreundlich; sie kann es nicht sein. Das habe ich bereits Anfang Dezember in diesem Hause an diesem Pult gesagt und dazu stehe ich noch immer. ({7}) Dass es auch andere Stimmen dazu gibt, vornehmlich die der Arbeitgeberverbände, wundert mich gar nicht. Vorrangig scheinen sie von dieser Änderung keine Vorteile zu haben. Denkt man aber einmal weiter und verliert man die Gesamtzusammenhänge nicht aus den Augen, stellt man schnell fest, dass sich alles zu einem bestimmten Bild zusammenfügt: Wenn junge Menschen ohne Chance auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz finanziell so weit drangsaliert werden, dass sie auch bereit sind, im Niedriglohnsektor zu arbeiten, dann entlastet dies letztlich die Statistik der BA. ({8}) Und: Die Arbeitgeber stehen nicht mehr so sehr unter dem Erfolgsdruck - Sie waren dabei, als all diese Programme aufgelegt wurden -, ihrem nicht eingelösten Versprechen aus dem Bündnis für Arbeit nachzukommen, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Im Gegenteil: Die Arbeitgeber werden in die Lage versetzt, die Löhne noch weiter zu drücken. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage - ich warte wirklich auf eine Antwort -: Wann kommt endlich der Vorschlag der Regierung, die Senioren ab 65 oder demnächst ab 67 wieder in die Haushalte der Kinder zu integrieren, natürlich unter Anrechnung der Einkommen der Familie auf die Rente? ({9}) Das spart Renten und Wohnkosten, schafft gegebenenfalls auch kostenlose Kinderbetreuung. ({10}) Das Modell des Mehrgenerationenhauses hat sich dann automatisch erledigt. Der Kollege Dobrindt hat hier am 10. Februar erklärt - Zitat -, „dass junge Menschen mehr Freiheit und Selbstbestimmung brauchen“. ({11}) - Da hat er Recht -. Das ist hoffentlich nicht so zu verstehen, dass junge Menschen ab 18 wählen dürfen oder als Soldaten ins Ausland geschickt werden können. ({12}) Es lebe der Sozialstaat! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich erteile das Wort der Kollegin Angelika KrügerLeißner, SPD-Fraktion.

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss daran erinnern, dass wir die Frage, wie wir Jugendliche unter 25 künftig fördern werden, in ein Paket der Änderungen an Hartz IV eingebettet haben. Manche vergessen das. Ich bin froh, dass der Minister zu Beginn seiner Rede gesagt hat: Es ist ein sehr positives Gesetz - das hat überhaupt nichts mit Kürzungen zu tun -, zum Beispiel für die Menschen in Ostdeutschland. Die jetzt vollzogene Angleichung des Arbeitslosengeldes in Ost und West ist ein Gewinn, auch für die jungen Leute. ({0}) Da frage ich mich: Wie können hier einige allein von Kürzungen reden? Die Frage der Förderung junger Menschen ist ein zentraler Punkt der Sozialreform. Gerade durch die Zusammenlegung des Fürsorgesystems haben wir für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch für die jungen Leute, bessere Chancen erreicht, auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Wir haben die Grundsicherung eingeführt. Alles das dürfen wir nicht vergessen. Wir sind im 14. Monat der Umsetzung eines sehr weit reichenden Gesetzes, das vielleicht sogar ein Jahrzehnt braucht, um seine volle Wirkung zu entfalten. Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Es hat sich gezeigt, dass es Fehlentwicklungen gibt und dass wir gewünschte Effekte nicht erreichen können. Also ist es doch nur richtig, wenn wir rechtzeitig darangehen, das zu ändern. Ich will auch noch einmal an Folgendes erinnern: Wir haben schon im Herbst darüber diskutiert. Das ist überhaupt kein neues Thema. ({1}) Dieses Thema war in den Kommunen gegenwärtig. Wenn Sie in eine Arge oder in eine Optionskommune gegangen sind, haben Sie gehört, welche Veränderungen sich da ergeben haben und dass die Kosten enorm gestiegen sind. ({2}) - Ja. Aus diesem Grunde sind wir an die Analyse gegangen, haben diesen Änderungsvorschlag eingebracht und handeln auch. Wir korrigieren die Fehlentwicklung, ohne