Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich eröffne hiermit die Sitzung des heutigen Tages
und rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Vierten Gesetzes zur Änderung des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch
- Drucksache 16/9690 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0})
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Hierfür ist heute keine Aussprache vorgesehen. Daher
kommen wir direkt zur Überweisung. Interfraktionell
wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 16/9690 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige
Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: In Form - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
haben der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, und die
Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Bundeskabinett hat heute die konkrete Ausgestaltung des Aktionsplans „In Form - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“, was
sehr gut zu einem Großereignis, das zurzeit stattfindet,
passt, beschlossen. Die Eckpunkte dieses Aktionsplans
haben wir bekanntlich im Mai des letzten Jahres im Kabinett beraten und beschlossen. In der Zwischenzeit ist
es gelungen - so etwas ist in der deutschen Geschichte
noch nie gelungen -, mit allen Akteuren auf diesem Feld
einen Aktionsplan zu vereinbaren, mit den Kommunen,
den Bundesländern, den Sozialversicherungsträgern, den
Senioreneinrichtungen, den Akteuren im Bereich des
Sports und vielen anderen mehr. Das heißt, wir haben
jetzt zum ersten Mal einen konkreten Aktionsplan, an
dem sich alle Akteure beteiligen. Sie bilden ein Netzwerk. Ich finde, das ist ein großer Erfolg. Da hat sich
viel bewegt.
Über die Grundidee dieser Aktion wurde in den vergangenen Monaten in Deutschland viel diskutiert. Wir
setzen auf Information, auf Anreize, auf Aufklärung und
auf Eigenverantwortung. Wir kommen nicht mit der
Keule des Gesetzes und der Paragrafen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass eine Veränderung des Lebensstils nur im Miteinander möglich ist und nicht dadurch
erreicht werden kann, dass der Staat gegenüber der Bevölkerung obrigkeitsstaatlich auftritt. Zwischen dem
Haus meiner Kollegin Ulla Schmidt und meinem Haus
herrschte diesbezüglich immer völlige Übereinstimmung.
Ich verstehe manche Bewertung nicht; denn ich finde,
es ist richtig, in Fragen des Lebensstils auf Freiheit und
Eigenverantwortung zu setzen. Das ist natürlich nicht so
verbindlich wie ein Gesetz. Würden wir aber ein Gesetz
dazu verabschieden, würde es wieder heißen, dass wir
die ganze Gesellschaft reglementieren. Wir sind dafür,
auf Anreize und Informationen zu setzen.
Das Gesundheitsministerium und mein Haus haben
für dieses Projekt - mit Ihrer Zustimmung - in den
nächsten drei Jahren jeweils 15 Millionen Euro zur Verfügung, um Impulse und Anreize zu setzen. Ich bitte,
diese 15 Millionen Euro nicht als finale Summe zu betrachten. Alle Akteure, die auf diesem Gebiet aktiv sind,
geben für diese Zwecke deutlich mehr Geld aus. Für
mein Haus darf ich sagen: Wir finanzieren zum Beispiel
ein dreijähriges Modellprojekt in Nordrhein-Westfalen,
bei dem es um die Verpflegung mit Schulmilch geht.
Dieses Projekt verursacht knapp 10 Millionen Euro Ausgaben im Bundeshaushalt. Der Bereich des Sports, die
Senioreneinrichtungen, die Krankenkassen und das Gesundheitsministerium stellen ebenso zusätzliche Mittel
zur Verfügung.
Redetext
Der Plan ist auf einen langen Zeitraum ausgelegt; das
muss man deutlich sehen. Um Verhaltensweisen und
Verhältnisse zu ändern, braucht man langen Atem. Der
Endpunkt ist 2020. Es handelt sich also um eine Agenda
2020. Das ist vielleicht schon der erste Schritt von dem,
was der Bundespräsident von uns eingefordert hat. Wir
werden bis zum Jahre 2020 alle Projekte, die wir planen
oder die schon laufen, wissenschaftlich evaluieren.
Natürlich werden wir auf dieser Wegstrecke auch die
Nationale Verzehrsstudie neu in Auftrag geben, damit
man die erste gesamtdeutsche Verzehrsstudie, die ja einige Jahre zurückliegt und jetzt ausgewertet ist, mit einer
neuen Verzehrsstudie vergleichen kann. Dadurch können
wir sehen, was sich im Laufe der Jahre verändert hat.
Wenn man zu diesem Thema in den letzten Monaten
unterwegs war, dann konnte man sehen, dass sich in dieser Hinsicht in Deutschland - in den Schulen, in den
Kindergärten und in den Sozialeinrichtungen - schon
eine ganze Menge bewegt hat. Deshalb bin ich froh, dass
das Kabinett heute unserem gemeinsamen Vorschlag gefolgt ist.
Wenn ich das richtig verstanden habe, beschränkt sich
die Gesundheitsministerin darauf, Fragen mitzubeantworten.
Jetzt gebe ich das Wort zur ersten Nachfrage an die
Kollegin Ulrike Höfken.
({0})
Vielen Dank. - Mehr Bewegung würden wir uns vor
allem bei diesem Aktionsplan wünschen. Denn die vielen
Selbstverpflichtungen, Eckpunkte, Arbeitsgruppen und
Fachgespräche bilden einen Maßnahmenkatalog, der nicht
unbedingt geeignet ist, die ernsthaften Probleme, die wir
haben, ausreichend zu lösen.
Wenn 800 000 Kinder so schwer krank sind, dass sie
adipös sind, dann müsste das ein Grund sein, konkret zu
handeln, und zwar in Form von entsprechenden Maßnahmen und Gesetzen. Sie bieten nun an, eine Geschäftsstelle zu errichten. Meine ersten Fragen dazu lauten: Was soll sie tun, wie soll ihre Arbeit konkret
aussehen? Wie soll die Koordination mit bestehenden
Einrichtungen in Bund, Ländern und Kommunen erfolgen? Wie bewertet die Bundesregierung den Antrag des
Landes NRW im Bundesrat? Das Land äußert darin die
Erwartung, dass alle betroffenen Akteure einbezogen
werden, eine Ausrichtung auf Risikogruppen erfolgt und
eine Zieldokumentation vorgenommen wird, und zwar
in enger Abstimmung mit den Ländern.
Darauf möchte ich antworten. Wir bewerten das positiv, weil es das bestätigt, was der Kollege Seehofer eben
bereits gesagt hat. Erstens ist es im Verlauf der einjährigen Debatte gelungen, mit den Ländern und Kommunen
einen gemeinsamen Aktionsplan aufzulegen.
Zweitens sollte man die Aktionen und Aktivitäten
nicht unterschätzen. Wenn wir feststellen, dass ein Großteil der Kinder übergewichtig ist - 800 000 sind krankhaft übergewichtig -, dann muss uns das Sorge machen.
Experten bzw. Expertinnen sagen, dass es momentan pro
Jahr 210 Neuerkrankungen von Diabetes II bei Kindern
und Jugendlichen gibt. Das ist eine Krankheit, die normalerweise im Alter von 60 Jahren oder später auftritt,
und nicht gerade eine Krankheit, die bei Jugendlichen
vorkommt. Daher muss man handeln.
Wir brauchen die Akteure vor Ort, die in die Lebenswelten gehen. Kein Programm der Bundesregierung,
keine Plakate oder Zeitschriften werden etwas am Verhalten ändern können. Diejenigen, die vor Ort Verantwortung für die Gesundheit von Kindern, von Menschen, die in benachteiligten Stadtteilen leben, und von
älteren Menschen in Senioreneinrichtungen übernehmen, brauchen von uns festgelegte Rahmenbedingungen. Vor Ort gibt es Akteure wie zum Beispiel den Deutschen Olympischen Sportbund mit seinen Sportvereinen,
der sagt: Jawohl, wir sind bereit, wir brauchen eine Rahmenfinanzierung, wir brauchen Regeln, und wir müssen
wissen, wie wir mit Schulen zusammenkommen, damit
wir unsere Erkenntnisse einbringen können. Ich glaube,
dass das der richtige Weg ist. Im Übrigen baut das, was
wir hier zusammenführen, auf dem auf, was Ihre ehemalige Verbraucherschutzministerin mit der Plattform Ernährung und Bewegung auf den Weg gebracht hat. Dort
haben erstmals Akteure sehr lange zusammengesessen,
um zu reden.
Heute sind wir einen Schritt weiter. Denn wir versuchen das, was angeboten wird, zu vernetzen und dies mit
dem gemeinsamen Aktionsplan für die Bundesrepublik
zu verstetigen. Unterstützt wird die Bundesregierung
durch die Landesregierungen und die Kommunen sowie
die Zivilgesellschaft. Darin liegt der Mehrwert.
Eine Nachfrage? - Bitte.
Wann genau und mit welchem Inhalt werden Sie dem
Deutschen Bundestag das Präventionsgesetz vorlegen?
Der Inhalt des Präventionsgesetzes, dessen Entwurf
im Ressortkreis abgestimmt wurde, ist bekannt. Wir haben in den Koalitionsfraktionen noch keine Mehrheit für
das Präventionsgesetz gefunden. Das hindert uns nicht
daran, den Aktionsplan auf den Weg zu bringen. Im
Präventionsgesetz wäre genau festgehalten, dass alle Sozialversicherungsträger, nicht nur die gesetzlichen Krankenkassen, sich zusammenschließen, um Gelder für die
Prävention in den Lebenswelten, etwa durch die Unterstützung von Aktionsprogrammen, zur Verfügung zu
stellen. Dabei wird es sich um Angebote handeln, die
wissenschaftlicher Überprüfung standhalten, die evaluiert und dann auch gemeinsam finanziert werden.
Wichtig ist, dass sich die Krankenkassen, die viel
Geld für Prävention ausgeben, nicht nur an diejenigen
wenden, die sowieso bereit sind, etwas für sich zu tun,
sondern sie müssen den Schwerpunkt verstärkt so setzen, dass sie einen großen Teil des Geldes für Präventionsangebote in den Lebenswelten zur Verfügung stellen. Dieses Vorhaben wollen wir auch mit unserem
Aktionsplan forcieren.
Jetzt hat der Kollege Bleser das Wort.
Herr Minister Seehofer, ich kann Ihnen und Frau
Ministerin Schmidt nur dazu gratulieren, dass Sie diesen
Aktionsplan heute Morgen im Kabinett beschlossen haben. Ich bin der Meinung, dass man hier nicht mit Gesetzen, sondern nur mit einer Bewusstseinsveränderung vorankommt. Diese dauert bei uns Menschen sehr lange,
bei älteren noch länger als bei jüngeren.
({0})
Deswegen halte ich den Zeitplan für richtig gewählt.
Ich will Sie noch einmal fragen, Herr Minister: Welche Maßnahmen sind mit dem Begriff „In Form“ verbunden? Wie wird evaluiert? Welche Kampagnen werden laufen? Insbesondere: Wird in allen Bereichen der
Politik darauf geachtet, dass Ernährung und Bewegung
angesprochen werden? Und wird das auch in den Medien und den Vereinen eine Rolle spielen? In unserem
Land ist quasi eine kulturelle Veränderung angedacht.
Ich glaube, das wird das Hauptziel sein. Darüber möchte
ich gerne noch mehr erfahren, als bisher schon vorgetragen worden ist.
Vielleicht kann man sich die Antwort auf diese Fragen teilen, weil vieles den Bereich des Gesundheitswesens betrifft. - Man muss vor allem dorthin gehen, wo
die Menschen sind. Dies gilt insbesondere für die sozialen Schichten, in denen das Problem besonders verbreitet ist. Man muss in die Kindergärten gehen, in die
Schulen, in die Betriebe mit Betriebskantinen und in Senioreneinrichtungen.
Angelaufen ist das mit der Verabschiedung der Eckpunkte im Mai des letzten Jahres, und viele Akteure haben ihrerseits Aktivitäten entwickelt. Denken Sie etwa
an die Plattform Ernährung und Bewegung, bei der alle
Aktionen in einer Institution gebündelt werden. Wir werden eine gemeinsame Geschäftsstelle zwischen unseren
beiden Häusern einrichten, die dies weiter koordiniert.
Wir werden künftige Projekte mit der Auflage ausschreiben, dass sie wissenschaftlich evaluiert werden,
damit wir bei jedem Projekt wissen, welche Wirkung damit verbunden ist. Das Ganze wird von dem Gedanken
getragen: Wir warten nicht darauf, dass die Menschen
unsere Prospekte lesen, sondern wir gehen dorthin, wo
wir Menschen antreffen und erreichen können. Das ist
im Bereich des Gesundheitswesens besonders erfolgversprechend.
Wir haben eine ganze Reihe von Projekten auf den
Weg gebracht. Ich nenne nur einmal die Bewegungskampagne „Jeden Tag 3 000 Schritte extra“. Über
500 000 Menschen in Deutschland haben sich mittlerweile daran beteiligt. In diesem Rahmen haben sehr
viele Aktionen stattgefunden. Wir sind mit dem, was bei
diesen Veranstaltungen an Kilometern zurückgelegt
wurde, sozusagen einmal um den Erdball gegangen.
Zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund haben wir eine Aktivität ins Leben gerufen, die ich
besonders schätze: Jedes Kind in jeder Schule soll jeden
Tag mindestens eine Stunde lang eine Bewegungsanleitung bekommen. Inzwischen gibt es viele Ganztagsschulen. Natürlich ist es besser, wenn die Kinder in der Mittagspause nicht nur ihre Mahlzeit zu sich nehmen,
sondern Bewegungsangebote wahrnehmen können, um
sich zu bewegen. Wenn man die Schulen, in denen das
angeboten wird, und die Schulen, in denen das nicht angeboten wird, miteinander vergleicht, stellt man fest: Die
Kinder, die sich bewegen, lernen besser; denn Bewegung hält nicht nur den Körper fit, sondern auch den
Geist. Kinder, die besser lernen, haben im Leben bessere
Chancen. So kann man mit ganz einfachen Mitteln vielleicht auch etwas dagegen tun, dass Kinder aus sozial
schwachen Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund heutzutage leider nicht die gleichen Gesundheitschancen wie Kinder aus anderen Familien haben.
Es gibt verschiedene Projekte, zum Beispiel die gesunde Schulspeisung ({0})
für dieses Projekt ist der Kollege Seehofer zuständig oder „Fit im Betrieb“. Im Rahmen der Gesundheitsreform
haben wir die Zusammenarbeit der Akteure im Betrieb
zur Förderung der betrieblichen Prävention gestärkt.
Denn Menschen, die Vollzeit beschäftigt sind, halten sich
die meiste Zeit des Tages in ihrem Betrieb auf. Daher arbeiten wir mit den Unternehmen zusammen. Es werden
unter anderem Programme in den Bereichen Kantine, Bewegung und Rückenschulung durchgeführt.
Wir haben in der letzten Woche im Kabinett beschlossen, im Haushaltsgesetz zu regeln, dass jeder Arbeitgeber ab dem kommenden Jahr pro Jahr und Arbeitnehmer
bzw. Arbeitnehmerin bis zu 500 Euro in Präventionsmaßnahmen investieren kann und dass dieser Betrag
nicht als geldwerter Vorteil behandelt werden, sondern
steuerfrei bleiben soll.
({1})
Dadurch wollen wir auch kleinen Unternehmen die
Möglichkeit geben, ihre Beschäftigten dabei zu unterstützen, etwas für sich zu tun, zum Beispiel indem sie
Ernährungskurse oder ein Fitnessstudio besuchen. Außerdem gibt es das Kursprogramm „Fit for Kids“ und
das Projekt „Ich geh’ zur U! Und Du?“.
Entscheidend ist, dass wir in den kommenden Jahren
gemeinsam mit den Ländern Kompetenzzentren für Bewegungsförderung aufbauen werden, die sich mit den
Fragen beschäftigen: Was ist ein guter Bewegungs18120
ablauf? Welche Angebote wirken wirklich? Wie kann
man auch älteren Menschen eine Anleitung geben, damit
sie bis 100 fit bleiben, statt sie einfach nur aufzufordern,
sich zu bewegen? Wenn ich solche Veranstaltungen für
Ältere besuche, stelle ich manchmal fest, dass ein 50-jähriger Ungeübter zum Teil Schwierigkeiten hat, mit einem 85-jährigen Geübten mitzuhalten. Diese Projekte
müssen wir fördern. Dabei dürfen wir kein Kind zurücklassen. Wir müssen alle Menschen dazu anhalten, etwas
zu unternehmen, damit sie bis ins hohe Alter so fit und so
selbstständig wie möglich bleiben. Die vielen Aktionsprogramme, die ich erwähnt habe, schließen den Kreis.
Jetzt hat die Kollegin Binder das Wort.
Vielen Dank. - Meine Frage richtet sich ausdrücklich
an Herrn Minister Seehofer. Herr Minister Seehofer, die
Ergebnisse der nationalen Verzehrstudie haben deutlich
gemacht, dass es sehr wichtig ist, zur Lösung dieser Probleme zielgruppenorientiert vorzugehen. Auch aus der
KiKK-Studie zum Thema Kindergesundheit wissen wir,
wie wichtig es ist, zielgerichtet auf bestimmte Personengruppen zuzugehen.
Wo zeigt sich in Ihrem Aktionsplan im Hinblick auf
sozial benachteiligte, einkommensschwache und eher
bildungsferne Bevölkerungsgruppen ein solcher zielgruppenorientierter Ansatz? Wo setzen Sie an? Aus der
nationalen Verzehrstudie wissen wir, dass genau dieser
Personenkreis besonders stark von Übergewicht betroffen ist. Deshalb wäre eine gesunde Ernährung für diese
Menschen besonders wichtig. Wie erreichen wir sie?
Zum Teil habe ich diese Frage schon beantwortet: indem wir uns bemühen, gemeinsam mit anderen Akteuren
dorthin zu gehen, wo sich Kinder aufhalten, nämlich in
die Schulen und in die Kindergärten. Jeder weiß aus seinem eigenen Leben: Das, was man dort mitbekommt, ist
für das gesamte Leben prägender als das, was man - um
mein Alter als Beispiel zu nehmen - als fast 60-Jähriger
vielleicht noch an „Umerziehung“ erfährt.
({0})
Das ist ein sehr wichtiger Punkt.
Darüber hinaus gibt es Sonderprojekte, zum Beispiel
das Projekt „Kinderleicht“, das in verschiedenen Regionen durchgeführt wird. In diesem Rahmen wird versucht,
in sozialen Brennpunkten miteinander ins Gespräch zu
kommen. Dabei spielen auch die Sozialverbände, die Gewerkschaften und die Sozialversicherungen eine Rolle.
Es ist also sehr breit angelegt.
Auch die Bedeutung der Sportvereine, die uns ausdrücklich breite Unterstützung zugesagt haben, darf man
an dieser Stelle nicht unterschätzen; denn viele Jugendliche sind in Sportvereinen aktiv. Diese Maßnahmen sind
viel besser, als wenn ein Minister oder ein Ministerialrat
als Oberlehrer auftritt. Denn diese Maßnahmen kommen
aus der Bevölkerung selbst. Daher werden sie ganz anders umgesetzt, als wenn wir versuchen würden, durch
Paragrafen das Verhalten der Menschen hin zu mehr Bewegung zu ändern.
Ich hätte noch eine Nachfrage.
Frau Kollegin, auf meiner Liste stehen inzwischen
ganz viele Kolleginnen und Kollegen; aber ich setze Sie
gerne noch einmal drauf.
Es bezieht sich aber genau auf das, was der Minister
gesagt hat. Es ging mir nicht nur um die Kinder; dass die
Kinder eine Zielgruppe sind, ist klar. Es ging mir um
diejenigen, die wir mit diesen Informationskampagnen
nicht erreichen.
Frau Kollegin, das Gleiche machen wir in Seniorenheimen und Altentagesstätten. Wir gehen, um die Erwachsenen zu erreichen, auch in die Betriebe. So haben
wir Standards für eine vernünftige Verpflegung in den
Betriebskantinen entwickelt. Das alles ist auf wissenschaftlicher Grundlage geschehen und hat deshalb eine
gewisse Zeit gebraucht. Übrigens erreichen wir in den
Sportvereinen auch die Erwachsenen. Wir versuchen gemeinsam mit Sozialverbänden und Sozialversicherungen, die Menschen in den sozialen Brennpunkten zu erreichen. Das ist ein breiter Ansatz.
Ich sage noch einmal: Ich habe beim Bereisen unseres
Landes den Eindruck gewonnen, dass vonseiten der Bevölkerung sehr viel in Bewegung gekommen ist. Das ist
der richtige Ansatz. Schauen Sie, Frau Kollegin: Wenn
es an einem nicht fehlt in Deutschland, dann sind das Paragrafen.
({0})
Wir brauchen keine neuen Paragrafen.
Die Nächste ist die Kollegin Waltraud Wolff.
Vielen Dank. - Ich kann nahtlos daran anschließen.
Wir alle wissen, dass es gut ist, wenn Kinder im Kindergarten ein gesundes Frühstück bekommen und wenn
Schüler an der Schulspeisung teilnehmen. Aber wenn
die Mutter oder der Vater zu Hause nicht weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert, hilft das Kindergartenfrühstück oder die Schulspeisung den 800 000 krankhaft
übergewichtigen Kindern wenig. Ich denke, wir brauchen, über die Beschäftigung mit dem Kantinenessen in
den Betrieben hinaus, auch Programme, die sich gezielt
an die Eltern richten. Daran würde sich meine Frage anschließen: Wie können wir es schaffen, die Eltern zum
Waltraud Wolff ({0})
gesunden Kochen zu bewegen und für Bewegung zu gewinnen?
Sind Sie mit mir ferner einer Meinung, wenn ich sage,
dass es ganz wichtig ist, dass wir eine knappe, gut erkennbare Lebensmittelkennzeichnung in Deutschland
einführen, um den Familien helfen zu können, bewusst
einzukaufen?
Zum letzten Punkt wird der Kollege Seehofer noch etwas sagen. Ich sage nur: Ja. Wir sind einer Meinung. Es
kommt allerdings darauf an, wie wir die Kennzeichnung
gestalten und wie sie für die Menschen einfach lesbar
wird.
Ihre andere Frage war, wie wir die Eltern erreichen:
über die Kindertagesstätten, über die Schule, indem man
mit Eltern und Kind arbeitet. Es ist nicht so, dass es solche Projekte nicht gäbe. Aber in manchen Ländern gibt
es viele, während es in anderen gar keine gibt. Wir wollen, dass solche Projekte in der ganzen Bundesrepublik
vorhanden sind. Dabei wird versucht, die Eltern einzubeziehen und ihnen zu vermitteln, dass möglicherweise in
der Familie insgesamt das Ernährungsverhalten oder das
Bewegungsverhalten umgestellt werden muss. Eine
Menge Kindertagesstätten bieten Kochkurse für Eltern
oder für Eltern und Kinder gemeinsam an, in denen spielerisch aufgezeigt wird, wie man zum Beispiel Zucchini
oder Paprika zubereitet bzw. dass man das überhaupt essen kann. Viele Dinge muss man den Kindern erst zeigen: Was ist welches Obst? Wie kann man es kleinschneiden? Wie kochen wir gemeinsam? Das alles sind
Projekte, die gefördert werden.
Wenn man das verbindet mit den Netzen, die wir haben - zum Beispiel mit dem Programm „Gesunde Kinder“ oder mit den frühen Hilfen, die es mittlerweile gibt -,
dann ist das der beste Weg, um auch die Erwachsenen zu
erreichen.
Sie wissen, dass ich immer eine Unterstützerin der
Vater-Mutter-Kind-Kuren gewesen bin. Durch solche
Kuren haben gerade die Familien, in denen es besonders
drängt, in denen die Belastung groß ist, die Chance, gemeinsam zu lernen, wie man sein Leben durch entsprechende Ernährung und Bewegung anders gestalten kann.
Wenn eine Familie das in dieser Form erlebt hat, ist die
Chance groß, dass später die Kinder die Eltern ermahnen
oder dass, wenn die Eltern die Kinder ermahnen, die
Kinder wissen, worum es den Eltern geht. Eine Reihe
solcher Projekte wird heute bereits durchgeführt.
Bitte schön, Herr Minister.
Es wurde zur Lebensmittelkennzeichnung gefragt.
Die derzeitige Lebensmittelkennzeichnung ist wertlos,
da sie im Grunde genommen keine vernünftige Information für die Bevölkerung beinhaltet. Sie ist allerdings europaweit vorgeschrieben.
Gemeinsam mit der deutschen Lebensmittelwirtschaft
haben wir deshalb erreicht, dass die Lebensmittelkennzeichnung in Deutschland verbessert wird. Erfreulicherweise wenden viele Betriebe die neue Kennzeichnung
bereits heute an, indem sie den prozentualen Anteil der
wichtigsten Nährwerte in Bezug zu einer vernünftigen
Tagesration angeben.
Es bleibt noch die Frage, ob diese Information farblich unterlegt wird. Um das hier zum hundertsten Mal
klarzustellen: Ich bin gegen Farbkleckse als alleinige Information, also gegen einen roten, grünen oder gelben
Punkt. Man kann sich aber sehr wohl überlegen, ob man
diese Sachinformation, also den prozentualen Anteil von
Zucker, Salz und Fett, farblich unterlegt. Wie Sie wissen,
besteht darüber innerhalb der Regierung keine Einigung.
Es freut mich, dass die deutsche Lebensmittelwirtschaft damit beginnt, diese Angaben aus eigenem Antrieb farblich zu unterlegen, weil sie zunehmend erkennt,
dass dies ein Marketingvorteil sein könnte.
({0})
Ich habe gestern von einem Mitarbeiter eine Packung
mit Kinderkakao bekommen. Auf dieser sind die Prozente angegeben. Dies ist notwendig, weil nur die Prozente eine echte, objektive Information darstellen. Über
80 Prozent der Bevölkerung sagen übrigens, dass diese
Angabe der Prozente eine echte Hilfe beim Einkauf ist.
Die Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass sie
diese Information für die Bevölkerung durch eine farbliche Unterlegung durchaus noch verbessern können.
({1})
Wir denken hier nicht an Zwang. Das wäre rechtlich
auch gar nicht möglich. Das geht nur auf europäischer
Ebene. Ich möchte mich ausdrücklich bei der deutschen
Lebensmittelwirtschaft bedanken, die diese Verantwortung im Zuge einer Selbstverpflichtung übernimmt. Das
ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem, was es bisher gab.
Auch hier sieht man wieder - das gilt für unseren ganzen Aktionsplan -: Es bringt mehr, auf die Motivation
der Menschen und der Wirtschaft zu setzen, als Paragrafenreiterei zu betreiben.
({2})
Herr Goldmann.
Sehr geehrter Herr Minister! Frau Ministerin! Wir
sind uns ja darin einig, dass Paragrafenreiterei nichts
bringt. Sie hatten mich vorhin aber direkt angesprochen,
weil in der Tagespresse steht, dass ich enttäuscht bin. Ich
denke einmal, dass ich dafür allen Grund habe.
Sie hatten einmal angekündigt, dass Sie den Mehrwertsteuersatz auf die Schulspeisung reduzieren wollen.
Wir haben Ihnen damals schon gesagt, dass Sie sich darüber erst einmal mit Ihrem Finanzminister unterhalten
sollten. Wir stellen heute fest, dass nach Ihrem Programm
keine entsprechende Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes erfolgt. Das ist aus meiner Sicht ein ernstzunehmender
Widerspruch zum Beispiel zu Ihrem Verhalten hinsichtlich des Mehrwertsteuersatzes auf die Verköstigung von
Studenten in Mensen. Dieser wurde nämlich reduziert.
Sie hatten ferner angekündigt, Sie wollten das Fach
Ernährungslehre bzw. Hauswirtschaftslehre ganzheitlich
als eigenständiges Unterrichtsfach in den Schulplänen
verankern. Das haben Sie zum Beispiel den Landfrauen
zugesichert. Auch hier kommt im Grunde genommen
nichts.
Vor kurzem haben Sie noch gesagt, dass die farbliche
Kennzeichnung durch eine Ampel eine Verbraucherverdummung darstellt. Jetzt stelle ich fest, dass Sie sich im
Grunde genommen auf Pünktchen zubewegen. In Ihrem
Programm gehen Sie aber von einem ganzheitlichen Gesundheitsansatz und von einem ganzheitlichen Ansatz
im Hinblick auf ausgewogene und die Leistung fördernde Ernährung aus. Ich hoffe, Sie sind wie ich der
Meinung, dass das durch eine Pünktchendeklarierung
nicht zu erreichen ist.
Deswegen müssen Sie schon zur Kenntnis nehmen,
dass wir von dem, was Sie hier auf den Weg bringen,
nicht überzeugt sind. Nebenbei bemerkt: Indem Sie sich
selbst 2020 als Endpunkt setzen, schaffen Sie eine abenteuerliche Perspektive. Man muss sich einmal vorstellen,
wie viele Menschen mit Adipositas es danach im nächsten Jahrzehnt noch geben soll. Ich finde es unverantwortlich, wenn man eine solche Perspektive aufzeigt. Ich
glaube, dass Sie hier einfach nicht genügend am Ball
sind.
Nehmen wir als Beispiel peb. Sie wissen, dass peb
- die Plattform Ernährung und Bewegung - riesige Probleme hatte, die Programme, die sie sich ausgedacht und
die sie ausgearbeitet hat, umzusetzen, weil das an Ihrem
Haus gescheitert ist, da Sie im Grunde genommen nicht
bereit waren, die Vorstellungen von peb umzusetzen. Es
gab Finanzierungsprobleme, doch Ihr Haus hat in den
letzten drei bis vier Jahren nichts unternommen, um dieses Problem vom Tisch zu bekommen.
Insofern ist aus meiner Sicht festzustellen, dass das,
was Sie auf den Weg bringen, enttäuschend ist. Es wird
unseren Anforderungen an Sie als leistungsfähigen Minister - so sehen Sie sich selbst - nicht gerecht.
({0})
- Ich habe jede Menge Fragen. Sie haben sie schon verstanden. - Warum kommt dieses Problem nicht vom
Tisch?
Herr Kollege Goldmann, ich habe Sie sehr gut verstanden und kann auch Ihre Enttäuschung verstehen.
Auch ich war einige Jahre in der Opposition und war in
dieser Situation immer wieder enttäuscht. Ich kann das
absolut verstehen.
({0})
Sie wissen genau, dass wir für die Schulen und den
Unterricht nicht unmittelbar zuständig sind,
({1})
aber trotzdem auf die Länder eingewirkt haben, mehr zu
tun. Das ist auch der Fall. Ich darf von meinem Heimatbundesland ausgehen, in dem das von mir versprochene
Modell mit den Landfrauen durchaus praktiziert wird.
({2})
Sie gehören einer liberalen, freiheitsliebenden Partei
an. Insofern hoffe ich, dass wir darin übereinstimmen,
dass wir dafür nicht wieder Stundentafeln, Stundenpläne
und ministerielle Vorschriften brauchen, sondern auch
unkonventionelle Wege gehen können, indem wir nicht
akademische Vollpädagogen einstellen, sondern die
Landfrauen mit der Ausbildung, die sie genossen haben,
in die Schulen holen, um den jungen Leute dieses Wissen zu vermitteln.
Wenn Sie erst dann zufrieden sind, wenn wir alles geregelt und reglementiert haben,
({3})
dann werden wir nie zusammenkommen. Wir haben aber
gehandelt. Insofern haben wir absolut Wort gehalten.
Bei den Nahrungsmitteln gilt der halbe Mehrwertsteuersatz, der auch bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung nicht erhöht worden ist.
({4})
- Lieber Herr Westerwelle, weil Sie das in Ihren Redebeiträgen gelegentlich unterschlagen, wiederhole ich:
Die Mehrwertsteuersätze für Nahrungsmittel sind nicht
erhöht worden.
({5})
- Sie müssen nicht dankbar sein, sondern sollen es nur
zur Kenntnis nehmen.
Wir führen jetzt eigentlich keine Debatte.
({0})
Wir haben alles umgesetzt. Geben Sie konkret an, was
Sie meinen.
({0})
Ich habe schon angekündigt, dass es noch sehr viele
Fragen gibt.
Der zuständige Staatssekretär, der gerade hinter mir
sitzt, bestätigt das. Nennen Sie mir ein Projekt, das aus
Ihrer Sicht nicht umgesetzt worden ist.
Das muss man gegebenenfalls in einer Debatte zu diesem Thema austragen. Jetzt möchte ich allerdings gerne
im Rahmen unserer Zeit noch einige Fragen zulassen,
bevor wir dann zur Aktuellen Stunde kommen.
Ich gebe zunächst der Kollegin Mortler das Wort.
Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Erstens. Auch ich begrüße diese Initiative. Zweitens ist es gut, wenn eher auf Eigenverantwortung denn
auf Gängelung gesetzt wird. Drittens begrüße ich die Initiative auch deshalb, weil ich Landfrau und Bäuerin bin
und das Ganze eine Dauerforderung von uns Landfrauen
war und ist. Bisher galten wir als altmodisch. Jetzt sind
wir offensichtlich unserer Zeit voraus.
Es gibt bereits viele Initiativen vor Ort. Meine konkreten Fragen lauten: Wie werden diese Initiativen in
den Aktionsplan eingebunden? Wie verläuft die Umsetzung vor Ort bei den Ländern bzw. bei den Kommunen?
Denn die Zielsetzung ist zwar gut, aber Erfolg ist meines
Erachtens nur dann garantiert, wenn Aktionen regelmäßig, flächendeckend und - wie eine Kollegin schon
sagte - zielgruppenorientiert erfolgen.
Danke schön.
Frau Kollegin Mortler, erstens bestätige ich ausdrücklich, dass die Landfrauen zu den Berufsgruppen gehören,
die uns auf diesem Sektor wegen ihrer herausragenden
Ausbildung am meisten vermitteln können. Deshalb haben wir zum Beispiel im Süden der Republik sehr darauf
gesetzt, amtlicherseits keine weiteren Planstellen zu
schaffen, wenn es um Ernährung in den Schulen oder
auch in den Kindergärten geht, sondern diejenigen zu
befragen und in die Schulen zu holen, die dafür ausgebildet worden sind. Das funktioniert ganz hervorragend,
übrigens auch in Sachsen-Anhalt, wie ich selbst gesehen
habe. Es ist wunderbar; dort wird das auch mit den Kindern mit viel Spaß betrieben. Ich möchte das ausdrücklich unterstreichen. Ich bin auch deshalb morgen auf
dem Deutschen Land-Frauentag in Stuttgart.
Koordination und Vernetzung sind wichtig. Wir haben Netzwerke auf Landesebene und kommunaler Ebene
vereinbart. Das war auch ein Anliegen der Bundesländer; denn es gibt in der Tat sehr vielschichtige und unterschiedliche Initiativen. Ein richtiger Durchbruch lässt
sich nur erzielen, wenn man sich abstimmt und koordiniert. Deshalb werden wir nicht nur oben, in der Regierung, eine Koordinierungsstelle einrichten. Das setzt
sich vielmehr nach unten fort, sodass die Vielzahl an
Maßnahmen in Institutionen und Gremien ohne Bürokratie vernünftig vernetzt wird. Wir nennen das Netzwerke.
({0})
- Herr Goldmann, haben Sie eine Frage?
Nein, Herr Goldmann ist nicht dran. Ich bin noch immer diejenige, die das Wort erteilt.
