Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/6/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle- ginnen und Kollegen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a bis d sowie Zu- satzpunkt 5 auf: 31 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung - Drucksache 16/8305 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({0}) - Drucksache 16/9469 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Joachim Pfeiffer b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb - Drucksache 16/8306 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({1}) - Drucksache 16/9470 - Berichterstattung: Abgeordnete Ulla Lötzer c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({2}) zu dem Antrag der Abge- ordneten Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb beschleunigen - Drucksachen 16/7872, 16/9470 - Berichterstattung: Abgeordnete Ulla Lötzer d) Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJosef Fell, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kraft-Wärme-Kopplung entschlossen fördern und ausbauen - Drucksache 16/9432 ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Handeln statt Reden - Klimaschutz jetzt - Drucksache 16/9426 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({3}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Joachim Pfeiffer von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. ({4})

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wird geliefert. ({0}) - Ich hoffe, Sie haben heute Morgen schon ein Glas getrunken. ({1}) Redetext Heute wird geliefert, und zwar der erste Teil des Integrierten Energie- und Klimapakets. Es wird heute parlamentarisch in zweiter und dritter Lesung unter Dach und Fach gebracht. Damit wird das, was im letzten Jahr durch unsere Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene begonnen worden war und auf internationaler Ebene seine Fortsetzung fand, in Deutschland mit dem ambitioniertesten und umfangreichsten Programm zum Klimaschutz umgesetzt, das es weltweit bisher gibt. Wir leisten damit einen Beitrag, um bis 2020 mindestens in einer Größenordnung von 220 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Aber es wird nicht nur bei der CO2Einsparung das Klimaschutzziel erreicht, wir leisten damit auch einen Beitrag zur Versorgungssicherung, indem wir den Anteil der erneuerbaren Energien deutlich stärken: im Bereich des Stroms auf 30 Prozent, im Bereich der Wärme auf mindestens 14 bis 15 Prozent. Auch im Transportsektor soll der Einsatz alternativer Kraftstoffe ausgeweitet werden. Damit werden wir Deutschland von Importen fossiler Energien unabhängiger machen. ({2}) Mit diesem Programm leisten wir auch einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit, indem wir zahlreiche Stellschrauben so ändern, dass langfristig neue Technologien auf den Markt kommen und die erneuerbaren Energien in ihrer gesamten Bandbreite besser in den Markt integriert werden. Letztlich werden wir auch etwas für die Wirtschaftlichkeit, die Technologieoffenheit und die Technologieführerschaft Deutschlands in diesem Bereich tun. Im Folgenden werde ich einige konkrete Punkte ansprechen, die wir jetzt umsetzen. Zur Kraft-Wärme-Kopplung, also der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme oder auch Kühlung: Gegenüber dem Regierungsentwurf haben wir zahlreiche Verbesserungen erreicht. Insgesamt wollen wir den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung von heute knapp über 10 Prozent auf 25 Prozent steigern. Dies wird uns gelingen, indem wir zum einen die Kleinst-KWK, also in Privathaushalten und Mehrfamilienhäusern, deutlich besser fördern, als es ursprünglich vorgesehen war. Wir werden die KleinstKWK von der Degression ausnehmen und die Eigenstromversorgung entsprechend fördern. Das heißt, jede Kilowattstunde Strom, die aus KWK erzeugt wird, wird gefördert, womit wir einen Anreiz schaffen, das gesetzte Ziel zu erreichen. Auch über die Förderdauer hinaus wird eine Anschluss- und Abnahmepflicht bestehen bleiben. Dies führt dazu, dass derjenige, der sich mit einem Kleinst-KWK engagiert, dauerhaft Planungssicherheit hat und nicht zum Spielball wird. ({3}) Wir werden bei Kleinst-KWK-Anlagen wie auch bei der KWK insgesamt Planungssicherheit schaffen, indem wir eine Deckelung der Fördersumme in Höhe von 750 Millionen Euro pro Jahr vorsehen, damit der Verbraucher weiß, welche Mehrbelastungen maximal auf ihn zukommen. Wir schaffen den Spagat, die Mehrbelastung des Verbrauchers auf die 750 Millionen Euro pro Jahr zu begrenzen und gleichzeitig die angestrebten Ziele zu erreichen, indem wir einen atmenden, einen flexiblen Deckel einführen, der aber nicht für Kleinst-KWK-Anlagen gilt. Für diese besteht absolute Planungssicherheit. Bei der industriellen KWK, bei der große Potenziale liegen, bleiben die Entgeltansprüche im Falle des Erreichens der Deckelungsgrenze durch ein Notifizierungsverfahren erhalten, und das Entgelt wird dann rückwirkend gezahlt. Wir schaffen es also, mehrere Punkte unter einen Hut zu bringen. Damit werden wir die von uns in der KWK angestrebten Ziele bis 2020 erreichen. ({4}) Wir werden auch in anderen Bereichen die Stellschrauben bedienen. Damit komme ich zum Mess- und Zählerwesen. Heute ist die Stromrechnung eine Blackbox. Der Verbraucher bekommt einmal im Jahr eine Abrechnung und leistet monatliche Abschlagszahlungen. Er kennt aber nicht seinen aktuellen Verbrauch, weder für laufende elektrische Geräte noch für den Stand-by-Betrieb. Durch die Einführung eines intelligenten Zählerund Messwesens werden die IuK-Technologien, die im Telekommunikationsbereich zu mehr Transparenz, Innovationen, neuen Produkte und neuen Arten von Dienstleistungen geführt haben, auch im Strombereich Einzug halten. Durch die Visualisierung erhält der Verbraucher bessere Informationen über sein Verbrauchsverhalten, ob tagsüber oder nachts. Damit kann er entsprechende Maßnahmen zur Energieeinsparung treffen und sich durch die Wahl günstiger Tarife marktgerecht verhalten. Wir werden in diesem Bereich eine Revolution mit neuen tageszeit- und lastabhängigen Tarifen und anderen Neuerungen erleben, die dazu führen werden, dass die Souveränität des Verbrauchers gestärkt wird. Im gleichen Atemzug werden wir die Energieeffizienz deutlich erhöhen und mit neuer Technologie in diesem Bereich Fortschritte erzielen. ({5}) Wir setzen dabei aber beim Bürger auf Freiwilligkeit, was die Nutzung der Angebote angeht. Wir verpflichten die Stromversorgungsunternehmen, ein Angebot zu unterbreiten. Ob der Bürger dieses Angebot annimmt, bleibt aber ihm überlassen. Wir zwingen ihn nicht dazu. Ich habe bereits anhand einiger Beispiele versucht, deutlich zu machen, dass dieses Angebot für den Bürger attraktiv ist. Wir wollen damit einen marktorientierten Weg gehen. Wir werden aber auch Lenkungsanreize setzen, indem wir vorschreiben, dass in Neubauten ab 2011 nur noch diese neue Technologie zum Einsatz kommt. Insofern werden wir Schritt für Schritt vorankommen. Nicht nur bei der KWK und der Modernisierung des Messwesens, sondern auch in anderen Bereichen werden wir Fortschritte erzielen. Der Bereich erneuerbare Wärme wird deutlich technologieoffener gestaltet, als es ursprünglich geplant war. Warum soll nicht Biogas zum Einsatz kommen, wenn es ebenso geeignet ist, die Klimaschutzziele zu erreichen, wie manch andere TechnoDr. Joachim Pfeiffer logie, dabei aber viel wirtschaftlicher ist? Das sollten wir dem Bürger überlassen. ({6}) Auch hierbei werden wir ein klares Zeichen setzen, indem wir den Anteil von Biogas in Verbindung mit der KWK deutlich senken, und zwar von den ursprünglich vorgesehenen über 50 Prozent auf 30 Prozent. Auch bei den erneuerbaren Energien im Strombereich werden wir deutlich bessere Anreize schaffen, indem wir neben den Differenzkosten - also den Kosten, die über die Stromkosten aus konventioneller Produktion hinausgehen - insbesondere bei der Veredelung des Stromes, also des unsteten Stromes, oder beim Überwälzungsmechanismus zu Verbesserungen kommen. Die Bundesnetzagentur hat uns mitgeteilt, dass fast 1 Milliarde Euro Mehrkosten für Netzentgelte auf den Verbraucher zukommt. Durch eine intelligentere, bessere und marktorientiertere Gestaltung mit dem Element Direktvermarktung - der Markt ist das beste virtuelle Kombikraftwerk, um die Technologie auch bei den erneuerbaren Energien zum Einsatz zu bringen, die sinnvoll und notwendig ist - werden wir deutlich Kosten einsparen. ({7}) Last, but not least werden wir die Vergütungssätze in den einzelnen Bereichen so justieren, dass wir unsere Ziele bei den erneuerbaren Energien auch im Strombereich erreichen. Der heutige Tag, an dem wir das Klimaschutzpaket verabschieden, ist ein guter Tag nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Deutschland und die Handlungsfähigkeit der Großen Koalition. Sie hat auch hier bewiesen, dass sie nicht nur schöne Worte macht, sondern dann, wenn es darauf ankommt, nach hartem Ringen in der Lage ist, zu liefern. Heute wird geliefert. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Gudrun Kopp von der FDP-Fraktion. ({0})

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Heute wird geliefert und - lieber Kollege Pfeiffer, ich möchte das ergänzen - die Chaospolitik dieser Bundesregierung fortgesetzt. ({0}) Kollege Pfeiffer, diese Bundesregierung hat nicht nur Chaos bei der Kfz-Steuerreform und der Biokraftstoffstrategie verursacht und das nach außen getragen. Vielmehr wird sie auch mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz scheitern. Sie lassen die weiteren Belastungen der Verbraucher völlig außen vor. Effizienz bedeutet nicht nur effiziente Nutzung der Energie, sondern auch Kosteneffizienz. Die Spirale staatlich verursachter Belastungen der Verbraucher durch ständig steigende Steuern und Abgaben bei den Energiepreisen drehen Sie weiter nach oben. Es gibt kein Anzeichen für eine Entlastung der Bürger von diesen hohen Kosten. ({1}) Insofern ist das keine Strategie, auf die Sie stolz sein können. Es ist ein schlechter Tag für die Verbraucher und den Klimaschutz in Deutschland. ({2}) Die Kraft-Wärme-Kopplung, also die Verbindung von Strom und Wärme bei der Nutzung, ist eine hervorragende und sehr effiziente Technik. Solche Anlagen rechnen sich und brauchen keine zusätzliche Förderung. Es hat sich gezeigt, dass das alte Gesetz, das Sie heute fortschreiben, nicht die Wirkung erzielt hat, die Sie sich erhofft haben. Gerade einmal 10 Millionen Tonnen CO2 würden Sie bei anvisierten 20 Millionen Tonnen einsparen, und das bei einem hohen Kostenvolumen von 5,6 Milliarden Euro. Ursprünglich sollte das KraftWärme-Kopplungsgesetz 2010 auslaufen. Sie legen aber nach. Sie verbreitern den Kreis derjenigen, die anspruchsberechtigt sind. Sie beziehen den Ausbau der Wärmenetze ein, deckeln die Gesamtsumme auf 750 Millionen Euro und verkaufen dies als ein hervorragendes Klimaschutzprogramm. Das kann Ihnen niemand abnehmen. Wir tun das auf gar keinen Fall. ({3}) Ich möchte herausstellen, dass Sie mit der Verlängerung der Förderungsdauer und der Verbreiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten mindestens weitere 8 Milliarden Euro an Fördergeldern und Überwälzungskosten zulasten der Stromkunden in Umlauf bringen. Das ist alles andere als ein Erfolg. Ich möchte auf ein paar Widersprüche zu sprechen kommen. Das neue, fortgeschriebene Gesetz sieht die Anspruchsberechtigung von großen Industrieanlagen vor, Stichwort „Prozesswärme“. Es gibt industrielle Anlagen, in denen Prozesswärme entsteht und quasi als Abfallprodukt ganz nebenbei Strom erzeugt wird. Sie fördern sogar die Stromlieferung, die ohnehin da ist und die ohnehin ins Netz eingespeist und vergütet wird. Sie sehen schon an diesem Beispiel, dass es eine Menge von Mitnahmeeffekten zulasten der Verbraucher gibt. Ich nenne als weiteres Beispiel die Solarthermie. Sie fördern auf der einen Seite die Solarthermie im Rahmen des Wärmegesetzes, zu dem wir nachher noch kommen, also die dezentrale, punktgenaue Versorgung der Verbraucher mit Wärme, setzen aber auf der anderen Seite mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz einen Kontrapunkt zu dezentraler Wärmezufuhr und dem Anschluss der Verbraucher. Das sind in sich widersprüchliche Anreizsignale. Sie setzen auf der einen Seite das Signal, in den Haushalten dezentrale Anlagen zur Wärmeerzeugung zu installieren, auf der anderen Seite setzen Sie mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz einen Kontra17716 punkt. Das ist nicht mit den Zielen zu vereinbaren, die wir für richtig halten. ({4}) Bei der Anhörung haben alle Sachverständigen dargestellt, dass die von Ihnen genannte Deckelung von 750 Millionen Euro nicht ausreichen wird, um das, was Sie wollen, zu erreichen. Im Gesetz steht, dass 25 Prozent der Stromproduktion aus Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen stammen soll, koste es, was es wolle. Die Sachverständigen sagten, dass man das so machen könne, aber der Betrag dafür nicht reichen werde. Warten wir einmal ab, was Sie im Laufe des Verfahrens noch oben drauflegen werden! Sie setzen mit diesem Gesetz die falschen Signale, Sie erlegen den Verbrauchern höhere Kosten auf, aber Sie sorgen nicht für eine höhere Effizienz. Schauen Sie sich an, wie hoch die Strompreise im Augenblick sind! Kraft-Wärme-Kopplung würde sich in den allermeisten Fällen rechnen. Sie fördern heute auch die Anlagen, von denen wir bisher zu Recht angenommen haben, dass sie sich ohnehin rechnen. Das ist wirklich nicht zielführend. ({5}) Bei allen Podiumsdiskussionen, die wir zu diesem Thema hatten, haben die Lobbyisten eine hervorragende Arbeit geleistet. Ich habe immer wieder wahrgenommen, wie sehr die Abgeordneten bedrängt wurden, noch mehr zu fördern, die Fördersumme zu erhöhen oder die Förderzeit zu verlängern, damit sich die Investitionen lohnen. Anderenfalls werde man keine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen bauen. Schauen wir uns die Politik der Grünen oder gar der Linken an! Sie wollen keinerlei Deckelung, sondern alles finanzieren. Das ist eine Politik zulasten der Stromkunden, eine Politik, die Dauersubventionen befördert und keine Entlastung bringt. ({6}) Es liegt heute ein weiterer Antrag vor, und zwar zur Marktöffnung beim Mess- und Zählwesen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung bei Neubauten künftig die Pflicht zum Einbau von neuen Messgeräten vorsieht, die auch fernablesbar sind. Das bringt eine Menge Erleichterung. Aber wir glauben, dass Sie auch bei der Markteinführung der neuen Geräte scheitern werden. Wir müssen es hinbekommen, dass die Basistechnik flächendeckend in Deutschland installiert werden kann. Der Wettbewerb muss sich auf die intelligente Technologie, den Chip, konzentrieren, die bei dem Stromzähler eingesetzt wird. An dieser Stelle ist Wettbewerb angebracht. In Holland und Großbritannien war jedoch die Markteinführung nicht zufriedenstellend. Es wurden ganz unterschiedliche Stromzähler und Techniken eingeführt, die nicht miteinander kombinierbar waren. Die Verbraucher konnten die Einzelverbräuche nicht ablesen, wie es eigentlich nötig gewesen wäre. Sie hatten außerdem hohe Kosten. Noch wichtiger: Was machen eigentlich die Verbraucher, die sich unterschiedliche Stromzähler kaufen und einbauen lassen, wenn sie den Stromanbieter wechseln wollen? Man hat dann große Schwierigkeiten, den Wechsel zu bewerkstelligen. Das kann für die Stromversorger ein weiteres Kundenbindungselement sein. Davor kann ich nur warnen. Wenn es dazu käme, wäre das nicht im Sinne des Erfinders. Auf der Website www.energie-verstehen.de des heute Morgen leider nicht anwesenden Bundesministers Glos ({7}) sehen Sie eine Darstellung dessen, was er unter einem richtigen Energiemix versteht. Er beschreibt dort die hervorragende Nutzung von kerntechnischen Anlagen. Dort steht, wie wichtig es ist, dass diese auch in Zukunft Teil des Energiemix sind. Außerdem bietet er eine Lösung für die Endlagerproblematik; er schreibt, Gorleben eigne sich als Endlager. Das Ganze erscheint als Energiepolitik der Bundesregierung. Wenn Sie auf die Website des Bundesumweltministers schauen, dann finden Sie eine völlig andere Darstellung. Daher kann ich Ihnen nur sagen: Eigentlich müsste die Bundesregierung einen neuen Link einrichten, nämlich www.bundesregierungverstehen.de; denn draußen versteht niemand, was Sie eigentlich wollen. ({8}) Sie haben inkonsistente, also einander widersprechende Programme. Ich sage Ihnen: Die FDP-Bundestagsfraktion sieht als einziges richtiges Klimaschutzsignal einen umfassenden Emissionshandel, durch den Klimaverschmutzung tatsächlich einen Preis hat. Parallellaufende Instrumente, die Sie zulasten der Stromkunden immer weiter ausbauen, müssten wegfallen. Also: Runter mit der staatlichen Belastung des Energieverbrauchs! Denken Sie an die Verbraucher und weniger daran, dass Sie Ihre eigenen Scharmützel mit zig Förderprogrammen zulasten derjenigen unterlegen, die diesen ganzen politischen Irrsinn am Ende kaum noch bezahlen können! Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Rolf Hempelmann von der SPD-Fraktion. ({0})

Rolf Hempelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002671, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entgegen allen Unkenrufen hat die Koalition es geschafft, einen ambitionierten Zeitplan einzuhalten und heute ein Bündel mit gleich vier Gesetzentwürfen zum Energie- und Klimapaket vorzulegen. Ich denke, das kann sich sehen lassen. Kollege Dr. Pfeiffer hat schon gesagt: Es zeigt eben auch, dass die Union und die SPD, also die Koalition, in einem so komplexen Politikfeld wie der Energiepolitik handlungsfähig sind. ({0}) Mit dem Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung - Herr Westerwelle, hören Sie ruhig zu; Sie können eine Menge lernen - haben wir jetzt das konkrete Ziel vor Augen, die Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Kopplung am Strommarkt bis zum Jahre 2020 zu erreichen. 25 Prozent der Stromerzeugung sollen dann aus der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen. Dies ist nicht nur ein Klimaschutzziel, sondern durchaus auch ein Ziel, das ökonomisch Sinn macht. Wir wollen die Energieeffizienz steigern; wir wollen die Energieproduktivität bis 2020 verdoppeln. Ohne einen substanziellen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung wird das nicht gehen. ({1}) Wer sich mit diesem Thema auskennt - wie ich sehe, hat Herr Westerwelle schon alles gelernt -, weiß, dass der Energiegehalt des Energieträgers in normalen Kraftwerken bis zu 40 oder 45 Prozent ausgenutzt werden kann. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung ist es aber so, dass 90 Prozent des Energiegehalts der Steinkohle, der Braunkohle oder des Gases ausgeschöpft werden können. Wir liefern hier also auch einen Beitrag zur Ressourcenschonung, und wir reduzieren den jährlichen CO2-Ausstoß um über 15 Millionen Tonnen. KWK, Frau Kopp, macht auch aus wirtschaftlichen Gründen Sinn. Wenn wir den Anteil der Kraft-WärmeKopplung ausweiten, dann ist das letztlich auch ein Beitrag zur Energiekostenbegrenzung. Sie haben sich große Sorgen um den Kunden, insbesondere um das, was er für die Energie zu zahlen hat, gemacht.Diese Sorgen machen wir uns auch. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass beispielsweise Gas seit 2002 um 72 Prozent im Preis gestiegen ist. Bei Steinkohle beträgt der Preisanstieg immerhin 53 Prozent. Wenn wir einen Beitrag dazu leisten, dass diese Energieträger zu 90 Prozent ausgenutzt werden, tun wir damit am Ende auch etwas dafür, dass der Kunde kurz-, mittel- und langfristig weniger zahlt, als er bei jeder anderen Alternative zahlen würde. ({2}) Die Anhörung zum Thema Kraft-Wärme-Kopplung ist bereits erwähnt worden. In dieser Anhörung bestand große Einigkeit dahin gehend, dass dieses Paket in der vorgelegten Form - jedenfalls erst einmal im Grundsatz - ein guter Beitrag zum Ausbau der Kraft-WärmeKopplung ist. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass es ein richtiger Ansatz ist, auch den Ausbau der Nahund Fernwärmenetze zu unterstützen. Es macht nämlich keinen Sinn, nur in Kraftwerke zu investieren und die Netze, also die Wärmesenken, zu vernachlässigen. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist erst dann wertvoll, wenn die dort entstehende Wärme auch tatsächlich Verwendung findet. Darum kümmern wir uns mit diesem Gesetz. Es gibt eine ganze Menge von Details, die ich jetzt nicht erwähnen möchte, weil Kollege Pfeiffer das im Großen und Ganzen schon getan hat. In einer solchen Debatte muss man allerdings auch einmal darauf hinweisen, dass wir mit dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung gerade auch für die energieintensiven Industrien, die auf den grundlastfähigen Strom aus Gas und insbesondere aus Kohle angewiesen sind, einen wichtigen Beitrag leisten. Wir alle wissen, dass eine klimaverträgliche Verbrennung und Nutzung fossiler Energieträger in Zukunft nur noch im Rahmen von Kraft-Wärme-Kopplung möglich ist oder eventuell mit CCS-, also CO2-freien oder -armen Kraftwerken, wobei wir alle wissen, dass es bei diesem Thema noch eine Menge unbeantwortete Fragen gibt. Die Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung kennen wir allerdings. Deswegen wollen wir diesen Weg gehen. Wir haben eine ganze Menge von Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Kabinettsentwurf erreicht. Ein wesentlicher Punkt scheint mir die flexible Verwendung der 750 Millionen Euro über den gesamten Förderzeitraum zu sein. In der Anhörung ist deutlich geworden, dass der eine oder andere gerne auch mehr Geld gehabt hätte. Wahrscheinlich wird man in jeder Anhörung zu jedem Thema erleben, dass die jeweiligen Branchen sich auch mehr vorstellen können. Ich gebe gerne zu, dass meine Fraktion diese Vorstellungen durchaus gerne unterstützt hätte. Wir erkennen aber auch den Stellenwert, den eine Kostenbegrenzung in diesem Bereich besitzt. Deswegen sind wir mit der Verstetigung dieser 750 Millionen Euro jährlich zufrieden. In der Anhörung wurde diesem Punkt ebenfalls deutliche Priorität beigemessen. Er war den Branchenvertretern auch wichtiger als eine Erhöhung der Mittel. Das bringt Verlässlichkeit und Planbarkeit. Gerade für Wirtschaftsakteure ist dies ein Wert an sich. ({3}) Wir haben eine ganze Menge von Dingen vorgesehen, deren gesamte Auswirkungen wir in einem Monitoring überprüfen wollen, das im Jahre 2011 stattfinden wird. Dieses Gesetz ist ein lernendes System. Wir haben das Ziel einer Verdoppelung bis 2020. Auf der Wegstrecke wollen wir schauen, ob wir möglicherweise nachjustieren müssen. Bei diesem doch recht langen Zeitraum ist das sehr sinnvoll. Deswegen ist ein Monitoring bei einem solchen Gesetz geradezu Pflicht. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz tun wir auch eine ganze Menge, um die Anbieterlandschaft im Stromsektor zu erweitern. Wir alle beklagen, dass im Grunde einige wenige Große den Kraftwerksmarkt dominieren. Mit der Verdoppelung der Kraft-WärmeKopplung - die in der Regel in Kraftwerken mittlerer Größenordnung eingesetzt wird - werden wir die Zahl der Akteure in diesem Markt deutlich erweitern. Das ist gut für den Wettbewerb und damit letztlich auch ein Beitrag, um die Preise für den Kunden in den Griff zu bekommen. Diesen Beitrag wollen wir auch mit dem zweiten Gesetz, von dem heute die Rede ist, leisten: Ich meine das Gesetz zur Liberalisierung des Zähl- und Messwesens. Ich denke, dass wir mit diesem Gesetz in der Tat einen ganz hervorragenden Schritt machen, um den Kunden in die Lage zu versetzen, auf der einen Seite seine Energie17718 kosten zu begrenzen und auf der anderen Seite seine Energieverhaltensweisen, insbesondere im Privathaushalt, zu erkennen und zu steuern. Wir setzen nämlich darauf, dass mit dieser Liberalisierung zugleich auch Modernisierungs- und Innovationsmaßnahmen im Messund Zählwesen stattfinden. Konkret: Wir wollen, dass möglichst viele Haushalte möglichst bald mit sogenannten intelligenten Zählern ausgestattet sind, die es dem Kunden ermöglichen, sein Verbrauchsverhalten zu analysieren und gegebenenfalls zu verändern. Das bringt Ersparnisse für den Einzelnen; es wirkt sich auf sein Portemonnaie aus. Das bringt aber auch insgesamt Ersparnisse für die Volkswirtschaft, und mit dem reduzierten Energieverbrauch entstehen natürlich auch Klimavorteile. Mit diesem Ansatz können wir also eine ganze Menge von positiven Effekten miteinander verbinden. ({4}) Auch zu diesem Punkt haben wir eine Anhörung durchgeführt. Es war hochinteressant, dass ausgerechnet die Liberalen in diesem Bereich auf Zwangsmaßnahmen setzten. Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir werden sicherlich auch im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise wenn wir mit Verbraucherverbänden oder Kunden vor Ort diskutieren, deutlich machen, dass gerade die Liberalen eher auf Zwang setzen und nicht darauf vertrauen wollten, dass der Kunde hier selbstständig die richtige Entscheidung trifft. ({5}) In der genannten Anhörung haben gerade die Verbraucherverbände davor gewarnt, Zwang auf den Kunden auszuüben, haben aber zugleich angeboten, ihrerseits eine Kampagne, und zwar nicht nur eine kurzfristige, sondern eine längerfristige begleitende Kampagne, zu fahren, um für den Einbau solcher intelligenten Zähler zu werben. Ich denke, darauf sollten wir setzen und nicht auf Zwang gegenüber dem einzelnen Kunden. Meine Damen und Herren, wir haben natürlich den Ehrgeiz, dass möglichst schnell solche intelligenten Zähler in großer Stückzahl eingeführt werden. Deswegen macht es Sinn, sich nicht nur auf freiwillige Umrüstaktionen zu verlassen, ({6}) sondern dafür zu sorgen, dass vonseiten der Anbieter, also der Messstellenbetreiber, dem Kunden ein Angebot unterbreitet wird. Wir haben also den Spieß umgedreht und eine Angebotspflicht vorgesehen. Ich glaube, das liegt im Interesse beider Seiten; denn wenn alle Anbieter solche Angebote machen müssen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein entsprechender Wettbewerb stattfindet, dass sich die Qualität der intelligenten Zähler von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, dass die Kosten für diese Zähler aufgrund des Wettbewerbs und der Herstellung großer Stückzahlen möglichst gering ausfallen usw. So werden Skaleneffekte ausgelöst, die sich insgesamt zugunsten des Kunden auswirken.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Hempelmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kopp?

Rolf Hempelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002671, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Hempelmann, ich kann Sie beruhigen: Die FDP setzt nach wie vor auf die Stärkung des Wettbewerbs und auf die Marktkräfte. ({0}) Machen Sie sich keine Sorgen. Ich möchte Ihnen nur sagen: Die Skaleneffekte, die erreicht werden sollen, können nur dann tatsächlich erzielt werden, wenn eine standardisierte Grundtechnik zum Einsatz kommt. Das ist der Punkt. Ich habe ja davon gesprochen, wie wichtig es ist, auf Nachbarländer zu schauen, um nicht die Fehler zu machen, die dort begangen wurden. Wie wollen Sie nun verhindern, dass durch die Installation unterschiedlicher Techniken, die nicht kompatibel sind, die Stromanbieter die Wechselfähigkeit von Stromkunden, die zum Wechsel bereit wären, unterbinden oder erschweren? Wenn die Installation neuer Zähler als Kundenbindungsinstrument genutzt würde, würde genau das Gegenteil von dem eintreten, was wir uns wünschen, nämlich mehr Wettbewerb.

Rolf Hempelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002671, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kopp, ich freue mich zunächst einmal, dass ich mir keine Sorgen machen muss; denn in der kurzen Zeit nach Ihrer Rede haben Sie offenbar Ihre Meinung und Ihre Position geändert und setzen jetzt auf Freiwilligkeit bei den Kunden. ({0}) Genauso müssen Sie sich keine Sorgen machen. Denn Ihr berechtigtes Anliegen ist bei der Koalition in guten Händen. Wir haben im Rahmen unserer Verhandlungen eine Protokollnotiz erstellt, in der vorgesehen ist, dass das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit der Bundesnetzagentur ein Verfahren entwickelt, das zur Standardisierung in dem Bereich des Mess- und Zählwesens führt. Es ist doch klar - da haben Sie völlig recht -: Wir brauchen Standards, die dazu führen, dass die unterschiedlichen Geräte untereinander kompatibel sind und ein Anbieterwechsel nicht erschwert oder verhindert wird. ({1}) Durch die Arbeit der Bundesnetzagentur, die in diesem Bereich schon Zuständigkeiten hat, ist sichergestellt, dass dieser Punkt beachtet wird. Darauf können Sie sich verlassen. Ein anderer Punkt, der in diesem Zusammenhang von uns als sehr wichtig erachtet wird, ist die Pflicht der AnRolf Hempelmann bieter, lastvariablen- bzw. tageszeitabhängige Tarife anzubieten. Auch dafür braucht man Standardisierungen. Es ist daher sehr sinnvoll, wenn wir die Einführung intelligenter Zähler zügig vorantreiben. Es wird auch zunehmend das Interesse der Anbieterseite sein, dass sich möglichst viele Kunden für beispielsweise tageszeitabhängige Tarife entscheiden. Daraus ergibt sich nicht nur ein Vorteil auf der Kundenseite. Zu der Zeit, in der Kraftwerke besonders ausgelastet sind, wird der Kunde seine Spül- oder Waschmaschine nicht anstellen, sondern dann, wenn es eine Minderauslastung der Kraftwerke gibt, was zum Beispiel nachts der Fall ist. ({2}) Davon hat auch der Kraftwerksbereich einen Vorteil. Wenn man nämlich auf diese Art und Weise den Einsatz von Kraftwerken verstetigen kann und wenn man weniger Spitzenlaststrom braucht, dann führt das dazu, dass man möglicherweise weniger Kraftwerke bauen muss. Man kommt also mit einem geringeren Stromangebot aus, als dies bei jedem anderen Szenario der Fall sein würde. Es gibt also Vorteile sowohl für die Angebotswie für die Nachfrageseite. Alle Experten haben gesagt, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist. Der Fortschritt im Mess- und Zählwesen und im Bereich der intelligenten Zähler kann sich auf diese Weise segensreich auswirken. Meine Damen und Herren, diese Entwicklung wollen wir kurzfristig mit dem vorliegenden Gesetz anstoßen. Ich glaube, dass wir damit eine Chance haben, mittelund längerfristig die Energielandschaft in Deutschland entscheidend weiterzuentwickeln und zu verändern. Es kommt zu einer völlig anderen Form der Vernetzung von Anbietern und Kunden. Der Kunde wird sozusagen zum Prosumer; denn der Verbraucher, also der Consumer, wird gleichzeitig Produzent. Das gilt besonders für den Bereich der erneuerbaren Energien, da wir viele Haushalte dazu bringen wollen, sich mit Fotovoltaik und ähnlicher Technik auszustatten. Es ist zwingend notwendig, dass es hier zu einer sehr viel engeren Verbindung von Nachfrage- und Angebotsseite kommt. Das wird dazu führen, dass auch diejenigen, die bisher nur Kilowattstunden verkauft haben und dementsprechend ein großes Interesse an dem Verkauf von möglichst großen Strommengen hatten - das ist ja unter klimaschutzpolitischen Gesichtspunkten nicht das Gelbe vom Ei -, ihr Geld nicht mehr mit Mengenverkauf, sondern mit Energiedienstleistungen verdienen werden. Wir sehen diese Entwicklung im Bereich des Contracting, also bei den Verträgen, die Energieanbieter mit großen Kunden abschließen. Es ist völlig klar, dass sich eine entsprechende Entwicklung im Bereich der normalen Haushaltskunden anbahnt. Der Kunde kauft dann nicht mehr Kilowattstunden Strom, sondern Kälte, Wärme und die Energieversorgung seiner elektrischen Geräte zu einem Fixpreis mit bestimmten Nebenabreden im Falle von Mehr- bzw. Minderverbrauch. Ich denke, das ist ein Modell der Zukunft. Dafür müssen die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden. Das tun wir mit der Liberalisierung des Messund Zählwesens und mit der Einführung intelligenter Zähler für lastvariable- und tageszeitabhängige Tarife. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Kurt Hill von der Fraktion Die Linke. ({0})