dabei Härten zu schaffen. Was die bisherige Regelung für junge Erwachsene unter 25 Jahre angeht, so haben wir eine Situation geschaffen, die in hohem Maße Mitnahmeeffekte zur Folge hat - meine Vorrednerin aus der Union hat dazu gesprochen -, übrigens in Ost und West; hierbei gibt es keine Unterschiede. Falsch ist meiner Meinung nach, von Missbrauch zu reden. Das tun wir auch überhaupt nicht. ({3}) Das war ganz legal. Die Regelungen sind von den jungen Leuten genutzt worden. Aber das Nutzen der Möglichkeiten des SGB II hat hohe Kosten für die Allgemeinheit mit sich gebracht. Die Gelder dafür sollten aus meiner Sicht für andere Dinge zur Verfügung stehen. ({4}) Für mich ist es wichtiger, dass wir Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt fördern. Das ist die Hauptaufgabe. Ich habe die Sorge, dass wir dieses Ziel nicht erreichen, wenn wir die vorgesehene Änderung nicht vornehmen. Wir sind auf dem Weg, das Ziel zu erreichen, innerhalb von drei Monaten Jugendlichen ein Angebot zu machen und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Aber wir haben es noch nicht erreicht. Mit der Umsteuerung sind wir auf einem besseren Weg. ({5}) Was die Förderung junger Menschen betrifft, müssen wir wie in jedem anderen Politikbereich ganz selbstverständlich sagen: Wir müssen Prioritäten setzen. Wir können zwar alles wünschen - wir haben hier auch die Wunschpartei -, aber wir können nicht alles leisten. Ich möchte, dass wir denjenigen helfen, die Hilfe brauchen, die bedürftig sind. ({6}) Sie sollen unsere Unterstützung bekommen. Das gewährleistet die vorgesehene Regelung. Dass der Schritt notwendig ist, zeigt der Blick auf die Zahlen. Wir können hier nicht von Einzelfällen sprechen. Wir haben festgestellt, dass 58 Prozent der Bedarfsgemeinschaften Einpersonenhaushalte sind. Der Anstieg der Zahl dieser Haushalte ist wesentlich gravierender als der der Zahl der Mehrpersonenhaushalte. Das lässt die Kosten natürlich explodieren. Wenn wir da nicht eingreifen, setzen wir weiterhin Geld ineffektiv ein und werden dieser Entwicklung nicht Einhalt gebieten können. Den Kritikern der vorgesehenen Regelung kann ich nur sagen: Gehen Sie vor Ort! ({7}) Gehen Sie in die Verwaltungen, in die Optionskommunen, in die Argen! Wenn Sie mit den Leuten dort reden, werden Sie von denen die Erwartung hören, dass wir gegensteuern. Sie wollen das. Auch die öffentliche Debatte läuft so. Die Menschen verstehen Ihr Anliegen überhaupt nicht. Wahrscheinlich sind Sie so weit weg von der Lebenswirklichkeit, dass Sie das nicht mehr wahrnehmen können. ({8}) Ich glaube auch, dass wir den Mitarbeitern vor Ort vertrauen können. Sie haben bisher sehr sachgerecht entschieden. Sie haben Erfahrungen im Umgang mit dem Sozialrecht. Ich glaube, dass wir mit der Regelung, die wir vorsehen, um Härtefälle auszuschließen, also mit der Stichtagsregelung, in der Zukunft vernünftig umgehen können. Klar ist: Es wird keine Zwangsräumung geben. Es wird keinen Zwangsumzug geben. Die jungen Leute, die einen eigenen Hausstand gegründet haben, werden ihn auch behalten können. Bei künftigen Härtefällen wird es wie in jedem anderen Sozialfall zu einer Einzelfallentscheidung kommen. Es wird nach wie vor junge Leute geben, die aufgrund einer solchen Entscheidung einen eigenen Hausstand gründen, in eine eigene Wohnung umziehen und 100 Prozent des Regelsatzes erhalten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Und das gilt einheitlich in Ost und West. Das wollte ich zum Schluss nur noch einmal sagen. Das ist nämlich eigentlich der wichtigste Punkt in unserem Gesetz. Ich denke, wenn wir zukünftig jungen Menschen echte Chancen geben wollen - darauf sollten wir uns konzentrieren -, dann müssen wir effektiver in Ausbildungsmöglichkeiten und Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt investieren. Das ist zukunftsorientiert. Danke. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Karl Schiewerling, CDU/CSU-Fraktion.