Wie ich sehe, Frau Ministerin, wollen Sie nichts dazu
sagen. Dann gebe ich der Kollegin Maisch als letzter
Fragestellerin das Wort.
Danke schön. - Herr Minister, meine Frage bezieht
sich auf das Thema Werbung für Kinderlebensmittel. Sie
haben in Ihrem einleitenden Bericht dargelegt, dass Sie
einen Kodex zum Thema Werbung erarbeiten wollen,
die sich bewusst an Kinder und Jugendliche richtet.
Können Sie uns sagen, welche Zielrichtung dieser Kodex verfolgen soll und welche Gruppen außer dem Deutschen Werberat beteiligt sein werden? Sind auch Verbraucherverbände und andere Initiativen daran beteiligt?
Die Beteiligung der Verbraucherverbände ist bei uns
Standard. Bei den Inhalten geht es darum, auf freiwilliger Ebene darauf hinzuwirken, dass man gesunde Lebensmittel bewirbt und im Übrigen zurückhaltend ist.
Wir haben bei objektiv gesundheitsschädlichen Genussmitteln wie Zigaretten viel erreicht. Wir müssen aber
auch die Werbung für Dinge, die man im Allgemeinen
bei nicht richtiger Dosierung als problematisch einstufen
muss, gerade in Kinderkanälen und Kindersendungen
zurückdrängen. Ich nenne bewusst kein Produkt; denn
sonst ist wieder von Diskriminierung die Rede. Wir wollen aber zu Ergebnissen kommen. Nach meiner Erfahrung mit der Lebensmittelwirtschaft wird uns das auch
gelingen.
({0})
- Nein, nicht erst 2019.
Herzlichen Dank. - Damit beende ich die Befragung
der Bundesregierung.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zu dem Bericht
der US-Luftwaffe über Sicherheitslücken bei
den US-Atomwaffenlagern in Deutschland
und Europa
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dr. Guido Westerwelle für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die Berichte über eine Studie der Luftwaffe der
Vereinigten Staaten von Amerika, wonach es an der Sicherheit der in Europa stationierten nuklearen Waffen
Zweifel gebe, weil diese Mängel aufwiesen, sind beunruhigend. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung alles tun wird, um die Zweifel auszuräumen. Wir
erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Unsicherheiten, über die im Rahmen der amerikanischen
Streitkräfte berichtet wird, nicht als amerikanische, sondern als eigene Angelegenheit betrachtet. Das sind wir
den Menschen, die in der Eifel wohnen, schuldig. Das ist
zuerst einmal das Wichtigste, was dazu zu sagen ist.
({0})
Herr Kollege Geisen hat in dieser Richtung mehrfach
Initiativen für die Eifel ergriffen und hat sich an die Bundesregierung gewandt. Die Fragen nach der Sicherheit,
die seitens der Bundesregierung beantwortet wurden,
sind nicht ausreichend geklärt. Die Zweifel finden neue
Nahrung durch die Berichte der Luftwaffe der USA.
Diese Berichte der Luftwaffe über die Atomwaffen,
die in Deutschland und Europa gelagert werden, sind
bestenfalls der Anlass für diese Debatte und nicht der
Grund. Der Grund ist, dass diese Atomwaffen, die es in
Deutschland immer noch gibt, Relikte aus der Zeit des
Kalten Krieges sind, dass sie aus unserer Sicht nicht in
Deutschland bleiben sollten
({1})
und dass wir sie, eingebettet und eingebunden in eine
wirkliche Abrüstungsstrategie, aus Deutschland abziehen sollten. Das wäre der richtige Verhandlungsauftrag
an die Bundesregierung in der NATO.
({2})
- In dieser Debatte geht es zunächst einmal um Deutschland. Aber, Herr Kollege, Sie weisen zu Recht auf
Europa hin.
Ich halte fest, dass sich der Außenminister in diese
Richtung immer wieder direkt oder indirekt zu Wort gemeldet hat. Wir als freie demokratische Fraktion wollen
dem Außenminister signalisieren, dass wir ihn ermuntern, sich in der Regierung bei dieser Frage durchzusetzen.
({3})
- Wir stützen ihn dabei - Sie haben völlig Recht -, wobei ich überrascht bin, dass das Stützen des Außenministers aus der SPD-Fraktion verlangt wird.
({4})
Meine Damen und Herren, wir nehmen zur Kenntnis,
dass es in diesem Hohen Hause eine große Mehrheit der
Fraktionen und der Abgeordneten gibt, die dieses Relikt
aus dem Kalten Krieg ebenfalls nicht mehr in Europa, in
Deutschland sehen wollen. Die Union sagt, sie wolle an
dieser Stationierung festhalten. Hierbei verwundert mich
vor allem die Begründung. Der Generalsekretär der
Union wird mit folgenden Worten zitiert - wir haben
dieses Zitat aus einer Pressekonferenz selbst sehen können -:
Von einseitigen Schritten, glaube ich, sollte man
Abstand nehmen. Abrüstung sollte insgesamt auf
beiden Seiten stattfinden.
- Welche Seiten meinen Sie,
({5})
wenn Sie von „beiden Seiten“ sprechen? Das ist das
Denken der Konfrontation von NATO gegen Warschauer
Pakt. Dass Sie in diesem Denken noch verhaftet sind, ist
ein Fehler, dient nicht dem Frieden und erst recht nicht
der Abrüstung.
({6})
Das Beste, was wir mit diesen Waffen noch machen
können, ist, sie dafür zu nutzen, der Abrüstungspolitik
wieder neue Glaubwürdigkeit zu verschaffen.
({7})
Deswegen wollen wir - dies haben wir bereits in der Vergangenheit mit mehreren Anträgen im Deutschen Bundestag unterstrichen -, dass jetzt die Gelegenheit wahrgenommen wird, damit in der NATO selbstverständlich
darauf hingewirkt wird, dass diese Waffen abgezogen
werden können, einerseits, weil Sie in den Berichten
über die Unsicherheit definitiv neue Gründe dafür finden, andererseits aber auch, weil wir Abrüstungssignale
geben sollten, und darum geht es. Die Zeit des Kalten
Krieges ist vorbei. Wir brauchen diese Waffen in
Deutschland nicht. Wir wollen sie nicht. Sie sollten abgezogen werden. Diese Waffen dienen nicht der Sicherheit, sondern sie vergrößern eher die Unsicherheit. Wenn
wir Vorbild für Abrüstung in der Welt sein wollen, dann
können wir hier mit bestem Beispiel vorangehen. Das ist
eigentlich die gute Kontinuität deutscher Außenpolitik.
Abrüstungsinitiativen aus Deutschland - das ist das
Beste, was wir aus der Geschichte lernen können.
({8})
Wir befinden uns - damit möchte ich schließen - in
einer unerfreulichen Phase, wo das Recht des Stärkeren
in der Welt wieder mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Wir sollten dem mit klaren deutschen Abrüstungsinitiativen entgegentreten, ausdrücklich natürlich
in Europa und in der NATO. Es ist besorgniserregend,
dass nicht nur in Russland, sondern auch durch die
scheidende Administration in den Vereinigten Staaten
von Amerika die Abrüstung mehr und mehr infrage gestellt wird, dass Abrüstungs- und Kontrollverträge gekündigt und in Zweifel gezogen werden. Das ist die falsche Richtung. Es muss eine neue politische Richtung
initiiert werden. Deswegen appellieren wir an die Bundesregierung, jetzt, wie übrigens auch führende amerikanische Politiker, auf Abrüstung zu setzen. Ich sage
Ihnen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von der Union: Seien Sie nicht die Letzten, die die
Bush-Doktrin auf diesem Globus noch verteidigen.
({9})
- Ich glaube, das, was Sie da rufen, ist etwas unflätig.Herr McCain verabschiedet sich von diesem Weg, Herr
Obama verabschiedet sich von diesem Weg, und es wäre
sinnvoll, wenn Deutschland, das ein großes Interesse an
Abrüstung und daran hat, dass keine neuen Aufrüstungsspiralen entstehen, jetzt vorangeht und auf einen Abzug
dieser nuklearen Waffen setzt. In diese Richtung muss
verhandelt werden. Wir wollen das, und ich hoffe auf
große Zustimmung in diesem Hohen Hause.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Westerwelle, lassen Sie mich zunächst eingangs eines versichern: Der Bundesregierung liegt wie
allen anderen NATO-Partnern daran, die größtmögliche
Sicherheit der in Europa lagernden Nuklearsprengköpfe
zu gewährleisten. Das, was wir diesem Bericht entnommen haben, und das, was wir im Bündnis in diesem Zusammenhang besprechen, zeigt uns, dass wir uns diesbezüglich keine Sorgen zu machen brauchen. Ich will
darauf gleich zurückkommen.
Lassen Sie mich zu der generellen Frage der Atomsprengköpfe einiges sagen. Einige von Ihnen erinnern
sich noch an das Weißbuch, das die Bundesregierung
2006 beschlossen hat.
({0})
- Ich will Ihnen, Frau Kollegin Zapf, das gerne in Erinnerung rufen. - Dort steht:
Für die überschaubare Zukunft wird eine glaubhafte
Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses neben
konventioneller weiterhin auch nuklearer Mittel bedürfen. Der grundlegende Zweck der nuklearen
Streitkräfte der Bündnispartner ist politischer Art:
Wahrung des Friedens, Verhinderung von Zwang
und jeglicher Art von Krieg.
So heißt es im Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr
und zur Zukunft der Bundeswehr im Bündnis. Aus unserer Sicht gibt es keinen Anlass, an dieser Aussage zu rütteln.
({1})
Daran ändert übrigens auch nichts der Bericht, den
wir aus Amerika von dem Wissenschaftler Kristensen
bekommen haben, der die Unsicherheit bei uns über das
eingepflanzt hat, was in den Lagern in Deutschland vor
sich geht. Auslöser für diesen Bericht war eigentlich ein
Vorgang in den Vereinigten Staaten, wo die Luftwaffe
gegen Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit Nuklearwaffen verstoßen hat. Sie können davon ausgehen,
dass die Sicherheit der Nuklearwaffenlager der NATO in
Europa für die Allianz von höchster Bedeutung ist und in
den entsprechenden Gremien fortlaufend erörtert wird.
Ich will ergänzend hinzufügen: Vor drei Wochen sind die
Verteidigungsminister in Brüssel zusammengekommen
und haben dort den Bericht der Nuklearen Planungsgruppe entgegengenommen. In diesem Bericht wird - so
geheim er auch sein mag - regelmäßig ein Aspekt darauf
verwandt, wie sicher die Lager in Europa und somit auch
in Deutschland sind. Unter amerikanischem Vorsitz und
in Kenntnis dieses Berichts von Herrn Kristensen ist ausdrücklich festgehalten worden, dass die Lager, die sich
in Deutschland befinden, sicher sind. Sie werden gut
bewacht. Wir hatten gerade im Verteidigungsausschuss
eine Diskussion darüber. Ich kann Ihnen sagen: Es ging
auch darum, dass die Außengrenzen dieser Lager von
der Bundeswehr bewacht werden - auch von Wehrpflichtigen, Frau Kollegin Hoff - und dass der innere
Kreis von amerikanischen Fachleuten bewacht wird. Ich
glaube, das ist auch richtig so.
Allerdings - da will ich auf Herrn Westerwelle eingehen - ist die Debatte, die sich anhand der Pressespekulationen entzündet hat, letztendlich eine Gespensterdebatte, die sich darum dreht, wer möglichst schnell alle
nuklearen Sprengköpfe aus Deutschland und Europa abziehen will. Wer das im Augenblick einseitig von
Deutschland verlangt, der stellt in Wirklichkeit einen
Kernbestand der Atlantischen Allianz infrage, und er
will letztendlich die Beziehungen zwischen Nordamerika und Europa dauerhaft schwächen.
({2})
- Dass das bei Ihnen so ist, wundert mich nicht,
({3})
aber mich wundert, dass einige hier ihre Vergangenheit
vergessen. ({4})
Die Allianz setzt seit jeher zum Schutz des Bündnisses
auch auf die Wirkung der Abschreckung von Nuklearstreitkräften. Das steht im Einklang mit dem Völkerrecht
und hat übrigens ganz wesentlich zur erfolgreichen Friedenssicherung durch das Nordatlantische Bündnis beigetragen. Das Nuklearpotenzial der NATO sorgt eben auch
dafür, dass ein Angreifer im Ungewissen bleibt, wie
Bündnispartner auf einen militärischen Angriff reagieren
werden.
({5})
So wird verdeutlicht, dass ein Angriff jedweder Art
keine vernünftige Option ist. Die Bundesregierung geht
wie die NATO-Partner in Europa und die NATO-Partner
insgesamt davon aus, dass das für eine glaubwürdige
Abschreckung auf Dauer vielleicht nicht sein muss; ich
aber sehe im Augenblick keine Perspektive, die in absehbarer Zeit eine Änderung dieser Strategie möglich
macht. Wir werden durch diese nukleare Abschreckung
nicht nur ein Mehr an Sicherheit haben, sondern wir
werden auch - das ist ein zweiter Punkt - die Möglichkeit haben, das Mitspracherecht über den Einsatz von
nuklearen Waffen innerhalb der NATO auszuüben.
({6})
Das hängt miteinander zusammen. Alle Verteidigungsminister in den Gremien der NATO haben dies zuletzt
bei dem Treffen in Brüssel, von dem ich sprach, noch
einmal bekräftigt.
Auch in Zukunft muss die wirksame Abschreckungsfähigkeit aufrechterhalten werden. Deutschland gehört
als Nichtnuklearmacht dazu und wird auch im Rahmen
seiner vitalen Interessen die nukleare Teilhabe weiter
verteidigen. Dazu gehören nicht nur die Bereitstellung
von Trägern, zum Beispiel in Form von Flugzeugen,
sondern auch das anhaltende Einverständnis zur Lagerung von Nuklearwaffen in Europa bzw. in Deutschland.
Das Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung und unsere Anstrengungen zur weiteren Abrüstung, zur Stärkung der Rüstungskontrolle gehören untrennbar zusammen. Ich sage sehr deutlich: Wer nukleare Abschreckung
im Augenblick für wichtig hält - wir tun das -, kann sich
nicht von den Bemühungen freikaufen, Abrüstung und
Rüstungskontrolle weiter voranzutreiben.
Auf dem Gebiet der Abrüstung haben wir in den zurückliegenden Jahren Bedeutendes erreicht. Die Bundesregierung hat dies unterstrichen, indem sie unlängst in
der Allianz gestaltend an einer weithin beachteten Abrüstungsinitiative - Herr Westerwelle, möglicherweise
ist Ihnen das entgangen - mitgewirkt hat. Die Diskussion um Abrüstung muss auch in der Allianz - da bin ich
sicher - fortgesetzt werden. Wir wollen den Nichtverbreitungsvertrag weiter stärken, damit das im Vertrag
formulierte Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt vorangebracht werden kann.
Dazu müssen wir in einem ersten Schritt die Weiterverbreitung der auf der Welt existierenden Nuklearwaffen verhindern. Wer den Abrüstungsbericht gelesen
hat - ich empfehle ihn der FDP-Fraktion zur Lektüre -,
wird darin ausdrücklich die wesentlichen Verpflichtungen des Vertrages zur Abrüstung und zur Nichtverbreitung bestätigt finden. Die Bundesregierung bekennt sich
weiterhin nach wie vor zur Schaffung einer Dynamik bei
der nuklearen Abrüstung - auch mit dem Ziel einer vertraglichen Reduzierung aller Nuklearwaffen bis hin zur
vollständigen Abschaffung auf allen Seiten.
Wir sind uns natürlich dessen bewusst, dass die weltpolitischen Voraussetzungen für eine nuklearwaffenfreie und insgesamt massenvernichtungswaffenfreie
Welt noch nicht gegeben sind und dass dieses Ziel auf
absehbare Zeit nicht zu erreichen sein wird, auch nicht
zum Beispiel durch einen Beschluss des Bundestages.
Wir werden aber in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, den Weg hin zu diesem Ziel kontinuierlich
Schritt für Schritt weiterzugehen.
Deswegen unterstützen wir alle Maßnahmen der Nuklearmächte zu einer Reduzierung des Nuklearwaffenpotenzials. Wir sind schon einen weiten Weg gegangen,
nämlich - lassen Sie mich das hier deutlich sagen - im
Zuge der Reduzierung des substrategischen Nuklearpotenzials der NATO in Europa um rund 85 Prozent seit
1991 bzw. um rund 95 Prozent seit den Spitzenzeiten des
Kalten Krieges. Insofern kann man hier nicht einfach behaupten, wir hätten nichts getan.
Parallel zur Absenkung des Potenzials sind auch die
Bereitschaftsstufen aller Waffensysteme deutlich gesenkt worden. Während es früher um Minuten und Sekunden ging, ist die Einsatzbereitschaft heute eher in
Wochen und Monaten zu messen.
Die Bundesregierung steht in allen diesen Fragen in
der Kontinuität ihrer Vorgängerin. Ende der 90er-Jahre
gab es einmal einen Impetus, das anders zu machen; das
hat sich dann wieder beruhigt.
Nukleare Teilhabe, Mitsprache im Bündnis und Initiativen für Abrüstung gehören zusammen. Wer ein einseitiges Ende der nuklearen Teilhabe unseres Landes verlangt, der muss sich darüber im Klaren sein, dass wir
damit auch das Recht auf Mitsprache beim Einsatz von
Atomwaffen in der NATO aufgeben. Deutschland wäre
dann nicht mehr in den beschlussfassenden Gremien der
NATO repräsentiert.
Das Thema „Nukleare Abschreckung, nukleare Teilhabe und Sicherheit im Umgang mit Nuklearwaffen“
- lassen Sie mich das abschließend sagen - eignet sich
nicht für politische Schnellschüsse und für den tagespolitischen Kleinkrieg.
({7})
Wir sollten uns gemeinsam bemühen, auf dem Weg zur
Abrüstung, der letztendlich zur Reduzierung aller Nuklearwaffen führen soll, konsequent Schritt für Schritt
weiterzugehen.
({8})
Das scheint mir verlässlicher, sicherer und klüger zu
sein.
Herzlichen Dank.
({9})
Die Kollegin Inge Höger hat jetzt das Wort für die
Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum
ist erst eine Studie von US-Experten nötig, um das
Thema Atomwaffenlager auf die politische Tagesordnung zu setzen?
({0})
- Aber aktuell nicht, und es ist schon lange nicht mehr
über die Frage der Beendigung der atomaren Abschreckung gesprochen worden.
({1})
Warum versteckt sich die Regierung hinter dem Argument, man müsse Rücksicht auf Bündnispartner nehmen? Warum verstecken Sie sich hinter Konzepten der
nuklearen Abschreckung? Ein Mehr an Sicherheit kann
durch Atomwaffen nie und nimmer erreicht werden,
ganz im Gegenteil.
({2})
In Büchel in der Eifel lagern immer noch 10 bis
20 Atomwaffen. Nach offiziellen Angaben sind diese
nur unzulänglich gesichert. Es geht hier nicht um Zäune,
es geht hier nicht um Beleuchtung und Sicherheitssysteme für ein Gartenhaus, es geht um die Bewachung der
tödlichsten Waffen, die der Menschheit zur Verfügung
stehen.
Meine Damen und Herren Regierungsvertreter, bitte
schauen Sie nicht weg bei dem, was in den US-Militärbasen passiert. Das gilt übrigens genauso für andere
Rechtsverstöße und Gefahren, die von diesen Basen ausgehen. Ich nenne hier nur beispielhaft die Verschleppung
und Entführung von Menschen in Geheimgefängnisse
oder die Unterstützung des Irak-Krieges.
Eines muss klar sein: Es gibt keine sicheren Atomwaffen, auch wenn alle bemängelten Sicherheitslücken
in den Atomwaffenlagern geschlossen werden. Die reale
Gefahr durch die Atomwaffen besteht neben ihrem
Missbrauch mindestens gleichermaßen in ihrem Gebrauch.
({3})
Am nächsten Dienstag, dem 1. Juli, wird der Atomwaffensperrvertrag 40 Jahre alt. Sein Ziel war und ist es,
die Ausbreitung dieser tödlichen Technologie zu unterbinden. Der Vertrag beinhaltet die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung für alle Staaten. In Art. 6 fordert er
die vollständige Abrüstung. Es gibt kein Recht auf den
Besitz für Atomwaffen, für niemanden.
({4})
Der Zeitraum, in dem die vollständige atomare Abrüstung stattfinden soll, ist im Atomwaffensperrvertrag leider nur vage formuliert. Doch 40 Jahre waren bei der
Verfassung des Vertrages wohl nicht mit „naher Zukunft“ gemeint.
Nach wie vor ist die Welt weit entfernt von der geforderten „vollständigen Abrüstung“. Nach SIPRI-Angaben
gibt es weltweit 10 200 gefechtsbereite atomare Sprengköpfe. Zusätzlich modernisieren die Atommächte ihre
Arsenale; sie entwickeln neue Waffen und Trägersysteme. Das gilt übrigens nicht nur für die USA und Russland, auch unsere europäischen Nachbarn Frankreich
und Großbritannien entwickeln ihr atomares Potenzial
weiter. Die Weiterentwicklung der nuklearen Bewaffnung ist vertragswidrig; sie muss sofort beendet werden.
Proteste dagegen hat die Linke bisher von der Bundesregierung und auch von der FDP nicht gehört. Wie wollen
Sie denn so gegenüber dem Iran eine glaubwürdige Position einnehmen? Der Streit um das iranische Atomprogramm lässt sich nur durch globale Abrüstungsanstrengungen und gegenseitige Sicherheitsgarantien lösen,
nicht durch Sanktionen und nicht durch militärisches Säbelrasseln.
({5})
Wenn wir Abrüstung ernst meinen - ich hoffe, das tun
hier alle -, dann gibt es noch viel zu tun, sowohl in der
NATO als auch in der Europäischen Union und auch
ganz direkt bei der Bundeswehr. Die US-Atomwaffen
würden im Einsatzfall an die Tornados des Jagdbombengeschwaders 33 der Bundesluftwaffe angehängt. Sie
würden dann von Bundeswehrsoldaten abgeworfen.
Diese nukleare Teilhabe war und ist ein Verstoß gegen
den Atomwaffensperrvertrag. Er verbietet es, Atomwaffen Drittstaaten zu überlassen oder Atomwaffen anzunehmen. Beenden Sie diesen rechtswidrigen Zustand!
Beenden Sie die nukleare Teilhabe!
({6})
Wenn nun vonseiten der SPD zu hören ist, dass sie die
atomare Abrüstung auch zu ihrer Sache macht, dann ist
das sehr begrüßenswert. Doch den Worten müssen auch
Taten folgen. Die Linke erwartet von Ihnen nicht zuletzt
konkrete Initiativen in der Nuklearen Planungsgruppe
der NATO.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine weitere
gute Gelegenheit, bei der Sie Ihren Einsatz gegen die
Atomwaffen auch außerhalb des Bundestages zeigen
können. Kommen Sie am 30. August zur Großdemonstration nach Büchel. Unterstützen Sie dort diejenigen, die
schon seit vielen Jahren darauf aufmerksam machen,
welche gefährliche Altlast hier liegt.
({7})
Ich hoffe, Sie möglichst zahlreich in der Eifel zu sehen.
Die Linke wird diese Proteste in Büchel unterstützen.
({8})
Der nächste Redner ist der Kollege Rolf Mützenich
für die SPD-Fraktion, der heute ebenso wie die Kollegin
Marieluise Beck Geburtstag hat. Ihnen beiden herzlichen
Glückwunsch!
({0})
Danke schön. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Danke für die Glückwünsche! Danke für
die Debatte! Ich finde, wir sollten uns noch einmal rückversichern, um was es bei dieser Debatte geht und worauf Hans Kristensen von der Vereinigung der amerikanischen Wissenschaftler hingewiesen hat.
Er hat auf einen Bericht der amerikanischen Luftwaffe hingewiesen, der Mängel in den europäischen
Standorten feststellt, die über Nuklearwaffen verfügen.
Es wird darüber berichtet, dass die Beleuchtung unzureichend ist, dass es Probleme bei der Umzäunung gibt und
dass die Stabilität der Gebäude nicht gewährleistet ist.
Ob es sich um Büchel handelt, wissen wir überhaupt
nicht. Dennoch bin ich der Meinung, dass sich die Bundesregierung um diese Fragen kümmern muss, und ich
glaube, das hat sie an dieser Stelle getan. Ich möchte die
dort bestehenden Sicherheitsprobleme nicht unter den
Teppich kehren, aber wir sollten sie gegenüber den Menschen nicht dramatisieren. Ich zitiere Kristensen, der vor
Panikmache warnt und sagt: Das heißt ja nicht, dass
diese Waffen sozusagen auf der Straße liegen und einfach gestohlen werden können. - Dennoch müssen wir
diesen Dingen nachgehen, und insofern lohnt sich diese
Debatte.
Allerdings bin ich der Meinung - deswegen wunderte
ich mich eben ein bisschen -, dass wir diese Waffensysteme schon einmal in Ramstein hatten. Dort sind sie abgezogen worden. Es haben sich nicht diese Fragen ergeben, die die Bundesregierung eben angedeutet hat. Ich
persönlich würde es begrüßen, wenn auch die restlichen
Waffen aus Büchel abgezogen würden. Das wäre auch
das richtige Signal an dieser Stelle.
({0})
Ich meine nämlich, dass diese taktischen Atomwaffen
heutzutage keinen strategischen Wert mehr haben und
im Grunde genommen stellvertretend für die Vergangenheit sind. Das, was im Ost-West-Konflikt militärstrategisch möglicherweise richtig gewesen ist, kann es heute
nicht mehr sein. Deshalb habe ich folgende Bitte an die
Bundesregierung: Solange Sie - was Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, unterstellen - innerhalb der
NATO noch über eine angemessene Militärstrategie mitsprechen können, sollten Sie das tun; schließlich wird
das diesbezügliche Dokument nächstes Jahr vorgelegt.
Das tut die Bundesregierung mit ihrer Expertise.
Ich glaube, genau das ist der Punkt, auf den wir immer wieder aufmerksam machen müssen: Abrüstung und
Weiterverbreitung sind zwei Seiten einer Medaille.
({1})
Wir können nicht auf der einen Seite über die Weiterverbreitung sprechen, wenn wir nicht auf der anderen Seite
für Abrüstung einstehen. Das ist der entsprechende
Punkt, und deshalb möchte ich darauf hinweisen: Wir
können natürlich über die Deutschland betreffenden Fragen diskutieren; das ist diesem nationalen Parlament
auch angemessen. Jedoch dürfen wir nicht verkennen,
dass 200 Kilometer von Büchel entfernt in Belgien ähnliche Waffensysteme liegen; diese müssen wir in die
Diskussion mit einbeziehen.
Noch viel wichtiger sind die russischen taktischen
Atomwaffen. Wenn es im Hinblick auf Russland nur um
die mangelnde Beleuchtung ginge, würde ich besser
schlafen. Das ist aber nicht der Punkt. In Russland liegen
2 000 taktische Atomwaffen, die möglicherweise in fremde
Hände kommen. Deswegen fordere ich die Bundesregierung, aber auch die NATO-Partner auf, mit Russland
über dieses Thema zu sprechen. Da setze ich auch auf
eine neue Administration, also entweder auf Obama oder
auf McCain, die diese Abrüstungsfrage zu Recht wieder
auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Taktische Atomwaffen - ich glaube, das ist ein Problem, das wir in den 80er-Jahren eben nicht hatten - sind
heute ein weltweites Phänomen. Man muss über Pakistan, man muss über Indien sprechen, und daher wäre es
klug, auch über die Möglichkeiten der weltweiten Abrüstung und Rüstungskontrolle neu nachzudenken. Das
bietet sich 2010 mit dem Atomwaffensperrvertrag an.
Es ist klug gewesen, dass der Bundesaußenminister
dieses Thema der Abrüstungs- und Rüstungskontrolle zu
einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht hat, seitdem
er dieses Amt ausübt. Er hat Vorschläge für die Internationalisierung des Brennstoffkreislaufs unterbreitet. Das
könnte helfen, die iranische Atomkrise ein wenig auf einen anderen Pfad zu bringen. Er hat es auf dem Gipfel in
Bukarest geschafft, Abrüstung und Rüstungskontrolle
wieder zu Bestandteilen der Philosophie innerhalb der
NATO zu machen.
Im Grunde genommen erinnert er dort an eine Diskussion der 60er- und 70er-Jahre, die sich aus dem
Harmel-Bericht ergab. Man hat auf der einen Seite immer
wieder über Sicherheit diskutiert und auf der anderen
Seite über Abrüstung als Instrument für Kooperation. Ich
kann Sie, die gesamte Bundesregierung, nur ermuntern,
darüber auch weiterhin zu diskutieren. Für die einzelnen
Ministerien würde sich das lohnen. Die Bundesregierung
ist da insgesamt auf einem guten Weg.
({2})
Wir brauchen eine neue Abrüstungskultur. Wir, die Bundestagsabgeordneten, sind gemeinsam dieser Meinung,
auch wenn es vielleicht die eine oder andere unterschiedliche Auffassung über den Weg gibt. Wir als Sozialdemokratische Partei stehen für diese gemeinsame Abrüstungskultur ein.
Vielen Dank.
({3})
Der Kollege Winfried Nachtwei hat jetzt das Wort für
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute Morgen hat das Bundeskabinett die Antwort auf
die Große Anfrage der Grünen zur nuklearen Abrüstung
beschlossen. Üblich ist, dass man diese Antwort direkt
zugestellt bekommt. Bis zur Minute haben wir sie nicht
bekommen. Ich sage ausdrücklich: Dies ist ein parlamentsunfreundlicher Akt.
({0})
Der Untersuchungsbericht der US-Luftwaffe ist im
Hinblick auf die Sicherheitsmängel, die festgestellt wurden, in der Tat beunruhigend. Dieser Untersuchungsbericht hat daran erinnert, was der Auslöser war: Sechs
Atomsprengköpfe waren im vorigen August 36 Stunden
lang außer Kontrolle; sie waren sozusagen Irrläufer. Außerdem wird in diesem Bericht der Blick auf etliche andere Vorfälle gerichtet, die es in diesem Zusammenhang
gegeben hat. Diese Sicherheitsfrage betrifft nicht nur die
Amerikaner, sondern auch die Europäer und Deutschen.
Wie bereits angesprochen worden ist, lagern in Büchel in
der Eifel in der Nähe einer Rollbahn Atomwaffen. Über
das Internet sind Informationen darüber mittlerweile
leicht zu bekommen.
Ich habe mit der Frage der Atomwaffen seit inzwischen 40 Jahren zu tun. Anfangs war dies der Fall, als
ich Soldat in einer deutschen Atomwaffeneinheit war;
die Pershing-Ia war damals auf unseren heutigen Verbündeten Polen gerichtet. Man kann durchaus sagen: Es
ist fantastisch, was sich seitdem geändert hat. Unser Mechanismus im Kopf damals war die totale Verdrängung,
nach dem Motto: Wenn es losgeht, ist sowieso alles aus.
Ich muss sagen: Bei mir hat es erst ein paar Jahre später gefunkt; erst dann habe ich wahrgenommen, dass dieses Land mit Atomwaffenlagern und mit Atomwaffenträgern vollgestellt war. Da ist mir deutlich geworden,
was für ein organisierter Wahnsinn das war. „Atomare
Heimatverteidigung“ wurde vorbereitet und geplant.
Eine andere Erfahrung, die ich gemacht habe, betraf
die systematische Verdrängung, die sich hinter der Geheimhaltung versteckte. Ich selbst habe in einem Feuerwehrausschuss mitbekommen, dass die Atomwaffenlager
- im Umfeld von Münster gab es zwei - in den Katastrophenplanungen einfach kein Thema waren. Ist diese Haltung überwunden? Ich habe da große Zweifel.
Dass die großen Atomwaffenarsenale aus Westeuropa
inzwischen zum größten Teil verschwunden sind, ist
sehr erfreulich. Aber es hat sich einiges gehalten.
Erstens: die gnadenlose Verdrängung. Ich habe wirklich den Eindruck: Mittlerweile wissen wir mehr über
Atomwaffenlagerstätten in Russland - dort sind zum
Teil Deutsche - als über Atomwaffenlagerstätten im eigenen Land. Es ist absurd.
({1})
Zweitens. Die Rechtfertigungen waren schon damals
schwach und sehr problematisch; sie hatten - bei aller
ethischen Fragwürdigkeit - aber immer noch eine gewisse Plausibilität. Heutzutage sind sie noch schwächer.
Herr Staatssekretär, Sie haben hier von „glaubwürdiger
Abschreckung“ geredet: Wen wollen Sie mit diesen taktischen Atomwaffen denn abschrecken?
({2})
Das ist wirklich Unsinn. Gott sei Dank haben Sie diesen
Teil Ihrer Rede vorgelesen. Wenn Sie an dieser Stelle
frei gesprochen hätten, dann hätten Sie das niemals so
gesagt.
({3})
Stichwort „bündnispolitisch notwendig“: Seit 2005 ist
das US-Atomwaffendepot Ramstein geräumt. Nach diesen Waffen kräht heute kein Hahn mehr. Man erinnere
sich außerdem an die Signale aus der US-Administration, darauf könne schon längere Zeit verzichtet werden.
Nicht einmal diese Signale werden aufgenommen. Ihre
Haltung ist Unsinn. Ich erspare mir, einen deutlicheren
Ausdruck zu verwenden.
In Wirklichkeit schadet dieses Festhalten an der nuklearen Teilhabe - das ist heute besonders wichtig festzuhalten -, dem deutschen Eintreten für eine glaubwürdige Nichtverbreitungspolitik.
({4})
Unsere Erfahrung im Unterausschuss „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“ ist, dass dieses
Festhalten immer wieder einen Makel hinsichtlich eines
glaubwürdigen Eintretens für die Nichtverbreitung darstellt. Hinzu kommen die ethische und die völkerrechtliche Ebene. Bundeswehrsoldaten dürfen selbstverständlich keine Waffen einsetzen, die unterschiedslos wirken
und die vor allem Zivilsten treffen. Deshalb dürfen sie
auch keine Antipersonenminen einsetzen.
({5})
In der Taschenkarte „Humanitäres Völkerrecht“, die
vom Bundesverteidigungsministerium herausgegeben wird
- Herr Staatssekretär, Sie haben uns vor wenigen Tagen
die Ausgabe 2008 zugesandt; vorher gab es nur die Ausgabe 2006 -, sind die verbotenen Kampfmittel aufgeführt. Dort steht drin, dass der Einsatz von Atomwaffen
für Bundeswehrsoldaten verboten ist.
({6})
Was heißt das im Klartext? Diesen Einsatz zu üben, ist
rechtswidrig. Wer solche Übungen anordnet, handelt
noch rechtswidriger.
({7})
Ich habe den Minister vor einer Woche aufgefordert,
dazu Stellung zu nehmen: null. Er wird von Journalisten
gefragt: null. Dies ist ein Kopf-in-den-Sand-Stecken vor
eminent wichtigen rechtlichen Fragen. Im Rahmen der
Inneren Führung verlangen wir von den Soldaten, dass
sie sich rechtmäßig verhalten. So liederlich wie Sie mit
dem Recht umzugehen, schadet der Inneren Führung.
({8})
Herr Kollege, Sie müssten zum Schluss kommen.
