Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/30/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle sehr herzlich zu unseren heutigen Beratungen. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben jeweils beantragt, die Beratung der Vorlagen zur Zukunft der Bahn von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Es handelt sich dabei um den Tagesordnungspunkt 29 sowie den Zusatzpunkt 7. Das Wort zur Geschäftsordnung hat als erste Rednerin die Kollegin Dagmar Enkelmann für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke beantragt die Absetzung der Bahnprivatisierung von der heutigen Tagesordnung. Ich stelle fest: Das von der Koalition gewählte Verfahren - Affentempo - steht im Widerspruch zur Tragweite der Entscheidung, um die es hier heute geht. ({0}) Immerhin soll heute ein Viertel des öffentlichen Eigentums an der Bahn auf den Weg der Privatisierung gebracht werden. Das soll im Schnellverfahren durchgeboxt werden. Am Montag erst gab es die Anhörung im Verkehrsausschuss, am Mittwoch erfolgte die abschließende Beratung im Verkehrsausschuss, und heute findet nun hier die abschließende Lesung statt. Eine wirklich umfassende Beratung, eine Auswertung der Anhörung, insbesondere auch in den Fraktionen, war damit schlicht und ergreifend unmöglich. ({1}) Sind wir Abgeordnete hier nur noch Abnicker? Vor allen Dingen: Wie arrogant gehen Sie eigentlich mit den Sachverständigen um, die Sie am Montag gehört haben? Haben Sie tatsächlich alle Folgen einer Privatisierung verantwortungsbewusst abwägen können? Sind Sie sich im Klaren, dass Sie heute den Weg für eine Bahn freimachen sollen, in der es in erster Linie um die Rendite geht? Wissen Sie, dass sich Investmentbanken längst in Erwartung lukrativer Provisionen für die Platzierung der Aktien in Stellung gebracht haben? Es ist die Rede von immerhin 100 Millionen Euro, die da zu holen sind. In Erwartung von Schnäppchen stehen die Banken also längst auf der Matte. Ist Ihnen bekannt, dass unter diesen Banken eine ganze Reihe von Verantwortlichen für den internationalen Finanzskandal sind? Liebe Leute, das stinkt nach einem Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislaturperiode. ({2}) Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen: Die Linke wird ihn beantragen. Kennen Sie die Position der Bahn? Ich zitiere, Frau Präsidentin: Die Aktien sollen vor allem Großinvestoren angeboten werden. Nur ein kleiner Teil soll an private Anleger gehen. - So viel zu Ihrem Volksaktienmodell, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Hatten Sie ausreichend Zeit, die Aussage des neuen Personalvorstands, des ehemaligen Gewerkschaftsfunktionärs Norbert Hansen, zu prüfen? Ich zitiere erneut: Und das wird in einigen Bereichen nicht ohne Personalabbau gehen. Was wird mit den Beschäftigten der Bahn? Hatten Sie Gelegenheit, sich mit seiner Aussage zu befassen? Ich zitiere erneut: Die Obergrenze für eine Privatisierung liegt für mich bei 49,9 Prozent. - Von wegen 24,9 Prozent, und da ist die Grenze. ({3}) Redetext Hatten Sie tatsächlich Zeit, die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung zu prüfen? Art. 87 e Grundgesetz verpflichtet uns nämlich, das Wohl der Allgemeinheit zu gewährleisten. Ist die Verfassungsmäßigkeit tatsächlich weiterhin gegeben? Haben Sie ausreichend abwägen können, welche Folgen die Privatisierung für die Beschäftigten, für die Kundinnen und Kunden, für den Service, für den Verkehr in der Fläche haben wird? Haben Sie all das tatsächlich ausreichend abwägen können? ({4}) Oder geht es am Ende möglicherweise um einen Verschiebebahnhof. Es geht nicht nur um Norbert Hansen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Achim Großmann, SPD, soll einen Vorstandsposten bei der DB Holding AG erhalten. Dasselbe gilt für den ehemaligen Verkehrsreferenten der SPDFraktion Thomas Kohl. Schaffen Sie sich hier möglicherweise einen Freibrief?

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit, bitte.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Wenn Sie jetzt zu dem Ergebnis kommen, dass Sie all das erst wirklich abwägen müssen, dann bitte ich Sie, unseren Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung zu unterstützen. Ich danke Ihnen. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort der Kollege Dirk Fischer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Geschäftsordnungsantrag auf Absetzung dieses Tagesordnungspunktes leisten die Linken und die Grünen der Sachdebatte um die Teilprivatisierung der DB AG wahrlich keinen guten Dienst. Das ist sehr bedauerlich, zumal die Grünen diesen Prozess in den letzten Jahren oft konstruktiv begleitet haben. ({0}) Unsere Koalition findet es richtig und wichtig, dass ihr zukunftsweisendes Konzept heute zur Abstimmung gestellt wird. Die DB AG Holding bleibt erhalten; sie bleibt zu 100 Prozent beim Bund. Die Infrastruktur - ein besonderes Anliegen -, die Bahnhöfe, das Schienennetz, die Elektrizität, geht nicht in den Kapitalmarkt, sondern bleibt an die DB AG Holding und damit mittelbar an das Eigentum des Bundes gebunden. Am Verkehrs- und Logistikbereich soll privates Kapital mit 24,9 Prozent beteiligt werden. Ich denke, dass wir damit frisches Kapital für die Unternehmensentwicklung, für Investitionen in die Schieneninfrastruktur und in die Verbesserung des Netzes, für die Optimierung der Bahnhöfe und für die Lärmsanierung mobilisieren und dass damit auch der Bundeshaushalt weiter entschuldet werden kann. Damit stärken wir auch die Wettbewerbsfähigkeit der DB AG im europäischen Schienenverkehr - das ist jetzt besonders wichtig -, der sich im Güterverkehr und auch im Personenfernverkehr immer mehr zu einem Wettbewerbsmarkt entwickelt. Gleichzeitig bleibt der konzerninterne Arbeitsmarkt erhalten. Das ist wichtig für die Arbeitsplatzsicherheit der rund 230 000 Beschäftigten der DB AG. Wir wollen die Mitarbeiter auf diesem Wege im guten Sinne mitnehmen. Das parlamentarische Verfahren ist vollkommen in Ordnung. ({1}) Kaum ein Thema ist seit vielen Jahren und insbesondere in dieser Legislaturperiode so intensiv behandelt worden wie die Privatisierung der DB AG. ({2}) Im Ausschuss haben wir oftmals gründlich darüber diskutiert. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir zu diesem Komplex vier Anhörverfahren durchgeführt. Wer also „oberflächlich, schnell, durchgepeitscht“ sagt, der redet schlicht und ergreifend dummes Zeug, der sagt die Unwahrheit. Das gilt für diesen Prozess nicht. ({3}) Die letzte Expertenanhörung fand am Montag statt. Sie hat im Großen und Ganzen das Konzept dieser Koalition bestätigt. Nun geht es darum, keine weitere Zeit zu verlieren und im Interesse der Beschäftigten, der Kunden und des Unternehmens ({4}) zügig die richtigen Entscheidungen zu treffen. ({5}) Ich habe Verständnis dafür - ich war in meinem Leben lange Abgeordneter einer Oppositionsfraktion -, dass die Opposition gelegentlich das Interesse hat, die Regierungsarbeit ein Stück weit zu hemmen. Aber es ist heute Sache der Bundesregierung und ihrer Parlamentsmehrheit, endlich zu handeln. Ich bitte um Verständnis, wenn ich dafür plädiere, den Antrag auf Absetzung zurückzuweisen. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Lieber Kollege Fischer, das ist eigentlich eine Geschäftsordnungsdebatte. Darin soll es um die Gründe gehen, warum wir das heute hier beraten sollen, und darum, ob diese Beratung der Sache angemessen ist. Es geht bei der Privatisierung der Bahn um keine Kleinigkeit. Es geht um die Fragen: Ist nach der heutigen Entscheidung noch eine eigenständige Schienenverkehrspolitik des Bundes möglich? Kann man auch in Zukunft sagen: „Schienenverkehr ist eine öffentliche Aufgabe“? ({0}) Bei dieser Holding - einem Zwitter aus Öffentlichem und Privatem - mit einem gemeinsamen Vorstand Mehdorn ist nicht gewährleistet, dass der Verkehr und das Netz getrennt sind und echter Wettbewerb auf diesem Netz stattfinden kann. ({1}) Wird Herr Mehdorn als Holdingchef allgemeinwohlorientierte Politik im Privatunternehmen machen, oder wird er Gewinnmaximierungspolitik in der Holding machen? Das alles ist offen. Mit der heutigen Entscheidung zeigen Sie nur eines: Sie haben Angst, dass sich die Diätendebatte wiederholt, dass Sie also am Montag einen Gesetzentwurf einbringen, von dem Sie am Freitag selber wissen, dass Sie ihn nicht aufrechterhalten können, weil Ihnen die eigenen Leute auseinanderlaufen. ({2}) Deshalb legen Sie diesen Schweinsgalopp vor. Wer von Ihnen - abgesehen von den Mitgliedern des Verkehrsausschusses - hat eigentlich das Protokoll der Anhörung gelesen? - Gelesen haben kann es keiner. Davon mitbekommen haben nur diejenigen etwas, die in der Anhörung waren. Aber das gesamte Haus muss diese Entscheidung fällen. Die Anhörung hat am Montag stattgefunden, am Mittwoch haben Sie ohne Lektüre des Protokolls entschieden, und heute muss das ganze Haus entscheiden, obwohl wir das Protokoll nicht zur Kenntnis nehmen können. ({3}) Es ist eine Unverschämtheit, wie Sie bei diesem Thema mit dem Bundesrat umgehen. Der Bundesrat hat am letzten Freitag einen Gesetzentwurf zur Privatisierung eingebracht. ({4}) Ob man die Privatisierung überhaupt ohne eine gesetzliche Grundlage durchführen kann, ist eine offene Frage, über die sich das Bundesverfassungsgericht sicherlich noch den Kopf zerbrechen wird. ({5}) Der Bundesrat hat diesen Gesetzentwurf eingebracht, er liegt uns noch nicht einmal als Bundestagsdrucksache vor, und schon wollen Sie ihn ausbooten. Bei einem so zentralen politischen Anliegen, bei dem es um das Volksvermögen und die Zukunft des Mobilitätsträgers Bahn geht, ist das eine unverantwortliche und unanständige Art und Weise. ({6}) Bei der Bundesratsdebatte wurde Ihnen ja ins Stammbuch geschrieben, welche Punkte offen sind. Ihr Modell bietet keine Gewähr für den Erhalt der Regionalnetze. Es bietet keinen Schutz vor der Entwertung der Nahverkehrsmittel durch steigende Stations- und Trassenpreise. Es gibt keinen Schutz davor, dass ausschließlich ökonomische Gesichtspunkte über den Umfang und die Qualität der Infrastruktur entscheiden. Wie es alles kommen wird, können wir nicht wissen, weil die Grundlagen, die Herr Tiefensee dem Hohen Haus in der ersten Lesung angekündigt hat, bis heute nicht vorliegen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre Redezeit ist zu Ende.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Lassen Sie mich noch diesen letzten Satz zu den Grundlagen sagen. ({0}) Der Bundesverkehrsminister hat im Hohen Haus am 8. Mai 2008 versprochen, den Beteiligungsvertrag in den nächsten Tagen vorzulegen. Der Beteiligungsvertrag liegt nicht vor. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ist unvollständig, lückenhaft und besteht im Wesentlichen aus „xxx“. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überzogen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Zustandsbericht fehlt auch. Wir haben überhaupt keine Grundlage, um diese Entscheidung heute qualifiziert treffen zu können. Deshalb lassen Sie uns diesen Punkt von der Tagesordnung absetzen! ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Thomas Oppermann. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Beck, liebe Frau Enkelmann, wir werden Ihre aufgeregte Intervention gleich in aller Ruhe und mit großer Mehrheit zurückweisen. ({0}) Es gibt kaum ein politisches Projekt in Deutschland, das mit so viel Ausdauer, mit so viel Sorgfalt und in so vielen Details diskutiert wurde wie die Bahnreform. ({1}) Das Verfahren war gründlich. Die Anhörung hat ergeben, dass das Holdingmodell funktioniert. Die Debatte hat lange gedauert. Heute ist der Tag der Entscheidung. Es ist eine Entscheidung für eine moderne DB AG, für eine intelligente Teilkapitalprivatisierung, die privates Kapital mobilisiert, aber den strategisch-gestalterischen Einfluss beim Staat belässt. Es ist eine Entscheidung für die Sicherheit von 230 000 Arbeitsplätzen bei der Bahn, für Investitionen in die DB AG, für eine bessere Eigenkapitalbasis, für Wachstum, für das Ziel „Mehr Verkehre auf die Schiene“. Es ist eine Entscheidung, die gut und richtig ist. Deshalb werden wir sie heute treffen. Frau Enkelmann, warum Sie diese Entscheidung nicht wollen, kann ich gut verstehen; denn wenn das heute ins Werk gesetzt wird, wenn wir sehen, dass investiert wird, dass die Bahn wachsen kann, dass die Arbeitsplätze sicher sind, dann können Sie nicht mehr diese irrationalen Ängste gegen die Bahnreform mobilisieren. ({2}) Deshalb wollen Sie das heute stoppen. Den Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Wir werden heute entscheiden und lehnen deshalb Ihren Geschäftsordnungsantrag ab. Vielen Dank. ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat für die FDP-Fraktion das Wort der Kollege Jan Mücke.