Karl Schiewerling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003839, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Leistungen des SGB II sind eine Grundsicherung, nicht mehr und nicht weniger. Sie wollen Menschen fördern und fordern, nicht mehr und nicht weniger. Davon sind auch junge Menschen betroffen. Wir gehen davon aus, dass an diejenigen Kinder, die bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres im Haushalt ihrer Eltern gelebt haben, nicht plötzlich mit Vollendung des 18. Lebensjahres höhere Ansprüche von ihren Eltern gestellt werden, indem sie an den Generalkosten des Haushaltes, beispielsweise für Miete, Versicherung und Haushaltsgeräte, beteiligt werden. Deswegen wollen wir ihre Ansprüche auf 80 Prozent der Regelleistungen reduzieren. ({0}) Meine Damen und Herren, man darf - das ist vorhin schon angeklungen - den Regelsatz nicht isoliert betrachten, sondern muss die Gesamtheit der Hilfen sehen, die der Staat jungen Menschen gewährt. Dazu zählen zum Beispiel Integrationshilfen wie berufsvorbereitende Bildung, Möglichkeiten zum Erwerb von Einstiegsqualifikationen usw. Wir wollen, dass junge Menschen in Ausbildung und dann in Arbeit kommen. Dass die Eingliederungsmaßnahmen fruchten, belegt übrigens auch die Zahl arbeitsloser jungen Menschen. Diese ist nämlich gesunken. Nachdem der statistische Sondereffekt durch Hartz IV ihre Zahl in den ersten Monaten des letzten Jahres noch um etwa 74 000 hat ansteigen lassen, erleben wir nun durch bessere Betreuung und verstärkten Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen einen Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit. Damit bekommen mehr junge Menschen eine Perspektive. Was ist denn im Übrigen daran so schlimm, wenn junge Menschen bis zu ihrem 25. Lebensjahr bei ihren Eltern leben, vor allem dann, wenn der unter 25-Jährige nicht für sich selbst sorgen kann? Gerade dann muss die Familie einspringen. Die Familie muss sich ihrer sozialen Verantwortung für sich selbst und für die eigenen Familienmitglieder bewusst sein. Dieser selbstverständliche Grundsatz muss in der Praxis auch gelebt werden. Es gilt: Erst die Familie und dann der Staat. Allerdings haben Familien dann, wenn sie ihre Aufgaben nicht alleine bewältigen können, ein Anrecht auf Unterstützung. ({1}) Das geschieht auch auf Basis der Regelungen im SGB II. ({2}) Wir kommen nicht weiter, wenn bei jedem Konflikt nach dem Staat gerufen wird. Konflikte zwischen Eltern und jungen Erwachsenen sind das Normalste der Welt. Ich kenne keine Familie, in der es keine Reibereien und Auseinandersetzungen gibt und in der sich die Heranwachsenden nicht auf diesem Weg profilieren. Es gehört nun einmal zu einem Miteinander, dass der Sohnemann die Musik des Vaters ertragen muss und im Gegenzug die Eltern die neueste CD von 50 Cent oder von Eminem - oder wie sie auch immer heißen - schon einmal in voller Lautstärke ertragen müssen. ({3}) - Als Familienvater ist man ja nicht ganz aus der Welt. Das ist noch lange kein Grund, eine eigene Bedarfsgemeinschaft zu beantragen. Es kann nicht sein, dass junge Menschen bei den Leistungsträgern erscheinen und den Anspruch auf eine eigene Wohnung geltend machen, nur weil seit ein paar Tagen dicke Luft im Elternhaus herrscht. Der Automatismus dieses Anspruchsdenkens muss gestoppt werden. ({4}) Wir wissen, dass es im SGB II Ausnahmen von diesem Grundsatz geben muss. Diese haben wir ausdrücklich im § 22 Abs. 2 a so geregelt. Wir verschließen ja nicht die Aufgaben vor außergewöhnlichen