Ja, ich komme dann zum Schluss.
Es ist schon mehrfach gesagt worden: Die taktischen
Atomwaffen sind ein Relikt des Kalten Krieges. Im Bereich der Chemiewaffen machen wir die Erfahrung, dass
es dort erfolgversprechend weitergeht. Die Bundesrepublik unterstützt wirksam Chemiewaffenvernichtungsanlagen in Russland wie sonst kein anderer. Dies ist ein
wirklich gutes Beispiel dafür, wie man bei den taktischen Atomwaffen weitermachen kann. Das wäre ein
wichtiger Schritt zur weiteren nuklearen Abrüstung, um
von uns aus wieder etwas mehr Schwung in die nukleare
Nichtverbreitung hineinzubringen.
Wer dieser Position auf der Veranstaltung in Büchel
am 30. August Rückhalt geben will, der sollte das tun.
Das kann - nicht alle können physisch anwesend sein,
aber möglichst viele - in der einen oder anderen Form
geschehen.
Danke schön.
({0})
Jetzt hat der Kollege Eckart von Klaeden das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Die Redner der geschätzten Opposition tun ja gerade so, als sei in Fragen der Abrüstungspolitik in den
letzten Jahren, insbesondere seit dem Ende des Kalten
Krieges, nichts geschehen. Ich will darauf hinweisen,
dass wir in Deutschland und in Europa Abrüstungsschritte in einem erheblichen Umfang unternommen haben. Die Mitgliedstaaten der NATO haben seit Anfang
der 90er-Jahre die Zahl der substrategischen Nuklearwaffen in Europa um mehr als 85 Prozent reduziert, gegenüber „Spitzenzeiten“ des Kalten Krieges sogar um
95 Prozent.
Was im Hinblick auf Ramstein vorhin angeführt worden ist, ist ein Zeichen dafür, dass die NATO-Allianz
das, was an Nuklearwaffen notwendig ist, auf ein Mindestmaß reduziert; das unterstützen wir ausdrücklich.
Dies folgt dem strategischen Konzept, das die Mitglieder
des Bündnisses im Konsens beschlossen haben und zu
dem sich auch die Bundesregierung im Weißbuch bekannt hat.
Ich hatte deswegen vom Kollegen Mützenich auch ein
Bekenntnis zu dem Dreiklang unserer Sicherheitspolitik,
unserer Nuklearpolitik erwartet: zum Ersten Abrüstung
und Rüstungskontrolle, zum Zweiten Raketenabwehr - diesem Teil hat der Außenminister beim NATO-Gipfel zugestimmt - und zum Dritten die nukleare Teilhabe, die als
ein nicht mehr so wichtiges, aber dennoch notwendiges
Element unserer Sicherheitspolitik im Weißbuch bezeichnet wird. Es nützt der Glaubwürdigkeit des Außenministers und auch unseren gemeinsamen Abrüstungsinitiativen wenig, wenn im Bündnis der Eindruck entsteht, als
habe der Außenminister in seiner Fraktion nicht die notwendige Unterstützung für eine Politik, für die er im
Bündnis eintritt.
Dass die Lagerung von Nuklearwaffen in Europa,
mögen es auch noch so wenige sein, höchsten Sicherheitsstandards genügen muss, ist, so glaube ich, eine
Selbstverständlichkeit. Denn wir müssen damit rechnen,
dass auch Terroristen in Europa versuchen könnten, in
den Besitz von Nuklearwaffen zu kommen oder Anschläge gegen deren Lagerstätten zu verüben.
Aber die eigentliche Frage ist doch - eine Antwort
darauf habe ich nun wiederum bei der FDP vermisst -,
ob man unter veränderten Umständen nach wie vor der
Ansicht ist oder nicht mehr der Ansicht ist, dass wir am
Grundsatz der nuklearen Teilhabe festhalten sollten. Wer
wie Sie, Herr Kollege Westerwelle, den Abzug unterschiedslos aller Nuklearwaffen aus Deutschland fordert,
stellt auch die nukleare Teilhabe und die gültige NATOStrategie infrage. Das sollte man, wie ich finde, dann
aber auch sagen.
({0})
- Von Ihnen wird dies konsequent vorgetragen. Aber wie
gesagt, man muss dann die Frage beantworten, wie man
zur gültigen Nuklearstrategie der NATO steht.
({1})
Ich bin der Ansicht, dass wir, auch wenn die Notwendigkeit der Abschreckung in den letzten Jahrzehnten
nach dem Ende des Kalten Krieges erfreulicherweise abgenommen hat, zur Sicherheit unserer Bürgerinnen und
Bürger nach wie vor auf eine nukleare Abschreckungskomponente angewiesen sind. Der offenkundigen Nuklearisierung Indiens und Pakistans ist weltweit eine
beschleunigte Proliferation der Nukleartechnologie gefolgt. Wir haben - darüber diskutieren wir in diesem
Hause immer wieder - mit Nordkorea und dem Iran zwei
Staaten, die im Hinblick auf die Nukleartechnologie vor
dem Überschreiten der Schwelle stehen oder diese bereits überschritten haben.
Der geografische Fokus der nuklearen Bedrohung hat
sich für die NATO in Richtung Asien sowie Nah- und
Mittelost verlagert. Vor diesem Hintergrund wurden bedeutende und von uns unterstützte Abrüstungsschritte
möglich. Die Bedeutung der Nuklearwaffen hat sich in
diesem neuen Sicherheitsumfeld geändert. Die Abhängigkeit der NATO von Nuklearwaffen hat sich erfreulicherweise weiter reduziert. Aber wir werden doch gerade vor dem Hintergrund dieser neuen Gefahren nicht
darauf verzichten können, dem fundamentalen Zweck
der Nuklearwaffen im Bündnis nachzukommen. Dieser
ist ein eminent politischer, nämlich Frieden zu bewahren
und Kriege zu verhindern sowie den politischen, strategischen, militärischen Erfolg - wie immer Sie es auch
nennen wollen - von jemandem, der mit dem Einsatz
von Nuklearwaffen rechnet oder sie in das Kalkül zieht,
so weit zu minimieren, dass es dazu nicht kommt.
({2})
Wir hören doch von Ihrer Fraktion, der FDP, immer
wieder die nachvollziehbaren und von mir auch gar nicht
infrage gestellten Bekenntnisse zum Existenzrecht Israels
einerseits und die ablehnende Äußerung des iranischen
Präsidenten Ahmadinedschad andererseits. Jetzt zählen
Sie doch einfach einmal die Fakten zusammen: das iranische Raketenprogramm, das iranische Nuklearprogramm
und schließlich die ständigen Drohungen des iranischen
Präsidenten gegen Israel.
({3})
- Ich erkläre es Ihnen, Herr Westerwelle.
Vor diesem Hintergrund ist ja leider das Szenario
nicht unwahrscheinlich, dass der Iran irgendwann Israel
mit Nuklearwaffen bedrohen könnte. Wenn wir in einer
ähnlichen Situation wie im ersten Irak-Krieg, als
Saddam Hussein Raketen auf Israel geschossen hat, Abwehrraketen an Israel liefern würden und der Iran daraufhin erklären würde, wir würden zur Kriegspartei,
dann müssten wir eine Antwort auf eine solche strategische Bedrohung haben. Auf solche, leider nicht völlig
unwahrscheinliche Gefahren müssen wir uns dann einrichten
({4})
und in unsere Sicherheitskalkulation mit einbeziehen.
({5})
Elke Hoff spricht jetzt für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat eben
den Begriff „Gespensterdebatte“ benutzt.
({0})
Wir diskutieren hier über ein Thema, das wirklich der
Ernsthaftigkeit bedarf. Es ist gut und wichtig, dass wir
hier und heute diese Aktuelle Stunde durchführen. Diese
Diskussion zeigt nämlich, dass es im Deutschen Bundestag für die These von Herrn von Klaeden keine Mehrheiten mehr gibt.
({1})
Lieber Rolf, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Ich finde, du hast die Haltung deiner Fraktion mit
sehr klaren Worten dargestellt. Die Unionskollegen sollten einmal innehalten und sich fragen, ob das, was sie
hier argumentativ vortragen, wirklich den politischen
Willen des Deutschen Bundestages widerspiegelt. Ich
bin sehr gespannt darauf.
Herr von Klaeden, ich schätze Sie als außenpolitischen Fachmann wirklich sehr. Auch ich bedauere, dass
der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung angesichts dieses Themas allein auftritt. Ich hätte mir gewünscht, dass auch ein Vertreter des
Auswärtigen Amtes auf der Rednerliste gestanden hätte.
({2})
Die Dinge sind nämlich eng miteinander verzahnt, und
das Problem bedarf einer Antwort aus beiden Bereichen.
({3})
- Die Dinge sind miteinander vernetzt; vielen Dank,
Kollege Nachtwei.
Keiner der Redner hat in irgendeiner Form die Frage
beantworten können - Herr von Klaeden, auch Sie nicht -,
wer mit der nuklearen Teilhabe in der Bundesrepublik
Deutschland abgeschreckt werden soll. Ich halte es geradezu für einen Affront gegenüber unseren Freunden in
Israel, eine solche argumentative Hilfskonstruktion aufzubauen,
({4})
obwohl die nukleare Teilhabe aus einer Zeit stammt, in
der sich die Bedrohung aus der Blockkonfrontation ergab. Selbstverständlich müssen wir über die strategische
Ausrichtung unserer Sicherheitspolitik reden und uns
immer wieder neu ausrichten. Mit dieser Verknüpfung
haben Sie sich nach meiner Meinung aber einen Bärendienst erwiesen. Das überzeugt niemanden.
({5})
Solange die Frage, wer heute abgeschreckt werden
soll, nicht beantwortet werden kann, müssen wir, die
verantwortlichen Politiker im Deutschen Bundestag, uns
fragen, ob wir es unseren Bürgerinnen und Bürgern weiterhin zumuten können, dass sich Atomwaffen auf unserem Territorium befinden.
({6})
Wir müssen uns doch fragen, ob es nicht viel besser ist,
an dieser Stelle über ernsthafte Abrüstungsinitiativen zu
reden.
Wir haben den Atomwaffensperrvertrag zwar gezeichnet, handeln zurzeit aber nicht vertragskonform. Es
ist ja nicht so, dass auf NATO-Ebene keine Gesprächsbereitschaft vorhanden ist. Sowohl der NATO-Generalsekretär als auch Mitglieder der NATO, insbesondere die
Vereinigten Staaten, haben gesagt: Es ist okay, wenn
Deutschland das Thema auf die Tagesordnung setzen
will. Wir können darüber diskutieren. Lieber Kollege
Nachtwei, das war übrigens auch schon zu Zeiten der
rot-grünen Bundesregierung der Fall. Wenn Deutschland
seine Glaubwürdigkeit in Sachen Abrüstungspolitik bewahren will, wäre es doch ein Leichtes, dieses Thema
auf die NATO-Tagesordnung zu setzen, um dann konstruktiv und mit Blick in die Zukunft darüber diskutieren
zu können.
({7})
Das erwarten wir von der Bundesregierung.
({8})
Herr von Klaeden, Sie haben eben gesagt, wir würden
Antworten schuldig bleiben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie uns als Teil der Bundesregierung gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner eine Antwort hätten geben können.
({9})
Sie sind zurzeit in der Regierungsverantwortung und
müssen uns deswegen zeigen, dass Ihre Gründe schlüssig sind.
Noch einmal zurück zum Thema Sicherheit: Herr
Staatssekretär, Sie haben eben behauptet, dass wir über
dieses Thema im Ausschuss debattiert hätten. Wir haben
es am Rande der Sitzung nur sehr kurz angesprochen.
Ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr Zeit gehabt hätten, um über diese Dinge zu diskutieren. Ich wünsche
mir, dass unserer Bevölkerung glaubhaft versichert wird,
dass die Lagerung, die zurzeit noch stattfindet, sicher ist
und die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende
dazu beiträgt, die Sicherheit zu gewährleisten. Ich wünsche mir aber auch, dass die Regierung gleichzeitig das
klare Signal gibt - hier ist der Bundesaußenminister gefordert -, dass wir bereit sind, uns in Sachen Abrüstung
international an die Spitze zu stellen, und zwar außerhalb der Sonntagsreden und Konferenzen, mit ganz konkreten Maßnahmen innerhalb der NATO. Ich wünsche
mir, dass wir unsere Auffassung auf den Tisch legen.
Ich sehe dafür eine Mehrheit in diesem Deutschen
Bundestag. Werden Sie sich untereinander einig. Ich
denke, dann kann man über alles reden.
Herzlichen Dank.
({10})
Uta Zapf spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir an Gedächtnisschwund leiden.
({0})
Im Jahre 2005 gab es schon einmal einen FDP-Antrag;
das wissen Sie selbstverständlich.
({1})
Über ihn ist damals nicht abgestimmt worden, weil die
Legislaturperiode zu Ende war. Sie haben dann wiederum einen Antrag eingebracht.
Am 25. Januar 2006 gab es einen Antrag der Linken.
Über ihn haben wir hier und im Ausschuss mehrfach diskutiert. Am 7. März 2006 gab es einen Antrag der Grünen. Beide sind abgelehnt worden. Jetzt steht noch der
Antrag von der FDP auf der Tagesordnung. Außer in
dieser Aktuellen Stunde werden wir uns, denke ich, noch
in einer anderen Plenardebatte damit auseinandersetzen
müssen. Denn hier haben sich ganz viele dafür ausgesprochen, endlich einmal über die NATO-Strategie und
über den Abzug der Atomwaffen aus Europa nachzudenken. In diesem Zusammenhang muss auch seriös über
die Möglichkeiten der Abrüstung in der Welt insgesamt
diskutiert werden.
Im Übrigen hat diese Koalition am 8. November 2006
in einem Antrag formuliert, dass „neue Impulse zur Reduzierung substrategischer Nuklearwaffen in Europa seitens der NATO sinnvoll“ sind. Über Waffen im Zusammenhang mit der NATO diskutieren wir doch im
Moment. Der Dreiklang, der hier genannt wurde, Herr
von Klaeden, wirkt auf mich im Moment wie ein Missklang. Darüber muss im Rahmen einer neuen Diskussion
über die NATO-Strategie gesprochen werden. Diese
steht an und wird unter Umständen bis 2009 auf der Tagesordnung gewesen sein. Das Europäische Parlament
hat in 2006 den Abzug gefordert. Das belgische Parlament hat ebenfalls in 2006 eine Resolution dazu beschlossen. Es gibt ein europäisches Land, das erfolgreich
war in der Forderung, diese Waffen von seinem Territorium zu entfernen: Griechenland.
Manchmal ist eine weitere historische Erinnerung
ganz wichtig. Erinnern wir uns einmal daran, was die
Bundesregierung 1989 gemacht hat. Sie hat von den Alliierten verlangt, die Kurzstreckenwaffen aus Europa
abzuziehen. Wie wir wissen, war diese Forderung erfolglos. Liebe Freunde, wir haben - manchmal parteiübergreifend - im Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit dem Nichtverbreitungsvertrag immer wieder
dieselben Forderungen gemeinsam beschlossen.
Auch die NATO hat bis zum Jahre 2000 unterstützt,
was die Überprüfungskonferenz in dem Jahr gefordert
hat. Sie hat die 13 Schritte, die zur totalen Abrüstung
führen sollen, begrüßt. Einer dieser 13 Schritte ist, diese
taktischen Atomwaffen von der Welt zu entfernen. Herr
Mützenich hat recht: Natürlich wird das ohne Russland
überhaupt nicht möglich sein. Aber dazu muss eben auch
ein Impuls gegeben werden; dieser darf nicht einseitig
sein. Es hat immer wieder Impulse in der Diskussion
über die NATO-Doktrin gegeben. Ich erinnere daran,
wie viel Prügel Außenminister Fischer eingesteckt hat,
als er versucht hat, „no first use“ in der NATO durchzusetzen. Er hat es nicht geschafft. Auch Herr Struck hat
die Themen Waffen und nukleare Teilhabe eingebracht.
Auch er ist nicht gerade freundlich empfangen worden.
Aber ich finde, wir haben angesichts der veränderten
Lage eine große Verantwortung, unsere Strategien zu
überdenken; offensichtlich steht Proliferation bzw.
Nichtverbreitung im Moment im Vordergrund. Es kann
doch nicht sein - so hat es sich hier jetzt angehört -, dass
wir mit Atomwaffen gegen potenzielle Bedrohung durch
Atomwaffen, Terroristen oder militärische Überlegenheiten angehen. Wir würden uns selber töten. Lassen Sie
sich einmal von einem Wissenschaftler vorrechnen, welche Schäden für die gesamte Umwelt und Umgebung
auch nur eine ganz unbedeutende Auseinandersetzung
mit atomaren Waffen verursachen würde. Wir sind gut
beraten, uns wieder mehr der Abrüstung zuzuwenden, um
andere mitzunehmen oder davon abzuhalten, ihrerseits
atomar aufzurüsten. Je länger wir auf der Abschreckung
bestehen und je stärker sich unsere Strategien - wie die
der Amerikaner - an präemptiven nuklearen Schlägen
orientieren, desto reizvoller wird es für andere, wie Iran
und Libyen - das haben wir gesehen -, sich diese Waffe
auch zuzulegen, weil sie meinen, mit ihr besser geschützt zu sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist auch an unseren Koalitionspartner ein starker Appell. Ich kann in
keiner Weise das unterschreiben, was hier mit großer
Selbstgewissheit über die NATO gesagt worden ist. Wir
sind gut beraten, wenn wir eine internationale, aber auch
eine nationale Initiative für weitere Abrüstung und für
eine Veränderung der NATO-Strategie starten.
Vielen Dank.
({2})
Der Kollege Freiherr zu Guttenberg hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Um mit einer sich anbahnenden Legendenbildung aufzuräumen: Wir alle, auch die CDU/CSU, teilen
die Zielsetzung einer nuklearwaffenfreien Welt.
({0})
Nun schwappt einmal mehr eine friedensbewegte
Welle durch unser Land. Herr Westerwelle, dabei
schwappen Sie munter mit.
({1})
Das kann man auch mit guten Gründen tun. Ich teile
nicht alle Argumente, die unser Geburtstagskind
Mützenich vorgetragen hat, aber sie liefern eine gute und
intellektuell saubere Begründung. Damit begibt man
sich nicht auf das gleiche Niveau wie die Linkspartei.
Das ist auch unter Ihrer Würde, Herr Westerwelle. Man
kann das auch anders machen.
({2})
Man sollte auch nicht auf der Welle des Populismus reiten. Ansonsten ist man irgendwann ebenso ungesichert
wie die Waffen in Büchel.
Das ist die eigentliche Frage, der wir heute nachzugehen haben. Diese Sicherheitslücke ist tatsächlich mehr
als bedauerlich. Sie muss abgestellt werden und wird
wohl auch abgestellt. Vor diesem Hintergrund kann man
auch über anderes sprechen. Aber die Frage ist, ob man
diese Dinge in einer Weise miteinander vermengt, die
dazu führt, dass die Frage des Wie, also wie wir zu dem
gemeinsam geteilten Ziel einer nuklearfreien Welt kommen, im Grunde ad absurdum geführt wird. Gerade aber
auf das Wie kommt es an.
Dazu kann ich nur sagen: Die nukleare Teilhabe ist
Mittel zum Zweck. Dieser Konnex ist in der Tat wichtig.
Nukleare Teilhabe sichert Mitsprache. Diese Mitsprache
geht jedoch dahin, dass wir uns irgendwann in einer nuklearfreien Welt bewegen können. Und ohne wird es
nicht funktionieren.
Es ist schon interessant, wie sich mancher profilbedachte
Lautsprecher in diesen Tagen nicht mehr erinnert, wie er
selbst in der Regierungsverantwortung gehandelt hat.
({3})
Ich habe es möglicherweise aus dem Gedächtnis verloren, dass in den sieben Jahren der Vorgängerregierung
auch nur einer oder eine einmal die nukleare Teilhabe infrage gestellt hätte.
({4})
- Wer hat denn bitte die nukleare Teilhabe öffentlich infrage gestellt? Wer von den FDP-Außenministern hat jemals die nukleare Teilhabe öffentlich infrage gestellt?
({5})
- Das ist möglicherweise für alle etwas zu lange her, das
kann schon sein. Herr Westerwelle, Sie sind dann wahrscheinlich der Erste, der im ersehnten, angestrebten
Amte sofort, unverzüglich und mit entsprechender Verve
darangehen wird, diese Ziele unter plötzlicher Entdeckung des Unilateralismus - leider an der NATO vorbei umzusetzen. Dazu kann ich nur sagen: Das ist pure Träumerei. Es ist ein unseriöser Ansatz, wenn wir uns mit
dieser Frage so beschäftigen, wie Sie sich heute damit
beschäftigen.
({6})
Es sind überhaupt jene, die sonst immer laut und zu
Recht nach Multilateralismus rufen, die plötzlich den
Unilateralismus neu für sich entdecken, weil in dieser
Frage nichts erreicht werden kann, ohne die Strukturen
der NATO zu nutzen. Es ist für uns schon eine wichtige
Frage, ob man das Bündnis für diese gemeinsame Zielsetzung nutzen kann. Dann muss man aber auch ein Stück
weit Bündnisverantwortung und Bündnissolidarität zeigen.
Natürlich ist die Frage berechtigt: Nutzen uns die
Waffen in Büchel noch etwas? Weitere Fragen wären:
Wohin müssten sie verbracht werden? Was ist mit ihrem
Bedrohungspotenzial? Aber mit der Art und Weise, wie
Sie Ihre Forderung vortragen, werden Sie bei unseren
amerikanischen Bündnispartnern nichts, aber auch gar
nichts erreichen. In den USA wird diese Debatte zwar
noch schüchtern und für uns alle viel zu leise geführt,
aber sie wird geführt.
({7})
Wenn man aber so auftritt und solche Gründe anführt
wie Sie, dann wird sich auch der neue Präsident der USA
bei diesem Thema nicht bewegen. Es ist auch eine Frage
des Stils, wie man hier vorgeht.
({8})
Glauben Sie denn, dass ein Abzug der Atomwaffen
aus Deutschland allein unser Land sicherer machen
würde? Wissen Sie, was passieren würde, wenn wir
diese Waffen an einen anderen Ort, den wir eher als unsicherer erachten, verbringen würden? Ist das ein großartiger Erfolg?
({9})
Ist das ein Beitrag zu unserer Sicherheit? Ist das etwas,
was unserer Zielsetzung entspricht? Ich glaube, nein.
Das ist eher ein bemerkenswerter Beitrag zur immanenten Entsolidarisierung der NATO. Das ist ein „großartiger“ Beitrag, Herr Westerwelle, der ganz in der Tradition
der Außenminister Ihrer Partei steht!
In meinen Augen müssen wir das Thema Abrüstung
angehen, indem wir die NATO und die Strukturen der
NATO nutzen. Dort müssen wir unser Gewicht deutlich
machen; wir müssen es uns aber auch bewahren. Die
NATO ist der Ort, an dem über Abrüstung gesprochen
werden muss. Unsere Zielsetzung ist eine atomwaffenfreie Welt. Dieses Ziel werden wir aber nicht erreichen,
wenn wir in der Art und Weise vorgehen, wie Sie es getan haben.
Vielen Dank.
({10})
Jetzt spricht Gert Winkelmeier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir sprechen heute über die US-Atomwaffenlager, speziell über das im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz.
In einer US-Studie ist von gravierenden Sicherheitsmängeln bei der Lagerung von Atomwaffen die Rede. Das
eigentliche Problem sind aber die Atomwaffen selbst und die werden in dieser Studie leider nicht erwähnt.
Ich freue mich, dass alle drei Oppositionsfraktionen
den Abzug der Atomwaffen fordern. Ich freue mich
auch, dass sogar die rheinland-pfälzische Landesregierung ihren Abzug fordert. Mich ärgert aber der billige
Populismus, ja die Verhöhnung der Menschen, die bei
diesem Thema vor allem bei der SPD, aber auch bei der
FDP Einzug gehalten haben.
Wenn Herr Westerwelle und Herr Brüderle sagen,
diese Waffen seien ein Überbleibsel aus dem Kalten
Krieg, dann haben sie objektiv gesehen recht. In diesem
Zusammenhang ist aber die Frage erlaubt: Wo waren Sie
denn, als die Friedensbewegung diese Forderung bereits
vor Jahrzehnten aufgestellt hat? Wo waren Sie damals?
({0})
- Der Kalte Krieg ist seit mittlerweile 18 Jahren vorbei,
Herr Westerwelle; das wissen Sie genauso gut wie ich.
Wo waren Sie in den letzten zehn Jahren?
({1})
In den letzten zehn Jahren haben Sie die Friedensinitiative in Büchel nicht ein einziges Mal unterstützt. Herr
Brüderle war jahrelang stellvertretender Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Was hätte er in diesem Amt
nicht alles für die Umsetzung dieser Forderung tun können! Nichts hat er in diesem Sinne getan. Er hat der Friedensbewegung immer die Auskünfte verweigert.
({2})
Es ist erwähnt worden, dass Rheinland-Pfalz jahrzehntelang der Flugzeugträger der NATO war; das ist
richtig. Das ist eine Formulierung der Friedensbewegung. Politiker von CDU und FDP waren in diesem
Bundesland jahrzehntelang in Regierungsverantwortung. Sie haben dieses Bundesland hochgerüstet und militaristisch geprägt. Auch Kurt Beck lässt heute keine
Gelegenheit aus, in den USA für den Erhalt der USStandorte in Rheinland-Pfalz zu werben. Das macht
seine jetzige Forderung nach Abzug der Atomwaffen
schlicht und einfach unglaubwürdig.
Ich fordere einen Verzicht auf die nukleare Teilhabe.
Folgen Sie den Beispielen Kanadas und Griechenlands!
Diese beiden Länder haben den Verzicht auf die nukleare
Teilhabe beschlossen und werden seit diesem Beschluss
allerdings nicht atomar erpresst, wie es uns die Herren
von Guttenberg und von Klaeden von der CDU/CSU
weismachen wollen.
Vor zwei Jahren haben Sie alle, Kolleginnen und Kollegen, dem Weißbuch zur Sicherheitspolitik zugestimmt.
Zu diesem Zeitpunkt hätten Sie die Frage des Atomwaffenabzugs ansprechen können, hätten Sie die Frage der
nuklearen Teilhabe ansprechen können. Sie haben zugestimmt, dass es Atomwaffen auf deutschem Boden gibt,
weil Sie die Tornadopiloten für den Einsatz, für den Abwurf der Atomwaffen, ausbilden wollten. Deshalb glaubt
Ihnen von der Friedensbewegung niemand, dass Sie ehrlich für den Abzug dieser Waffen eintreten.
Einzig die Partei Die Linke und die Friedensbewegung sind glaubhaft in ihrer Forderung nach Verzicht auf
Mitsprache bei der Verfügung über Atomwaffen, in ihrer
Forderung nach dem Abzug aller Atomwaffen aus
Deutschland und in ihrer Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende. - Herr Westerwelle, wenn Sie
es wirklich ernst meinen, dann lassen Sie sich am
30. August in Büchel blicken, wo die Friedensinitiative
Westpfalz gegen diese Waffen demonstrieren will.
({0})
- Auf mich brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen.
Aber ich wäre erfreut, wenn Sie sich dort sehen lassen
würden. Das wäre ein Stück Glaubwürdigkeit.
Danke schön.
({1})
Der Kollege Rolf Kramer hat jetzt das Wort für die
SPD.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden
über bis zu 20 Atomwaffen, die möglicherweise noch in
Büchel gelagert sind. Ich stelle mir vor, wir hätten diese
Diskussion in den 60er-Jahren, in den 70er-Jahren, in
den 80er-Jahren geführt: Wir alle wären vor lauter Hurra
an die Decke gesprungen, wir hätten es als riesengroßen
Erfolg gefeiert, dass nur noch so wenige Atomwaffen
dort gelagert werden. - Man muss man sich immer wieder klarmachen, worüber man redet.
Wir haben in den fast 20 Jahren seit dem Ende des
Kalten Krieges einen großen Weg zurückgelegt in Richtung weniger Atomwaffen, zumindest in Europa, in
Deutschland. Wir alle sollten froh sein, dass ein Großteil
der taktischen Atomwaffen nicht mehr in Europa gelagert wird.
Wir sprechen heute über Sicherheitsmängel bei der
Lagerung der Atomwaffen. Jenseits jeder Diskussion
muss klar sein, dass Sicherheitsmängel abgestellt werden müssen.
Herr Nachtwei hat darauf hingewiesen, dass er seinen
Dienst als Soldat in einer Einheit versehen hat, die mit
Atomwaffen ausgerüstet war. Ich selbst durfte in einer
Fla-Rak-Einheit meinen Dienst ableisten. Wir haben geübt, die Städte im Umkreis von 100 bis 200 Kilometern
mit Atomwaffen zu belegen. Einige wenige - ich gehörte dazu - haben damals darüber nachgedacht und
gesagt: Es kann nicht der richtige Weg sein, das eigene
Territorium mit Atomwaffen zu belegen, sprich: es zu
zerstören.
Vor dem Hintergrund dessen, dass der Kalte Krieg
seit etwa 20 Jahren vorbei ist, müssen wir immer wieder
darüber nachdenken, ob die Nuklearstrategie der NATO
so, wie sie angelegt ist, noch sinnvoll ist. Wer in das
NATO-Handbuch aus dem Jahr 1999 schaut, sieht, dass
in diesem Bereich große Fortschritte zu verzeichnen
sind.
Ich glaube, es war Verteidigungsminister Volker
Rühe, der nach dem Ende des Kalten Krieges ausgeführt
hat, dass Deutschland „von Freunden umzingelt“ ist und
dass wir natürlich unsere Strategie ändern müssen. Wir
haben, obwohl uns der Feind abhandengekommen ist,
noch immer Tornadoflugzeuge in Büchel, die üben, wie
man Atomwaffen abwirft.
({0})
Die militärische Notwendigkeit, den Einsatz solcher
Waffen zu üben, ist nicht mehr gegeben. Auch erschließt
sich mir und den Mitgliedern meiner Fraktion die politische Sinnfälligkeit dessen nicht. Deshalb müssen wir unsere Strategie ändern. Wir sind für einen weiteren drastischen Abbau der vorhandenen Atomwaffen. Diese
Diskussion - darauf ist hingewiesen worden - ist überhaupt nicht neu. Bei der Diskussion über das Weißbuch
haben wir schon darüber gesprochen. Ein wichtiges Argument, das auch hier immer wieder gebracht wurde, ist,
dass die Teilhabe an Planungsprozessen hinsichtlich der
Atomwaffen davon abhängig ist, ob wir in Deutschland
über Atomwaffenträger verfügen und mit ihnen üben.
Mein Kollege Hans-Peter Bartels hat im Februar letzten Jahres eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die in diese Richtung ging. Er fragte nämlich danach,
wie viele Staaten der NATO Trägersysteme zur Verfügung stellen. Die Antwort lautete: Es sind acht. - Die
nächste Frage war, wie viele Länder der NATO an den
Planungsprozessen teilnehmen. Die Antwort war: Bis
auf Frankreich alle. - Frankreich ist im NATO-Russland-Rat und nimmt vor diesem Hintergrund auch an den
Planungen teil.
Mir scheint das Argument, dass wir nur durch die Trägersysteme unser Gewicht in den NATO-Gremien einbringen können, also sehr schwach zu sein.
({1})
Andere NATO-Länder verfügen nicht über Trägersysteme und nehmen trotzdem an den Planungsprozessen
teil.
Man sollte die Diskussion vielleicht auch ein wenig
gelassen führen; denn ab dem Jahre 2013 werden die
Tornados ausgephast. Es gibt dann kein Nachfolgesystem; denn die Eurofighter, die eingeführt werden, sind
dafür nicht gedacht. Es wird auch nicht mehr geübt werden. Dieses Problem löst sich also mit der Zeit. Uns
wäre es aber lieb, wenn man dieses Problem ganz
schnell lösen könnte.
Vielen Dank.
({2})
Der Kollege Ernst-Reinhard Beck spricht jetzt für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Gleich vorneweg: Sollten die Ergebnisse in der
amerikanischen Studie tatsächlich richtig sein, dann
müssten die dort aufgeführten Mängel von den Amerikanern umgehend und schnell beseitigt werden. Ich glaube,
darüber sind wir uns völlig einig.
({0})
Es kann nicht sein, dass in Deutschland stationierte Nuklearwaffen nur unzulänglich gesichert sind. Es wäre in
der Tat fatal und nicht erträglich, wenn davon aufgrund
mangelhaften Schutzes keine Gefahr für irgendwelche
Gegner, sondern für unsere eigene Bevölkerung ausginge.
In diesem Bericht steht, dass die Anlagen durch
Wehrpflichtige, die nur neun Monate lang ausgebildet
wurden, gesichert seien. Wir haben eine Wehrpflicht von
neun Monaten; das scheint den Verfassern bekannt zu
sein. Ich möchte jetzt nicht über Qualität reden, aber ich
möchte unsere Wehrpflichtigen in Schutz nehmen; denn
nach ihrer Grundausbildung können sie in der Tat Wachdienst leisten. Den Verweis auf eine Wehrpflicht, die dafür vielleicht generell nicht geeignet ist, halte ich
schlichtweg für eine Zumutung. Unsere Soldaten leisten
hier einen guten Dienst, und sie sichern den äußeren Bereich ab.
({1})
Für den inneren Bereich sind die Amerikaner zuständig.
Das ist so.
Herr Kollege Kramer, ich gebe Ihnen recht, dass wir
das in aller Ruhe diskutieren sollten. Ich kann Ihnen aber
die Sicherheit nicht ganz geben. Auch nach 2013 halten
wir Tornados vor, die nuklearwaffenfähig sind. Von daher läuft das 2013 nicht aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es kann einfach nicht sein, dass wir aufgrund eines Mängelberichts
den Abzug der Nuklearwaffen durch die Amerikaner
fordern, weil die Waffen angeblich unsicher bei uns gelagert sind. Wenn wir zu dieser Forderung kommen und
der Auffassung sind, dass wir auf amerikanische und
sonstige Nuklearwaffen auf unserem Boden verzichten
wollen, weil sich die Dinge geändert haben, dann kann
dies doch nur das Ergebnis einer sicherheitspolitischen
und einer NATO-strategischen Diskussion sein, an deren
Ende wir sagen: Ja, das gesamte Szenario hat sich geändert. Deshalb brauchen wir weder die nukleare Teilhabe
noch - im Bereich der Abschreckung - die taktischen
Atomwaffen, die mit Flugzeugen transportiert werden. Diese Diskussion vermisse ich. Die Diskussion jetzt ist
im Grunde sehr punktuell auf die Sicherheitsfragen statt
auf das Grundsätzliche abgestellt.
Ich meine trotzdem, feststellen zu müssen, dass die
NATO-Strategie der Abschreckung nach wie vor Gültigkeit hat, liebe Frau Kollegin Hoff. Sie haben gefragt,
wen wir eigentlich abschrecken. Abschreckung ist zunächst einmal ein abstrakter Begriff. Ich kann jemanden
abschrecken, der direkt vor mir steht, aber ich kann auch
gegenüber potenziellen Gefahren abschreckend wirken.
Es gibt eine riesige Menge an Literatur über die Strategie
der Abschreckung.