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz bedeutet, Energie klug zu nutzen. KraftWärme-Kopplung, KWK genannt, ist das Konzept für Zukunftskraftwerke. Sie nutzen Strom und Wärme. Heute wird so viel durch Stromerzeugung entstehende Wärme fortgeworfen, dass man mit der Gesamtmenge alle Haushaltungen heizen könnte. Wir können es uns nicht leisten, so mit den teuren endlichen Brennstoffen umzugehen. ({0}) Aber was heißt das? Erstens. Das Kraftwerk gehört vor Ort. Zweitens. Dort wird so viel Energie erzeugt, wie gebraucht wird - möglichst sauber und möglichst effizient. Drittens. Wer Strom erzeugt, sollte auch die anfallende Wärme umfassend nutzen. Viertens. Deshalb macht die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung Sinn. Fünftens. Diese effiziente Energieerzeugung nutzt bis zu 90 Prozent des Brennstoffes aus. Zum Vergleich: Ein herkömmliches Kohlekraftwerk lässt zwei Drittel der eingesetzten Energie ungenutzt. In den letzten Wochen und Monaten mussten wir bei diesem Thema Erstaunliches erleben. Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister - sonst zu keinen Gemeinsamkeiten bereit - fordern neue große Kohlekraftwerke, die nicht einmal die Hälfte der eingesetzten Energie nutzen. Nicht nur das: Eine Gruppe aus Energiebossen und Vertretern der CDU/CSU will uns erklären, dass diese Energieverschwendungsanlagen billigen Strom lieferten und umweltfreundlich seien. ({1}) Und: Sie bekämpfen die Förderung der Kraft-WärmeKopplung als nicht marktgerecht. Ich möchte das einmal so bewerten: Klug war das nicht. Denn die gebeutelten Stromkundinnen und -kunden fragen sich natürlich mit Blick auf RWE & Co: Was für ein Markt? So ist es auch kein Wunder, dass sich Bürgerinnen und Bürger landauf, landab gegen Megakraftwerke der Konzerne wehren - und das mit Erfolg. Es zeigt sich auch, dass die Vorstellung von Vattenfall: „Dumm, dümmer, Kunde“ nach hinten losgegangen ist; denn die Leute sind klug genug, den Stromversorger zu wechseln. Damit die Stromangebote bezahlbar bleiben und transparent sind, sollen heute der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und der Entwurf eines Gesetzes für Wettbewerb im Messwesen verabschiedet werden; auf beide möchte ich kurz eingehen. Das KWK-Gesetz hat das Ziel, die effiziente Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 Prozent zu erhöhen. In der Tat enthält der Gesetzentwurf zahlreiche gute Vorschläge - wohl nachdem die Hardliner in den Reihen der CDU/CSU etwas zurückgepfiffen wurden. Im Kern muss aber festgestellt werden, dass die Vorlage nach wie vor entscheidende Mängel hat. Ich will deshalb noch einmal deutlich machen, warum wir die Kraft-Wärme-Kopplung nicht halbherzig fördern dürfen. Kluge Energieerzeugung schafft Arbeit. In der herkömmlichen Energiewirtschaft werden bis 2020 mindestens 45 000 Stellen verloren gehen - gerade wegen neu geplanter Megakraftwerke, die fast ohne Personal laufen. Im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung können bis zu 60 000 neue Arbeitsplätze entstehen, wenn das KWK-Potenzial genutzt wird. Nach einer Studie des Bremer Energie-Instituts könnte der KWK-Anteil bis 2020 sogar auf 36 Prozent wachsen. Deshalb wäre es absurd, wenn nicht einmal ein Viertel geschafft wird. Wer sich dem Ausbau kluger Energieanlagen verweigert, der riskiert in der Tat zwei Probleme: erstens das Verfehlen der erforderlichen Ziele im Klimaschutz zur Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 - ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Beseitigung der Folgen der Erderwärmung um ein Vielfaches teurer ist als ambitionierter Klimaschutz - und zweitens die Gefahr einer Stromlücke und damit die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Damit sind wir beim Kern der Debatte. Teile der CDU/CSU wollen die Zukunftsenergien gezielt gegen die Wand fahren, um die Stromwirtschaft von gestern zu bedienen. Diese Verweigerer sind es, die mit den Ängsten hinsichtlich der Versorgungssicherheit spielen. Das ist mit uns nicht zu machen. ({2}) Wir, die Linke, fordern Sie deshalb auf, sich für ein kluges KWK-Gesetz starkzumachen. Beseitigen Sie die grundlegenden Mängel. Erstens. Der angestrebte KWK-Anteil wird nicht erreicht werden, da die Anreize zu gering sind. Es reicht nicht aus, Herr Kelber, 25 Prozent als Ziel aufs Deckblatt zu schreiben. Man muss auch den Weg zu diesem Ziel aufzeigen. ({3}) Die Linksfraktion fordert deshalb eine Erhöhung der Förderdauer auf acht Jahre oder 40 000 Volllaststunden und eine vollständige Aufhebung der jährlichen Förderbegrenzung. Zweitens. Auch klimaschädliche Kohlekraftwerke werden mit dem vorliegenden Entwurf staatlich gefördert. Wenn es um konsequenten Klimaschutz geht, kneift die Große Koalition. Das ist ebenfalls nicht hinnehmbar. Aus diesem Grund muss sich die Linke bei dieser Abstimmung enthalten. Dem Entwurf eines Gesetzes zum Messwesen werden wir zustimmen, auch wenn die Regierung in diesem Fall zu zögerlich ist. Die Öffnung der Messdienstleistung dient der Transparenz für die Strom- und Gaskunden. Durch bessere Information und so genannte intelligente Zähler bekommen die Haushalte einen besseren Überblick über ihren Strom- und Gasverbrauch. So fällt es leichter, Energie zu sparen und mehr für das Klima zu tun. Ich fasse zusammen: Wer Energieverschwendung mit ganzseitigen Anzeigen in Tageszeitungen rechtfertigt, ist unglaubwürdig. Er will Kasse machen, statt Strom und Wärme zu bezahlbaren Preisen zu liefern. Glaubwürdig sind konsequenter Klimaschutz, kluge Energieerzeugung und Transparenz für die Strom- und Gaskunden. Das ist der beste Garant für eine stabile, sichere und umweltfreundliche Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und mehr Beschäftigung mit neuer Energie. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Bärbel Höhn von Bündnis 90/Die Grünen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, über den wir heute sprechen, ist ein Musterbeispiel für die Klimapolitik der Bundesregierung: Erst machen Sie große Ankündigungen, dann wird lange gestritten, und am Ende kommt ein unzureichendes Gesetz heraus, mit dem die angekündigten Ziele verfehlt werden. So sieht Klimaschutz nicht aus. ({0}) Sie versprechen viel, Sie streiten viel und Sie tun wenig. Das ist eine enttäuschende Bilanz Ihrer KWK-Novelle. Das ist auch eine enttäuschende Bilanz der gesamten Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung. Worum geht es in diesem Gesetz? Es geht um Kraftwerke, die Strom erzeugen, aber gleichzeitig die Wärme, die sie dabei produzieren, nutzbar machen sollen. Das ist gerade in Zeiten, in denen die Energiepreise immer weiter nach oben gehen, absolut wichtig. Wir müssen einfach mehr Energie einsparen, um den steigenden Energiepreisen etwas entgegenzusetzen. Das ist ein soziales Problem. ({1}) Deshalb ist es wichtig, dass wir Kraft-WärmeKopplungs-Anlagen bauen. Aber solche Kraftwerke entstehen nicht auf der grünen Wiese - wo soll denn dann die Wärme hin? -, sondern solche Kraftwerke entBärbel Höhn stehen nur als kleine Kraftwerke in den Zentren, wo man die Wärme in die Wohnungen leiten kann. Deshalb müssen wir über die Kraftwerksstruktur nachdenken; denn es ist absolut unangemessen, dass die großen Kraftwerke über 50 Prozent ihrer Energie als Wärme ungenutzt in die Luft entlassen. Ihre Förderung von großen Kohlekraftwerken ist das Gegenteil von dem, was mit der Kraft-Wärme-Kopplung erreicht werden muss. ({2}) Leider gibt es in Deutschland zu wenig effiziente Kraftwerke. Ihr Anteil beträgt gerade einmal 12 Prozent. Damit liegt Deutschland innerhalb der EU auf dem zwölften Platz. In Finnland beträgt der Anteil 39 Prozent, in Dänemark sogar über 50 Prozent. Woran liegt das? Die Wirtschaft hatte eine freiwillige Selbstverpflichtung formuliert und angestrebt, den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis 2010 von 20 Prozent zu erreichen. Dieses Ziel hat die Wirtschaft weit verfehlt. Die Wirtschaft hat sich mit ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung kräftig blamiert. Es ist ein Armutszeugnis, dass das Ziel nicht erreicht worden ist. ({3}) Es muss etwas geschehen. Sie sagen jetzt, dass der Anteil von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung bis 2020 auf 25 Prozent erhöht werden soll. Damit würden wir aber keinen Spitzenplatz einnehmen. Auch dann würden wir immer noch weit hinter anderen Ländern liegen. Wir würden gerade einmal das Niveau erreichen, das Rumänien heute hat. Dieses Land wird 2020 aber wahrscheinlich weiter als heute sein. Das Ziel, das Sie in diesem Gesetz vorgeben, werden Sie mit diesem Gesetz nicht erreichen. In der Anhörung haben - darauf hat Herr Hempelmann schon hingewiesen - alle Experten gesagt: Die Mittel, die Sie einsetzen, sind zu gering. Herr Pfeiffer, Sie wollen darauf mit der Erfindung des sogenannten atmenden Deckels reagieren. Dazu muss ich sagen: Wenn die Mittel zu gering sind, nützt es auch nichts, wenn man sie von dem einen Jahr auf das andere Jahr übertragen kann. Das heißt de facto: Wir brauchen mehr Mittel, damit Kraft-Wärme-Kopplung besser gefördert werden kann. ({4}) Über die Fördermittel, die Sie vorsehen, werden wir höchstens eine Steigerung des Anteils von Kraft-WärmeKopplung auf 18 bis 19 Prozent erreichen. Das Ziel von 25 Prozent, das Sie vorgeben, werden Sie weit verfehlen. Mutiger Klimaschutz sieht anders aus als das, was Sie uns heute vorlegen. ({5}) Mit Ihrer Zögerlichkeit beim Ausbau der KraftWärme-Kopplung reißen Sie neue Lücken in das ohnehin löchrige Klimapaket. Über Kraft-Wärme-Kopplung sollten eigentlich 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Sie werden es auf höchstens 7 bis 10 Millionen Tonnen bringen. Sie werden noch nicht einmal die Hälfte von dem erreichen, was Sie vor einem Jahr versprochen haben. Wenn man bedenkt, dass das Ziel im Jahr 2020 liegt und schon ein Jahr nach Verkündigung dieses Ziels nur noch die Hälfte der Vorgabe erreicht werden kann, muss man sagen: Das ist ein Armutszeugnis. Wo landen Sie wohl 2020? Das ist wirklich ein Armutszeugnis! ({6}) Ein sehr schlimmer Effekt kann eintreten, wenn große Kohlekraftwerke, die nur einen Teil der Wärme auskoppeln - das hat Herr Hill eben angesprochen -, aufgrund einer EU-Regelung über dieses Gesetz gefördert werden könnten. Damit würde der Klimaschutz ad absurdum geführt werden. Es wäre doch absurd, wenn wir große Klimakiller, die nur einen Teil ihrer Wärme auskoppeln, über dieses Gesetz fördern würden. Sorgen Sie dafür, dass das nicht geschieht. Sonst würde das wenige Geld auch noch in die falschen Kraftwerke gesteckt. ({7}) - Das Problem ist, dass Sie die Mittel zu den falschen Kraftwerken lenken. Das ist nicht in Ordnung. Das andere Gesetz, über das wir hier diskutieren, ist das Gesetz zum Zähl- und Messwesen. Das finden wir okay. Das zielt in die richtige Richtung. Das ist ein gutes Instrument. Ich muss aber ehrlich sagen: Das könnte ruhig schneller eingeführt werden. Sie könnten ruhig mal „ein Schüppchen“ drauflegen. Man soll sagen können: Wenn ich die Energie dann oder dann nutze, dann zahle ich weniger. Dafür brauchen wir intelligente Zähler. ({8}) Diese Zähler sind gut und werden von den Verbrauchern gefordert. Ich komme zum Schluss. ({9}) Wenn Sie die Zeitungsartikel der letzten Wochen studiert haben, haben Sie festgestellt, dass Ihre Politik zunehmend in die Kritik gerät. In großen Artikeln wird die Politik der Klimakanzlerin zerfleddert. Immer mehr Leute erkennen, dass das, was sie verspricht, nicht umgesetzt wird. Die Menschen merken, dass Sie viel versprechen, aber wenig halten. Daran merkt man, dass Ihre Politik nicht gut ist. Setzen Sie endlich das um, was Sie versprechen! Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({0})

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die KWK-Novelle ist ein zentraler Bestandteil des Integrierten Energie- und Klimapakets der Bundesregierung. Das ist ein ganz wichtiges Gesetzgebungsvorhaben. Der Minister hätte hier gerne selbst vorgetragen, aber er befindet sich heute auf dem Energieministerrat. Angesichts der Situation im internationalen Energiebereich werden Sie verstehen, dass das sein muss. Wenn ich diese Debatte auf mich wirken lassen, komme ich zu interessanten Feststellungen: Die FDP sagt, dass das Ganze zu viel ist. Gleichzeitig sagt sie aber, dass 750 Millionen Euro an Fördermitteln nicht ausreichen. Das habe ich bei Ihnen als die beiden Kernsätze wahrgenommen, Frau Kopp. ({0}) Sie sagen, es werde zu teuer. Die Linken sagen, man müsse KWK noch viel stärker fördern; doch draußen im Lande beschweren sie sich über Preissteigerungen im Energiebereich und beschimpfen die Bundesregierung. Zu den Grünen, Frau Höhn: Wir verbessern mit dieser Novelle das KWK-Gesetz, das Sie in der rot-grünen Regierungszeit auf den Weg gebracht haben, und zwar in ganz wesentlichen Punkten. Genau das ist richtig. Wir halten mit dem Koalitionsentwurf die Mitte zwischen der Optimierung und der Effizienzsteigerung in der Energiegewinnung. Dabei ist die KWK enorm wichtig und gut. An keiner Stelle können wir so viel zusätzliche Effizienz aus eingesetzter Primärenergie holen, solange wir die KWK intelligent nutzen; das ist ein großer Vorteil. ({1}) Ein weiterer Punkt ist, dass wir sagen: Es muss bezahlbar bleiben. Deswegen müssen wir das Ganze deckeln. Denn wir sind in einer sehr schwierigen Gemengelage. Wir sind im Umbau unserer Energiepolitik. Wir reden hier über einen Anteil der KWK von 25 Prozent an der Stromerzeugung in der Zukunft. Da sind die Technologie und die Zielsetzung, die CO2-Emissionen zu reduzieren, eine ganz wichtige Größenordnung; die Bezahlbarkeit ist die andere. Das geht nicht anders, als dass man einen vernünftigen mittleren Kurs setzt. Denn wir dürfen die Bürger nicht unnötig belasten, ({2}) und wir müssen die energieintensive Industrie im Lande halten. ({3}) Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Dies haben wir sehr vernünftig angelegt. Es ist ein Kurs der Mitte, der zum Ziel führt. Die erstmals größenunabhängig angelegte Förderung des Ausbaus und der Wiedereinführung der Modernisierung von KWK-Anlagen ist wichtig. Auch da wollen wir Erneuerung und nicht nur mit den alten Technologien KWK betreiben. Wir wissen um die Sorgen von bestimmten energieintensiven Betrieben, die sich bisher nicht zu einer Nutzung durchringen konnten. Frau Höhn, auch Sie kennen das Problem: Bürgerinitiativen behindern die eine oder andere KWK-Einrichtung, weil man ein Kleinkraftwerk nicht in der Nähe haben will. Da sind Grüne häufig dabei. Es ist die Gemengelage. In Ihren Köpfen und Ihrer Strategie ist in diesem Zusammenhang ausgesprochen viel Unordnung zu erkennen. Deswegen sagen Sie bitte nicht mit dem erhobenen Zeigefinger: Wir haben den einzig klaren Weg, und die Große Koalition verweigert sich mit kleinen Schritten. - So geht es nicht. ({4}) Die Einbeziehung der KWK-Eigenstromnutzung in die Förderung ist sinnvoll. Die Reduzierung der CO2Emissionen ist vorrangig. Warum muss ich den Strom erst begünstigt ins Netz einspeisen, um ihn dann ganz normal aus dem Netz zu erwerben? Warum geht man nicht den direkten Weg und sagt: Unmittelbar da, wo er erzeugt worden ist, darf er eingesetzt werden und wird in die Begünstigung aufgenommen? Auch die Erstreckung der Förderung auf den Ausund Neubau von Wärmenetzen ist geboten, vernünftig und sinnvoll. Wer kann dagegen sein? Aber nicht nur die Novelle des KWK-Gesetzes trägt zur Erreichung des ambitionierten Ziels - ein Anteil von 25 Prozent an der Stromerzeugung - bei, auch die Wirtschaft muss zu der von ihr abgegebenen Selbstverpflichtung zum KWK-Ausbau stehen. Die KWKNovellierung und die Selbstverpflichtung der Wirtschaft sind die zentralen Bausteine der KWK-Strategie der Bundesregierung. Ein Punkt ist im Zusammenhang mit der Novellierung des KWK-Gesetzes besonders wichtig: Strom muss bezahlbar bleiben. Ich habe das schon erwähnt. Deswegen deckeln wir die von den Stromkunden zu tragende KWK-Umlage auf 750 Millionen Euro. Damit sich keine falschen Vorstellungen im Raum festsetzen, sage ich: Wir haben die Deckelung bei 750 Millionen Euro beweglich gemacht. Wir werden abwarten, wie sich das Ganze vor dieser Förderkulisse entwickelt. Wenn die Summe von 750 Millionen Euro überschritten wird, kann dennoch weiter gefördert werden. Mehr Beweglichkeit kann man an eine Deckelung nicht knüpfen. Da muss man ja schon fast die Frage stellen, ob es überhaupt eine wirksame Deckelung ist. Dennoch halte ich das Signal, dass wir das Ganze deckeln und erst am Ende sehen, welche nachlaufenden FinanzierungsnotwendigParl. Staatssekretär Hartmut Schauerte keiten sich ergeben, hinsichtlich der notwendigen Offenheit für wichtig. Gleichzeitig ist dies ein Hinweis darauf, dass wir bei der Preisentwicklung vernünftig bleiben müssen. Frau Kopp, ich bin sehr gespannt, wie Sie bei den weiteren Schritten in der Politik hinsichtlich alternativer Energien mitgehen und welche Position Sie beziehen. KWK wirkt sich auf die Strompreise immer noch am günstigsten aus; hinsichtlich der Kosten für die Vermeidung von CO2-Emissionen ist sie ausgesprochen günstig, viel günstiger als die meisten anderen Maßnahmen. Sie hat eine ganz hohe - fast 100 Prozent - Wertschöpfung bezüglich der Anlagentechnik hier im Land. Das alles können wir für den Solarstrom in dieser Eindeutigkeit nicht so formulieren. ({5}) KWK ist die vernünftigste, kostengünstigste und effektivste Methode, den Umbau unserer Energiepolitik im Hinblick auf CO2-Emissionen und Preise zumutbar zu organisieren. ({6}) Ich komme zum Messwesen. Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb“ legen wir zehn Jahre nach der gesetzlichen Öffnung der Strom- und Gasmärkte nach. Das ist ein sehr interessanter Schritt; denn unser Messwesen ist völlig verkrustet. Es lässt den Konsumenten dumm und regt ihn nicht dazu an, die Veränderungen der Verbrauchswerte aufmerksam zu beobachten. Die Konsumenten warten lediglich ab, bis sie am Jahresende ihre Rechnung erhalten. Wir müssen mit zusätzlichen intelligenten Angeboten dafür sorgen, dass das Messwesen in die tägliche Wahrnehmung der Menschen rückt. Es soll nicht nur gemessen werden, wie viel Strom verbraucht wird, sondern es sollte auch abgelesen werden können, wie hoch die Jahresrechnung sein wird und wie hoch die Preise pro Einheit sind. Wie beim Tanken sollte man nicht nur die Zahl der getankten Liter im Blick haben, sondern auch den Preis pro Liter. Viele Leute achten beim Tanken aber gar nicht auf die Literzahl, sondern nur auf den Preis. Durch intelligente Messtechnik kann man noch viel mehr erreichen. Ich sage: Frühe Information ist der beste Weg, um das Verhalten der Menschen zu ändern. Denn nur mit Daten und Informationen kann man das Verhalten vernünftiger Bürger ändern. Man meint zwar, das sei nur eine relativ kleine Stellschraube. Sie hat aber eine enorme Wirkung. Ich bin froh und dankbar, dass wir die Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb jetzt herbeiführen. Damit bauen wir einen ganz neuen Wertschöpfungs- und Dienstleistungsapparat auf. Das kommt allen, die in diesem Bereich tätig sind, zugute. Denn dadurch bekommen sie neue Aufträge. Wenn sich die Menschen an der Höhe der Verbrauchswerte und an der Entwicklung der Kosten orientieren, führt das außerdem zu einer größeren Bereitschaft, sich anders und damit ökologisch und ökonomisch sinnvoller zu verhalten. ({7}) Ich denke, das ist eine gute Sache. Ich möchte darauf hinweisen: Die Gesetzentwürfe sind erstens ein sehr wichtiger Schritt, um bis zum Jahr 2020 etwa 25 Prozent der Stromerzeugung aus der Kraft-Wärme-Kopplung zu gewinnen. Zweitens sind sie sehr wichtig, weil durch sie das Verhalten geändert und die Informationslage verbessert werden. Unter dem Gesichtspunkt der preislichen Belastung sind sie sehr wahrscheinlich eine der günstigsten Operationen, die wir beim schwierigen Umbau unserer Energiepolitik vor uns haben. Ich möchte betonen: Wer noch nicht einmal bei diesem Schritt dabei ist, wird es sehr schwer haben, bei den nächsten anstehenden Schritten noch eine ernst zu nehmende CO2-Vermeidungsstrategie zu erklären. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Hans-Kurt Hill.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär Schauerte, gestatten Sie mir eine Feststellung und eine kurze Nachfrage. Sie haben kritisiert, wir würden uns außerhalb des Parlaments darüber beschweren, dass die Strompreise steigen. Erklären Sie mir bitte einmal, wieso eine KWK-Förderung zu Strompreiserhöhungen führen soll. Ist es nicht eher so, dass mit diesem Gesetz eine dezentrale Struktur einschließlich Kleinst-KWK-Anlagen geschaffen wird, womit man dem Monopol entgegentritt, was letztlich günstigere Preise zur Folge haben sollte?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär Schauerte zur Erwiderung, bitte.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Herr Kollege, wenn Sie das so sehen - ich bin nicht ganz Ihrer Meinung -, warum stimmen Sie dann nicht zu? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Hans-Josef Fell vom Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung zerbröselt an fast allen Ecken und Enden. ({0}) Zu Recht beklagt der Umweltminister, dass die Union beim Klimaschutz nur bremst. Es ist gut, dass er in den letzten Tagen den Mut hatte, dies auch öffentlich zu sagen. Der Klimaschutzheiligenschein von Kanzlerin Merkel ist längst verblasst, vor allem deshalb, weil sie Wirtschaftsminister Glos und die Unionsfraktion gegen den Klimaschutz agitieren lässt. ({1}) Umweltminister Gabriel hat keine Legitimation, dies zu kritisieren, tritt er doch selbst als Schutzpatron der Produktion von spritfressenden Autos auf. Nicht nur Kanzlerin Merkel und Minister Glos versagen, die gesamte Bundesregierung versagt, wenn es um wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz geht. ({2}) Ein Paradebeispiel ist der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, über den wir heute beraten. In der Tat könnte und müsste die Abwärme, die bei der Stromerzeugung anfällt, endlich für Raumheizung, als industrielle Prozesswärme und zur Kühlung nutzbar gemacht werden. Doch dies geht in der Regel nur mit dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung, nicht mit neuen großen Kohlekraftwerken und auch nicht mit einer Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. In vielen heutigen Kraftwerken werden zwei Drittel der zur Stromerzeugung eingesetzten Energie nicht genutzt, sondern an die Umwelt abgegeben. Flüsse werden aufgeheizt, große Dampfwolken steigen über Kühltürmen auf - mit fatalen Folgen für die Umwelt und das Klima. Mit zunehmender Klimaerwärmung wächst im Sommer die Notwendigkeit, die großen Kraftwerke zu drosseln oder sie gar abzuschalten, weil die aufgeheizten Flüsse die Kraftwerke nicht mehr ausreichend kühlen können. Großflächiges Fischesterben ist die Folge. Und bei alldem geht es um gigantische CO2-Emissionen, die vermeidbar sind. Wer heute noch in große Wärmekraftwerke investiert, erhöht das Risiko, dass im Hochsommer die Stromversorgung zusammenbricht. ({3}) Die Kraft-Wärme-Kopplung ist ein wichtiger Teil der Lösung. Es ist gut, dass die Große Koalition den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis 2020 auf 25 Prozent erhöhen will. Doch wie immer bleibt es bei einer Zielvorstellung. Wie die Sachverständigen in der Anhörung gesagt haben: Solange die jährliche Förderung auf 750 Millionen Euro beschränkt ist, werden Sie das KWK-Ziel nicht erreichen. ({4}) Nun gibt es im heute zu beratenden Gesetzentwurf gegenüber dem Regierungsentwurf durchaus einige Verbesserungen, etwa die Abschaffung der unsinnigen jährlichen Degression der Vergütungssätze. Doch die finanzielle Deckelung haben Sie nicht gestrichen. Wir sehen in Ihrem neuen Vorschlag für eine Flexibilisierung keine Lösung, da das Gesamtvolumen weiterhin gedeckelt bleibt. So wird das Ziel von 25 Prozent Kraft-WärmeKopplung an der Stromerzeugung bis 2020 nicht erreichbar sein. ({5}) Sie binden die Definition von Kraft-Wärme-Kopplung an die kommende EU-Richtlinie. Doch in dieser wird - welch Graus! - noch eine geringfügige Wärmeauskopplung aus neuen großen Kohlekraftwerken als Kraft-Wärme-Kopplung definiert. Sie missbrauchen damit das Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zur finanziellen Unterstützung neuer großer Kohlekraftwerke. ({6}) So, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, werden Sie nicht Klimaschutz erreichen, sondern zu weiterer Klimazerstörung beitragen. Lernen könnten Sie vom Musterland der KraftWärme-Kopplung, von Dänemark. Mit einem Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung von über 50 Prozent glänzen die Dänen. In den 90er-Jahren haben sie ein Moratorium für den Neubau von Kohlekraftwerken erlassen. Binnen weniger Jahre wurde so der hohe KWK-Anteil erreicht. Wir Grünen fordern von Ihnen auch für Deutschland ein Moratorium für den Neubau von Kohlekraftwerken. Der größte Verhinderer ist ausgerechnet Umweltminister Gabriel, der immer mehr zum deutschen Kohleminister wird. Herr Kohleminister Gabriel, lassen Sie endlich ab von dem Irrweg der Kohle! Schaffen Sie ein Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, das diesen Namen verdient! Und entwickeln Sie endlich eine Strategie für Stromeinsparung! Dann wird in Verbindung mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wirklicher Klimaschutz möglich. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dirk Becker von der SPDFraktion. ({0})

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestatten Sie mir, bevor ich auf die - man kann nicht sagen: Argumente ({0}) zusammenhanglosen, inhaltsleeren Ausführungen einiger Oppositionspolitiker ({1}) eingehe, eine kurze Rückschau. ({2}) - Warten Sie es ab; Sie können sich gleich noch aufregen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat vor fast genau zwei Jahren begonnen, die Novellierung des KWKGs vorzubereiten. Es gab damals ein Fachgespräch, bei dem es darum ging, warum wir mit dem bisherigen KWKG unser Ziel - wie wir gehört haben - nicht erreichen werden. Es wurden im Wesentlichen drei Dinge herausgearbeitet: zum Ersten, dass neben der Modernisierung zukünftig auch der Neubau in die Regelung einbezogen werden muss; zum Zweiten, dass der gesamte erzeugte KWKStrom, auch der der industriellen KWK, einbezogen werden muss; zum Dritten, dass wir uns parallel darum kümmern müssen, die Wärme zu den Verbrauchern zu leiten, also auch hinsichtlich der Wärmenetze Regelungen zu treffen. Daraus ist in zwei Jahren ein Gesetzentwurf entstanden, den wir im letzten Jahr mit dem klaren Ziel vorgelegt haben, den Anteil des KWK-Stroms in Deutschland bis 2020 zu verdoppeln. ({3}) Wir alle haben gewusst, dass das nicht einfach wird, aber ich glaube, wir haben in sehr intensiven und langen Verhandlungen mit der Union gute Überzeugungsarbeit geleistet. ({4}) - Doch, Frau Reiche. Ich sage Ihnen nur eines: Ich habe eben die Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs, Herrn Schauerte, mit Interesse gehört und zu Rolf Hempelmann gesagt: Diese Rede hätte er vor zwei Jahren noch nicht gehalten. Das zeigt die gute Entwicklung in Ihrer Fraktion. ({5}) Liebe Kollegen der Großen Koalition, entscheidend ist doch eines: Wir stehen heute gemeinsam für einen Entwurf gerade, der sich in der Tat sehen lassen kann. Herr Fell, mit Verlaub: Das, was Sie eben gesagt haben, entbehrt jeglicher Grundlage. ({6}) Sie haben mittlerweile eine Standardrede, die Sie in jeder Debatte über Energiepolitik vortragen: Die Große Koalition scheitert. ({7}) Ich sage Ihnen einmal Folgendes: Das Problem ist, dass Sie in Ihrer Kammer bzw. Ihrem Turm sitzen und zuallererst stinksauer darüber sind, dass Sie bei der Erarbeitung dieser erfolgreichen Gesetze nicht mitgemacht haben. Der Stachel sitzt tief. ({8}) Die Branche ist in der Lage, diese Gesetze objektiv zu bewerten. Sowohl hinsichtlich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes als auch hinsichtlich des KWKG sagen uns eben nicht nur die Großen, sondern vor allen Dingen auch der VKU und die Kleineren: Das ist ein guter Entwurf. Damit können wir jetzt etwas machen. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis. ({9}) Ich will noch etwas sagen: Es scheint für manche nicht begreifbar zu sein, was es mit dem Deckel bei der Förderung der KWK auf sich hat. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal versuchen soll, das zu erklären. Rolf Hempelmann hat gesagt, dass die SPD zunächst die Forderung des Bundesrates aufgegriffen hat, den Deckel sozusagen auf 950 Millionen Euro zu erhöhen. Wir standen vor der Überlegung, was das bedeutet hätte. Das hätte dazu geführt, dass diese 950 Millionen Euro zwar zur Verfügung gestanden hätten, in den ersten Jahren aber nicht abgeflossen wären, weil die Investitionen ja erst einmal getätigt werden müssen. Es müssen Aufträge erteilt werden etc. Die Branche hat uns gesagt: Uns ist es lieber, den Deckel bei 750 Millionen Euro zu belassen, die Förderung bei Erreichen dieser Summe aber nicht zu beenden, sondern die Möglichkeit zu haben, die Förderansprüche in die Folgejahre zu übertragen. Das heißt, jeder, der hier investiert, bekommt sein Geld. Diese Botschaft sollten wir auch nach draußen senden und nicht, wie Sie, verkürzt darstellen. Durch diese Regelung tragen wir dazu bei, den Anteil von 25 Prozent zu erreichen. Jeder erhält seine Förderung. ({10}) - Sie können hier noch 30-mal dazwischenrufen. Das ändert nichts an der Falscheinschätzung. Frau Höhn ist nicht mehr da; sie muss sich jetzt wahrscheinlich auf die nächste Runde vorbereiten. Die Darstellung, wir würden auch mit dem KWKG wieder nur Geld hinter großen Konzernen herschmeißen, ist falsch. Wenn man das Gesetz liest und auch versteht - das ist ja ein Unterschied -, dann erkennt man zwei Voraussetzungen: Zum einen wird nur hocheffiziente KWK im Sinne der EU-Richtlinie gefördert. Wenn man sich das durch17726 liest, dann erkennt man, dass sich die Argumentation von Frau Höhn erübrigt. ({11}) Zum anderen wird nur der durch KWK erzeugte Anteil gefördert. Es ist wichtig, das zu verstehen, um dem Vorwurf, das sei wieder nur ein Gesetz für die Großen, zu widersprechen. ({12}) Ich will die ganzen inhaltlichen Punkte hier nicht mehr aufgreifen. Herr Dr. Pfeiffer, Herr Hempelmann und andere haben dargestellt, welche Regelungen wir getroffen haben. Wir haben das Ziel festgeschrieben, die gesamte KWK zu fördern. Das gilt auch für die der kleinen Unternehmen. Das ist wichtig; denn eines ist für die Leute draußen interessant, die wahrscheinlich immer noch nicht wissen, über was wir bei der KWK reden: Mit der Förderung der KWK erreichen wir auch die Großen. Diese wollen wir auch erreichen, weil wir sie brauchen. Wir wollen große Kraftwerke, bei denen Kraft-WärmeKopplung betrieben wird. Mit der KWK kann aber auch jeder Häuslebesitzer zum Kraftwerksbetreiber werden. Jeder in seinem Keller, jedes Krankenhaus, jede Universität, wirklich jeder hat die Möglichkeit, mit einer auf ihn passend zugeschnittenen Anlage sein eigener Kraftwerksbetreiber zu werden und auf diesem Weg einen großen Beitrag zum Klimaschutz und zur Unabhängigkeit zu leisten, weil der Energieverbrauch dadurch deutlich reduziert wird. Ich denke, das ist eine gute Botschaft für alle Menschen in diesem Land. ({13}) Wichtig ist mir auch, zu betonen, dass die vier Gesetze, die wir heute beraten, deutlich zeigen - die Bundeskanzlerin ist jetzt leider nicht mehr da; aber das mache ich mit einem gewissen Stolz mit Blick auf die eigene Fraktion -: Die SPD steht nicht nur, wenn es darum geht, Ziele zu vereinbaren und tolle Zahlen zu beschließen, sondern sie steht auch dann, wenn es darum geht, diese Ziele in Gesetze umzusetzen. Darauf kann diese Fraktion besonders stolz sein. ({14}) Zum Schluss ein Wort zu der unsäglichen Debatte gerade von Leuten, Frau Kopp, ({15}) die sich immer eines besonders großen wirtschaftspolitischen Verstandes rühmen. ({16}) - Sie beweisen hier aber ständig das Gegenteil. ({17}) Zu argumentieren, das alles führe zu mehr Belastungen der Verbraucher, ({18}) ist eine derart kurzsichtige Betrachtung, dass sie eigentlich nicht einmal für eine Wahlperiode reicht. ({19}) Völlig klar ist, dass wir - das sollte hier mittlerweile eigentlich zum Abc gehören - eine Umsteuerung in der Energiepolitik wollen und brauchen: hin zu erneuerbaren Energien, zu mehr Einsparung von Energie, aber auch zu Effizienz. Effizienz ist ein wesentliches Kriterium. ({20}) - Ja, nicht zu jedem Preis. Diese Argumentation hätte ich gerne beim Thema Kernenergie von Ihnen gehört. ({21}) Der Umbau der Energiepolitik in diesem Land kostet Geld. Das muss man den Menschen sagen. Wir werden heute mit moderaten Umlagen den Menschen eine Erhöhung der Stromrechnung um 3, 4, 5 Prozent abverlangen. ({22}) Wenn Sie das nicht wollen, sind Sie diejenigen, die dafür sorgen, dass die bisher bestehenden Energieversorgungsstrukturen beibehalten werden. Sie wollen das Geld weiter nach Saudi-Arabien und Russland schaffen. ({23}) Wir wollen eine Energieversorgung, mit der im eigenen Land durch Effizienzmaßnahmen, durch den Ausbau erneuerbarer Energien die Wertschöpfung ausgebaut und stärker im Land belassen wird. Davon haben alle etwas, die Handwerker und alle Menschen in diesem Land. Wir werden unabhängiger von Energieimporten und schaffen neue wirtschaftliche Strukturen. ({24}) Frau Kopp, wir sind nicht nur Weltmarktführer im Bereich klassischer Kraftwerkstechnologien, sondern auch in den meisten Branchen der erneuerbaren Energien. ({25}) Wir wollen mit unserer Politik die Versorgungssicherheit, die wirtschaftspolitischen Aspekte, den gesamten volkswirtschaftlichen Nutzen und den Klimaschutz unter einen Hut bringen. Genau das geschieht heute mit den vier Gesetzen, die wir vorgelegt haben. Ich gebe Herrn Dr. Pfeiffer ausdrücklich recht: Es ist ein guter Tag für die Energiepolitik in diesem Land. Danke. ({26})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich das Wort dem Kollegen Franz Obermeier von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Kraft-Wärme-Kopplung genoss in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit ein Schattendasein. Es muss Gründe dafür geben, warum in der Bundesrepublik Deutschland der Anteil der Stromerzeugung aus KraftWärme-Kopplung bei gut 12 Prozent liegt, während er in anderen industrialisierten Ländern deutlich darüber liegt, bis 40, 50 Prozent. Der Frage nachzugehen lohnt sich. Die Koalitionsfraktionen haben sich des Themas angenommen und für meine Begriffe einen ersten wesentlichen Schritt zur Zielerreichung getan, nämlich eine Verdoppelung des Anteils der Stromerzeugung aus KraftWärme-Kopplung. Nun kann man darüber philosophieren, ob wir bis 2020 das Ziel erreichen oder nicht. Dass das nicht einfach ist, wird wohl jeder Sachkundige sehen. Aber wir haben in den nächsten zwölf Jahren Gelegenheit, nachzujustieren und dort nachzubessern, wo es sein muss. Wo liegen die Probleme in Deutschland? Warum sind wir in der Vergangenheit bei der Kraft-Wärme-Kopplung nicht so vorangekommen, wie wir das gern gehabt hätten? - Bei der Gelegenheit: Solange ich den Herrn Staatssekretär kenne, ist er ein Anhänger von Effizienz. ({0}) Er hat meines Erachtens also keinen Bedarf an Nachhilfe in diesen Fragen. Woran hapert es in der Bundesrepublik Deutschland beim Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung? Meines Erachtens haben wir nicht ein Erkenntnisproblem, sondern ein Problem bei der Verteilung der Wärme. Wir haben in der Vergangenheit viel zu wenig darauf geachtet, dass bei neuen industriellen Produktionsanlagen stärker Druck dahin ausgeübt wird, die notwendige Wärme in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung produktionsstandortnah zu erzeugen. Das ist deswegen interessant, weil wir in den zurückliegenden Jahren schon einen Umbau der Strukturen in der Stromerzeugung in der Bundesrepublik Deutschland erlebt haben. Ich habe in meinem Heimatland Bayern erlebt, dass die großen Kraftwerke, Kohlekraftwerke zum Beispiel, bis auf einen Standort stillgelegt wurden. Die Substitution dieser Erzeugungskapazitäten ist überwiegend durch kleinere Anlagen unterschiedlichster Art erfolgt. Trotzdem haben wir mit dieser eher dezentralen Struktur keinen nennenswerten Fortschritt in der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung erreicht. Das Gesetz, das wir heute beschließen, bedeutet meines Erachtens einen ganz entscheidenden Schritt, weil wir darin wichtige Anreize für die Verbraucher, auch für die kleineren, schaffen. Für Anlagen bis 50 kW 5,11 Cent je Kilowattstunde, das ist doch was. Das gilt aber auch für Anlagen in der Größenordnung von 50 kW bis 2 MW. Ein ganz wichtiges Element dieses Gesetzes ist die Förderung des Baus von Fernwärmeleitungen. Da haben wir natürlich ein Problem. Auf der einen Seite reduzieren wir den Wärmebedarf in Gebäuden, und auf der anderen Seite wollen wir vernünftige Amortisationszeiten für Fernwärmeleitungen. Das ist ein Widerspruch. Deshalb wollen wir durch die Förderung beim Leitungsbau eine Kompensation schaffen. Frau Kopp, weil ich Sie gerade im Visier habe ({1}) - das gilt aber auch für Herrn Fell und Herrn Hill; von Frau Höhn ganz zu schweigen -: Ich habe verfolgt, wie Sie sich bemüht haben, etwas Kritisches herauszuarbeiten, allerdings erfolglos. Da fällt mir eigentlich nur ein: Opposition ist Mist. ({2}) Jetzt will ich Ihnen zwei Dinge sagen: Erstens. Es hieß, der Verbraucher werde stärker belastet. Auch in der Opposition sollte der Grundsatz gelten, dass man sich bei Reden vor der Öffentlichkeit wenigstens einigermaßen an den Fakten orientiert. ({3}) - Frau Kopp, wenn Sie in der Anhörung waren, haben Sie gehört, dass die Förderung der Kraft-WärmeKopplung im Jahr 2006 850 Millionen Euro betrug. ({4}) In diesem Gesetz ist ein Deckel - das soll flexibel gehandhabt werden - von 750 Millionen Euro vorgesehen. Wenn Sie jetzt die Gesetze der Arithmetik beachten, ({5}) stellen Sie fest: Der Verbraucher hat im Grunde genommen weniger zu tragen. ({6}) - Nicht „Was?“! Wenn 2006 850 Millionen Euro ausgegeben wurden und im Gesetz ein Deckel von 750 Millionen Euro vorgesehen ist, dann sagen Sie bitte nicht „Was?“! ({7}) Zweitens. Sie sagen, die Förderung der Fernwärme und die Solarthermie widersprächen sich. Nein, sie widersprechen sich nicht, weil Deutschland ein heterogenes Land mit vielfältigen Strukturen ist. Wenn jemandem eine Solarthermieanlage besser erscheint, weil er Fernwärme nicht nutzen kann oder will, dann muss er sich doch dafür entscheiden können. Frau Höhn, große Töne, viel Streit, aber es kommt nichts heraus. ({8}) Während der rot-grünen Zeit gab es keinen nennenswerten Aufwuchs bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Sieben Jahre hatten Sie Zeit, diese glorreiche Erkenntnis umzusetzen. Sie haben es aber nicht gemacht. Wir machen jetzt einen Sprung. Wir möchten den Anteil der KWK an der Stromerzeugung bis 2020 verdoppeln. Das sollten Sie nicht schlechtreden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Obermeier, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Obermeier, Sie haben ja eben meine Rede angehört. Haben Sie auch gehört, dass ich eine Begründung geliefert habe, warum wir momentan eine so geringe Quote von 12 Prozent haben? Können Sie bestätigen, dass die Wirtschaft im Hinblick auf die KWKQuote eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet hat, in der sie sich verpflichtet hat, bis 2010 bei 20 Prozent zu landen? Warum machen Sie dann der rot-grünen Regierung einen Vorwurf? Letzten Endes hat doch die Wirtschaft und nicht die rot-grüne Regierung versagt. ({0})