Konfliktlagen in Familien. Wenn junge Erwachsene aus Schutzgründen aus dem Elternhaus heraus müssen, sei es wegen häuslicher Gewalt, Missbrauch oder Drogenabhängigkeit, dann kommt der Staat auch weiterhin seiner Fürsorgepflicht nach. Wir haben im Gesetzentwurf die Entscheidung über den Auszug von unter 25-Jährigen, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern nach SGB II leben, den kommunalen Stellen und Arbeitsgemeinschaften zugewiesen. Dabei werden die Jugendämter einbezogen. Diese werden im Rahmen der Gesetze die Rechte der jungen Menschen schützen. Natürlich wollen wir, dass junge Menschen mobil sind. Wer in Kiel mit seinen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft wohnt und einen Ausbildungsplatz in Konstanz bekommt, der wird unterstützt; das steht doch überhaupt nicht infrage. Ich halte es für notwendig, einen ganz wesentlichen Punkt in den Blick zu nehmen, nämlich die Frage: Hat sich eigentlich etwas verschlechtert? Wir haben im SGB XII die Regelung, dass diejenigen, die mit ihren Eltern zusammenleben und einen Anspruch auf Sozialhilfe haben, einen Satz von etwa 238 Euro bekommen. Der abgesenkte Satz im SGB II beträgt 276 Euro. Das sind, wenn ich das richtig sehe, knapp 40 Euro mehr als das, was das SGB XII an Sozialhilfe vorsieht. Ich kann da keine Verschlechterung erkennen. ({5}) Ich bitte Sie sehr herzlich, den Blick auch darauf zu richten, wer das bezahlen muss. Hier sind eindeutige und gute Beispiele genannt worden. Wir müssen daran denken, dass die Erzieherin und die Krankenschwester genauso wie der Arzt und alle anderen, die im Erwerbsleben stehen, über Steuern die Beiträge finanzieren müssen, die wir als Transferleistungen an andere weitergeben. ({6}) Ich halte es für notwendig, das in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass auch in dieser Hinsicht soziale Gerechtigkeit herrscht. Herzlichen Dank. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich erteile das Wort dem Kollegen Gregor Amann, SPD-Fraktion. ({0})

Gregor Amann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003731, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Linkspartei, Sie zeichnen ein Zerrbild der Realität. Wir Sozialdemokraten - und ich vermute, dass ich hier auch für unseren Koalitionspartner sprechen kann - wollen, dass alle volljährigen Menschen frei entscheiden können, ob sie bei ihren Eltern wohnen bleiben oder in eine eigene Wohnung ziehen. ({0}) Aber die Voraussetzung für eine eigene Wohnung ist doch, dass man über ein ausreichendes Einkommen verfügt, um sich diese leisten zu können. ({1}) Deswegen muss unser oberstes Ziel sein, allen Menschen dieses Einkommen zu verschaffen, und zwar indem wir Arbeitslosigkeit, speziell Jugendarbeitslosigkeit, abbauen. Das muss für uns Priorität haben. ({2}) Diese Koalition tut auch einiges dafür. In der Aktuellen Stunde bleibt mir nicht die Zeit, Ihnen das Investitionsprogramm, das wir in Genshagen beschlossen haben und über das 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, im Einzelnen vorzustellen. Sie können im Koalitionsvertrag nachlesen, welche Maßnahmen wir für die nächsten Monate zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen haben. Unser Ziel ist es - der Herr Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen -, dass kein junger Erwachsener länger als drei Monate ohne Arbeit oder Ausbildung bleibt. Das ist das Ziel unserer Arbeitsmarktreformen - nicht Gängelei, wie Sie unterstellen. ({3}) Wenn uns dies gelingt, ist jedem eine freie Entscheidung möglich, wo und wie er wohnt. Deshalb sollten wir alle Kräfte und Ressourcen darauf konzentrieren. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern bedeutet nicht die Garantie einer eigenen Wohnung ab dem 18. Geburtstag. Ich glaube, hier hat Ihnen die Droge des Populismus die Sinne vernebelt. ({4}) Sie wollen die Menschen glauben machen, dass man jeden Euro zweimal ausgeben kann und anschließend noch ein drittes Mal. ({5}) Mit dieser Mathematik kann man Volkswirtschaften in den Ruin treiben; aber es lässt sich keine verantwortungsvolle Arbeitsmarktpolitik machen. Unser Ziel ist es, Menschen aus der Sackgasse von Sozialhilfe und Arbeitslosigkeit herauszuführen, damit jeder selbstbestimmt leben kann. Das ist nicht nur richtig, sondern auch sozial gerecht. Das ist vor allem wichtiger, als an den Symptomen des Einkommensmangels herumzudoktern. Ich glaube, es ist zumutbar, wenn junge Erwachsene ohne eigenes Einkommen, die bis zum 18. Geburtstag bei ihren Eltern gelebt haben, vorübergehend weiterhin dort wohnen müssen, wenn wir alles dafür tun, dass sie so schnell wie möglich in Brot und Arbeit kommen. Das ist das Ziel unserer Politik. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Jetzt hat der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es geradezu unglaublich, wie Linke und Grüne gemeinsam hier verkehrte Welt spielen und den Sozialstaat schlichtweg auf den Kopf stellen. ({0}) Fakt ist: In Deutschland kann jeder junge Mensch, der volljährig ist, von zu Hause ausziehen, eine eigene Wohnung beziehen und einen eigenen Hausstand gründen. Bis zum Jahre 2005 wäre keiner der vielen Jugendlichen, die dies mit Recht gemacht haben, auf die Idee gekommen, dass ihm der Staat die Wohnung finanzieren müsse. ({1}) Selbst in der alten DDR, der Sie von der PDS so sehr hinterhertrauern, wäre kein Jugendlicher auf die Idee gekommen, dass ihm der Staat die Wohnung bezahlen müsse, wenn er von zu Hause auszieht. ({2}) - Gott sei Dank sprechen Sie es auch noch wahrheitsgemäß aus. ({3}) Weil das mit der Finanzierung der eigenen Wohnung so eine Sache ist, bleiben viele Jugendliche auch nach ihrem 18. Geburtstag zu Hause wohnen: viele Tausende Auszubildende, Studenten und junge Berufstätige, die sich noch keine eigene Wohnung leisten können. Jetzt frage ich: Warum soll ausgerechnet der arbeitslose Jugendliche im Gegensatz zu den vielen anderen Tausend Peter Weiß ({4}) Jugendlichen nach Ihrer Auffassung einen Rechtsanspruch darauf haben, dass ihm der Staat eine Wohnung kostenlos zur Verfügung stellt? Wer die Dinge so verdreht, der handelt nicht solidarisch, sondern entsolidarisiert diese Gesellschaft. ({5}) Man muss einmal daran erinnern: Die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II werden aus Steuermitteln finanziert. Diese Steuern müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem sauer verdienten Lohn an den Staat abzweigen. Deshalb sind wir Abgeordnete aufgerufen, mit diesen Geldern sorgsamst umzugehen. ({6}) Ich muss auch prinzipiell daran erinnern: Sozialstaat bedeutet, dass wir mit staatlichen Mitteln dem helfen, der sich nicht selber helfen kann, aber nicht dem, der das Geld gar nicht braucht. ({7}) Deswegen besagt die gesetzliche Regelung, die wir haben und mit diesem Gesetz fortschreiben: Wenn ein junger Mensch, der bislang arbeitslos ist, einen Job oder eine Ausbildungsstelle findet oder wenn es, wie es im Gesetz heißt, „zur Eingliederung in die Arbeitswelt“ notwendig ist, dann zahlt ihm der Staat die Wohnung. Wenn der junge Mensch - auch das steht im Gesetz - „aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern ... verwiesen werden kann“, dann zahlt der Staat ihm die Wohnung. Ich finde, das ist ein großzügiges Angebot. Aber da, wo gar keine Notwendigkeit für einen Auszug von zu Hause besteht, da kann es keinen Hilfeanspruch an den Staat geben. ({8}) Es ist gefragt worden, warum wir das Gesetz überhaupt ändern. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, mit welcher Aufmerksamkeit Sie das, was bei Ihnen im Wahlkreis passiert, verfolgen. Die Städte und Landkreise, die für die Finanzierung der Wohnungskosten von ALG-II-Empfängern zuständig sind, haben sich geradezu mit einem Hilferuf an uns, den Bundesgesetzgeber, gewandt, ({9}) endlich zu handeln. ({10}) Sie mussten nämlich im vergangenen Jahr feststellen, dass junge Leute, die früher nie auf die Idee gekommen wären, von zu Hause auszuziehen, nur deswegen scharenweise ausziehen, weil sie mit dem Verweis auf das SGB II die Finanzierung ihrer Wohnung vom Staat verlangen können. ({11}) Man muss in diesem Zusammenhang an Folgendes erinnern: Das Sozialgesetzbuch II wurde gemacht, damit Langzeitarbeitslose eine Grundsicherung fürs Leben und eine Chance auf Wiedereingliederung ins Arbeitsleben erhalten. Es wurde aber nicht gemacht, um eine Auszugswelle noch nicht verdienender Jugendlicher auszulösen. Deshalb ist es dringend geboten, durch eine Gesetzesänderung das eigentliche sozial- und arbeitsmarktpolitische Ziel des Sozialgesetzbuches II wiederherzustellen ({12}) und dafür zur sorgen, dass das Geld nicht für andere Dinge ausgegeben wird. ({13}) Meine Damen und Herren von der Linken, der PDS, ({14}) und von den Grünen, wer so argumentiert wie Sie heute Nachmittag, betreibt nichts anderes als linkspopulistische Stimmungsmache. ({15}) Er redet nicht vom Sozialstaat. In Wahrheit führen Ihre Argumente dazu, dass Sie sich zum Totengräber des Sozialstaates machen. Dies wollen wir mit einer Gesetzesänderung verhindern. Vielen Dank. ({16})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Wolfgang Grotthaus, SPD-Fraktion. ({0})

Wolfgang Grotthaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003137, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte der PDS bzw. den Linken bestätigen: Ja, mit dem geplanten Gesetz wird der bisherige Besitzstand eingeschränkt. Besser gesagt: Es wird eine Rückführung einer nicht gewollten Entwicklung stattfinden. ({0}) Diese nicht gewollte Entwicklung ist schon von einigen Kolleginnen und Kollegen dargestellt worden. Ich bin doch erstaunt darüber, dass Sie von Basisnähe sprechen. Sie scheinen nicht in den Arbeitsgemeinschaf1312 ten vor Ort, in den Arbeitsagenturen, den Jobcentern oder wo auch immer gewesen zu sein. Informieren Sie sich! Dann werden Sie von dort zu hören bekommen, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften explosionsartig gestiegen ist. Wir haben das Empfinden, dass Sie bei diesem Beispiel den Sozialstaat retten wollen. Er wird hier bestimmt nicht zu retten sein. Wir sehen vielmehr die Notwendigkeit, dass dieser Gesetzentwurf tatsächlich zu einem Gesetz wird. Wie war die Situation bisher? Unabhängig davon, ob junge Menschen unter 25 Jahre zu Hause oder in einem eigenen Haushalt wohnten, bekamen sie 100 Prozent der Regelleistung nach Hartz IV. Dies hatte zur Folge, dass eine beträchtliche Anzahl junger Leute aus dem Elternhaus auszog und einen eigenen Hausstand gründete und dass vom Staat die Ersteinrichtung der Wohnung, die Miete und die Hilfe zum Lebensunterhalt finanziert