Jan Mücke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003813, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Fischer, wir haben keinesfalls vor, die Regierung zu hemmen. Damit keine Irrtümer aufkommen: Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt sich vor, die Regierung zu treiben und im Übrigen auch abzulösen. ({0}) - Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht. Wahr ist, dass nicht die Opposition Sie gehemmt hat; wahr ist, dass sich die beiden Großkoalitionäre bei diesem Projekt gegenseitig gehemmt haben, ({1}) weshalb sie für dieses Projekt auch mehr als fünf Jahre gebraucht haben. Auch deshalb ist völlig unverständlich, dass Sie das hier im Schweinsgalopp absolviert haben: mit einer Anhörung am Montag, einer Ausschusssitzung am Mittwoch, die die Ergebnisse der Anhörung in keinem Fall aufgenommen hat, und mit einem Antrag, der heute, am Freitag, Gegenstand der Beratung im Parlament ist. Das ist der wahre Grund: Sie haben sich gegenseitig gehemmt. Dass sieht man dem Antrag im Übrigen auch an. Was hier heute stattfindet, ist die letzte Beratung über das Thema Bahnprivatisierung überhaupt; denn es heißt im Antrag: Vor Abschluss ist der Beteiligungsvertrag dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorzulegen. Damit das klar ist: Vorlage reicht. Unser Anliegen ist ein anderes. Unser Anliegen ist, dass Sie ein ausgehandeltes Vertragswerk mit einem ausgehandelten Beteiligungsvertrag und einer ausgehandelten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ins Gesamtparlament und nicht nur in irgendwelche Ausschüsse einbringen und das hier insgesamt beraten wird. Solche Verträge kann man abschließen. Solche Verträge stehen unter Gremienvorbehalt. Dieses Gremium soll die abschließende Entscheidung darüber treffen. Was Sie hier machen, ist eine Verlagerung in zwei Ausschüsse. Irgendetwas soll ausgehandelt werden, soll dann irgendwann einmal in Ausschüssen verhandelt werden, wird aber nicht mehr hier im Haus beraten. Jetzt stelle ich Ihnen die Frage: Woran liegt das? Das liegt daran, dass die SPD sich in der Bahnprivatisierungsfrage nicht einig ist. Sie möchte ein förmliches Gesetzgebungsverfahren in dieser Frage vermeiden, weil es diese Partei zerreißen würde. ({2}) Das ist der einzige Grund dafür, meine Damen und Herren, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben. Sie haben ein schnelles Verfahren gewählt, am Parlament vorbei: nur ein Antrag, Verlagerung der Entscheidung in zwei Ausschüsse, wobei es im Grunde nur darum geht, Vertragsunterlagen zur Kenntnis zu nehmen, keinesfalls zu beschließen. Dennoch werden wir als FDP-Bundestagsfraktion dem Geschäftsordnungsantrag der Linken und der Grünen nicht zustimmen. Dieses Verfahren ist zwar kritikwürdig, aber keinesfalls geschäftsordnungswidrig. ({3}) Es gibt einen zweiten Grund für unsere Ablehnung, nämlich einen inhaltlichen. Dieser inhaltliche Grund ist, dass Sie - da richte ich mich ausdrücklich an die Linken in Wahrheit überhaupt gar keine Privatisierung wollen. ({4}) Ihnen geht es nicht um eine ordnungsgemäße parlamentarische Behandlung dieses Problems, sondern Sie sind generell dagegen. Genau das gilt für uns als Liberale nicht. Wir sind der Überzeugung, dass die Beteiligung privaten Kapitals und ein diskriminierungsfreier Zugang zur öffentlichen Schieneninfrastruktur die Voraussetzungen dafür sind, dass wir ein gutes Verkehrsangebot auf der Schiene haben, dass Wettbewerb stattfinden kann, dass die Preise sinken und dass eine noch stärkere Beteiligung privaten Kapitals in diesem Bereich eintritt. Meine Damen und Herren, aus diesem Grund werden wir Ihnen zu Ihrer privatisierungsfeindlichen Politik nicht die Hand reichen. ({5})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt für die beantragte Absetzung des Tages- ordnungspunktes 29 und des Zusatzpunktes 7? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Geschäftsord- nungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abge- lehnt. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 29 a und b so- wie den Zusatzpunkt 7 auf: 29 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({0}) - zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die Bahnreform weiterentwickeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich ({1}), Patrick Döring, Joachim Günther ({2}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen - zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keine Bahnprivatisierung am Parlament vorbei - zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunft des Schienenverkehrs sichern - Drucksachen 16/9070, 16/8774, 16/8046, 16/9071, 16/9362 Berichterstattung: Abgeordnete Uwe Beckmeyer Horst Friedrich ({3}) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schieneninfrastruktur ist öffentliche Aufgabe Moratorium für die Privatisierung der Deutsche Bahn AG - Drucksachen 16/5270, 16/6813 Berichterstattung: Abgeordneter Uwe Beckmeyer ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dorothée Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zukunft der Bahn für die Menschen sichern Bahnprivatisierung stoppen - Drucksache 16/9306 Ich weise schon jetzt darauf hin, dass wir später dazu zwei namentliche Abstimmungen durchführen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort Herrn Bundesminister Wolfgang Tiefensee für die Bundesregierung. ({5})

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn findet im Kontext der deutschen Verkehrspolitik und im Zusammenhang mit der Aufstellung des Eisenbahnwesens in Europa statt. Dieser Tage findet in Leipzig das erste Weltverkehrsforum statt. 51 Staaten diskutieren darüber, wie sie den enormen Herausforderungen im Verkehrsbereich gerecht werden können. Wir wissen, dass die Güterverkehre zunehmen und dadurch auch die Lärmbelästigungen stärker werden. Wir wissen, dass Personen befördert werden wollen, insbesondere im öffentlichen Nahverkehr. Wir wissen, dass die Gelder in den Haushalten endlich sind und dass es enorme Herausforderungen in Bezug auf das Klima gibt; ich nenne die Stichworte CO2Senkung, Energieeinsparung und Einsatz regenerativer Energien. Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG liefert Antworten auf Fragen, die wir hier in Deutschland gestellt haben. Die von uns gegebenen Antworten sind auch im europäischen Kontext vernünftig. Deshalb ist es eine gute Entscheidung, heute mit Ja zu stimmen, wenn über den Antrag zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG abgestimmt wird. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Eckpunkte, die Ihnen zur Abstimmung vorliegen, entsprechen der Lösung, die wir für die Zukunft brauchen, nämlich eine starke Bahn. Führen wir uns einmal vor Augen, wie diese Bahn vor 10 bis 15 Jahren ausgesehen hat gegenüber dem, was wir jetzt vorhaben: Das Schienennetz soll im Eigentum des Bundes bzw. des Volkes bleiben; es gibt weiterhin einen konzerninternen Arbeitsmarkt, der dafür sorgt, dass 230 000 Beschäftigte Sicherheit haben; die Finanzbasis wird stabilisiert und die Transferleistungen des Bundes werden begrenzt; eine hohe Dienstleistungsqualität wird ermöglichen, dass die Bahn in Deutschland und in Europa dem Wettbewerb standhalten kann; schließlich wird all das zu einer Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene führen, womit gleichzeitig etwas für das Klima getan wird. Man kann ja Menschen Wünsche von den Lippen ablesen, unter Umständen auch Kritik oder Forderungen, die sie im Bundestag erheben werden, ohne sie vorher schon gehört zu haben. Ich darf mich nun als Erstes wie bei der ersten Beratung an die Linke wenden. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, Sie spielen ein falsches Spiel, ({1}) wenn Sie den Menschen einreden wollen, dass der Bund seiner Verpflichtung zur Daseinsvorsorge nicht gerecht wird. ({2}) Daseinsvorsorge bedeutet, mit Steuergeldern vernünftig umzugehen, einen diskriminierungsfreien Zugang für alle zu schaffen, in der Fläche die Versorgung genauso zu realisieren wie in den Hauptknotenpunkten und vor allen Dingen etwas für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur zu tun, damit die Zukunft unserer Kinder gesichert ist. Diesen Auftrag zur Daseinsvorsorge, der im Grundgesetz steht, werden der Bund und die Länder auch und gerade mit dieser Teilprivatisierung der Deutschen Bahn erfüllen. Wenn Sie etwas anderes erzählen, dann irren Sie in dreierlei Hinsicht. Erstens. Sie suggerieren, dass mit der Teilprivatisierung der Bahn die Leistungen für die Bevölkerung und die Unternehmen geschmälert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir werden besser werden. Zweitens. Sie suggerieren, dass eine Leistung von Privaten nur dann erbracht werden darf, wenn es sich um den nichtöffentlichen Sektor handelt. Private und das Unternehmertum in unserem Land dürfen nicht desavouiert werden. Wir brauchen Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und den Privaten, um die Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Drittens. Es ist auch ein Affront gegen den Deutschen Bundestag und gegen die Bundesregierung, wenn Sie die Menschen glauben machen, dass wir diese Leistungen dann nicht erfüllen können, wenn wir Private beteiligen. Wir haben die Zügel in der Hand, wir sind zu 100 Prozent Eigentümer der DB AG. Das ist so und wird so bleiben. Hören Sie deshalb auf, die Bevölkerung zu verunsichern und mit falschen Argumenten auf das falsche Gleis zu führen! ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, Sie sprachen gerade davon, dass es um einen diskriminierungsfreien Zugang für alle Menschen zur Bahn geht und dass die Situation besser werden würde, wenn die Bahn teilprivatisiert würde. Können Sie mir bitte einmal sagen, wieso Herr Mehdorn alles tut, um zu verhindern, dass Menschen mit Behinderungen diskriminierungsfrei ein- und aussteigen können? Seitdem er im Amt ist, weigert er sich, dafür zu sorgen, dass fahrzeuggebundene Einstieghilfen mitgenommen werden und alle Bahnhöfe barrierefrei gestaltet werden. Das nennen Sie einen diskriminierungsfreien Zugang für alle? Das kann ich überhaupt nicht verstehen. ({0})

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Sehr verehrter Herr Abgeordneter, vor uns liegt die gewaltige Aufgabe, allen Menschen, insbesondere Menschen mit Behinderungen, an jedem Ort Zugang zu Zügen der Deutschen Bahn AG zu gewährleisten. ({0}) Diese Aufgabe erfordert enorme Finanzmittel. Ich darf Sie zunächst daran erinnern, wie die Situation Anfang der 90er-Jahre gewesen ist. Wenn Sie einen Vergleich mit der heutigen Situation ziehen, dann sollten Sie beachten, wie sich die Servicequalität für die Behinderten im Laufe der letzten 15 Jahre geändert hat. ({1}) Ein weiterer Punkt, Herr Abgeordneter: Wie sollen wir die Ausstattung der kleinen Bahnhöfe mit Rolltreppen und mit Fahrstühlen finanzieren, ({2}) wenn die öffentliche Hand, aber auch die DB AG nicht das erforderliche Kapital haben? Mit der Teilprivatisierung gibt es sozusagen einen engen Schulterschluss der Finanzierung durch die öffentliche Hand mit der Finanzierung durch Private, um genau diese Leistungen verbessern zu können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Minister, der Kollege Seifert möchte eine weitere Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Nein, vielen Dank. Ich denke, es ist alles gesagt, was in diesem Zusammenhang zu sagen ist. Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn führt dazu - da wende ich mich ganz besonders an Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen -, dass die Bahn stärker wird und damit im Wettbewerb mit der Straße Anteile gewinnen wird. Wenn ich es richtig verstehe, ist Ihr Hauptanliegen, wie wir mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen können. Im Übrigen ist das auch unser Anliegen. Wir lassen uns von niemandem überbieten im Bestreben, den Modal Split, also die Verteilung auf die einzelnen Verkehrsträger, zugunsten der Bahn zu verbessern. Wie wollen wir dies aber schaffen, wenn die Bahn ihre Nachteile nicht wettmachen kann, indem sie auch mit dem Geld Privater stärker wird? Wie wollen wir dies schaffen, wenn wir sie nicht so modern machen, dass sie den enormen Herausforderungen, die sich aus dem Wettbewerb mit der Straße ergeben, etwas entgegensetzen kann? Sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen, wir werden den Nachweis erbringen, dass die Linie „Mehr Verkehr auf die Schiene“ auch nach der Teilprivatisierung fortgesetzt und verstärkt wird. Das ist aber zuallererst die Frage einer integrierten Verkehrspolitik, die die Straße, die Binnenwasserstraße und die Schiene gleichermaßen im Blick behält. Ich höre schon den Vorwurf, wir würden mit dieser Lösung verhindern, dass Wettbewerb stattfindet. Dies ist ein altes Argument. Dem ist zweierlei entgegenzusetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP: Wir haben zum Ersten bereits jetzt in Deutschland eine Wettbewerbskultur, eine Anzahl von Wettbewerbern auf der Schiene sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr. Dies lässt sich im europäischen Maßstab sehen. Warum? Weil wir dieses verschränkte System aus Betrieb der Schiene und Transport in den letzten 15 Jahren so entwickelt haben, dass kein anderes Land nur annähernd eine solche Qualität vorweisen kann und damit der Wettbewerb auch für die Privaten auf der Schiene lukrativ und attraktiv wird. Das wollen wir in der Zukunft fortsetzen. Das Zweite ist: Wir bemühen uns darum, dass die Bundesnetzagentur den diskriminierungsfreien Zugang für alle Wettbewerber ermöglicht - und dies weiterhin qualitativ höher ausgestattet - und demzufolge der Wettbewerb in Deutschland zunehmen wird. Daseinsvorsorge, mehr Verkehr auf die Schiene, Wettbewerb auch mit diesem Modell - es hat sich gelohnt, miteinander zu streiten. Ich danke den Koalitionsfraktionen für den langen Atem. Ich danke Ihnen, Herr Fischer, Herr Beckmeyer, Herr Friedrich und Herr Hübner, insbesondere dafür, dass wir es gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen vermocht haben, dieses gute Werk in Gang zu setzen. Ich bin überzeugt: Wir stoßen die Tür für eine gute Zukunft der Deutschen Bahn AG auf. Ich habe Ihnen dafür herzlich zu danken. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Horst Friedrich für die FDP-Fraktion. ({0})