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann das überhaupt nicht bestätigen. Die rotgrüne Bundesregierung hätte zur Zielerreichung einen Gesetzentwurf vorlegen können. ({0}) - Die Selbstverpflichtungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, wie wir in der Vergangenheit lernen mussten. ({1}) Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind nicht diejenigen, die freiwillige Selbstverpflichtungen als Allheilmittel in allen Ecken unserer Gesetzgebungsverfahren ansehen. ({2}) Der Umbau der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland kostet mit Sicherheit Geld; hier gebe ich meinem Vorredner Recht. Aber diese Tatsache enthebt uns nicht der Pflicht, die kostengünstigsten Möglichkeiten zu suchen. Kraft-Wärme-Kopplung ist kostengünstig. Deswegen sind wir auf einem hervorragenden Weg. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin Gudrun Kopp das Wort.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Obermeier, Sie haben versucht, meine Rede zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und die von mir genannten Zahlen in Zweifel zu ziehen. ({0}) Ich weise noch einmal darauf hin, dass bei der Anhörung, an der ich ebenso wie Sie, wenn ich mich recht erinnere, teilgenommen habe, ein Durchschnittsförderwert pro Jahr von 750 Millionen Euro genannt worden ist. Dieser Wert schwankte in den einzelnen Jahren; das ist völlig klar. Ich möchte, dass Sie einfach zur Kenntnis nehmen, dass Sie mit diesem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz die Verbraucher auf Dauer erheblich belasten. Über den gesamten Zeitraum der geplanten Förderung werden Sie den Bürgern mindestens weitere 8 Milliarden Euro aufdrücken, und zwar auf ihre Stromrechnungen. ({1}) Da können Sie noch so sehr versuchen, die Zahlen herunterzudrücken, indem Sie davon reden, Sie planten keine höhere Förderung, sondern blieben bei der bisherigen. Vorgesehen war, dass das Gesetz im Jahre 2010 ausläuft. Sie verlängern jetzt den Subventionszeitraum und fördern in großem Maße Anlagen, die ohne eine Förderung, also ohne die enormen Belastungen der Stromkunden, überhaupt nicht gebaut würden, weil der erforderliche Fernwärmenetz- und Leitungsbau hohe Kosten und Energieverluste mit sich bringt. Natürlich rechnet sich jeder aus, inwieweit dies effizient ist. ({2}) Ich möchte Sie auch noch zum Thema Kraft-WärmeKopplung und Wärmegesetz belehren. Ich weise noch einmal darauf hin, dass Sie im Wärmegesetz quasi eine Zwangs-Kraft-Wärme-Kopplung verankert haben. Das haben Sie hier in Abrede gestellt. Lesen Sie im Gesetzentwurf nach! Wenn Sie auf der einen Seite Solarthermie - also die Wärmeversorgung dezentral im eigenen Gebäude - fördern, aber auf der anderen Seite den Anschluss an eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage im Gesetzentwurf festlegen, dann ist das kontraproduktiv. Ich bitte Sie, erst einmal nachzudenken, bevor Sie Gegenteiliges äußern. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zur Erwiderung Kollege Obermeier.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kopp, es tut mir leid, aber auch Ihr Nachschlag entbehrt jeder Logik. Sie sind uns den Beweis schuldig geblieben, an welcher Stelle Sie die zusätzliche BelasFranz Obermeier tung der Verbraucher in Höhe von 8 Milliarden Euro sehen. ({0}) - Nein, wir müssen der Frage nachgehen. Im Übrigen bleibt es dabei: Was wir heute beschließen, schließt eine Deckelung der jährlichen Fördersumme auf 750 Millionen Euro ein. Dabei bleibt es. ({1}) Es geht nicht an, dass die Belastung weiterhin diese Summe übersteigt, wie es beispielsweise 2006 der Fall war. Das bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn Sie meinen, uns belehren zu müssen. Ich habe Ihre Ausführungen nicht in Zweifel gezogen. Ich habe vielmehr festgestellt, dass Sie Fakten verdreht dargestellt und Falschaussagen gemacht haben. Das sind keine Zweifel; das ist ganz konkret. Vielen Dank. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Förde- rung der Kraft-Wärme-Kopplung. Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Be- schlussempfehlung auf Drucksache 16/9469, den Gesetz- entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/8305 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim- men wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Bera- tung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Ge- genstimmen der Fraktionen der FDP und Bündnis 90/ Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke an- genommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen. Abstimmung über den von der Bundesregierung ein- gebrachten Gesetzentwurf zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb. Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9470, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Druck- sache 16/8306 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- schussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb beschleunigen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 16/9470, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7872 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Frak- tion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9432 mit dem Ti- tel „Kraft-Wärme-Kopplung entschlossen fördern und ausbauen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Ge- genstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen abgelehnt. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/9426 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 c sowie Zusatzpunkte 6 und 7 auf: 32 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften - Drucksachen 16/8148, 16/8393 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) - Drucksache 16/9477 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Michael Kauch Hans-Josef Fell b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich ({1}) - Drucksachen 16/8149, 16/8395 17730 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({2}) - Drucksache 16/9476 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Michael Kauch Hans-Josef Fell c) Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJosef Fell, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Klimafreundlich heizen mit erneuerbaren Energien - Das Wärmegesetz zum Motor für Klimaschutz, Innovation und Wirtschaftswachstum machen - Drucksache 16/9429 ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Perspektiven für eine sektorale Ausweitung des Emissionshandels sowie für die Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmesektor - Drucksachen 16/5610, 16/7387 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Michael Kauch Eva Bulling-Schröter ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Differenzierte Mengensteuerung zur Förderung erneuerbarer Energien im Stromsektor - Drucksache 16/8408 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({4}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der erneuerbaren Energien im Strombereich stimmen wir später auf Verlangen der FDP namentlich ab. Zu diesem Gesetzentwurf liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Ulrich Kelber von der SPD-Fraktion das Wort. ({5})

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist Weltmeister beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit den Gesetzen, die wir heute beschließen, werden wir diesen Ausbau beschleunigen. Davon profitiert unser Land in vielfacher Hinsicht. Erstens. Ein Jobwunder wird fortgesetzt. In den letzten zehn Jahren sind 250 000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien entstanden. Wir legen heute die Grundlage, dass es im Jahr 2020 500 000 Arbeitsplätze in Deutschland sein können. Zweitens. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird das beste Klimaschutzinstrument weiter geschärft. Ein Großteil der Minderung der Treibhausgasemissionen, die wir als deutsches Klimaschutzziel bis 2020 erreichen müssen, beruht auf diesen Gesetzen. Drittens. Erneuerbare Energien leisten den wichtigsten Beitrag zur Energieversorgungssicherheit. Sie machen uns unabhängig von Importen. Sie sind wesentlich weniger anfällig für Ausfälle bei Wetterextremen. Viertens. Wir schaffen mit den erneuerbaren Energien eine volkswirtschaftliche Lebensversicherung und für die Haushalte die Möglichkeit, sich von steigenden Energiepreisen unabhängig zu machen. ({0}) Ich möchte auf diese vier Punkte kurz eingehen. Es geht nicht nur um die großen Firmen, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind. Manche dieser Gründungswunder grenzen an das, was um 1880 als Grundlage für den späteren Siemens-Konzern geschaffen wurde. Wer in den Gegenden in Ostdeutschland, in denen die Solarfirmen jeden Tag eine neue Halle hochziehen, unterwegs ist und in die Orte seines Wahlkreises und die Städte unseres Landes geht und die Handwerker, die längst in diesen Bereichen ihr Einkommen erzielen, die Zulieferbetriebe, die mit Steuerungstechnologie Geld verdienen, und ehemalige Fensterfirmen sieht, die ihren Schwerpunkt nun auf die Solartechnologie gelegt haben, stellt fest: Unsere Wertschöpfung beruht zunehmend auf einer Technologie, bei der das Geld in Arbeitsplätze im eigenen Land und nicht in den Import von Energie gesteckt wird. ({1}) Diese Erfolgsstory, die noch vor wenigen Jahren von der Mehrzahl der Kommentatorinnen und Kommentatoren für unmöglich gehalten wurde, wird beschleunigt fortgesetzt. Die Reaktionen auf die von der Koalition getroffenen Beschlüsse an der Börse und bei den betreffenden Branchenverbänden zeigen, wie viel Vertrauen in das gesetzt wird, was wir heute beschließen. Zum Klimaschutz: Wir wollen das deutsche Klimaschutzziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu mindern, erreichen. Das ist unser Beitrag, um die Erde lebenswert zu halten. Die Besonderheit der erneuerbaren Energien ist, dass sie mit jedem Jahr preiswerter und nicht wie andere Technologien teurer werden. Deswegen ist es richtig, dass wir hier den Schwerpunkt setzen. Das ist der Weg in die Zukunft. Wir erschließen mit der Technologieförderung Potenziale für eine weitere Verminderung der Treibhausgasemissionen über das Jahr 2020 hinaus. Wir alle wissen, wie stark der Umbau unserer Industriegesellschaft sein muss, um in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen um insgesamt 80 Prozent zu verringern. ({2}) Drittens. Es sind die erneuerbaren Energien - da muss die Diskussion vom Kopf auf die Füße gestellt werden -, die längst zur Energieversorgungssicherheit beitragen. Großkraftwerke werden abgeschaltet, wenn im Hochsommer die Kühlflüssigkeit fehlt. Wenn große Kraftwerke abgestellt werden müssen, wie es dieser Tage in Slowenien der Fall war, haben Länder Schwierigkeiten, ihre Stromversorgung zu gewährleisten. Wir sehen, dass verschiedene Entwicklungen dazu führen, dass jedes Jahr der Preis für Strom aus der zentralen Energieversorgung - wenige zentrale Erzeugungsblöcke, viele abhängige Verbraucherinnen und Verbraucher weiter steigt. Zudem müssen wir damit rechnen, dass es in verschiedenen Zulieferungsbereichen, sei es der fossilen Energieträger, sei es der nuklearen Energieträger, zu Versorgungsengpässen kommt, weil Förderung und Verbrauch nicht mehr zusammenpassen. Es muss uns doch alarmieren, wenn die Ölfirmen selbst zugeben, dass sie es nicht mehr schaffen, die Ölförderung zu steigern. Die Ölförderung auf den wichtigsten Feldern wird zurückgehen. Eine zurückgehende Förderung bei steigendem Verbrauch bedeutet explodierende Preise. Bei den heutigen hohen Ölpreisen erinnern wir uns fast mit Wehmut an die niedrigen Preise der vergangenen Jahre. Jeder Schritt, mit der diese fossilen Einheiten durch Effizienz oder erneuerbare Energien ersetzt werden, bedeutet mehr Versorgungssicherheit für unser Land. ({3}) Deswegen ist es richtig, jetzt einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 30 Prozent an der Stromerzeugung zu fordern. Wenn die Entwicklung bei den fossilen und nuklearen Energieträgern so weitergeht, dann werden daraus 35 oder 40 Prozent im Jahr 2020 werden. Wir wollen das Gleiche im Wärmebereich durch eine Verpflichtung bei den Neubauten und durch eine massive Förderung bei der Umrüstung bestehender Gebäude. Letzter Punkt: Die steigenden Energiepreise bedrücken immer mehr Menschen. Es gibt Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Energiepreise bezahlen sollen. Auf dieses Problem muss es eine große Anzahl von Antworten geben. Die Menschen wollen eine Antwort der Politik. Eine dieser Antworten ist: Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir unabhängiger von einem Preiskartell weniger Monopolisten werden. Die erneuerbaren Energien sind ein Teil dieser Strategie. Sie sind eine Lebensversicherung für die Volkswirtschaft, und sie sind eine Unabhängigkeitserklärung des Einzelnen. Ich nenne als Beispiel die Fotovoltaik, die in den letzten Wochen massiv angegriffen wurde. Das hat damit zu tun, dass das die einzige Technologie ist, mit der Firmen wie Eon und RWE in dieser Republik kein Geld verdienen können, weil die Stromerzeugung dezentral beim Verbraucher erfolgt. Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dazu führt, dass in fünf, sechs Jahren Strom aus einer Fotovoltaikanlage billiger ist als der Strom aus der Steckdose. Ab diesem Tag ist die Fotovoltaik die Stromproduktion des kleinen Mannes. Wenn man sich eine solche Anlage auf das Dach setzt, dann macht man sich unabhängig von den Stromrechnungen. Es wird eintreten, was in einer bekannten Werbung über die Miete gesagt wird: Sie haben über all die Jahre vergessen, was Miete zahlen eigentlich ist. - Auf einen solchen Zustand bewegen wir uns mit den erneuerbaren Energien zu. Deswegen ist heute ein guter Tag für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Michael Kauch von der FDP-Fraktion. ({0})

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzlerin Merkel und ihre Bundesregierung sind angetreten, um den Wärmemarkt als schlafenden Riesen im Klimaschutz zu wekken und die Potenziale der erneuerbaren Energien zu nutzen. Doch das, was die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eines Wärmegesetzes vorlegt, wird den Riesen nicht einmal kitzeln, geschweige denn aufwecken. ({0}) Schwarz-Rot ist an dieser Stelle aus meiner Sicht deutlich gescheitert; denn die großen Ankündigungen lauteten: Wir schaffen ein Gesetz, das unabhängig von den Haushaltsmitteln und von Steuersubventionen einen Markt für die erneuerbaren Energien im Wärmebereich schafft. Das Gegenteil haben Sie jetzt beschlossen. Anstatt den Markt für erneuerbare Energien im Wärmebereich zu schaffen, üben Sie Zwang und Kontrolle über die Bürger aus. Statt mehr erneuerbare Energien auf den Markt zu bringen, werden Sie mehr Bürokratie schaffen. Ihr Gesetzentwurf ist völlig unwirksam, weil er sich insbesondere nicht mit der Frage beschäftigt, wie wir im Altbaubestand eine Lösung schaffen. ({1}) Sie haben an dieser Stelle keine Lösung. Wir wollen diese Nutzungspflicht nicht, nicht für den Neubau und nicht für den Altbau. Sie wollen die Nutzungspflicht zwar nicht für den Altbau, aber für den Neubau. Sie haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für den Altbau keinerlei positive Ergebnisse bringen wird. ({2}) Da Sie das wissen, haben Sie die Subventionen verdoppelt, anstatt sie zu senken, wie Sie es angekündigt haben. ({3}) Im Übrigen hat die Kollegin Kopp natürlich völlig recht: Mit der Zwangsfernwärme - dass es dazu kommt, wird durch die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs erleichtert - schaden Sie den erneuerbaren Energien im Wärmemarkt und Sie nutzen ihnen nicht. ({4}) Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz ist zudem willkürlich, und es ist eben nicht technologieoffen. Es ist in der Tat ein Solarthermieförder- und ein Biogasdiskriminierungsgesetz. ({5}) Es gibt keine umweltpolitische Begründung für die Steine, die Sie dem Biogas hier in den Weg legen. Was wäre denn so schlecht daran, wenn man es jedem Bürger ermöglichen würde, sich - so wie er es heute für Ökostrom tun kann - für Ökogas zu entscheiden? Das dürfen sie nach diesem Gesetzentwurf nicht. ({6}) Sie sagen: Biogas darf nur in KWK-Anlagen genutzt werden, wenn man die Förderung bekommen möchte. ({7}) Das ist nicht akzeptabel. Deshalb haben wir als FDP-Bundestagsfraktion einen Alternativvorschlag in den Deutschen Bundestag eingebracht, über den wir heute ebenfalls abstimmen werden. Wir möchten die Brennstoffhändler verpflichten, eine feste Menge erneuerbarer Wärme nachzuweisen. Diesen Nachweis können sie erbringen, indem sie entweder selber beispielsweise Biogas einspeisen oder indem sie bei den Hausbesitzern, auch bei Besitzern von Altbauten, entsprechende Nachweise einkaufen. ({8}) Dadurch würde nicht nur im Neubaubereich - angesichts des demografischen Wandels wird heute ohnehin nicht mehr so viel gebaut -, sondern auch im Altbaubereich ein Investitionsanreiz geschaffen. Die FDP unterstützt das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen. Wir wollen die Stromversorger nicht nur mit einer Zielsetzung, sondern sogar rechtsverbindlich dazu verpflichten, den Nachweis zu erbringen, dass sie mindestens 30 Prozent erneuerbare Energien in den Markt bringen. Diese Rechtsverbindlichkeit geht weiter als die reine Zielsetzung in Ihrem EEG-Gesetz. Sie sehen also: Der FDP ist es mit der Förderung erneuerbarer Energien ernst. Worum wir streiten, sind nicht die Ziele, sondern die Instrumente, mit denen wir diese Ziele erreichen. ({9}) Durch die Verabschiedung der Entwürfe der Koalition entstünden schlichtweg zu hohe Kosten und würde der Wettbewerb zwischen den Anlagen verzerrt. ({10}) Um es deutlich zu sagen: Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Auch die Umsetzung der Vorschläge der FDP kostet Geld. Aber wir Liberale setzen uns dafür ein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nur so stark belastet werden, wie es zur Erreichung der Ziele unbedingt erforderlich ist. ({11}) Wir Liberale stehen dafür ein, dass mit den eingesetzten Mitteln so viel erneuerbare Energie wie möglich erzeugt wird. Deshalb setzen wir darauf, dass die erneuerbaren Energien auch in den Wettbewerb untereinander um die besten Lösungen eintreten. ({12}) Bei allen Fördermaßnahmen müssen wir im Blick haben, welche Ziele wir verfolgen. Nur bei klaren Zielen kann man treffsichere Instrumente wählen. Das gilt gerade für den Ökostrom. Unser Ziel als Liberale in der Energiepolitik ist es, den Dreiklang von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Ginge es nur um den Klimaschutz, brauchten wir im Stromsektor kein weiteres Förderinstrument für erneuerbare Energien; denn der Emissionshandel begrenzt die CO2-Emissionen bereits mit einem festen Deckel. Allerdings stellt sich die Frage: Was würde unter diesem Deckel passieren? Man würde CO2-Emissionen nur zu den geringsten Kosten vermeiden. Das würde einen massiven Brennstoffwechsel - weg von der Kohle und hin zum Gas - bedeuten. Das wiederum würde unsere Versorgungssicherheit gefährden. Wenn wir also Klimaschutz wollen, ohne uns den Putins und Medwedews dieser Welt auszusetzen, dann brauchen wir in der Tat ein Förderinstrument für erneuerbare Energien. ({13}) Aber wir brauchen nicht unbedingt das Instrument, über das wir heute beraten. Die FDP plädiert weiterhin dafür, dass der Staat die Menge an erneuerbarem Strom vorgibt und dass der Markt dann die kostengünstigsten Möglichkeiten findet. Lediglich bei sich noch entwickelnden Technologien wie Solarstrom und ökologisch besonders vorteilhaften Biomasseverstromungen wollen wir zusätzliche Zuschüsse zu den Erlösen geben. Es bleibt dabei: Die heutige Einspeisung zu staatlich verordneten Preisen und die selektive Förderung von Technologien sind anfällig für Lobbyismus. Das haben wir beim aktuellen Gesetzgebungsverfahren wieder vorgeführt bekommen. Jede Branche hat an Herrn Glos und Herrn Gabriel herumgezerrt. Manche Branchen waren dabei erfolgreich und manche Branchen nicht. Bei dieser EEG-Novelle kommt es nicht darauf an, ob die Förderung in dieser Form tatsächlich notwendig ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob jemand gute Kontakte zur SPD und zur CDU hat oder nicht. Das Paradebeispiel dafür ist die Solarstromförderung. Wir haben das unsägliche Gezerre gesehen: 7 Prozent Degression, 10 Prozent Degression, 20 Prozent Degression kam von Wirtschaftspolitikern der Union ({14}) - vorher noch 30 Prozent -, nach dem Motto: Wer bietet mehr? Wer bietet weniger? Angeblich geht es doch beiden Koalitionspartnern darum, die Kostensenkungen bei der Technologie in die Förderung umzusetzen. Ich frage mich: Wie schlampig ist die Gesetzesvorbereitung in den Ministerien eigentlich? Wie schlampig sind die Analysen, wenn Sie bei Ihren Forderungen derart weit auseinander liegen können? ({15}) Wenn wir schon beim Lobbyismus sind: Die letzte Partei, die sich zum Hüter der Marktwirtschaft aufspielen sollte, wie das Herr Glos immer wieder gerne tut, ist die CSU. Einerseits hat sie sich gegen die Solarstromförderung engagiert. Andererseits gibt es keine andere Partei, die so hemmungslos wie die CSU eine Luxusförderung für kleinste Mini-Biogasanlagen in den Gesetzentwurf geschrieben hat. Ihnen geht es um die Landtagswahl. Die Bauern sollen für Sie stimmen. Das Ganze geht auf Kosten der Verbraucher, und zwar auch der bayerischen Verbraucher, meine Damen und Herren. ({16}) - Die 55 Prozent werden Sie auch nicht mehr erreichen. ({17}) Trotz dieser Kritik hat sich die FDP-Bundestagsfraktion konstruktiv am Gesetzgebungsverfahren beteiligt und Änderungsanträge eingebracht. In einigen Punkten waren wir auch erfolgreich, beispielsweise bei der Eigenvermarktung. Aber was ist geblieben? Geblieben sind massive Nachteile insbesondere für größere Biomasseanlagen gerade für solche, die eine stoffliche Produktion umfassen wie beispielsweise Zellulosefabriken in Ostdeutschland. Diese werden im Gegensatz zu Ihren Kleinstanlagen in Bayern benachteiligt. ({18}) Auch die Blockheizkraftwerke, die Pflanzenöle nutzen, werden benachteiligt, wenn sie eine bestimmte Größe überschreiten. Ein weiteres Beispiel für die Benachteiligung großer Anlagen ist die Leistungsbegrenzung beim Repowering von Windkraftanlagen. Ihnen geht es keineswegs darum, Energie so günstig wie möglich zu fördern. Ihr ausschließliches Ziel ist es, den Lobbys Genüge zu tun oder dem Ideal einer kleinen Anlage auf dem Bauernhof zu folgen. Damit werden Sie aber nicht die Mengen an erneuerbaren Energien erreichen, die wir in den Strommarkt hineinbringen wollen. ({19}) Die beiden Gesetzgebungsverfahren zum EEG und zum Wärmegesetz haben bewiesen: Die schwarz-rote Koalition ist heillos zerstritten. Sie streiten sich wie die Kesselflicker - zwischen den Parteien, aber insbesondere auch innerhalb der Union. Deshalb haben wir namentliche Abstimmung beantragt. Dann werden wir sehen, ob bei der Abstimmung auch das berücksichtigt wird, was einige Abgeordnete der Union vorher gesagt haben. ({20}) Meine Damen und Herren, mit der Novellierung des EEG retten Sie sich nur schleppend ins Ziel; dieses Thema steht ja auf der Tagesordnung. Vor allem haben Sie damit aber eine massive Verunsicherung sowohl der Branche als auch der Verbraucher erreicht. Den Flurschaden, den Sie auf dem Gebiet der erneuerbaren Wärme angerichtet haben, habe ich bereits beschrieben. Mit Ihrem Gesetz werden Sie viel Bürokratie schaffen. Sie werden die erneuerbare Wärme aber nicht in den Markt bringen. Ihr Wärmegesetz ist ein stumpfes Schwert. So erreichen Sie Ihre Klimaschutzziele nicht. ({21})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Die Weltklimaberichte der Vereinten Nationen machten deutlich, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist und gravierende negative Auswirkungen auf Frieden und Wohlstand weltweit haben könnte. Klimaschutz und Energieeffizienz sind deshalb Schwerpunktthemen der Großen Koalition. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsi17734 dentschaft im letzten Jahr konnte Angela Merkel ambitionierte Klimaschutzziele international vereinbaren. Derzeit setzt Deutschland die Vorgaben der EU in nationales Recht um. Das Bundeskabinett hat deshalb das Integrierte Energie- und Klimapaket beschlossen, welches pünktlich zur Weltklimakonferenz im Dezember letzten Jahres vorgelegt wurde. Ein zweites, kleineres Paket folgt noch vor der Sommerpause. Meine Damen und Herren, während im vergangenen Jahr der Klimaschutz im Mittelpunkt stand, steht dieses Jahr zunehmend unter dem Zeichen steigender Energiepreise. Ein Ölpreis von zweitweise 135 Dollar pro Fass ließ die Kraftstoffpreise auf mehr als 1,50 Euro pro Liter steigen. Heizöl verteuerte sich im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 65 Prozent. Die Inflationsrate stieg infolgedessen auf bis zu 3 Prozent. Die Union nimmt deshalb die Sorgen und Nöte der Menschen sehr ernst, die sie sich derzeit wegen der extrem steigenden Energiepreise machen, die wiederum aus einem unguten Mix von gesteigerter Nachfrage, begrenztem Angebot und Finanzspekulationen entstehen. Leider ist nicht davon auszugehen, dass es auf Sicht zu einer nachhaltigen Senkung der Preise kommt. Als Sofortmaßnahme hat die Große Koalition deshalb eine Erhöhung von Wohngeld und Heizkostenzuschüssen beschlossen - der Gesetzentwurf hängt allerdings derzeit im Bundesrat -; auf diese Weise wird versucht, mit staatlichem Geld die gröbsten Härten zu mindern. Doch das kuriert nur an den Symptomen, stellt aber keine nachhaltige Lösung dar. Diese kann nur in der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas liegen; denn die internationalen Energiemärkte werden von Angebot und Nachfrage gesteuert. Die Nachfrage steigt, da immer mehr Menschen auf dieser Welt bei wachsendem Wohlstand immer mehr Energie verbrauchen. Doch das Angebot bleibt konstant, die Öl- und Gasreserven gehen auf Sicht sogar zur Neige. Erst in dieser Woche hat der französische Ölmulti Total mit dieser Nachricht für Aufmerksamkeit gesorgt. ({0}) Ein nachhaltiges Instrument in diesem Zusammenhang ist das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Es sieht vor, dass im Jahr 2020 14 Prozent der Wärme- und Kälteenergie aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. ({1}) Die Pflicht zur anteiligen Nutzung erneuerbarer Wärme bei Neubauten aus einer Vielzahl von Energieträgern - von Sonne über Holz, Biogas bis zum Klärschlamm - kann auch durch Wärmedämmung oder Nutzung von Fernwärme, Kraft-Wärme-Kopplung bzw. Abwärme oder durch eine Kombination entsprechender Maßnahmen ersetzt werden. Der Union ist es besonders wichtig, dieses Gesetz technologieoffen auszugestalten. Das haben wir erreicht. ({2}) Aber auch Bestandsgebäude, Herr Kauch, werden im Rahmen von Förderprogrammen, nicht von Zwangsmaßnahmen berücksichtigt: ({3}) Für das Marktanreizprogramm, das wir in das Wärmegesetz aufgenommen und mit einer Ausstattung von 500 Millionen Euro pro Jahr verrechtlicht und verstetigt haben, sind bereits im ersten Quartal dieses Jahres fast 30 000 Anträge mit einem Fördervolumen von 26 Millionen Euro eingegangen. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm führte im ersten Quartal dieses Jahres bereits zu Kreditzusagen für energieeffizientes Bauen und Sanieren in Höhe von 1,4 Milliarden Euro; das sind 44 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es handelt sich um ein Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. ({4}) Man kann nun wirklich nicht sagen, dass das keine Erfolgsstory ist. Das ist ein großer Erfolg, und zwar nicht nur für das Klima und die Besitzer und Bewohner von sanierten Häusern und Wohnungen, sondern es tut auch dem örtlichen Handwerk gut, das von Aufträgen profitiert. Das ist Mittelstandsförderung pur. ({5}) Meine Damen und Herren, Maßstab für die Energiepolitik der Union war und ist das Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit. Deshalb sprechen wir uns für einen breiten Energiemix von den Erneuerbaren über Kohle und Öl bis hin zur Kernenergie aus. ({6}) Bei der Versorgungssicherheit ist die hohe Importquote der fossilen Energieträger und deren Verfügbarkeit in der Zukunft zu beachten. Der effiziente Einsatz und intelligente Ersatz fossiler Brennstoffe durch in 2007 weit über 70 000 Gigawattstunden regenerativer Energie stellt somit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Generationengerechtigkeit dar. ({7}) Die Wirtschaftlichkeit des Energiemixes ist entscheidender Standortfaktor für Industrie und Gewerbe. Während Deutschland 2006 mehr als 70 Milliarden Euro für den Import fossiler Energieträger aus teilweise politisch instabilen Ländern bezahlen musste, sind erneuerbare Energien heimische Energieträger. Die 70 Milliarden Euro sind weg; bei den Erneuerbaren findet trotz deren Differenzkosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro die Bruttowertschöpfung hier im eigenen Land statt. ({8}) Meine Damen und Herren, die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes lässt die Erneuerbaren erwachsen werden. Sie wachsen heraus aus der beschützenden Struktur von Abnahmezwang und Vergütung. Denn wir haben mit dieser Novelle das Gesetz auch qualitativ weiterentwickelt. Dazu gehört, dass die Erneuerbaren - zeitlich begrenzt - an den Markt gehen, aber auch zur bisherigen Vergütungsstruktur zurückkehren können. Wir haben damit ein niederschwelliges Angebot geschaffen, um Markt auszuprobieren. Zudem sieht die Novelle Verordnungsermächtigungen mit Zustimmungspflicht durch den Bundestag vor, mit der die Direktvermarktung, die Netzintegration, nachfrageorientierte Vergütung und virtuelle Kraftwerke ermöglicht werden sollen und der Wälzungsmechanismus überarbeitet werden kann. Unabhängige Erzeuger sollen sich am Regelenergiemarkt beteiligen können. Daneben haben wir natürlich auch die unterschiedlichen Förderungsbedingungen für die einzelnen Energieträger neu festgelegt. 30 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren bis 2020 bedeuten mehr als eine Verdoppelung in den nächsten zwölf Jahren. Eine effiziente und kostengünstige Förderung ist unabdingbar. Erneuerbare sind nicht umsonst; aber die Kosten bleiben im Rahmen und sind vorhersehbar: Der Gesetzesbegründung entnehmen wir, dass die Differenzkosten bis 2015 auf ein Maximum von 6,2 Milliarden Euro steigen werden. Das EEG hat derzeit einen Anteil am Strompreis von 3 bis 4 Prozent. Eine vierköpfige Familie zahlt dafür im Moment 40 Euro im Jahr. Bei den Fördersätzen für die Solarenergie gab es ein besonders großes Potenzial, Anreize für mehr Effizienz zu setzen. Deshalb haben wir gegenüber dem Regierungsentwurf eine noch stärkere jährliche Absenkung der Vergütung zwischen acht und fast 13 Prozent vor allem für große Anlagen über 1 000 Kilowatt festgelegt. Hinzu kommt ein atmender Deckel, je nachdem wie sich der Zubau der Solarenergie entwickelt. Hinsichtlich der Biomasse haben wir neue Förderregelungen für die Nutzung von Gülle als Gärsubstrat vorgelegt. Wird Gülle direkt auf die Felder ausgebracht, ergibt sich eine Methanausgasung in großem Maße. Da Methan wesentlich klimaschädlicher als CO2 ist, wollen wir mit dem Güllebonus erreichen, dass die betriebseigene Gülle erst durch die Biogasanlagen gelenkt wird, um so die Methanausgasung zu vermeiden. ({9}) Daneben verbessern wir die Bedingungen für den Einsatz effizienter Kraft-Wärme-Kopplung sowie zur Biogasaufbereitung und -einspeisung. Das Gas muss dort verstromt werden, wo es Wärmesenken gibt. Das halten wir für einen ausgesprochen zukunftsweisenden Weg. Den Nawaro-Bonus haben wir bei Alt- und Neuanlagen - genauso wie die Grundvergütung bei Anlagen bis 500 Kilowatt - erhöht, um den gestiegenen Substratpreisen und auch den erhöhten Anforderungen im Rahmen des Immissionsschutzes Rechnung zu tragen. Bei der Wasserkraft setzen wir Anreize für eine weitere ökologische Modernisierung der Anlagen, um die vorhandenen Potenziale nachhaltig zu nutzen. Die Geothermie lieferte zwar bislang keine bedeutenden Strommengen. Allerdings hat sie großes Potenzial, gerade grundlastfähigen Strom zu liefern. ({10}) Deshalb haben wir Anreize zu einem schnelleren Einstieg in diese Technologie gesetzt. Außerdem wollen wir den Einsatz effizienter Kraft-Wärme-Kopplung und neuartiger HDR-Verfahren fördern. Die Windenergie ist mit einem Anteil von 60 Prozent am erneuerbaren Strom das Arbeitspferd der Erneuerbaren schlechthin. Den Vergütungssatz für Onshore-Anlagen, also Anlagen im Binnenland, haben wir deshalb auf 9,2 Cent erhöht, um die gestiegenen Kosten für Rohstoffe zu kompensieren. Daneben wurden die Bedingungen für das Repowering verbessert und ein Systemintegrationsbonus für die erhöhten Anforderungen an das Einspeisemanagement der Anlagen vorgesehen. Für Offshore-Anlagen, also Anlagen in der offenen See, ist es uns wichtig, mit einem Frühstarterbonus und erhöhter Vergütung die Ampeln auf Grün zu stellen, um trotz noch erheblicher technologischer Probleme und Herausforderungen einen zügigen Ausbau zu ermöglichen. Die Bundesrepublik setzt mit dem IKEP und insbesondere mit den heute zu beschließenden Gesetzen für erneuerbaren Strom und erneuerbare Wärme energiepolitische Weichenstellungen in die Zukunft. Das IKEP ist nicht nur in der Geschichte der deutschen Klimapolitik, sondern auch international einmalig. Es gibt kein vergleichbares Industrieland mit einem ähnlich ambitionierten und konkret ausgestalteten Programm. Wir haben ein ausgewogenes Konzept vorgelegt, mit dem wir unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen können, die Versorgungssicherheit verbessern und einen langfristig wirksamen Beitrag gegen steigende Energiepreise auf den Weg gebracht haben. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung zu diesen beiden Gesetzen. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich gebe das Wort dem Kollegen Hans-Kurt Hill, Fraktion Die Linke. ({0})