Wenn Sie dieses Thema vereinfachen, wie es auch der
Kollege Westerwelle getan hat - er hat sich darüber lustig gemacht und gesagt, dass wir noch im Ost-West-Konflikt seien und keine Ahnung hätten, was eigentlich passiert ist -, dann blenden Sie aus, welche tatsächlichen
Gefährdungen bestehen. Sind die iranische Nuklearrüstung, die Atombombe von Nordkorea und der Reaktor in
Syrien etwa nicht real?
Richtig ist aber - ich glaube, das hat der Kollege
Mützenich vorhin im richtigen Kontext getan -, dass wir
über all diese Gefährdungen sprechen und sie in den
richtigen Zusammenhang stellen müssen. Das gilt übrigens auch für die russischen Nuklearwaffen und Nuklearreaktoren, die noch ungesichert irgendwo im Eismeer
liegen. Diese ganzen Bereiche müssen wir mit einbeziehen, statt uns punktuell auf Büchel zu konzentrieren.
({2})
Ernst-Reinhard Beck ({3})
Wir sind - um das ganz klar zu sagen - für Abrüstung. Wir sind für eine Politik der nuklearen Abrüstung
und der Nichtverbreitung. Die Kollegin Zapf hat zu
Recht gesagt, dies seien zwei Seiten derselben Medaille.
Ziel muss aber nicht nur die weltweite Abschaffung der
Nuklearwaffen, sondern die weltweite Ächtung und Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen sein. Dies
müsste, glaube ich, das Fernziel sein. Wir sind leider
noch nicht so weit.
({4})
- Richtig. Wir haben schon erste Schritte unternommen.
Auch darauf ist bereits hingewiesen worden. 95 Prozent
der Nuklearwaffen sind bereits aus Deutschland abgezogen worden, lieber Kollege Nachtwei.
({5})
Ich meine, der Abzug der US-Atomwaffen wäre zum
jetzigen Zeitpunkt falsch. Denn im Kern geht es um die
Mitsprache Deutschlands im Bündnis auf gleicher Augenhöhe. Deshalb können wir jetzt noch nicht darauf
verzichten.
Vielen Dank.
({6})
Der Kollege Gerd Höfer spricht jetzt für die SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Aktuellste an der heutigen Debatte ist die
Meldung in der Memminger Zeitung vom gestrigen
Tage, die den Spiegel-Online-Bericht über Sicherheitsmängel bei der Lagerung von Atomwaffen aufgegriffen
hat. Es war mir durchaus klar, dass sich daraus eine
Aktuelle Stunde entwickeln kann, die nichts mehr mit
der Sicherheit der Lagerung zu tun hat, sondern sich mit
den politischen Dimensionen von Atomwaffen insgesamt beschäftigt.
In meinem Wahlkreis gab es ein Atomwaffenlager. Es
befand sich auf einer Wiese; es verfügte über Wachturm
und Scheinwerfer. Das friedliche Bild wurde durch
Schafherden ergänzt, die dort das Gras abgeweidet haben. Die Menschen in einer benachbarten Kleinstadt
haben sich immer gewundert, warum dort nur
30 Amerikaner stationiert gewesen sind. Der äußere
Ring wurde durch Deutsche bewacht; der innere sah
ganz anders aus. Insofern kann mit Sicherheit bezweifelt
werden, dass dort Sicherheitsrisiken bei der Lagerung
bestanden haben.
Es ist aber schon fast ein Pawlow’scher Reflex: Wenn
von Atomwaffen die Rede ist, dann stehen für die Menschen zunächst die Dimension und der Schrecken der
militärischen Möglichkeiten von Atomwaffen im Vordergrund. Es wird aber übersehen, dass die Atomwaffen
- über die militärische Bedeutung hinaus - heute auch
eine politische Stärke - in Anführungszeichen - bewirken. Das hängt damit zusammen, dass Staaten, die über
Atomwaffen oder Trägerraketen verfügen - auch wenn
es nur eine einzige ist -, in ihrem politischen Gewicht
plötzlich anders beurteilt werden.
Das wurde deutlich, als sich abzeichnete, dass der
eine oder andere Staat - sei es Südafrika, Israel, Pakistan
oder Indien - im internationalen Kontext und in der
Frage, wie man mit diesen Staaten umgehen bzw. verhandeln soll, einen Bedeutungszuwachs erlebte. Das ist
ebenso pervers wie die Drohung mit dem Einsatz von
Atomwaffen.
Als letzter Redner hat man es natürlich am schwersten. Dennoch wage ich eine Zusammenfassung: Es ist
klar, dass kein Mitglied des Bundestages für Atomwaffen als Ultima Ratio eintritt, im Gegenteil. Wir streiten
darüber, auf welchem Weg wir das, was bislang bei der
Abrüstung erreicht wurde, fortführen können. Die spannende Frage ist, ob die nukleare Teilhabe, wie sie hier
beschrieben wurde - ich will das nicht wiederholen -, einen Weg weist oder ob der Verzicht auf die nukleare
Teilhabe in der Bundesrepublik Deutschland den Weg,
den wir gemeinsamen gehen wollen, verstärkt oder
schwächt. Das ist nicht nur eine akademische Frage, sondern eine Frage der Chemie. Wir haben viel erlebt und
hatten große Hoffnungen. Als die Administration
Clinton kam, herrschte eine hoffnungsvolle Stimmung
im Deutschen Bundestag. Viele waren der Meinung,
dass sich die amerikanische Außenpolitik ändern wird.
Tatsächlich hat sie sich nicht so viel geändert. Nur der
Ton wurde angenehmer.
Ich wage vorauszusagen: Egal wie die kommende
Wahl in den USA ausgeht, an bestimmten Dingen wird
sich nichts ändern. Daher schlussfolgere ich, dass man
über die Mitgliedschaft in der NATO und die nukleare
Teilhabe versuchen sollte, die Dinge auf einen Weg zu
bringen, den die NATO-Partner gemeinsamen gehen
können.
({0})
Viele verkennen: Die zur Verfügung stehenden Trägerflugzeuge stehen unter NATO-Kommando und nicht unter dem Kommando des Inspekteurs der Luftwaffe. Das
erleichtert zwar die ganze Sache nicht, hindert uns aber
in keiner Weise daran, den Verhandlungsweg zu beschreiten.
Wir brauchen ein wirksameres Kontrollregime als
bislang. Denn wie ist es möglich, dass unter Beobachtung aller, die für die Nichtverbreitung sind, auf einmal
Staaten demonstrativ zeigen, dass sie Atomwaffen
haben? Wie haben diese Staaten es geschafft, die Technologie zu erwerben, zum Erstaunen aller Völker Atombombentests durchzuführen und schließlich Mittelstreckenraketen erfolgreich zu testen? Das Kontrollregime,
das dies eigentlich verhindern sollte, ist also nicht
ausreichend. Die Rolle der Wirtschaft, die das ermöglicht hat, muss in diesem Zusammenhang ebenfalls geklärt werden.
Fazit: Die heutige Debatte hat sich gelohnt. Wir sollten weiterhin über den Weg streiten, und zwar nicht
übermorgen, sondern morgen, so bald wie möglich.
Herzlichen Dank.
({1})
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister des Auswärtigen zu den Ergebnissen der Afghanistan-Konferenz in Paris
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.
Weiterhin ist verabredet, die Beschlussempfehlung
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung auf Drucksache 16/9685 sowie des
Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/9711 zu
den Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur
Entwicklung in Afghanistan zusammen mit diesem Tagesordnungspunkt als Zusatzpunkte 2 und 3 aufzurufen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
wird so verfahren.
Ich rufe auch die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:
ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({0})
zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Koczy,
Marieluise Beck ({1}), Volker Beck ({2}),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Entwicklung in Afghanistan - Strategien für
eine wirkungsvolle Aufbauarbeit kohärent
umsetzen
- Drucksachen 16/8887, 16/9685 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christian Ruck
Hellmut Königshaus
Hüseyin-Kenan Aydin
ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Ute Koczy, Kerstin Müller ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Staatsaufbau in Afghanistan - Pariser Konferenz zur kritischen Überprüfung und Kurskorrektur des Afghanistan-Compacts nutzen
- Drucksachen 16/9428, 16/9711 Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Kerstin Müller ({5})
Zwischen den Fraktionen ist verabredet, im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden
zu debattieren. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
das so beschlossen.
Ich erteile das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung dem Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier.
({6})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich darf die Botschafterin Afghanistans begrüßen, die diese Debatte von der Tribüne verfolgt.
({0})
Vor einigen Wochen bekam der zivile Leiter unseres
Wiederaufbauteams in Faizabad Besuch von den Dorfältesten und dem Mullah aus einem Gebirgsdorf in
Badakhshan, dem nordöstlichsten Teil Afghanistans.
Drei Tage waren die Männer unterwegs: zu Fuß, mit
Eseln und das letzte Stück im Sammeltaxi.
Sie fragen sich sicherlich: Wofür drei Tage? Diese
Abordnung aus dem Dorf kam bei unserem Wiederaufbauteam an und bat um Unterstützung beim Bau einer
Jungen- und Mädchenschule. Der Leiter des Wiederaufbauteams wunderte sich, dass die Delegation für die
knapp 120 Kilometer Wegstrecke drei Tage brauchte.
Die Dorfältesten erwiderten darauf, dass vor zwei Jahren
die gleiche Reise noch weit über eine Woche gedauert
hätte. Mittlerweile gebe es allerdings auf der Hälfte der
Strecke eine neue Straße. Bald werde die Straße wohl
auch das Dorf erreichen. Dann öffne sich für das Dorf
die Welt. Das sei auch der Grund ihres Kommens. Das
Dorf brauche die Hilfe beim Bau der Schule, so der Mullah, „weil wir jetzt endlich eine Zukunft haben, und darauf müssen wir unsere Kinder vorbereiten“.
Meine Damen und Herren, das ist in der Tat nur eine
Dorfgeschichte aus dem Pamir-Gebirge, aber sie führt
uns schnurstracks ins Zentrum dieser Debatte, die wir
heute führen. Viel zu oft verlieren wir uns bei unseren
leidenschaftlichen Diskussionen um Mandate und Obergrenzen. Zu oft verlieren wir dabei den Blick, worum es
im Kern in Afghanistan geht. Es geht im Kern um zwei
Dinge: erstens um die Zukunft dieses Landes und zweitens und immer noch um unsere eigene Sicherheit.
({1})
Die Menschen in diesem Dorf glauben an eine bessere Zukunft. Das Entscheidende ist: Sie wissen, dass
diese Zukunft am Ende von ihnen selbst gestaltet werden
muss. Sie kämpfen für ihre Schule. Sie kämpfen für ein
besseres Leben ihrer Kinder. Wir reichen ihnen dabei im
Grunde genommen nur die helfende Hand.
({2})
Öffnung zur Welt, Zukunft für Kinder - davon jedenfalls träumen die afghanischen Dorfleute, von denen ich
berichtet habe, und sie drücken damit aus, was die Hoffnung der übergroßen Mehrheit der Menschen in Afghanistan ist. Solange diese Hoffnung lebendig ist, werden,
so bin ich sicher, die Taliban keine Chance haben. Jeder
Brunnen, jede Schule, jeder Kilometer Straße ist ein
kleiner Sieg.
({3})
Die Afghanen - viele von Ihnen, meine Damen und
Herren, waren inzwischen dort - sind ganz ohne Zweifel
ein stolzes, freiheitsliebendes Volk. Das kann jeder spüren, der mit ihnen spricht. Aber es sind auch Menschen,
die nicht vergessen haben, in welches Elend sie von den
Taliban gestürzt worden sind. Diese Art Steinzeit-Islam
ist für die Menschen in ihrer ganz übergroßen Mehrheit
keine Zukunftsverheißung.
({4})
Deshalb ist ziviler Wiederaufbau nicht nur irgendein
Randaspekt unseres Engagements in Afghanistan, sondern er steht im Mittelpunkt. Hier entscheidet sich, ob
die Hoffnung die Oberhand behält oder ob die Angst zurückkehrt.
Meine Damen und Herren, was ich hier von dem Gebirgsdorf in Badakhshan schildere, das ist schon lange
kein Einzelfall mehr. Kai Eide, der neue Sondergesandte
des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in Afghanistan, hat im Rahmen der kürzlich in Paris stattgefundenen
Konferenz berichtet, dass mittlerweile in 32 000 Dörfern
in Afghanistan Entwicklungsprojekte erfolgreich umgesetzt worden sind. Nach dem Sturz der Taliban - ich habe
hierüber bereits berichtet, aber ich möchte daran erinnern - gab es so gut wie keine Gesundheitsversorgung in
Afghanistan. Mittlerweile haben 80 Prozent der Bevölkerung Zugang zu basismedizinischer Versorgung.
Das Schulsystem - Sie wissen es - war damals faktisch
zusammengebrochen. Heute gehen 6 Millionen Kinder in
Afghanistan zur Schule, 30 000 Lehrer wurden ausgebildet, 3 500 Schulen aufgebaut oder wiederaufgebaut. 8 Millionen Minen wurden geräumt, 13 000 Kilometer Straßen
gebaut oder repariert. Die Menschen gründen inzwischen
wieder Unternehmen. Die Wirtschaft entwickelt sich auf
niedrigstem Niveau - zugegeben -, aber sie entwickelt
sich in den Teilen des Landes, in denen die Sicherheitslage besser ist, auf niedrigem Niveau stetig fort - und das
alles in sieben Jahren. Ich finde, das ist trotz aller Schwierigkeiten, die wir vor uns haben - diese Schwierigkeiten
sind gewaltig -, eine Leistung, auf die wir miteinander ein
bisschen stolz sein dürfen.
({5})
Aber wir sollten, wie ich finde, nicht nur auf uns stolz
sein. Das, was vorangekommen ist, ist entscheidend denjenigen Menschen in Afghanistan zu verdanken, die von
diesem Wiederaufbauwillen geprägt sind. Sie brauchen
weiterhin die Unterstützung unserer Soldaten, Polizisten,
Diplomaten und zivilen Wiederaufbauhelfer. Ich will
diese Gelegenheit gerne nutzen, um all denen zu danken,
die sich für eine friedliche Zukunft Afghanistans engagieren. Ich danke ihnen für den Mut, mit dem sie sich
leidenschaftlich und - ich weiß, auch viele von Ihnen haben es gesehen - manchmal unter Entbehrungen dafür
einsetzen, dass die Kinder in Afghanistan eine Zukunft
haben.
({6})
Ich will an dieser Stelle auch meinen Kabinettskollegen
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Wolfgang Schäuble und
Franz Josef Jung für die gute Zusammenarbeit danken,
ohne die all das, was ich hier berichten konnte, nicht
möglich gewesen wäre.
({7})
Meine Damen und Herren, trotz dieser eindrucksvollen Fortschritte sehen viele Bürgerinnen und Bürger den
Afghanistan-Einsatz - ich weiß das - mit großer Skepsis. Sie selber sehen sich in Ihren Wahlkreisen auch kritischen Fragen ausgesetzt. Die Politik steht nicht nur unter
Begründungs-, sondern manchmal sogar unter Rechtfertigungszwang. Ich glaube, wir dürfen uns diesem auch
nicht entziehen, weil die Bürger einen Anspruch darauf
haben, dass wir unseren Afghanistan-Einsatz - und zwar
das gesamte Engagement - immer wieder auf Erfolg, auf
Wirksamkeit und auf Effizienz hin hinterfragen. Wir
brauchen klare Ziele, und wir brauchen beständige Erfolgskontrolle. Wir müssen uns kritisch selbst prüfen,
welche Erwartungen im kulturellen und politischen Kontext Afghanistans realistisch sind. Darauf haben viele
von Ihnen und darauf habe ich in meinen Reden in den
vergangenen Monaten immer wieder hingewiesen.
Gerade wenn es um die Gesundheit und um das Leben von Soldaten und zivilen Wiederaufbauhelfern geht,
dann kann es kein einfaches „Weiter so“ geben. Deshalb
hat sich auch die Bundesregierung seit der letzten Mandatsdebatte im vergangenen Herbst intensiv bemüht, und
zwar gemeinsam mit ihren Partnern, kritisch Bilanz zu
ziehen. Die Afghanistan-Konferenz in Paris vor wenigen
Tagen war aus meiner Sicht bei diesem Bemühen eine
wichtige Zwischenetappe. Ich darf Ihnen sagen, dass der
Vertreter von UNAMA, der Vereinten Nationen in Afghanistan, in dieser Pariser Konferenz eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung des Afghanistan-Compact von
London erstellt hat. Diese Analyse, diese Bestandsaufnahme haben wir in die Schlussfolgerungen im Abschlusskommuniqué der Pariser Konferenz übernommen.
Was heißt das? 85 Staaten und internationale Organisationen waren vertreten, 20 Milliarden Dollar Wiederaufbauhilfe - eine wahrlich stolze Summe - sind zugesagt worden. Wir selbst hatten 140 Millionen Euro
zugesagt. Für die Zeit von 2008 bis 2010 stellen wir insgesamt 420 Millionen Euro zur Verfügung.
Die Pariser Konferenz war aber auch deshalb ein Erfolg, weil die internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung sich auf einen Kurs verständigt haben,
für den wir - Sie wissen das - schon im vergangenen Jahr
intensiv geworben haben. Insofern ist der Strategiewechsel, den Claudia Roth - sie ist nicht hier - oder Winfried
Nachtwei - er ist hier - fordern, schon lange im Gange.
Dazu braucht heute nicht aufgerufen zu werden.
({8})
Ich glaube, dass die Richtung in der Afghanistan-Politik, wie wir sie jetzt eingeschlagen haben, richtig ist.
Aber alle haben recht, die sagen: Wir dürfen uns dabei
nicht verzetteln, sondern wir müssen uns auf die wesentlichen Probleme konzentrieren, das heißt, die Eigenverantwortung der Afghanen stärken. Unser oberstes Ziel
muss sein und bleiben, dass Afghanistan sich mittelfristig selbst helfen kann.
({9})
Ich will vier zentrale Herausforderungen nennen, die
auch Kai Eide in seinem Vortrag in Paris betont hat:
Erstens. Die Reform der afghanischen Sicherheitskräfte, gerade auch der Polizei, muss beschleunigt werden.
Zweitens. Korruption und Schattenwirtschaft müssen
mit mehr Nachdruck bekämpft werden. Auch das war
eine Forderung von Kai Eide.
Drittens. Die Investitionen beim Wiederaufbau, jetzt
ganz besonders in zwei Bereichen, nämlich bei der
Stromversorgung und - das ist die neue Priorität bei
UNAMA - vor allen Dingen bei der landwirtschaftlichen Entwicklung, reichen bei Weitem nicht aus.
({10})
Viertens. Die Drogenbekämpfung wird nur dann erfolgreich sein können, wenn die Bauern echte ökonomische Alternativen haben, und genau darum müssen wir
uns mehr kümmern als in der Vergangenheit.
({11})
Wir wissen - darin sind wir uns vielleicht sogar einig -, dass die Fortschritte in diesen vier Bereichen auch
ganz wesentlich von der afghanischen Regierung und von
der Verwaltung dort abhängen. Immerhin hat die afghanische Regierung mit der Nationalen Afghanischen Entwicklungsstrategie jetzt einen eigenen Plan zum Wiederaufbau des Landes vorgestellt. Das macht nicht nur das
größere Maß an Eigenverantwortlichkeit sichtbar, das die
afghanische Regierung für sich in Anspruch nimmt, sondern das ist auch Ausdruck von wachsendem Selbstbewusstsein, das Afghanistan braucht. Ich freue mich über
beides, weil wir genauso beides erreichen wollen.
({12})
Es trifft zu - auch das war Gegenstand der Gespräche
auf der Pariser Konferenz zu Afghanistan -, dass wir von
der afghanischen Regierung mehr Elan bei der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit sowie bei der Beachtung und
Wahrung von Menschenrechten erwarten. Die afghanische Regierung hat dazu - das darf ich Ihnen versichern in Paris eine erfreulich deutliche Selbstverpflichtung abgegeben, eine Selbstverpflichtung, die der afghanische
Außenminister, wie ich gesehen habe, in Interviews in
deutschen Zeitungen wiederholt hat, eine Selbstverpflichtung, an der wir die Regierung messen werden.
({13})
Wer Afghanistan kennt - viele von Ihnen sind da gewesen -, der weiß: Der Wiederaufbau wird noch längere
Zeit dauern, und er wird auch eine militärische Absicherung auf längere Sicht brauchen. Ohne ein sicheres Umfeld wird der zivile Wiederaufbau nicht vorankommen.
Mit anderen Worten: Wo es keine Sicherheit gibt, da
wächst die Angst, und wo die Angst wächst, da stirbt die
Hoffnung. Aus diesem Grund wird unsere militärische
Präsenz weiter notwendig sein, eine Präsenz, die zum
Ziel hat - das ist das Entscheidende -, sich eines Tages
selbst überflüssig zu machen.
({14})
Das wird gelingen, wenn wir es schaffen, genügend
afghanische Polizisten und Soldaten auszubilden, die
dann gut motiviert für die Sicherheit im eigenen Land
sorgen können. Das ist der Grund dafür, weshalb wir
2009 über 400 europäische Polizisten im Rahmen der
EUPOL-Mission als Ausbilder nach Afghanistan entsenden wollen. Das sind immerhin mehr als doppelt so
viele, wie heute der EUPOL-Mission zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus wollen wir auch weiterhin EUPOL
mit bilateralen Polizeiprojekten unterstützen. Wir arbeiten in der Polizeiausbildung mittlerweile auch mit den
USA zusammen. Wir haben mehrere Hundert Polizisten
gemeinsam ausgebildet. In Masar-i-Sharif entsteht eine
neue Polizeiakademie, die ebenfalls helfen soll, die zivile Polizeiausbildung in Afghanistan voranzubringen.
Es reicht nicht, die Polizei in Afghanistan auszubilden. Wir müssen uns auch stärker um die Ausbildung der
afghanischen Armee kümmern. Wir werden die Zahl der
Ausbilder- und Mentorenteams, der sogenannten OMLTs,
erhöhen; das wissen Sie. Wir werden Ausbildungseinrichtungen wie die Logistikschule in Kabul in Zukunft
ebenfalls stärker unterstützen.
In dieser Debatte geht es um den zivilen Wiederaufbau, aber nachdem wir gestern die Obleute informiert
haben, möchte ich es hier wiederholen: Wir haben uns
darauf verständigt, dass wir die Obergrenze für das
ISAF-Mandat von 3 500 auf 4 500 Soldaten erhöhen
wollen, zum Ersten deshalb, weil wir, wie gesagt, stärker
in Ausbildung investieren wollen, zum Zweiten, um
mehr Spielraum beim Kontingentwechsel zu haben, und
zum Dritten, weil wir uns auf die Begleitung der Präsidentschaftswahlen, die im Jahre 2009 in Afghanistan
stattfinden, vorbereiten wollen,. Das Ganze wird einhergehen mit einer weiteren Absenkung der OEF-Obergrenze
auf dann 800 Soldaten. Damit sinkt die Obergrenze bei
OEF in zwei Jahren immerhin um 1 000 Soldaten.
Meine Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt,
was aus meiner Sicht im Mittelpunkt unseres Engagements
in Afghanistan steht: die Zukunft dieses Landes und natürlich unsere eigene Sicherheit. Letztlich ist entscheidend zu berücksichtigen, dass beides zusammenhängt.
Wir müssen verhindern, dass Afghanistan wieder zu einem Rückzugsraum international tätiger Terroristen
wird. Das wird aber langfristig nur gelingen, wenn dieses Land eine gute Zukunft hat, wenn es Nahrung, Zugang zu Strom und Wasserversorgung gibt und Schulen
sowie Radiostationen und vieles andere mehr errichtet
werden. Wir müssen Umstände schaffen, unter denen die
Menschen zur Wahl gehen können. Schließlich müssen
wir Umstände schaffen, in denen sich der Getreideanbau
mehr lohnt als der Mohnanbau.
({15})
Ich komme zum Schluss: Ich will an einen längeren
Afghanistan-Aufsatz im Magazin der Süddeutschen Zeitung von Dietmar Herz, der erst vor wenigen Wochen erschienen ist, erinnern. Er spannt darin - ich sehe, viele
haben ihn gelesen - einen weiten Bogen von Alexander
dem Großen über den Mongolenherrscher Timur Leng
bis hin zur sowjetischen Besatzung Afghanistans und
sagt: Jeder hat sich an diesem Land die Zähne ausgebissen. Das ist aber natürlich nicht der Schluss dieses Artikels; vielmehr weist Dietmar Herz darauf hin, was dieses
Mal in Afghanistan anders ist. Die deutschen Soldaten
kommen eben nicht als Eroberer ins Land, sondern sie
haben ein Konzept, „das zusammen mit den Afghanen
als gleichberechtigten Partnern das Land sichern, stabilisieren und“ - darum geht es ja in dieser Debatte - „aufbauen“ sollte. Das ist unser Ansatz; dazu stehen wir.
Die Menschen verbinden mit unserem Einsatz, dass
es für sie und ihre Kinder wieder aufwärtsgeht. Hierin
liegt eine Chance, die wir nicht verspielen dürfen. Dafür,
meine Damen und Herren, tragen wir, wie ich denke,
nach wie vor gemeinsam Verantwortung.
Herzlichen Dank.
({16})
Für die FDP-Fraktion gebe ich dem Kollegen
Dr. Werner Hoyer das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke Ihnen, Herr Außenminister Steinmeier, dafür,
dass Sie heute diese Regierungserklärung abgegeben haben. Dies war in der letzten Woche nicht möglich, weil
natürlich der Europäische Rat und das Votum in Irland
im Vordergrund standen. Heute ist in der Tat die letzte
Chance, noch vor der Sommerpause über Afghanistan zu
debattieren, und ich glaube, es tut dem Deutschen Bundestag sehr gut, dass wir diese Gelegenheit nutzen.
({0})
Ich finde es auch sehr gut, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass wir weiß Gott nicht nur Rückschläge
und Misserfolge in Afghanistan zu verzeichnen haben,
sondern dass wir gerade dann, wenn es um die ganz konkrete Lebenssituation der Menschen geht, auch Erfolge
verzeichnen können. Vielleicht erzählen wir unseren
Bürgerinnen und Bürgern zu wenig darüber.
({1})
Meine Damen und Herren, diesem Lob an die Bundesregierung wegen der Ermöglichung dieser Debatte
möchte ich allerdings eine klare Kritik hinterherschicken: Es gibt offensichtlich ein großes Informationsdefizit hier im Hause. Wir tragen als Parlament die entscheidende Verantwortung für die Sicherheit und den Auftrag
unserer Soldaten und darüber hinaus vieler Polizisten,
ziviler Wiederaufbauhelfer, Diplomaten usw. Allerdings
werden wir über strategische Weichenstellungen in der
Afghanistanpolitik des Bündnisses nicht informiert.
Das ist ein Zustand, der auf Dauer nicht haltbar ist,
meine Damen und Herren. Es ist für uns und unser Ansehen nicht gut, wenn wir über die Flure des Capitols in
Washington laufen und dort von Kollegen auf Fakten
und Berichte angesprochen werden, die diese wie selbstverständlich haben, wir hier allerdings nicht; ich komme
darauf zurück.
({2})
- Ich komme ganz konkret darauf zurück, kann es aber
auch gerne vorziehen, Herr Kollege. Ich werde gleich
danach etwas zur Notwendigkeit sagen, für Afghanistan
klare Ziele - auch Subziele - sowie Zielerreichungsstrategien zu definieren.
Wenn das Bündnis in Bukarest, wie man so hört, angeblich genau das getan hat, was wir seit langem einfordern - wir haben noch nicht einmal das Recht auf Einsicht in ein solches Dokument, und von daher wissen wir
immer noch nicht, welches die in der NATO konsentierten Ziele sind -, dann fällt es mir als stellvertretendem
Vorsitzenden meiner Fraktion sehr schwer, dafür zu sorgen, dass meine Fraktion beim nächsten Mal zustimmt.
Deswegen müssen wir das Verfahren in diesem Punkt
deutlich ändern.
({3})
Das ist der Hintergedanke der Bemerkung von eben.
Meine Damen und Herren, wir müssen über die Ziele
sprechen. Eben hat der Minister gesagt: Ja, wir müssen
irgendwann dazu kommen, gehen zu können, weil in Afghanistan etwas Selbsttragendes entstanden ist. - Meiner
Auffassung nach müssen wir bei der Definition unserer
Ziele im Bündnis mit einem großen Schuss Demut zu
Werke gehen. Wir werden bei weitem nicht das erreichen können, was wir uns idealiter für Afghanistan vorstellen. Denn wenn wir das nicht tun, besteht die Gefahr,
dass wir uns eines Tages übernehmen, dass wir vielleicht
scheitern oder dass wir dort auf Jahrzehnte militärisch
gebunden sind, und dann wird es mit der Zustimmung
der Bevölkerung verdammt schwierig werden. Deswegen: Karten auf den Tisch! Was ist in Bukarest vereinbart worden? Vielleicht werden Sie uns damit sehr
glücklich machen.
Meine Damen und Herren, mein Kollege Königshaus
wird auf den Kern des Afghanistan-Compact und auf die
Vereinbarung von Paris noch im Detail eingehen. Ich
muss mich hier zum Schluss auf zwei Aspekte konzentrieren.
Erstens. Die Bundesregierung hat gestern die Obleute
des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses unter Geheim und anschließend sofort die Öffentlichkeit
über die Presse darüber informiert, dass man ab Oktober
1 000 zusätzliche Soldaten für Afghanistan braucht.
Meine Damen und Herren, wir Liberalen haben unsere Haltung zu den Afghanistan-Mandaten immer sehr
verantwortlich, besonnen und konstruktiv wahrgenommen.
({4})
- Das ist so, und das wird auch so bleiben. - Aber, meine
Damen und Herren, einen Blankoscheck stellen wir deswegen noch lange nicht aus.
({5})
Die Bundesregierung wird etwas präziser begründen
müssen, wie sie zum Beispiel jetzt auf die Zahl von
1 000 Soldaten kommt. Das Ganze ist ja keine Lotterie;
vielmehr muss eine Überlegung dahinterstehen. Dies gilt
erst recht, da direkt gesagt wurde: Wir wollen die Erhöhung gar nicht gleich, sondern irgendwann einmal nutzen. - Ich habe für Flexibilitätsforderungen sehr viel
Verständnis. Nur, der Übergang zu einem Vorratsmandat
vollzieht sich relativ leicht, und deswegen müssen wir
präzise argumentieren.
In diesem Zusammenhang muss man ferner sehen: Da
nach der Übernahme der Quick-Reaction-Force-Aufgaben ganz konkrete und brennende Sicherheitsfragen
auch im Interesse der Sicherheit unserer Soldaten zu beantworten sind, frage ich mich, warum diese Erhöhung
so dringend nötig ist, obwohl sie erst im Oktober vorgenommen werden soll. Ich stelle mir die Frage, ob wir
nicht, wenn sie so dringend ist, eigentlich erwarten
müssten, dass die Bundesregierung auf das Parlament
zukommt und sagt: Wir können nicht in die Sommerpause gehen, ohne für eine Verstärkung der Truppen gesorgt zu haben. - Dieser Widerspruch bedarf noch der
Aufklärung. Die Argumentation des Bundeswehr-Verbandes ist mir da ausgesprochen einleuchtend. Nachdem
die Parlamentsarmee durch zwei Bundesverfassungsgerichtsurteile nach Klagen der liberalen Fraktion gestärkt
worden ist, sollten wir auf gar keinen Fall Abstriche an
den Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments machen.
({6})
Sie haben Fortschritte angesprochen. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass wir auch Defizite haben.
Sie haben das Thema Korruption angesprochen. Da
muss auch die Regierung Karzai in die Pflicht genommen werden. Das werden wir sehr genau beobachten.
Bei der Frage der Drogenbekämpfung haben wir überhaupt keinen Fortschritt erzielt. Ich sage Ihnen - auch als
Volkswirt -: Ich habe ein bisschen Bedenken, ob die alternativen Produktionen am Ende funktionieren können.
Hier haben wir noch echte konzeptionelle Probleme zu
bewältigen.
Letztes Wort. Es stellt sich die große Frage, wie die
Weltpolitik zu Beginn des Jahres 2009 aussehen wird.
Entscheidend ist, was aus den Reden des russischen Präsidenten Medwedew wird und wer amerikanischer Präsident wird. Ohne eine konstruktive Zusammenarbeit mit
dem Iran, mit Pakistan, mit Russland, mit China und
wahrscheinlich auch mit Indien werden wir unser Problem in Afghanistan auf Dauer vermutlich nicht bewältigen und das Ziel, dass etwas Selbsttragendes entsteht,
nicht erreichen können. Deswegen ist mir völlig klar,
dass am Ende ohne eine Dialogbereitschaft unseres
wichtigsten Partners, unseres wichtigsten Verbündeten,
im Hinblick auf diese Länder in Afghanistan langfristig
nichts Erfreuliches stattfinden wird.
Herzlichen Dank.
({7})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Andreas
Schockenhoff, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sicherheit und Entwicklung sind in Afghanistan zwei
Seiten einer Medaille. Gestatten Sie auch mir einen Satz
zur Sicherheit, bevor ich über die Entwicklungsfortschritte in Afghanistan spreche.
Unser Verteidigungsminister hat gestern vorgeschlagen, im nächsten ISAF-Mandat die Obergrenze um
1 000 Soldaten zu erhöhen. Wir werden darüber im Oktober ausführlich debattieren. Wir haben den politischen
Auftrag erteilt, für Frieden und Sicherheit in Afghanistan zu sorgen, auch militärisch. Aus diesem Auftrag leiten die Militärplaner und die Sachverständigen ihre
Anforderungen ab. Wenn diese nun anhand von Einsatzerfahrungen zu dem Schluss gekommen sind, dass
sie zur erfolgreichen Erledigung des Auftrags mehr Soldaten, eine andere Ausrüstung oder mehr Spielraum
brauchen, um mit Reservekräften auf künftige GefahrenDr. Andreas Schockenhoff
situationen flexibel reagieren zu können, dann müssen
sie all dies erhalten.
Lieber Kollege Hoyer, das heißt nicht, dass am Tag der
Abstimmung im Deutschen Bundestag sofort 1 000 Soldaten mehr nach Afghanistan geschickt werden. Wir wissen, dass dort im nächsten Jahr Wahlen sind. Wir wissen,
dass es zu bestimmten Situationen kommen kann, in denen die Risiken größer werden. Ein flexibleres, für
14 Monate geltendes Mandat ist darauf die richtige Antwort. Es kann nicht sein, dass wir als Parlament am militärischen Bedarf für den politischen Auftrag vorbeimandatieren und damit die Auftragserfüllung erschweren.
Wir alle kennen den Grundsatz: Keine Entwicklung
ohne Sicherheit und keine Sicherheit ohne Entwicklung.
Die gleichzeitige Absenkung der Obergrenze bei OEF
halten wir für vertretbar, zumal seit langem weniger als
300 Soldaten eingesetzt sind. Wichtig ist dabei, dass die
100 KSK-Soldaten weiterhin im Mandat bleiben. Das ist
bündnispolitisch ein wichtiges Signal. Ich begrüße ausdrücklich nicht nur, dass Außenminister Steinmeier dies
für die SPD mitträgt, sondern auch, dass er dies für unverzichtbar hält.