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, wir dürfen heute das Finale furioso einer Gesetzgebung, einer Antragsflut zur Bahnreform erleben, zu der man einleitend positiv sagen kann: Eigentlich muss man froh sein, dass Sie sich so schnell entschlossen haben, zum Ende zu kommen. Man weiß ja nicht, was die SPD am Montag Neues entdeckt. Insofern kann man zufrieden sein, dass Sie wenigstens das, was Sie vorlegen wollten, vorgelegt haben. Denn das Positive vorweg: Das, was jetzt vorliegt, verbaut nichts für die Zukunft, ist bei anderen politischen Mehrheiten sinnvoll weiterzuentwickeln. Das wird unser politisches Ziel sein. ({0}) Zum Inhalt und zum Beratungsablauf, Herr Minister. Natürlich ist es richtig: Wir diskutieren seit fünf Jahren über die Bahnreform. Wir hatten zig Anhörungen im Horst Friedrich ({1}) Verkehrsausschuss. Es gab ein von der Regierung auf Aufforderung des Bundestages in Auftrag gegebenes Gutachten, das sogenannte PRIMON-Gutachten, das bestimmte Wegweisungen vorgegeben hat und das von Ihnen, Herr Tiefensee, liegen gelassen wurde. Sie haben dann ein verquastes sogenanntes Eigentumssicherungsmodell entwickelt, bei dem keiner am Ende so genau wissen durfte, wem nun eigentlich das Schienennetz gehört. Nun hat man sich wenigstens dazu entschlossen, das Parlament mittels eines Antrages ein Verfahren abschließend beraten zu lassen, das - das muss man seriöserweise sagen - der Vorstand der DB AG auch ohne das Parlament hätte beschließen können. Das ist nämlich kraft Aktiengesetz möglich; das muss man ergänzend sagen. - So viel zu dem Thema. Es überrascht allerdings schon: Am Montag hatten wir eine Anhörung. Aus den Expertenmeinungen liest Kollege Beckmeyer heraus: Alles wunderbar! Alles Gold! - Offensichtlich hat er den zweiten Satz aller Experten, nämlich die Fangstricke dieser Lösung, völlig ignoriert. Am Mittwoch gab es eine Diskussion, die überhaupt nichts brachte und änderte, und am Freitag beraten wir über den gleichen Antrag, den wir am Montag vorliegen hatten - ohne jede Änderung. Deswegen vorweg: Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen können. Sie sind ja nicht einmal Ihrem eigenen Entschließungsantrag treu geblieben. Wenigstens diesen hätten Sie zur Grundlage machen können. Sie haben nämlich die Bundesregierung aufgefordert, ein Privatisierungsgesetz vorzulegen. Nun sind wir bei einem Antrag gelandet. Das ist eine etwas abgeschwächte Form. Wenn man nicht genau weiß, was man machen soll, dann legt man eben einen Antrag vor. Im Endeffekt ist es so, dass Sie mit diesem Verfahren ganz bewusst sowohl das Parlament als auch die Bundesländer aus der Reform heraushalten wollen. Das ist Ihnen natürlich gelungen. Ob das am Ende greift, ist eine völlig andere Frage. Das kann man zwar machen, eine seriöse Gesetzesberatung sieht aber anders aus. Herr Minister, wirklich alle belastenden Begleitgesetze, von der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bis zum Beteiligungsvertrag, liegen noch nicht vor, sind zumindest nicht beratungsfähig. ({2}) Bei der letzten Debatte über die Bahnreform haben Sie uns beruhigen wollen und gesagt: Das kommt ja alles. - Es kam auch etwas: Fragmente. Ein Entwurf der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung liegt vor. Wenn man sich in diesen Entwurf vertieft, stellt man aber Folgendes fest: Es gibt eine verpflichtende Erklärung des Bundes für die dauerhafte Zahlung von jährlich 2,5 Milliarden Euro für den Bestandserhalt des Schienennetzes. Weiter hinten in dem Entwurf steht eine Klausel, nach der 100 Prozent des Geldes auch dann gezahlt werden, wenn nur noch 95 Prozent Leistung da sind. Sprich: Wenn die Deutsche Bahn 5 Prozent des Schienennetzes abbaut - das sind ungefähr 1 700 Kilometer -, bekommt sie immer noch 2,5 Milliarden Euro. Das kann man so wollen. Ich muss sagen: An dem Geschäft wäre ich auch gern beteiligt. Wenn man das umrechnet, heißt das: Wenn die Deutsche Bahn 1 700 Kilometer abbaut, spart sie jährlich 125 Millionen Euro. Das ist nicht gerade wenig. Als der Wettbewerbsbericht der Bahn vorgelegt wurde, musste man hellhörig werden. Einer der führenden Vorstände, Herr Garber, sagte: Eigentlich reichen 2,5 Milliarden Euro nicht aus; denn diese Summe basiert auf den Preisen von 2002. Das kann man einfach zur Kenntnis nehmen, bei mir läuten da aber alle Alarmglocken; denn ich weiß genau, was da passiert. Herr Minister, vor diesem Hintergrund muss ich sagen: Es wäre schön, wenn die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wenigstens eine Passage zur Eigenverpflichtung der Bahn enthalten würde. Die eigentliche Bahnreform hat mit der klaren Aussage begonnen, dass Investitionen vom Steuerzahler und Erhaltungsaufwendungen aus den Betriebsmitteln der Deutschen Bahn zu finanzieren sind. Davon ist keine Rede mehr. Alles geht zulasten des deutschen Steuerzahlers, der seit Beginn der Bahnreform insgesamt schon 240 Milliarden Euro in das System Schiene gesteckt hat. ({3}) Der Kollege Mücke hat schon gesagt, was im Antrag steht: Der Beteiligungsvertrag ist vorzulegen. Das ist völlig klar. Die Deutsche Bahn hat in dieser Woche bereits veröffentlicht, wer ihren Börsengang leitet: Morgan Stanley, die Deutsche Bank und ein paar andere Bekannte. Die Banken brauchen einen Börsenprospekt, weil sie sonst nicht auf die Reise gehen können, um Anleger zu finden. Diesen Börsenprospekt kann man später nicht mehr verändern; zumindest muss er die Wahrheit enthalten, weil man sonst Gefahr läuft, Gewähr leisten zu müssen. Das wollen sie natürlich nicht. Die spannende Frage ist: Was bringt uns das Ganze ein? Die Beteiligung wird damit begründet, dass der Staat nicht genug Geld hat und man deswegen frisches Kapital vom Markt braucht. Nun hat der Minister voller Verve in der Ausschusssitzung am Mittwoch erklärt, alle Zahlen seien rein spekulativ. Das ist verräterisch: Ausgerechnet der, der als Erster Zahlen in die Welt gesetzt hat, wirft allen anderen vor, sie seien bei diesem Thema Spekulanten. ({4}) Herr Tiefensee, ich darf Sie daran erinnern, was am 30. April 2008 in der Leipziger Volkszeitung stand: Es wird einen einmaligen Erlös zwischen 5 und 8 Milliarden Euro geben. Financial Times vom 2. Mai 2008: bis zu 12 Milliarden Euro. - Wenn wir nun sagen, dass es bestenfalls 3 bis 4 Milliarden Euro gibt, sagen Sie, das sei Spekulation. Selbst die Deutsche Bahn hat in dieser Woche gesagt, dass es wahrscheinlich 3 bis 4 Milliarden Euro gibt. Nach der Drittelung des Erlöses bleiben schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro für ein Investitions- und Forschungsprogramm übrig, das mit ungefähr 15 Milliarden Euro dotiert ist. Das wird Sie nicht wesentlich weiterbringen. Horst Friedrich ({5}) Unterm Strich muss man sagen: Die Randbedingungen sind aus meiner Sicht schon bemerkenswert: Bei der ersten Debatte über diesen Antrag war zu lesen, dass Herr Hansen als Transnet-Chef zurücktritt und Arbeitsdirektor bei der DB AG wird. Bei der zweiten und dritten Beratung dürfen wir dem Ticker entnehmen, dass der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann Vorstand in der DB Holding AG werden soll und der Hauptabteilungsleiter Eisenbahn im Verkehrsministerium, Herr Kohl, ebenfalls in der Holding beschäftigt werden soll. ({6}) Ausgerechnet die beiden, die für den Vertrag und alle Begleitgesetze federführend zuständig sind, wechseln zur Holding. Das wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller eingefädelt, der sich dadurch ausgezeichnet hat, dass er eine Ministererlaubnis für ein Unternehmen erlassen hat, bei dem er dann Vorstand wurde. Das überrascht in Deutschland ja eigentlich nicht. Eine Bananenrepublik ist dagegen geordnet. ({7}) Eines muss man Ihnen noch sagen, Herr Minister: Man kann Posten ja politisch besetzen. Dabei kann man Glück haben, oder man bekommt Herrn Hansen, den neuen Maßstab für den Abstand zwischen einem Fettnäpfchen und dem nächsten. Wenn Herr Hansen so weitermacht, wie er begonnen hat, wünsche ich Ihnen mit dem, was noch kommt, sehr viel Erfolg. Danke sehr. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Dr. Klaus Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man muss zunächst ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir nach 14 Jahren Bahnreform heute einen guten und entscheidenden Schritt zur Weiterentwicklung der Bahn und des Schienenverkehrs in Deutschland machen. Es ist auch ein notwendiger Schritt. Die Kollegen von der FDP seien jetzt besonders angesprochen. Wenn wir das nicht mit dem nötigen Tempo gemacht hätten, dann möchte ich das Geschrei der Opposition gehört haben, warum wir diesen Schritt nicht tun, warum wir nicht zu Ende bringen, was wir geplant haben. Sie würden dann noch lauter brüllen und einfordern, dass es sofort oder am besten noch gestern geschieht. Man kann nicht alles haben. Auf der einen Seite wird gesagt, es müsse schnell und zügig geschehen, und auf der anderen Seite wird gesagt, es geschehe alles zu schnell. Aus der Erfahrung weiß ich - ich bin jetzt 25 Jahre Mitglied dieses Hauses -, dass wir unter jeglicher Koalition in der Vergangenheit in Situationen waren, in denen schnell und zum Teil über Nacht entschieden und beschlossen wurde. ({0}) Ich denke zum Beispiel daran, was alles unter Rot-Grün gelaufen ist, Kollege Hermann. Deshalb geht es ganz einfach nicht, dass man heute so tut, als habe man in der Vergangenheit nicht die gleichen Mittel genutzt. Heute geht es um etwas, das Sie im Grunde genommen doch auch wollen, nämlich dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, um die Straßen zu entlasten und um den Verkehrsträger Schiene noch besser in das europäische Netz einzubringen. Dieser Punkt ist ganz hervorragend. Davon lassen wir uns nicht abhalten. Das muss durchgezogen werden, und zwar schnell. Ein weiterer Punkt. Kollege Friedrich sagt, dass wir über die Höhe der Mittel - darauf komme ich gleich noch zusprechen - reden müssen. Kollege Friedrich, dann hätte ich aber auch den Satz erwartet, dass es sinnvoll ist, es jetzt zu verabschieden, damit wir zu einem optimalen Zeitpunkt an den Kapitalmarkt kommen können. Das wird schnell und locker übergangen; denn das passt nicht ins Kritikkonzept. Wir sollten uns davon lösen, dass die Oppositionsparteien nur das Ritual abarbeiten: Was von der Regierung kommt, ist schlecht. Ihr wisst doch selbst, dass es anders ist. Dann sagt das auch einmal deutlich! Wenn hier etwas schnell geschieht, dann gebt mal zu, dass es der Weg in die richtige Richtung ist! Nichts anderes tun wir. Im Grunde seid ihr doch froh, dass wir euch die Arbeit abnehmen und dass wir etwas ein Stück voranbringen, das bislang in dieser Form nicht weitergebracht worden ist. ({1}) Ich freue mich natürlich auch - das muss ich ganz offen sagen -, dass es insbesondere aufgrund der Diskussionsbeiträge meiner Fraktion gelungen ist, vom Eigentumssicherungsmodell zum Holdingmodell überzugehen. Herr Minister Tiefensee, das war ein kluger Schritt. Das hätten wir schon früher so haben können. Ich bin froh, dass wir es jetzt so haben. ({2}) Denn hier haben wir die Trennung von Netz und Betrieb, die wir brauchen. Das Netz bleibt im Eigentum des Bundes. Die Sorgen und Befürchtungen vieler Mitbürger, dass wir das Netz zu - ich sage es einmal so schlechten Konditionen weiterreichen, sind jetzt ausgeräumt. Die Mitbürger können versichert sein, dass dieses Netz uneingeschränkt im Besitz des Bundes bleibt. Das ist auch gut so. ({3}) Die Verantwortung dafür in Zukunft wahrzunehmen, ist eine Aufgabe des Parlaments, über die wir uns noch verständigen müssen. Darüber hinaus ist mir ein Punkt wichtig, den ich ansprechen will: Mir persönlich wäre es lieber gewesen, wenn wir schon heute über den Anteil von 24,9 Prozent hinausgegangen wären. Ich sage ganz deutlich, dass es schön gewesen wäre, wenn wir noch mehr Geld erhalten hätten, wenn wir den Paketzuschlag bekommen hätten, wenn wir gegebenenfalls die Aufnahme in den DAX erreicht hätten. Diese Positionen muss man ansprechen. Das war in dieser Form nicht möglich. Das ist bedauerlich. Aber was jetzt nicht möglich ist, wird in Zukunft möglich sein. ({4}) Darüber können wir dann noch einmal ganz offen reden. Ich will eine Position ansprechen, die ich für wichtig halte. Wir hatten seinerzeit den wegweisenden Parlamentsbeschluss - das war vor circa vier Jahren -, dass wir den gesamten Erlös ins Netz stecken. Herr Bundesfinanzminister, diese Position halte ich nach wie vor für richtig. Wir haben gemeinschaftlich eine Fülle von Aufgaben vor uns, und auch die Fraktion, der Sie angehören, hat deutlich gemacht, dass wir noch eine ganze Menge finanzieren müssen, dass wir mehr Geld in das Netz stecken sollten. Ich erinnere nur an die Hinterlandverkehre, ein gemeinschaftliches Anliegen von uns. Ich erinnere an die Lärmsanierung, mit der wir die Bürger vom Lärm befreien; davon müssen sie befreit werden. Die Bewohner an der Mittelrheinstrecke müssen eine unerträgliche Belastung ertragen. Deshalb, Herr Finanzminister, werden wir nicht nachlassen, auch in Zukunft mehr Mittel für die Infrastruktur und für den Verkehr zu fordern. ({5}) - Bei verschiedenen Positionen, Herr Minister, sind Sie nicht so widerstandsfähig, wenn es um höhere Anforderungen geht. Man muss nicht ausgerechnet bei der Verkehrsinfrastruktur die widerstandsfähigste Nummer fahren, während