wurden, und dies - ich sage das bewusst - unabhängig vom finanziellen Status der Eltern. Tatsächlich ist es - das will ich noch einmal betonen - zu einer explosionsartigen Vermehrung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften gekommen. Ich habe das Empfinden, dass Sie nach dem Motto handeln: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Aber die Zahlen sprechen für sich. ({1}) - Machen Sie sich in Ihrem Wahlkreis sachverständig! ({2}) Dann könnten wir die Zahlen einmal miteinander vergleichen. Wie gesagt, man kann der Auffassung sein, dass der Staat diese Kosten zur Selbstverwirklichung junger Menschen zu tragen hat. Wir sind aber nicht dieser Auffassung. Die persönlichen Lebenswünsche sind nicht vom Steuerzahler zu bezahlen. Der Steuerzahler hat vielmehr nur dann einzugreifen, wenn tatsächlich Not besteht, wenn Hilfe notwendig ist und die Gesellschaft in dieser Situation auch helfen kann. Denn alle Mittel, die bisher in diesem Zusammenhang aufzubringen waren, sind Steuergelder. Das muss man auch denjenigen Menschen gegenüber vertreten, die einen Job haben, einen Beruf ausüben, teilweise nur mit 800 Euro nach Hause kommen und sich dann wundern. An anderer Stelle aber werden mit der Finanzierung der Miete, der Ersteinrichtung der Wohnung und dem ALG-II-Geld Leistungen erbracht, die fast so hoch sind wie der Verdienst einer Verkäuferin. Ob das sozial gerecht ist, darüber sollten Sie aus meiner Sicht einmal nachdenken. ({3}) In diesem Fall ist meines Erachtens die Familie gefordert, wenn es möglich ist. Ich bin sehr erstaunt darüber, wie man mit dem Begriff „Solidarität“ umgeht und die Familie dabei ausklammert. ({4}) Die erste Form der Solidargemeinschaft ist die Familie. ({5}) Es geht insgesamt um Hilfeleistungen für Personen, die nicht aus eigener Kraft in der Lage sind, ihren Unterhalt zu erwirtschaften. Ich sage noch einmal: Da ist Solidarität gefragt, und zwar Solidarität von allen: vom Staat dort, wo die Familie aus unterschiedlichen Gründen nicht helfen kann, und von der Familie dann, wenn Hilfe tatsächlich möglich ist. Aus diesem Grund schränken wir das Recht des Erstbezugs einer Wohnung für junge Menschen unter 25 ein. Dies bedeutet, Frau Kollegin Pothmer: Unter 25-Jährige, die bis zum Stichtag 17. Februar aus dem Elternhaus ausgezogen sind, werden nicht gezwungen, in das Elternhaus zurückzukehren. Ich bin sehr erstaunt darüber, Frau Kollegin Pothmer, dass Sie heute im Ausschuss drei- bis viermal nachgefragt haben, ({6}) der Staatssekretär Ihnen das drei- bis viermal dargestellt hat und Sie hier wiederum eine verkehrte Behauptung aufstellen. ({7}) Es wird keiner gezwungen, auszuziehen. Sie sollten den Text noch einmal lesen. Wir erläutern ihn Ihnen auch im Detail. Zu den Ausnahmeregelungen ist schon Stellung bezogen worden. Festzuhalten bleibt, dass dieses Gesetz nicht unsozial ist. Es sichert den Besitzstand derjenigen, die schon einen eigenen Hausstand gegründet haben, ({8}) und gewährt weiterhin denjenigen Hilfe, die hilfsbedürftig sind. In diesem Fall besteht aber die Notwendigkeit - das ist auch gut und richtig so -, die Zustimmung der kommunalen Träger einzuholen. Ich darf festhalten: Bei Hartz IV geht es um die Integration von jungen Menschen in den Beruf und nicht um die Alimentierung von Wünschenswertem außerhalb des Berufes. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat nun das Wort der Kollege Rolf Stöckel, SPD-Fraktion. ({0})