Die Konferenz von Paris war die sechste in einer Abfolge von Afghanistan-Konferenzen, auf denen sich die
internationale Gemeinschaft gemeinsam mit Afghanistan kontinuierlich ihrer Beiträge zum Wiederaufbau versichert, aber auch ihre Ziele mit dem Erreichten abgleicht. Unser Ziel ist klar und seit seiner ersten
Formulierung 2001 gleichbleibend aktuell: ein Afghanistan, das für seine Sicherheit selbst sorgen kann und
damit keine Bedrohung mehr für unsere Sicherheit darstellt.
Mit dieser Zielsetzung haben wir uns in einem von
25 Jahren Krieg und Bürgerkrieg zerstörten Land und
angesichts der Sabotage durch Taliban und Aufständische keine leichte Aufgabe gestellt, vor allem eine langwierige Aufgabe, die Geduld und Ausdauer erfordert.
Wir haben in den letzten sieben Jahren schon beachtliche Fortschritte erzielt: die Talibanherrschaft beendet,
demokratische Institutionen geschaffen, die Lebenssituation der Menschen verbessert, Grundversorgung und Zugang zu Bildung - auch für Mädchen - sichergestellt.
Aber wir haben unser Ziel bei weitem noch nicht erreicht. Deswegen wächst bei einigen die Ungeduld. Aber
wir müssen realistisch sein. Vor sieben Jahren war
Afghanistan ein Failed State und die wichtigste Operations- und Trainingsbasis des internationalen Terrorismus.
Ich möchte noch einmal die Zeitachse aufzeigen. Mit
der ersten Konferenz auf dem Petersberg im Dezember
2001 haben wir uns verpflichtet, uns am Friedensprozess
zu beteiligen und beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Damit sind wir aus eigenem Sicherheitsinteresse
eine substanzielle Bindung eingegangen, die wir auf Folgekonferenzen immer wieder erneuert haben. Der Minister hat daran erinnert.
In Weiterentwicklung des Afghanistan-Compact von
London hat die Regierung Karzai nun in Paris zwei
neue, auch für uns verbindliche Strategiepapiere vorgelegt: die Nationale Entwicklungsstrategie und den Strategischen Fünfjahresplan zur Verbesserung der Regierungsverantwortung bis 2013. Das Fernziel wird mit
2020 angegeben, wenn Afghanistan in eine „stabile, islamische, konstitutionelle Demokratie in Frieden mit sich
und seinen Nachbarn“ umgewandelt sein soll. Bis dahin
liegt noch ein großer Berg Arbeit vor uns. Um ihn erfolgreich abzutragen, ist es notwendig, das bisher Geleistete zu überprüfen, gegebenenfalls zu verstärken, um
nicht wieder zurückzufallen.
In letzter Zeit überwiegt der Eindruck, die Lage habe
sich eher verschlechtert, obwohl Milliarden von Hilfsgeldern fließen und Tausende von Soldaten und zivilen
Helfern im Einsatz sind. Die Zahl der Anschläge ist gestiegen, auch im Norden. Wir haben bei allen drei Säulen
des Afghanistan-Compact neben den Fortschritten auch
Fehlentwicklungen zu verzeichnen: bei der Sicherheit,
bei der guten Regierungsführung sowie bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Wir hören von
wachsender Korruption, von Schattenwirtschaft und einer stockenden Entwicklung im Privatsektor.
Für die schwierige Aufgabe, Afghanistan wieder aufzubauen und lebensfähig zu machen, brauchen wir neben der langfristigen Perspektive auch realistische Teilziele, die wir laufend überprüfen müssen. Zwei Signale
gehen von der Konferenz in Paris aus: Erstens. Die internationale Gemeinschaft steht zu ihrem Engagement in
Afghanistan. Afghanistan selbst und seine Führungseliten sind zunehmend bereit, mehr Eigenverantwortung zu
übernehmen. Zweitens. Wir können aus Afghanistan
dann wieder heraus, wenn wir mit unserer Mission erfolgreich waren. Ob es uns möglich sein wird, die politische Verantwortung an die afghanische Regierung schon
2013 zu übergeben, wird sich zeigen. Auf jeden Fall ist
es unser Ziel. Das heißt dann aber auch, dass wir in den
nächsten fünf Jahren dringend weitere Fortschritte erzielen müssen.
({0})
Wir werden in Afghanistan keine Westminster-Demokratie errichten können, aber wir können eine funktionierende Verwaltung und selbsttragende Sicherheitsstrukturen aufbauen. Das bedeutet die Einsatzfähigkeit
der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei.
Daher begrüße ich die im Mai von der EU beschlossene
überfällige Verdopplung der Einsatzstärke von EUPOL,
aber auch das zusätzliche verstärkte deutsche Engagement beim Aufbau der Polizei.
Ich sehe Handlungsbedarf bei der regionalen Kooperation. Afghanistan grenzt an Pakistan, Iran, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Alle Entwicklungskonzepte zielen darauf ab, Afghanistan dabei zu
unterstützen, mit seinen Nachbarn tragfähige Beziehungen aufzubauen. Deswegen müssen die diplomatischen,
sicherheitspolitischen, aber auch die handelspolitischen
Beziehungen, die Afghanistan eingeht, weiter gestärkt
werden.
Ganz besonders wichtig ist eine gute Kooperation mit
Pakistan; dies ist wichtig nicht nur für die Sicherheit in
der schwierigen Grenzregion. Denn Afghanistan importiert zwei Drittel seiner Nahrungsmittel aus Pakistan. Der
Wiederaufbau der afghanischen Landwirtschaft und die
ländliche Entwicklung sind von zentraler Bedeutung für
die Ernährungssicherheit der Bevölkerung. Schätzungsweise 7 Millionen Afghanen sind von Hunger bedroht.
Eine gute regionale Kooperation ist ebenfalls wichtig
für den Kampf gegen den Rauschgifthandel, der nur in
Zusammenarbeit mit den Transitländern funktioniert.
Die Beseitigung der Drogenwirtschaft ist ein Querschnittthema durch alle drei Säulen des Compact und damit auch der Schlüssel zum Erfolg. Wir sehen zwar
Erfolge in neuen opiumfreien Provinzen; aber die Anbaufläche und der Ernteertrag wachsen weiter. Im letzten
Jahr wurden 8 200 Tonnen Opium geerntet, Rohstoff für
93 Prozent des weltweit konsumierten Heroins. Davon
profitieren die Taliban mit 100 Millionen Dollar für ihre
Kriegskasse. Diese unglaublichen Zahlen steigen stetig.
Dies muss ebenso wie die wachsende Korruption konsequenter bekämpft werden.
({1})
Wenn vor allem die schlechte Sicherheitslage Ursache
für die florierende Opiumwirtschaft ist - über die Hälfte
des Schlafmohns wird allein in der Provinz Helmand angebaut -, dann muss dort die Durchsetzungsfähigkeit der
Zentralregierung und der jeweiligen Provinzregierungen
besonders gestärkt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ressortübergreifend
müssen wir auch hier in Berlin analysieren, wie viel
Geld wir für Afghanistan haben, welche Prioritäten wir
setzen und wie wir bis 2013 und darüber hinaus vorgehen.
Gestatten Sie mir abschließend eine etwas kritische
Anmerkung: Ich habe manchmal den Eindruck, als
machten sich BMZ und AA gegenseitig Konkurrenz in
der Entwicklungszusammenarbeit
({2})
oder als schöben AA und BMI bei EUPOL die Verantwortung hin und her. Der sogenannte Comprehensive
Approach muss eben auch hier in Berlin verwirklicht
werden. Wenn wir dann das, was wir dort neben dem militärischen Engagement leisten, nämlich die zivilen Beiträge, in der Kommunikation besser herausstellen, dann
werden wir auch in der deutschen Öffentlichkeit eine höhere Akzeptanz für unseren Einsatz in Afghanistan erreichen.
Ich bedanke mich.
({3})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Oskar Lafontaine,
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wenn man den Tenor der bisherigen Reden zusammenfasst, dann ist das Ziel unserer Politik, den Menschen in Afghanistan zu helfen
({0})
und gleichzeitig die Sicherheitslage in Deutschland und
überhaupt auf der Welt zu verbessern.
({1})
Ich habe zunächst keine Veranlassung, in Zweifel zu ziehen, dass das die Absicht der Politik ist. Welche Gründe
gäbe es dafür, dies in Zweifel zu ziehen?
Wenn man das, was der Herr Bundesaußenminister
hier vorgetragen hat - auf diese Rede möchte ich im Besonderen eingehen -, zusammenfasst, dann müsste man
zu dem Ergebnis kommen, dass wir auf gutem Wege
sind und dass sich die Lebenssituation in Afghanistan
deutlich verbessert.
({2})
Das wäre, unpolemisch formuliert, die Zusammenfassung seiner Rede.
Nun hat der Bundesaußenminister die Süddeutsche
Zeitung zitiert; ich zitiere sie auch. Sie hat heute ganz
anders kommentiert und darauf hingewiesen, dass die
Bundesregierung, wenn es um Afghanistan geht, mit der
Wahrheit nicht herausrückt, dass sie vielmehr versucht,
die Dinge besser darzustellen, als sie in Wirklichkeit
sind, und dass sie, insbesondere was die militärischen
Einsätze angeht, nicht bereit ist, der Bevölkerung die
Wahrheit zu sagen. Daher muss heute auch darüber gesprochen werden.
({3})
Ich möchte zunächst, um zu belegen, was die Süddeutsche Zeitung analysiert hat, den Vortrag des Bundesaußenministers noch einmal kurz Revue passieren lassen, um deutlich zu machen, wie sehr man sich selbst
täuschen und die Dinge falsch darstellen kann. Zunächst
war im Zentrum seines Vortrages das Wort „Wiederaufbau“. Wenn man das Wort „Wiederaufbau“ hört, dann
hat man natürlich eine bestimmte Vorstellung. Aber derjenige, der die Situation in Afghanistan kritisch sieht,
denkt natürlich an Krieg, an militärische Einsätze und an
die Verwüstungen, die dort angerichtet werden. Es ist
merkwürdig, dass diese Worte in einem solchen Vortrag
überhaupt nicht gefallen sind, sondern völlig ausgeblendet wurden. Der Wiederaufbau auf der einen Seite wurde
erwähnt, aber die ständig zunehmende Zerstörung auf
der anderen Seite mit keinem einzigen Wort. So kann
man sich eben selbst täuschen.
({4})
Das setzt sich in seinem Vortrag fort. Wer wäre nicht
stolz darüber, dass 8 Millionen Minen geräumt worden
sind? Wer würde das nicht massiv begrüßen? Aber während Sie dies hier vorgetragen haben, haben wir uns natürlich die Frage gestellt: Wie viele Bomben sind inzwischen wieder gefallen? Welche Qualität hat die
Munition? Sind es Streubomben? Ist es Munition mit
Uranerzen verseucht usw.? Kein Wort darüber! Es existieren schreckliche Berichte über das, was immer noch
in Afghanistan läuft. Wie kann man in einem solchen
Vortrag lediglich darüber reden, dass 8 Millionen Minen
geräumt wurden? Auch hieran ist ganz eindeutig zu erkennen, wie sehr man sich bemüht, die Situation nicht
zur Kenntnis zu nehmen. Bei der Beschreibung der Lage
betreibt man eine der Sache überhaupt nicht angemessene Schönfärberei; so muss ich es leider nennen.
({5})
Der Bundesaußenminister hat von Schwierigkeiten
gesprochen. Jeder stellt sich die Frage, was er mit
„Schwierigkeiten“ meint. Unsereinem fällt natürlich
gleich ein, dass sich die Bundesregierung weigert, die
genaue Zahl der Opfer anzugeben. Dann fällt einem ein,
dass internationale Organisationen von Tausenden von
zivilen Toten im letzten Jahr ausgehen. Ist es angemessen, angesichts dessen von „Schwierigkeiten“ zu sprechen? Ist das nicht völlig unangemessen?
({6})
Ich hatte schon ein Problem damit, als jemand während
des Jugoslawien-Kriegs immer wieder von Kollateralschäden gesprochen hat. In solchen Auseinandersetzungen ist die Sprache verräterisch. In der Sprache wird
deutlich, dass man sich weigert, die Wirklichkeit zur
Kenntnis zu nehmen.
Jetzt will ich eine Formulierung aufgreifen, die das
deutlich unterstreicht. Herr Bundesaußenminister, Sie
haben gesagt, bei unseren Bemühungen würde sich entscheiden, „ob die Hoffnung die Oberhand behält oder ob
die Angst zurückkehrt“. Sie sehen, ich habe mitgeschrieben. Ich habe mich gefragt: Meint er das wirklich so?
Meint er wirklich, man könne in Afghanistan derzeit
darüber sprechen, „ob die Hoffnung die Oberhand behält
oder ob die Angst zurückkehrt“? Ich glaube, diese Worte
richten sich selbst.
({7})
- Herr Kollege Struck, Ihre Formulierung, das sei dummes Zeug, ist so unqualifiziert, dass Sie sich schämen
sollten.
({8})
Sie sollten sich wirklich schämen. Manchmal ist es wirklich schwierig, Ihrem Niveau zu folgen, Herr Kollege
Struck.
({9})
Ich wiederhole: Sie haben gesagt, die Hoffnung solle
die Oberhand behalten und die Angst werde vielleicht
zurückkehren. Wie viel Angst ist derzeit in Afghanistan?
Davon zu sprechen, dass in einem Land, in dem der
Krieg tobt, in dem Tausende Menschen ums Leben kommen, die Angst vielleicht zurückkehren könne, zeigt
doch, dass Sie sich weigern, die Wirklichkeit in diesem
Land zur Kenntnis zu nehmen. Das ist wirklich nicht
nachvollziehbar.
({10})
Es ist nicht nachvollziehbar, was hier vorgetragen
wurde. Ich zitiere Sie nur und konfrontiere Sie mit Fakten.
Um das Ganze abzurunden, möchte ich darauf hinweisen, dass an einem Tag, an dem überall in der Presse
zu lesen ist, dass das Militärische aufgestockt wird, Sie
hier formuliert haben: Die militärische Präsenz muss
noch eine Zeit lang bleiben, sich aber „überflüssig“ machen. Auch hier haben Sie das Gegenteil von dem gesagt, was zurzeit diskutiert wird. Obwohl es um eine
Aufstockung geht, sprechen Sie davon, dass sich das Militärische „überflüssig“ machen soll. Winston Churchill
hat ein solches Vorgehen einmal mit dem ihm eigenen
Zynismus beschrieben. Er hat gesagt:
Im Krieg ist die Wahrheit so kostbar, dass sie nie
anders als mit einer Leibwache von Lügen auftreten
sollte.
An dieses Zitat Churchills wurde ich bei den Vorträgen erinnert, die ich hier gehört habe. Wenn man in Afghanistan weiterkommen will, darf man die Wirklichkeit
in Afghanistan nicht völlig ausblenden.
({11})
Wir stellen gar nicht in Abrede, dass man die Lebenssituation der Menschen in Afghanistan verbessern
möchte, dass dies das Ziel ist. Ob man dies erreichen
kann, indem man Kampftruppen dort hinschickt und den
Umfang der militärischen Einsätze weiter steigert, ist
aber fraglich. Das ist doch die Wahrheit. Unsere Fraktion
ist der Auffassung, dass man mit der Ausweitung militärischer Einsätze beide Kernziele total verfehlt: weder
verbessert man die Lebenssituation der Menschen in Afghanistan noch erhöht man die Sicherheit in Deutschland
oder sonst irgendwo.
({12})
Wann endlich begreifen Sie, dass die sogenannten humanitären Interventionen nicht nur als Begriff eine Unmöglichkeit darstellen, sondern mittlerweile auch im Ergebnis?
Leute, die viel öfter als Sie, Herr Struck, in Afghanistan waren, sagen, dass die Irakisierung Afghanistans in
vollem Gang ist, sich die Sicherheitslage immer weiter
verschlechtert und die Zahl der Opfer steigt. Angesichts
dessen ist das, was Sie hier bieten, schlicht und einfach
eine Täuschung der Öffentlichkeit. Auf diesem Weg
kommen wir in keinem Fall weiter, wenn wir Afghanistan helfen und die Lage in Deutschland verbessern wollen.
({13})
In der Presse wird die Argumentation der Bundesregierung, dass die Aufstockung der Beteiligung an
ISAF mit einer gleichzeitigen Reduktion der Truppen
einhergeht, die für „Operation Enduring Freedom“ zur
Verfügung gestellt werden, als Trickserei bezeichnet. Ich
beziehe mich hier auf einen Artikel in der Frankfurter
Rundschau. Dort wird erläutert, warum das Trickserei
ist. Die Regierung verweist darauf, dass man beim
Kampfeinsatz reduziert - das klingt ja sehr gut -, aber
die zivile Hilfe aufstockt. Wäre das so, würde das jeder
sofort unterschreiben. In dem Artikel wird dargestellt,
warum das in Wirklichkeit Trickserei ist. Denn in dieser
Zahl sind nie Streitkräfte zur Verfügung gestellt worden.
Hier wird, wenn man so will, schlicht und einfach ein
Popanz aufgebaut. In Wirklichkeit geht es um ein systematisches Aufstocken der Kontingente. Nichts anderes
ist der Fall. Die vielen zivilen Organisationen haben völlig recht, wenn sie sagen: Zivile Hilfe und militärische
Mittel stehen in überhaupt keinem Verhältnis. Wir brauchen eine Verstärkung der zivilen Hilfe, und wir müssen
die militärischen Einsätze deutlich zurückfahren.
({14})
Positiv möchte ich würdigen, dass mein Vorredner zumindest an drei Stellen die Situation nicht schöngefärbt
hat. Der Kollege der CDU/CSU-Fraktion sprach immerhin von der Zunahme der Korruption und davon, dass
der Opiumanbau nicht zurückgegangen ist, sondern sich
weiter verstärkt. Beides kann nicht unser Ziel sein. Er
sprach auch davon, dass sich die Lage eher verschlechtert habe. Das war zumindest ein realistischer Ansatz,
um die Situation in Afghanistan zu schildern. Wenn es
wirklich um neue Straßen, Schulen, Brunnen und Gesundheitsversorgung ginge, wer würde hier darüber diskutieren, ob das notwendig und unterstützenswert sei?
Darüber diskutieren wir hier nicht. Sie haben in Ihrem
Beitrag angesprochen, dass dieses Land seit 25 Jahren
Krieg hat. Es geht nicht nur um die Taliban. Es geht auch
um die Verbrecher, die jetzt in der Regierung sitzen, die
sich ebenfalls schlimmer Verbrechen schuldig gemacht
haben und mit westlicher Unterstützung aufgerüstet wurden, sodass sie ihre Verbrechen begehen konnten.
({15})
Das kann man doch nicht alles völlig ausblenden. Die
jetzige Debatte zeigt ganz deutlich, dass Ihre Politik
überhaupt nicht erfolgreich sein kann; denn Sie gehen
von einer falschen Analyse aus. Es ist menschlich verständlich, wenn man das, was unangenehm ist, verdrängt. Es ist menschlich verständlich, wenn man das
Scheitern der Politik völlig ausblendet. Das Scheitern
der Politik für uns besteht in Folgendem: Die Zahl der
zivilen Opfer nimmt immer weiter zu; das ist unabhängig davon, ob Sie die Opferzahlen angeben oder nicht.
Da das der Fall ist, kann man nicht von Wiederaufbau in
Afghanistan sprechen.
({16})
Der beste Wiederaufbau und die beste Verbesserung der
Lebenssituation dort bestünde darin, dass man das Sterben der Menschen verhindert.
({17})
- „Wie“ hat hier jemand dazwischengerufen. Das will
ich Ihnen sagen:
({18})
Mit Kampfeinsätzen und mit Bomben werden Sie das
Sterben der Menschen niemals verhindern. Lösen Sie
sich von diesem Irrtum, und sagen Sie insbesondere den
Menschen in Deutschland die Wahrheit, damit sie zu einem richtigen Urteil kommen können.
({19})
Ich sehe hier einige Kollegen - auch aus den Regierungsfraktionen -, die sich dieser Schönfärberei verweigern. Ich möchte Ihnen den Respekt unserer Fraktion
aussprechen.
({20})
Ich möchte Ihnen sagen, was wir vorschlagen. Wir sind
für zivile Entwicklungszusammenarbeit.
({21})
Wir halten militärische Interventionen für den verkehrten Weg, um das Leben der Menschen zu verbessern und
dem Frieden in der Welt zu dienen.
({22})
Nächster Redner ist der Kollege Professor Gert
Weisskirchen, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Herr Lafontaine, als Sie gesprochen
haben, habe ich mich gefragt, von welchem Lande Sie
eigentlich reden. Ich kann Ihnen nur sagen: Fahren Sie
doch einmal in dieses Land.
Gert Weisskirchen ({0})
({1})
Schauen Sie sich dort doch bitte einmal um. Ich weiß,
Herr Lafontaine, dass es Ihnen peinlich wäre, wenn Sie
hinfahren würden, weil Sie erleben könnten, dass Schülerinnen und Schüler jetzt überhaupt erstmals wieder die
Chance haben, in Primarschulen zu gehen. 75 Prozent
aller Jungen und 60 Prozent aller Mädchen, die die Primarschulreife haben, können nun in die Schule gehen.
Diese Tatsachen bringen das von Ihnen vorgetäuschte
Bild völlig durcheinander.
({2})
Ich möchte Sie darum bitten, nach Afghanistan zu fahren. Sie müssen dann das überprüfen, was Sie hier erzählen. Das würde ein ganz anderes Bild von einem ganz
anderen Land ergeben, als Ihre Rhetorik glauben macht.
({3})
Das ist die Wirklichkeit in diesem Land. Herr
Lafontaine, gehen Sie heute Abend in die sächsische
Landesvertretung. Um 19 Uhr werden dort afghanische
Künstlerinnen, die seit einem Jahr in einem Zentrum für
zeitgenössische Kunst studieren und arbeiten dürfen,
ihre Bilder zeigen. Das durften sie vorher nicht.
({4})
Jetzt können sie es. Angesichts dieser Bilder, Herr
Lafontaine, werden Sie sehen, dass seit dem Ende der
Talibandiktatur Frauen zum ersten Mal eine Chance haben, ihre eigenen Fähigkeiten und ihre eigene Kreativität
zu zeigen und darzustellen.
({5})
Das ist ein Zeichen von künstlerischer und bürgerschaftlicher Freiheit. Diese wäre gefährdet, wenn Ihre Reden
dazu führen würden, dass die Taliban zurückkehren. Das
wollen wir nicht.
({6})
Gerade dann, wenn es ernst wird, muss gelten: Wir
werden unsere Verpflichtungen einhalten. Lieber Kollege Lafontaine, Verpflichtungen einhalten heißt in diesem Fall ganz einfach und ganz schlicht: Freiheit und
Selbstbestimmung können in diesem Land nur dann erreicht und stabilisiert werden, wenn es ein gewisses Maß
an Sicherheit gibt. Diese kann von dem eigenen Land
gegenwärtig nicht gewährleistet werden, sondern muss,
mandatiert vom Weltsicherheitsrat der UNO, von der internationalen Staatengemeinschaft garantiert werden.
Ansonsten kann es keine stabile Entwicklung Afghanistans geben. Das ist der völkerrechtliche Auftrag, den wir
haben und den wir auch erfüllen. Daran werden wir festhalten.
({7})
Noch eine andere Sache: 85 Staaten dieser Erde - die
Pariser Konferenz hat das gezeigt - haben sich in Paris
darauf verständigt, dass der Afghanistan-Compact weiterentwickelt werden soll und dass in den nächsten Jahren 20 Milliarden Dollar bis 2013 zur Verfügung gestellt
werden. Der Außenminister hat ausschließlich für die zivile Entwicklung dieses Landes 420 Millionen Euro allein aus der Bundesrepublik Deutschland zugesichert.
Davon muss man reden. Es ist unsere Aufgabe dafür zu
sorgen, dass der zivile Aufbau gelingt. Er kann nur gelingen, wenn wir diese 85 Staaten in ihrer Würde respektieren. Sie stellen sich gegen 85 Staaten dieser Erde,
Herr Lafontaine.
({8})
Auf der Pariser Konferenz - schauen Sie sich einmal
die Dokumente an - wurde eine schnörkellose, nüchterne und selbstkritische Bilanz gezogen. Die Regierung
Karzai hat zum Beispiel mit den beiden vom Kollegen
Schockenhoff schon genannten Strategiepapieren deutlich gemacht, dass sie selber einen Strategiewechsel
vollzieht und dass sie zusammen mit der Weltbank eine
nationale Entwicklungsstrategie erarbeitet. Mit diesem
eigenständigen Beitrag hat sie den Afghanistan-Compact
von 2008 selbst ausgestaltet.
Die afghanische Regierung geht auch selbstkritisch
mit ihren eigenen Fähigkeiten um. Sie hat klar gesagt:
Wir haben Fehler gemacht. Das sagen auch wir. Wir wissen doch, dass Afghanistan nicht vorankommen kann,
wenn nur militärische Mittel eingesetzt werden.
({9})
Militärische Komponenten sind nur dann tragfähig,
wenn sie dazu beitragen, dass sich dieses Land zivil und
friedlich entwickeln kann. Nur dafür brauchen wir Armeen, für nichts, aber auch gar nichts anderes.
({10})
In den nächsten fünf Jahren wird das Unabhängige
Direktorat für lokale Regierungsführung Mittel zur Verfügung stellen, damit eines der Hauptprobleme der afghanischen Regierung - dass sie die Macht konzentriert
und zentralisiert; das ist ein erheblicher Mangel - gelöst
werden kann. Das Land soll in Zukunft von unten erneuert werden. Das ist ein Strategiewechsel, der zur Folge
haben wird, dass sich das Land von unten verändert. Die
Kommunen, Distrikte und Provinzen werden im nächsten Jahr ihre eigenen Körperschaften wählen.
Lieber Kollege Lafontaine, in diesem Zusammenhang
möchte ich sagen: Vor uns liegt eine wichtige Aufgabe.
Im Jahre 2009 müssen wir unseren Beitrag leisten, dass
in Afghanistan friedliche, faire und freie Wahlen abgehalten werden können.
({11})
Gert Weisskirchen ({12})
Das ist eine der zentralen Aufgaben der internationalen
Staatengemeinschaft.
Liebe Kollegin Beck, da wir in den nächsten Tagen
zur Parlamentarischen Versammlung der OSZE nach
Astana fahren: Ich fände es gut, wenn die OSZE ihre
Dienste zur Verfügung stellen könnte, damit die internationale Staatengemeinschaft ihren Beitrag dazu leisten
kann, dass diese Wahlen frei und fair vonstatten gehen.
Das wäre ein wichtiger Schritt, um zu helfen, dass dieses
Land - das in einer gefährlichen Situation ist, das sich in
einer Region befindet, in der es ständig von außen bedroht ist - eine Chance bekommt, sich weiterzuentwickeln. Das ist unsere Aufgabe.
Vor diesem Hintergrund war die Pariser Konferenz
von einem großen Erfolg gekrönt. Der Außenminister
hat dazu beigetragen, dass die Pariser Konferenz, auf der
sehr selbstkritisch Position bezogen wurde, überhaupt
hat stattfinden können. Vielen Dank, Herr Außenminister!
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem Punkt haben Sie recht, Herr Lafontaine: Der Bundesaußenminister hat eine sehr schönfärberische Rede
gehalten.
({0})
Das macht Ihre Rede aber nicht wahrheitsgetreuer. Denn
Sie haben die Schönfärberei nur gespiegelt, also Schwarzmalerei betrieben.
({1})
Der Irrtum, dem Sie unterliegen, ist ein Irrtum, über
den Sie vielleicht noch einmal nachdenken sollten. Er
besteht meines Erachtens in Ihrer Vorstellung, dass dort
Krieg herrscht - es gab dort übrigens schon 6 500 Tote,
nicht 1 000 Tote, wie Sie sagten;
({2})
ich betone: jeder dieser 6 500 Toten ist ein Toter zu viel -
liege daran, dass die internationale Gemeinschaft dort
präsent sei. Das ist der Grundirrtum, dem Sie aufgeses-
sen sind.
Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Muss ich mir
so einen Quatsch wirklich anhören?)
Darüber muss man gar nicht spekulieren.
Was ist eigentlich geschehen, als der Kalte Krieg, der
in Afghanistan heiß ausgefochten wurde, zu Ende war?
Auch in diesem Punkt muss ich Sie leider belehren: Die
Finanzierung der Nordallianz erfolgte nicht durch die
USA. Die USA haben die Taliban bezahlt, die Nordallianz
ist von den Russen bezahlt worden. In Ihrer Partei gibt es
einige Leute, die das genau wissen.
({3})
Als der Kalte Krieg, der in Afghanistan heiß ausgefochten wurde, zu Ende war und man das Land sich
selbst überlassen hat, hat dort 15 Jahre lang der brutalste
Krieg stattgefunden, ein Krieg mit Exzessen, mit Massenmord etc., der so schlimm war, dass die Menschen
die Herrschaft der Taliban in den ersten Jahren sogar ein
Stück weit als Befriedung empfunden haben. Es ist ein
Grundirrtum, zu denken, dass in Afghanistan Krieg herrsche, weil auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen der Versuch gemacht wird, dieses Land, das durch
Verantwortungslosigkeit, durch Intervention anderer
Mächte und durch eigene Unzulänglichkeit in einen
Krieg geraten ist, wiederaufzubauen. In Afghanistan haben wir keine Irakisierung, wir haben das Gegenteil von
Irakisierung.
({4})
Es geht um den Versuch, die Herrschaft des Rechts wiederherzustellen. Dies gleichzusetzen mit einer völkerrechtlich nicht gedeckten Intervention wie im Irak, ist
ein Grundfehler. Damit redet man im Übrigen den IrakKrieg schön.
({5})
Warum war das, was der Bundesaußenminister gesagt
hat, schönfärberisch? Ich hätte mir gewünscht, lieber
Frank-Walter Steinmeier, dass Sie sich die Selbstkritik,
die auf der Afghanistan-Konferenz geübt worden ist, zu
eigen gemacht hätten. Auf der Konferenz konnten Sie
das zugegebenermaßen nicht leisten, weil Sie nur drei
Minuten Redezeit hatten ({6})
im Gegensatz zu Laura Bush, die für eine bekannte NGO
zehn Minuten über die Fortschritte im Bildungswesen
Afghanistans reden durfte. Lesen Sie einmal nach, was
die Überprüfung der Fortschritte gemäß dem Compact
ergeben hat: Die Opiumproduktion habe ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Die Korruption nehme nicht
ab, sie wachse. Die legale Wirtschaft stehe auf einer unsicheren Grundlage. Von all dem haben wir heute wenig
gehört.
({7})
Zum anderen war es schönfärberisch, als Sie Leistungen in Aussicht gestellt haben, die bereits zugesagt worden sind. So ist es nicht wahr, dass Deutschland zusätzlich 140 Millionen Euro zur Verfügung stellt - diese
Mittel stehen bereits im Haushalt. Auch ist es bis heute
nicht so, dass die Ankündigung, die Polizei aufzubauen
- wofür wir übrigens seit 2004 zuständig sind; das sage
ich im Hinblick auf uns beide -, umgesetzt worden wäre.
Tatsächlich ist es so, dass die Feldjäger der Bundeswehr
in Afghanistan mehr Polizeiausbildung betreiben, als
Polizisten es tun. Das ist die Realität.
({8})
Ich finde, es hätte dieser Debatte gut getan, wenn die Regierung die real existierenden Defizite beim zivilen Aufbau benannt hätte.
({9})
Ich bin beileibe nicht der Auffassung, dass man Euro
für Euro gegenüberstellen müsse, dass man argumentieren könne, es sei ein Missverhältnis, dass der TornadoEinsatz 100 Millionen Euro kostet, während für zivile
Hilfe lediglich 140 Millionen Euro bereitgestellt würden.
Solche Vergleiche sind falsch. Aber es muss Sie doch umtreiben, dass es offensichtlich keinerlei Probleme bereitet,
das Bundeswehrmandat um 1 000 auf 4 500 Soldatinnen
und Soldaten aufzustocken, während in Afghanistan gerade einmal 255 zivile Aufbauhelfer aus Deutschland tätig sind. Das sind sehr wenige; so viele bräuchte man allein an Polizisten. Mit diesem Missverhältnis haben
viele Leute ein Problem.
Es ist richtig: Afghanistan wird militärisch nicht zu
gewinnen sein. Aber wenn Afghanistan militärisch nicht
zu gewinnen ist, muss es uns doch umtreiben, dass immer dann, wenn ein militärisches Erfordernis da ist
- und das muss man im Hinblick auf die 1 000 zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten nicht einmal bestreiten -,
wir sofort „liefern“ können, während es Jahre dauert, bis
die Defizite im Zivilen, beim Aufbau der Polizei, endlich
abgebaut werden.
({10})
Seit zwei Jahren rede ich davon, dass bei der Ausbildung
der Polizei Defizite bestehen. Seit zwei Jahren versprechen Sie uns, Abhilfe zu schaffen. Doch es passiert
nichts.
({11})
Mit unseriöser Kritik an der Afghanistan-Politik trägt
man zur Lösung des Problems nicht bei. Sie wollen, dass
die Opposition die deutschen Auslandseinsätze nach
Möglichkeit mitträgt. Nun können Sie die Vorschläge
der Opposition, selbst wenn wir das Gleiche wollen, was
Sie zumindest versprechen, ablehnen. Natürlich können
Sie uns trotzdem um Zustimmung bitten. Sie können
auch sagen: Uns interessiert nicht wirklich, was diese
kleinen Oppositionsfraktionen dazu sagen. Sie haben
aber ein Problem: Wenn in einer Demokratie keine Akzeptanz für einen solchen sinnvollen - das betone ich Einsatz an dieser Stelle mehr besteht - auch von Militär -,
dann wird dieser Einsatz zu Ende sein. Das ist das Problem, vor dem Sie stehen.
Deswegen müssen Sie die realen Defizite im Zivilen
nicht nur thematisieren und hinterfragen, sondern endlich abbauen. Darum geht es uns im Kern, wenn wir von
einem Strategiewechsel sprechen. Sie kündigen ihn seit
zwei Jahren an, aber er findet nicht statt.
Ich kann das auch anhand des militärischen Bereichs
beschreiben: Sie reduzieren jetzt die Stärke der OEF. Bisher waren 260 Marinesoldaten am Horn von Afrika
eingesetzt. Die Gesamtzahl wollen Sie jetzt von 1 400 auf
800 reduzieren. Welch ein Fortschritt!
Haben Sie auch nur einen Tag lang mit den Amerikanern darüber gesprochen, ob es nicht sinnvoll ist, die
Ausbildung der afghanischen Armee endlich der NATO
und damit der ISAF zu überantworten? Haben Sie den
Amerikanern an dieser Stelle konkrete Vorschläge und
Angebote gemacht? Mir ist davon nichts bekannt. Das
ist der Kernpunkt, weshalb ich sage: Im Zivilen wie im
Militärischen verfehlen Sie genau das, was notwendig
wäre, um Afghanistan zu stabilisieren.
({12})
Herr Kollege Trittin.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Ich zitiere ungern Soldaten, in diesem Fall zitiere ich
aber Ulrich Kirsch vom Bundeswehr-Verband. Er hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben:
Man müsste gleichzeitig mit dem Mandat für die
Bundeswehr ein Zivilmandat formulieren, in dem
die zivilen Aufgaben so klar aufgeschrieben werden
wie die unsrigen im militärischen Mandat.