man es in anderen Bereichen nicht tut. Das kann ich so nicht akzeptieren. ({6}) Wir können heute eine weitere Voraussetzung dafür schaffen, mehr Wettbewerb auf der Schiene zuzulassen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz deutlich sagen: Wir haben in dieser deutschen Republik wesentlich mehr Wettbewerb auf der Schiene als andere Länder. Das ist gut so. Dass wir mit dem Erreichten nicht zufrieden sind, ist völlig unbeschadet des Sachverhalts, dass wir auf diesem Gebiet in Europa führend sind. Was ich hier einfordere und was ich auch von der Opposition verlange, ist, gemeinschaftlich darauf zu achten, dass es auch in anderen Ländern mehr Reziprozität gibt, dass wir nicht die Einzigen sind, die die anderen unentgeltlich unser Netz nutzen lassen, sondern dass das auch in anderen Ländern ganz genauso passiert. ({7}) Im Energiebereich ist die Situation anders. Wir sollten gemeinschaftlich dafür Sorge tragen, dass wir dies auch bei der Bahn und beim Netz erreichen. Das wäre sinnvoll. Ich lade die Opposition ein, daran endlich konstruktiv mitzuwirken. Man braucht nicht immer nur herumzumosern; vielmehr wäre Konstruktivität hier ausgesprochen notwendig. ({8}) Der Beteiligungsvertrag ist mehrfach angesprochen worden, Herr Bundesminister. Ich bitte Sie, ihn dem Verkehrsausschuss möglichst schnell zuzuleiten, damit wir einen Sachstand über die aktuellen Verhandlungen haben. Aber ich will auch an die Opposition gerichtet sagen, Horst Friedrich: Wenn wir den Beteiligungsvertrag vor der heutigen Beschlussfassung vorgelegt hätten, dann hättet ihr gesagt: Wieso das? Wir haben doch noch gar nicht über die Grundzüge entschieden, und jetzt wollt ihr schon den Beteiligungsvertrag einbringen. ({9}) Leute, diese verquere Logik kann ich nicht mittragen. Eure Auffassung ist: Ich will kritisieren, damit ich kritisieren kann. ({10}) Das ist aber an der Sache vorbei. Ich meine, die Bürger in dieser Republik haben einen Anspruch darauf, dass wir zur Sache reden, also über die Weiterentwicklung von Bahn und Netz diskutieren und diese Sachpunkte entsprechend zügig verabschieden. Das ist notwendig. Meine Bitte ist also an Sie, Herr Minister, das zuzuleiten, damit wir eine Grundlage haben. Ich lade alle ein, an der Diskussion konstruktiv mitzuwirken. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst finde ich es interessant, Herr Lippold, dass Sie von „Hinterlandverkehr“ sprechen. Ich weiß gar nicht genau, welche Gegenden in Deutschland Sie damit meinen. Ich hoffe, Sie sagen das in den Wahlkämpfen. ({0}) - Ich wollte ja nur, dass Sie wieder lauter werden, damit ein bisschen Leben in die Bude kommt. Das habe ich immerhin geschafft. ({1}) Ich sage Ihnen: Sie haben Ende letzten Jahres zwei 100-prozentige Bahntöchter verkauft. Das haben Sie, die Bundesregierung, am Bundestag vorbei getan. Nicht einmal der Haushaltsausschuss wurde damit beschäftigt. Das verstößt nach unserer Auffassung zum einen gegen das Haushaltsgesetz und zum anderen gegen das Grundgesetz. Deshalb haben wir jetzt Organklage erhoben. Wir werden den ersten Schritt dieser Art der Privatisierung vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Das halte ich für dringend erforderlich. ({2}) Auch das, was Sie heute vorhaben, ist interessant: Alle Fraktionen waren sich immer einig, dass man ein Gesetz braucht, um diese Privatisierung durchzuführen; auch die SPD hat das auf ihrem Parteitag ganz eindeutig so beschlossen. Im letzten Moment haben Sie allerdings gesagt: Nein, wir brauchen doch kein Gesetz, sondern wir fassen lediglich einen Beschluss; das muss reichen. Warum haben Sie das gemacht? Um den Bundesrat zu umgehen. Bei einem Gesetz bräuchten Sie nämlich die Zustimmung des Bundesrates. Aber Sie befürchten, dass Sie sie nicht ohne Weiteres bekommen würden. Das ist ein übler Trick und kein angemessener Weg. Auch das wird das Bundesverfassungsgericht sicherlich beschäftigen. ({3}) Man kann darüber diskutieren, ob Ihr Beschluss Art. 87 e des Grundgesetzes widerspricht. Auf jeden Fall widerspricht er Art. 87 e Abs. 5 Satz 1, in dem ausdrücklich steht, dass ein Gesetz beschlossen werden muss, dem der Bundesrat zuzustimmen hat. Das versuchen Sie zu umgehen. ({4}) Dass das Ganze einem Parteitagsbeschluss der SPD widerspricht, habe ich schon beim letzten Mal gesagt. Ich weiß, dass man das vor dem Bundesverfassungsgericht nicht einklagen kann. Dennoch sagt das etwas über Ihre Situation aus. Nun wird also ein Viertel der Bahn verkauft. Ich finde es hochinteressant, dass sowohl die FDP als auch die Union immer erklären, das sei erst der Anfang, und dass die SPD immer erklärt, das sei der weiteste Schritt und mehr komme nicht infrage. Ich glaube, dass die Union, die FDP und letztlich auch die SPD zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden werden, diesen Anteil weiter zu erhöhen. ({5}) Auf genau diese Gefahr weisen wir die Bevölkerung hin. ({6}) Seit 170 Jahren gehören die Eisenbahnstrecken und die Eisenbahnen dem Volk. ({7}) Jetzt beginnt seine Enteignung. Herr Bundesverkehrsminister, Sie sagen immer, dass Sie die Daseinsvorsorge gewährleisten wollen. Daher möchte ich Sie auf drei Dinge hinweisen: 20 Prozent der Strecken sind bereits stillgelegt; das sind 5 000 Kilometer. 1 000 Bahnhöfe wurden bereits geschlossen; das alles hat Folgen. Jetzt sage ich etwas, bei dem Sie bestimmt wieder aufschreien werden: Die DDR hatte zweifellos nicht das beste Streckennetz, ({8}) aber immerhin das dichteste in Europa. ({9}) Davon kann heute überhaupt keine Rede mehr sein. ({10}) - Ich wusste, dass Sie das stört. Sie erzählen immer, dieser Verkauf sei sehr wichtig, weil die Bahn dadurch frisches Geld bekomme, mit dem sie die Infrastruktur wunderbar entwickeln könne. Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Sie ein Viertel der Bahn verkaufen. Sie erwarten doch keine Spenden. ({11}) Würden Sie sagen, dass Sie in diesem Umfang Spenden erwarten, dann könnten Sie hier erzählen, was Sie mit diesem Geld machen wollen. Da Sie aber verkaufen, sage ich Ihnen: Die Investoren erwarten ihr Geld zurück, und zwar mit einem großen Plus und so schnell wie möglich. Das alles müssen die Kundinnen und Kunden bezahlen. ({12}) Die Investoren schenken Ihnen ihr Geld doch nicht! Abgesehen davon hat der Kollege von der FDP völlig recht, dass es, was die Kaufsummen betrifft, Schwankungen gibt, die gar nicht mehr auszuhalten sind. Plötzlich fehlen zum Beispiel 3 Milliarden Euro. Man hat den Eindruck, als wenn das gar nichts wäre. Auch das ist nicht hinzunehmen. Was ist eigentlich das Ziel des Investors? Der Investor ist doch nicht in die Bahn verliebt. Er träumt doch nicht von schönen Bahnhöfen ({13}) oder davon, dass die Leute mit der Bahn in Zukunft alles bequem erledigen können. Er will mehr Geld. Das ist der einzige Grund, aus dem er Geld zur Verfügung stellt. Das müssen Sie den Leuten endlich einmal ehrlich sagen. Sie müssen auch einmal sagen, wer das in welcher Form zu bezahlen hat. ({14}) Interessant ist auch die Frage: Was passiert mit dieser Einnahme? Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Sie die Einnahme des Bundes dritteln. Ein Drittel soll die Bahn bekommen. Machen wir uns doch einmal klar, was die Bahn mit diesem Drittel macht. Nehmen wir zum Beispiel an, die Bahn trägt damit Schulden ab; das wäre legitim. Es ist doch so: Wenn der Investor den Kaufpreis gezahlt hat, gehört ihm die Bahn zu einem Viertel. ({15}) Daraufhin kommt ein Drittel seines Geldes zur Bahn zurück, und dann setzen Sie es entsprechend ein. Das ist ja wunderbar! Da werden sie sich freuen! ({16}) Es ist auch wichtig, was mit den beteiligten Personen geschieht. Sie werden das nicht mehr los; denn das ist ein starkes Stück. Weil Sie sich beim letzten Mal so sehr darüber geärgert haben, sage ich es noch einmal: Ich habe gar nichts dagegen, dass Gewerkschafter Personalchefs werden und in Vorstände wechseln. Aber in diesem Fall ist der Zusammenhang unerträglich. ({17}) Herr Hansen, der Chef der Gewerkschaft Transnet, war immer für eine Privatisierung. Jetzt spricht er in der Bild-Zeitung von einem Anteil in Höhe von 49,9 Prozent. Er ist in den Vorsand gewechselt und bekommt nun ein ganz anderes Gehalt. Ich muss Ihnen sagen: Das hat ein sehr unangenehmes Geschmäckle. Das müssten auch Sie einmal kritisieren. Das ist nicht hinnehmbar. ({18}) Jetzt sage ich Ihnen: Wenn nun auch noch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Achim Großmann, ({19}) und Thomas Kohl von der SPD - er war auch einmal Ihr Sprecher und ist jetzt Abteilungsleiter im Ministerium auf die Vorstandsebene wechseln, dann hat man den Eindruck, dass der Verkauf auch deshalb stattfindet, um Leute der eigenen Partei unterzubringen. Das ist doch nicht mehr hinnehmbar und geht in jeder Hinsicht einfach zu weit. ({20}) Nun sagen Sie immer, es gebe riesige Erfolge und durch die Bahnprivatisierung würden die Probleme der Bahn gelöst. Schauen wir uns das doch einmal in Großbritannien und Neuseeland an! Warum ignorieren Sie denn die Erfahrungen aus den beiden Ländern? Neuseeland hat die Bahn verkauft und muss sie jetzt zu einem viel höheren Preis zurückkaufen, weil die öffentliche Daseinsvorsorge nicht mehr gewährleistet werden kann. ({21}) In Großbritannien kam es zu Unfällen, die man sich vorher überhaupt nicht vorstellen konnte. ({22}) Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich will Ihnen doch wirklich nicht sagen, dass jedes staatliche Unternehmen zwingend gut geleitet ist. Das ist gar nicht das Problem. ({23}) - Eben, ja. Ich bin ja nicht bescheuert. Auch ich weiß das. ({24}) Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um die politische Verantwortung, die Sie schrittweise aufgeben. Sie wollen dafür nicht mehr zuständig sein. ({25}) Schauen wir uns als Beispiel doch die Privatisierung der Energieversorgung an! Heute gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen Frau Merkel und mir: Aufgrund der Privatisierung haben wir beide das Gleiche über die Energiepreise zu entscheiden, nämlich gar nichts. Ansonsten wäre die Politik dafür zuständig. Wenn die Politik zuständig ist - darin werden Sie mir doch wenigstens zustimmen -, dann macht die Wahl zwischen Frau Merkel und mir Sinn, weil die eine damit so umgeht und der andere anders. Wenn sie aber nicht zuständig ist und beide nichts mehr zu entscheiden haben, dann verliert die Demokratie an Bedeutung. Die Privatiseure sind Leute, die die Bedeutung der Demokratie reduzieren, während die Linke sie erhöhen will. Das ist Tatsache. ({26})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mücke?

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, bitte.

Jan Mücke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003813, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Gysi, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die Privatisierung eines Verkehrsunternehmens ähnlich katastrophale Folgen wie die Privatisierung im Energiebereich hätte. Ist Ihnen bekannt, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits ein Verkehrsunternehmen veräußert hat, nämlich die Deutsche Lufthansa AG, die sehr erfolgreich am Markt operiert, mehr Mitarbeiter als zu staatlichen Zeiten hat und eine der erfolgreichsten Airlines in Europa ist? ({0}) Auch dieses Verkehrsunternehmen hat einen öffentlichen Transportauftrag. Wo ist hier eigentlich die Relation? Erklären Sie mir das bitte. Ich würde gerne eine zweite Frage anschließen. Da Sie sagen, dass Sie wieder zurück zu einer staatlichen Bahn wollen, möchte ich Sie an das Jahr 1993 erinnern, als es neben der Deutschen Bundesbahn auch noch die Deutsche Reichsbahn gab. Diese beiden Unternehmen konnten von ihren Fahrgeldeinnahmen nicht einmal mehr ihre Personalkosten decken. Erst seitdem wir diesen Privatisierungsprozess angestoßen haben, gibt es überhaupt eine positive Entwicklung im Eisenbahnsektor. Welche Antwort geben Sie mir darauf? ({1})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich fange mit der ersten Frage an. Wir sind gegen die Privatisierung in drei Bereichen bzw. für die Wiederverstaatlichung, wenn dort bereits privatisiert wurde. Das Erste - das sage ich Ihnen ganz klar - ist die Rüstungsindustrie, weil ich verhindern möchte, dass Leute am Krieg verdienen. Dann ist es mir lieber, dass die Rüstungsindustrie staatlich ist. ({0}) Das Zweite sind Monopole, weil man bei einem Monopol, bei dem man keine Konkurrenz organisieren kann, auch nicht in der Lage ist, Druck auf die Preise nach unten und auf die Qualität nach oben auszuüben. Da man das nicht organisieren kann, möchte ich eine politische Zuständigkeit. Das Dritte ist die öffentliche Daseinsvorsorge. Bei der Lufthansa hat die Privatisierung einigermaßen funktioniert, aber das Fliegen ist immer teurer geworden. ({1}) - Ja, natürlich. Aber selbstverständlich. ({2}) - Schauen Sie sich doch einmal die Lufthansa im Vergleich zu anderen Linien an! ({3}) - Hören Sie mal zu! - Dann können Sie den Unterschied aber sehr schnell feststellen. ({4}) Jetzt zu Ihrer zweiten Frage. Alles, was 1993 versprochen worden ist, wurde nicht eingehalten. Das erste Versprechen war, dass die Bahn für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler billiger wird. Sie ist teurer geworden. ({5}) - Aber selbstverständlich. - Das zweite Versprechen war, dass die Bahn ein kundennahes Serviceunternehmen wird. Davon kann keine Rede sein, wenn Beschäftigte entlassen und Schalter und Bahnhöfe geschlossen werden. Außerdem sollten die Anteile der Schiene am Verkehrsmarkt erhöht werden. Auch das ist nicht gelungen. Alle drei Versprechen im Zusammenhang mit der organisatorischen Privatisierung der Bahn sind nicht erfüllt worden. Das ist die eigentliche Tragik. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Gysi, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Trittin?