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Erfolgsmodell. Ich will es gleich vorwegnehmen: Die Linke wird der Neuregelung des EEG zustimmen. ({0}) Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Erdwärme steht für bezahlbare Energien und wirksamen Klimaschutz. Erneuerbare Energien sichern die Strom17736 versorgung der Zukunft. Sie sind eine Investition in den Frieden, und sie schaffen neue sichere Arbeitsplätze. ({1}) Diese Entwicklung wurde durch das EEG möglich; das muss klar gesagt werden. Wie nicht anders zu erwarten: Die FDP lehnt den Gesetzentwurf und damit die gesamte Erfolgsgeschichte ab. Gut, wer sich bis auf die Knochen blamieren will, der kann das tun. Man muss aber mit Blick auf die Debatte der letzten Tage und Wochen feststellen: Das EEG bleibt nur deshalb ein Erfolg, weil die CDU/CSU ihre Kettenhunde der Atomlobby „zurückgepfeiffert“ hat. ({2}) Herr Kelber, Ihnen und Ihren Kollegen gilt mein Respekt in der Sache. Ich freue mich, dass ich viele Vorschläge der Linksfraktion in der Endfassung wiedergefunden habe. ({3}) Beim nächsten Mal sollten wir - das müssen Sie mir versprechen - die Gelegenheit haben, unsere Änderungsvorschläge vor der Vorlage der Endfassung einzubringen. Denn wir wollen, dass den Netzbetreibern endlich in Sachen Einspeisung auf die Finger geklopft und Biomasse effizienter genutzt wird. Bei den Importen von Agroenergie ist uns der Gesetzentwurf allerdings nicht konsequent genug. Wir wollen keine Einfuhr von Soja und Palmöl. ({4}) Wir haben gute Startbedingungen für Offshorewindenergie und Geothermie. Gleichwohl muss auch Kritik erlaubt sein; denn die Qualität des EEG hat unter dem Dauerstreit zwischen Christ- und Sozialdemokraten doch einigermaßen gelitten. Beispiel Solarenergie. Die Linksfraktion hätte sich gewünscht, dass die jährlichen Fördersätze nicht so drastisch gesenkt werden, um für die kleinen Leute, also in Kleinstanlagen von bis zu 5 Kilowatt Leistung, die Möglichkeit der Erzeugung von Solarstrom zu erhalten. ({5}) - Frau Flachsbarth, hier fordern wir nach wie vor den Erhalt der Degression bei 5 Prozent. Jetzt gibt es einen atmenden Deckel - Sie haben es ausgeführt - und, was ich erstaunlich finde, eine Erfolgsstrafe. Die Fördersätze sinken jährlich um 8 bis 10 Prozent. ({6}) Wenn mehr Solaranlagen ans Netz gehen, als im Schnitt zu erwarten ist, wird der Zuschuss noch einmal gekürzt. Das ist, milde gesagt, Unsinn. Ich will aber auch einräumen, dass die großen Hersteller von Solaranlagen in der Öffentlichkeit nicht immer ein gutes Bild abgegeben haben. Hohe Gewinne werden nicht in Deutschland investiert, und die Arbeitsbedingungen lassen zu wünschen übrig. ({7}) - Doch, doch, Herr Fell. Zwölfstundenschichten und schlechte Bezahlung sind keine guten Voraussetzungen für eine Zukunftsbranche. Zu Recht fordern die Gewerkschaften bessere Sozialstandards. ({8}) Dennoch entstehen vor allem in Ostdeutschland Zehntausende neue und sichere Arbeitsplätze. Man muss zur Kenntnis nehmen: Die Solarbranche schafft echte Perspektiven für den Osten dieser Republik. ({9}) Sie ist dort eine Schlüsselindustrie. ({10}) Dennoch hat die CDU/CSU alles getan, um den Solarstrom mit dubiosen Gutachten aus der Energiewirtschaft schlechtzureden. Meiner Meinung nach hat unser Umweltminister dem weitgehend tatenlos zugesehen. An einem einfachen Beispiel möchte ich deutlich machen, dass sich der Klimaschutz auch mit Fotovoltaik rechnet. Der Emissionshandel wird zwischen 2005 und 2012 zu einer CO2-Minderung von 32 Millionen Tonnen führen. Das schafft allein der Solarstrom locker, und der macht nur 4 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien aus. Der Emissionshandel wird die Stromkundinnen und -kunden bis 2012 rund 65 Milliarden Euro kosten. Das ist eine ungeheure Summe, die sich allein die Energiekonzerne in die Tasche stecken. Die Kosten aus dem EEG für Solarstrom betragen nur einen Bruchteil. Gleichzeitig sparen die erneuerbaren Energien Kosten, da sie Importe von fossilen Energien sowie Umweltschäden vermeiden. Darüber hinaus hat die Solarbranche im letzten Jahr 4,7 Milliarden Euro investiert und beschäftigt mittlerweile 51 000 Menschen. Speziell für Herrn Minister Glos - er ist heute leider nicht da, aber Herr Schauerte wird es ihm bestimmt mitteilen - möchte ich einen Vergleich ziehen: Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums waren im vergangenen Jahr in der herkömmlichen Stromwirtschaft noch 121 500 Menschen beschäftigt. Seit Beginn der Strommarktliberalisierung im Jahr 1998 sind das 40 000 Arbeitsplätze weniger. Bis 2020 werden hier noch einmal mindestens 45 000 Stellen abgebaut werden. Die Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt mittlerweile über 250 000 Menschen, den größten Teil im Strombereich. Allein in den letzten drei Jahren sind 88 000 Arbeitsplätze hinzugekommen. Bis 2020 wird hier eine halbe Million Menschen Beschäftigung finden. Ich frage an die Adresse des Wirtschaftsministers: Wo bleibt Ihr Engagement für die Energiewirtschaft der Zukunft? Was hat die gefährliche Atomenergie dem entgegenzustellen? Handeln Sie endlich, und hören Sie auf Ihre ostdeutschen CDU-Kolleginnen und -Kollegen! ({11}) Nichthandeln ist auch der Titel des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes, das heute ebenfalls zur Abstimmung steht. Die Linksfraktion lehnt den Gesetzentwurf der Bundesregierung als wirkungslos ab. Die Unwirksamkeit wird darin deutlich, dass sich die Regelungen des Gesetzentwurfes auf Neubauten beschränken. Regelungen zum Gebäudebestand, der den überragenden Beitrag zur Energieeinsparung und zum Klimaschutz leistet, werden ausgeklammert. ({12}) Das verschärft die soziale Lage, Frau Flachsbarth; denn Mieterinnen und Mieter, die bei den Heizkosten unter den hohen Belastungen leiden, können von Energiesanierungen überdeutlich profitieren. Das bestätigt auch der Deutsche Mieterbund. Eine Einbeziehung des Altbaus hätte die Wohnungswirtschaft endlich zum Handeln gezwungen und dem Handwerk Aufträge gebracht. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf ein viel zu niedriges Ziel für erneuerbare Energien im Wärmebereich angibt und das noch nicht einmal verbindlich festschreibt. Die Regelungen sind auch so ausgelegt, dass die erneuerbaren Energien nicht nach ihrer energetischen und klimaschutzbezogenen Wirksamkeit geordnet sind. Sinn macht die Reihenfolge: zuerst Solar, wenn das nicht geht, Geothermie, wenn das nicht geht, Biogas; dann erst flüssige und feste Biomasse. Zudem können diese Regelungen durch die Ausnahmen leicht umgangen werden. Die Linksfraktion hat deshalb einen Entschließungsantrag vorgelegt. Stimmen Sie unseren Änderungen zu, um den Fehlgriff, der weder Heizkosten noch den CO2-Ausstoß senkt, zu beheben. Ich fasse zusammen: Klimaschutz wird durch erneuerbare Energien erreicht und macht Strom und Wärme bezahlbar, schafft Arbeit und sichert die Energieversorgung der Zukunft. Aber man muss es auch ernst meinen. Danke schön. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vollständige Umstellung der weltweiten Energieversorgung auf erneuerbare Energien ist die entscheidende Lösung, um das Klima zu schützen sowie der Menschheit eine sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energiequelle zu geben. Die Sonne schickt uns noch 5 Milliarden Jahre lang jährlich viel mehr Energie, als die Menschheit braucht. Eine industrielle Technikrevolution für erneuerbare Energien gehört damit zu den Überlebensstrategien der Menschheit. Die ganze Welt schaut staunend auf Deutschland, wo sich in kürzester Zeit eine von vielen Zweiflern niemals für möglich gehaltene industrielle Entwicklung für Solarzellen, Windkraft und Biogas entwickelt hat. Viele neue Fabriken und Hunderttausende Arbeitsplätze wuchsen und wachsen gleichzeitig mit dem Sinken von CO2Emissionen und dem Purzeln der Preise für erneuerbare Energien. Ursache ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz, welches auf Betreiben der Grünen im Jahr 2000 von der rotgrünen Bundestagsmehrheit mit großem Mut durchgesetzt wurde. ({0}) Der Weitblick der damals verantwortlichen Abgeordneten wurde lange belächelt und bekämpft - bis heute von den Liberalen und bis 2005 auch von der Union. So wurde die damalige forschungspolitische Sprecherin der Union, Frau Reiche, im August 2005 im Technology Review mit der Aussage zitiert: Finden Sie es nicht seltsam, dass das ErneuerbareEnergien-Gesetz die Stromkonzerne zwingt, bestimmte Arten von Strom abzunehmen, die eigentlich nicht wettbewerbsfähig sind? Ich kann darin keinen volkswirtschaftlichen Nutzen erkennen. Es ist gut, dass Frau Reiche und mit ihr die Unionsfraktion ihre Meinung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz geändert haben. ({1}) Das resultiert jedoch aus dem nicht mehr zu übersehenden volkswirtschaftlichen Nutzen und basiert eben nicht auf Weitblick. Offensichtlich werden Ihre Visionslosigkeit und Ihr fehlender Weitblick bei dem heute vorliegenden Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Sie behaupten, mit dem Gesetz die CO2-Emissionen reduzieren zu wollen. Doch das ist mit Ihrem Gesetz faktisch unmöglich; denn der gesamte heutige Gebäudebestand wird von der Baupflicht nicht erfasst. Aber nur dort gibt es heute Emissionen aus Wärmenutzung und nicht bei Neubauten, weil diese noch gar nicht stehen. Nun gilt Ihre Baupflicht aber nur für Neubauten. Wie wollen Sie denn Emissionen verringern, die es heute noch gar nicht gibt? ({2}) Ihr Wärmegesetz ist ein Torso und passt zu Ihrem Versagen bei vielen anderen Punkten im Klimaschutzpaket. In der heute vorliegenden Novelle des ErneuerbareEnergien-Gesetzes gibt es durchaus viel Licht. Sie bietet viel Grund zur Hoffnung für die Branche der erneuerba17738 ren Energien. Aber auch gravierende Fehlentwicklungen sind bereits abzusehen. Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten. Wir bedauern sehr, dass Sie mit einer wichtigen Tradition in diesem Hohen Hause gebrochen haben: Vor jeder EEG-Novelle hat Rot-Grün in Verhandlungsrunden versucht, die Zustimmung der damaligen Oppositionsfraktionen zu erreichen. Die Machtpolitik der Großen Koalition hat das verhindert, sicherlich, weil Sie manche der im EEG vorgesehenen drastischen Verschlechterungen nicht vorher kundtun wollten. Wir begrüßen die deutlichen Verbesserungen bei der Windkraft an Land und auf See. Wir vermissen aber einen eigenen Vergütungssatz für Kleinwindanlagen. Wir begrüßen die Verbesserungen bei der Geothermie, vermissen aber solche bei den Meeresenergien. Wir begrüßen die Besserstellung bei Biogas und hoffen sehr, dass damit viele Anlagenhersteller und Biogasproduzenten vor dem Konkurs bewahrt werden können. In diese Notlage kam die Biogasbranche, weil die Große Koalition nicht schnell genug auf Markteinbrüche reagierte. Wir vermissen ganz besonders eine Stärkung der Nachhaltigkeit bei Bioenergien. Die Besserstellung von Gülleund Abwärmenutzung ist sehr gut. Wir vermissen aber eine Nachhaltigkeitsverordnung und weitere Regelungen, die dem einseitigen Einsatz von Mais entgegentreten. ({3}) Wir haben die Sorge, dass die Erfolgsgeschichte der Solartechnik einen Knick bekommen wird. Zwar sind die Vorstellungen mancher Unionsabgeordneten, die die Fotovoltaik gänzlich beenden wollten, nicht realisiert worden; doch ein schnell wachsender Markt braucht sensible Marktunterstützung und nicht auf Jahre hinweg starr festgelegte, drastische Vergütungssenkungen. Unglaublich ist, dass Sie die Senkung der Vergütung um 25 Prozent für große Dachanlagen über 1 Megawatt bisher verschwiegen haben. ({4}) Sie haben den Umweltausschuss während der Beratung in falscher Sicherheit gewiegt. ({5}) Die Union sprach im Umweltausschuss von einer Degression von mehr als 12 Prozent. ({6}) Mit keinem Wort war von der im Gesetz stehenden Degression in Höhe von 25 Prozent die Rede. Dadurch, dass Sie dem Umweltausschuss den Änderungsantrag so spät vorgelegt haben, dass eine Prüfung durch uns nicht mehr möglich war, entstand der Verdacht, dass Sie sogar vorsätzlich gehandelt haben, um die Ausschussberatungen nicht zu belasten. ({7}) Mit der in den Beratungen verschwiegenen 25-prozentigen Vergütungssenkung werden Sie das wichtige Marktsegment der großen Dachanlagen zerstören. Sie haben die Aktienmärkte im Vorfeld getäuscht und das Vertrauen in die Politik geschmälert. Ja, auch wir Grünen glauben an eine starke Kostensenkung bei der Fotovoltaik. Dies ist ein großer Erfolg unseres bisherigen Gesetzes. Den Vorschlag der Grünen, die Senkung der Vergütungssätze nicht mehr starr festzuschreiben, sondern an die Marktentwicklung anzubinden, haben Sie im Prinzip sogar aufgenommen. Ohne unseren Vorschlag wäre in der turbulenten Fraktionssitzung der Union am letzten Dienstag die gesamte EEG-Novelle sogar gescheitert. ({8}) Leider haben Sie die von uns vorgeschlagenen Modalitäten nur schlampig übernommen, sodass mögliche Markteinbrüche kaum aufgefangen werden können. ({9}) Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, mittlerweile verwalten Sie mehr schlecht als recht den Klimaschutz und die Energiepolitik. Zu mutigen und visionären Gesetzentwürfen, wie wir damals unter RotGrün - vom alten Stromeinspeisegesetz zum Erneuerbare-Energien-Gesetz -, haben Sie keine Kraft. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es braucht wieder Grüne in der Regierungsverantwortung. Nur so können ein erfolgreiches Wärmegesetz und Klimaschutz verwirklicht werden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort der Kollegin Waltraud Wolff. ({0})

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was man hier zu hören bekommt, ist teilweise haarsträubend. Wollen wir doch einmal richtigstellen, lieber Kollege Fell: SPD und Grüne haben vor acht Jahren einen tollen Einstieg in die erneuerbaren Energien und deren Nutzung erreicht. ({0}) Das ist richtig. Aber hier den Rest der Welt in den Schatten zu stellen, ist nicht richtig. In Richtung FDP möchte Waltraud Wolff ({1}) ich sagen: Es ist nicht so, dass die Kanzlerin einen schlafenden Riesen wekken will. Der Riese ist da, ({2}) und er braucht nicht geweckt zu werden. ({3}) Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz als Erfolgsstory haben wir hier schon in Breite diskutiert. Heute schreiben wir die Fortsetzung. Es gilt für alle Formen der erneuerbaren Energien, genauso wie für den Klimaschutz und für den Bereich, den ich vertrete, nämlich die Landwirtschaft. Niemand hätte vor acht Jahren gedacht, welche Dynamik in diesem Gesetz steckt. Oder hätte sich jemand von Ihnen möglicherweise vorstellen können, dass Berichte zum Biogas ein ganz normaler Bestandteil landwirtschaftlicher Zeitungen werden? Ich glaube nicht. Wir haben - das zeigen diese Berichte eindeutig - mit dem EEG im Bereich der Bioenergien ein zusätzliches Standbein für die Landwirtschaft geschaffen. Diese letzten Jahre sind weder an der Technik noch an der Landwirtschaft spurlos vorübergegangen. Mit der Neufassung reagieren wir jetzt auf diese Entwicklungen. Es ist ganz klar, dass ein dynamisches Gesetz immer wieder angepasst werden muss. Etwas, was wir vor acht Jahren nicht im Blick hatten, ist heute auch ganz klar: Die Frage des nachhaltigen Anbaus ist in den Mittelpunkt der Debatte gerutscht. Nachhaltig heißt in dem Fall für mich, effizient mit der erzeugten Energie umzugehen und die Konkurrenz insbesondere zu den Nahrungsmitteln zu vermeiden. ({4}) Gerade in Regionen mit intensiver Tierhaltung, wie Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, wird durch Biogasanlagen der Druck auf die Fläche erhöht. Auch darauf haben wir reagiert. Wir haben zum einen die Kraft-Wärme-Kopplung gestärkt und damit die Biomasse effizienter gemacht. Zum anderen ist es uns wichtig, ein Gleichgewicht zwischen einer verträglichen Entwicklung der Biogasproduktion und der Landwirtschaft zu erreichen. Genau aus diesem Grund haben wir die vorgeschlagene Kopplung des Bonus für nachwachsende Rohstoffe an die Preisentwicklung abgelehnt. Schließlich wird auch der Schweinepreis nicht an die Preisentwicklung der Futtermittel gekoppelt. Wir brauchen hier eine gleichgewichtige Entwicklung. Wir haben auch eine gute Lösung für das Problem der Konkurrenz von Mais und Boden gefunden. Wir haben die Grundvergütung der Altanlagen und den Bonus für nachwachsende Rohstoffe maßvoll steigen lassen. Wir haben eine Erweiterung des Potenzials der Biomasse erreicht, indem wir den Güllebonus eingeführt haben. Auch das war eine wegweisende Entscheidung. Mit der jetzigen Neufassung wird der Schwerpunkt natürlich eindeutig verschoben, weg vom Einsatz der nachwachsenden Rohstoffe. Es werden Veredelungsbetriebe begünstigt, die biologische Reststoffe nutzen. Ich glaube, das ist richtig. Ich weise aber darauf hin, dass wir uns in einem dynamischen Prozess befinden. Es ist sehr wichtig, dass wir die Erfahrungen mit dem EEG auch in Zukunft auswerten und es anpassen. Das ist auch aus einem anderen Grund wichtig: Nicht zu leugnen ist der Strukturwandel weg von landwirtschaftlichen Bioenergieproduzenten hin zu Energieversorgungsunternehmen und Kapitalanlegern. Welche Auswirkungen hat dies auf die Bioenergieproduktion? Die Bedeutung von Gärresten in der Verarbeitung wächst natürlich mit der Größe der Anlage. Welche Auswirkungen hat in einer solchen Situation der Bonus für die Kraft-Wärme-Koppelung auf die Trocknung von Gärresten?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. - Welche Auswirkungen hat dieser Strukturwandel auf die Landwirtschaft und auf den Bodenbesitz? Meine Damen und Herren, im nächsten Erfahrungsbericht sollten wir bei diesen Fragen Schwerpunkte setzen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin!

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Insgesamt haben wir einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nichts ist so überzeugend wie der Erfolg. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Riesenerfolg, ein Erfolg, den wir Grüne mit unserem Umweltminister Jürgen Trittin vor neun Jahren auf den Weg gebracht haben. ({0}) Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland beträgt heute 14 Prozent, und in diesem Bereich wurden 250 000 Arbeitsplätze geschaffen. Diese Erfolgszahlen haben sogar die Union überzeugt, die jetzt das Erneuerbare-Energien-Gesetz fortschreibt. Ich möchte Ihnen aus einer denkwürdigen Rede von Herrn Dr. Pfeiffer von der Union vorlesen, die er am 2. April 2004 hier im Bundestag zum EEG gehalten hat. In dieser Rede hat er der rot-grünen Bundesregierung vorgeworfen, bei den erneuerbaren Energien dem Zentralismus zu frönen. Er sagte, die rot-grüne Koalition sei auf dem Weg in die Staats- und Planwirtschaft. Weiter sagte er - ich zitiere -: Diesen ideologiebetriebenen Wahnsinn werden wir, die Union, nicht mitmachen. … Hier kann man in der Tat unseren alten Spruch wieder ausgraben: Freiheit statt Sozialismus! ({1}) So Herr Pfeiffer vor vier Jahren. Heute steht sein Name unter dem EEG. ({2}) Meine Damen und Herren, diesen Lernprozess finden wir gut. Wenn Sie jetzt auch noch bei den Themen Tempolimit, Kohlekraftwerke und Autogrenzwerte von uns lernen würden, dann wäre Deutschland beim Klimaschutz schon ein gutes Stück weiter. Wir werden dem EEG, wie Hans-Josef Fell gerade gesagt hat, nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten. ({3}) Das EEG ist eine Erfolgsgeschichte. Aber trotz aller Erfolge, die in den letzten Tagen noch erzielt werden konnten, weist Ihr Gesetzentwurf nach wie vor große Defizite auf. Erstens kann es nicht sein, dass Sie für große Dachflächen eine 25-prozentige Degression und bei Freiflächen eine von mehr als 10 Prozent vorsehen. Wir brauchen diese Flächen, vor allem deshalb, weil wir in der Grundlast auch Fotovoltaik einsetzen wollen. Bei diesen großen Investitionen dürfen Sie nicht nachlassen. Der zweite wichtige Punkt betrifft die Bioenergien. Sie fördern kleine Biogasanlagen viel stärker als bisher. Es gibt aber noch keine Nachhaltigkeitsverordnung. Es ist also noch nicht geregelt, wie wir das, was uns momentan umtreibt, begrenzen können. Mit diesem EEG fördern Sie den Umbruch von Grünland zu Mais. Das wollen wir nicht. Maismonokulturen können wir in Deutschland nicht gebrauchen, ({4}) insbesondere deshalb, weil man durch jeden Umbruch von Grünland letzten Endes eine negative CO2-Bilanz produziert. ({5}) Aus diesem Grunde werden wir auch zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz Nein sagen. Es ist zwar mit vielen Hoffnungen gestartet. Letzten Endes sind aber alle Ankündigungen im Sande versickert. Sie beschränken sich in Ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich auf Neubauten, obwohl Sie wissen, dass 99 Prozent des Gebäudebestands Altbauten sind. Das ist nicht in Ordnung, und das werden wir nicht mitmachen. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Höhn, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne. ({0}) - Es ist immer nett, wenn man angesprochen wird. - Ich mache es kurz. Sie lassen die Mieterinnen und Mieter angesichts der steigenden Energiepreise, die zunehmend zu einem sozialen Problem werden, im Stich. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie hier mehr tun. Zum Schluss. Herr Gabriel, so wie Sie das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz haben zerrupfen lassen, kann man keine Klimapolitik für Deutschland machen. Sie schaden darüber hinaus den Mieterinnen und Mietern. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort der Kollegin Flachsbarth.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Höhn, Sie haben darauf hingewiesen, dass das Bezahlen der Heizrechnung ein soziales Problem wird. Wenn wir eine Pflicht zur Sanierung der Bestandsgebäude festgeschrieben hätten, wie sollte das die junge Familie, die ein altes Haus gekauft hat, wie sollten das die alten Leute, die seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung wohnen, bezahlen? Dazu sind diese Leute oft nicht in der Lage. Wir würden gerade sozial schwache Menschen in stärkste Bedrängnis bringen. Wir haben uns dazu entschieden, nachhaltig und vernünftig zu fördern, und setzen dabei auf Freiwilligkeit. Wer sich die Zahlen anschaut, sieht, dass wir damit Erfolg haben. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Höhn, Sie können antworten.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin, ich muss sagen, dass Sie wenig Fantasie beweisen. Denn gerade junge Familien mit Kindern leiden unter den steigenden Energiepreisen. Wenn wir sagen, man brauchte eine Verpflichtung, schließt das doch nicht aus, dass man zum Beispiel ContractingModelle hinzufügt und damit deutlich macht: Die hohen Investitionen brauchen einem nicht zu schaden, die hat man in wenigen Jahren durch die Energiekosten, die man einspart, wieder drin. Deshalb sage ich: Liebe Koalition, wir müssen mehr tun, gerade für junge Familien mit Kindern, gerade für die Menschen, die wenig Einkommen haben. Sie lassen diese Menschen mit den hohen Energiepreisen allein und bieten keine Lösung an. Das ist, gerade unter sozialen Gesichtspunkten, nicht in Ordnung. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als 1987 im Kreis Dithmarschen der erste Windpark ans Netz ging, haben sich wohl nur wenige vorstellen können, ({0}) dass heute, knapp 20 Jahre später, der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 14,2 Prozent betragen würde. Gefördert wurde dieser Windpark übrigens, Frau Höhn, nicht von einem Umweltminister und auch nicht von einem Wirtschaftsminister, sondern von einem Forschungsminister: Heinz Riesenhuber hat als Bundesminister für Forschung und Technologie ein Förderprogramm aufgelegt, um diese damals noch visionäre Idee zu verwirklichen. Auch das Stromeinspeisungsgesetz hat eine unionsgeführte Bundesregierung auf den Weg gebracht. Wenn man schon historische Betrachtungen unternimmt, muss man am Anfang beginnen, darf nicht da beginnen, wo es einem gerade passt. ({1}) Mittlerweile sind die Herausforderungen andere. China und Indien wachsen enorm. Mit 3 Milliarden Menschen wollen diese Volkswirtschaften in die Weltwirtschaft friedlich integriert werden. Wir haben es mit einer Verknappung von Ressourcen, von Rohstoffen und Wasser zu tun. Insbesondere die Verknappung der fossilen Energieträger wird immer deutlicher spürbar. Auf die dramatischen Preissteigerungen ist heute hinreichend oft hingewiesen worden: 135 Dollar pro Barrel Öl, das hätten noch vor einem Jahr nur wenige für möglich gehalten. Gleichzeitig schreitet die globale Erwärmung voran. Auch die Anzahl der Meldungen über Unwetterkatastrophen und Folgeschäden nimmt zu. Man ist weltweit auf der Suche nach Lösungen. Diese Lösungen werden vielfältig sein, so vielfältig wie die Instrumente, die wir in dem Klimapaket vorstellen, das wir heute zur Diskussion und Abstimmung stellen. Die Technologien, die zur Anwendung kommen, werden ebenso vielfältig sein. Deshalb sollten diese nach Auffassung der Union vorurteilsfrei diskutiert werden. Dazu gehören ohne Zweifel erneuerbare Energien, aber eben auch eine saubere Kohleverstromung und die Kernenergie. Irgendeine Quelle auszuschließen hieße eben, den Dreisatz „sauber, sicher, sozial“ aufzugeben. Das wollen wir nicht. ({2}) Mit den erneuerbaren Energien wird ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Sie machen uns unabhängiger von Importen. Das haben viele Vorredner bereits betont. Klimaschutz und Energiesicherheit sind gerade bei den erneuerbaren Energien zwei Seiten einer Medaille. Nicht zuletzt wurde durch die eben schon erwähnte dramatische Entwicklung der Öl- und Gaspreise in den letzten Monaten erneut aufgezeigt, dass wir mit der Nutzung der erneuerbaren Energien auf dem richtigen Weg sind. Es ist richtig - das adressiere ich insbesondere an die FDP -: Durch die erneuerbaren Energien wird Energie kurzfristig sicherlich nicht billiger. Wenn man aber über den Tellerrand hinausschaut, dann stellt man sehr schnell fest, dass wir, wenn wir jetzt nicht handeln, dieses Nichthandeln später teuer bezahlen müssen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz beschreiten wir in der Tat Neuland. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmebereitstellung lag bislang bei 6,6 Prozent. Es gibt entsprechende Technologien, aber es fehlt an der Marktdurchdringung. Frau Höhn, eines möchte ich schon sagen: Sie betonen hier, wie sehr Ihnen junge Familien aufgrund der hohen Energiepreise leidtun. Uns tun sie auch leid, aber mit dem, was wir anbieten, dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm und dem Marktanreizprogramm, für das mehr als doppelt so viele Mittel zur Verfügung gestellt werden als zu Ihrer Regierungszeit, bieten wir gerade für Familien und Menschen, die sich das nicht leisten können, eine Hilfe. Wir sagen nicht, dass sie das tun müssen, aber wir stellen Mittel zur Verfügung und lassen marktgerechte Antworten zu. ({3}) Der FDP möchte ich sagen: Sie fordern, der Staat solle sich heraushalten. Gleichzeitig führen Sie Beschwerde darüber, dass der Altbaubestand nicht enthalten ist. Katherina Reiche ({4}) ({5}) Hätten wir ihn mit aufgenommen, dann wäre Folgendes passiert: entweder wäre gar nicht oder verzögert investiert worden oder die Investitionen wären zerstückelt worden. Dadurch wäre weder den Familien noch dem Klima geholfen. Deshalb glauben wir: Die mehr als Verdopplung der Mittel für das Marktanreizprogramm, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in seiner jetzigen Struktur und das CO2-Gebäudesanierungsprogramm bieten ein stimmiges Paket dafür, den Wärmemarkt zu durchdringen und in diesem Bereich etwas zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger tun, mit dem wir sie nicht überfordern, wie das bei der Umsetzung Ihrer Forderungen der Fall gewesen wäre. ({6}) Abschließend zum Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das deutsche EEG gilt in der Welt als Modell und Vorbild dafür, wie man erneuerbare Energien im Strombereich fördern kann. Auch die Europäische Kommission hat sich hinreichend lobend zu unserem EEG geäußert. ({7}) - Danke, Herr Kelber. Donnerwetter, Sie sind auch einmal dabei. ({8}) Mit der Weiterentwicklung werden wir auch unser avisiertes Ziel, bis 2020 einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung von 30 Prozent zu erreichen, verwirklichen. Auch mit dem jetzigen EEG leisten wir bereits einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. 57 Millionen Tonnen CO2 sind durch die Technologien, die wir hier einsetzen, vermieden worden. ({9}) - Ich komme hier ganz durcheinander. Ständig kommt Applaus von Seiten, von denen ich es nicht vermute. Es entstehen neue Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien, aber auch im Handwerk - Maria Flachsbarth hat es angesprochen -, also dort, wo wir Arbeitsplätze schaffen wollen. Mittlerweile sind netto über 90 000 Menschen in einem Bereich beschäftigt, der vorher nicht entwickelt war. Wir sind bei den erneuerbaren Energien auch der Technologieexporteur. Das wird sich aber nur unter bestimmten Voraussetzungen fortsetzen lassen. Ich muss sagen: Es war richtig, dass wir darüber diskutiert haben, wie hoch die Vergütung sein soll und wie stark eine Degression sein muss. Wir werden bei den Innovationen nur weiterkommen, wenn die Degression Anreiz dazu gibt, die Technologie zu verbessern, sodass der Erfindergeist rege bleibt; denn die ausländische Konkurrenz ist längst aus den Startblöcken heraus. Die erneuerbaren Energien werden weltweit immer mehr zum normalen Energieträger; sie nähern sich der Marktreife. Diesen Prozess wollen wir unterstützen. Deshalb war es wichtig, den Regierungsentwurf zu verbessern, nicht nur im Hinblick auf virtuelle Kraftwerke, Direkt- und Eigenvermarktung und den Wälzungsmechanismus. Es war auch wichtig, intensiv über das Thema Fotovoltaik, über die Solarbranche, zu sprechen. Sosehr wir uns über den damit verbundenen Zuwachs an Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern freuen - über die entstandenen großen Cluster und die erkennbare Dynamik im Handwerksbereich -, halten wir diese Strombranche doch zumindest für diskussionswürdig; denn sie verursacht mehr als 1 Milliarde Euro Differenzkosten, liefert zurzeit aber nur einen Anteil von 0,6 Prozent an der gesamten Strommenge. So war es richtig, dass sich auch kritische Stimmen erhoben haben und es hier zu einer Verschärfung gekommen ist. Herr Fell, Sie mögen das beklagen; aber wir halten das für eine vernünftige Balance zwischen Anreiz und Vergütung, zwischen Erhalt von Arbeitsplätzen und Entlastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. ({10}) Mit dem Anlagenregister schaffen wir erstmals ein Instrument, um in Zukunft Klarheit über den Zubau von Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien zu haben. Zudem haben wir den überflüssigen Fassadenbonus gestrichen. Dieses Klimapaket ist ein Meilenstein, ein wichtiger Beitrag zur Energiesicherheit und zum Klimaschutz, den Deutschland leistet; es ist in der Europäischen Union und sicherlich auch weltweit ein Vorbild. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel. ({0})