Der Mann hat Recht, und wir können das nur nachdrücklich unterstreichen.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist
wichtig, dass im Mittelpunkt der heutigen Diskussion
der zivile Aufbau steht.
Die Paris-Konferenz zur Zukunft Afghanistans war in
der Tat ein Schritt in die richtige Richtung, und zwar vor
allem aus zwei Gründen: erstens weil die afghanische
Regierung nach einem wirklich beachtenswerten internen
Entscheidungsprozess ihre eigenen Vorstellungen zu einer
nationalen Entwicklungsstrategie vorgelegt und damit
eindrucksvoll ihren Willen zur Eigenverantwortlichkeit
unterstrichen hat, und zweitens weil die Konferenz tatsächlich der Versuch war, eine ehrliche Bestandsaufnahme der Erfolge, der Probleme und der Herausforderungen bei der bisherigen Aufbauarbeit in Afghanistan
zu machen.
Herr Trittin, so wichtig es ist, die Defizite anzusprechen - ich glaube nicht, dass wir Entwicklungspolitiker
uns um diese Diskussion drücken -, so wichtig ist auch
das, was schon gesagt wurde, dass es nämlich ganz entscheidend darauf ankommt, der deutschen Öffentlichkeit
auch die Leistungen und Erfolge der vielen zivilen
Aufbauhelfer, unserer Soldaten und vieler anderer - auch
die der deutschen Steuerzahler - zu dokumentieren. Hier
kann und muss man bei allem, was deutlich wird - auch
wenn man hinfährt -, sagen: Unser Einsatz ist sinnvoll
und zeigt Wirkung.
({0})
Zu den eindrucksvollen Beispielen, die schon genannt
wurden - zum Beispiel im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich und bei der Minenräumung -, möchte ich
noch einige Dinge anführen, die vielleicht weniger bekannt, aber genauso wichtig sind.
Wir haben zum Beispiel konkrete Erfolge beim Aufbau der staatlichen Institutionen in Afghanistan. Von den
afghanischen Ministerien werden Mittel in Höhe von
77 Millionen Euro jährlich direkt dafür genutzt, konkrete
Projekte umzusetzen. Das ist zehnmal so viel wie vor
fünf Jahren. Dadurch wird deutlich, dass wir auch beim
Aufbau der Kapazitäten weiterkommen.
Ein anderes Beispiel: Mit deutscher Hilfe wurde die
Investitionsagentur AISA eingerichtet. Sie wird bis zum
Ende dieses Jahres 550 000 neue Arbeitsplätze geschaffen haben.
Ich nenne ein weiteres Beispiel. Mit unserer Hilfe
wurde die erste Mikrokreditbank in Kabul eröffnet. Das
hat im Land eine Investitionswelle initiiert, die vor allem
den kleinen Leuten zugute kommt. Mit Darlehen zwischen 130 und 1 300 Euro werden neue Existenzgrundlagen für Teppichknüpferinnen, Gemüseverkäufer und
Automechaniker geschaffen. Das trägt zum Aufbau eines Mittelstandes und zur Armutsbekämpfung bei.
Ein weiterer Bereich ist die Wasserversorgung.
2,5 Millionen Menschen in Kabul, Herat und Kunduz
profitieren jeden Tag ganz konkret von dem, was wir in
der Entwicklungszusammenarbeit geleistet haben.
Ich nenne ein Letztes: Wir machen auch etwas, das
uns im Kulturbereich viel Ehre und Sympathie in ganz
Afghanistan einbringt. Wir führen zum Beispiel ein Projekt zur Sanierung der Altstadt in Herat durch und helfen
beim Zusammensetzen der zerstörten Buddha-Statuen
von Bamian.
Das alles zusammen ergibt ein ganz anderes Bild der
Wertschätzung der Afghanen für unsere Arbeit, als es
Herr Lafontaine dargestellt hat. Untersuchungen der
FU Berlin haben ergeben, dass 72 Prozent der Afghanen
unser Engagement - vor allem im Sicherheitsbereich begrüßen. Das macht deutlich, wie sehr die Afghanen
unsere Arbeit wertschätzen.
({1})
Wir erleben aber auch täglich, dass der zivile Wiederaufbau in Afghanistan Feinde hat und dass es eine Minderheit gibt, die mit Gewalt verhindern will, dass Demokratie, Menschen- und Bürgerrechte dauerhaft Zukunft
haben. Deswegen brauchen wir für den Wiederaufbau
eine entsprechende Sicherheitsstruktur mit einer funktionierenden afghanischen Armee, Justiz und Polizei.
Es gab zwar die eine oder andere Schwierigkeit beim
Polizeiaufbau, auch bei EUPOL - damit haben wir uns
bereits befasst -, aber ich verstehe nicht, Herr Trittin,
dass Sie einfach leugnen, wie viele Tausende von Soldaten wir inzwischen in Afghanistan ausgebildet haben
und dass eine Verdoppelung der Zahl der deutschen Polizeikräfte als Ausbilder in Afghanistan vorgesehen ist.
Das sollte man der Ehrlichkeit halber an dieser Stelle
hinzufügen. Sonst tut man nämlich den Polizisten, die in
Afghanistan Dienst tun, Unrecht.
({2})
In Afghanistan steht viel auf dem Spiel, nicht nur für
die Afghanen selbst, unsere Soldaten und die zivilen
Aufbauhelfer, sondern wegen der Lage in einer sehr explosiven Region Afghanistans auch für unsere eigene Sicherheitspolitik und unsere eigenen Sicherheitsinteressen. Deswegen sind wir es den Bürgern in Afghanistan,
aber auch unseren eigenen Bürgern schuldig, die Defizite und die Herausforderungen, vor denen wir noch stehen, anzusprechen.
Mit der Abstimmung der zahllosen Geberländer und
Institutionen im zivilen Bereich untereinander, mit der
Entwicklung in der Drogenwirtschaft und mit der Sicherheitslage können wir nicht zufrieden sein. Aber die
einzig mögliche Antwort darauf besteht darin, mit unseren Erfolgen im Rücken die Herausforderungen anzugehen. Das gilt zum Beispiel auch für die Drogenbekämpfung. Was in Laos, in weiten Teilen Pakistans und auch
in Thailand gelungen ist - übrigens auch durch deutsche
Entwicklungszusammenarbeit -, das ist auch in Afghanistan möglich, nämlich eine erfolgreiche Drogenbekämpfung zu organisieren, wenn man bereit ist, den Dingen konsequent auf den Grund zu gehen.
Man muss die Menschen in die Lage versetzen, auch
ohne Drogenanbau ihren Lebensunterhalt zu bestreiten,
zum Beispiel durch Rehabilitierung der alten Bewässerungssysteme und den Wiederaufbau der Infrastruktur.
Man muss auch deutlich machen, dass man nicht nur die
Kleinen bestraft, sondern auch die großen Drogenbarone
nicht ungeschoren davon kommen lässt.
Entscheidend ist, dass wir stärker als bisher die afghanische Regierung und die afghanischen Entscheidungsträger in die Pflicht nehmen und versuchen, die
Nachbarstaaten wie Pakistan in unsere Strategien einzubeziehen, und dass es uns gelingt, den vielstimmigen
Chor der Geber auch international besser untereinander
abzustimmen. Dabei denke ich besonders an die Weltbank und an den wichtigsten Geber, die Vereinigten
Staaten, aber ich denke auch an uns. Trotz der großen
Fortschritte, die die am zivilen Aufbau in Afghanistan
beteiligten deutschen Ressorts gemacht haben, bleibt es
eine Daueraufgabe, möglichst konkret unser Ziel zu verfolgen. Wir brauchen konkrete Planungs- und Zielvorgaben für einen überschaubaren Zeitraum, die von allen
Ressorts gemeinsam eingehalten werden. In diesem Zusammenhang halte ich es für sinnvoll, dass das im kommenden Herbst zu beschließende Afghanistan-Mandat
auch eine Zwischenbilanz der zivilen Leistungen und neDr. Christian Ruck
ben weiteren militärischen zivile Vorhaben mit konkreten Zielvorgaben und Verantwortlichkeiten beinhaltet.
Herr Kollege Ruck, darf ich Sie an Ihre Zeit erinnern?
Jawohl, ich bin gleich so weit.
({0})
Ich bin dagegen, dass man militärische und zivile
Ausgaben gegeneinander aufwiegt und ausspielt. Wir
dürfen keine Zweifel an der Sicherheit unserer Soldaten
aufkommen lassen und an ihr sparen. Das können wir
nicht verantworten. Nun wird viel Geld zur Verfügung
gestellt: 21 Milliarden Euro bis 2010. Hier muss eine
qualitative Umsetzung erfolgen. Wir sind jedenfalls jederzeit bereit, über eine weitere Aufstockung der Haushaltsmittel für Afghanistan zu reden.
Herr Kollege, Sie reden auf Kosten Ihrer Kolleginnen
und Kollegen.
Ein Schlusssatz, Frau Präsidentin.
Für uns sind die Anstrengungen im militärischen Bereich nichts anderes als die unverzichtbare Absicherung
des eigentlichen Ziels, nämlich der dauerhaften Stabilisierung der jungen Demokratie in Afghanistan. Wir müssen sie in die Lage versetzen, in möglichst naher Zukunft
die Aufgabe, dass die Bürger in Frieden und Freiheit leben, zu erfüllen. Das liegt auch im vitalen deutschen Interesse.
({0})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Hellmut
Königshaus, FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber
Kollege Trittin, Oskar Lafontaine hat noch in einem weiteren Punkt recht: Der Kollege Dr. Schockenhoff hat
eine erfrischende Rede gehalten. Er hat insbesondere die
Probleme, die die Reibereien zwischen dem BMZ und
dem Auswärtigen Amt betreffen, sehr klar beschrieben.
Ich glaube, darin liegt in der Tat ein großes Problem.
({0})
Er hat außerdem gesagt, dass Sicherheit und Aufbau
zwei Seiten ein und derselben Medaille seien. Damit hat
er natürlich recht. Er hat dabei eines, glaube ich, nicht
richtig deutlich gemacht: Es sind zwar zwei Seiten ein
und derselben Medaille, aber sie stehen im Verhältnis
von Mittel zu Zweck. Wir sind dort militärisch engagiert, weil wir aufbauen wollen, und nicht umgekehrt.
Das muss man sich vor Augen führen.
({1})
Afghanistan braucht unsere Hilfe. Die Afghanen vertrauen darauf, dass wir unser Versprechen halten, wenn
es um den Aufbau einer stabilen und korruptionsfreien
Verwaltung, einer funktionierenden Polizei, von Schulen
usw. geht. Das enorme Interesse, das die Afghanen an
unseren Aufbaubemühungen haben, ist schon daran zu
erkennen, dass die afghanische Botschafterin bis eben an
der Debatte teilgenommen hat und dass das afghanische
Fernsehen die Ergebnisse der Konferenz in Paris live
übertragen hat. Das zeigt, welch große Hoffnungen darauf ruhen. Ich bin mir aber sicher, dass die Afghanen
über die im Fernsehen übertragenen Ergebnisse der
Afghanistan-Konferenz enttäuscht sind. Diese Konferenz wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sich mit der
Situation in Afghanistan grundsätzlich auseinanderzusetzen, und zwar ohne die zwanghafte Verengung auf
Sicherheitsfragen. Sie hätte Anlass gegeben, sich mit der
Rolle der afghanischen Regierung näher zu befassen,
insbesondere in der Drogenwirtschaft. Diese Chance
wurde auf der Konferenz erneut vertan, obwohl sicherlich einige Probleme im Zusammenhang mit dem Drogenanbau festgestellt wurden.
({2})
Herr Minister Steinmeier, Sie selbst haben gesagt,
dass es ein „Weiter so“ in Afghanistan nicht geben dürfe
und dass es nun vor allem um den Aufbau gehe. Warum
zeigt sich dann aber die Bundesregierung gerade bei den
Hilfszusagen so knauserig? Wir Liberale fordern seit
langem - Herr Trittin, ich glaube, hier besteht Übereinstimmung - eine Erhöhung der Mittel für Afghanistan,
beispielsweise durch Umschichtung. Verschiedene Seiten haben gerade die Bedeutung dieses Landes unterstrichen. Wir wissen sicherlich, dass Geld allein nicht die
Lösung ist; das ist klar. Aber im Vergleich zu den Leistungen, die etwa Kanada sowohl im zivilen als auch im
militärischen Bereich erbringt, ist das, was wir leisten,
relativ gesehen viel zu gering.
Meine Damen und Herren, ich habe mir vor Ort ein
Bild von der Lage gemacht. Jeder Entwicklungshelfer,
mit dem ich gesprochen habe, hat mir erklärt, dass er sofort mehr Geld in die laufenden Projekte einspeisen
könnte. Die Behauptung der Entwicklungsministerin,
mehr Geld könne man in dem Land nicht einsetzen, ist
schlichtweg falsch.
({3})
Der Bedarf in dem Land ist vorhanden. Es gibt Erfolge - sie werden ja immer wieder wie ein Mantra vorweg getragen -, aber es gibt sie nur punktuell, es sind
nicht genug, und vor allem werden die Projekte nicht
schnell genug umgesetzt. Das Land braucht mehr Projekte, vor allem in der Fläche, auf dem Land, dort, wo
noch nichts von Aufbau und Fortschritt zu spüren ist.
Geben wir doch die nötigen Mittel, damit der Aufbau
endlich bei den Menschen auf dem Land direkt
ankommt! Nur damit tragen wir zu einer Stabilisierung
der Lage bei. Es ist ja nicht so, dass wir für den Aufbau
kein Geld hätten. Es gibt genügend Geld im Haushalt.
Der Haushalt des BMZ ist der einzige, der kontinuierlich
wächst. Darüber hinaus geben wir immer noch - ich
möchte das nicht wiederholen - überdurchschnittlich
viel Geld in Ländern aus, die dieses Geld nicht mehr
brauchen.
({4})
Hier müssen Sie kämpfen, Herr Außenminister. Wir
wissen ja, dass Sie manchmal auf dem falschen Bein
kämpfen; das konnten wir kürzlich erleben. Sie müssen
sich einmal mit Frau Wieczorek-Zeul über diese Frage
auseinandersetzen. Wenn sie gut drauf ist, lässt sie Sie
zumindest ausreden. Heute scheint sie gut drauf zu sein.
({5})
Der zivile Aufbau ist im Übrigen auch der Schlüssel
zur Drogenbekämpfung, über die wir gerade gesprochen
haben. Die Drogenwirtschaft ist ein Teil der wirtschaftlichen Basis des Terrors. Dadurch wird nicht nur die Sicherheit unserer Soldaten und Helfer, sondern auch der
Aufbau selbst bedroht. Die Menschen in Afghanistan haben im Moment gar keine alternativen Einkommensmöglichkeiten. Wir müssen sie ihnen schaffen, aber mit
vernünftigen Projekten, die die Strukturen berücksichtigen, und nicht mit irgendwelchen illusionären Projekten,
für die es gar keinen Markt gibt; Stichwort Rosenöl und
Ähnliches.
Des Weiteren müssen wir dafür sorgen, dass die Polizeimission endlich vorankommt. Hierüber haben wir
heute im Ausschuss wieder eine Auseinandersetzung erlebt. Der Innenminister sagte, damit habe er nichts zu
tun, EUPOL sei eine Angelegenheit des Außenministers.
Egal, wer intern dafür zuständig ist: Sorgen Sie dafür,
dass das endlich vorankommt. Wir haben doch dort die
Verpflichtung übernommen.
({6})
Anders als der Kollege Lafontaine sage ich: Wir müssen mehr für die Sicherheit unserer Entwicklungshelfer
tun. Dafür, Herr Verteidigungsminister, brauchen wir
mehr Soldaten, gerade in der Fläche, damit sie in der Not
schnell Hilfe erhalten können. Ich bin, offen gesagt, enttäuscht darüber, dass Sie offenbar nicht beabsichtigen,
die durch die Heraufsetzung der Mandatsobergrenze genehmigten zusätzlichen Soldaten für diese Zwecke einzusetzen. Das ist enttäuschend. Darüber sollten Sie noch
einmal nachdenken.
Wir dürfen uns nicht vormachen, dass, wie das oft gesagt wird, Afghanistan schon auf dem richtigen Weg sei.
Die Bundesregierung unterliegt einem Irrtum, wenn sie
das glaubt. Sie, Herr Bundesaußenminister, haben gestern gesagt, Sie hätten offenbar eine andere Wahrnehmung von der Situation unserer Aufbauhelfer als ich. Da
haben Sie recht. Aber ich glaube, dass in dem Fall ich
die richtigere Auffassung habe,
({7})
und zwar deshalb, weil ich mit den Leuten fernab der
Feldlager gesprochen habe. Sprechen Sie mit denen!
Dann werden Sie hören, dass nicht alles das, was Ihnen
vom BMZ oder vom Bundesverteidigungsministerium
mitgeteilt wird, tatsächlich die volle Wahrheit ist, die
volle Realität darstellt.
Meine Damen und Herren, auch wenn es Probleme
gibt, dürfen wir die Hoffnung nicht verlieren. Wir müssen die afghanische Regierung in die Pflicht nehmen.
Und wir müssen etwas mehr Geld in die Hand nehmen.
Dann werden wir in Afghanistan zum Erfolg kommen.
Ich danke Ihnen.
({8})
Ich gebe das Wort der Kollegin Christel RiemannHanewinckel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe mich sehr gefreut, dass es der afghanischen
Botschafterin möglich war, heute zumindest einen Teil
der Debatte mitzuverfolgen. Im Rahmen eines Gesprächs, das wir gestern in der Arbeitsgruppe Menschenrechte der SPD-Bundestagsfraktion geführt haben, hat
sie sich sehr deutlich zu dem, was wir heute verhandeln,
und zum Einsatz der internationalen Schutztruppe geäußert. Darauf komme ich später zu sprechen.
Entwicklung nach kriegerischen Auseinandersetzungen ist immer nur möglich, wenn es Hoffnung, Vertrauen
und ein Mindestmaß an Sicherheit gibt. Und eines
kommt ohne das andere nicht aus.
({0})
Deutschland hat sich wiederholt verpflichtet, Afghanistan bei der Herstellung und bei der Wahrung von Sicherheit, vor allem aber auch beim Aufbau des Landes zu unterstützen. Ohne Sicherheit ist das Wachsen von
Demokratie nicht möglich, ohne Sicherheit haben Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen
überhaupt keine Chance, ohne Sicherheit werden Frauen
weiterhin diskriminiert und der häuslichen und traditionellen Gewalt in Afghanistan ausgesetzt, ohne Sicherheit bleibt die Müttersterblichkeit extrem hoch, und ohne
Sicherheit werden permanent Menschenrechte verletzt.
Erfahrungen und Erlebnisse aus 30 Jahren Krieg in
Afghanistan müssen durch die Erfahrung abgelöst werden, dass das Zusammenleben gemeinsam zu gestalten
ist. Neben die Hoffnung auf eine gute Zukunft muss das
Erleben eines sich verändernden Gemeinwesens treten.
({1})
Es stellt sich die Frage, ob die Afghanen das nicht alleine tun können bzw. was Deutschland dazu tun kann.
Mein erster Punkt ist, dass Deutschland durch die Beteiligung an der ISAF-Mission einen wichtigen Beitrag für
die innere und äußere Sicherheit in Afghanistan leistet
und weiterhin leisten muss. Deutschland kann durch ein
umfassendes Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit zur Entwicklung der afghanischen Zivilgesellschaft und eben auch der staatlichen Strukturen beitragen. Mit dem Auftrag von ISAF wird ein politisches und
kein militärisches Ziel verfolgt. Vielleicht müssen wir
das ständig wiederholen, damit es die, bei denen es noch
nicht angekommen ist, endlich begreifen.
({2})
Ich sage es noch einmal: Unsere Aufgabe lautet, Afghanistan bei der Herstellung und Wahrung von Sicherheit und beim Aufbau des Landes zu unterstützen. So
zwiespältig es auch sein mag - ich wiederhole es -, ohne
ein Mindestmaß an Sicherheit können wir und auch die
Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan keine
Aufbauarbeit leisten. Das gilt auch und gerade in Zeiten,
in denen sich die Sicherheitslage verschlechtert. Die
Botschafterin sagte gestern sehr deutlich und unmissverständlich in dem Gespräch: Wenn die ISAF-Truppen abziehen, sind die Taliban in weniger als 24 Stunden da.
({3})
Das heißt - das wissen wir eigentlich alle -, dass damit
jegliche Entwicklung, jedes Aufwachsen von Demokratie abgeschnitten wird. Wer das nicht begreifen will,
sollte nicht immer nur mit einer Frau aus Afghanistan reden, sondern auch mit anderen, die nicht nur das Leben
dort kennen, sondern sich auch engagieren, um die Demokratisierung in Afghanistan voranzubringen.
({4})
Wir müssen akzeptieren, dass Entwicklung und Sicherheit in Afghanistan einander bedingen. Das sehen
auch die Nichtregierungsorganisationen so. Ich will
stellvertretend für andere an dieser Stelle „medica mondiale“ nennen. „medica mondiale“ ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen für die Rechte von Frauen in
Afghanistan einsetzt. „medica mondiale“ hat Erfahrungen auch in anderen Ländern, die in einer Nachkriegssituation dabei sind, eine Zivilgesellschaft aufzubauen
und die Rechte von Frauen zu stärken. Erst in der vergangenen Woche hat uns eine Vertreterin dieser Organisation berichtet, dass afghanische Frauen eindringlich
vor einem zu frühen Abzug der internationalen Schutztruppe warnen. Ich bin schon der Meinung, dass diese
das besser wissen müssen als manche hier im Parlament.
Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir diese Warnung der
Frauen ernst nehmen.
({5})
Ich möchte noch einmal die Botschafterin, Frau Professor Dr. Maliha Zulfacar, zitieren. Sie hat gestern gesagt: „Die Entwicklung Afghanistans ist kein Projekt,
sondern ein Prozess.“ Wir als Mitglieder des Deutschen
Bundestags können wohl auch für das geeinte Deutschland feststellen: Das Zusammenwachsen war und ist
kein Projekt für eine Legislaturperiode gewesen, das mit
einem einzigen Titel im Haushalt auskommt, sondern es
war und ist ein Prozess, der erhebliche Mittel gebraucht
hat und noch immer braucht.
({6})
Inzwischen dauert der Prozess 18 Jahre. Ich möchte sagen, dass wir in Deutschland vieles geschafft haben, vieles verändert haben, und doch erfahren wir tagtäglich,
was noch zu tun ist. Ich behaupte: Es ist wesentlich
leichter und es ist schneller möglich, Straßen zu bauen
und Häuser zu sanieren, als Menschen für die Demokratie zu begeistern und für das Mitmachen zu gewinnen. Das sind unsere Erfahrungen in Deutschland.
Afghanistan hat Krieg und Zerstörung von Strukturen, Land und Menschen hinter sich und hat eine junge
Generation, auf die alle setzen. Diese junge Generation
aber ist mit Gewalt groß geworden. Die jungen Menschen müssen lernen und erfahren, dass es andere Arten
des Zusammenlebens und des gemeinsamen Aufbauens
gibt als die, mit einer Flinte in der Hand bzw. mit Gewalt
und Macht durchzusetzen, was der Einzelne oder die
Gruppe will.
Die afghanische Botschafterin hat uns um etwas gebeten. „Gebt uns Chancen!“ hat sie gesagt, und ich füge
hinzu: Vor allem in Zeiten, in denen es schwierig ist;
dann erst recht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auf der Geberkonferenz in Paris hat man sich dazu
deutlich geäußert und eine wichtige Zäsur gesetzt. Man
hat nämlich Bilanz über das gezogen, was die internationale Gemeinschaft und auch Deutschland mit der Unterstützung für Afghanistan bisher erreicht haben. Man hat
vor allem aber auch deutlich gemacht, dass die internationale Gemeinschaft und Afghanistan selbst immer
wieder zu Veränderungen bereit sein müssen; es war also
eine kritische Bilanzierung.
Es gibt enorme Herausforderungen, die die afghanische Regierung mit unserer Unterstützung in den kommenden Jahren zu bewältigen hat. Dazu gehören insbesondere die Verwirklichung der Verfassung, der Aufbau
funktionierender Institutionen und die Durchsetzung von
Rechtsstaatlichkeit.
Am Beispiel der Frauen lässt sich das sehr gut deutlich machen. Noch immer erleben mehr als 80 Prozent
der Frauen in Afghanistan Missbrauch und Gewalt.
Wenn sie häusliche Gewalt oder Zwangsverheiratung
anzeigen wollen, werden sie zum Teil von Richtern diskriminiert. Unter Umständen verfügen sie nicht über die
notwendige Bildung, um ihre Rechte überhaupt zu kennen. Staatliche Institutionen und Behörden setzen das
Recht, das in der Verfassung garantiert ist, nicht um.
Deshalb überlagern noch immer Gewohnheitsrechte geltendes Recht. Leider kommt es dann oft zu massiven
Menschenrechtsverletzungen.
Deshalb ist es gut, dass auch in den Regierungsverhandlungen zwischen Deutschland und Afghanistan
Frauenrechte und Genderfragen ein zentrales Thema waren und die entsprechenden finanziellen Mittel bereitgestellt wurden. Denn auch in Afghanistan ist ohne die
Frauen kein guter Staat zu machen.
Ich komme zum Schluss. - Im nächsten Jahr finden in
Afghanistan die nächsten freien Wahlen statt. Deutsch18154
land und die internationale Gemeinschaft werden auch
mit Blick darauf weiterhin zur Stabilisierung Afghanistans beitragen. Aber die afghanische Regierung muss die
volle Verantwortung für den Aufbau ihres Landes übernehmen. Die Regierungsverhandlungen haben gezeigt,
dass Afghanistan offensichtlich dazu bereit ist. Ich hoffe
sehr, dass wir gemeinsam mit Afghanistan zu tragfähigen und nachhaltigen Lösungen kommen.
Vielen Dank.
({7})
Ich gebe das Wort der Kollegin Ute Koczy, Bündnis 90/Die Grünen.
Geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es geht um die Ergebnisse der AfghanistanKonferenz am 12. Juni. Ich sage: Aus einer solchen internationalen Konferenz zur Unterstützung Afghanistans
hätte man mehr machen müssen. Mit einem solchen Ereignis hätte man wirklich mehr an Ergebnissen erreichen
müssen. Die Bundesregierung hat es verpasst, zusammen mit den anderen Gebern tatsächlich einen Kurs- und
Strategiewechsel einzuleiten. Sie hat es verpasst, dieses
Ereignis zu nutzen, um in der deutschen Bevölkerung
um Verständnis für die Widrigkeiten und Probleme bei
der Aufbauarbeit Afghanistans zu werben. Sie hat es
auch verpasst, eine ehrliche Bilanz zu ziehen.
Es waren wohl Anklänge davon zu finden - keine
Frage -, aber die Erwartungen an Paris waren hoch, und
zwar deswegen, weil die Situation in Afghanistan instabil ist, weil sich die Sicherheitslage verschlechtert hat,
weil die Opiumproduktion gestiegen ist, weil die Wirtschaft instabiler wird, weil die Korruption zunimmt, weil
die Hilfen unzureichend wirken, weil die Hilfen schlecht
ankommen, weil Frauenrechte zurückgedrängt werden,
weil - ja, auch das - viele Fehler gemacht worden sind.
Und dann das: Zu all diesen Themen eine eintägige Konferenz mit drei Minuten Redezeit für die Präsidenten und
Minister!
Dabei war doch etwas Bemerkenswertes passiert. Von
afghanischer Seite wurde eine nationale Entwicklungsstrategie vorgelegt. Dieser Vorschlag der afghanischen
Regierung zur künftigen Ausrichtung des Aufbaus basiert ja auf den Millenniumsentwicklungszielen, denen
wir uns verschrieben haben und die von uns allen geschätzt werden. Damit werden ja Möglichkeiten an die
Hand gegeben, Strategien zur Armutsbekämpfung zu
nutzen. Die Afghanen haben sich jetzt am Afghanistan
Compact orientiert, der ja drei Kernziele umfasst: erstens Sicherheit, zweitens Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sowie drittens wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die afghanische
Regierung hat in Eigenverantwortung Vorschläge vorgelegt. Damit hat sie Verantwortung für die Gestaltung der
Zukunft übernommen. Das hätte man noch mehr würdigen müssen; denn wenn man sich fragt, ob das denn der
Bevölkerung hier klar und deutlich gesagt worden ist
bzw. ob wenigstens darauf hingewiesen worden ist, muss
man zu dem Schluss kommen: Nein, das ist nicht geschehen. Ich finde, da ist eine Chance verpasst worden.
({0})
Lassen Sie mich nun zu den beiden Punkten wirtschaftliche Entwicklung und Bildung etwas sagen.
Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass Deutschland
einstmals die Führung in der Frage der wirtschaftlichen
Entwicklung übernommen hat. Insofern ist auch diese
Frage eng mit dem deutschen Engagement verknüpft. Ja,
es gibt Fortschritte. Es braucht aber zugleich einen langen Atem; denn wir müssen erkennen, die Zielmarken,
die wir uns im Afghanistan Compact in London gesetzt
haben, waren unrealistisch bzw. zu ehrgeizig. Noch sind
nämlich über 7 Millionen Menschen in Afghanistan von
Hunger bedroht. Jetzt kommen noch drastische Preissteigerungen hinzu. Deswegen, so sagen wir, ist die Unterstützung des Aufbaus der Landwirtschaft enorm wichtig.
Die ländliche Bevölkerung, die Männer und Frauen auf
den Dörfern müssen überleben können. Hier muss sofort
durch Not- und Übergangshilfe sowie durch Verstärkung
der ländlichen Infrastruktur geholfen werden.
Man muss wissen: Von den geschätzten 7,9 Millionen
Hektar Ackerland werden nur 2,7 Millionen Hektar bewässert. Das heißt, es gibt Möglichkeiten, man nutzt sie
nur zu wenig. Gleichzeitig können nur 20 Prozent der
Bevölkerung auf das öffentliche Stromnetz zugreifen.
Das alles sind Herausforderungen, denen man mit entsprechenden Maßnahmen umgehend und massiv begegnen müsste. Dafür braucht es noch mehr Mittel, dafür
braucht es mehr Geld.
({1})
Nun zum Thema Bildung und Capacity für Frauen
und Männer. Deutschland trägt mit dazu bei, dass die
ehrgeizigen Ziele des Bildungsministeriums umgesetzt
werden. Aber zugleich ist leider festzuhalten, dass es Regionen gibt, in denen Mädchen mit Steinen beworfen
werden, wenn sie zur Schule gehen, dass Schulgebäude
zerstört werden und dass es an weiblichen Lehrkräften
mangelt, um Mädchen und Frauen zu unterrichten.
Meine Damen und Herren, das deutsche Engagement
in Afghanistan hängt von der Glaubwürdigkeit und von
der Legitimation ab, die in der Öffentlichkeit durch den
Nachweis der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit hergestellt wird. Ich finde, die Konferenz hätte
gute Möglichkeiten geboten, die Wirksamkeit mehr in
den Vordergrund zu stellen. Diese Chance ist verpasst
worden. Ich wage zu behaupten, dass uns dies in der anstehenden Diskussion über die Frage, wie wir mit dem
geplanten Aufwuchs der Zahl an Soldaten umgehen sollen, auf die Füße fallen wird.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Schade, ich finde, man hätte mehr tun können.
Danke.
({0})
Das Wort hat der Kollege Gert Winkelmeier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Nach dieser Regierungserklärung zu der Pariser Schaufensterveranstaltung
({0})
kann ich nur sagen: Ich habe nichts anderes erwartet.
Seit Jahren reden sich die Bundesregierungen und die
Mehrheit hier im Bundestag die sich seit 2003 massiv
verschlechternde Lage in Afghanistan schön. Ich denke
dabei beileibe nicht nur an die sogenannte Sicherheitslage.
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen,
UNDP, stellt in seinem jüngsten Bericht fest, dass in Afghanistan als fünftärmstem Land der Welt seit 2004 ein
deutlicher Rückschritt zu verzeichnen ist: Die Lebenserwartung ist auf 43 Jahre gesunken; über 6 Millionen
Menschen haben nicht genügend zu essen; 50 Prozent
der unter Fünfjährigen sind untergewichtig. Das ist kein
Wunder bei einem Preisanstieg von zuletzt 70 Prozent
bei Brot und Mehl. Dass 99 Prozent der Waren auf dem
Kabuler Markt Importwaren sind, kennzeichnet den katastrophalen Zustand der heimischen Wirtschaft.
Auch auf dem Gebiet, mit dem sich der Bundesaußenminister immer so gerne brüstet, ist kein Licht am Horizont zu sehen. Die Alphabetisierungsrate bei Erwachsenen ist um 5 Punkte auf 23,7 Prozent gesunken. Den
Grund dafür hat der französische Präsident während der
Pariser Konferenz genannt: Wir lassen uns nicht von
Terroristen einschüchtern. Wir bleiben so lange, bis wir
gewonnen haben. - So denkt auch die Bundesregierung.
Dieser Satz zeigt zweierlei. Erstens: die völlige Realitätsverweigerung vor dem Charakter des afghanischen
Widerstandes. Wie oft muss man noch sagen, dass die
Afghanen Fremdherrschaft schon immer abgelehnt haben und dass sie sie auch immer erfolgreich abgeschüttelt haben?
Zweitens macht der Satz deutlich, dass die westlichen
Politiker in den Kategorien Sieg und Niederlage denken
und damit der militärischen Logik folgen, anstatt sich
um politische Lösungen zu bemühen.
({1})
Deutlicher als der jüngst aus dem Amt geschiedene
ISAF-Oberbefehlshaber McNeill kann man es doch
nicht machen. Auf seiner letzten Pressekonferenz nannte
er die Zahl der Soldaten, die für eine militärische Aufstandsbekämpfung nötig seien: 400 000. Ähnliche Zahlen hört man auch von russischen Generälen, die ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben.
Das ist doch wohl ein indirektes Signal an die Politik,
und im Klartext heißt das: Lasst euch endlich etwas Intelligenteres einfallen, als hier noch 500 und dort noch
1 000 Soldaten in einen Krieg zu schicken, der nicht zu
gewinnen ist. Und was tut die deutsche Regierung? Genau dieses.
Und sie tut noch etwas: Sie stellt stets mit großem
Stolz die Erfolge in ihrem Verantwortungsbereich, dem
Regionalkommando Nord, heraus. Sie verschweigt jedoch, dass sie sich die relative Ruhe - im Vergleich mit
dem Süden und Osten des Landes - schlicht und einfach
erkauft. Unsere ISAF-Kommandeure haben sich mit
Warlords wie dem Gouverneur Ata in Masar-i-Scharif
arrangiert. Das pfeifen die Spatzen im Norden von den
Dächern, und das Motto lautet: Wir mischen uns nicht in
deine schmutzigen Geschäfte ein, du darfst deine Willkürherrschaft ausüben, Statthalter und Milizen einsetzen,
deine eigenen Steuern eintreiben. Dafür sorgst du dafür,
dass wir nicht allzu sehr belästigt werden.