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gerne.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Gysi, so sehr ich Ihre Auffassung teile, dass es in den Bereichen, in denen es Monopole gibt, nicht um Privatisierung gehen kann - weswegen zum Beispiel das Bahnnetz oder Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht privatisiert werden sollten -, sollten Sie dem Hohen Hause in Ihrer festen Überzeugung, die Sie zum Besten gegeben haben, auch erklären, warum Sie sich an der Privatisierung der Dresdener Wasserbetriebe beteiligt haben und warum das von Ihnen mitregierte Berlin eine Volksinitiative zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe mit fadenscheinigen Argumenten abgewürgt hat. ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das Erste ist einfach. Das kann ich damit erklären, dass die Dresdener Fraktion in dieser Frage völlig gespalten war. Ein Teil hat sich so entschieden, ein anderer Teil hat sich für das Gegenteil ausgesprochen. ({0}) - So etwas kennen Sie nicht. Sie setzen das im Gegensatz zu uns mit Gewalt durch. - Die Partei insgesamt hat klar dagegen Stellung genommen. Ich finde den Verkauf der Dresdener Wasserbetriebe eindeutig falsch. Das haben wir auch immer so gesagt. ({1}) Die Umstände des Verkaufs der Berliner Wasserbetriebe waren ein starkes Stück. - Wir haben die Situation von Herrn Diepgen übernommen, der zusammen mit dem Koalitionspartner SPD regiert hat. - Der Verkauf ist in einer Art und Weise erfolgt, die nicht hinnehmbar ist. Ich nenne nur einen Punkt, der in den Verträgen enthalten ist. Das weiß ich nun wirklich ganz genau. ({2}) - Ich sage gleich etwas zur Rekommunalisierung. - Den Verträgen zufolge gehört ein größerer Anteil der Stadt. Ein kleinerer Anteil gehört zwei privaten Investoren, und zwar in Verbindung mit der Regelung, dass sie jedes Jahr eine bestimmte Gewinnausschüttung erhalten, unabhängig davon, was die Wasserbetriebe einnehmen. Das ist eine tolle Leistung. Das heißt, dass die Stadt immer zahlen muss, selbst wenn keine Gewinne erwirtschaftet werden. Wenn die Wasserbetriebe rekommunalisiert würden, dann müssten wir Milliarden aufbringen, die wir leider dank Union und SPD in Berlin zurzeit nicht haben, Herr Trittin. Das ist die Wahrheit. ({3}) Jetzt komme ich zurück zur Privatisierung. Ich habe über Monopole und Rüstung gesprochen. Es gibt noch einen dritten Bereich, nämlich die öffentliche Daseinsvorsorge. Ich bitte Sie, zu bedenken, was wir hier anrichten. Was heißt es denn, wenn eine Klinik privatisiert wird - das ist ein Beispiel der öffentlichen Daseinsvorsorge; das kann man nicht leugnen -, was viele CDUMinisterpräsidenten zu gerne machen? ({4}) Dann gibt es einen Geschäftsführer, der erreichen muss, dass sich das Krankenhaus rechnet. Sie wollen das so. Das hat folgende Konsequenz: Er bekommt eine Fallpauschale für eine bestimmte Operation. Der eine Patient ist 22, ein anderer 70 Jahre alt. Für beide erhält er denselben Geldbetrag nach der Operation. ({5}) Der eine liegt nach der Operation drei Tage im Krankenhaus, der andere drei Wochen. Wer von den beiden rechnet sich für die Klinik? ({6}) Wollen wir, dass Klinikleitungen so denken müssen? Oder wollen wir, dass sie sich danach richten, was zur Vorsorge und Fürsorge für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen getan werden muss? Das ist der andere Ansatz. Das gilt für die Bereiche Wasser, Energie und Verkehr gleichermaßen. ({7}) Was wollen wir bei der Bahn erreichen? Gibt es einen sozialen und ökologischen Auftrag? Wollen wir, dass auch Hartz-IV-Empfänger mit der Bahn fahren können? Gibt es eine Art Grundrecht auf Mobilität? Wenn ich politische Freiheiten deklariere, muss auch jemand zur Demonstration oder Kundgebung fahren können. Wie kommt er dahin? Das ist die soziale Frage. ({8}) Hinzu kommt die ökologische Frage. Wenn Gütertransporte von der Straße auf die Schiene verlagert werden sollen, dann müssen subventionierte Angebote unterbreitet werden. Das wird ein privater Investor niemals tun. Warum sollte er etwas verschenken? ({9}) Alle diese politischen Ziele beginnen Sie aufzugeben. Ich weiß, dass zunächst nur ein Viertel der Bahn verkauft werden soll. Ich weiß aber auch, wie groß der Einfluss eines Investors ist, dem ein Viertel eines Unternehmens gehört. Der Renditedruck wird zunehmen. Weil Sie auch über die positiven Veränderungen bei der Bahn gesprochen haben, fordere ich Sie auf, einmal zu vergleichen, was eine Bahnfahrkarte vor 15 Jahren oder vor zehn Jahren gekostet hat und was sie heute kostet. ({10}) Das ist doch nicht etwa billiger geworden. Dies gehört zur Vorbereitung der Privatisierung, um den Investoren zu zeigen, wie sehr sich das Geschäft lohnt. Der nächste Punkt betrifft Befürchtungen der Länder. Warum sind die Länder dagegen, und warum sollen sie ausgeschlossen werden? Aus einem ganz einfachen Grund: Die Länder gehen davon aus, dass die Investoren nur etwas erwerben, was sich rechnet. Was sich nicht rechnet, bleibt bei den Kommunen, und das müssen dann die Länder bezahlen. Deshalb melden sie Widerspruch an. Dann kommen Sie und sagen: Wir fassen bloß einen Beschluss, und dann können die Länder keinen Widerspruch anmelden. - Es ist nicht hinnehmbar, wie Sie das Ganze organisieren. ({11}) Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wenn wir die Zuständigkeit der Politik durch Privatisierung Schritt für Schritt aufgeben - wir tun es bei der Kultur, bei der Bildung, im Gesundheitswesen, bei Energie und Wasser und nun auch beim Verkehr -, dann zerstören wir das Primat der Politik und bekommen ein Primat der Wirtschaft über die Politik, wovon man schon heute ausgehen kann. Dann müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern jedes Mal erklären, warum wir alle dafür nicht zuständig sind: ({12}) Wir haben es verkauft; es gehört uns nicht mehr. Es gehört irgendeinem Privaten, der über die Preise sowie darüber entscheidet, was er anbietet. - Das ist der falsche Weg. Wir brauchen eine höhere Bedeutung der Demokratie und damit eine klare Verantwortung der Politik. Danke schön. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003577, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die scheinbar formalen Fragen, die am Anfang diskutiert worden sind - kein Gesetzentwurf, unzureichende Berichte -, keine Petitessen, sondern systematische Probleme sind, will ich am Anfang kurz darstellen. Erstens haben wir einen nicht aussagefähigen Netzzustandsbericht, der von Mehdorn, von der Bahn, stammt, aber nicht evaluiert ist. Er gibt zum Beispiel keinen klaren Aufschluss über die vielen Langsamfahrstrecken der Bahn. Dies halten wir für ein systematisches Problem, wenn es um die auch von Herrn Lippold angesprochene Frage geht, ob der von Ihnen erwartete Erlös ganz ins Netz fließen oder nach der Drittellösung verteilt werden soll. Wenn herauskäme, dass wir ein marodes Netz haben, dann wäre es doch völlig logisch, dass das gesamte Geld für die Netzinfrastruktur ausgegeben werden muss. ({0}) Zweitens liegt uns keine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor. Sie ist noch nicht endgültig verhandelt und enthält viele Leerstellen. Ich weiß nicht, ob das allen klar ist: Da steht immer „xxx“, wenn es ums Eingemachte geht. Aber ein Punkt ist bereits präzise beschrieben: Man kann 5 Prozent des Netzes stilllegen, aber der Bundeszuschuss in Höhe von 2,5 Milliarden Euro bleibt bestehen. Das ist eine schöne Einladung an Leute, die sich da einkaufen werden. Man kann Kosten streichen, aber der Zuschuss bleibt. ({1}) Drittens liegt der Beteiligungsvertrag, der die Details regelt, Herr Lippold, nicht vor. Professor Schäfer scheint ihn bei der Anhörung schon gehabt zu haben. Jedenfalls warnt er davor, dass es bei der von Ihnen gewählten Konstruktion des Holdingmodells ein beträchtliches Risiko für die Konzernmutter geben könne. Für Fehlinvestitionen und Auslandsgeschäfte der Konzerntochter, also Mobilität und Logistik, muss die Mutter geradestehen. Wo sind wir denn, meine Damen und Herren, wenn wir als Parlament so etwas nicht klar auf dem Tisch haben, bevor wir beschließen? Wir müssen die tatsächlichen Risiken der Privatisierung und des Holdingmodells, das Sie gewählt haben, kennen. ({2}) Wenn Sie diese drei Punkte zusammennehmen, Herr Tiefensee, dann entsteht ein anderes Bild. Hier wird eine anlegerfreundliche Desinformation der Politik und der Öffentlichkeit gewählt. So entsteht ein günstiges Bild für Anleger, während in unserem Hause eine systematische Desinformation organisiert worden ist. ({3}) Dazu hätte ich von einem Verkehrsminister, der uns noch am 8. Mai hier erzählt hat, der Beteiligungsvertrag werde in den nächsten Tagen kommen, schon ein bisschen mehr erwartet als diese Herumdruckserei, die Sie eben in Ihrer Rede mit blassgrüner Krawatte vorgeführt haben. ({4}) Die Peinlichkeiten im Verfahren sind wirklich unübersehbar. Jetzt erfahren wir aus den Wirtschaftsseiten der Zeitung, dass von den zu privatisierenden 24,9 Prozent 20 Prozent an institutionelle Anleger, an die Russen oder an wen auch immer, und 3 bis 5 Prozent an Kleinanleger gehen werden. Ich frage die Genossinnen und Genossen von der SPD: Ist diese Bonsai-Volksaktie die Volksaktie, von der Sie immer geschwärmt haben? Da kann man nur lachen. ({5}) Dass es bei einer Privatisierung von 24,9 Prozent nicht bleiben wird, haben die Redner der CDU/CSU heute schon deutlich gemacht, lieber Kollege Struck. Herr Beck erzählt jetzt den Wählerinnen und Wählern, man müsse eben SPD wählen, damit es bei den 24,9 Prozent bleibt. Ich würde Ihnen raten: Passen Sie auf, dass die Wähler die 24,9 Prozent nicht mit dem Ziel der SPD bei der nächsten Bundestagswahl verwechseln! Wenn Sie so weitermachen, werden es nämlich nicht viel mehr als das werden. ({6}) Und dann die Doppelnummer mit Herrn Mehdorn als Chef der Holding-Mutter und Chef der Verkehrstochter! Herr Tiefensee, ich frage Sie: Wenn diese Konstruktion gut ist, warum soll sie dann 2009 geändert werden? Wenn sie aber nicht gut ist, warum wird so etwas dann bis 2009 gemacht? Die entscheidende Frage, wer einen Konzern mit unterschiedlichen Töchtern und Müttern am besten führen kann, haben Sie mit diesem Hü und Hott, mit diesem Gewurschtel nicht geklärt, Herr Verkehrsminister. ({7}) Ich möchte zu den Grundsatzfragen kommen. ({8}) Mich interessiert, welche verkehrspolitischen Ziele, welche Ziele im Hinblick auf die Daseinsvorsorge, welche Umweltziele mit dieser Privatisierung erreicht werden sollen. In den vergangenen Jahren sind viele Debatten geführt worden; doch muss man sich einmal darüber klar werden: Wird das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, erreicht? Wir wissen aus den Diskussionen über den Klimaschutz, dass 20 Prozent der CO2-Emissionen Deutschlands durch den Verkehr entstehen. Diese Regierung hat keinerlei Konzept, wie man diesen Anteil verringern könnte. Ich frage noch einmal: Wird mit einer Privatisierung von 24,9 Prozent bei Verkehr und Logistik das verkehrspolitische Ziel erreicht, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen? ({9}) Dafür spricht nichts. ({10}) Wenn jetzt private Anleger, Großanleger mit strategischen Interessen bei Verkehr und Logistik der Bahn einsteigen, ist doch völlig klar, dass der Schienenverkehr dadurch unter Renditedruck gesetzt wird. Natürlich wird erwartet werden, dass schnell Rendite kommt. So werden zum Beispiel Fernverkehrsstrecken, die nicht so rentabel sind, anstatt dass sie rentabler gemacht werden, stillgelegt werden. Mit den 5 Prozent haben Sie schon in der Finanzierungsvereinbarung eine Stilllegungsprämie vorgesehen. ({11}) Es spricht nichts dafür, dass sich mit diesem Konzept mehr Verkehr auf die Schiene bringen ließe. Wer im Interesse von mehr Klimaschutz will, dass mehr Verkehr auf die Schiene verlagert wird, kann diese Art von Privatisierung nicht gutheißen. Unser Ziel kann es ja nicht sein, zu finanzieren, dass in China oder Russland Lastwagen, auf denen „DB“ steht, herumfahren. Unser Ziel muss doch eine Verkehrssubstitution zugunsten des ökologisch besten Verkehrsträgers sein. Mit dem, was Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, vorlegen, haben Sie ganz klar versagt. ({12}) Bei dem Konzept, das heute vorliegt, hat allenfalls Mehdorn gewonnen, der seine verschachtelten Interessen in den letzten Jahren dogmatisch verfolgt hat. Der Schienenverkehr ist bei der Privatisierung, die Sie heute vorhaben, der Verlierer. ({13}) Auch was das Ordnungspolitische angeht, sollten Sie, Herr Fischer, Herr Lippold, Herr Meyer, mit der Union noch einmal reden. Ich frage mich übrigens, wo Herr Glos ist. Bei den Anfängen dieser Diskussion hat er entschieden für eine klare ordnungspolitische Linie geworben; jetzt hat er sich bei diesem Thema still und heimlich vom Acker gemacht. ({14}) Wo sind denn Vorkehrungen für mehr Wettbewerb auf der Schiene, wodurch man das Schienenverkehrsaufkommen ebenfalls steigern kann? Es gibt bei diesem Modell, anders als es Herr Lippold sagte, keine Trennung von Netz und Betrieb. ({15}) Wann lernen Sie endlich aus dem Debakel, das wir im Energiebereich haben? Dieses Debakel bedeutet ordnungspolitisch: Wer guten Wettbewerb und faire Zugangsbedingungen haben will, der muss Betrieb und Erzeugung bzw. Netz und Fahrbetrieb voneinander trennen. Das gilt im Energiebereich genauso wie im Verkehrsbereich. Sie haben es aber nicht gemacht, weil sie weiterhin dem Dogma eines integrierten Konzerns anhängen. ({16}) Herr Fischer, in ordnungspolitischer Hinsicht ist das, was Sie hier vorlegen, kein Meisterstück, sondern nichts anderes als ein Versagen. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man mehr Wettbewerb auf der Schiene haben will und das für ein politisches Ziel hält. Mit der von Ihnen angestrebten Privatisierung erreichen Sie nicht mehr Wettbewerb auf der Schiene. Das ist ein Märchen. Lassen Sie sich nichts einreden! Allein die Bahn verfügt über das Netz. Lediglich 24,9 Prozent des Betriebs, also von Verkehr und Logistik, werden privatisiert. Wie soll eine solche Konstruktion mehr Wettbewerb im Netz ermöglichen und neuen Verkehrsbetrieben eine Chance eröffnen? Die vorhandenen bürokratischen Probleme wie Zugangszeiten und Preisintransparenz bleiben bei dem Modell bestehen, das Sie gewählt haben. Ich frage Sie noch einmal: Welche übergeordneten Ziele erreichen Sie eigentlich mit der von Ihnen angestrebten Privatisierung? Ich finde, dass die Große Koalition bisher eine Antwort darauf schuldig geblieben ist. ({17}) Ich gehe einen Schritt weiter. Ich glaube, dass die Große Koalition in einem so bedauernswerten Zustand ist, dass sie sich schon freut, wenn überhaupt ein Ergebnis zustande kommt, und dass es ihr völlig egal ist, welchen Murks sie verabschiedet. Hauptsache, man hat ein Thema erledigt und kann so tun, als wäre man noch handlungsfähig. ({18}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe mir Ihre Ziele genau angesehen, die Sie vor Ihrem Parteitag verkündet haben, und sie mit dem verglichen, was herausgekommen ist. Ich bin zu dem Schluss gekommen: Sie haben noch nicht einmal ein schlechtes Defensivspiel gemacht. Sie haben einfach dem Murks zugestimmt, um irgendwie über die Runden zu kommen und Ihren Vorsitzenden - oder wen auch immer - handlungsfähig erscheinen zu lassen. Mit einer vernünftigen Verkehrspolitik, deren Ziel es sein muss, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, und mit einer vernünftigen Klimaschutzpolitik, deren Ziel es sein muss, nach dem Scheitern der Beimischungsquote im Biospritbereich und der gescheiterten Umstellung der Kfz-Steuer den Anteil des Verkehrs am CO2-Ausstoß von 20 Prozent zu senken, hat das vorgelegte Papier - Sie haben noch nicht einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt - nichts, aber auch gar nichts zu tun. Ihr Entwurf ist auch im Hinblick auf den Umgang mit dem Volksvermögen nicht positiv zu bewerten. Die 3 Milliarden Euro bzw. die 3,5 Milliarden Euro - was wissen wir schon? -, die Sie vielleicht erlösen werden, werden nicht zielgenau für das Erreichen des Klimaschutzziels „besserer Verkehr“ ausgegeben. 1 Milliarde Euro soll für die Sanierung des Staatshaushalts verwendet werden. Ein anderer Teil des Erlöses soll für das Erreichen der Ziele verwendet werden, die Herr Mehdorn bei seiner Strategie der Globalisierung verfolgt. Das Geld bleibt jedenfalls nicht bei uns im Land. Wir haben einen klugen Antrag vorgelegt und weisen darin Ihr Konzept zurück. ({19}) Wir wollen Netz und Betrieb endlich voneinander trennen. Ich schlage Ihnen vor: Geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie das, was Ihre Basis will, Herr Kollege Struck, und stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich danke. ({20})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Uwe Beckmeyer. ({0})

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Reden der Opposition waren schon bemerkenswert. Das gilt insbesondere für Sie, Herr Kuhn. Sie haben deutlich gemacht, was die Grünen eigentlich wollen. Davon steht in Ihrem Antrag nichts drin. Dort steht lediglich, dass Sie nichts mit einem integrierten Konzern zu tun haben wollen. Sie haben heute zum ersten Mal gesagt, dass Sie eine Trennung von Betrieb und Netz wollen. ({0}) Das ist interessant. Das ist eine Neuorientierung Ihrer Position. Wir nehmen das dankbar zur Kenntnis und werden darauf öffentlich zurückkommen. Herr Gysi, Ihr Problem ist, dass Sie von dem Thema nicht viel verstehen und trotzdem sehr populistisch darüber reden. ({1}) Insofern sollten Sie aufpassen. Man kann nicht mit dem gleichen Argument wie für die Krankenhäuser auch die Bahn bedienen. Es ist wichtig, einmal zu überlegen, wie unsere heutige Bahn sich entwickelt hat. 1993 erfolgte in Deutschland die Verschmelzung der Deutschen Bundesbahn mit der Reichsbahn. Sie haben recht, in der DDR gab es sehr viele Schienenkilometer, aber in einem derart miserablen Zustand, dass niemand verantworten konnte, diese auch nur annähernd zu unterhalten und aufrechtzuerhalten. ({2}) Das muss man dem deutschen Volk einfach einmal sagen. Ich habe gelesen, dass Herr Lafontaine wegen des Programmmangels auf Ihrem Parteitag vorgeschlagen hat, auch einige Teile des Kommunistischen Manifestes aufzunehmen. ({3}) Das fand ich gut. Ich kann da noch einen Satz von Karl Marx zum Thema Eisenbahnen hinzufügen, den ich jüngst gelesen habe und der vor längerer Zeit von dem in der DDR damals verantwortlichen Günter Mittag in einem Brief an Alfred Neumann für die Begründung herhalten musste, weshalb die DDR nicht in die Eisenbahn investiert hat. Ich zitiere: Der Bau von Eisenbahnen liefert für lange Zeit keine Produktions- und Lebensmittel, entzieht diese aber der jährlichen wirtschaftlichen Erzeugung. Wenn Sie das in Ihr Programm aufnehmen, dann wissen wir endlich, was Sie wollen. ({4}) Wir haben eine lange Diskussion über die Bahnreform hinter uns. Wir haben politische Diskussionen im Plenum und in den Ausschüssen gehabt. Wir haben vier Anhörungen durchgeführt - wenn man die private Anhörung der Oppositionsfraktionen mitzählt, sogar fünf; da waren Sie allerdings leider enttäuscht über das Ergebnis, denn diese hat erbracht, dass die Fachleute mehrheitlich der Meinung sind, dass Ihre Position nicht trägt. ({5}) Wir haben eine sehr intensive Debatte geführt. Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, dass wir in Deutschland zukünftig eine DB AG haben werden, die zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist. Es wird eine konzerngeleitete Holding strukturiert, und das ist gut so. Wir werden ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben, das das gesamte Schienennetz mit einem Wert von 180 Milliarden Euro Wiederbeschaffungswert besitzt, das die Bahnhöfe, die Energieerzeugung und die notwendigen Dienstleistungen wie Projektbau und natürlich auch strategische Konzernleitungsfunktionen umfasst. Dieses bleibt zu 100 Prozent im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. ({6}) - Haben Sie dagegen etwas einzuwenden? Ich denke nicht.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Beckmeyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich wollte eigentlich meine Rede fortsetzen, Frau Präsidentin. ({0}) - Wenn Sie nach dem Zitat fragen wollen: Ich kann es Ihnen nachher geben. Investoren in Deutschland werden an den Infrastrukturunternehmen nicht beteiligt werden. Es gibt also aus dieser Investorenschaft keinen Einfluss auf den Konzern. Der Bund wird seine im Grundgesetz festgelegte Infrastruktur- und Angebotsverantwortung demgemäß vollständig erfüllen. Da gibt es kein Vertun. Außerdem werden wir so den integrierten Konzern und damit den konzerninternen Arbeitsmarkt sichern. Auch da gibt es kein Vertun, und das ist gut so. Wir ermöglichen lediglich die Beteiligung privaten Kapitals von maximal 24,9 Prozent an einer Bahntochter, und zwar der DB Mobility Logistics AG, in der der Güterverkehr, die Logistik, der Fern- und der Regionalverkehr und die dazugehörigen Dienstleistungen zusammengefasst sind. Im Umkehrschluss heißt das: 75,1 Prozent dieser Gesellschaft bleiben im Besitz der Bahn AG und damit mittelbar im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Das muss man wissen. Sie zeichnen für das deutsche Volk von dieser Stelle aus ein Phantomgebilde, das überhaupt nicht existent ist. Der Verkaufserlös - das ist das Entscheidende; darum geht es - soll zu gleichen Teilen erstens an den Bundesfinanzminister, zweitens in eine Eigenkapitalerhöhung der Bahn mit einem zielgerichteten Investitionsprogramm und drittens in Investitionen des Bundes in das Schienennetz fließen. Nun komme ich zurück zu Herrn Gysi. Herr Gysi, Sie haben vorhin so getan, als würden wir plötzlich mit den Investoren in einen Wettbewerb treten und als würden uns diese ganzen bösen Investoren drangsalieren wollen. Wissen Sie eigentlich, dass der Güterverkehr, dass Railion und Schenker schon heute im Wettbewerb stehen? Die müssen im Wettbewerb Geld verdienen. Die DB Regio steht heute schon im Wettbewerb und muss so günstig und gut sein, dass sie Ausschreibungen gegen Veolia und andere große Bahnen in Deutschland gewinnt. Sie muss gut sein, und darum geht es doch. ({1}) Wir wollen eine gute Bahn, die Geld verdient und die auch in der Lage ist, im Wettbewerb zu bestehen. Aber was Sie im Kopfe haben, ist eine Staatsbahn alten Zuschnitts, hoffentlich nicht nach Art der DDR. Dieses alles zusammengenommen zeigt doch die Unterschiede, die zwischen Ihnen und denen, die momentan diese Bahnreform fortsetzen wollen, existieren. Sie haben ein verkrustetes Bahnmodell im Kopfe, das schon 1993 abgeschafft worden ist, und das ist gut so. Sie müssen dazulernen, sonst kommen Sie auf keinen aktuellen Informationsstand. Übrigens, die Aussage, die Deutsche Bahn sei 170 Jahre im Besitz des Staates, ist falsch. Erst die Preußen haben die Bahn verstaatlicht. Vorher waren die Bahnen privat. Auch das muss man zur geschichtlichen Klarstellung sagen. ({2}) Ich komme zum Schluss. Entscheidend ist, dass wir die Eigenkapitalbasis stärken und dass wir damit die Investitionskraft der DB AG fördern. Wir wollen Wachstum auf der Schiene ermöglichen, Herr Kuhn, und den Herausforderungen des europäischen Schienenverkehrsmarktes begegnen. Wir wollen zusätzliche Finanzmittel für die Ertüchtigung des Bundesschienennetzes und damit die Engpässe beseitigen. Wir wollen Strecken und Knoten ausbauen, wir wollen die Bahnhöfe sanieren, und wir wollen uns dem Thema Lärm an Strecken widmen. Wir müssen den Lärm an Schienensträngen beseitigen. Dafür brauchen wir Geld im öffentlichen Bereich. ({3}) Es geht um eine spürbare Attraktivitätssteigerung. Ich will als Letztes noch etwas sagen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit!