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist ein schöner Tag, wenn sich die Parteien über die Frage streiten, wer das Recht auf Vaterschaft oder Mutterschaft für das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat. Ich finde, das ist eine gute Entwicklung in Deutschland. Die Wahrheit ist natürlich, dass das Stromeinspeisungsgesetz von der CDU/CSU durchgesetzt wurde, dass Rot-Grün auf dieser Grundlage das Erneuerbare-Energien-Gesetz entwickelt hat und jetzt SPD und CDU/CSU eine gewaltige Fortentwicklung in Angriff nehmen. Damit schließt sich der Kreis ganz gut. ({0}) Es ist ein guter Tag, und zwar in zweierlei Hinsicht: für die Energiewende in unserem Land, die sicherlich auch der Energiewende in Europa einen Schub gibt, und für den Klimaschutz. Wir haben im Hinblick auf die Senkung der Treibhausgasemissionen heute etwa die Hälfte des Weges zur Zielzahl für das Jahr 2020 hinter uns gebracht. Wir wollen bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent senken; bis zu diesem Jahr haben wir eine Senkung um 20 Prozent erreicht. Im Kioto-Protokoll hat sich Deutschland übrigens verpflichtet, die Emissionen bis 2012 um 21 Prozent zu senken. Das heißt, wir sind schon in diesem Jahr kurz vor der Zielerfüllung. Es wäre übrigens gut, wenn andere Länder in Europa ihre Klimaschutzauflagen genauso gut erfüllen würden wie wir. Ich richte mich an die Grünen: Es wäre gut, wenn Sie hier und im Europäischen Parlament nicht immer ausgerechnet die kritisierten, die derzeit in Europa Vorreiter bei der Verfolgung der Klimaschutzziele sind, sondern mit denen redeten, die weit hinter den vertraglichen Vereinbarungen zum Klimaschutz zurückbleiben. ({1}) Bis 2020 liegt noch eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozentpunkte vor uns. Mit der Verabschiedung der vier Gesetze, über die wir heute debattieren, schafft der Deutsche Bundestag die Grundlage für die Bewältigung der Hälfte dieses Weges: Mit den Gesetzen zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich, zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich, zur Förderung der KraftWärme-Kopplung und zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas schaffen wir bis 2020 eine Senkung um weitere 10 Prozentpunkte. Damit leisten wir einen Beitrag zur Einhaltung unserer Klimaschutzziele. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne. Ich kenne kein anderes Land in Europa und auf der Welt, das solch eine Vorreiterrolle einnimmt und das in der Praxis umsetzt, was in vielen anderen Ländern bisher nur theoretisch diskutiert wird. ({2}) Wir verdoppeln den Anteil der Stromproduktion aus Kraft-Wärme-Kopplung. Ich habe vorhin interessiert dem zugehört, was von den Grünen erklärt wurde. Zwischen 2002 und 2007 stieg der Anteil der Stromproduktion aus Kraft-Wärme-Kopplung von 9 Prozent auf gerade mal 12 Prozent. ({3}) Sie sind diejenigen, die froh darüber sein müssten, dass wir es endlich schaffen, die industrielle Kraft-WärmeKopplung, also Erzeugung von Strom und Wärme, in die Förderung hineinzunehmen. Sie haben in der Vergangenheit Vorschläge zur Förderung von Bestandsanlagen gemacht und dafür 5 Milliarden Euro vorgesehen. Wir fördern neue Anlagen zum Ausbau der Kraft-WärmeKopplung in der Industrie. Das ist der vernünftige Weg. Deswegen schaffen wir die Verdoppelung. Sie sollten froh sein, dass wir das machen, und in der Öffentlichkeit nicht das Gegenteil erzählen. ({4}) - Herr Fell, ich kann nichts dafür, dass Sie sich in Ihrer Fraktion zum damaligen Zeitpunkt nicht haben durchsetzen können. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz lautet bislang das Ausbauziel: 20 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien am Strommarkt bis 2020. Jetzt wollen wir mindestens 30 Prozent erreichen. Herr Fell erklärt immer, wir sollten 100 Prozent schaffen. ({5}) Wie nahe wir an dem sind, Herr Fell, was der Bundesverband Erneuerbare Energie sozusagen für den Optimalfall hält, können Sie daran ermessen, dass dieser Verband sagt, wir könnten bis 2020 35 Prozent schaffen. Wir wollen nun mindestens 30 Prozent erreichen. So weit liegen wir und sozusagen der Haupttreiber der Branche nicht auseinander. Das ist ein Riesenerfolg. Darum haben wir in den Debatten gerungen, aber es ist wirklich auch ein riesiger Beitrag zum Klimaschutz und zu mehr Unabhängigkeit von Energieimporten. Ich staune darüber, was hier im Bundestag von Grünen und von der FDP zum Wärmegesetz erzählt wird. Herr Kollege Kauch, Sie müssen sich jetzt einmal entscheiden. Erst sagen Sie, wir würden den Leuten zu viel Geld aus dem Haushalt geben, und dann erklären Sie, Ordnungsrecht wollten Sie auch nicht. Wenn Sie weder Geld geben, noch Ordnungsrecht schaffen wollen, dann werden Sie erneuerbare Energien im Wärmesektor wohl gar nicht fördern können. Das wäre dann allerdings in der Tradition Ihrer Partei zu dem Thema. ({6}) An die Grünen gerichtet sage ich: Frau Kollegin Höhn, Sie sind wirklich eine professionelle Anscheinserweckerin, wenn Sie versuchen, durch Lautstärke Inhalte zu überdecken. ({7}) Sie haben eben erklärt, wir würden den Familien nicht helfen. 130 Millionen Euro betrug die Förderung der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien real im Jahr 2005. Im Jahr 2008 beträgt sie 350 Millionen Euro. Die Fraktionen haben sich außerdem darauf verständigt, dass sie in den nächsten Jahren weiter aufwächst. Das sind Fördermittel für junge Familien genauso wie für Ältere, für jeden, der in dem Bereich etwas machen will. Nichts davon haben Sie in Ihrer Rede erwähnt. Sie sind eine professionelle Anscheinserweckerin. Sie diskreditieren Politik und sagen nicht die Wahrheit über das, was wir hier heute verabschieden. ({8}) Dass wir keine Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energien im Altbaubereich schaffen, liegt schlicht und ergreifend daran: Ich glaube nicht, dass die Länder ein paar Tausend Leute für die Polizei einstellen werden, damit vor Ort überprüft werden kann, ob jemand seinen Kessel austauscht, um erneuerbare Energien zu nutzen. Im Neubau ist das möglich. Im Altbaubereich wollen wir Finanzmittel zur Verfügung stellen. An die Adresse der FDP sage ich: Das ist ein Beitrag zur Senkung der Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Frau Kopp, Sie tun so, als ob wir immer nur Kosten auslösen. Die Wahrheit ist: Wer 10 000 Euro in eine Solarthermieanlage investiert, bekommt jetzt ungefähr 1 000 Euro Zuschuss, und in wenigen Jahren wird sich das rentieren, weil die Heizkostenrechnungen deutlich sinken. Das ist der Gegenstand des Gesetzes. Wir helfen, Geld zu sparen, wir schaffen Jobs im Handwerk, und wir tun etwas für das Klima. Das ist die Wahrheit über die Gesetze, die wir heute hier beraten und verabschieden. ({9}) Zu der Frage, warum wir kein Bioöl zur Verbrennung zulassen. ({10}) - Biogas und Bioöl. Um beides ging es in der Debatte mit den Mineralölhändlern. - Herr Kauch, ich würde nicht das tun, was Sie gemacht haben, nämlich eine solche Rede halten und dann anderen den Vorwurf des Lobbyismus machen, um das einmal ganz zurückhaltend auszudrücken. Vor ein paar Wochen haben Sie eine ganz interessante Debatte über die negativen Auswirkungen der Verbrennung von Biokraftstoffen geführt und vorgebracht, dass es ineffizient ist, wenn man Biokraftstoffe einfach nur verbrennt. Jetzt fordern Sie sozusagen die Potenzierung ein, indem Sie sagen: Erneuerbare Energien, das ist, wenn man dem Mineralöl ein bisschen Bioöl und dem Gas ein bisschen Biogas zumischt. - Das können Sie doch nicht ernsthaft machen! Das, was Sie heute gefordert haben, ist doch das Gegenteil dessen, was Sie hier vor vier Wochen lautstark verkündeten. Die Politik, die Sie hier betreiben, passt hinten und vorne nicht zusammen. ({11}) Wir haben im Erneuerbaren-Energien-Gesetz den Einsatz von Palmöl und Sojaöl beim Betreiben von Blockheizkraftwerken de facto ausgeschlossen. Das, meine Damen und Herren von den Grünen, ist der erste Schritt zur Nachhaltigkeit. Wir sorgen mit diesem Gesetz dafür, dass das, was nicht nachhaltig angebaut worden ist, in Deutschland nicht eingesetzt werden darf. Im alten Gesetz war das nicht ausdrücklich so geregelt. Es gibt bei uns tausend Anlagen, in denen diese Öle eingesetzt werden. Dies beenden wir nun. Dann werden wir in der EU Nachhaltigkeitskriterien durchsetzen. Nur das, was die EU in diesem Jahr dazu verabschieden wird, wird für den deutschen Markt zugelassen werden. Ansonsten verbieten wir den Einsatz von Palmöl und Sojaöl im Rahmen der erneuerbaren Energien, und das ist auch dringend notwendig. ({12})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, der Herr Kollege Kauch möchte eine Zwischenfrage stellen.

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Wenn ich am Ende noch Redezeit übrig habe, Frau Präsidentin, dann herzlich gerne. Der zweite wichtige Punkt betrifft die Anzahl von Jobs; darauf ist schon hingewiesen worden. Wir wollen die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich von 250 000 auf mindestens 400 000 steigern. Eine letzte Bemerkung zu den Kosten der erneuerbaren Energien: Hier wird so getan, als löste die Beibehaltung der jetzigen Energiepolitik, lieber Herr Kauch, liebe Frau Kopp und die FDP-Fraktion, keine Kosten aus. Ich weiß nicht, ob an Ihnen die gesamte Klimadebatte mitsamt den Berechnungen der Folgekosten des Klimawandels vorbeigegangen ist. Wir haben heute Kosten, die aber die Allgemeinheit zahlt: für Fluten, Flüchtlingsströme, Überschwemmungen, aber auch für Trockenheit und Dürre. Wenn wir nichts dagegen tun, dann wird es bei dieser Form von Schadenssozialismus bleiben, womit ich meine, dass der Schaden auf die Allgemeinheit abgewälzt wird. Das scheint Ihre Politik zu sein. Wollen Sie dies nicht, dann gilt wirtschaftspolitisch das, was Sie auch ansonsten fordern: Wenn man Gewinn machen will, muss man vorher investieren. Deshalb investieren wir jetzt in den umfassenden Ausbau erneuerbarer Energien, damit unsere Kinder und Enkel, aber auch wir selbst davon endlich profitieren können. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, die Kollegin Höhn würde auch gern eine Zwischenfrage stellen.

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Das verstehe ich; aber da gilt leider dasselbe wie für den Kollegen Kauch. Meine Damen und Herren, wir müssen unabhängiger werden. Heute zahlt jeder Haushalt in Deutschland 3 Euro pro Monat für den Ausbau erneuerbarer Energien. Dieser Betrag wird in der Tat bis 2015 auf 5 Euro im Monat ansteigen. Nun kann man sagen, dies sei zu viel. Ich aber sage Ihnen Folgendes: Erstens werden dadurch mindestens 400 000 Arbeitsplätze geschaffen. Es ist teurer, wenn diese Leute zum Arbeitsamt geschickt werden; dies kostet die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Geld. Zweitens sind, um es offen zu sagen, für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder 3 oder 5 Euro im Monat verdammt preiswert. Deswegen stehen wir zu dieser Form der Förderung. Bei anderen Technologieförderungen - vom Airbus bis zur Kernenergie - hat sich niemand so aufgeregt, wie es heute bei den erneuerbaren Energien der Fall ist, obwohl wir hier etwas schaffen, was dem Hochtechnologiestandort Deutschland nützt und dazu beiträgt, dass Deutschland auf diesem Gebiet Exportweltmeister bleiben kann und bei uns eine Vielzahl von Arbeitsplätzen entsteht. Jetzt, Frau Präsidentin, gebe ich gern Antworten auf Zwischenfragen, wenn Sie es noch wollen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nein, das kann ich jetzt nicht mehr wollen, weil Sie Ihre Redezeit bereits überschritten haben, Herr Minister.

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Frau Präsidentin, das bedauere ich zutiefst. - Ich hoffe, dass wir zu einer guten Abstimmung kommen, und freue mich darüber, dass wir heute bei der Energiewende und beim Klimaschutz einen so großen Schritt nach vorne machen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Jetzt gebe ich dem Kollegen Kauch das Wort zu einer Kurzintervention.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, es ist bei Ihnen inzwischen gute Übung, nach Frau Höhn und mir zu reden, weil Sie offenkundig Angst vor den Reaktionen der Opposition haben. Außerdem können Sie uns dann die Worte im Munde herumdrehen. Das ist heute wieder einmal geschehen. ({0}) Es ist nicht hinzunehmen, dass Legendenbildung betrieben wird, insbesondere was die Frage der Biogasnutzung angeht. Meine Bemerkung, dass es ökologisch unsinnig ist, Biogas nur in KWK-Anlagen einsetzen zu dürfen, während das fossile Erdgas in Gasheizungen verbrannt werden darf, ({1}) dass der umgekehrte Fall aber auch kein ökologischer Vorteil wäre, bezog sich auf Biogasanlagen, bei denen beispielsweise vorher Gülle und organische Reststoffe eingesetzt worden sind. Es ging nicht darum, Palmöl zu Heizzwecken in den Tank eines Einfamilienhauses füllen zu wollen, wie Sie es uns vorgeworfen haben. ({2}) Das ist unredlich. Dies hat die FDP niemals gefordert. ({3}) Wir sind darüber hinaus der Meinung, dass die Nachhaltigkeitsverordnung, die Sie vorbereiten wollen, ein stumpfes Schwert ist. Die Nachweise, die Sie beim Palmöl anerkennen wollen, stammen aus Ländern, in denen Korruption herrscht und in denen von Good Governance keine Rede sein kann. Insofern machen Sie dem deutschen Volk etwas vor, wenn Sie feststellen, dass Ihre Nachhaltigkeitsverordnung dazu beiträgt, den Regenwald zu schützen. Das wird nicht der Fall sein. Deswegen sind wir gerade bei Neuanlagen dafür, dass Blockheizkraftwerke nicht mit Palmöl betrieben werden dürfen. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, die Kollegin Bärbel Höhn hat sich noch zu einer Kurzintervention gemeldet. Würden Sie beide Kurzinterventionen zusammen beantworten? - Ich danke Ihnen. Frau Höhn, Sie haben das Wort.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie haben mir eben vorgeworfen, ich sei eine professionelle Anscheinserweckerin. Ich muss ehrlich sagen: Sie sind ein professioneller Ankündiger. Insofern müssen Sie sich damit auseinandersetzen, dass wir überprüfen, ob Sie Ihre Ankündigungen auch umsetzen. Im Meseberg-Paket hatten Sie vor, im ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz bei Altbausanierungen eine Nutzungspflicht von 10 Prozent erneuerbarer Energien einzuführen. In diesem wichtigen Punkt ist es jetzt zu einer Änderung gekommen, indem Sie von den 10 Prozent Abstand genommen haben. Ist das richtig? Ja oder nein?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, jetzt haben Sie die Möglichkeit, zu antworten.

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Frau Kollegin Höhn, in Meseberg haben wir damals beschlossen, keine zusätzlichen Fördermittel für die Altbausanierung aufzubringen; wir wollten das sozusagen ordnungsrechtlich regeln. Dann haben wir festgestellt, dass wir bei einem riesigen bürokratischen Aufwand den Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch in Altbauten nur um rund 1 Prozent steigern würden. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Bei einer Altbausanierung - diese liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Kessel ausgetauscht und zwei oder drei andere Maßnahmen durchgeführt werden - war eine Nutzungspflicht für erneuerbare Wärme vorgesehen. Wir sind davon ausgegangen, dass jemand, der diese Verpflichtung umgehen will, die geplanten Maßnahmen auf zwei Jahre aufteilen würde. Dann hätten wir keine Chance gehabt, ihn zur Nutzung von erneuerbarer Wärme zu zwingen. Des Weiteren hätten nach der vorgesehenen Regelung bis zum 31. Dezember 2008 alle, die eine Altbausanierung durchgeführt hätten, Fördermittel bekommen; ab dem 1. Januar 2009 hätten wir aber unter Hinweis auf die dann geltenden ordnungsrechtlichen Vorgaben die Förderung wieder eingestellt. Das hätte kein Mensch verstanden. Deswegen haben wir unser Vorhaben geändert. Wir haben auf die Vorschrift in Bezug auf die Altbauten verzichtet; dafür erhöhen wir aber massiv die Fördermittel. Ich bin sicher, dass den Bürgerinnen und Bürgern damit weit mehr geholfen ist als mit ordnungsrechtlichen Vorgaben, die man nicht vollziehen kann, weil ihnen jeder entgehen kann, und mit denen wir den Menschen auch noch die Möglichkeit nehmen, staatliche Fördermittel zu bekommen. Ich bin sicher, dass das der klügere Weg ist. Wir sind klüger geworden. Sie werden es vielleicht auch noch, Frau Kollegin Höhn. ({0}) Herr Kauch, Sie haben sich darüber beschwert, dass ich nach Ihnen geredet habe. Das ist gelegentlich notwendig, wenn man vermeiden will, dass im Bundestag unwidersprochen Ausführungen gemacht werden, die mit dem Thema, über das wir diskutieren, relativ wenig zu tun haben. Sie haben ein Beispiel angeführt. Sie können auch nach dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz Biogas einsetzen, und zwar in Verbindung mit einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn Sie das kritisieren, dann bleibt nur eine Alternative, die wir ausdrücklich nicht wollen, nämlich die reine Beimischung von Biogas oder Bioöl. Das haben Sie in Bezug auf die Mineralölhändler gefordert. Wir wollen das nicht; denn es ist ineffizient. Wir wollen den Einsatz von Biogas an die Kraft-Wärme-Kopplung binden. Wir wollen die vorhandenen Probleme im Zusammenhang mit der Biomasse nicht dadurch verschärfen, dass diese ineffizient verbrannt wird. Das ist die Antwort auf Ihre Frage. Es macht durchaus Sinn, gelegentlich erst einmal Ihre Ausführungen zu verfolgen und anschließend darauf hinzuweisen, dass das nur begrenzt etwas mit der Realität gemein hat. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch zwei Redner. Ich bitte, den Rednern zuzuhören und die Gespräche vielleicht außerhalb des Saales fortzusetzen. Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kauch, Angst vor der Opposition und speziell vor der FDP muss an dieser Stelle niemand haben; denn Ihre Reaktionen sind so reflexartig, dass wir sie alle schon kennen. ({0}) In steter Regelmäßigkeit bieten Sie uns ein Quotenmodell als Ersatz für das EEG und nun auch für das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz an, weil es viel besser sei. Wenn Sie sich damit ernsthaft befassten, könnten Sie im europäischen Vergleich sehen: Der Ausbau läuft überall dort besser, wo es ähnliche Modelle wie das unsrige gibt. Vor allem sind die erneuerbaren Energien dort sehr viel günstiger, wo es Einspeisegesetze gibt, als dort, wo es Quoten gibt. Für mich ist entscheidend: Sie lieferten mit einem Quotenmodell den großen Konzernen das Thema erneuerbare Energien frei Haus. ({1}) Die Landwirtschaft und der Mittelstand kommen bei Ihnen gar nicht vor. Dabei gerieren Sie sich sonst als Verfechter des Mittelstandes. Ich bitte Sie, darüber ernsthaft nachzudenken. ({2}) Herr Hill, Sie haben von den Kettenhunden der Atomlobby gesprochen. Abgesehen von der Wortwahl, hat niemand außer Ihnen über die Kernenergie geredet. Wir wollen das an dieser Stelle auch nicht vertiefen. Aber eines ist wahr: Wir von der Union stehen hinter dem Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien - so steht es im Gesetz - auf mindestens 30 Prozent auszubauen. Somit bleiben 70 Prozent übrig. ({3}) Darüber, wie dieser Strombedarf gedeckt werden soll, müssen wir irgendwann im Deutschen Bundestag mit Vernunft und Augenmaß diskutieren. Dann spielt die Kernenergie sicherlich wieder eine Rolle. ({4}) Diese Debatte müssen wir aber an anderer Stelle vertiefen. Zur Fotovoltaik. Sie haben kritisiert, dass es bei uns eine Diskussion darüber gab, wie die Degression und die Vergütung der Fotovoltaik ausgestaltet werden sollen. Ich sage Ihnen offen: Diese Diskussion ist notwendig. ({5}) Niemand von uns kennt die Erfahrungswerte und damit die Kostendegressionsmöglichkeiten der Unternehmen, die in diesem innovativen Bereich tätig sind. Aber es muss uns darum gehen, die Vergütungssysteme so auszugestalten, dass sie das Ganze möglichst präzise abbilden, um die Unternehmen zu Innovationen anzuhalten und sicherzustellen, dass Kostensenkungspotenziale weitergegeben werden. ({6}) Deshalb haben wir diese Diskussion zu Recht geführt. Wir sind am Ende zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen. Wir führen die Degression nicht mit Schwung zurück und schauen dann, wer übrig bleibt, sondern wir gestalten das Ganze ausgewogen, verlässlich und planbar, sodass die Unternehmen wissen, wohin die Reise geht. ({7}) - Eine Diskussion, die lange währt, wird am Ende gut. Sie sollten manchmal ein bisschen länger abwägen, bevor Sie hier etwas vortragen, Herr Hill. ({8}) Die Fotovoltaikbranche ist aufgefordert, die Diskussion ernst zu nehmen. Sie sollte vorangehen und so dafür sorgen, dass wir die kommenden Diskussionen, die es bei zukünftigen Novellierungen des EEG geben wird, bestehen können. Um das Ganze qualifiziert nachprüfen zu können, schaffen wir nun ein Anlagenregister, das für mehr Transparenz sorgen wird, sodass man sehen kann, wie sich die Branche entwickelt. Das halte ich für ganz entscheidend. Frau Höhn, lassen Sie mich etwas zu Ihrer pauschalen Kritik im Zusammenhang mit dem Thema Biomasse sagen. Sie sprechen von Maismonokulturen. Liebe Frau Höhn, wenn ich mich recht erinnere, waren Sie einmal Landwirtschaftsministerin. Sie sollten daher wissen, was man unter guter fachlicher Praxis versteht. Dass Maismonokulturen dem entgegenstehen, wissen Sie doch selbstverständlich. Deshalb bitte ich Sie, bei Wahrheit und Klarheit zu bleiben und nicht solche Behauptungen aufzustellen. ({9}) Sie schaden einer Branche, die - Gott sei Dank - sehr landwirtschaftlich geprägt ist. Bei alledem, was wir bei den Vergütungssystemen getan haben - angefangen vom Güllebonus über die Überarbeitung der Positiv/NegativListe bis hin zur Gewichtung der Grundvergütung im Vergleich zum Nawaro-Bonus -, war unser Ziel, die Konkurrenzfähigkeit der Landwirtschaft gegenüber den großen Playern in diesem Bereich zu sichern und zu erhalten. Ich glaube, das ist ein hehres Ziel, das in weiten Teilen strukturpolitisch so vertreten werden muss. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Marko Mühlstein, SPD-Fraktion.

Marko Mühlstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003814, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein historischer Tag für die deutsche Energiepolitik. Mit der zweiten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes stellen wir einen Tag nach dem Weltumwelttag die Weichen für einen nachhaltigen Energiemix. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz - das kann man an der Stelle sagen - ist eine einmalige Erfolgsstory. Heute haben die erneuerbaren Energien im Strombereich bereits einen Anteil von 15 Prozent. Das heißt, bei der morgigen Eröffnung der Fußballeuropameisterschaft wird jedes siebente Fernsehgerät mit erneuerbaren Energien funktionieren. ({0}) Wenn wir unser Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln, erreichen werden, dann wird bereits bei der Europameisterschaft im Jahr 2020 jedes dritte TV-Gerät mit erneuerbaren Energien laufen. ({1}) Bei der Beratung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz standen wir - das ist bekannt - vor zahlreichen Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Solarenergie, im Bereich der Windenergie und ganz besonders im Bereich der Bioenergie. Dort haben wir - darauf möchte ich detaillierter eingehen - gute Regelungen gefunden, um vor allem eine verstärkte Nutzung der Wärmeenergie bei Biogasanlagen zu ermöglichen und den 3 800 be-stehenden Biogasanlagen eine wirkliche Zukunft zu geben. Die Diskussion über die Lebensmittelkonkurrenz im Bereich der Bioenergie hat uns in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv beschäftigt. Ich denke, dass wir eine gute Balance zwischen der energetischen Nutzung von Agrarrohstoffen und der von vielfach anfallenden Reststoffen hergestellt haben. Ich komme aus Sachsen-Anhalt, einem Bundesland, wo der Ausbau der erneuerbaren Energien fest mit der Schaffung von über 10 000 Arbeitsplätzen verbunden wird. ({2}) Ich bin mir sehr sicher, dass diese wirkliche Wachstumsbranche der letzten Jahre durch die Maßnahmen, die wir mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz getroffen haben, weitere Impulse erhält. Ich möchte mich sehr herzlich bei meinen Kollegen Dirk Becker und Ulrich Kelber für das Engagement und die intensive Zusammenarbeit bedanken, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU. Ich denke, das waren spannende, aber auch erfolgreiche Wochen der Beratung. ({3}) Diese Gesetze - das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - sind die einzig richtige Antwort auf die Herausforderungen des Klimaschutzes, sie führen zu Energieeffizienz und sorgen für eine nachhaltige Energieversorgung. Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, die CDU/CSU auf die richtige Seite zu bekommen. Mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes werden wir die energiepolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre meistern, genau wie unsere Fußballnationalmannschaft die Europameisterschaft 2008 meis17748 tern wird. Wir legen heute mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ball auf den Elfmeterpunkt. Nun muss die Branche der erneuerbaren Energien ihn verwandeln. Beiden wünsche ich maximale Erfolge mit neuer Energie. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, weise ich darauf hin, dass wir nach der namentlichen Abstimmung noch etliche strittige Abstimmungen durchführen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammen- hängender Vorschriften. Mir liegen einige Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung vor.1) Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussemp- fehlung auf Drucksache 16/9477, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 16/8148 und 16/8393 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejeni- gen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zu- stimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt da- gegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Linken, der SPD und der CDU/CSU bei Enthaltung der Grünen und Gegenstimmen der FDP angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Ge- setzentwurf auf Verlangen der FDP namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge- sehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Ich setze die Abstimmungen fort und bitte die Kolle- ginnen und Kollegen wirklich, die Plätze einzunehmen. Wenn Sie dies nicht tun, ist es für mich hier oben sehr schwierig, die Mehrheiten festzustellen. Tagesordnungspunkt 32 a. Die Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD haben beantragt, die Entschließung unter Ziffer II der Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/9477 zur Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie gemäß § 82 Abs. 3 der Ge- schäftsordnung zurückzuverweisen. Mitberatungen 1) Anlagen 2 bis 5 2) Seite17750 D durch andere Ausschüsse sind nicht mehr vorgesehen. Wer stimmt für die von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD beantragte Zurückverweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag auf Zurückverweisung ist bei Gegenstimmen der Grünen mit den Stimmen des Hauses im Übrigen angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/9511? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei Gegenstimmen der Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Tagesordnungspunkt 32 b: Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9476, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 16/8149 und 16/8395 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben beantragt, die Entschließung unter Ziffer II der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/9476 zur Beratung an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zurückzuverweisen. Mitberatungen durch andere Ausschüsse sind nicht mehr vorgesehen. Wer stimmt für die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD beantragte Zurückverweisung an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag auf Zurückverweisung ist bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im Übrigen angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/9488? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Tagesordnungspunkt 32 c: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9429 mit dem Titel: „Klimafreundlich Heizen mit erneuerbaren Energien - Das Wärmegesetz zum Motor für Klimaschutz, Innovation und Wirtschaftswachstum machen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei Gegenstimmen der Grünen mit den Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt. Zusatzpunkt 6: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel: „Perspektiven für eine sektorale Ausweitung des Emissionshandels sowie für die Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmesektor“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7387, den Antrag der FDP auf Drucksache 16/5610 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Zusatzpunkt 7: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/8408 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf: Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 16/8980 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi. ({1})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht hier um eine wichtige Frage für unsere Demokratie, nämlich um den Grad an Öffentlichkeit und an Transparenz in unserer Gesellschaft. Seit 1963 gibt es einen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er gilt so ein bisschen als heilig. Immer wenn er sein Gutachten vorstellt, wird davon in der Tagesschau oder in der heute-Sendung berichtet, und die jeweilige Bundeskanzlerin bzw. der jeweilige Bundeskanzler und die entsprechenden Bundesminister sind schwer beeindruckt. Wenn man sich die Gutachten dieses Rates anschaut, stellt man Folgendes fest: In der Zeit, als der Zeitgeist von Keynes bestimmt war, also die Meinung herrschte, dass man darauf achten muss, dass die Nachfrage in der Gesellschaft stimmt, indem gute Löhne, hohe Sozialleistungen und gute Renten gezahlt werden, damit entsprechend gekauft und Dienstleistungen in Anspruch genommen werden und kleine Unternehmen gut von der Binnenwirtschaft leben können, folgte auch der Sachverständigenrat dieser Meinung. Als sich dann der Zeitgeist änderte und die herrschende Lehrmeinung plötzlich auf Angebotsorientierung abhob, als es also darum ging, die Preisstruktur zu verändern, und deshalb Löhne und Renten sowie Sozialleistungen real sinken sollten, änderte sich auch die Meinung des Sachverständigenrates. Er diskutierte genau im Sinne des nun herrschenden Zeitgeistes und gab Orientierungen dieser Art. Das ist ja etwas, was mich ärgern kann, aber mich nichts weiter angeht; ({0}) denn der Sachverständigenrat ist ja unabhängig und soll seine diesbezüglichen Standpunkte kundtun. Das Problem ist ein anderes: Das Problem ist, dass die Mitglieder von der Bundesregierung berufen werden - jeweils fünf für fünf Jahre -, aber man nicht weiß, von wem sie für welche Zwecke eigentlich noch bezahlt werden. Das ist das eigentliche Problem. ({1}) Nun haben wir vorgeschlagen, das entsprechende Gesetz nur so zu ändern, dass die Mitglieder dieses Sachverständigenrates verpflichtet werden, Einkünfte aus solchen Tätigkeiten bekannt zu geben, bei denen es zu Interessenkonflikten kommen könnte. Dazu möchte ich Ihnen drei Beispiele nennen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Bert Rürup, tritt häufig als Referent für Versicherungsund Finanzdienstleister wie die Credit Suisse und MLP AG auf. Herr Rürup ist auch Vorsitzender des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel, das vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft finanziert wird. Das muss doch die Bevölkerung wissen. ({2}) Wenn man nämlich seine Meinung hört, weiß man dann, weshalb er bestimmte Standpunkte vertritt. ({3}) Professor Franz gehört auch diesem von der Versicherungswirtschaft gesponserten Institut an. Frau Professor Weder di Mauro ist Mitglied des Aufsichtsrates der Ergo-Versicherungsgruppe und Mitglied im Verwaltungsrat des Pharmakonzerns Hoffmann-LaRoche. Das kann ja alles sein. Verstehen Sie: Ich möchte nur, dass das bekannt gegeben wird. Wir Bundestagsabgeordnete sind verpflichtet, alle Nebeneinkünfte im Interesse der Transparenz und der Öffentlichkeit bekannt zu geben. ({4}) Was spricht denn bei so gut bezahlten Sachverständigen dagegen, dass sie verpflichtet werden, das bekannt zu geben? Aus meiner Sicht gar nichts. ({5}) Oskar Lafontaine geht ja noch einen Schritt weiter und fordert, dass man auch bei Fernsehtalkshows unter die Professorennamen schreibt, von wem sie bezahlt werden. Dann wüsste man nämlich sofort, warum sie wie reden. ({6}) Aber darum geht es hier gar nicht. Ich will das gar nicht einführen. ({7}) - Aber ganz klar, ganz dicke. Da brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen. Sie brauchen da gar nichts zu sagen; darum kümmern sich immer schon alle anderen. Ich will nun auf etwas anderes hinaus: Mir ist wichtig, dass wir hier Transparenz einführen, und zwar deshalb, weil ich wissen möchte, ob aus der Art der Bezahlung auch eine bestimmte Meinung resultiert. Wenn das so ist, handelt es sich nämlich nicht mehr um unabhängige Sachverständige. ({8}) Wenn ich von der Versicherungswirtschaft bezahlt werde, ist doch klar, dass ich keine Gutachten gegen die Interessen der Versicherungswirtschaft erstelle. So einfach ist das. Deshalb halte ich unser Anliegen für völlig angemessen und für völlig richtig. Ich habe zwar vorhin gesagt, dass die Sachverständigen in der Regel in Richtung des neoliberalen Zeitgeistes agieren, bin mir aber bewusst, dass das zum Beispiel für Professor Bofinger nicht stimmt. Er argumentiert nach wie vor eher nachfrageorientiert. Aber er ist der Einzige von den Fünfen, der diese Auffassung vertritt. Die vier anderen vertreten eine andere Auffassung. ({9}) - Journalisten? Ich fände es nicht schlecht; mir ist das aber völlig wurscht. ({10}) Bei Journalisten kommt es immer darauf an. Das wäre aber ein anderes Thema. Damit beschäftigen wir uns heute nicht. Wir können uns aber gerne einmal darüber unterhalten, ob jemand, der eine Talkshow leitet, offenlegen soll, woher er sonst noch Geld bekommt. ({11}) Ich habe nichts dagegen. Entweder wollen wir in diesen Fragen Transparenz, oder wir wollen sie nicht. Es hat so lange gedauert, bis der Bundestag dazu bereit war, sich diesbezüglich selbst Auflagen zu machen. Nun haben wir sie, und damit haben wir auch die moralische Legitimation, Gleiches von anderen zu verlangen. ({12}) Ich möchte wissen, von wem die fünf Sachverständigen, die so bedeutend auftreten und die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einschätzen - fast alle Bundesregierungen richten sich häufig nach ihren Urteilen, abgesehen davon, dass sie diese im laufenden Jahr zweibis dreimal korrigieren; aber dazu will ich jetzt nichts sagen -, ansonsten bezahlt werden. Das schafft Klarheit. Dann kann man ihre Urteile sehr viel besser einordnen. Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. ({13}) Ich bin sehr gespannt auf Ihre Gegenargumente. Warum stimmen Sie unserem Gesetzentwurf nicht einfach zu? Den fünf Sachverständigen tut es nur ein bisschen weh. Außerdem wird niemand gezwungen, Mitglied des Sachverständigenrates zu werden. Wenn sie genug Geld von anderer Seite bekommen, dann lassen sie es einfach bleiben. Das wäre auch keine Katastrophe. Dann bekommen wir vielleicht fünf ungebundene Sachverständige. Genau die brauchen wir. Danke schön. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 32 a und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften bekannt - es handelt sich um die Drucksachen 16/8148, 16/8393 und 16/9477 -: Abgegebene Stimmen 522. Mit Ja haben gestimmt 413, mit Nein haben gestimmt 52, Enthaltungen 57. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 522; davon ja: 413 nein: 52 enthalten: 57 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Gitta Connemann Hubert Deittert Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({1}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({2}) Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({3}) Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Peter Hintze Christian Hirte Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({4}) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({5}) Volker Kauder Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({6}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Gunther Krichbaum Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({7}) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Eduard Lintner Dr. Michael Luther Stephan Mayer ({8}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({9}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({10}) Stefan Müller ({11}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Bernd Neumann ({12}) Eduard Oswald Ulrich Petzold Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({13}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Albert Rupprecht ({14}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({15}) Hermann-Josef Scharf Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({16}) Andreas Schmidt ({17}) Ingo Schmitt ({18}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Thomas Strobl ({19}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Marcus Weinberg Peter Weiß ({20}) Gerald Weiß ({21}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller SPD Gregor Amann Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({22}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({23}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Bernhard Brinkmann ({24}) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Renate Gradistanac Angelika Graf ({25}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({26}) Nina Hauer Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({27}) Gerd Höfer Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Iris Hoffmann ({28}) Frank Hofmann ({29}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({30}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange ({31}) Dr. Karl Lauterbach Waltraud Lehn Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Petra Merkel ({32}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Detlef Müller ({33}) Michael Müller ({34}) Gesine Multhaupt Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Mechthild Rawert Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({35}) Michael Roth ({36}) Ortwin Runde Anton Schaaf Axel Schäfer ({37}) Bernd Scheelen Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({38}) Silvia Schmidt ({39}) Heinz Schmitt ({40}) Carsten Schneider ({41}) Ottmar Schreiner ({42}) Swen Schulz ({43}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({44}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg ({45}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer DIE LINKE Karin Binder Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Lutz Heilmann Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Jan Korte Katrin Kunert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Wolfgang Nešković Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({46}) Volker Schneider ({47}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann fraktionslos Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Leo Dautzenberg Axel E. Fischer ({48}) Erich G. Fritz Susanne Jaffke-Witt Dr. Klaus W. Lippold Philipp Mißfelder Peter Rauen Kai Wegner Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Daniel Bahr ({49}) Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Patrick Döring Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({50}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Michael Link ({51}) Markus Löning Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Detlef Parr Gisela Piltz Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Christoph Waitz Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({52}) Enthalten CDU/CSU Renate Blank Andreas G. Lämmel FDP Uwe Barth Mechthild Dyckmans Miriam Gruß Sabine LeutheusserSchnarrenberger Horst Meierhofer Cornelia Pieper Jörg Rohde Marina Schuster Dr. Max Stadler DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Sevim Dağdelen Ulla Jelpke Dr. Norman Paech BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Winfried Hermann Peter Hettlich Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Priska Hinz ({53}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({54}) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({55}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Claudia Roth ({56}) Krista Sager Manuel Sarrazin Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Fuchs, CDU/CSU-Fraktion. ({57})