Damit komme ich zu dem Nachwuchsjournalisten
und Studenten Pervez Kambakhsh. Dieser Fall bündelt
die tatsächliche Situation nach sieben Jahren vorgeblichen Aufbaus rechtsstaatlicher Strukturen wie in einem
Brennglas. Er steht zugleich als Beispiel für den Gesamtzustand des Landes, den die Bundesregierung mit
herbeigeführt hat.
Kambakhsh hat nichts anderes gemacht, als sein
Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit nach der afghanischen Verfassung in Anspruch zu nehmen. Das ist ihn
teuer zu stehen gekommen. Unter den Augen des deutschen Regionalkommandos in Masar-i-Scharif wurde er
im Machtbereich des Gouverneurs Ata verhaftet und
zum Tode verurteilt, weil er kritische Koraninterpretationen aus dem Internet mit seinen Kommilitonen diskutieren wollte. Nun wartet er seit Wochen in Haft auf die
Entscheidung des Appellationsgerichts in Kabul. Und
was tut die Bundesregierung? - Sie duckt sich weg und
opfert den jungen Mann auf dem Altar der NATO-Bündnissinteressen.
({2})
Ich nenne das feige und zynisch. Sie will die Fiktion aufrechterhalten, es gebe in Afghanistan eine unabhängige
und souveräne Regierung. Wir alle hier im Plenarsaal
wissen es besser, auch wenn es nicht alle zugeben.
Die 87 Prozent der Deutschen, die nach der jüngsten
Umfrage die Entsendung der Eingreiftruppe und die
Aufstockung des Bundeswehrkontingents ablehnen, wissen es auch. Ich hoffe deswegen sehr auf eine rege Beteiligung von Abgeordneten aus allen Fraktionen an den
Demonstrationen am 20. September in Stuttgart und
Berlin. Das Motto wird sein: Bundeswehr raus aus Afghanistan!
({3})
Damit können Sie zeigen, dass Sie den Willen der Bevölkerung endlich ernst nehmen.
({4})
Der nächste Redner ist der Kollege Eckart von
Klaeden, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsrats, der auf der Pariser Unterstützungskonferenz
für Afghanistan vorgelegt worden ist, zeigt meiner Ansicht nach ein realistisches Bild der Entwicklung in
Afghanistan. Licht und Schatten liegen eng beieinander.
Der Bericht gibt uns die Möglichkeit, unsere Politik neu
zu justieren und eine ehrliche Bestandsaufnahme zu machen. Sosehr wir uns davor hüten sollten, uns an den Erfolgen besoffen zu reden, so sehr sollten wir uns von den
Misserfolgen auch nicht entmutigen lassen.
Vielleicht liegt der schwierige Teil der Arbeit in Afghanistan noch vor uns, nämlich der, der mit dem Aufbau
der Staatlichkeit verbunden ist. Die Bestandsaufnahme
zeigt meiner Ansicht nach auch, dass Erfolg in Afghanistan möglich ist. Der Kollege Trittin hat eben einen
Angehörigen des Bundeswehr-Verbandes mit dem
Wunsch zitiert, für den zivilen Aufbau ähnlich detaillierte Mandate wie für den militärischen Einsatz haben
zu wollen. Man muss diesem Vertreter des BundeswehrVerbandes sagen, dass so etwas nicht möglich ist, weil
der Aufbau einer Zivilgesellschaft unglaublich viel
schwieriger ist als der Bau einer Kaserne. Gerade die
Tatsache, dass solche Beschreibungen des zivilen Teils
unseres Mandats nicht möglich sind, entspricht auf einem höheren Niveau dem altbekannten Argument, dass
sich die Lage in Afghanistan nicht allein militärisch verbessern lässt.
Wir sind jetzt an dem Punkt angelangt, wo wir die
Balance zwischen Fördern und Fordern finden müssen.
Einerseits dürfen wir die afghanische Regierung mit
dem, was wir von ihr verlangen, nicht überfordern, andererseits müssen wir unsere Förderung so justieren, dass
sie nicht zu weiterer Abhängigkeit, sondern schrittweise
zu immer mehr Unabhängigkeit, also zu der berühmten
Hilfe zur Selbsthilfe, führt. Dabei müssen wir uns selber
zugestehen, dass es nicht nur in Afghanistan, sondern
auch auf unserer Seite Defizite gibt. Für diese Defizite
kann man aber keine bestimmten Verantwortlichen benennen. Wir lernen erst nach und nach, mit der Herausforderung, mit der wir in Afghanistan konfrontiert sind
- mit der Aufgabe, einen Staat aufzubauen -, umzugehen. Diese Herausforderung begegnet uns in verschiedenen Einsätzen, bei verschiedenen Aufgaben: im Kosovo,
in Bosnien-Herzegowina, in Palästina und jetzt eben
auch in Afghanistan. Es ist aber schon ein großer Erfolg,
dass wir heute wesentlich genauer wissen, was in Afghanistan zu tun ist. Das begründet die Hoffnung, dass Erfolg tatsächlich möglich ist.
Was brauchen wir dafür? Wir brauchen Sicherheit,
den politischen Willen und die Führungskompetenz der
afghanischen Regierung, die Schaffung der nötigen institutionellen Voraussetzungen, eine bessere Koordinierung
zwischen den afghanischen und den ausländischen Akteuren, angemessene Kapazitäten sowie einen kalkulierbaren finanziellen Mittelzufluss. Wenn wir die Geschehnisse der letzten Monate verfolgen, so müssen wir
feststellen, dass die Entwicklung in Afghanistan auf der
Kippe steht. Von Kollegen ist die Verschlechterung der
Sicherheitslage schon angesprochen worden. Allein während der Pariser Konferenz ist es zu 187 von ISAF registrierten Sicherheitsvorfällen gekommen, 114 davon
waren Schusswechsel, 35 Sprengstoffanschläge, es gab
35-mal indirekten Beschuss durch Mörser und Raketen
sowie drei sonstige Vorfälle.
Die Taliban stellen zudem ihre Strategie um. Wir
haben drei spektakuläre Anschläge beobachten müssen:
einen auf das „Serena“-Hotel, den zweiten auf die Truppenparade in Kabul und den dritten auf das Gefängnis in
Kandahar. Das zeigt uns, dass wir insbesondere bei dem
Aufbau der afghanischen Sicherheitseinrichtungen, also
der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei,
unsere Bemühungen verstärken müssen. Deshalb ist es
ausdrücklich zu begrüßen, dass es jetzt zu der von
Deutschland und dem Auswärtigen Amt forcierten und
in der EU beschlossenen Verdoppelung des EUPOL-Einsatzes in Afghanistan kommt. Defizite liegen eben auf
beiden Seiten: mangelnde Erfahrung und andere besondere Schwierigkeiten auf der afghanischen Seite und
zum Teil zu geringer Mitteleinsatz auf unserer Seite.
Dass aber ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
der Sicherheit in Afghanistan und der Entwicklung des
Landes besteht, kann man in großer Deutlichkeit an der
Entwicklung der Drogenökonomie im Land erkennen.
Denn dort, wo die Sicherheitslage durch den Einsatz von
ISAF und OEF sowie durch den nachfolgenden Einsatz
von afghanischer Polizei und afghanischer Armee verbessert worden ist, ist der Drogenanbau nachhaltig zurückgegangen. Er konzentriert sich zunehmend auf die
Provinzen, in denen die Sicherheitslage besonders
schlecht ist. Allein diese Entwicklung straft die Linkspartei Lügen. Wir können feststellen, dass sich die Zahl
der drogenfreien Provinzen von sechs auf 13 mehr als
verdoppelt hat.
({0})
Das heißt, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang
zwischen der Sicherheit auf der einen und der Entwicklung des Landes auf der anderen Seite.
({1})
Wir müssen also den eingeschlagenen Weg fortsetzen.
Aber wir müssen auch die Monate nach der Sommerpause nutzen, um aus der Pariser Konferenz und den angesprochenen Berichten die notwendigen Konsequenzen
zu ziehen. Es ist bei Weitem nicht zu spät, aber auch
hohe Zeit.
({2})
Ich gebe das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Karin Kortmann.
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister!
Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister! Liebe EntParl. Staatssekretärin Karin Kortmann
wicklungsministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Was bleibt am Ende einer Debatte zu sagen, wenn man
die vorletzte Rednerin ist und der Kopf schon voller
Zahlen, Fakten, Anschuldigungen und Belobigungen ist?
Es bleibt eine klare Perspektive: Wir alle wollen, dass
der Aufbau in Afghanistan weiterhin erfolgreich vonstatten geht. Unsere Arbeit in den letzten sechseinhalb
Jahren ist erfolgversprechend. Rückschläge gibt es zwar
immer, aber wir alle sind von dem Willen geprägt - das
wurde auf der Pariser Konferenz deutlich -, den Afghanen und Afghaninnen zur Seite zu stehen. Ohne sie wird
es keinen Frieden, von dem wir alle profitieren, geben.
Insofern, Herr Außenminister, kommt diese Regierungserklärung zur richtigen Zeit. Ich hätte sie mir allerdings schon letzte Woche gewünscht. Sie zeigt, welchen
großen Erfolg die Bundesregierung beim Wiederaufbau
Afghanistans verzeichnen kann. Herzlichen Dank dafür.
({0})
Wir halten im Parlament keine Reden für uns, sondern wir richten sie an diejenigen, die wir von unserer
Arbeit in Afghanistan überzeugen wollen. Da jetzt neue
Besuchergruppen auf der Tribüne Platz nehmen, möchte
ich gerne drei Beispiele nennen, die verdeutlichen, was
wir in Afghanistan auf dem Gebiet des zivilen Aufbaus
tun.
Als ich vor einigen Jahren das erste Mal in Afghanistan war, habe ich eine Schule besucht. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zeichnet sich besonders
durch ihr Know-how auf dem Gebiet der Schulprojekte
aus. Unser Schwerpunkt liegt dementsprechend auf dem
Aufbau eines Schulwesens. Bei den Schulen handelt es
sich nicht immer um Gebäude aus Stein und Holz.
Manchmal sind sie auch aus Lehm gebaut, und manchmal findet der Unterricht sogar in Zelten statt.
Es ist wichtig, dass wir immer mehr Kinder und Jugendliche erreichen, die aus dem Analphabetentum der
Talibanherrschaft heraus wollen und die einen großen
Bildungshunger haben. Bereits heute hat jedes fünfte
schulpflichtige Kind die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Als ich das erste Mal eine solche Schule besuchte, traf
ich auf fünf Lehrerinnen, die - mit einer Burka verhüllt zusammen mit dem Schulleiter dort saßen und uns das
Schulkonzept vorstellen wollten. Als sie auf unsere Bitte
hin die Burka gelüftet haben, sahen wir, dass es sich bei
diesen Lehrerinnen um Mädchen und junge Frauen im
Alter von 14, 16 und 17 Jahren handelte. Sie sind es, die
sich für das Bildungssystem in Afghanistan engagieren.
Diese Mädchen wurden entweder von ihren Vätern
abends zu Hause unterrichtet - unter der Talibanherrschaft war es ihnen nämlich nicht möglich, zur Schule zu
gehen - oder sie hatten während ihres Exils im Iran die
Möglichkeit, eine Schulausbildung zu absolvieren. Diese
jungen Frauen - wir bilden weitere junge Frauen für
diese Aufgabe aus - versuchen heute, in Klassen von 50,
70 oder manchmal sogar 100 Schülern Bildung zu vermitteln. Wir sind dabei eine der führenden Nationen, die
führende Nation weltweit. Wir sind für den Aufbau von
Schulen, die Gestaltung von Entwicklungsprogrammen,
die Curricula-Entwicklung und auch für Lehrerinnenund Lehrergehälter zuständig. Bildungsminister Atmar
sagte uns am Montag und Dienstag letzter Woche bei
den Regierungsverhandlungen, wie wichtig es ist, dass
Deutschland so frühzeitig in diesen Bereich eingestiegen
ist und heute ein Programm umsetzt, das sich weltweit
sehen lassen kann. Dazu sage ich, Herr Lafontaine: Die
Art und Weise, wie wir den zivilen Aufbau begehen,
sollten Sie beklatschen.
({1})
Ein zweites Beispiel. Christel Hanewinckel hat davon
gesprochen, wie wichtig es ist, die Frauenförderung zu
unterstützen. Eines der hervorragendsten Projekte, die
wir ganz früh in der Entwicklungszusammenarbeit begonnen haben, war der Aufbau eines Frauensenders namens Radio Zora. Radio Zora hat den Frauen, die unter
der Burka verhüllt waren, wieder eine Stimme gegeben,
hat ihnen die Möglichkeit gegeben, über den Äther mitzuteilen, was ihnen inhaltlich wichtig ist, mit welchen
Sorgen und Problemen Frauen in Afghanistan zu tun haben - von Kindererziehung, Einkaufsmöglichkeiten,
Problemen mit dem Mann bis hin dazu, dass man sich
einfach etwas vorgelesen hat, weil viele Frauen nicht
lesen können. Damit will man Frauen wieder eine
Stimme geben, ihnen ihre Rechte zurückgeben, ihnen
das Empowerment geben, dass sie vollständige Mitglieder der Gesellschaft sind; das hat Christel Hanewinckel
eben eindrucksvoll beschrieben. Dieses Projekt zeigt
auch, dass wir mit diesen Dingen zur Unterstützung beitragen können.
Ein drittes Beispiel ist die Wasserversorgung. Kabul
ist eine Stadt, die ursprünglich für 500 000 Einwohner
konzipiert worden ist und heute 3,5 Millionen bis
4 Millionen Einwohner hat; keiner weiß es genau, weil
die Menschen dorthin strömen, wo sie glauben, am ehesten Hilfe zu bekommen, nämlich in den Städten. Dort
sind wir in der Wasserversorgung tätig. Dies ist schwer;
es ist nicht einfach. Wir haben Mittel bereitgestellt, damit 850 000 Menschen wieder sauberes Wasser bekommen. Wir unterstützen sie darin, dass sie nicht an Flussläufen ihre Tiere tränken, die Wäsche waschen und
Wasser entsorgen, wodurch Keime übertragen und Gesundheitsrisiken hervorgerufen werden.
Das sind drei Beispiele; ich könnte viele mehr nennen. Deswegen ist es falsch, zu sagen: Das Glas ist halb
leer. Es ist vielmehr halb voll. Nach sechseinhalb Jahren
können wir eine gute Bilanz ziehen.
Ich war vor drei Wochen bei der Parlamentarischen
Versammlung der Westeuropäischen Union und habe das
Afghanistan-Konzept der Bundesregierung vorgestellt.
Man hat uns dafür gratuliert, dass Deutschland den Ansatz hat, den Aufbau mit vier Ressorts zu gestalten - mit
einem gemeinsamen Ziel, aber in getrennter Verantwortung. Dies funktioniert, und es ist eben nicht so, Herr
Königshaus und Herr Schockenhoff, dass sich die Ministerien gegenseitig behindern. Im Gegenteil, sie stimmen
ihre Hilfeleistungen aufeinander ab und zeigen damit
eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die viel Aufmerksamkeit und Lob verdient.
({2})
Nach den Regierungsverhandlungen auf der ParisKonferenz sagten Finanzminister Ahady und Erziehungsminister Atmar: Würden alle Staaten so aufgestellt
sein wie der deutsche, dann wären wir längst viele
Schritte weiter. - Wir befinden uns in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Deswegen war die ParisKonferenz so wichtig. Sie war erfolgreich. Danke, Herr
Minister! Das haben Sie klasse gemacht.
({3})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Steinbach,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen im siebten Jahr des Wiederaufbaus
von Afghanistan. Die internationale Gemeinschaft hat
seinerzeit in Afghanistan eingegriffen, um die Gewaltherrschaft der Taliban zu beenden; wir alle erinnern uns
daran. Jahrzehnte des Krieges hatten in Afghanistan zu
unvorstellbaren Zerstörungen nicht nur an Sachen, sondern auch an den Seelen der Menschen geführt. Das
Land war zerrüttet, ein ganzes Volk wirklich traumatisiert. Es gab keine wirkliche Zentralgewalt mehr. Gesetze
waren absolut bedeutungslos. Zahlreiche bewaffnete
Gruppen und Splittergruppen kämpften gegeneinander.
In der alltäglichen Gewalt in Afghanistan wurden mehr
als 400 000 Kinder getötet. Mehr als 5 Millionen Menschen - das ist ein Drittel der Bevölkerung - lebten in
riesigen Flüchtlingslagern in Pakistan und im Iran; das
muss man sich noch einmal vor Augen führen. Mit dem
Erfolg der Mudschaheddin eskalierte die Menschenrechtskrise ein weiteres Mal. Folter und Vergewaltigungen waren nun an der Tagesordnung.
Der Staatengemeinschaft geht es darum, den Menschen in Afghanistan so lange zu helfen, bis sie das Land
nach ihren eigenen Maßstäben friedlich weiterentwickeln können und die Fähigkeiten dazu im Lande entwickelt haben. Der Staatengemeinschaft und natürlich auch
uns in Deutschland geht es nicht zuletzt darum, eine
Brutstätte des Terrorismus, von der auch unser Land bedroht ist, dauerhaft auszuschalten.
Inwieweit war das internationale Engagement erfolgreich? Die heutigen Debattenbeiträge haben gezeigt,
dass wir alle uns das fragen. Bei der Betrachtung der Realität gibt es nichts zu beschönigen; dieser Auffassung
bin auch ich. Die Gesellschaft für bedrohte Völker
mahnt dieser Tage an, dass Menschenrechte und Wiederaufbau in Afghanistan noch immer in Gefahr sind. Die
deutschen Aufbauhelfer stehen vor ungeheuren Herausforderungen und Problemen. Die neu aufgestellte afghanische Armee und die neu aufgestellte afghanische Polizei können derzeit noch keine eigenständige, zusätzliche
Sicherheit bieten. Das ist so; wir wissen das. Die Milizen
örtlicher Machthaber sind noch nicht alle entwaffnet und
aufgelöst. Kaum gehindert terrorisieren Kriegsfürsten
die Zivilbevölkerung; auch das ist uns bekannt. Sie entführen Frauen und Mädchen. Und in Teilen der Justiz
bestimmt immer noch Willkür das Handeln.
Es gibt aber auch Positives, das zur Realität gehört.
Neben diesen Defiziten gibt es deutlich erkennbare Erfolge, die wir nicht einfach vergessen dürfen: Anders als
vor 2001 gibt es keine systematischen Menschenrechtsverletzungen durch afghanische Behörden mehr. Das bestätigen uns durch die Bank die internationalen Menschenrechtsorganisationen. Auf der Habenseite ist zu
verbuchen: Demokratisch legitimierte staatliche Strukturen konnten inzwischen aufgebaut werden, was ein mühsamer Prozess war; Schulen wurden errichtet - darauf ist
schon hingewiesen worden -; Millionen von Kindern gehen heute wieder in die Schule, und zwar auch Mädchen,
für die das zuvor absolut undenkbar war; in den Art. 6
und 7 der afghanischen Verfassung von 2004 sind der
Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde
fest verankert; die afghanischen Gesetze verbieten Menschenrechtsverletzungen, und die Pressefreiheit ist ebenfalls in die afghanische Verfassung eingegangen.
Der wichtigste Indikator für den Fortschritt ist für
mich aber die Tatsache, dass über 5 Millionen afghanische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgekehrt sind,
1 Million allein aus Deutschland, wo sie Zuflucht gesucht hatten. Für mich gibt es keinen besseren Beleg für
das Vorhandensein von Hoffnung als die Zahl der Rückkehrwilligen und der Zurückgekehrten.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker mahnt gerade
deshalb völlig zu Recht die Umsetzung des AfghanistanPaktes an. Sie sagt, für die internationale Gemeinschaft
gebe es keine vernünftige Alternative. Das ist richtig;
denn ein Rückzug von Truppen oder eine schrittweise
Verringerung der Aufbauhilfe hätte am Ende nur Chaos
und weitere schwere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan zur Folge.
Sie wissen es und ich weiß es auch, dass es vielen
Menschen in diesem Land am liebsten wäre, wenn
Deutschland sein Engagement in Afghanistan einstellen
würde, und zwar lieber heute als morgen. Das wäre aber
sowohl aufgrund der Menschenrechtssituation in Afghanistan als auch aus innenpolitischen Gründen ein kardinaler Fehler, einerseits weil eine neue Flüchtlingswelle
auch Deutschland erreichen würde und andererseits weil
- darüber muss sich jeder im Klaren sein - die Terrorbedrohung in Deutschland und anderen Ländern dann wieder erheblich steigen würde.
Unser gemeinsames Ziel muss sein, die Sicherheit zu
stabilisieren und die Einhaltung der Menschenrechte zu
gewährleisten. Das kann aber nur gelingen, wenn wir in
unseren Bemühungen jetzt nicht nachlassen. Wir dürfen
im wahrsten Sinne des Wortes die Flinte nicht einfach
ins Korn werfen. Die Ergebnisse der Pariser Afghanistan-Konferenz sind ein Schritt in die richtige Richtung.
Danke schön.
({0})
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Detlef Dzembritzki, SPD-Fraktion.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, heute war
für die Diskussion über Afghanistan ein guter Tag im
Parlament. Denn zum ersten Mal haben wir ausführlich
und unabhängig von den Mandaten, die wir hier zu erteilen haben, über die Politik der Bundesregierung, des Parlaments und der internationalen Gemeinschaft gesprochen. Das ist an sich schon ein Wert. Denn wir sollten
keine Angst vor Informationen haben, sondern alle Informationen, die uns zur Verfügung stehen, in die
Öffentlichkeit tragen. Gerade ein Parlament ist dazu bestens geeignet. Unsere kanadischen Kolleginnen und Kollegen haben das mit dem Manley-Bericht und mit der offensiven Diskussion in der Öffentlichkeit gezeigt. Statt
einer Minderheit stimmt nun eine Mehrheit der Afghanistan-Politik der kanadischen Regierung zu. Die Regierung hat die Unterstützung der Bevölkerung. Deswegen
sollten wir uns nicht scheuen, die Öffentlichkeit auch
über Kritisches und über Probleme zu informieren. Denn
wir sind doch nicht dort, weil es einfach ist, sondern wir
sind dort, weil wir gebraucht werden.
({0})
Deswegen finde ich diese Diskussion wichtig.
Nun haben wir im Parlament erlebt - es war nicht
überraschend -, dass sich die Kollegen, die bei Herrn
Lafontaine geklatscht haben, in gewisser Weise der Realität verweigern. Sie wollen nicht akzeptieren, welche
Probleme dort tatsächlich zu lösen sind. Als der Vorschlag gemacht wurde, Oskar Lafontaine möge doch
einmal nach Afghanistan reisen, dachte ich: Einer der
großen Erfolge und der wesentliche Unterschied zum
Irak ist, dass Sie mit Linienmaschinen nach Kabul fliegen können. Sie können ins Reisebüro gehen und einen
Flug buchen. In der Regel fliegt man über Dubai oder
Delhi. Das läuft alles nach Fahrplan; das können Sie machen. Sie können auch innerhalb Afghanistans zum Beispiel von Kabul nach Herat fliegen. Das alles geht mit
Maschinen, die nicht auf der schwarzen Liste stehen,
sondern seriös sind.
({1})
Machen Sie das doch einmal! Dann werden Sie erleben,
dass dieses Land dabei ist, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft Schwierigkeiten in den Griff
zu bekommen.
Nun ist der Kollege Trittin nicht mehr anwesend. Als
er - sicherlich aufgrund der Oppositionsverpflichtung
oder des Oppositionsrituals - meinte, den Außenminister
kritisieren zu müssen, fiel mir ein ehemaliger Kollege
ein, der mir immer, wenn ich versuchte, Gutmensch zu
sein, ironisch sagte: Tu nichts Gutes, dann widerfährt dir
nichts Böses. - Der Außenminister hat sich nun für eine
internationale Konferenz, für eine Bestandsaufnahme,
die im Wesentlichen unseren Vorstellungen entsprach,
eingesetzt. Frau Kollegin Koczy, wir hatten dank Ihrer
Initiative vor der Konferenz in Paris die Möglichkeit,
uns zu positionieren und unsere Bedenken, aber auch unsere Erwartungen zu formulieren.
Ich kann feststellen, dass zum Beispiel der Bericht
des Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsrates quasi Bestandteil der Erklärung der internationalen
Konferenz zur Unterstützung Afghanistans geworden
ist, veröffentlicht im Namen der drei Kovorsitzenden,
Präsident Sarkozy, Präsident Karzai und Generalsekretär
Ban Ki-moon. Darin wird festgehalten, dass gerade im
Bereich der Gesundheitsversorgung, der Bildung und der
Infrastruktur Erfolge zu sehen sind. Aber er zeigt auch,
dass wir immer noch gewaltige Herausforderungen zu
meistern haben, insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Rechtsdurchsetzung, Effizienz des
Regierungshandelns, Entwicklung, Wachstum des Privatsektors sowie persönliche Sicherheit aller Bürger
Afghanistans. Wir stimmen diesen überzeugenden
Schlussfolgerungen zu.
Ich finde, dass es ein beachtliches Ergebnis war, die
afghanische Regierung, aber auch die internationale Gemeinschaft weiterhin zu verpflichten, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Ich halte es allerdings für
notwendig, auch diese Konferenz als Prozess zu sehen,
als einen Schritt von mehreren Schritten. Nun müssen
wir schauen, wie die Koordination und Kooperation im
internationalen Bereich mit der afghanischen Regierung
weiterhin zu verbessern ist, wie Parallelstrukturen abzubauen sind, wie Kohärenz herzustellen ist und wie mit
einer vernünftigen Ressourcenplanung umgegangen
werden kann und muss. Auch die Diskussion über die in
Afghanistan eingesetzten 5 000 Soldaten und 400 Polizisten könnten wir in einem völlig anderen Licht führen,
wenn wir wüssten, welcher Personalbestand und welche
materiellen Ressourcen tatsächlich notwendig sind, damit in Afghanistan 80 000 Armeeangehörige voll einsatzfähig sind.
Wir wollen nicht nur wissen, was zu tun ist, damit
dort 140 000 Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen, die einen ausreichenden Ausbildungsstand haben,
um Schreiben und Lesen zu vermitteln, sondern wir wollen auch, dass dies auf der Grundlage eines noch zu
schaffenden Bildungssystems geschieht. Wir müssen uns
vornehmen, hier weiterhin für Kontinuität zu sorgen und
immer wieder zu evaluieren, was tatsächlich geschehen
ist.
Auch die heutige Diskussion hat gezeigt: Wir müssen
sicherstellen, dass die Hilfe in allen Regionen Afghanistans ankommt. Im Augenblick ist die Situation wie folgt:
In den Regionen, in denen PRTs sind, ist das Engagement besonders groß; die PRTs mancher Länder können
zusätzlich sogar noch zivile Hilfe leisten. Dort, wo dies
nicht so ist, werden allerdings schon wieder Reduktionen vorgenommen.
Wenn man sich die Landkarte Afghanistans ansieht,
stellt man fest, dass es auch Regionen gibt, in denen
überhaupt nichts getan wird. Hier muss die internationale Gemeinschaft aktiv werden, vielleicht auch im Rahmen des nationalen Aufbau- und Entwicklungsplans. Jeder Mann und jede Frau in Afghanistan muss spüren,
dass etwas unternommen wird und dass sich die Situation bessert.
({2})
Auch die regionale Zusammenarbeit spielt eine Rolle.
Insbesondere nach den Wahlen in Pakistan sollte man
gemeinsam mit den neuen Verantwortungsträgern, zum
Beispiel in Peschawar, überlegen, wie man abgesehen
vom militärischen Engagement, mehr Hilfe und mehr
Zusammenarbeit in dieser Region ermöglichen kann. Ich
glaube, das sind große Chancen, die wir nutzen müssen.
Denn ohne eine vernünftige regionale Zusammenarbeit
- im Zweifel muss man auch versuchen, in dieser Region mit traditionellen Strukturen für Versöhnung und
Verständigung zu sorgen - wird man die friedliche Entwicklung Afghanistans nicht sicherstellen können.
({3})
Man muss zur Kenntnis nehmen, dass beide Aspekte
voneinander abhängig sind.
Ich finde es gut, dass wir heute über dieses Thema
diskutieren. Unabhängig von den Mandaten sollten wir
in Zukunft, auch zur Information der Öffentlichkeit, regelmäßig im Parlament über die Fortschritte und die Erfolge in Afghanistan diskutieren.
Vielen Dank.
({4})
Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/9692. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Zusatzpunkt 2.
Hier geht es um die Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
mit dem Titel „Entwicklung in Afghanistan - Strategien
für eine wirkungsvolle Aufbauarbeit kohärent umsetzen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9685, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8887
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Diese Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen.
Beim Zusatzpunkt 3 geht es um die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Staatsaufbau
in Afghanistan - Pariser Konferenz zur kritischen Überprüfung und Kurskorrektur des Afghanistan Compacts
nutzen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9711, den Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9428
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit
angenommen.
Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 3:
Fragestunde
- Drucksachen 16/9683, 16/9740 Hierzu mache ich Ihnen folgenden Verfahrensvorschlag: Die Zeitplanung für den heutigen Nachmittag ist
aus bekannten Gründen hinreichend gründlich explodiert. Mit Rücksicht auf anderweitige Verpflichtungen
und Termine im weiteren Verlauf des Tages scheint es
mir zweckmäßig, aber auch auskömmlich, wenn wir die
Dauer der Fragestunde auf eine Stunde begrenzen.
({0})
Im Übrigen bin ich angesichts der Zahl der Fragen, die
schon jetzt freiwillig zur schriftlichen Beantwortung angemeldet sind, sogar zuversichtlich, dass wir mit dieser
Zeit auskommen werden und dennoch all denjenigen,
die hier sind, Gelegenheit geben können, ihre Fragen zu
stellen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich stelle dazu
einen breiten Konsens im Hause fest. Dann ist das so beschlossen.
Zu Beginn der Fragestunde kommen wir zu den
dringlichen Fragen auf Drucksache 16/9740. Sie betreffen den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur
Beantwortung steht Staatsminister Günter Gloser zur
Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Kerstin
Müller auf:
Wie stellt sich in Simbabwe die Sicherheitslage für den
Oppositionsführer Morgan Tsvangirai dar, der aus Angst vor
gewaltsamen Übergriffen in die niederländische Botschaft in
Harare geflohen ist?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Müller, in Abänderung der ursprünglich vorbereiteten Antwort kann ich
sagen, dass ich eben in den Tickermeldungen gelesen
habe, dass Herr Tsvangirai die niederländische Botschaft
in Harare verlassen hat
({0})
- so lauten die Presseinformationen - und angekündigt
hat, eine Presseerklärung über das weitere Vorgehen abzugeben. Der Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier, hat an die Machthaber in
Harare appelliert, von Gewalt und Einschüchterung als
Mitteln der Politik abzulassen und Rahmenbedingungen
zu schaffen, unter denen die Menschenrechte geachtet
werden und eine wirtschaftliche Entwicklung möglich
wird.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Müller.
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung für den
Fall, dass Mugabe am ursprünglichen Wahltermin, dem
kommenden Freitag, sich auch ohne Stichwahl zum Sieger erklären wird, die Regierung Mugabe nicht anerkennen, wie es auch die USA heute angekündigt haben?
Wir haben schon im Vorfeld gesagt, dass die angesetzte Stichwahl eine Farce ist. Nachdem Herr Mugabe
sich bis jetzt nicht bewegt hat und auf kritische Stimmen
nicht eingegangen ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass
seine Regierung anerkannt werden könnte.
Werden Sie mit dieser Position im Vorfeld der Wahl
auf die europäischen Partner zugehen? Es könnte ja ein
Signal an Mugabe sein, wenn im Vorfeld klargemacht
wird, dass wir seine Regierung in diesem Fall nicht anerkennen werden.
Wir führen zurzeit Gespräche auf der europäischen
Ebene, mit welchen Maßnahmen die Europäische Union
den Vorgängen in Simbabwe begegnen kann. Ich denke,
diese Position wird eine Grundlage dafür sein.
Ich rufe die dringliche Frage 2 der Kollegin Müller
auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dem
jüngsten VN-Sicherheitsratsbeschluss zu Simbabwe, und
sieht sie kurzfristig weitere Lösungsansätze zur Deeskalation
in Simbabwe?
Die Bundesregierung begrüßt die Präsidenzielle Erklärung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom
23. Juni 2008, in der die Gewalt in Simbabwe verurteilt
wird. Nicht zuletzt die Zustimmung Südafrikas zu dieser
Erklärung zeigt einen Stimmungswandel innerhalb der
afrikanischen Staaten.
Die zur zweiten Runde der Stichwahl am 27. Juni
2008 bereits angereisten Wahlbeobachter der Afrikanischen Union und der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft, SADC, haben sich selbst ein Bild von der
Lage im Lande machen können. Sie haben die Gewalt
gegenüber Anhängern der Opposition, aber auch gegenüber einfachen Bürgern kritisiert. Das sehen wir insgesamt positiv. Wir haben den Eindruck, dass sich Europa
und die USA sowie die Afrikanische Union und die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft in der Simbabwe-Frage auf eine gemeinsame Position zubewegen.
Deeskalation bleibt nur dann möglich, wenn man im
Gespräch bleibt. Die Bundesregierung unterstützt daher
die Ansätze in der Region, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, wie es auch der Präsident Südafrikas, Mbeki, vorgeschlagen hat. Tsvangirai hat die
Bildung einer Regierung der nationalen Einheit nicht
von vornherein ausgeschlossen. Tsvangirai hat, wie eben
schon erwähnt, unter den gegenwärtigen Umständen
seine Kandidatur bei der Wahl am 27. Juni 2008 zurückgezogen.
Die aktuellen Äußerungen Mugabes zeigen, dass
Mugabe an der Stichwahl - wenn man das überhaupt so
nennen kann - mit ihm als einzigem Kandidaten festhält.
Eine solche „Stichwahl“ zum jetzigen Zeitpunkt entspricht aus Sicht der Bundesregierung in keiner Hinsicht
demokratischen Prinzipien; sie ist - ich habe es vorhin
schon erwähnt - eine Farce. Die Bundesregierung fordert einen demokratisch legitimierten Politikwechsel.
Dazu sind Wahlen erforderlich, die unter freien und fairen Rahmenbedingungen stattfinden. Eine Verschiebung
der Wahlen ist daher unabdingbar. Eine Regierung der
nationalen Einheit ohne Mugabe wäre wünschenswert.
Ihre vorrangige Aufgabe wäre dann allerdings die Vorbereitung fairer Wahlen.
Bitte schön, Frau Kollegin Müller.
Herr Staatsminister, diese Resolution des UN-Sicherheitsrates enthält weder Vorschläge für Maßnahmen
noch irgendeine Verurteilung Mugabes. Ich kann deshalb
überhaupt nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung hier von einem Sinneswandel der afrikanischen
Partner ausgeht.
Wie gedenkt die Bundesregierung Druck auf den südafrikanischen Präsidenten Mbeki und die Staatschefs der
SADC auszuüben - beispielsweise bei dem anstehenden
G-8-Gipfel in Japan? Die Bundeskanzlerin hat immer
wieder betont, dass Afrika auch dort ein Kernthema ist.
Noch einmal: Wir haben festzustellen, dass sich eine
gewisse Bewegung ergeben hat. Auch die von uns sicherlich nicht befürwortete Vorgehensweise des südafrikanischen Präsidenten hat das in den letzten Tagen gezeigt. Andere haben sich ebenfalls bewegt, und es finden
weiterhin Gespräche statt.