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- Ein letzter Gedanke. ({0}) Hier wird mit Schmutz geworfen. Die Rheinische Post, die Sie schon dreimal angesprochen haben, hat einen falschen Bericht geschrieben. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Wir können heute klar und deutlich sagen: Die Information, die hier drinsteht, ist zu dementieren. Danke schön. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zu einer Kurzintervention erteile ich nun der Kollegin Menzner das Wort.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben jetzt hier sehr vehement für Ihren Entwurf geworben, aber Sie haben mit keinem Wort deutlich gemacht, wie das, was jetzt vorgesehen ist, den Einfluss des nach wie vor Haupteigentümers - bisher des alleinigen Eigentümers -, des Bundes, stärken soll. Gemeinsam streiten wir seit zweieinhalb Jahren, um einen aussagefähigen Netzzustandsbericht zu erhalten. Wir hatten schon große Schwierigkeiten, solange die DB AG zu 100 Prozent dem Bund gehörte. Mir und, ich glaube, auch dem Bürger erschließt sich nicht, wie wir in Zukunft besser an Informationen kommen, wenn wir nur noch „mittelbare Eigentümer“ sind, und da zitiere ich Sie wörtlich. ({0}) Zum Zweiten: Natürlich steht die DB AG im Wettbewerb, aber Sie dürfen nicht verschweigen, wie die DB AG damit umgeht. Sie ist dabei, eine ganze Reihe von Subunternehmen zu gründen - ich nenne als Stichwort die DB Heidekrautbahn -, um mit durch Lohndumping möglichen billigeren Angeboten an Ausschreibungen teilnehmen zu können. Es geht aber aus meiner Sicht - das ist der öffentliche Auftrag - um Qualität für die Bürgerinnen und Bürger, um vernünftige Angebote und um vernünftige Arbeitsbedingungen für die Menschen, die bei der Bahn arbeiten. Das ist nicht gewährleistet. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Beckmeyer, bitte.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Kollegin, wir haben uns darüber schon im Ausschuss unterhalten. Für die sozialdemokratische Fraktion kann ich eindeutig erklären: Wir sind gegen Dumpinglöhne. Die Tarifverträge, die die Deutsche Bahn mit ihrer Gewerkschaft geschlossen hat, verhindern diese Gott sei Dank. Wir sind stolz darauf, dass die Kolleginnen und Kollegen das - möglichst noch bis 2023 - erstritten haben, um das deutlich zu sagen. ({0}) Sie operieren mit Informationen, die nicht aktuell sind. Sie werden bei uns garantiert keine politische Unterstützung finden. Ich will etwas zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sagen. Auch das ist hier von Ihnen angesprochen worden. Ich finde es unredlich, wie die Opposition teilweise mit diesem Thema umgeht. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung - Stand: aktuell, vorgestern - ist Ihnen zur Verfügung gestellt worden, damit Sie sich einlesen können. Es ist immer gesagt worden, dass das ein Zwischenstand ist, der sich weiterentwickelt. Jetzt zu sagen, dieses Thema sei nicht ausreichend behandelt, ist unfair. Wir werden uns im Ausschuss über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beraten und wir werden sie beschließen. Das steht ebenfalls in dem Antrag, den wir heute beschließen. Danke schön. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist nun der Kollege Patrick Döring für die FDP-Fraktion. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ging doch sehr viel durcheinander. Ich will meine vier Minuten Redezeit dazu nutzen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Sehr geehrter Herr Kollege Gysi, wenn Sie zurückwollen zu einer Staatsbahn, wie wir sie vor 1989 und vor 1993 hatten, wenn Sie zurückwollen zu einer Behördenbahn, dann müssen Sie auch konstatieren: Nirgendwo, zu keinem Zeitpunkt gab es so wenig und so schlechten Schienenverkehr wie in der Zeit der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn. ({0}) Deshalb ist eine Reverstaatlichung wirklich kein Konzept, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen. ({1}) Sehr verehrter Herr Kollege Kuhn, ein Konzept ist aber auch nicht, darüber nachzudenken, wie man die Bürgerinnen und Bürger durch mehr staatlichen Einfluss - am liebsten per Verordnung oder Gesetz - zurück auf die Schiene bringt. Die Erfolgsgeschichte der Regionalisierung ist doch, dass das Angebot besser geworden ist und dass gute Angebote in einer Wettbewerbssituation die Menschen motiviert haben, wieder in den Zug zu steigen. Das ist die Erfolgsgeschichte der Bahnreform 1994 durch Schwarz-Gelb mit Unterstützung der Sozialdemokratie. ({2}) Ich stehe hier aber nicht, um den jetzt gewählten Weg zu loben und zu unterstützen, ({3}) und zwar aus mehreren Gründen. Sehr geehrter Herr Kollege Beckmeyer, ich bin mit Ihnen einig, dass man das Entgegenkommen des Ministeriums, uns jetzt die LuFV im Entwurfsstand zu geben, in dieser Phase nicht kritisieren darf. Ich sage für meine Fraktion nur: Wir fordern nichts anderes, als dass Sie sich an Ihren Beschluss vom letzten Jahr erinnern, dass die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ausformuliert und ein Jahr erprobt sein muss, bevor man privatisiert. ({4}) Da gehen Sie jetzt einen anderen Weg, weil Sie wahrscheinlich nicht garantieren können, dass Ihre Basis nach dem Samstag in Nürnberg auch diese Entscheidung noch mitträgt. Deshalb muss das heute alles abgeräumt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich höre es gerne, wenn sie sagen: „Uns wäre mehr als 24,9 Prozent eingefallen“, allein mir fehlt der Glaube. Deshalb sage ich: Es ist nicht zu verantworten, übrigens auch nicht politisch, dass der deutsche Steuerzahler weiter mit 75,1 Prozent für LKW-Verkehr in Russland, für Bahnverkehr in China und für Nahverkehr in Schweden und anderen europäischen Ländern haftet. ({5}) Ich wiederhole: Das ist nicht zu verantworten. Man muss deshalb fragen: Warum wachsen die Güterverkehre heute? Warum haben wir gute private - übrigens, oh Schreck, renditegetriebene - Regionalverkehrsunternehmen? Diese Unternehmen machen einen tollen Regionalverkehr, und sie gewinnen auch die Ausschreibungen gegen das Unternehmen mit Sitz am Potsdamer Platz, obwohl sie Gewinn machen müssen und die besseren Wagen anbieten. Warum geschieht das alles? Weil Effizienzen in einem Unternehmen gehoben werden, das jetzt endlich getrieben wird, sich vernünftig zu verhalten. ({6}) Jetzt kommen wir zur Infrastruktur. Ich persönlich - das habe ich auch im Ausschuss gesagt - empfehle gelegentlich den Blick ins Aktiengesetz. Die Koalition schreibt in ihrem Papier, sie erwarte, dass die DB AG die Mittel, die sie bekommt, für nationale Investitionen und Innovationen verwendet. Im Aktiengesetz ist eindeutig geregelt, dass diese Entscheidung ausschließlich der Vorstand fällt. Das ist das, was die FDP-Fraktion und mich in diesem Verfahren stört: Wer privatisieren will - wir wollen das; wir wollen, dass noch mehr privatisiert wird -, der muss sicherstellen, dass der Staat, der am Ende zu 100 Prozent die Verantwortung für die Infrastruktur behält - was wir begrüßen -, seine Verantwortung auch wahrnehmen kann. Die jetzt gewählte Konstruktion ist sowohl aus Sicht des Aktienrechts als auch aus Sicht der Beteiligung des Parlaments unbefriedigend. Sind wir Politiker eigentlich damit zufrieden, wie wir in der Vergangenheit Einfluss auf den Aufsichtsrat nehmen konnten, der zu 100 Prozent vom Bund bestellt wird? Waren wir damit zufrieden? Es ist falsch, diese Entscheidung schon jetzt zu treffen, ohne darüber zu sprechen, wie mit einer erprobten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, mit einem Netzzustandsbericht und mit einem Beteiligungsvertrag, den das Parlament vorher gesehen hat und über den auch entschieden werden kann, umzugehen ist, bevor man seinen Anteil dem DB-Vorstand zu Füßen legt, ihm 2,5 Milliarden Euro hinterherwirft, ohne die Gegenleistung zu kennen. Das ist der falsche Weg. So macht man keine erfolgreiche Privatisierung. So diskreditiert man Privatisierung. Deshalb können wir Ihren Weg heute nicht mitgehen. Herzlichen Dank. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Klaus Hofbauer. ({0})

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition bringt heute ein großes und wichtiges Projekt unter ihrer Regierungsverantwortung auf die Zielgerade. Nach jahrelanger und ausführlicher Diskussion mit zum Teil konträren Standpunkten können wir heute feststellen, dass wir mit einer erfolgreichen Fortentwicklung der Bahnreform auf dem richtigen Weg sind. Das ist die entscheidende Botschaft, die wir nach außen tragen müssen. ({0}) Bei dem Kollegen Horst Friedrich möchte ich mich fast bedanken, weil er zu Beginn seiner Ausführungen ganz klar und deutlich gesagt hat, dass dieser Antrag der richtige Weg ist. Ja, wir sind auf dem richtigen Weg. Deswegen bitte ich die FDP-Fraktion sehr herzlich, unserem Antrag zuzustimmen. Das wäre der ehrliche und richtige Weg. ({1}) Es gibt zwei große Herausforderungen für die Politik und für die Bahn. Zum einen müssen wir die Bahn fit machen, dass sie sich dem globalen Wettbewerb stellen kann. Warum ist es notwendig, dass die Bahn sich dem globalen Wettbewerb stellt? Es ist notwendig, weil der Kunde es verlangt. Die Wirtschaft agiert weltweit. Der Kunde verlangt von der Bahn ein ganzheitliches Konzept, wie zum Beispiel ein Produkt von Deutschland nach Japan oder an jeden anderen Ort der Welt gebracht werden kann, ohne dass Verhandlungen mit mehreren Vertragspartnern erforderlich sind. Dafür müssen wir die Bahn fit machen. Genau das tun wir jetzt. Zum anderen nehmen wir die Verpflichtung zur Daseinsvorsorge sehr ernst. Wir fühlen uns dem Art. 87 e des Grundgesetzes verpflichtet. ({2}) Wir wollen, dass in Deutschland ein attraktiver und zukunftsorientierter Bahnverkehr stattfindet. Dafür haben wir in der Vergangenheit zum Beispiel bei den Regionalisierungsmitteln die Weichen gestellt. Die zum Teil privatisierten regionalen Angebote sind eine Erfolgsgeschichte der letzten 15 Jahre. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortsetzen, stärken und ausbauen. ({3}) Da sind wir auf einem guten Weg, Herr Kollege Hofreiter, weil wir Akzente gesetzt haben und dies auch weiterhin tun werden. ({4}) Es steht außer Zweifel, dass das regionale Angebot immer attraktiver geworden ist, dass die Menschen es immer besser annehmen und dass die Bahn erhebliche Zuwächse hat. Außerdem wird der Güterverkehr in Deutschland von der Bahn so attraktiv gestaltet, dass es bereits Engpässe gibt. Wir brauchen erhebliche Investitionen, um das Güterverkehrsangebot auszubauen und zu verstärken. Es ist klar, dass die Umsetzung des heutigen Beschlusses noch ganz gewaltige Herausforderungen für uns mit sich bringen wird. Wir sind dabei, die entsprechenden Voraussetzungen zum Beispiel bei dem Beteiligungsvertrag zu erfüllen. Das gilt natürlich auch für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie die Anreizregulierung. Ich möchte hier erwähnen, was der Herr Staatssekretär Großmann bei der Anhörung gesagt hat: Wir legen euch keine fertigen Papiere vor. Die Papiere, die im Entwurf vorliegen, können gestaltet werden. Wir werden die Chance nutzen, die Inhalte so zu gestalten, dass sie den Zielen des heutigen Beschlusses auch wirklich gerecht werden. Herzlichen Dank für dieses Angebot. Wir als Koalitionsfraktionen werden es ganz konkret nutzen. ({5}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Anmerkung zur Anreizregulierung. Wir wissen, dass insbesondere die DB die Anreizregulierung gar nicht will. Wir von der Politik hier im Parlament fordern, dass die Anreizregulierung umgesetzt wird, weil wir Kontrolle haben wollen. Wir können und müssen uns aber darüber unterhalten, mit welchem bürokratischen Aufwand das geschieht. Wir wollen keinen Popanz „Bürokratie“ aufbauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam Lösungen dafür finden, wie das richtig gestaltet werden kann. Noch eine Bemerkung zu den Investitionen. Ich möchte mich nicht an den Spekulationen darüber beteiligen, welchen Erlös die Teilprivatisierung erbringt. Das müssen wir abwarten. Das werden die nächsten Monate oder das nächste Jahr zeigen. Eines muss aber klar sein - das darf ich als Verkehrspolitiker sagen -: Mit dem jetzigen Maß an Investitionen werden wir die Herausforderungen weder bei der Bahn noch auf der Straße bewältigen können. ({6}) Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland braucht insgesamt mehr Geld, weil wir ansonsten - ich glaube, das dürfen wir sagen - ins Hintertreffen geraten. ({7}) Vorhin wurde gesagt, dass wir in vielen Bereichen erfolgreich sind. Ich weiß nicht, ob das jetzt in diese Debatte passt, spreche es aber trotzdem an. Ich möchte den Bediensteten der Bahn insgesamt und auch den Bediensteten der Privatbahnen einmal ein herzliches Dankeschön sagen sowie Anerkennung und Respekt zum Ausdruck bringen. ({8}) Dass so viele Erfolge erzielt wurden, ist auch dem Einsatz der Bediensteten auf allen Ebenen zu verdanken. Weil wir als Eigentümer mit dabei sind, darf man das einmal sagen. Wir werden in den nächsten Wochen noch über manche Bereiche diskutieren. Wir werden das rasch über die Bühne bringen. Wir werden uns zum Beispiel über die Möglichkeit unterhalten, das Streckennetz um 5 Prozent zu reduzieren, ohne dass die Mittel entsprechend reduziert werden. Das kann so nicht sein. 5 Prozent sind ein ganz erheblicher Anteil. Deswegen müssen wir darüber diskutieren. Natürlich macht uns auch das Thema Fernverkehr einige Sorgen. Erlauben Sie mir, das etwas persönlicher zu sagen. Als ich vor 10 oder 15 Jahren zwischen Mün17354 chen und Prag über den Grenzübergang Furth im Wald gefahren bin, war das Fernverkehr. Das wird jetzt mit Nahverkehrsmitteln bedient. Das ist auf Dauer mit Sicherheit nicht der richtige Weg. Wir müssen das Thema Fernverkehr ernst nehmen: Wir werden es auch ernst nehmen und die entsprechenden Akzente setzen. Zum Schluss möchte ich Folgendes feststellen: Wir haben noch einige Hausaufgaben zu machen. Das werden wir tun. Wir sind aber auf einem hervorragenden Weg, die Bahnreform aus 1993/94 weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass wir heute einen sehr guten Beschluss fassen werden. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Martin Burkert für die SPD-Fraktion. ({0})