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen! Meine lieben Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr „Mister Intransparenz“ Gysi! „Das Erreichte nicht verspielen“ - mit dieser eindringlichen Aufforderung hat uns der Sachverständigenrat sein Jahresgutachten 2007/2008 Ende November letzten Jahres übersandt. Dieser Titel ist wahrlich keine Lobeshymne für uns; er ist für die Große Koalition unbequem. Er zeigt, dass wir mit dem steinigen Reformkurs weitermachen müssen und dass wir uns nicht hinsetzen und sagen können, wir hätten bereits alles erreicht. Das ist völlig richtig. Herr Gysi, dieser Titel zeigt aber auch, dass der Sachverständigenrat von der Bundesregierung unabhängig ist. Sonst würde er mit solchen unbequemen Äußerungen sehr zurückhaltend sein. ({0}) Ich denke, die meisten von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden mir zustimmen, wenn ich sage: Der Sachverständigenrat leistet eine ausgesprochen gute Arbeit; er entspricht den hohen Anforderungen, die wir an ihn stellen, und er hat seine Berufung gerechtfertigt. Ich habe bis jetzt kein einziges Mal festgestellt, dass er seine Arbeit in irgendeiner gearteten Abhängigkeit von jemandem geleistet hat - schon gar nicht von Ihnen. ({1}) Es ist nichts zu spüren von der Vertretung privatwirtschaftlicher Interessen. Herr Kollege Gysi - Herr Lafontaine hat ja für solche Debatten keine Zeit -, Ihr Gesetzentwurf soll uns glauben machen, dass Sie heldenhaft für Transparenz kämpfen. Es fällt mir aber sehr schwer, Ihnen gerade dies abzunehmen. ({2}) „Transparenz“ ist ein Begriff, den die meisten von uns eindeutig positiv bewerten. „Transparenz“ bedeutet Durchlässigkeit, Durchsichtigkeit und im weiteren Sinne auch Offenheit und Klarheit. „Transparenz“ ist deswegen ein Wort, das sich ausgesprochen selten in den Sprachgebrauch der Linken verirrt. ({3}) Es passt nicht in den sozialistischen Staatszentralismus und schon gar nicht zu Ihren üblichen Verschwörungstheorien, mit denen Sie uns hier langweilen. ({4}) Wenn Sie das Wort „Deregulierung“ hören, dann vermuten Sie wahrscheinlich Anarchie. Vielleicht wäre ein Fremdwörterbuch für Sie ganz nützlich. Das Schlimmste aber ist, dass es Ihnen offensichtlich Freude bereitet, den Menschen in unserem Land mit Ihren Unwahrheiten Angst zu machen. So haben Sie sich auch nicht davor gescheut, vor kurzem in einer Talkshow eines obendrein auch noch öffentlich-rechtlichen Senders unserer Bundeskanzlerin Dinge zu unterstellen, die auch nicht im Geringsten etwas mit der Wirklichkeit und der Wahrheit zu tun haben. Das waren nicht Sie, Herr Gysi; aber es gibt ja noch andere bei Ihnen. Es erfordert schon ein besonderes Maß an Dreistigkeit, in einer Fernsehsendung Zahlen und Daten herunterzurasseln, die schlichtweg erfunden sind. Aber das machen Sie gerne, gerade bei Themen, die mit dem Haushalt, dem Arbeitsmarkt, der Sicherheit unseres Landes etc. zu tun haben. So fällt es Ihnen auch nicht schwer, in Ihrem Gesetzentwurf den Sachverständigenrat ganz nebenbei unter Generalverdacht zu stellen. Das ist nicht in Ordnung. Wir stellen uns da ganz eindeutig vor den Sachverständigenrat. Eines muss man dem Kollegen Lafontaine lassen: Es ist wirklich beeindruckend, mit welcher Unverfrorenheit er Unwahrheiten behauptet und im gleichen Atemzug Transparenz von hochangesehenen Gremien fordert. Wir haben Behörden, um Transparenz zu schaffen. Wir haben zum Beispiel die Birthler-Behörde bzw. die Beauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. ({5}) Marianne Birthler war gestern nochmals vor einem Ausschuss, der in diesem Hohen Hause Transparenz schaffen soll; ({6}) der eine oder andere Kollege war dabei. Das ist eine Aufgabe. Warum bekommen wir keine Transparenz, Herr Gysi? Warum helfen Sie nicht mit? ({7}) Es wäre doch einfach für Sie, uns darin zu unterstützen, dass wir diese ganze Arbeit in diesem Ausschuss nicht zu machen brauchen. Sie drücken sich doch vor jeglicher Transparenz. Deswegen sind Sie bei allem, was mit Transparenz zu tun hat, absolut unglaubwürdig. ({8}) Man muss sich das einmal vorstellen: Genosse Lafontaine hatte nach den Äußerungen von Frau Birthler nichts Eiligeres zu tun, als sofort ihre Ablösung zu fordern. Es ist doch ein Skandal, dass ein demokratisch gewähltes Mitglied dieses Hohen Hauses sein Amt missbraucht, um Recht zu verdrehen und die Aufklärung der Vergangenheit eines Mitglieds seiner Fraktion nach persönlichem Gusto zu verhindern. ({9}) Ich möchte Ihnen darum eine gewisse Lektüreempfehlung geben. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat in seinem Bericht vom 10. November 2006 alle Abgeordneten namentlich genannt, die sich freiwillig einer Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für die Stasi in der ehemaligen DDR gemäß § 44 c Abgeordnetengesetz unterzogen haben. Ich habe mir einmal angeschaut, wer das gemacht hat, wer bereit war, sich dieser Prüfung zu unterziehen. Sie nicht, Herr Gysi. ({10}) Sie alle haben nicht den Mut dazu gehabt. Nicht ein Einziger aus der Fraktion der Linken hat sich dazu bereit erklärt, sich prüfen zu lassen. ({11}) Schauen Sie sich die Liste an! Das ist beschämend. ({12}) Das zeigt, wie sehr Sie gegen jegliche Transparenzregeln verstoßen. Das zeigt auch, wie wenig Sie das Recht haben, in diesem Hohen Hause von Transparenz zu sprechen. Sie biegen sich Ihre Gesetze so hin, wie Sie es brauchen. Sie haben mit den Prinzipien des Rechtsstaats nun wahrlich nicht viel zu tun. Es fällt mir zwar ein bisschen schwer, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber einmal muss ich den Berliner Bürgermeister zitieren. Er hat ja manchmal recht, zumindest in einer Aussage. Da hat er in Anbetracht all dieser Selbstherrlichkeit gesagt: „Hütet euch vor Lafontaine!“ - Ich füge hinzu: Und nehmt euch in Acht vor Gysi! ({13}) Der beispiellose Populismus, den diese Herrschaften an den Tag legen, stinkt zum Himmel. Das geht immer nach dem Motto: Im Himmel ist Jahrmarkt, und der Eintritt ist frei. Wir alle sind ja Gutmenschen. - Lieber Herr Gysi, kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen Gutmenschen und guten Menschen? Ganz einfach: Gute Menschen spenden ihr eigenes Geld und setzen es ein, um anderen zu helfen. Gutmenschen verteilen das von anderen. Dafür sind Sie bekannt. Geld von anderen zu verteilen, das können Sie. Zur Wirklichkeit Ihrer Partei gehört auch, dass Sie sich jetzt mit berühmten Genossen - es gibt ja Gott sei Dank nicht allzu viele -, zum Beispiel mit dem Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, treffen. Der wird dann auch noch von Ihnen sehr intensiv verteidigt. ({14}) Herr Lafontaine hat letztes Jahr in einem Interview sehr viel Verständnis für Herrn Chávez geäußert. Dieser hat, nebenbei gesagt, in rigoroser Weise einen oppositionellen Fernsehsender geschlossen. Lafontaine hat ihm gesagt, das sei nicht so schlimm; er habe ja nur die Konzession nicht verlängert. So geht er damit um. ({15}) Das hat er früher aber selber schon einmal gemacht. Vor 14 Jahren war Lafontaine noch als SPD-Mitglied Ministerpräsident im Saarland. Damals wollte er das Presserecht einschränken, indem er versucht hat, die Fernsehsendung Panorama daran zu hindern, einen Bericht über seine Bekanntschaft mit dem Rotlichtmilieu im Saarland auszustrahlen. ({16}) Das zeigt seine ganze Geisteshaltung. Erst versucht man, das Presserecht einzuschränken, dann verbrüdert man sich mit den Diktatoren in Lateinamerika, die bereit sind, jegliches Recht außer Kraft zu setzen, um ihre Macht zu erhalten. Eine solche Denke hat mit Transparenz nichts zu tun. ({17}) Der vorliegende Gesetzentwurf der Linken stellt in seinen Formulierungen den Sachverständigenrat als Gremium als verdächtig dar. ({18}) Das ist er für uns nicht. Wir wollen den Sachverständigenrat in seiner Unabhängigkeit, so wie er ist, erhalten. ({19}) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die ganze Wirtschaft in Misskredit gebracht. Ich kann Ihnen nur sagen: Das läuft mit uns nicht. Wir lehnen Ihren Antrag im Ausschuss, aber auch im Deutschen Bundestag gerne ab. Nichts Besseres hat er verdient. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Martin Zeil, FDPFraktion. ({0})

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ludwig Erhard, der erste Bundeswirtschaftsminister und Vater der sozialen Marktwirtschaft, hat 1963 mit dem Sachverständigenrat einen Hort des ordnungspolitischen Denkens geschaffen. Vorbild war damals der amerikanische Council of Economic Advisers. Dieser ist aber direkt dem Präsidenten unterstellt. Die Mitglieder können jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Ähnlich verhält es sich in Frankreich. Dort ist das entsprechende Gremium unmittelbar dem Premierminister unterstellt. Ludwig Erhard war dagegen von Anfang an die Unabhängigkeit des Sachverständigenrates wichtig, auch wenn Bundeskanzler Adenauer in seiner unnachahmlichen Art für solche Unabhängigkeit wenig Verständnis hatte. Er hat damals zu Erhard gesagt: „Erhard, woll’n Se sich ’ne Laus in’n Pelz setzen?“. Erhard setzte sich durch, und der deutsche Sachverständigenrat bekam seine bis heute untadelige Unabhängigkeit. ({0}) Diese Unabhängigkeit ist sogar gesetzlich geschützt. Die Mitglieder des Rates sind an keine Weisungen gebunden. Sie können fünf Jahre lang frei sagen und schreiben, was sie für richtig halten. Dadurch genießt der Sachverständigenrat, Herr Kollege Gysi, in der Bevölkerung und überall bis heute höchste Anerkennung als wirtschaftspolitisches Gewissen in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Manche sprechen sogar von dem „Olymp von Wiesbaden“. Mit Axel Weber steht heute ein ehemaliger Wirtschaftsweiser an der Spitze der Deutschen Bundesbank. Im Laufe der letzten 45 Jahre haben viele vergeblich versucht, Einfluss auf den Rat zu nehmen und ihn in ihrem Sinne zu nutzen. Eine besonders gegen die Unabhängigkeit eines Sachverständigen gerichtete Einflussnahme - hören Sie gut zu, jetzt komme ich zu Ihnen kam übrigens von einem Gründungsvater der Linken. Der von der Gewerkschaftsseite 1994 berufene Wolfgang Franz erlaubte sich eine im besten Sinne des Gesetzes unabhängige Haltung. ({1}) Weil er sich nicht in sein ordnungspolitisches Gewissen hineinreden lassen wollte, begann ein Sturm der Entrüstung, angeführt von dem damaligen Finanzminister Oskar Lafontaine, der - ein einmaliger Vorgang - 1999 für dessen Abberufung sorgte. Ein besonders trauriges Beispiel von Einflussnahme! ({2}) Kommen wir jetzt ganz konkret zu Ihrem Gesetzentwurf. Sie fordern zusätzliche Offenlegungspflichten, indem Sie einen angeblichen Interessenkonflikt zwischen den Formen privater Vorsorge und den Empfehlungen des Rates konstruieren. Da Sie auch Namen nennen, ist dieser Entwurf aus unserer Sicht nichts anderes als eine billige Mixtur von Diffamierung, Neid und an den Haaren herbeigezogenen Beispielen. ({3}) Das ist aber kein Wunder; denn das entspricht der Tradition der Diffamierungs- und Verleumdungsmethoden Ihrer Vorgängerpartei. ({4}) Was sind die Fakten? Alle Sachverständigen behalten während ihrer Tätigkeit ihre Professur. Die von Ihnen beschriebenen Nebentätigkeiten sind gemäß den einschlägigen Gesetzen ohnehin anzeige- und genehmigungspflichtig. Des Weiteren dürfen die Ratsmitglieder weder der Regierung noch einem Wirtschaftsverband, einer Arbeitgeberorganisation oder einer gewerkschaftlichen Organisation angehören. Fest steht: Die Kollegen von der Linken haben einen überflüssigen Gesetzentwurf vorgelegt. Man muss ihn eher als Misstrauenserklärung gegenüber dem Rat, seiner Unabhängigkeit und vor allen Dingen den von ihm vertretenen Auffassungen sehen. Sie tun nur so, als wollten Sie die Unabhängigkeit des Rates sichern. Aus Sicht meiner Fraktion ist es nicht so, dass die Mitglieder des Rates nicht unabhängig genug sind. Das ist nicht das Hauptproblem. Das eigentliche Problem ist doch, dass die Empfehlungen der Sachverständigen in der praktischen Politik viel zu wenig Niederschlag finden. ({5}) Die schwarz-rote Koalition pickt sich aus den Empfehlungen die Rosinen heraus und tut das, was sie ohnehin getan hätte. Der Sachverständigenrat hat unter dieser Regierung leider nur eine Alibifunktion. ({6}) Werfen wir zum Schluss einen Blick in das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrates - ich zitiere -: So erfreulich es ist, dass der finanzielle Gestaltungsrahmen der Politik wieder größer geworden ist, so unbefriedigend ist es, dass hinter einer ganzen Reihe der in der letzten Zeit angestrebten oder bereits ergriffenen Maßnahmen keine klare wirtschaftspolitische Strategie erkennbar ist, sondern vielmehr wahltaktische Überlegungen durchscheinen. ({7}) Gute Politik erfordert nicht immer die großen Würfe. Auch eine dem politischen Kompromissgebot geschuldete Politik der kleineren Schritte kann eine gute Politik sein, vorausgesetzt diese kleinen Schritte gehen in die gleiche Richtung und folgen einer in sich geschlossenen Konzeption. Wenn ich berücksichtige, dass Herr Beck - wie die Agenturen heute melden - von einer „Steuersenkungshysterie“ spricht, muss ich sagen, dass bei dieser Koalition eine einheitliche Konzeption überhaupt nicht zu erkennen ist. ({8}) Es droht - so schreibt der Sachverständigenrat -, dass wegweisende Reformen zurückgedreht werden. Als Beispiele nennt er die Rente mit 67, das Arbeitslosengeld II und die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Diese Aussage sollte uns eine Mahnung sein und nicht solche Schaufensteranträge der Linken. Nach der jüngsten Prognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft wird sich die Konjunktur in Deutschland nach einem schwungvollen Start ins Jahr merklich abkühlen. Deshalb sage ich: Verehrte Koalitionäre, beenden Sie den Vorwahlkampf, gehen Sie wieder an die Arbeit, und setzen Sie die Empfehlungen Ihrer unabhängigen Berater endlich um! Auch die ständige Selbstbeweihräucherung der Bundesregierung findet in dem Gutachten keine Stütze. Ein letztes Zitat: Die klassische Abfolge des Aufschwungs … spricht dafür, dass die aktuell sehr günstige wirtschaftliche Lage in beträchtlichem Maße auf zyklische Faktoren zurückzuführen ist. Das ist die vornehme Sprache des Sachverständigenrates. Übersetzt heißt das: Der Aufschwung ist nur zu einem sehr geringen Teil auf die Politik zurückzuführen. Eine Abschlussbemerkung in Richtung Linkspartei: Beenden Sie Ihre scheinheiligen Angriffe auf die Unabhängigkeit und das freie Denken des Sachverständigenrates! ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Reinhard Schultz.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war etwas verblüfft, dass dieser wegweisende, historische Gesetzentwurf der Linkspartei ausgerechnet in der Kernzeit am Freitagmittag behandelt werden soll, und das eine ganze Stunde. Das gibt ihm viel Gewicht. Für mich armes Schwein, der ich 19 Minuten darüber reden soll, ist das nicht schön. ({0}) Frau Andreae, ich weiß, dass Sie Ihren Flieger kriegen müssen. Ich werde versuchen, darauf Rücksicht zu nehmen. Trotzdem muss man die Gelegenheit nutzen, auf das Wesen des Sachverständigenrats und darauf, was er machen soll und was nicht, einzugehen. Unter der Problembeschreibung in Ihrem Antrag steht - ich zitiere -: Mit der zunehmenden Privatisierung der Sozialversicherungssysteme bzw. deren Ergänzung durch private Vorsorge, wie beispielsweise durch die sogenannten Riester- und Rürup-Renten, ist die Gefahr der Einflussnahme auf die Analysen und Empfehlungen der Mitglieder des Sachverständigenrates durch private Unternehmen, die diese Leistungen erbringen und daran verdienen, gestiegen. Das ist eine Generalanklage, mit der ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Teilen der Wirtschaft und dem Sachverständigenrat quasi als Transmissionsriemen wirtschaftlicher Interessen und dem, was die Politik letztendlich entscheidet, unterstellt wird. Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Herr Rürup, der Vorsitzender verschiedener Kommissionen war, an dem Gutachten, das schließlich zur Reform der Altersvorsorge geführt hat, nicht in seiner Eigenschaft als Sachverständigenratsmitglied geschrieben hat, sondern in anderer unabhängiger Eigenschaft. Hier werden Dinge miteinander vermischt. Konkrete Gesetzgebungsverfahren wurden in der Vergangenheit durch Sonderkommissionen vorbereitet und begleitet, welche in der Regel vom jeweiligen Fachminister eingesetzt wurden und nicht vom Sachverständigenrat. Der Sachverständigenrat hat einen Generalauftrag; er gibt jährlich ein Gutachten ab und nach Bedarf auch Einzelstellungnahmen. Nach § 1 Abs. 2 des Sachverständigenratgesetzes sollen die Mitglieder wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und volkswirtschaftliche Erfahrung haben. Hier stellt sich die Frage: Woher? Die wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse können Sie erlernt haben; das mündet dann irgendwann in einem hohen akademischen Grad. Die volkswirtschaftliche Erfahrung kann man nicht erlernen. Man kann sie nur in einem langen Leben erwerben, indem man sich wirtschaftlich betätigt oder wirtschaftsnah arbeitet. Wer das ausdrücklich nicht will, schafft ein Leitbild von einem Wirtschaftssachverständigen, einem Berater der Bundesregierung, das der Karriere des Kollegen Schui nahekommt: ({1}) Er schreibt in einem Elfenbeinturm seiner eigenen Ideologie verpflichtet etwas auf, das niemand wissen will. Deswegen bittet ihn auch niemand um Rat und bezahlt ihn dafür. ({2}) Ich verstehe, dass er den Ausweg ins Parlament gesucht und gefunden hat. So kann er unmittelbar seine Überlegungen und sein Wissen an den Mann bringen. - Dem können wir aber nicht folgen. In ihrem Gesetzentwurf gehen die Linken - übrigens ähnlich wie Herr Zeil und Herr Fuchs - irrtümlich davon aus, dass der Sachverständigenrat auch Empfehlungen Reinhard Schultz ({3}) abzugeben hat. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. § 2 letzter Satz des Sachverständigenratgesetzes besagt: Der Sachverständigenrat soll Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung … aufzeigen, jedoch keine Empfehlungen für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen aussprechen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schultz, der Kollege Schui würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lassen Sie mich diesen Gedanken zu Ende führen. Dann werde ich gern darauf zurückkommen. Die Annahme, der Sachverständigenrat gebe Empfehlungen ab, ist weit verbreitet. Das bringt jede Bundesregierung, egal wer sie gerade stellt, und den Bundestag in die Verlegenheit, sich rechtfertigen zu müssen, warum man den Empfehlungen nicht gefolgt ist. Der Sachverständigenrat ist verpflichtet, nachzudenken, aber er trägt keine politische Verantwortung. Die politische Verantwortung tragen ausschließlich die Bundesregierung und in erster Linie das Parlament. Es fließen nicht nur ordnungspolitische Leitsätze in die Entscheidungsfindung ein, sondern auch andere Gesichtspunkte, manchmal auch parteipolitische Gesichtspunkte, aber das ist in einer Demokratie auch legitim. Ausschlaggebend ist auch die Rücksichtnahme auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und deren Empfindlichkeiten. Es ist sogar die Pflicht der Politik, so zu handeln. Denn wenn sie das nicht täte, würden diejenigen, die so handeln, irgendwann nicht mehr politisch tätig sein. Dieser sehr praktische Dialog zwischen Wählern und Gewählten spiegelt sich auch im politischen Handeln wider. Davon braucht sich ein Sachverständigenrat aber nicht ankränkeln zu lassen. Um das sicherzustellen, ist von vornherein festgelegt worden: Er soll keine Empfehlungen abgeben, sondern analysieren. Er soll Alternativen, Wege und Instrumente aufzeigen, die die Politik bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen sollte. Anlässlich des 40. Jubiläums des Sachverständigenrates hat sein damaliger Vorsitzender übrigens gefordert, diesen Paragrafen zu streichen. Wie wir wissen, würde jeder Professor am liebsten selbst regieren; das ist klar. Angesichts der Fülle von Erkenntnissen, die ein Professor hat, liegt es nahe, dass er die Dinge am liebsten gleich selbst regeln möchte. Das ist überall so, das nehme ich auch niemandem übel. Das beste Beispiel war der politisch nicht gerade erfolgreiche Professor Kirchhof. Er hat versucht, sein theoretisches Modell in die politische Praxis umzusetzen, musste aber zur Kenntnis nehmen, dass das Publikum von seinen Vorstellungen nicht begeistert war. ({0}) So etwas kann vorkommen. Das würde auch dem Sachverständigenrat passieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schultz, ich mache einen neuen Anlauf. Möchten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Kollegen Schui zulassen?

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schui, als ich noch Juso war, habe ich Ihre Veröffentlichungen immer gerne gelesen. Dann bin ich darüber aber hinweggekommen. ({0})

Dr. Herbert Schui (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003844, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Irgendetwas muss uns ja miteinander verbinden. Wir sollten in einem Punkt ins Reine kommen: Wirtschaft ist Gegenstand von Interesse. Diejenigen, die die Wirtschaft analysieren, zum Beispiel Sachverständige und Professoren, sind nicht frei von Interessen. Es ist gar nicht möglich, dass die Wissenschaft, die sich mit etwas Interessenbehaftetem wie Wirtschaft beschäftigt, ihrerseits frei von Interessen ist; das gibt es nicht. Weil das so ist, wird der Sachverständigenrat mit jeweils einem Mitglied beschickt, das die besondere Billigung der Gewerkschaften hat. Denn allen, auch dem Gesetzgeber, war klar, dass es keine reine Wirtschaftswissenschaft gibt. ({0}) Nun zu meinen Publikationen, die angeblich niemand lesen will. Meine letzte Veröffentlichung war eine Analyse der neoliberalen Theorie. ({1}) Zumindest Benedikt Köhler von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat sie gelesen und sehr positiv beurteilt. ({2}) Daraufhin hat sich das Buch auch recht gut verkauft.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, ich habe den Anfang Ihrer Frage verpasst.

Dr. Herbert Schui (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003844, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Daher können Sie nicht sagen, niemand wolle wissen, was ich schreibe. ({0})

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schui, ich habe, ehrlich gesagt, den Anfang Ihrer Frage vermisst. Ich weiß nicht, was Sie mich gefragt haben. ({0}) Reinhard Schultz ({1}) Ihre Frage war so lang wie die Redezeit, die der Partei der Linken normalerweise in einer ganzen Kernzeitdebatte zur Verfügung steht. ({2}) Ich will aber nicht darüber richten, sondern versuchen, auf den Kern Ihrer Rede einzugehen. Ich kann bestätigen: Es gibt keine Wirtschafts- oder Gesellschaftswissenschaft - wahrscheinlich gar keine Wissenschaft -, die nicht auch von Interessen geleitet ist; das ist gar keine Frage, und das weiß ich. Eine Bundesregierung informiert sich im Vorfeld natürlich ganz genau, wen sie als Mitglied des Sachverständigenrates vorschlägt. In der Regel werden Hochschullehrer berufen, die eine lange Liste von Veröffentlichungen vorweisen können und Mitglied vieler Beiräte etc. sind. Daraus ergibt sich ein Gesamtprofil des jeweiligen Kandidaten, das mit ausschlaggebend dafür ist, ob er berufen wird oder nicht. Jede Bundesregierung setzt hier andere Akzente, je nachdem, welche Parteien an ihr beteiligt sind. Wenn man sich die Liste der Mitglieder des Sachverständigenrates seit 1963 durchliest, stellt man fest, dass durchaus Verschiebungen stattgefunden haben, sowohl bei den Personen als auch bei den Ansichten, die vertreten wurden. Herr Kollege Gysi hat vorhin darauf hingewiesen, dass auch der Zeitgeist eine Rolle spielt. Natürlich spielt der Zeitgeist eine Rolle. Denn die Denkschulen, die zum Mainstream der Wirtschaftswissenschaften gehören, spiegeln sich auch in politischen Auffassungen wider - und umgekehrt. Das ist oftmals allerdings erst zeitversetzt der Fall. Beispielsweise hatte der Sachverständigenrat eine Zeitlang sehr angebotsorientierte Mitglieder, die auf die Politik offensichtlich nur geringen Einfluss hatten. Nach Durchsicht der Jahresgutachten kann man insgesamt feststellen: Im Regelfall werden die Analysen des Sachverständigenrates sehr ernst genommen; sie sind ein Hort der Erkenntnis. Die praktischen Empfehlungen des Sachverständigenrates, die er eigentlich gar nicht abgeben dürfte, wurden von den seit 1963 amtierenden Bundesregierungen aber so gut wie nie zum Gegenstand ihres praktischen Handelns gemacht. Man hat sich die Erkenntnisse, die Analysen, die Trends und die Prognosen über zu befürchtende Fehlentwicklungen, die dargestellt wurden, angeschaut, daraus aber seine eigenen Schlüsse gezogen. Das ist auch der Sinn. Die Konstruktion des Sachverständigenrates - Herr Zeil hat zu Recht darauf hingewiesen - ist im Vergleich zur Konstruktion entsprechender Beratungsgremien in anderen Ländern geradezu ideal. Die Sachverständigen haben einen hohen Grad an Freiheit. Sie sind nicht unmittelbar Bestandteil des Regierungshandelns. In den USA ist das anders; dort gibt es eine Truppe, die ideologisch-inhaltlich zusammengeschmiedet ist. Sie ist sozusagen die wirtschaftspolitische Knüppelgarde des jeweiligen Präsidenten - so die Chicago Boys von Ronald Reagan, die einen radikalen Wechsel in der Wirtschaftspolitik eingeleitet haben, oder die aus meiner persönlichen Sicht - ich konnte sie kennenlernen - merkwürdige Mormonentruppe, mit der sich Bush umgeben hat. ({3}) Da findet keine unabhängige Beratung statt. Das ist ein gleichförmiges, nichtpluralistisch angelegtes Beratergremium, das nur dazu dient, dem Präsidenten Instrumente an die Hand zu geben, mit denen er seine Meinung untermauern kann. Das ist ein Riesenunterschied. In Frankreich hat das entsprechende Beratungsgremium einen Charakter wie bei uns der Wissenschaftliche Beirat des Finanz- oder des Wirtschaftsministeriums. Die Berater sind handverlesen - durch den dortigen Premierminister -, sie können auch entlassen werden. Auch da ist eine Unabhängigkeit in dem Maße wie bei uns nicht gegeben. Im Vordergrund steht der instrumentelle, durchsetzungsbezogene Charakter des Gremiums. Insofern ist unsere Konstruktion gut. Die Sachverständigen werden auf Zeit gewählt. Sie werden übrigens nicht alle auf einmal ersetzt, sondern es gibt eine Art Rotationsverfahren. Wer als Erster ausscheidet, wird durch Los ermittelt. Dieses Rotationssystem war bereits 1963 im Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angelegt - lange bevor die Grünen ein solches System entdeckt und dann wieder verworfen haben. ({4}) Das unterstreicht die Unabhängigkeit, es unterstreicht aber auch die Anpassung des Sachverständigenrates an neuere, auch wissenschaftliche Entwicklungen. Die Dinge verknöchern nicht, Innovationen sind grundsätzlich möglich. Vor diesem Hintergrund sollten wir im Hinblick darauf, dass der Sachverständigenrat am 26. Juni dieses Jahres 45 Jahre alt wird, bestätigen: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist seinen Aufgaben gerecht geworden. Ich persönlich - ich überblicke zwar nicht den ganzen Zeitraum von 1963 bis heute, aber doch eine ganze Weile kann sagen: Ich habe mich regelmäßig über Teile der Gutachten schwarzgeärgert - „rotgeärgert“ müsste ich wohl sagen -; das ändert aber nichts daran, dass ich die analytische Brillanz, die Erkenntnisse, das Wissen, das einem als Politiker zur Verfügung gestellt wird, zu schätzen weiß. Letztendlich entscheidet jeder in eigener Verantwortung, ob er linksherum oder rechtsherum geht. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Andreae, Bündnis 90/Die Grünen.