Wir werden auf allen diplomatischen Kanälen versuchen, darauf einzuwirken, dass entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie ich das vorhin
ausgeführt habe. Auch der G-8-Gipfel könnte möglicherweise eine Gelegenheit dafür bieten.
Ich habe eine zweite Zusatzfrage. - Noch einmal:
Mein Eindruck ist ganz klar, dass vor allen Dingen
Mbeki in Südafrika mit Samthandschuhen angepackt
wird. Das gilt auch für die SADC, die sogar noch finanziell unterstützt wird.
Kerstin Müller ({0})
Nach den Einschätzungen von Experten, die heute
von Mitgliedern Ihrer Fraktion im Ausschuss geäußert
worden sind, könnte man Mugabe durch Sanktionen der
umliegenden Länder innerhalb weniger Wochen - ein
bis zwei Wochen - zu einer Umkehr zwingen. Wann ändern die Bundesregierung und die EU endlich ihre Haltung, indem sie einen entsprechenden Druck auch auf
die Nachbarstaaten ausüben?
Frau Müller, ich darf noch einmal sagen, dass wir eine
Bewegung haben feststellen können, auch bei dem südafrikanischen Präsidenten. Sie reicht aber nicht aus. Gerade auf der europäischen Ebene sind wir mit den Partnern in der Europäischen Union dabei, zu überlegen,
welche Möglichkeiten es gibt, auf die Regierung in Simbabwe einzuwirken.
Es ist notwendig, dass zuerst aus Afrika bzw. aus der
Region selbst heraus Druck auf Herrn Mugabe herbeigeführt wird. Vielleicht ist es möglich, dass wir uns diesbezüglich in dieser Woche in Brüssel verständigen können.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich bedanke
mich für die Beantwortung.
Wir kommen jetzt zu den übrigen Fragen für die heutige Fragestunde, die in der Ihnen bekannt gemachten
Reihenfolge aufgerufen werden.
Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz. Hier ist der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach zur Beantwortung erschienen.
Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Hofreiter können
wir in Ermangelung seiner Anwesenheit - ({0})
- Entschuldigung. Ich bitte um Nachsicht.
({1})
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Hofreiter auf:
Bei welchen Sachfragen besteht bei der Erarbeitung des
Gesetzentwurfs in Sachen Fahrgastrechte unter den beteiligten Bundesministerien noch kein Einvernehmen, und wann
kann mit der Vorlage eines Referentenentwurfs gerechnet
werden?
Herr Hofreiter, meine Antwort lautet: Inzwischen besteht unter den beteiligten Ministerien Einvernehmen
über die grundsätzliche Ausgestaltung des Fahrgastrechtegesetzes. Der Referentenentwurf wird noch im Juni
2008, also in dieser Woche, an die Ressorts und sodann
an die beteiligten Kreise versandt werden. Er geht dann
selbstverständlich auch den im Bundestag vertretenen
Fraktionen zu.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hofreiter.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich danke auch für die
nette Ansage am Anfang. Mir ist im politischen Bereich
schon vieles vorgeworfen worden, aber Unauffälligkeit
eigentlich noch nie. Das freut mich also.
Sie sehen, dass man in seiner politischen Biografie
immer wieder mit Überraschungen rechnen muss.
({0})
Wie gesagt: Es freut mich, dass immer wieder etwas
Neues dabei ist.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mich freut auch
Ihre Nachricht. Angesichts der Tatsache, dass es jetzt
eine Einigung gibt, würde mich einfach interessieren,
wie die Einigung ausschaut. Wären Sie in der Lage, kurz
die wichtigsten Punkte darzustellen?
Herr Hofreiter, ich kann Ihnen dazu Folgendes sagen:
Es gibt gewisse Gepflogenheiten. Dazu gehört, dass die
beteiligten Ressorts als Erste Informationen bekommen.
Dafür bitte ich um Verständnis. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass sich der Referentenentwurf sehr eng an die
europäische Verordnung für Fahrgastrechte, die Sie sicherlich kennen, anlehnt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Hofreiter.
Dann ist es umso spannender, festzustellen, dass manches - zum Beispiel, dass man sich auf eine Stunde statt
einer halben Stunde geeinigt hat - schon in der Zeitung
zu lesen war. Wenn das schon Vertreter der Regierungsfraktionen via Pressemitteilungen an die Zeitungen weitergeben konnten und diese Pressemitteilungen auch auf
der Homepage von Regierungsfraktionen zu finden sind,
dann sind Sie sicherlich in der Lage, das hier zu referieren. Wenn man es an die Regierungsfraktionen weitergeben konnte oder wenn in Ihrem Ministerium nicht dichtgehalten wird, dann können Sie es auch dem Hohen
Hause zur Kenntnis geben.
Würden Sie das als Frage ansehen, Herr Präsident?
Ja.
({0})
Herr Hofreiter, wie vorsichtig man mit Pressemeldungen sein muss, sehen Sie an der gestrigen Meldung, als
die gesamte Presse meinte, Beck habe in der SPD-Fraktionssitzung seinen Rücktritt angekündigt. Ich war in der
betreffenden Sitzung anwesend, ebenso wie Herr Krüger
und Frau Gleicke.
({0})
- Das war nicht so. Insofern muss man mit solchen Mitteilungen sehr vorsichtig umgehen. Entweder hat der Informant nicht richtig zugehört, oder der Redakteur hat
möglicherweise nicht richtig recherchiert.
Ich kann als Mitglied der Bundesregierung keine Garantie dafür übernehmen, was meine Kolleginnen und
Kollegen aus der Regierungskoalition nach außen mitteilen. Daraus, dass der Referentenentwurf - wie ich eben
ausgeführt habe - sehr eng an die europäische Verordnung für Fahrgastrechte angelehnt ist, können Sie aber
schließen, um welche Zeiten es geht, nämlich bis 60 Minuten und über 60 Minuten. Jetzt sind Sie sicherlich sehr
zufrieden.
Jedenfalls werden Sie, Herr Kollege Hartenbach, sicherlich sehr zufrieden sein, wenn ich Ihnen ausdrücklich versichere, dass ich Ihre Stellungnahme nun auch
als Antwort auf die gestellte Frage im Sinne der Geschäftsordnung betrachte.
Ich bedanke mich sehr herzlich, Herr Präsident.
Die Kollegin Maisch wollte dazu noch eine Zusatzfrage stellen.
Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben von 60 Minuten gesprochen. Geht die Bundesregierung also davon aus, dass bei einer Verspätung unter
60 Minuten - zum Beispiel bei 58 Minuten - dem Fahrgast kein Schaden entstanden ist, für den er zu entschädigen wäre?
Verehrte Frau Maisch, es ist in der Tat so, dass dadurch kein Schaden entstanden ist. Im Nahverkehr ist
das etwas anders, wie Sie wissen. Aber darüber können
wir uns später unterhalten. Seien Sie beruhigt: Nächste
Woche haben Sie den Referentenentwurf auf dem Tisch.
Ich muss mich korrigieren, Herr Präsident: ab 60 Minuten und ab 120 Minuten. Das habe ich eben falsch dargestellt. Ich bitte auch Herrn Hofreiter um Nachsicht.
Die Großzügigkeit scheint heute Nachmittag kaum
noch überboten werden zu können. Jetzt werden wir sehen, ob sich das auch bei der nächsten Frage bestätigt.
Wir kommen zu Frage 21:
Wie bewertet die Bundesregierung die Erfahrungen der
bisherigen außergerichtlichen Schlichtung im Bereich der
Fahrgastrechte, und wie gedenkt die Bundesregierung die außergerichtliche Schlichtung gesetzlich zu regeln?
Meine Antwort lautet wie folgt: Die Erfahrung mit
der Schlichtungsstelle Mobilität sind im Bereich des Eisenbahnverkehrs positiv, da Streitigkeiten erfolgreich
durch die Schlichtungsstelle Mobilität beigelegt werden.
Weitere Einzelheiten über die gesetzliche Verankerung
der Schlichtung werden Gegenstand der bevorstehenden
Ressortabstimmungen über den Referentenentwurf sein.
Bitte, Herr Hofreiter.
Sie haben darauf hingewiesen, dass die Einzelheiten
im Referentenentwurf dargelegt werden. Können Sie uns
etwas näher erläutern, wie das im Detail ausschauen
wird, oder geht auch das erst an die Regierungsfraktionen und dann an die übrigen Ministerien?
Wie soll das im Detail ausschauen? Wir haben schon
jetzt die Schlichtungsstelle Mobilität, die Ende 2009
ausläuft. - Damit nehme ich die Frage von Frau Maisch
vorweg. Sind Sie damit einverstanden?
({0})
Unter Aufrechterhaltung der Zusatzfragen können wir
so verfahren.
Ich rufe damit Frage 22 auf:
Wie bewertet die Bundesregierung eine verkehrsträgerübergreifende außergerichtliche Schlichtung im Bereich der
Fahrgastrechte, und wie soll die außergerichtliche Schlichtung
finanziert werden?
Wie Sie wissen, läuft die Schlichtungsstelle Mobilität
Ende 2009 aus. Damit endet die Förderung. Wir stellen
uns eine Schlichtungsstelle - ähnlich dem Ombudsmann
im Versicherungswesen - vor, die von allen Verkehrsträgern - Schiene, Luft - gemeinsam getragen wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Das heißt, sie wird von beteiligten Unternehmen und
nicht mehr von einer unabhängigen Stelle getragen.
Das ist eine unabhängige Stelle. Ich habe von einem
Ombudsmann gesprochen. Das ist eine Stelle, die zwar
von den Unternehmen finanziert wird, die aber unabhängig ist und frei entscheiden kann. Wir haben ja - - Danach können Sie noch fragen; das ist besser.
Die Innovationskraft dieser Veranstaltung nimmt
ständig zu. Jetzt regt die Regierung schon die Fragen an,
die die Kollegen gegebenenfalls stellen können.
({0})
Frau Kollegin Maisch, möchten Sie die Frage stellen,
die der Kollege Hartenbach am liebsten beantworten
möchte?
Danke, Herr Präsident. - Was der Staatssekretär gerne
möchte, kann ich von hier aus nicht genau sehen. Ich
möchte jedenfalls eine Antwort auf folgende Frage haben: Wird der VCD, der bislang die Schlichtung verantwortlich mitgetragen hat, weiterhin eine wichtige Rolle
im Rahmen des neuen Modells spielen, wenn es denn
eine Art Ombudsmann gibt?
Frau Maisch, diese Frage kann ich Ihnen weder mit Ja
noch mit Nein beantworten. Wir werden dies noch prüfen und ausgestalten. Auch hier werden die beteiligten
Ressorts noch ein Wort mitreden.
Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall.
Frau Maisch hatte, glaube ich, noch eine Frage.
Danach hatte ich gerade gefragt.
Das hat sich also erledigt. Vielen Dank. - Man kann
nie wissen, Herr Präsident.
Herr Kollege Hartenbach, Sie haben das, was gefragt
wurde, einschließlich dessen, was vielleicht hätte gefragt
werden können, so erschöpfend beantwortet, dass es keinen Raum mehr für Zusatzfragen gab.
Mein Herz ist voll. Ich könnte unglaublich viel antworten.
Das habe ich befürchtet.
Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Ich rufe die Frage 23 des Kollegen
Beck ({0}) auf:
Welche der folgenden Positionen zu der von der Europäi-
schen Kommission beabsichtigten neuen Rahmenrichtlinie für
einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung ist die gültige
und auch in Brüssel vertretene Position der Bundesregierung:
a) die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales berichtete
Position, nach der die Bundesregierung der Initiative „ablehnend“ gegenübersteht ({1}), b) die ablehnende Haltung der Bundes-
kanzlerin, die laut FAZ vom 13. Juni 2008 beim Kommis-
sionspräsidenten José Manuel Barroso gegen ein solches
Vorhaben interveniert hat, oder c) die abwartend-neutrale Haltung, die mir die Bundesministerin der Justiz im Nachtrag zu
der Fragestunde am 28. Mai 2008 in einem Schreiben vom
11. Juni 2008 mitgeteilt hat - „Die Bundesregierung möchte
sich derzeit dazu nicht äußern, sondern wird insgesamt Stellung nehmen, wenn die EU-Kommission Vorschläge für eine
neue Antidiskriminierungsrichtlinie vorlegt“ -, und wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge in der Entschließung
des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2008 zu den Fortschritten in Bezug auf Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in der EU mit der Vorgangsnummer 2007/2202({2})
- Kriterien, Maßnahmen - im Einzelnen ({3})?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Beck, soll ich alles vorlesen, wonach Sie gefragt
haben?
Nein.
Okay, Herr Präsident.
({0})
Die genannten Positionen zu der neuen, auf uns zukommenden Antidiskriminierungsrichtlinie geben in der
Tat die Haltung der Bundesregierung zutreffend wieder.
Die Bundesregierung steht dem Vorhaben einer neuen
Antidiskriminierungsrichtlinie sehr skeptisch gegenüber.
Dies hat sie gegenüber der Kommission deutlich gemacht. Ihre endgültige Haltung zu den konkreten Vorschlägen der Kommission will die Bundesregierung erst
festlegen, wenn diese Vorschläge vorliegen.
Zu Ihrer Frage nach der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai hat die Frau Ministerin
Ihnen bereits am 11. Juni schriftlich mitgeteilt:
Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen,
dass das Europäische Parlament sich in seiner Sitzung vom 20. Mai 2008 mehrheitlich für eine umfassende neue Antidiskriminierungsrichtlinie mit
einem breiten horizontalen Ansatz, der alle Merkmale und möglichst alle Lebensbereiche erfasst,
ausgesprochen hat. Diese Auffassung des Europäischen Parlaments teilt die Bundesregierung nicht.
Ende des Zitats.
Bitte schön.
Das sorgt zumindest für Klarheit. Sie müssen aber
vielleicht der Bundesjustizministerin erklären, warum
Sie mir gerade das glatte Gegenteil geantwortet haben.
Nein, das habe ich eben nicht gesagt.
Sie hat gesagt: Die Bundesregierung möchte sich
dazu zurzeit nicht äußern, sondern wird erst Stellung
nehmen, wenn die EU-Kommission Vorschläge für eine
neue Antidiskriminierungsrichtlinie vorlegt. Nun sagen
Sie: Die Vorschläge, die das Europäische Parlament in
der Sache macht, lehnt die Bundesregierung ab.
Es scheint also nicht nur innerhalb der Bundesregierung, sondern auch im Bundesjustizministerium verschiedene Auffassungen bezüglich der Haltung der Bundesregierung zu geben. Das finde ich interessant. Welche
Auffassung vertritt denn die Bundesregierung im Einzelnen zu den Vorschlägen, die in der Entschließung des
Europäischen Parlaments gemacht wurden, insbesondere
zu den Punkten 34 bis 38?
Herr Beck, ich habe Ihnen eben mitgeteilt, wie wir
uns verhalten haben und verhalten werden. Zu den einzelnen Punkten werden wir dann eine abgestimmte Stellungnahme der Bundesregierung abgeben, wenn wir soweit sind.
Welchen rechtlichen Änderungsbedarf beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz würde denn die Bundesregierung sehen, nähme man die Forderung des Europäischen Parlaments ernst, was die Bundesregierung
offensichtlich nicht tut? Würde die Bundesregierung
überprüfen, ob sich daraus Änderungsbedarf für das Zivilrecht ergibt, angesichts der Tatsache, dass wir in
Deutschland bereits horizontal umgesetzt haben, obwohl
uns womöglich erst die kommende Richtlinie dazu zwingen würde?
Herr Präsident, das ist eine neue Baustelle. Es geht
hier um das bereits in Kraft gesetzte AGG. Herr Beck
fragt, wie wir uns verhielten, wenn wir die Rügen, die
die Europäische Kommission ausgesprochen hat, ernst
nähmen. Wir nehmen alle Rügen ernst. Das hat nichts
mit der neuen Antidiskriminierungsrichtlinie zu tun, zu
der die Hauptfrage gestellt wurde.
Es tut mir leid, von Rügen habe ich überhaupt nicht
gesprochen. Ich habe nicht gefragt, was Sie sowieso umsetzen müssen, weil Sie mit Ihrem Gesetz vier Vertragsverletzungsverfahren am Hals haben, sondern ich habe
gefragt, was wir tun müssten, wenn die Forderungen des
Europäischen Parlaments, die sich auf die Richtlinie beziehen - das sind vier Ziffern in der etwas länglichen
Resolution; diese habe ich in der Grundfrage zitiert,
weshalb es möglich sein wird, sie nachzulesen -, Richtlinienrecht würden. Gäbe es dann einen Umsetzungsbedarf - und, wenn ja, welchen - für den deutschen Gesetzgeber beim AGG, um beurteilen zu können, ob die
Haltung der Bundesregierung, das abzulehnen, was uns
vielleicht gar nichts abverlangt, überhaupt einen rationalen Kern hat? Um diese Frage beurteilen zu können,
bräuchte man diese Rechtsauskunft vom zuständigen
Bundesjustizministerium, das ja rechtlich immer gut gewappnet ist und uns deshalb das erschöpfend beantworten kann.
Wir sind rechtlich immer gut gewappnet. Da haben
Sie recht. Sie dürften aber auch wissen, dass heute nicht
Fragen an das Bundesjustizministerium, sondern Fragen
an die Bundesregierung beantwortet werden. Die Bundesregierung hat diesbezüglich noch keine abgestimmte
Haltung. Wenn die Bundesregierung eine abgestimmte
Haltung hat, dann werden Sie diese erfahren.
Ich habe nicht nach der Haltung der Bundesregierung,
sondern nach der rechtlichen Umsetzung gefragt.
Herr Kollege Beck, nachdem ich schon eine dritte Zusatzfrage in der sprichwörtlichen Großzügigkeit, die mir
nachgesagt wird, zugelassen habe, möchte ich es mit dieser ohnehin ja offenkundig vorläufigen Auskunft der
Bundesregierung zu der gestellten Frage 23 gerne bewenden lassen.
({0})
Manches spricht für die Vermutung, dass wir auf das
Thema zurückkommen werden.
Ich bedanke mich bei Herrn Hartenbach für die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Hier steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Kressl zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Koppelin
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Schäffler auf:
Trifft es zu, dass die Liquiditätslinie der Bundesrepublik
Deutschland - Finanzagentur GmbH gegenüber der IKB
Deutsche Industriebank AG in Höhe von 500 Millionen Euro
erst nach Bekanntwerden der IKB-Krise im August 2007 voll
ausgeschöpft wurde, und inwieweit hat das Bundesministerium der Finanzen hierauf Einfluss genommen?
Herr Präsident! Herr Kollege Schäffler, es ist richtig,
dass das für die IKB gültige und mit dem BMF abgestimmte Limit für Geldanlagen der Finanzagentur bei
der IKB im Monat August 2007 voll ausgeschöpft
wurde. Auf den Abschluss dieses Geschäfts hat das
BMF keinen Einfluss genommen. Insofern darf ich Sie
auf die Antworten, die ich bereits in der vorletzten Sitzungswoche gegeben habe, verweisen.
Es trifft nicht zu, dass das mit dem BMF abgestimmte
Limit für Geldanlagen der Finanzagentur bei der IKB
erstmalig im Monat August 2007 voll ausgeschöpft
wurde. Je nach Marktlage und gebotenen Konditionen
hat die Finanzagentur auch in der ersten Hälfte des Jahres 2007 sowie in den Vorjahren das Limit für Geldanlagen der Finanzagentur bei der IKB hin und wieder voll
bzw. nahezu voll ausgeschöpft.
Bitte schön, Herr Schäffler.
Der zweite Teil meiner Frage bezog sich darauf, ob
das Finanzministerium auf die Ausschöpfungen Einfluss
genommen hat.
Herr Kollege Schäffler, ich fürchte, Sie haben mir
nicht zugehört; denn ich habe gesagt, das BMF habe darauf keinen Einfluss genommen und Sie dazu auch noch
auf meine Antwort auf die gleiche Frage in der vorletzten Sitzungswoche verwiesen.
Gut, dann will ich etwas anderes in diesem Zusammenhang fragen. Trifft es zu, dass die IKB innerhalb der
letzten zwei Monate ausstehende Forderungen verkauft
bzw. abgetreten hat, und, wenn ja, an wen?
Herr Kollege Schäffler, Sie wissen - auch das haben
wir hier mehrfach erörtert -, dass ich zu Einzelheiten,
die die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der IKB betreffen, hier im Plenum nichts sagen darf. Insofern muss
ich Sie auch bei dieser Frage leider wieder auf diesen
rechtlichen Umstand hinweisen.
Wir kommen zur Frage 27 des Kollegen Schäffler:
Trifft es zu, dass die Geschäftsführer der Bundesrepublik
Deutschland - Finanzagentur GmbH sich gegen eine Verlängerung bzw. gegen eine volle Ausschöpfung dieser Liquiditätslinie ausgesprochen haben, und steht das Ausscheiden der
Geschäftsführer der Finanzagentur GmbH zum 31. Dezember
2007 bzw. zum 30. April 2008 in einem Zusammenhang hiermit?
Nein, die Unterstellung in Ihrer Frage trifft nicht zu.
Die Aufrechterhaltung des Limits für Geldanlagen der
Finanzagentur bei der IKB erfolgte vielmehr in enger
Absprache mit der Geschäftsführung der Finanzagentur.
Das Ausscheiden der Geschäftsführer steht dementsprechend nicht im Zusammenhang mit der IKB-Transaktion.
Herr Schäffler.
Sie haben in Ihrer Antwort auf eine andere Frage von
mir darauf hingewiesen, dass die Kreditlinie aus besicherten und unbesicherten Linien bestand. Wie hoch war
der Bereich der unbesicherten Kreditlinien der Finanzagentur an die IKB?
Herr Kollege, zuerst müssen Sie mir erlauben, dass
ich darauf hinweise, dass der Begriff Kreditlinie nicht
stimmt, weil eine Kreditlinie fachlich etwas anderes ist.
({0})
- Ich mache das nicht aus Besserwisserei, sondern weil
das fachliche Hintergründe hat. Deswegen ist mir das
wichtig. - Kreditlinien können Sie einfach anfordern. In
diesem Fall geht es um ein mit dem BMF abgestimmtes
Limit zur Ausschöpfung von unbesicherten Anlagen.
Weitere Zusatzfrage?
Sie haben auf eine andere Frage geantwortet, dass das
sowohl aus besicherten als auch aus unbesicherten Anlagen bestand. Jetzt sagen Sie mir, dass es ausschließlich
unbesicherte sind. Ist das richtig?
Herr Kollege, wir hatten schon das letzte Mal sehr
ausführlich darüber gesprochen. Sie müssen zwischen
dem Limit, das es für Geldanlagen gibt und das mit dem
BMF abgestimmt wird, und der Entscheidung der
Finanzagentur, welche Formen von Anlagen sie trifft,
welche nicht in Absprache mit dem BMF, sondern in
eigener Verantwortung der Finanzagentur erfolgen, unterscheiden. Das Limit, das mit dem BMF abgestimmt
ist - es ist öffentlich bekannt, dass wir in diesem Fall
von 500 Millionen Euro reden -, gibt Freiraum für die
Ausschöpfung von unbesicherten Anlagen in diesem Bereich.
Wir kommen zu den Fragen 28 und 29. Den Kollegen
Thiele habe ich aber nicht im Saal gesehen. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die
Frage 30 des Kollegen Gerhard Schick und die Frage 31
der Kollegin Veronika Bellmann werden schriftlich beantwortet, die Fragen 32 und 33 der Kollegin Höll ebenfalls. Auch die Fragen 34 und 35 der Kollegin Gesine
Lötzsch werden schriftlich beantwortet, sodass wir am
Ende dieses Geschäftsbereiches sind.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die eingereichten Fragen 36 bis 38 sollen schriftlich beantwortet
werden.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Da kann ich
die gleiche Lage melden. Die eingereichten Fragen 39
bis 44 sollen alle schriftlich beantwortet werden.
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Großmann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Lutz Heilmann
auf:
Wieso hat die Bundesregierung am 11. Juni 2008 auf meine
schriftliche Frage 65 auf Bundestagsdrucksache 16/9554 geantwortet, dass es bezüglich der ursprünglich für Ende 2007
angestrebten Unterzeichnung des deutsch-dänischen Staatsvertrages zum geplanten Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung „noch Abstimmungen und formaler Prüfungen“ bedarf
und ein „Termin für die Unterzeichnung … daher noch nicht
feststehe“, während der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen laut Pressebericht vom 18. Juni
2008 und somit nur eine Woche später sagte: „Der Entwurf eines Staatsvertrages liege vor und solle vor der Sommerpause
des Parlaments von der deutschen und dänischen Regierung
paraphiert werden“, und treffen die Aussagen von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen zu, sodass der Staatsvertrag
also in den nächsten Wochen paraphiert werden wird?
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege
Heilmann, es gilt weiterhin die Antwort der Bundesregierung vom 11. Juni 2008 auf Ihre schriftliche Frage.
Zurzeit kann weder ein konkreter Paraphierungs- noch
ein Unterzeichnungstermin genannt werden. Diese Termine sind abhängig von den noch laufenden Abstimmungen und formalen Prüfungen. Im Lichte der bisherigen Abstimmungen wird eine Unterzeichnung noch im
Laufe des Sommers angestrebt. Die Bundesregierung ist
an einer baldigen Unterzeichnung des Staatsvertrags sowie dessen Ratifizierung interessiert.
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, mir liegen die Kieler Nachrichten
von gestern vor. Darin wird die Staatssekretärin im Kieler Wirtschaftsministerium, Karin Wiedemann, zitiert.
Danach laufen die Abstimmungen auf Hochtouren. Nach
Äußerungen von Herrn Austermann bzw. der Landesregierung laufen die Vorbereitungen für die Unterzeichnung auf Hochtouren und wird der Vertrag nächsten
Montag, in fünf Tagen, tatsächlich unterzeichnet.
Seit letzter Woche ist Sommer, und demnach liegt
Montag, der 30. Juni, im Sommer und damit in dem von
Ihnen genannten Zeitraum. Deshalb meine ganz konkrete Frage: Steht im Terminkalender des Bundesverkehrsministers oder eines seiner Staatssekretäre innerhalb der nächsten zwei Wochen ein Treffen mit der
dänischen Verkehrsministerin oder einem ihrer Stellvertreter? Wenn ja, an welchem Tag ist dieses Treffen geplant? Ist dabei vielleicht sogar beabsichtigt, den Staatsvertrag schon zu unterzeichnen?
Ich bitte Sie, die erste Teilfrage eindeutig mit Ja oder
Nein zu beantworten.
Auf eine Frage mit Ja oder Nein zu antworten, ist, wie
Sie wissen, so eine Sache. Das würde voraussetzen, dass
Sie eine einfache Frage gestellt haben. Für die Frage haben Sie aber schon sehr viel Zeit gebraucht. Deshalb will
ich Ihnen lieber differenzierter antworten.
Vielleicht muss ich einmal erläutern, was es bedeutet,
wenn man einen Staatsvertrag verhandelt, paraphiert
- im Grunde braucht man ihn nicht einmal zu paraphieren und unterzeichnet:
Eine solche Verhandlung ist ein iterativer Prozess.
Man sitzt an einem Tisch, man geht wieder auseinander.
In diesem Fall verhandeln die beiden Verkehrsministerien. Entwürfe von Verträgen müssen ressortabgestimmt
werden. Die Ressortabstimmung hat in diesem konkreten Fall ergeben, dass wir gegenüber der dänischen Seite
weitere Präzisierungswünsche haben. Das haben wir auf
den Weg gebracht. Die Dänen ihrerseits haben uns einige
Änderungswünsche vorgelegt. Das wird jetzt sowohl auf
dänischer Seite wie auch auf unserer Seite geprüft. Ich
weiß nicht, wann die Prüfung abgeschlossen ist.
Eine Paraphierung würde eine vertragsförmliche Prüfung durch das Auswärtige Amt voraussetzen. Sie dauert
ungefähr eine Woche.
Vor dem Unterschreiben muss man eine sprachenförmliche Untersuchung vornehmen. Das heißt, es muss
vom Sprachendienst geprüft werden, ob die Exemplare
in den beiden Sprachen juristisch exakt übereinstimmen.
Dazu braucht man normalerweise vier Wochen.
Nach diesen Informationen können Sie sich die Frage
selbst beantworten.
Wenn wir die Verhandlung über die beiden ausgetauschten Ergänzungs- oder Änderungswünsche abschließen können, wenn dieser Status erreicht ist, könnte
ungefähr eine Woche später die Paraphierung stattfinden. Die Dänen legen aber gar keinen Wert darauf. Dann
folgt die Unterzeichnung.
Wenn Sie die Fristen für alles das zusammenrechnen,
stellen Sie fest, dass die Unterzeichnung nicht mehr im
Juli stattfinden wird. Von daher ist meine Antwort nach
wie vor richtig: Wir gehen davon aus, dass die Unterzeichnung im Sommer stattfindet. Aber ich glaube nicht,
dass wir es schaffen, die Unterzeichnung vor der sogenannten dänischen Sommerpause, also noch im Juli,
durchzuführen.
Weitere Frage?
Ja, ich habe noch eine weitere Frage. - Es hieß seitens
des Verkehrsministeriums auf bisherige Fragen immer,
dass noch Abstimmungen und formale Prüfungen notwendig seien, dass - um ganz korrekt zu zitieren - eine
Reihe inhaltlicher und formaler Abstimmungen erforderlich sei. Mich würde Folgendes interessieren: Was genau
wird geprüft? Waren die Kosten des Brückenbauwerks
und die Prognosen Gegenstand dieser Abstimmung?
Herr Kollege Heilmann, Sie wissen, dass es absolut
nicht üblich ist, während solcher Vertragsverhandlungen
öffentlich über Details zu sprechen. Ich kann Sie nur bitten, abzuwarten, bis der zu paraphierende Entwurf vorliegt.
Die Frage 46 des Kollegen Rainder Steenblock wird
schriftlich beantwortet. Das gilt auch für die Fragen 47
und 48 des Kollegen Peter Hettlich.
Ich rufe nun die Frage 49 des Kollegen Volker Beck
({0}) auf:
Inwiefern - Konditionen am Parkplatz Hauptbahnhof, Rabatte der DB AG oder als öffentliches Unternehmen - profitiert die DB Rent GmbH im Wettbewerb davon, dass sie Tochter der zu 100 Prozent im Bundesbesitz befindlichen DB AG
ist, und welche Initiativen ergreift die Bundesregierung auf
europäischer Ebene, damit man Tariftreue und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Ausschreibungsverfahren
verbindlich vorschreiben kann?
Herr Kollege Beck, der erste Teil Ihrer Frage betrifft
einen Sachverhalt, der in die unternehmerische Zuständigkeit der Deutschen Bahn AG bzw. deren Tochter DB
Rent fällt. Er kann deshalb auch vor dem Hintergrund
der Umsetzung des Beschlusses des Ausschusses für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1996 von der Bundesregierung nicht beantwortet werden. Ich bitte daher
um Verständnis, dass die Bundesregierung zur konkreten
Ausschreibung keine Auskunft geben kann.
Ihre Frage enthält aber auch einen allgemeinen Teil,
auf den ich gerne eingehe. Die DB AG hat in ihren Gesprächen mit dem Bund immer darauf hingewiesen, dass
Konzerntöchter bei der Zuweisung von Unternehmenskrediten so behandelt werden, als hätten sie ein branchenübliches Rating. Ich glaube, das ist ganz wichtig,
weil das auch die Frage nach Beihilfen betrifft.
Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage nach Initiativen der
Bundesregierung auf europäischer Ebene zur Durchsetzung von Tariftreue und sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung in Ausschreibungsverfahren. Hier gilt
Folgendes: Im Hinblick auf das EuGH-Urteil zur
Rechtssache „Rüffert“ - Sie wissen, was gemeint ist prüft das zuständige Bundesministerium für Arbeit und
Soziales derzeit, ob Initiativen der Bundesregierung auf
europäischer Ebene insbesondere zur Änderung der Entsenderichtlinie ergriffen werden sollen.
Herr Kollege Beck.
Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die
Deutsche Bahn AG der DB Rent bei Zurverfügungstellung von Parkmöglichkeiten am Hauptbahnhof Berlin
Sonderkonditionen einräumt, die sie anderen Bewerbern
oder Kunden nicht anbieten würde, bzw. würden andere
Interessenten überhaupt ein Vertragsangebot der Deutschen Bahn AG zum dauerhaften Parken von Wagen im
Bereich des Hauptbahnhofs Berlin bekommen, um gegebenenfalls Fahrdienste in der Mitte Berlins anbieten zu
können?
Ich kann Ihnen dazu, wie ich schon bei der Beantwortung Ihrer Frage sagte, keine Antwort geben, weil es sich
um unternehmerische Daten und Fakten handelt, die mir
nicht vorliegen.
Weitere Zusatzfrage?
Also, die Regierung kann es nicht ausschließen. - Die
zweite Frage, die ich zu diesem Punkt habe, lautet: Werden der Deutschen Bahn AG - das müssten Sie eigentlich abstrakt wissen - und ihren Töchtern Sonderkonditionen gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen
beim An- oder Verkauf von Automobilen und dergleichen eingeräumt? Das könnte sich ja auch auf die Wettbewerbssituation der jeweiligen Unternehmen auswirken.
Auch das ist eine Frage, die nur das Unternehmen
selbst beantworten kann.
({0})
Es gibt eine Zusatzfrage der Kollegin Menzner.
Herr Staatssekretär, ich habe folgende Zusatzfrage:
Wie können Sie gewährleisten, dass Bereiche des DBKonzerns, der ja noch komplett in öffentlicher Hand ist,
die nicht der Daseinsvorsorge gemäß Art. 87 e des
Grundgesetzes dienen, nicht mit Steuermitteln subventioniert werden?
Frau Menzner, Ihre Frage beginnt mit einer falschen
Darstellung. Die DB AG ist nicht im Besitz der öffentlichen Hand, sondern eine Aktiengesellschaft, die nach
unternehmerischen Gesichtspunkten gemäß Aktienrecht
geführt wird.
Zusatzfrage des Kollegen Fricke.
Herr Staatssekretär, der Kollege Beck hat nach der
DB Rent gefragt. Ich möchte in dem Zusammenhang
nicht nach dem konkreten Verhandlungsvorgang fragen,
sondern nur danach, ob Sie ausschließen können, dass
die Bundesregierung weitere Verträge mit der DB Rent
hat, und insbesondere, dass Ihr Haus irgendwelche Verträge mit der DB Rent hat.
Ich bin über weitere Verträge zwischen der DB Rent
und meinem Haus nicht informiert. Von daher müsste
ich Ihnen auf diese Frage schriftlich antworten.
({0})
Hiermit zugesagt. - Weitere Fragen liegen nicht vor.
Die Fragen 50 und 51 der Kollegin Veronika
Bellmann und des Kollegen Lutz Heilmann werden
schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Das Präsidium stellt mit Genugtuung fest, dass seine
Einschätzung des angemessenen und auskömmlichen
Zeitbedarfs für die Fragestunde offenkundig zutreffend
war. Ich bedanke mich für Ihre Mitwirkung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages zur allgemeinen Überraschung auf morgen,
Donnerstag, den 26. Juni 2008, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.