Rolf Stöckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat sind viele Argumente genannt worden. Deswegen möchte ich mich darauf besinnen, was eigentlich der wesentliche Beitrag der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im SGB II für jugendliche Arbeitslose war. Noch vor 13 Monaten galt für einen jugendlichen Arbeitslosen, der nach der Schule - auch ohne Schulabschluss - arbeitslos war und nach dem SGB III keine Ansprüche hatte, dass er weder einen Anspruch auf eine erhöhte Leistung hatte, wenn ein Auszug nicht finanzierbar war, noch einen Anspruch auf Vermittlung oder Qualifizierung. Die Programme, die es gab, basierten mehr oder weniger auf Freiwilligkeit. Hunderttausende Jugendliche erhalten nun durch das SGB II Leistungs- und Vermittlungsansprüche. Die Tatsache, dass Jugendliche unter 25 Jahren nach drei Monaten - wenn die Umsetzung des Gesetzes vor Ort rund läuft - einen Rechtsanspruch auf Qualifizierung, das Nachholen eines Schulabschlusses, eine Berufsausbildung oder eine Beschäftigung haben, kann als Fortschritt für die Jugendlichen bezeichnet werden. Sie diskutieren hier über die Höhe von Transferleistungen, darüber, ob es einen individuellen, staatlich garantierten Rechtsanspruch auf Armutsvermeidung gibt. Ich finde, da wird in der Tat ein unterschiedliches Verständnis von Sozialstaat, aber auch von Solidarität bei den linken Parteien deutlich. Wir könnten natürlich den Anspruch aufgeben, an erster Stelle zu prüfen - das ist seit 1962 bei der Sozialhilfe so und das war auch bei der ergänzenden Sozialhilfe zur Arbeitslosenhilfe so -, ob jemand aus eigener Kraft dazu beitragen kann, sich zumindest zum Teil selbst zu helfen, und an zweiter Stelle zu prüfen, ob Unterhaltsverpflichtungen von Eltern gegenüber ihren Kindern bzw. von Kindern gegenüber ihren Eltern bestehen. Wir können natürlich auch darüber diskutieren, ob wir eine Unterstützung ab dem 18. Lebensjahr ganz abschaffen. Dann müssen Sie aber einmal erklären, wie Sie etwa Rechtsansprüche wie das einkommensunabhängige BAföG oder Berufsbildungsbeihilfen finanzieren wollen. Sie sprechen in diesem Zusammenhang die Wiedereinführung der Vermögensteuer an und sagen, das könnten die Unternehmen bezahlen. ({0}) Je höher die Lohnnebenkosten und die Steuern werden, desto mehr Bedarfsfälle und Bedürftige werden Sie dann aber bekommen. Andererseits wollen Sie den Sozialstaat lange leben lassen. Das ist ein Widerspruch in sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ({1}) und hat mit linker Politik wirklich nichts zu tun. Das hat weder etwas mit der Kenntnisnahme der Realität zu tun noch mit der Emanzipation und der Förderung der freien Entfaltung von Jugendlichen. ({2}) Dies geschieht nämlich durch eine ordentliche Förderung im Elementarbereich, durch eine umfassende Bildung an weiterführenden Schulen, durch Berufsausbildung oder durch ein Studium. Dies ist wesentlich, nicht die Frage, ob jemand 80 oder 100 Prozent des Regelsatzes bekommt. Das hat mit freier Entfaltung nichts zu tun - und auch nicht mit einem linken Anspruch. ({3}) Das ist Populismus, wenn auch vor dem Hintergrund der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt - das ist schon gesagt worden - ein verständlicher. Sagen Sie dann aber, dass Sie eine Transferleistungsgewerkschaft sind, und vergessen Sie Ihren gesellschaftspolitischen Anspruch auf Emanzipation, Aufklärung und soziale Gerechtigkeit. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde und auch am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 16. Februar 2006, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.