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu dem Gesetzentwurf der Linken komme, möchte ich anmerken, dass ich es bedauere, dass wir schon in den letzten Wochen durchaus großKerstin Andreae zügig mit der wertvollen Kernzeit umgegangen sind, viel über Berichte und weniger über wichtige Punkte gesprochen haben. Die Große Koalition hat anscheinend, von ein paar Ausnahmen abgesehen, zum Beispiel dem IKEP, keine wirklich wichtigen Gesetzesvorhaben mehr. ({0}) Ein Punkt des Gesetzentwurfs der Linken ist es durchaus wert, diskutiert zu werden: die Frage der Transparenz und der Offenlegung. Wir müssen wissen: Wie frei agieren die, die Entscheidungskompetenzen und Beratungskompetenzen haben? Darüber diskutieren wir, was unsere Mandate angeht, immer wieder. Im Hinblick auf unsere Mandate ist eine Entscheidung getroffen, die wir Grünen kritisieren, weil nur in drei Stufen angegeben werden muss, wie hoch die Einkünfte sind, die durch Nebentätigkeiten erzielt werden. Woher diese Einkünfte kommen, ist jedoch nicht transparent. Ich fände es im Zusammenhang mit der Debatte über die Energiepolitik durchaus interessant, zu wissen, welche Abgeordneten in diesem Hohen Hause zum Beispiel auf der Payroll der Energieversorgungsunternehmen stehen. ({1}) Transparenz und Offenlegung sind wichtig; aber man muss aufpassen, dass man über das Ziel nicht hinausschießt. Wie viel unterstellt man bei geleiteten Interessen, und wie viel davon ist kontraproduktiv? Herr Gysi, bei Ihrem Debattenbeitrag kam vorhin der Einwurf von der FDP, ob das bei Journalisten auch gelten solle. Sie haben gesagt, dass Sie es ziemlich interessant fänden, wenn das bei Journalisten auch gelten würde. Jetzt möchte ich doch einmal die Frage stellen, ob wir nun damit anfangen, uns Beruf für Beruf und Gremium für Gremium Gedanken darüber zu machen, wo noch Finanzen bzw. Einkünfte herkommen. Wo fängt das an, und wo hört das auf? Ich glaube, es ist wichtig, dass man eine Unterscheidung trifft, die da heißt: Es gibt die Entscheider, die dann auch die Verantwortung dafür übernehmen, und es gibt die Berater, die beraten. Diese Unterscheidung scheint mir eine Antwort auf die Frage zu sein, wie wir bei dieser Offenlegung vorgehen. Wir sagen: Bei den Entscheidern - also den Mandatsträgern hier im Parlament - ist eine Offenlegung nötig, und zwar in größerem Umfang, als dies heute schon geschieht. Hinsichtlich der Berater wäre ich aber vorsichtig, ob wir hier nicht über das Ziel hinausschießen. Im Übrigen finde ich es eine interessante Frage, ob wir uns mit solchen Diskussionen nicht auch unserer eigenen Kompetenz beschneiden. Wenn mir gesagt wird, dass der Vorsitzende der Rürup-Kommission einen Vorschlag im Interesse der Versicherungswirtschaft macht - geleitet von der Krankenversicherung -, dann muss ich mir als in den Deutschen Bundestag gewählte Abgeordnete doch die Fragen stellen, ob ich erstens nicht in der Lage bin, dies zu erkennen, und ob ich zweitens nicht in der Lage bin, diesen Vorschlag, den er macht, jenseits meiner nicht vorhandenen Einkünfte aus Versicherungsunternehmen durchaus auf seinen Sinn bzw. seine Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Wir beschneiden mit solchen Debatten doch unsere eigene Kompetenz. ({2}) Vorletzter Punkt. Ich weiß nicht, wer das angesprochen hat, aber ich finde die Überlegung darüber, wie wir mit den Ergebnissen des Sachverständigenrates umgehen, gut. Herr Zeil, ich glaube, Sie waren es. Ich weiß nicht, ob Sie das Buch Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft von Bernd Ziesemer kennen. Das Buch hat kein Grüner geschrieben, aber es ist ziemlich interessant. Er behandelt darin einen Aspekt im Zusammenhang mit dem Sachverständigenrat. Ich finde, er mokiert sich völlig zu Recht darüber, dass der Sachverständigenrat - im Übrigen auch andere Beratergremien Jahr für Jahr dicke Berichte vorlegt, die, ehrlich gesagt, vielleicht eine Handvoll Leute liest, wenn überhaupt. Die Interpretationshoheit liegt dann auch noch bei jedem Einzelnen. Man zieht sich nämlich das heraus, was für einen persönlich besonders wichtig ist. Auch wir finden, dass der Sachverständigenrat uns mit unserer Politik recht gibt, dass wir nämlich die Reformen endlich weiterführen müssen. Das steht ja auch da drin. Wir sollten uns einmal überlegen, wie wir mit den Ergebnissen umgehen, die uns der Sachverständigenrat in seiner wissenschaftlichen Kompetenz, die durchaus breit gefächert ist, auf den Tisch legt, und in welchem Umfang wir diese Arbeit honorieren, indem wir das diskutieren, was darin steht. Letzter Punkt. Die Linke hat hier diesen Antrag gestellt. Wie gesagt: Ich finde, über Transparenz und Offenheit muss man diskutieren. Manchmal braucht man aber nicht gleich Gesetze, sondern kann das auch selber machen. Insofern gehe ich natürlich davon aus, dass die Linke in Berlin die Beratergremien des Wirtschaftssenators Harald Wolf auffordern wird, hier offenzulegen, wo ihre Einkünfte herkommen. Er hat nämlich einen ganzen Haufen Berater. Hier könnte man ja einmal mit gutem Beispiel vorangehen. Es wäre im Übrigen auch interessant und im Grundsatz richtig, einmal zu überlegen, wo sie früher gearbeitet haben, um ein bisschen Transparenz und Offenheit zu erreichen. ({3}) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat nun der Kollege Ernst Hinsken für die Unionsfraktion. ({0})

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit über 45 Jahren leistet der Sachverständigenrat eine hervorragende Arbeit. In ihm sind herausragende Wissenschaftler vertreten: die Crème de la Crème der Wirtschaftswissenschaften aus der ganzen Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte hier darauf verweisen, dass die Namen Professor Rürup, Professor Bofinger, Professor Franz, Professor Wiegard und Frau Professor Weder di Mauro für einen positiven Begriff stehen. Das beste Kompliment, das dem Sachverständigenrat gemacht werden kann, ist sein inoffizieller Name: die fünf Weisen. Herr Schui ist nicht mehr da. Er hat sich als Gegengutachter auch einen kleinen Namen gemacht. Damit ist er aber größtenteils nicht angekommen. Ich meine, dass es glücklich, großartig und gut für die betroffenen Mitglieder des Sachverständigenrats ist, dass sie zu Recht respektvoll als „Weise“ bezeichnet werden. Der Sachverständigenrat gehört zu den angesehensten Institutionen der Bundesrepublik Deutschland. Er ist das Flaggschiff der wirtschaftswissenschaftlichen Beratung. Er genießt höchste Reputation. Er verdient unser aller Unterstützung. Sein Sachverstand ist unverzichtbar, und er hat fast immer richtig gelegen. Linker Populismus und Misstrauen bringen uns nicht weiter. Das möchte ich insbesondere an Sie sagen, Herr Gysi, der Sie vorhin gesprochen haben. Wer alles verspricht und vieles nicht offenlegt, ist nicht seriös und führt ins Abseits. Dies zeigen auch 40 Jahre DDR. Fakten müssen zählen. Was wir brauchen, sind ganz konkrete, an der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation orientierte Vorschläge, wie sie der Sachverständigenrat liefert. Alle Jahre warten Wirtschaft und Politik mit höchster Spannung auf den Jahresbericht. Wünschenswert wäre, wenn fast alle Ratschläge, die hier kommen, auch Berücksichtigung fänden. Ich erinnere: Der Sachverständigenrat wurde 1963 durch ein einstimmig verabschiedetes Gesetz eingerichtet. Ich meine, wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn möglichst bald einrichten. Seine über Parteigrenzen hinweg erworbene Anerkennung wollen wir stärken und lassen diese jetzt nicht durch Sie, die Linke, kaputtmachen. Bisher und in der Vergangenheit haben Sie und Ihre Vorgänger bewiesen, dass Sie von der Wirtschaft keine Ahnung haben. Sie haben hier unter Beweis gestellt, dass es mit Ihnen meistens nach unten gegangen ist. Das beste Beispiel ist der Untergang der DDR. ({0}) Auch heute zeigt sich in der Bundesrepublik: Dort, wo die Linke mitregiert wie in Berlin oder früher in Mecklenburg-Vorpommern, geht bzw. ging es den Bach runter. Dort, wo, wie im Saarland, Oskar Lafontaine regiert hat, sah es auch nicht besser aus. Man befand sich am Ende der Wirtschaftskraft der Länder. Es musste Peter Müller kommen, der als Ministerpräsident das Saarland wieder nach vorne gebracht hat. ({1}) Für jedes Bundesland, ja die ganze Republik ist es das Beste, wenn Sie von der Linken niemals in einer Regierung Verantwortung übernehmen. ({2}) Es ist unverfroren, dass Sie jetzt versuchen, die Arbeit des Sachverständigenrates in Zweifel zu ziehen, und unterstellen, dass die Mitglieder nicht unabhängig wären, eine wahrlich infame Unterstellung. ({3}) Die Unabhängigkeit des Sachverständigenrates ist durch Gesetz gesichert. Die Kollegen Fuchs, Zeil und Schultz haben bereits darauf verwiesen. Die Mitglieder üben ihr Amt als Nebentätigkeit aus. Man beachte die Fakten, die von den Rednern vor mir dazu genannt worden sind. Wenn bei diesem Sachverständigenrat die Offenlegung von Einkünften aus Nebentätigkeiten gefordert wird, dann müsste dies auch bei der Monopolkommission und der Sachverständigenkommission für Gesundheit der Fall sein. ({4}) Ich bin der Meinung, wir verzichten am Besten ganz darauf. Entweder Sie unterwerfen alle Beratungsgremien einem solchen Zwang, oder - noch besser - Sie verzichten ganz darauf. Es ist doch klar: Sie wollen Verunsicherung und Neidkomplexe schüren. Mit diesen niedrigsten Instinkten zu argumentieren, lohnt sich immer. Ohne Zweifel: Der Zwang zur Offenlegung würde den Anreiz zur nebenberuflichen, arbeitsintensiven Mitarbeit im Sachverständigenrat erheblich mindern. Gerade hier brauchen wir die besten Leute. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass das nicht so ist. Die Unabhängigkeit der Sachverständigen wird mit der gegebenen Regelung ausreichend gesichert. Es gibt keinen Grund, hier etwas zu ändern. Wer eine unabhängige Beratung von hoher Qualität will, der muss diesen kontraproduktiven Antrag deshalb ablehnen. Wir vertrauen darauf: Die Mitglieder des Sachverständigenrates sind unabhängig. Wir werden sie vor linker Gängelung schützen. ({5}) „Nicht mit uns!“, möchte ich Ihnen zurufen. Sie von der Linken wollen den Mitgliedern des Sachverständigenrats doch etwas anhängen, weil die Reformvorschläge nicht in Ihre linken Denkschablonen passen. Wenn Sie ihn nicht inhaltlich fundiert kritisieren können, dann lassen Sie es bitte! Ich bin sicher: Keinem der fünf Weisen können Sie, wie Sie da sitzen - das gälte auch, wenn Ihre Fraktion vollständig anwesend wäre -, das Wasser reichen. ({6}) Besonders wichtig ist die Weiterentwicklung der Arbeitsweise des Sachverständigenrats, die die Bundesregierung gemeinsam mit ihm im März vergangenen Jahres vorgenommen hat. Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Glos haben eine Neuausrichtung auf den Weg gebracht, um die ohnehin schon hervorragende Beratungsleistung des Sachverständigenrats noch weiter zu verbessern. Das ist der richtige Weg. Der Sachverständigenrat gibt jetzt zusätzlich zum Jahresgutachten regelmäßig im Frühjahr ein Sondergutachten zu einem ausgewählten Thema heraus. Dies finden wir richtig. Der Sachverständigenrat hat weiter unser Vertrauen und unsere nachhaltige Unterstützung. Wir werden gerade bei den jetzt anstehenden Beratungen immer wieder darauf verweisen, dass von ihm, wie ich eingangs sagte, hervorragende Arbeit geleistet wird, die nicht bekrittelt werden sollte, sondern die wir seitens der Politik beflügeln sollten. ({7}) Vor allen Dingen müssen wir den einzelnen Sachverständigen die Möglichkeit geben, sich frei entfaltend einzubringen, wie das vorhin von einigen Kollegen bereits gesagt wurde. Das ist die Aufgabe für uns alle. Deshalb gibt es von uns ein klares Nein zum Gesetzentwurf der Linken. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/8980 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Trittin, Ute Koczy, Kerstin Müller ({0}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Staatsaufbau in Afghanistan - Paris-Konferenz zur kritischen Überprüfung und Kurskorrektur des Afghanistan-Compacts nutzen - Drucksache 16/9428 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({1}) Innenausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Paris-Konferenz in der nächsten Woche ist ein wichtiger Zwischenstopp im Aufbauprozess Afghanistans. Ich glaube, dass diese Konferenz für die Zukunft Afghanistans und für den Erfolg der internationalen Mission in Afghanistan wichtiger ist als das, was wir gern unter Afghanistan-Debatten verstehen. ({0}) Sie ist wichtiger als die Diskussion, die im Zusammenhang mit dem letzten NATO-Gipfel über die Frage stattgefunden hat, in welchen Bereichen welche NATOTruppen operieren. Sie ist wichtiger als so manche aufgeregte Debatte, die immer wieder um das eine kreist, nämlich um die Frage, ob man für oder gegen die eine oder andere Form von Militär ist. ({1}) Um das deutlich zu sagen: So notwendig Soldaten dort sind, über den Erfolg der Stabilisierung Afghanistans entscheiden nicht Soldaten; über diesen Erfolg entscheiden am Ende die Fortschritte beim Aufbau. Ob wir in der Lage sind, wirklich wirksam Hilfe zu leisten, den Menschen wirtschaftlich und gesellschaftlich eine Zukunft zu geben und zu erreichen, dass Afghanistan nach über 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg endlich zu rechtsstaatlichen Verhältnissen zurückkehrt, ist die entscheidende Frage. ({2}) Diese Konferenz soll eine Zwischenbilanz über das ziehen, was vor wenigen Jahren in London im sogenannten Afghanistan-Compact beschlossen worden ist. Die Benchmarks, wie das so schön heißt, also die Zielpunkte, für Sicherheit, Regierungsfähigkeit, Wahrung der Menschenrechte dort müssen in der Tat einer sehr kritischen Inspektion unterzogen werden. In vielen Bereichen sind wir weit davon entfernt, bessere Verhältnisse zu erreichen. Ich gebe Ihnen dafür ein kleines Beispiel: In London hat sich Italien dazu bereit erklärt, sich im Rahmen des Afghanistan Compact um den Justizaufbau zu kümmern. ({3}) Nach wie vor sitzt der afghanische Journalist Kambakhsh in der Todeszelle, weil er aus dem Internet etwas Kritisches, nicht etwa etwas Pornografisches, heruntergeladen hat. Hier sind wir von einem befriedigenden Zustand beim Aufbau der Justiz noch sehr, sehr weit entfernt. ({4}) Die afghanische Regierung hat nun eine Afghan National Development Strategy mit dem Ziel vorgestellt, den Aufbau stärker in afghanische Hände zurückzugeben, was mit Afghan Ownership umschrieben wird. Wir begrüßen den Schritt in diese Richtung. Aber man muss sich auch über die Dimensionen des Ganzen im Klaren sein. Wenn man die Afghan National Development Strategy ernst nimmt, dann muss man darüber reden, dass hier bis 2013 ein Betrag von ungefähr 50 Milliarden Dollar zu investieren ist. Bei einer kritischen Bilanzierung kann es nicht so weitergehen, wie es bisher gewesen ist. Schauen wir nur ein Jahr zurück: Damals hat Deutschland jährlich 80 Millionen Euro für den Aufbau zur Verfügung gestellt. Erst massives Drängen - ich betone: nicht nur der Opposition - aus allen Fraktionen dieses Hauses hat diesen Betrag heute auf 140 Millionen Euro hochgetrieben. Aber wenn Sie in Paris wirklich ernsthaft mitwirken wollen, dann müssen Sie diesen Betrag noch weiter steigern. Wir glauben, dass Sie mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr investieren müssen. ({5}) Ein anderes Beispiel ist die Polizeihilfe: Vor einem Jahr waren in Afghanistan 30 deutsche Polizisten tätig. Nach vielem Drängen auch aus diesem Haus ist endlich beschlossen worden, die europäische Polizeimission auf 400 Personen aufzustocken, von denen 200 aus Deutschland kommen sollen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist immer noch nicht genug, wenn wir wirklich für die Sicherheit der Afghaninnen und Afghanen im Alltag sorgen wollen. ({6}) Geld ist nicht alles. In Paris muss erreicht werden, dass die Rolle der Vereinten Nationen und ihres Vertreters Kai Eide endlich zu dem wird, was sie sein muss: die zentrale steuernde Instanz für die Hilfe und den Wiederaufbau in Afghanistan, die Schnittstelle, an der tatsächlich alles zusammenläuft und wo das Nebeneinander von gut funktionierendem militärischen und schlecht funktionierendem zivilen Einsatz endlich beendet wird. ({7}) Meine Damen und Herren, für Afghanistan brauchen wir mehr zivile Hilfe, und diese Hilfe muss besser koordiniert sein. Das ist die Herausforderung, der sich die Bundesregierung, die Bundesrepublik und die internationale Gemeinschaft endlich stellen müssen. Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Christian Ruck das Wort.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit einem gewissen Bedauern muss ich sagen, Herr Trittin, dass ich das meiste von dem, was Sie gesagt haben, unterstreichen kann. ({0}) Der Aufbau Afghanistans ist in einer kritischen Phase. Ein Scheitern können wir uns weder sicherheitspolitisch noch entwicklungspolitisch leisten. Sichtbare Erfolge in Afghanistan sind mehr und mehr gegenüber unseren eigenen Bürgern notwendig. Wir sehen deutliche Fortschritte im Gesundheits- und Erziehungsbereich, bei der Infrastruktur und auch beim Aufbau der Armee. Es gibt ein bemerkenswertes Wirtschaftswachstum auch ohne Drogen. Unsere Arbeit genießt bei den Afghanen eine große Wertschätzung, wie die Studie der FU Berlin gezeigt hat. Aber diese entwicklungspolitischen Erfolge haben noch nicht die kritische Masse erreicht, um einen durchgreifenden Wandel zu einer friedlichen Entwicklung herbeizuführen. Es gibt in Afghanistan wegen der Drogen riesige strukturelle Probleme. Die Sicherheitsprobleme nehmen eher zu als ab. Wir haben es mit enorm schwachen staatlichen Strukturen, einer verbreiteten Korruption und einer geringen Eigenfinanzierungskapazität zu tun. Zudem gibt es in der Tat auch Koordinationsprobleme unter den Gebern. Deswegen ist es wichtig, dass die Konferenz in Paris nächste Woche für neuen Schwung und neue Ideen sorgt. Ich begrüße, dass Präsident Karzai neue Strategiedokumente seiner Regierung mitbringen wird, die mehr Selbstbewusstsein und auch mehr Eigenverantwortlichkeit demonstrieren sollen. Der Schlüssel zu einer positiven Entwicklung liegt in der Tat darin, dass Afghanistan verstärkt sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Dazu gehört aber auch der entschlossene Wille der Führung, gegen schwarze Schafe im eigenen Land und in der eigenen Regierung, gegen Drogenbarone und gegen die Korruption vorzugehen. Wir können und müssen als Gebergemeinschaft den Weg zur Eigenverantwortlichkeit unterstützen. Auch wir sind für eine Aufstockung der Mittel. Auch wir sind gerade beim Aufbau von Armee, Polizei und Justiz dafür, weniger halbherzig vorzugehen. Auch wir glauben, dass wir in vielen Fällen durch bessere Koordination mehr erreichen. Wir müssen eine bessere Optimierung zwischen unseren eigenen Ressorts hinbekommen, ({1}) aber auch international die Abstimmung verbessern. Ich glaube, dass es auf der EU-Ebene inzwischen gut läuft; es läuft aber - auch im zivilen Bereich - nicht optimal mit den Amerikanern, und es läuft nicht optimal, was das Engagement der Vereinten Nationen angeht. Hier müssen wir zu besseren Lösungen kommen. Was die Aufbauarbeit anbetrifft, gibt es zwei Denkrichtungen, die oft gegenübergestellt werden. Die eine Denkrichtung zielt darauf ab, alles in afghanische Hände zu übertragen. Unter den Begriffen „Afghan Ownership“ und „Capacity Building“ wird der Aufbau eigener afghanischer Organisationen angestrebt. Ziel ist es, weniger Geld für teure ausländische Fachkräfte auszugeben. Die andere Denkrichtung zielt auf schnelle und sichtbare Erfolge in der Grundbedürfnisstrategie und der Infrastruktur, um zu zeigen, dass sich Demokratie lohnt. Ich glaube aber, dass in Wirklichkeit beides notwendig ist. Wir müssen eine Parallelstrategie verfolgen. Unsere Exit-Strategie muss gerade darin bestehen, die Afghanen zu befähigen, ihren Staat so bald wie möglich ohne ausländische Hilfe zu führen. Deswegen ist es richtig, wenn wir so viel wie möglich in Capacity Building bzw. in Bildung und Ausbildung investieren, und zwar an allen Fronten. ({2}) Es ist aber auch richtig, dass Afghanistan schnelle, sichtbare Erfolge braucht, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie und den Kampf gegen die Drogenwirtschaft zu gewinnen. Dazu sind über weite Strecken auch noch mittelfristig ausländische Experten notwendig, selbst wenn sie teuer bezahlt werden müssen. Dies liegt auch daran, dass das Gelände in Afghanistan auch für Ausländer weiterhin vermint ist. Notwendig ist auch nach wie vor der optimale Übergang von militärischen Aktivitäten zur Aufbauarbeit. Denn gerade bei dieser Scharnierfunktion geht es darum, die Herzen und das Vertrauen der Afghanen zu gewinnen. Ich möchte auf ein Ärgernis in diesem Zusammenhang hinweisen, das es unbedingt abzustellen gilt, nämlich dass zu oft die wenigen ausgebildeten afghanischen Fachkräfte in der Bürokratie von ausländischen oder auch inländischen privaten und staatlichen Hilfsorganisationen abgeworben werden. Die Beispiele häufen sich, dass jemand lieber als gutbezahlter Fahrer für eine Organisation als in seinem erlernten Beruf, zum Beispiel dem des Lehrers, arbeitet. Es wäre wichtig und richtig, dass man sich in Paris zu einer Selbstverpflichtung durchringt, die die großen NGOs einschließt, und erklärt: Solche Dinge sind zu unterlassen. Das sollte im Rahmen einer Selbstverpflichtung koordiniert werden. Ich glaube, das wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. ({3}) Der Antrag der Grünen ({4}) ist in weiten Teilen nicht schlecht. ({5}) Aber es gibt natürlich einen schwachen Punkt - Herr Trittin, darauf haben Sie selbst hingewiesen, obwohl Sie gesagt haben, es spiele keine Rolle -, in dem Sie sich von uns unterscheiden. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Es ist das, was Sie zur Sicherheitspolitik und zu OEF gesagt haben. Wir glauben, dass die Aufbauarbeit noch lange Zeit unter entsprechenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und dem Schutz von Operation Enduring Freedom geleistet werden muss. Das ist meiner Ansicht nach auch für die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin unabdingbar. Man kann sicherlich darüber diskutieren, wie es in Zukunft weitergeht. Aber wir stimmen dem, was Sie geschrieben und gesagt haben, nicht zu. Wir haben sicherlich in der Debatte, die sich an die Regierungserklärung zu diesem Thema in der übernächsten Woche anschließt, Gelegenheit, das weiter zu vertiefen. Bis dahin wünschen wir alle der Paris-Konferenz viel Erfolg. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Hellmut Königshaus für die FDP-Fraktion. ({0})

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den guten Wünschen an die Paris-Konferenz nur anschließen. Ich gebe dem Kollegen Ruck recht: An dem Antrag der Grünen ist nicht allzu viel auszusetzen. Er stellt insgesamt eine sehr gute Zusammenfassung der Probleme dar. ({0}) Aber man merkt dem Antrag an, dass es den Antragstellern eigentlich weniger um den Frieden in Afghanistan als um den Frieden in ihrer Partei geht. Sie arbeiten sich mehr an der Aufarbeitung Ihres eigenen Afghanistanparteitagstraumas ab als an den realen Problemen vor Ort. ({1}) Alle vier bis sechs Wochen stellen Sie von den Grünen einen neuen Afghanistan-Antrag, ({2}) mit immer den gleichen Inhalten, mit immer den gleichen Zielen. Die meisten sind richtig. Andere sind falsch. Offenbar brauchen Sie diese ständige Selbstvergewisserung; das kann ich verstehen. Aber warum behelligen Sie immer das Parlament mit Ihren parteiinternen Duftmarken? Warum setzen sich Herr Trittin, Herr Zion und Herr Nachtwei nicht einfach zusammen und bestätigen sich gegenseitig, dass sie sich wahrscheinlich nicht einigen können? ({3}) Auch der vorliegende Antrag benennt wieder eine ganze Reihe wichtiger Ziele; das haben wir schon vom Kollegen Ruck gehört. Das ist richtig. Aber was ist daran wirklich neu? Sie stellen doch einen Antrag, um etwas zu verändern. Gibt es eine neue Schwerpunktsetzung? Gibt es überhaupt eine Schwerpunktsetzung in dem Antrag? Auch nach mehrmaligem Lesen ist das nicht zu erkennen. Das ist kein Wunder; denn ersichtlich wichtige Themenfelder sind weitgehend ausgeblendet. Beispiel Drogenproblematik: Wer eine Neuausrichtung des Afghanistan Compact fordert, kann sich nicht auf ein paar Bemerkungen zu diesem Thema beschränken, wie das im vorliegenden Antrag der Fall ist. Auch zur wuchernden Korruption lässt sich in Ihrem Antrag keine konkrete Antwort finden. Was soll es denn konkret bedeuten, wenn Sie fordern, die „Korruptionsbekämpfung effektiver zu machen und die nationale Korruptionsbekämpfungsbehörde arbeitsfähig zu machen“? Was meinen Sie damit: therapeutische Gespräche mit dem Karzai-Clan und den Gebietsherrschern oder Mittelstreichung? Nichts Genaues wird gesagt. Es genügt nicht, Fragen zu stellen. Sie müssen auch Antworten geben. Sonst brauchen Sie keine Anträge zu stellen. ({4}) Dabei sind dies die zentralen Themen. Alle afghanischen Gesprächspartner - gerade war wieder eine afghanische Delegation von Parlamentskollegen da - benennen die Korruption als das zentrale Hindernis beim Staatsaufbau. Alle außer Herrn Karzai bezeichnen übrigens in diesem Zusammenhang den Karzai-Clan als einen der Hauptnutznießer von Drogenhandel und Korruption. Was ist nun Ihre Antwort darauf? Sie jedenfalls wollen, so Ihr Antrag - jetzt zitiere ich wieder wörtlich -, „ohne Rücksicht auf Stellung und Funktion Einzelner strafrechtlich“ vorgehen. Wie schön. Nur, wer soll das denn tun? Die deutsche Justiz? Die afghanische Justiz? Falls Letzteres der Fall ist: Wie wollen Sie die dazu veranlassen? Wollen Sie Herrn Karzai bitten, dass er den Staatsanwalt losschickt, damit dieser gegen ihn selbst oder gegen seinen Bruder ermittelt? Ohne konkrete Antworten darauf bleiben wir doch viel zu sehr im Ungefähren. Die Sicherheitspolitik hat der Kollege Ruck gerade angesprochen. Sind Sie nun für oder gegen den Bundeswehreinsatz? In Ihrem Antrag finden wir darauf keine Antwort. Auch der Kollege Ruck hat im Übrigen hier zum ersten Mal, wie ich mich zu erinnern glaube, von einer Exit-Strategie gesprochen. Ich halte das für voreilig. Wir können natürlich nicht darum herumreden, dass wir irgendwann einmal aus Afghanistan hinaus wollen, aber dass wir schon heute, in einer Zeit, in der sich die Situation eher verschlimmert als verbessert, über Exit reden, ist, glaube ich, das falsche Signal. Für die Polizei gilt genau das Gleiche. Herr Trittin sagt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben schon den Einsatz von 400 Polizisten beschlossen. ({5}) Aber da sind sie eben noch nicht. Das ist das Problem. 86 sind es von 200, die wir schicken wollten. Schauen Sie sich das Land an! Es ist doppelt so groß wie Deutschland, und dafür gibt es 86 Polizisten. Das ist der entscheidende Beitrag. Da kann man wirklich Zweifel haben. ({6}) - Ich rede jetzt über Ihren Antrag. Über unsere Anträge können wir reden, wenn wir sie einbringen. In einem Punkt aber können wir wirklich mit Freude feststellen, dass Sie uns folgen. Wir haben schon seit Jahren gefordert, dass die Mittel für den Aufbau Afghanistans erhöht werden. Es ist sicher kein Zufall, dass auch Sie nun genau die Summe, die wir immer gefordert haben, nämlich 200 Millionen Euro, fordern. Nur, Sie haben diese Anträge immer abgelehnt. Warum eigentlich? ({7}) Wir freuen uns darüber, dass Sie uns nun folgen. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich bei den nächsten Haushaltsberatungen daran erinnern könnten. ({8}) - Nein, ich sage nicht die Unwahrheit. ({9}) Es wäre schön, wenn es Ihnen gelänge, die Kollegen von der Koalition davon zu überzeugen. Die Ministerin hat eben entsetzt aufgeschrien, als Sie diese Summe genannt haben. Wir folgen Ihnen in diesem Fall und geben Ihnen recht. Da stehen wir zusammen. Lassen Sie uns die Themen angehen, die angegangen werden müssen. Wir brauchen mehr Geld für den Aufbau, aber ich füge hinzu: Wir brauchen dafür auch die Sicherheit, die nur durch unseren Militäreinsatz gewährleistet wird. Danke. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Detlef Dzembritzki für die SPD-Fraktion.

Detlef Dzembritzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003109, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir tut es immer leid, Kollege Königshaus, wenn ich die Verpflichtung habe, nach Ihnen zu sprechen. Ich finde, es wird dem Anliegen, das wir hier im Hause haben, nicht gerecht, das Thema auf eine solche Ebene zu ziehen. ({0}) Ich habe überhaupt kein Problem damit, der Fraktion der Grünen zu sagen: Ich finde es gut, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben. Das Neue an der ganzen Geschichte ist, dass wir nächste Woche eine Paris-Konferenz haben, ({1}) die sich mit den Leistungen auseinandersetzt, die die internationale Gemeinschaft, die afghanische Regierung, das Parlament und die Menschen dort haben erbringen können, bzw. damit, wo Stellschrauben verändert werden müssen. Die Diskussionen hier haben sich bisher immer dadurch ausgezeichnet, dass wir geschaut haben, wo wir bei diesem diffizilen Thema im Parlament Schnittmengen haben. Die Verantwortung tragen wir doch gemeinsam. Ich persönlich bin sehr dankbar für den Antrag, weil ich hier schon des Öfteren in den Debatten über Afghanistan darauf hingewiesen habe, wie wichtig der Afghanistan-Compact vom Januar/Februar 2006 ist. Ich habe dieses Papier bei allen Diskussionen, die ich zum Thema Afghanistan führe, dabei; denn das ist in gewissem Sinne die Roadmap. Ich habe überhaupt keine Scheu, im Zweifel zu sagen: Das ist die Exit-Strategie, und zwar eine erfolgreiche. Wenn wir das erreicht haben, was im Afghanistan-Compact vereinbart worden ist, dann haben wir die Chance, uns aus diesem Land Schritt für Schritt zurückzuziehen. Das ist die Philosophie, die hinter dem Afghanistan-Compact steht. ({2}) Ich glaube, es ist notwendig, auf Folgendes hinzuweisen - Kollege Ruck hat damit ein Stück weit begonnen -: Das, was die internationale Gemeinschaft sich vorgenommen und die afghanische Regierung mit eingebracht hat, beginnt zu greifen, wenn auch nicht in dem Umfang, wie wir es erhofft haben. Wer sich die Mühe machen konnte, im Land etwas mehr als nur in den Militärcamps von Masar-i-Scharif und Kunduz unterwegs zu sein, der konnte unzweifelhaft feststellen, dass es riesige Veränderungen gegeben hat. Man betrachte allein die Infrastruktur und das, was auch deutsche Ingenieure vollbracht haben - wenn ich es schon einmal gesagt habe, bitte ich um Nachsicht -: Die Energieversorgung für Kabul ist - wenn auch nicht im notwendigen Ausmaße sicher. Dort werden hervorragende Leistungen erbracht, zum Teil unter Bedingungen, die eine ordentliche Bezahlung nun wirklich notwendig machen. Mit diesen Worten will ich das zusammenfassen. Schauen wir uns die Polizeireform an; wir haben oft darüber gesprochen. Ich muss hier noch einmal betonen: Es geht nicht um Kritik an dem Verhalten der Beamtinnen und Beamten sowie der Polizistinnen und Polizisten, die in Kabul und anderswo in Afghanistan die Ausbildung gemacht haben. Sie haben das zum allergrößten Teil hervorragend gemacht. Die politischen Voraussetzungen, die die Europäische Union und wir geschaffen haben, waren nicht so umfassend, dass dort ein noch größerer Erfolg hätte erzielt werden können. Von dem Beispiel Polizei ausgehend, will ich sagen: Ich erwarte von der Paris-Konferenz, dass der Afghanistan-Compact nicht mehr nur als Absichtserklärung benutzt wird, sondern dass man sich zusammensetzt, eine Art Bestandsaufnahme durchführt - was ist erreicht worden? -, um festzustellen, was bis 2010/2011 noch geleistet werden muss. Dann kann man nämlich sagen, welche Ressourcen wir dafür einsetzen müssen, ob 400 Polizistinnen und Polizisten reichen, ob das, was für die Armeeausbildung im Augenblick eingebracht wird, reicht oder ob sowohl materielle als auch personelle Ressourcen erweitert werden müssen. Herr Königshaus, das Erwerben des Wissens, das notwendig ist, um bestimmte Kapazitäten zu schaffen, kann man durchaus als ExitStrategie bezeichnen. Ich will mich auf diesen Begriff nicht festlegen, weil er offensichtlich negativ besetzt ist; ich dagegen möchte ihn positiv verstanden wissen. Eines ist doch genauso klar: dass Polizei und Militär nicht die Sicherheit, nicht die staatliche Funktionalität schaffen können, die notwendig sind, um Vertrauen in den Staat selbst zu haben. Wenn man sich anschaut, wie schwach staatsanwaltliche, gerichtliche Institutionen ausgebildet sind - der Gerichtsapparat steht nicht zur Verfügung, um das, was wir als Recht betrachten, Recht werden zu lassen -, fragt man sich: Wie soll Polizei funktionieren? ({3}) Hier ist viel nachzuholen; hier ist eine riesige Arbeit zu leisten. Heinemann hat gesagt: Wer mit dem Finger auf jemand anders zeigt, sollte daran denken, dass in dieser Hand zugleich drei Finger auf ihn zurückweisen. Ich zeige daher überhaupt nicht auf irgendein Land. Wahrscheinlich müssen die Europäische Gemeinschaft und die internationale Gemeinschaft auch hier eine viel stärkere Gemeinschaftsleistung vollbringen, als das bisher der Fall war. Sie müssen eben die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen, damit das Land eine materielle und eine inhaltliche Infrastruktur - Stichwort „Justiz“ - bekommt. Erst dann wird man die Möglichkeit haben - der Drogenbereich ist angesprochen worden -, kriminelle Energie in diesem Bereich, etwa Drogenanbau, rechtsstaatlich zu verfolgen. Bisher kann diese Energie nur gezügelt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Mittwoch haben wir in der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union den Bericht zur politischen Entwicklung Pakistans und Afghanistans verabschiedet. Ich will nicht unbescheiden sein; ich hatte die Berichterstattung für diesen Teil übernommen. Was die Parlamentarier der Westeuropäischen Union und der inzwischen dazugekommenen EU-Länder damit beschlossen haben, trifft genau den Kern: Wir erwarten, dass die Paris-Konferenz nicht eine Pledging-Konferenz ist, sondern eine Konferenz, auf der bilanziert wird, nachjustiert wird, Vereinbarungen getroffen werden und Verbindlichkeit hergestellt wird. Herr Kollege Trittin, dann wird man im Einzelnen schauen müssen, wo im Zweifel für einen gewissen Zeitraum bestimmte zusätzliche Mittel bereitgestellt werden müssen, um diese Zielvorgaben zu erreichen. Wir erwarten aber auch - ich denke, da im Namen des Deutschen Bundestages zu sprechen -, dass ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um das europäische Konzept kohärent zu machen, damit es gelingt, dass wir dort nicht als 20 bilaterale Akteure operieren, sondern mit einem einheitlichen europäischen Konzept tätig werden. In diesem Sinne sollten wir zum Beispiel die Arbeit von Kai Eide unterstützen, damit die Vereinten Nationen innerhalb des Afghanistan-Compact tatsächlich die Funktion erhalten, das Koordinierungs- und Kooperationsglied zu sein. Ich finde Ihre Überlegung in Ordnung, dass dieses Beratungs- und Monitoringboard möglicherweise nur in Afghanistan tagt. Hier sollte man mit einer substanziellen Verbesserung zu dessen Handlungsfähigkeit beitragen. Das kann ich nur unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der vorigen Woche haben wir zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, die - wie auch andere Organisationen - in Afghanistan wirklich gute Arbeit leistet, ein sogenanntes Young Leaders Forum durchgeführt - mit jungen afghanischen Akademikern, die in Afghanistan ihre akademische Bildung abgeschlossen haben und dort quasi als Potenzial zur Verfügung stehen. Es war ein wirkliches Vergnügen, sich mit diesen jungen Leuten zu unterhalten und deren Wissen, deren Kompetenz und deren Erfahrung über die Situation in ihrem Land kennenzulernen. So etwas ist zum Beispiel eine Antwort auf die Kritik dahin gehend, dass die Menschen immer von den dort eingesetzten Milliardenbeträgen hören und sich fragen: Wo kommen die Milliarden von Entwicklungsgeldern eigentlich an? Wie sieht es im ländlichen Bereich aus? Findet dort die gleiche Unterstützung statt wie in den Städten? Es ist beeindruckend, mit diesen jungen Leuten zu diskutieren und allein ihre Sprachfertigkeit zu erleben. Das ist doch ein Signal dafür, dass sich in diesem Land in den letzten sechs Jahren wirklich etwas verändert hat. Mit dieser Ausbildung in Afghanistan werden junge Menschen tatsächlich befähigt, sich für ihr Land einzusetzen und Aufgaben zu übernehmen. Wenn wir als internationale Gemeinschaft es jetzt schaffen, dort für einen bestimmten Zeitraum zu materieller Sicherheit beizutragen, können wir gemeinsam mit der afghanischen Regierung versuchen, in den Administrationen bzw. in den Ministerien solche in Afghanistan selbst ausgebildeten jungen Leute mit Aufgaben zu betrauen, die für ihr Land wichtig sind, um die überkommenen Eliten abzulösen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Dzembritzki, achten Sie bitte auf die Zeit.

Detlef Dzembritzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003109, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sofort. - Man könnte es auch anders formulieren: um das Land von der Korruption zu befreien und die entsprechenden Personen durch solche jungen Leute zu ersetzen. Von daher gehe ich mit einem großen Schuss Hoffnung in die nächste Woche, obwohl ich es schade finde, dass wir Parlamentarier bei der Paris-Konferenz nun ausgeklammert worden sind. Umso mehr freue ich mich auf die Regierungserklärung in der übernächsten Woche; denn dann können wir unsere Diskussion fortsetzen. Frau Präsidentin, ich bedanke mich für die Nachsicht. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Monika Knoche für die Fraktion Die Linke. ({0})

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Die Paris-Konferenz vor Augen, will ich auf Folgendes hinweisen: Ein Vater verkauft zwei Mädchen zum Preis von 500 Dollar, damit weder er noch diese Kinder verhungern. Frauen, die Witwen geworden sind, nehmen sich das Leben, weil sie keinen Lebensunterhalt haben. Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen nehmen als Folge der wachsenden fundamentalistischen Frauenfeindlichkeit zu. Ohne Burka auf die Straße zu gehen, ist für eine Frau nicht möglich. - Das alles geschieht heute, im Jahre 2008. Von einer Verbesserung der Lage und von Erfolgen zu reden, halte ich für nahezu schamlos. Zwar ist die entwürdigende Lage der Frauen unter den Taliban als moralische Legitimation für die deutsche Kriegsbeteiligung angeführt worden. Aber alle politisch klar Denkenden haben vorausgesagt, dass man mit Militär Frauenrechte nicht herbeizwingen kann. Das ist auch so geblieben. ({0}) Nicht mit Militär wird Zivilgesellschaft aufgebaut. Vielmehr verhindert das Militär die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Afghanistan. Das ist an vielen Beispielen zu erleben. ({1}) Zeugnis davon erhalten wir morgen auf der Afghanistan-Friedenskonferenz in Hannover. Hier werden Frau Soja von der Frauenrechtsorganisation RAWA und Professor Dr. Safi, ein Völkerrechtler der Universität Kabul, sprechen. Ich begrüße beide auf der Besuchertribüne. ({2}) Sie fordern den Rückzug des ausländischen Militärs und weisen nach, dass eben jene Taliban, die vor 2001 mithilfe zum Beispiel des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton an die Macht kamen, heute noch immer die Geschicke lenken. Karzai wurde - ich erinnere daran von den Grünen und auch von ihrem Außenminister Fischer hoch gepriesen; er wird von Warlords und Clans, die ihr Geld mit Drogen und Korruption verdienen, getragen. In diese Mafiastrukturen investiert der gesamte Westen seither Milliarden von Dollar mit dem Ergebnis, dass das Volk hungert und der Mohnanbau blüht. Wer diese korrupte, kriminelle Staatselite stützt, darf nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, tatsächlich den Aufbau von Zivilstrukturen zu fördern. Wohin die geforderten 200 Millionen Euro fließen werden, bleibt genauso fragwürdig wie der Verbleib des Geldes, das in der Vergangenheit investiert worden ist. Es ist falsch, zu behaupten, der Militärabzug, den die Linke fordert, führe ins Desaster. Desaströs ist die Situation jetzt schon: Es besteht nämlich strukturelle und reale Korruption. Es ist an der Zeit, die demokratischen Kräfte zu unterstützen und ihnen uneingeschränkte Hilfe zukommen zu lassen, damit sich in dem Land auf Basis der eigenen demokratischen Kräfte ein Reformprozess vollziehen kann. Menschen, die daran mitwirken, müsste auf dem Pariser Kongress zum Afghanistan-Compact der erste Rang auf den Bühnen eingeräumt werden. Ihnen müsste es gestattet werden, ein authentisches Bild über Afghanistan zu zeichnen. Dieser konkreten Realität, die von engagierten zivilen Kräften aus der afghanischen Bevölkerung getragen wird, geben Sie keine Bühne, wenn Sie weiterhin nur die herrschenden Strukturen finanzieren. ({3}) Wenn Sie diesen Menschen ein Forum bieten würden - das fordern wir als Linke ausdrücklich und unterstützen es mit all unseren Kräften -, dann wäre auch klar, dass nichts, was die westliche Vormacht bisher präsentiert hat, tatsächlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Frieden bringen kann. Demokratie braucht nämlich Freiheit. Die gibt es bisher in Afghanistan nicht. Unter den Besatzungsbedingungen, die dort herrschen - davon hat auch die Menschenrechtlerin Malalai Joya ein eindrucksvolles Zeugnis gegeben -, gibt es keine freie Rede und auch keine Pressefreiheit. Beide sind aber Grundbestandteile für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates. Aber selbst nach sieben Jahren können diese noch nicht gewährleistet werden. Ich bilanziere: Der Aufbau von Militär- und Polizeistrukturen ist in Afghanistan nicht geglückt, weil man sich auf Clanmitglieder und ehemalige Taliban gestützt hat und diese in die neuen Strukturen aufgenommen hat. So kann kein Rechtsstaat entstehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin Knoche, achten Sie bitte auf die Zeit.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch bezüglich des Polizeiaufbaus fällt die Bilanz sehr kritisch aus. Fragen Sie sich einmal, wen Sie bislang unterstützt haben. Glauben Sie mir, nur eine Streichung der Unterstützung und eine Abkehr von der Karzai-Regierung ({0}) und eine Förderung der Menschen, die es ernst meinen mit Demokratie, werden Entwicklung und Zivilität in Afghanistan ermöglichen. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/9428 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 b auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft - Drucksache 16/8540 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({0}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die FDPFraktion hat der Kollege Dr. Edmund Geisen. ({1})

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Woche haben sich Bilder in unseren Köpfen festgesetzt, die widersprüchlicher kaum sein könnten und die wir so schnell nicht vergessen werden: auf der einen Seite hungernde Menschen bei gewalttätigen Demonstrationen und auf der anderen Seite wütende Milchbauern, die literweise Milch wegschütten und Molkereien blockieren. Eines wird dabei ganz deutlich: Die Landwirtschaft, die jahrelang sowohl bei uns als auch weltweit als vernachlässigbar galt und auch belächelt wurde, steht jetzt plötzlich wieder im Zentrum der medialen und politischen Aufmerksamkeit. Warum? Weil wir verblüfft feststellen müssen, dass Lebensmittel kein Gut wie jedes andere sind, sondern unsere blanke Existenz sichern. Während wir hier jammern, dass wir möglicherweise bald 14 Prozent statt gegenwärtig 11 Prozent unseres verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen, beträgt dieser Anteil in den Entwicklungsländern schon jetzt 70 Prozent. Es ist also kein Wunder, dass die hungernden Menschen auf die Straße gehen. Auf der gestern zu Ende gegangenen FAO-Konferenz warnte der FAO-Chef bereits vor Bürgerkriegen und vor einer Gefahr für den Weltfrieden. Selbst wenn die aktuellen Probleme mit Sofortmaßnahmen kurzfristig gelöst werden könnten, muss angesichts der drastisch wachsenden Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten, so UN-Generalsekretär Ban Kimoon, die Lebensmittelproduktion bis 2030 um sage und schreibe 50 Prozent gesteigert werden. Dabei steht uns die eigentliche Herausforderung noch bevor: der Klimawandel. Fazit: Wir müssen umdenken in der Agrarpolitik. Es ist fünf vor zwölf. Wir brauchen eine grüne Revolution auf dem Acker, oder wie es der UN-Generalsekretär etwas weniger plakativ formulierte: Wir müssen die historische Gelegenheit für eine Wiederbelebung der Landwirtschaft nutzen, und zwar nicht nur in Afrika, sondern auch bei uns. - Wir brauchen den Ausstieg aus der Philosophie des Ausstiegs. Das ist die Kernbotschaft des FDP-Antrags „Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft“ sowie unseres jüngst verabschiedeten Fünf-Punkte-Programms zur Sicherung der Welternährung. Unsere Forderungen im Einzelnen: Erstens. Nur eine effiziente, innovative und unternehmerische Landwirtschaft, mit der standortangepasst und nachhaltig die Erträge zu steigern sind, kann die Ernährungs- und Versorgungssicherheit auf Dauer gewährleisten. Das gilt für den heimischen Standort ebenso wie für die Entwicklungsländer. Zur Steigerung der Produktivität in der Land- und Ernährungswirtschaft müssen wir Innovationen und technischen Fortschritt nutzen und dürfen ihn nicht verteufeln. Das gilt für moderne Landtechnik genauso wie für modernste Betriebsmittel, für Pflanzenzüchtung und Bewässerungssysteme. Dabei gilt es auch, die verantwortbaren Möglichkeiten der Biotechnologie zu nutzen. Entsprechende Aus- und Fortbildungen sind notwendig. Zweitens. Deutlich gesteigert werden müssen die Investitionen in die Agrarforschung, national wie international. Hier ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig passiert. Forschung und Entwicklung sind der Schlüssel für künftigen Wohlstand und angesichts der Herausforderungen des Klimawandels von entscheidender Bedeutung. ({0}) Drittens. Wir brauchen die Bioenergie, auch die aus Biomasse. Verbesserte Lebensverhältnisse in Ländern wie China oder Indien ziehen nicht nur eine gesteigerte Nachfrage nach Lebensmitteln nach sich, der Energiebedarf steigt ebenfalls rasant an. Gleichzeitig sind unsere Vorkommen an fossilen Rohstoffen begrenzt. Ich wundere mich immer wieder, wie einige es schaffen, mit gleicher Vehemenz und Dogmatik erst für die vermeintlich umweltfreundliche Alternative zu kämpfen, nur um sie später genauso vehement zu bekämpfen. Deshalb gibt es nicht die Alternative: Teller oder Tank. Nein, für die Liberalen gilt: Teller und Tank, wobei dem Teller immer Vorrang einzuräumen ist. ({1}) Viertens. Unsere Landwirte brauchen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, um auf dem zunehmend globalisierten Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Deshalb gibt es für die FDP auch keine Diskussion über die Direktzahlungen der ersten Säule bis 2013. Pacta sunt servanda! Fünftens. Wir müssen die Liberalisierung des Welthandels fortsetzen; denn freier Handel ist fairer Handel. Sowohl die Nahrungsmittelkrise als auch der Klimawandel machen deutlich: Wir leben hier doch nicht auf einer einsamen Insel mitten im Nirgendwo. Wir können und wollen uns doch gar nicht von den globalen Entwicklungen abkoppeln. ({2}) Wer aber wie Minister Seehofer wider besseres Wissen öffentlich über Autarkie in der Landwirtschaft sinniert, handelt verantwortungslos; ({3}) denn er bedient populistische Forderungen, die den heimischen Landwirten ebendiese Insel vorgaukeln. ({4}) Minister Seehofer, reden Sie doch einmal über die Chancen unserer hochwertigen Qualitätsprodukte auf dem Weltmarkt, statt immer nur über protektionistische Maßnahmen nachzudenken! ({5}) Wir Liberale haben unsere Hausaufgaben gemacht. Nun ist die Bundesregierung an der Reihe. Hier erwarten wir statt ewig schöner Worte und runder Tische endlich gute Taten. Da Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer bei einem dieser runden Tische erklärt hat, die Politik müsse wesentlich wirksamer werden, um ihre Ziele zu erreichen, sage ich: Richtig, Herr Minister. Fangen Sie doch endlich an! Herzlichen Dank für Ihr Zuhören. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nun hat die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen das Wort. ({0})

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Geisen, ich muss ehrlich sagen, unter dem Titel „Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft“ hätte ich mir etwas anderes vorgestellt als eine Generaldebatte über die Landwirtschaftspolitik. ({0}) Ich bin gerne bereit, mein Manuskript zur Seite zu legen und mit Ihnen darüber ausführlich zu diskutieren. Fangen wir mit den Themen an, die Sie angesprochen und die Sie kritisiert haben. Sie sagen, wir würden in der Forschung nichts tun. Dazu muss man ganz klar sagen: Wir sind diejenigen gewesen - und dies mithilfe der SPD und der CDU/CSU; die Grünen haben es ebenfalls so gesehen -, die die Ressortforschung auf neue Füße gestellt haben. Wir haben die Ressortforschung so ausgerichtet, dass sie den neuen Herausforderungen auch tatsächlich genügt. Ich nenne nur die Themen Welternährung und Biotechnologie. Ich kann nicht erkennen, wo wir Nachhilfebedarf haben sollten. ({1}) In einem weiteren Teil Ihrer Rede kamen die üblichen Plattitüden vor. Gerade von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie seriöser argumentieren, statt diese unselige Teller-Tank-Diskussion anzuzetteln. Das enttäuscht mich wirklich. Denn ich glaube, dass in diesem Haus Übereinstimmung darin besteht, wie wir mit der Versorgungssicherheit in der Ernährungsfrage umgehen. Sie hat natürlich Priorität. Wir haben heute Morgen drei Stunden auch über die Bioenergie diskutiert, darüber, was die Bioenergie leisten soll und kann, um den Klimawandel zu stoppen. Wir haben heute Morgen Gesetze verabschiedet, die sich genau damit befasst haben. ({2}) Sie haben jetzt wieder gesagt, der Teller gehe vor und der Tank komme danach. Das ist doch selbstverständlich. Gerade wir in diesem Haus sollten nicht mit solchen Plattitüden arbeiten, sondern uns seriös mit diesen Fragen befassen. ({3}) Die Biotechnologie ist ja nicht der Heilsbringer bei allen Problemen, die wir in der Landwirtschaft haben. Ich glaube, es ist selbst bei denjenigen, die der Gentechnik skeptisch gegenüberstehen, unbestritten, dass sie zur Schädlingsbekämpfung beitragen und helfen kann, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln usw. zu reduzieren. Sie als generellen Heilsbringer zur Lösung der Nahrungsmittelkrise zu bezeichnen, halte ich für ziemlich weit hergeholt. Gerade bei der Gentechnik und der Biotechnologie müssen wir ein Stück darauf achten, dass ihre Anwendung tatsächlich sicher ist. Wir haben in den vergangenen drei Wochen in Bonn nicht umsonst darüber diskutiert, wie wir unsere Arten schützen und wie das auch im Hinblick auf die Gentechnik insgesamt geht. Lassen Sie mich zum eigentlichen Thema zurückkommen - ich musste gerade kurz auf meinen Vorredner eingehen, weil das offensichtlich die Zeit der Generalabrechnung gewesen ist -, nämlich den Klimawandel und den Klimaschutz. In der Tat ist es so, dass die Land- und Forstwirtschaft den Treibhauseffekt im positiven Sinne beeinflusst, weil sie CO2 in erheblichem Maße bindet. Wir müssen aber auch sagen: Wir haben die Landwirtschaft aus den Vereinbarungen zum Klimaschutz herausgenommen, weil es sich bei diesen Emissionen größtenteils um natürliche Effekte handelt, die wir nicht steuern können, es sei denn, wir wollten die Tierhaltung in Deutschland noch weiter zurückfahren. Nur so könnten wir verhindern, dass es hier zu Treibhausgasemissionen kommt. Es wäre doch eine Idee für die neuen Länder, die Zahl der Kühe zu verringern. Das würde im Übrigen aber nicht Ihrem Antrag entsprechen. ({4}) - Da gibt es nicht so viele? Gut, wie dem auch sei. Wir alle wissen, dass es sich um natürliche Effekte handelt, wenn es um Treibhausgasemissionen im Bereich der Landwirtschaft geht. Hier geht es weniger um Effekte aufgrund von technisch verursachten Emissionen. Aus diesem Grund haben wir im Ministerium Maßnahmen vorgeschlagen, die dafür sorgen, dass die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Klimapolitik leisten kann. Der erste Punkt ist ohne Zweifel die Förderung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Hier sind wir in Deutschland ein gutes Stück vorangekommen. Es ist für uns selbstverständlich, dass dies mit Augenmaß erfolgt und so die Versorgungssicherheit der Bevölkerung nicht gefährdet wird. Das heißt, dass die Ackerflächen in erster Linie für die Nahrungsmittel und nicht nur für nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden. Ich darf hierzu die weltweiten Zahlen in Erinnerung rufen: Weniger als 2 Prozent der weltweit verfügbaren Ackerflächen werden im Moment für nachwachsende Rohstoffe genutzt. Deshalb können wir nicht davon sprechen, dass es sich hier um Nutzungskonkurrenzen handelt. Der zweite Punkt ist, dass wir auf Anreize für eine Emissionsminderung im Hinblick auf mehr Effizienz bei der Stickstoffdüngung setzen. Es geht zudem um mehr Energieeinsparung und die Steigerung eines effizienten Energieeinsatzes in der Landwirtschaft. Es geht auch um die Förderung des ökologischen Landbaus. Die Laufzeit des Bundesprogramms mit einem Finanzvolumen von 16 Millionen Euro wurde verlängert. Es geht um gezielte Agrarumweltmaßnahmen. Es geht um verstärkte Aufklärung und Information über klimafreundliche Ernährung. Klimafreundliche Ernährung heißt in diesem Fall der Bezug von regionalen und saisonalen Lebensmitteln und eine gesunde Ernährung. Durch all diese Maßnahmen können Landwirtschaft und Agrarpolitik zu einem wirksamen Klimaschutz und zu einem Stopp des Klimawandels beitragen. Gerade in Deutschland tragen die Landwirte ihren Teil dazu bei. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auf diese wirklich wichtigen Themen in Ihrer Rede stärker eingegangen wären, als Sie es getan haben. Verschonen Sie uns in Zukunft bitte mit Ihren Plattitüden. Herzlichen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion die Linke hat nun die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann das Wort. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die gestern in Rom zu Ende gegangene FAO-Konferenz zur Nahrungsmittelkrise hat gezeigt, wie sehr Klimaschutz, Hunger und die Stärkung der regionalen Landwirtschaft miteinander verbunden sind. Die Konferenz in Rom hat gezeigt: Das Recht auf Nahrung muss Leitbild des kritischen Handelns werden und ist eine gemeinsame Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft. Konsequentes Handeln ist sowohl auf internationaler Ebene als auch auf der Ebene der nationalen Regierungen und in der Zivilgesellschaft dringend erforderlich. Der vorliegende Antrag der FDP zeigt eines ganz deutlich: Wir müssen uns darüber verständigen, was wir unter effizienter Landwirtschaft verstehen. Die FDP setzt auf das technisch Machbare. Da melde ich Widerspruch an. Wir brauchen eine Ausrichtung auf das agrartechnisch Notwendige und das ökologisch Vernünftige. ({0}) Wir dürfen beispielsweise die Leistungsfähigkeit von Hochleistungstieren nicht an einmaligen Bestmarken messen, sondern müssen sie daran messen, welche Leistung sie im Laufe ihres gesamten Lebens erbringen. Standortangepasste Sorten sind allemal weniger riskant und besser geeignet als gentechnisch veränderte. Fest steht aber auch: Um den Klimawandel bekämpfen zu können, sind vielfältige Lösungen in der Landwirtschaft notwendig, und zwar weltweit. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich ein Blick in den aktuellen Bericht des Weltagrarrates, den 400 Expertinnen und Experten erstellt haben. Angesichts der Nahrungsmittelkrise und des Klimawandels wird eine radikale Neuausrichtung der Landwirtschaft gefordert. Die Anbaumethoden müssten weltweit geändert werden, um Arme besser versorgen und - das ist wichtig - den Gefahren sozialer Unruhen durch ökologische Katastrophen besser begegnen zu können. Die industrialisierte Landwirtschaft mit Monokultur und intensivem Einsatz von Kapital und Pestiziden sei mit Blick auf die Lösung des Welthungerproblems gescheitert. Das ist das Ergebnis des Weltagrarrates. Der Bericht ist ein ganz klares Plädoyer für die Multifunktionalität der Landwirtschaft. Nur eine enge Verbindung zwischen der Landwirtschaft und den kulturellen, sozialen und landwirtschaftlichen Besonderheiten einer jeden Region der Welt gewährleistet den langfristigen Erhalt der natürlichen Ressourcen Wasser, Wald und Boden. Es macht nachweislich keinen Sinn, mit Saatgut, Dünger und Pestiziden technische Standardbausätze für den Einsatz in der gesamten Welt zu liefern. Stattdessen müssen Wissenschaft und Landwirtschaft lokal angepasste Lösungen finden. Die Landwirtschaft wird ihren Teil zum Schatz des Klimas beitragen, wenn wieder gilt: Global denken, lokal handeln. Davon abgesehen beinhaltet der Antrag der FDP durchaus einige Punkte, die wir unterstützen. Richtig ist zum Beispiel die Forderung, das Bundeswaldgesetz endlich zu überarbeiten. Dazu haben wir einen eigenen Antrag vorgelegt. Die Anlage von Agroforstsystemen muss dringend erleichtert werden. Sie leisten einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz und machen die Agrarlandschaft ganz nebenbei deutlich attraktiver. Auch die Forderung nach einer Steuerbefreiung der reinen Biokraftstoffe haben wir immer unterstützt. Die Zwangsbeimischung sehen wir allerdings noch sehr viel kritischer als die FDP. Sie wirkt sich doppelt negativ aus: Sie zerstört die heimische mittelständische Biodieselwirtschaft und beschleunigt die Abholzung von Regenwäldern. Internationale Zertifizierungssysteme für Biokraftstoffe bzw. Biomasse sind aus unserer Sicht vor Ort nicht durchsetzbar. Außerdem fehlt uns die Einbindung sozialer Standards. Auch wenn einzelne Forderungen des FDP-Antrages zustimmungsfähig sind, lehnen wir das Grundkonzept des Antrages ab. Eine allgemeine Forderung nach einer Intensivierung der Landwirtschaft orientiert sich an allzu kurzfristigem Denken. ({1}) Wer sich beim Handel mit Grundnahrungsmitteln an der ungerechten Weltmarktordnung nach WTO-Leitsätzen orientiert, macht Hunger zum Spekulationsobjekt. Das müssen wir derzeit erleben. Die Linke sieht eine regional angepasste Landwirtschaft in der Verantwortung, ihren Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten. Das wird sie tun, und zwar überall auf der Welt. Vielen Dank. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Stern Review von 2006 hat uns alle ziemlich ernüchtert. Das Ergebnis der Untersuchung war: Waltraud Wolff ({0}) 14 Prozent der Treibhausgasemissionen werden durch die Landwirtschaft verursacht, weitere 18 Prozent entstehen durch die Rodung von Wäldern und die Herstellung von neuen Feldern und Weiden. Aber auch die Freisetzung von Lachgas, von Methan und der Verlust von CO2-Speichern durch den Humusabbau belasten die Klimabilanz der Landwirtschaft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich dies einmal sagen: Wir können natürlich immer in die Ferne schweifen und die großen Aufgaben lösen wollen. Wir sollten aber erst einmal die Probleme lösen, die vor unseren Füßen liegen. ({1}) Wir sagen immer wieder, dass Landwirtschaft nachhaltig sein muss. Was meinen wir damit? Wir müssen klären, welche Potenziale wir in den Bereichen Düngung, Tierhaltung und Bodennutzung haben. Haben wir schon alles getan, um zu einem möglichst niedrigen Energieverbrauch in der Landwirtschaft und im Gartenbau zu kommen? Haben wir schon etwas getan, um den Lachgas- und Methanausstoß zu minimieren? Wie schaffen wir es, den Humus und die CO2-Speicher zu erhalten? Es geht nicht darum, dass wir Landwirtschaftspolitiker die Landwirtschaft an den Pranger stellen. Aber wir müssen die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig wie jeden anderen auch sehen. Wir müssen schauen: Welche Potenziale gilt es zu nutzen? Wo können wir den Berufsstand dazu bringen, zu einer besseren Klimabilanz zu kommen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen? ({2}) Wir haben gerade heute Vormittag die Neufassung des EEG beschlossen. Ich hatte das Glück, aus landwirtschaftlicher Sicht dazu reden zu dürfen. Das EEG leistet einen sehr großen Beitrag zum Klimaschutz, unter anderem dadurch, dass wir die Erzeugung der Bioenergie jetzt maßvoll vorantreiben. Die Landwirtschaft emittiert ja nicht nur Klimagase, sondern sie kann auch über Biomassenutzung einen Beitrag zur Minimierung der Emissionen leisten. Hier haben wir heute Morgen Pflöcke eingeschlagen. Die jetzige Neuausrichtung verschiebt zu Recht den Schwerpunkt weg vom Einsatz nachwachsender Rohstoffe - auch damit verbessern wir die Bilanz hin zur Nutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen. Ich will explizit die Gülle nennen. Wir haben hier eine gute Möglichkeit, Methangasemissionen zu vermeiden. Die Frage der Nachhaltigkeit der Erzeugung von Biomasse ist in den Mittelpunkt gerückt. Die FDP fordert daher - zu Recht - in ihrem Klimaschutzantrag, auf internationaler Ebene über Zertifizierungssysteme die Nachhaltigkeitsstandards sicherzustellen. Schön, man kann ja auch noch auf den Weihnachtsmann hoffen. Wir haben beschlossen, das jetzt schon ins EEG zu schreiben. Wir haben also bereits vorhin die Forderungen der FDP beschlossen. ({3}) Man fragt sich, ob diese Forderung der FDP ein echter Wunsch oder vielleicht doch nur ein Lippenbekenntnis ist. Denn im Antrag der FDP zum EEG wird gefordert - man höre und staune -, die Verordnungsermächtigung zur Nachhaltigkeitsverordnung zu streichen. Was gilt denn nun? Wenn es um die Nachhaltigkeit von Biomasse geht, stehen Palm- und Sojaöl im Mittelpunkt. Beides sind Produkte, die statt tropischer Regenwälder angebaut werden und in der ganzen tropischen Region zu Hause sind. Wir haben ins EEG geschrieben, dass diese beiden Öle nachweislich nachhaltig produziert werden müssen. Ich verstehe das so, dass wir im Moment keine Möglichkeit haben, das nach dem EEG zu fördern. Bis wir Zertifizierungssysteme aufgebaut haben, ist es notwendig, hier Schranken aufzubauen. Ich denke, ich muss nicht ausführen, warum wir das tun müssen. Wir alle haben die Schlagzeilen noch in den Ohren und vor Augen. Hier wird sich entscheiden, wie ernst wir es in Deutschland mit der Nachhaltigkeit meinen. Die FDP hat einen Antrag vorgelegt, in dem genau darauf Bezug genommen wird. Die Lösung überrascht allerdings etwas. Für Altanlagen müsse die Weiterverwendung von Palm- und Sojaöl möglich sein. Ich muss Sie fragen: Geht Wirtschaftlichkeit dann doch vor Nachhaltigkeit? Um es kurz zu sagen: Der Antrag der FDP ist ein Schaufensterantrag. ({4}) Er enthält schöne Worte, die Taten der FDP sprechen aber eine andere Sprache. Wir stellen ständig fest: Wenn es konkret wird, will die FDP den Klimaschutz nicht unterstützen. Warum also dieser Antrag? Ich denke, es hilft, sich einmal die Frage zu stellen, was die FDP eigentlich fordert. Interessant ist hier ein Blick auf die Forderungen, die die FDP zum Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik gestellt hat. Die EU-Kommission hat damals zu Recht darauf hingewiesen, dass es neue Herausforderungen gibt, unter anderem den Klimawandel, und dass die europäische Agrarpolitik darauf reagieren muss. Es gibt also neue Herausforderungen, aber die EU hat uns leider nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt. Es wird schwierig, die vorgesehenen EU-Mittel bis 2013 zu erhalten. Wie es hinterher aussieht, das ist offen. Auf die zweite Säule kommen nicht nur neue Aufgaben zu. Die ländliche Entwicklung leidet bereits heute unter der Kürzung der Mittel; das wissen wir alle. Wir brauchen eine bessere finanzielle Ausstattung der zweiten Säule. Ich unterstütze den Vorschlag der EU-Kommission zum Gesundheitscheck. Dann können die erforderlichen Mittel durch stärkere Modulation bereitgestellt werden. Die FDP lehnt dies ab. Wie die Anpassung stattdessen finanziert werden soll, davon lese ich in Ihrem Antrag allerdings nichts. Sie satteln sogar noch drauf und fordern, die obligatorische Flächenstilllegung abzuschaffen. Da es aber im Interesse des Naturschutzes vorteilhaft sei, die Flächenstilllegung zu nutzen, seien hierfür gesonderte Programme zu schaffen. Waltraud Wolff ({5}) ({6}) Es stellen sich die Fragen: Von wem? Mit welchem Geld? Die Programme, die Sie hier ansprechen, meine Herren und Damen von der FDP, sind Programme der zweiten Säule. Gleichzeitig wollen Sie, dass die Unterfinanzierung festgeschrieben wird. Da fragt man sich: Was legen Sie eigentlich für Anträge vor, und was machen Sie für eine Politik? ({7}) Wir müssen über die zweite Säule eingreifen. ({8}) Wir müssen für eine Abschwächung des Klimawandels sorgen und eine klimaschonende Landbewirtschaftung, tiergerechte Haltungsformen und sachgemäßes Wassermanagement gewährleisten. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Fragen, die sich uns allen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zum Thema Klimaschutz stellen, beantworten. Dazu haben Sie sich aber nicht geäußert. ({9}) Wie ich sehe, ist meine Redezeit gleich zu Ende; ich möchte dieses Thema auch nicht überstrapazieren. Ich jedenfalls finde: Herausforderungen anzunehmen, bedeutet, zu handeln und nicht nur zu reden. Ich finde es gut, dass Ihr heute vorliegender Antrag am gleichen Tag wie das EEG behandelt wird. Daran wird nämlich deutlich: Sie reden nur, wir handeln. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Ulrike Höfken das Wort.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass die Koalitionsfraktionen dem Antrag der FDP-Fraktion nicht zustimmen. Ich finde aber, mit dem Handeln ist es auch bei der Koalition nicht besonders weit her. ({0}) Heute Morgen haben wir ein Gesetzespaket verabschiedet, das zum Ausdruck bringt, dass die Klimaschutzziele deutlich verfehlt werden. Dass die Landwirtschaft für 14 Prozent der Emissionen verantwortlich ist - darauf hat auch die Kollegin Wolff hingewiesen -, wird bei den Reduktionszielen nicht einmal berücksichtigt. Gerade beim aktuellen Thema: der EU-Agrarreform und dem Health-Check. Alle Vorschläge, die die EUKommission macht, um den Umwelt- und Klimaschutz zu verstärken, werden von der Bundesregierung blockiert. Hier wäre Handeln gefragt. Zu den Liberalen muss man sagen - das bereitet mir wirklich Probleme -: Mit Ihrer Agrarpolitik und mit den Vorschlägen, die Sie machen, hintertreiben Sie jeden Ansatz von Klimaschutz. Denn Sie befürworten ganz eindeutig die Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft, und das ist nicht nachhaltig. ({1}) Die Stichworte, die für Sie wichtig sind, lauten: Chemisierung und Agrogentechnik. Das sind die Ziele, die Sie mit Ihrem Antrag verfolgen. Dadurch werden die sozialen und ökologischen Probleme in diesem Bereich massiv verschärft. ({2}) Das dürfen wir nicht zulassen. Was das Recht auf Nahrung - Frau Tackmann hat auf die FAO-Konferenz in Rom hingewiesen - angeht, wissen wir doch: Wir brauchen eine Ausrichtung auf die Förderung von Kleinbauern. Die ländlichen Räume müssen entwickelt werden. Wir brauchen angepasste Technologien. Darin bestärkt uns der Weltagrarbericht der UNESCO. Auch in ihm heißt es, dass die Abhängigkeit von Agrarkonzernen, von Gentechnik riskant ist. Umweltschädliche Methoden - dazu zählt die Agrogentechnik - dürfen nicht weiter forciert werden, sollen nicht weitere Risiken für die Ernährungssicherheit herbeigeführt werden. Die Biodiversität muss zum Schutz der Lebensgrundlagen unbedingt erhalten werden. ({3}) Wir gehen den Weg in die Nachhaltigkeit mit angepassten Agrarmethoden, wie sie im Weltagrarbericht ebenfalls vorgeschlagen werden. Übrigens ist der Ökolandbau in diesem Hinblick eine der effizientesten Methoden. ({4}) Die FDP hat das in ihrem Antrag mit keinem Wort erwähnt. ({5}) Ich finde das unglaublich. Dies ist auch das Ergebnis einer großen Konferenz der FAO: Das Beste für den Klimaschutz und die Artenvielfalt sind mehrgliedrige Fruchtfolgen, Stickstoffreduktion wie beim Ökolandbau und dann niedrige Lachgas- und Methanemissionen. ({6}) In diesen Bereichen brauchen wir mehr Forschung und Innovation. Um auf den Bereich Bioenergie einzugehen, fehlt mir die Zeit. Wir haben einen Antrag zum Gesundheitscheck der europäischen Agrarpolitik eingebracht, in dem wir fordern, die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik dazu zu nutzen, nicht nur die Direktzahlungen, sondern beide Säulen zu stärken - für den Klimaschutz, für den Artenschutz, für die Umwelt. Cross Compliance, wie die Kommission auch vorschlägt, sollte entsprechend erweitert werden. Ganz klar ist - das haben auch die Milchbauern auf ihrer Demo gestern gesagt -: Wir wollen nicht weiter in eine wahnsinnige Exportorientierung, Weltmarktorientierung gehen, ({7}) wir wollen Qualität und faire Preise. Die Bauern wollen sich am Verbraucher orientieren. Sie erbringen gesellschaftliche Leistungen. Dafür brauchen Sie mehr Unterstützung. Die Bundesregierung kann sie konkret unterstützen. Schönen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/8540 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 18. Juni 2008, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.