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Ich will das jetzt noch einmal in aller Sachlichkeit und Ruhe erläutern; denn für einen Eisenbahner ist das heute schon ein besonderer Tag. Der Zug, sprich: die Bahnreform, steht aus meiner Sicht auf dem richtigen Gleis. Der Fahrweg ist eingestellt. Wir haben alle haushaltspolitischen und verkehrspolitischen Fragen erörtert und beantwortet. Nachdem heute ein Modell zur Trennung von Fahrweg und Betrieb im Güterverkehrsbereich von den Grünen erstmals öffentlich dargestellt worden ist, ({0}) möchte ich ausdrücklich sagen: Herr Kuhn, der Einzelwagenverkehr in Deutschland ist nicht lukrativ. Wenn Sie nun aber die Möglichkeit des Einzelwagenverkehrs, also beispielsweise den Transport eines Güterwagens von Hamburg nach München, dadurch aufheben, dass Sie die Subventionierungsmöglichkeit im Querverbund abschaffen, dann gibt es über Nacht bis zu 100 000 Lkw mehr auf unseren Straßen. Das kann doch sicherlich von Ihnen nicht gewollt sein. Weiterhin haben wir auch die unternehmenspolitischen, die europarechtlichen und nicht zuletzt die beschäftigungspolitischen Weichen richtig gestellt. Der Deutsche Bundestag gibt heute das Signal Zp9 - das ist in der Eisenbahnersprache das grüne Licht beim Abfahrtsignal - für die Bahnreform. Der 1994 begonnene Erfolgsweg der Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft wird nun vollendet und die Bahn jetzt mit der Teilprivatisierung von 24,9 Prozent der Verkehrssparte in eine gute und wettbewerbsfähige Zukunft geführt. ({1}) Wie Ihnen bekannt ist, hat die SPD mit sich gerungen, wie privaten Investoren der Einstieg möglich gemacht werden kann. Wir haben ausführliche Beratungen durchgeführt und zusammen mit der Union ein tragfähiges Modell vorgelegt, das unseren Ansprüchen gerecht wird. Ein wichtiger Maßstab war und ist für uns dabei immer auch die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse bei der Bahn. Die Beschäftigten bei der Bahn sind seit 1994 im Übrigen der Garant des Erfolges. Schauen wir uns nämlich einmal an, wie sich die Personalkosten und die Wertschöpfung entwickelt haben: Im Jahr 1994 betrugen die Personalkosten für einen Mitarbeiter im Durchschnitt 31 000 Euro pro Jahr, während die Wertschöpfung damals nur bei 28 000 Euro pro Jahr lag, also im negativen Bereich. Im Jahr 2007 lagen die durchschnittlichen Personalkosten je Mitarbeiter bei 43 000 Euro im Jahr; gleichzeitig erreichte die Wertschöpfung je Mitarbeiter aber bereits einen Wert von 54 000 Euro im Jahr. Alleine aus dieser Differenz ergibt sich ein Gewinn von über 2 Milliarden Euro vor Steuern. Wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklung war die Einheit des integrierten Konzerns. Deshalb war die Beibehaltung des integrierten Konzerns genauso wie die Beschäftigungssicherung für die 230 000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner für uns von der SPD eine wesentliche Grundvoraussetzung bei den Verhandlungen über den Einstieg privater Investoren. Die SPD-Fraktion begrüßt deshalb ausdrücklich den Erhalt des integrierten Konzerns und damit des konzerninternen Arbeitsmarktes. Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich auch den Abschluss eines Sicherungstarifvertrages zwischen der Transnet und der Deutschen Bahn AG. ({2}) Im Kern sind hier drei Punkte herauszustellen: Erstens. Es wird ausgeschlossen - Kollege Beckmeyer hat es erwähnt -, dass es bis zum Jahr 2023 zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sicherlich einzigartig in unserem Land. Zweitens. Der bahninterne Arbeitsmarkt bleibt erhalten. Obendrein wird die Bahn weiterhin in großem Umfang ausbilden. Sie ist schon heute das größte Ausbildungsunternehmen in Deutschland, und das, obwohl sie es mit 360 Konkurrenzunternehmen im Schienenverkehrsbereich zu tun hat. In diesem Punkt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP, um auf die unternehmerische Verantwortung und vor allen Dingen auch volkswirtschaftliche Bedeutung zu sprechen zu kommen, haben die privaten Konkurrenten bisher leider gar nichts vorzuweisen. Von diesen wurden nämlich bisher nicht einmal zwei Hände voll an Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestellt. Drittens. Es bleibt auch das sogenannte Kontrahierungsgebot, also die Verpflichtung zur konzerninternen Auftragsvergabe bei der Deutschen Bahn erhalten. Diese drei Punkte wirken sich in der Praxis folgendermaßen aus: Es wird sichergestellt, dass Lokführer oder Fahrdienstleiter sowie alle anderen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die im Betriebsdienst beschäftigt sind, dann, wenn sie zum Beispiel Diabetes bekommen oder an Bluthochdruck leiden, nicht arbeitslos werden, obwohl sie aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen ihren bisherigen Job nicht mehr länger ausüben dürfen. Durch den konzerninternen Arbeitsmarkt ist es vielmehr möglich, sie auf einen anderen Arbeitsplatz im DB-Konzern zu vermitteln, etwa im Dienstleistungsbereich. Allein in diesem Bereich werden zurzeit 70 000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner beschäftigt. Dass diese Menschen auch weiterhin eine Perspektive haben, garantiert das vorhin angesprochene Kontrahierungsgebot. Was heißt das? Es heißt, dass alle Arbeiten im Konzern selbst erledigt werden, soweit sie dort abrufbar sind. Auch hierzu ein Beispiel: Ein Wagenreiniger in Bayern verdient dank des Tarifvertrages einen Stundenlohn von 8,60 Euro. Seine Arbeit, wie auch zum Beispiel die Arbeit der Sicherheitsposten, der Gastronomiebeschäftigten, der Projektplaner oder der Servicemitarbeiter, könnte die Bahn aber genauso gut auf dem freien Markt viel günstiger einkaufen. Genau das wollen wir aber nicht. Darin liegt der große Unterschied zwischen uns Sozialdemokraten und Ihnen von der FDP. Sie würden den Markt alles regeln lassen, auch auf Kosten der Arbeitsplätze bei der Bahn. Wir wollen das nicht; wir wollen gute Arbeit, wir wollen anständig bezahlte Arbeit und keine Ausbeutung bei der Bahn. ({3}) Für uns sind die tarifpolitischen und sozialpolitischen Standards sowie die Sicherung der Beschäftigung mit unseren sozialdemokratischen Grundsätzen eng verbunden. Angesichts des Schielens auf andere politische Mehrheiten - das kommt in diesem Haus ab und zu vor kann man nur davor warnen, am integrierten Konzern zu rütteln. Dies würde einen Angriff auf die Beschäftigungssicherung bedeuten. Was dies zur Folge hätte, umschrieb der Arbeiterdichter Georg Herwegh 1863 - er war, wie wir wissen, zusammen mit Ferdinand Lassalle Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins - mit den Versen eines berühmten Arbeiterliedes: Mann der Arbeit aufgewacht, erkenne deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will! Wie ich meine Gewerkschaftskollegen und Betriebsfunktionäre kenne, wäre der Streik der Lokomotivführer im Vergleich zum Protest, der bei einem Angriff auf die Beschäftigungssicherung ausgelöst würde, nur ein lauer Sommerwind gewesen. Auch zu den Streckenstilllegungen könnte man viel sagen. Da wird Angst und Panik verbreitet. Das ist aber unbegründet. Angesichts meiner fortgeschrittenen Redezeit fasse ich zusammen: Der Zugriff privater Investoren auf das Schienennetz wird ausgeschlossen. Der Einfluss auf die Geschäftspolitik wird stark begrenzt. Der konzerninterne Arbeitsmarkt wird erhalten. Die Beschäftigungssicherung wird garantiert. Die Stellung des Bundes als Eigentümer bleibt bestehen und wird ausgebaut. Investitionen in Infrastruktur und in Material werden getätigt. Damit wird unser Unternehmen Bahn wettbewerbsfähig in Europa aufgestellt. Das heißt also: Signal Zp9 - Abfahrauftrag - und keiner hat jetzt etwas gegen die K-Scheibe - das ist ein anderer Eisenbahnerbegriff -, mit der der Fahrdienstleiter dem Lokführer den Auftrag gibt, die Fahrzeit zu verkürzen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Letzte Bemerkung. Wir sind auf einer guten Fahrt in eine sichere Bahnzukunft. Die Bahngeschichte wird heute weitergeschrieben. Recht herzlichen Dank. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für den Bundesrat spricht nun der Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Herr Dr. Karl-Heinz Daehre. ({0}) Dr. Karl-Heinz Daehre, Minister ({1}): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Bundestagsabgeordneten und Bundestagsabgeordnete! Herzlichen Dank für die Möglichkeit, dass ich zu Ihnen sprechen darf. Wenn man über ein bestimmtes Thema redet, dann sollte man auch erwähnen, woher man kommt und wohin man will. Als gelernter DDR-Bürger darf ich daran erinnern, wo wir 1989 standen und wo wir jetzt stehen. Ich kann mich noch an die damalige Fahrzeit von Dresden nach Magdeburg erinnern. In dieser Zeit könnte man heute zweimal nach Berlin fahren. Wir müssen einmal zur Kenntnis nehmen, was in den letzten 15 Jahren passiert ist. Herzlichen Dank allen, die dazu beigetragen haben. ({2}) - Zum Einstieg ist ein bisschen Beifall immer gut. Aber ich komme noch zu kritischen Anmerkungen. ({3}) Es muss deutlich sein, dass sich die Länder nicht zum Anwalt der Linken machen wollen. Die Länder sind eindeutig der Meinung, dass die Teilprivatisierung der richtige Weg ist. So ist es von den Ländern mehrheitlich beschlossen worden. Mit diesem Missverständnis möchte ich hier einmal aufräumen. Ich denke, das ist der richtige Weg. Minister Dr. Karl-Heinz Daehre ({4}) Deshalb streiten wir nicht mehr darüber - auch die Länder nicht -, ob wir teilprivatisieren. Wir streiten nur über den Weg. Da haben wir unterschiedliche Positionen. Aber auch für Sie als Bundestagsabgeordnete ist es nichts Neues, dass es in einem föderalistischen System unterschiedliche Auffassungen zu dem einen oder anderen Punkt gibt und auch geben muss. Wir müssen die Länderinteressen vertreten. Eines verbindet uns alle: Wir wollen, dass mehr Güter von der Straße auf die Schiene kommen, dass mehr Bürger den Zug benutzen; da könnten wir alle einmal bei uns selber anfangen. Das ist aus meiner Sicht inzwischen ein gesellschaftspolitisches Thema. Denn wenn wenige mit dem Zug fahren, dann sind bestimmte Strecken nicht mehr rentabel. Dann sind wir in den Ländern gezwungen, Strecken einzustellen. Das kann nicht unser Ziel sein. Deshalb ist es für uns natürlich wichtig, dass viele Bürger den Zug nehmen. Aber sie nehmen ihn nicht - da setzt unsere Kritik an -, wenn die Geschwindigkeit 30 bis 40 Stundenkilometer beträgt. Dann fährt keiner mit dem Zug, außer der Großvater einmal mit dem Enkel. Beim zweiten Mal sagt der Enkel dann: Opa, so interessant ist das nicht mehr. Der entscheidende Kritikpunkt, den die Länder haben, ist, dass wir bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mitreden wollen, damit sichergestellt wird, dass wir in Zukunft einen attraktiven Nahverkehr in der Fläche erhalten. Wir werden angesichts dessen, dass die Verkehre so zunehmen, wie alle Experten prognostizieren, noch einmal über jeden Kilometer Schienenstrang dankbar sein, der auch in Zukunft besteht. ({5}) Das ist die Herausforderung, die wir gemeinsam angehen müssen. Auch in diesem Jahr wurde schon die eine oder andere Fernverkehrsstrecke eingestellt. Das habe ich nicht nur in Sachsen-Anhalt erlebt. Gerade wurde gesagt, dass auch München und Prag mit Regionalverkehr verbunden werden. Das hätte man sich früher nicht vorstellen können. ({6}) - Ganz früher, ja. ({7}) - Da hatten wir noch einen Kaiser und einen König. Zurück zu dem eigentlichen Thema. Wenn Fernverkehrsstrecken eingestellt werden, dann werden die Länder dort Regionalverkehr einsetzen müssen. Dann haben wir die Situation, dass die Regionalisierungsmittel, die im Moment Spitz auf Knopf stehen, natürlich nicht für diese Strecken reichen. ({8}) - Wir machen es ganz transparent. Aber lassen Sie mich einmal sagen, was wir uns so wünschen. Auch wir dürfen einmal das eine oder andere sagen. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die Länder die Regionalisierungsmittel bekommen. Das sind Milliardenbeträge. Wenn die Länder diese Milliardenbeträge schon gesetzlich zugeschrieben bekommen haben, dann möchten sie auch bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mitreden. Das ist unsere Forderung. Ich bitte darum, dass dies passiert. Ein bisschen Bewegung, Herr Bundesminister, ist schon in diese Dinge gekommen. Die Länder sind jetzt zum zweiten Mal eingeladen worden. Aber sich allein ins Benehmen zu setzen, reicht nicht aus. Dies hört sich so an: Zwei -, dreimal werden wir eingeladen, und dann ist das Benehmen hergestellt. Das kann nicht der Weg sein. Wir müssen uns in den nächsten Wochen und Monaten auch im Austausch mit dem Hohen Haus mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beschäftigen. Die Kreuze müssen weg, und stattdessen müssen Summen eingesetzt werden. Am Ende muss es darum gehen, deutlich zu machen, dass wir in Deutschland in der Fläche ein attraktives Schienennetz, und zwar vom Fernverkehr bis hin zum Nahverkehr, erhalten wollen. Ein weiterer Punkt. Die Länder haben natürlich ein großes Interesse daran, ordentliche Bahnhöfe zu haben. Denn Sie können den Bürgern eines nicht zumuten: dass sie Bahnhöfe und Bahnsteige vorfinden, die nicht mehr dem 21. Jahrhundert entsprechen. Das ist unsere Forderung. Gleichzeitig sage ich aber: Wir werden es nicht schaffen, jeden Bahnhof barrierefrei zu gestalten. Das ist eine Zusage, die man nicht einhalten kann. Wir müssen sehen, wie wir Knotenpunkte entwickeln, wo dann auch behinderte, mobilitätseingeschränkte Bürger die Möglichkeit haben, den Zug zu benutzen. Es gibt also große Herausforderungen. Nochmals: Die Länder werden dafür kämpfen - das ist unsere Aufgabe -, dass wir in Zukunft bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und bei den Qualitätsparametern im Schienenverkehr mitreden. Ich darf abschließend eines sagen: Eine Zielstellung wäre, wenn wir es hinbekämen, dass in der Fläche mit 80 Stundenkilometern gefahren werden kann. Ich denke, das wäre gut. Denn wenn wir den Schienenpersonennahverkehr abbestellen, wird der Güteverkehr, der auf diesen Strecken nach wie vor fahren wird, teurer, weil DB Cargo dann an DB Netz Geld zahlen muss. Das würde dazu führen, dass Güterverkehr eingestellt würde. Das kann nicht unser Ziel sein. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, dafür zu sorgen, dass in Zukunft mehr Güter auf der Schiene transportiert werden und mehr Personen den Zug benutzen. Das sind wir der Umwelt, den Bürgern und Deutschland schuldig. Danke schön. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Klaas Hübner für die SPD-Fraktion. ({0})

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Kuhn hat hier für die Grünen erklärt, dass sie gegen einen integrierten Konzern sind. Das ist bemerkenswert. Insofern besteht zwischen uns in der Tat ein diametraler Gegensatz; denn wir wollen den integrierten Konzern. Wir wollen eine Beschäftigungssicherheit für die Mitarbeiter der DB AG, und nur in einem integrierten Konzern ist ein integrierter Arbeitsmarkt möglich. Nur so konnte eine Beschäftigungsgarantie - immerhin bis zum Jahr 2023 - vereinbart werden. Das geht mit unserem Modell, mit Ihrem nicht. An dieser Stelle besteht also ein deutlicher Gegensatz zwischen unseren Positionen. Wir treten für die Beschäftigten der DB AG ein. ({0}) Sie haben einen klimapolitischen Ansatz angemahnt. Natürlich wollen wir mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen. ({1}) Darum müssen wir in das Netz investieren. Wir brauchen eine bessere Anbindung an unsere Seehäfen, die überfüllt sind und nicht mehr expandieren können. Seehäfen können nämlich nur dann expandieren, wenn sie die Güter möglichst schnell weitertransportieren können. Darum müssen wir in das Güterverkehrsschienennetz investieren, Herrn Kuhn. Das wollen wir tun. Es gibt aber eine Gesamtverantwortung. Wir wissen, dass wir nicht einfach mehr Geld ausgeben dürfen, dass wir nicht einfach mehr Schulden machen oder die Steuern erhöhen können, sondern auch das Prinzip der Generationengerechtigkeit zu beachten haben. Wir haben uns die Haushaltskonsolidierung zum Ziel gesetzt. Bis zum Jahr 2011 wollen wir einen Schuldenstand von null erreicht haben. Nur so können wir verhindern, dass zukünftigen Generationen immer wieder neue Lasten aufgetragen werden. Die Finanzierung muss der jeweiligen Generation obliegen. Das halten wir ein. Natürlich wollen wir Zukunftsinvestitionen durchführen. Wenn wir das Ziel der Haushaltskonsolidierung ernst nehmen wollen, ist das aber nur möglich, wenn wir Private an der Finanzierung gemeinwohlorientierter Aufgaben beteiligen. Ich finde, bei der DB AG ist das sinnvoll. Daher machen wir das. Herr Kuhn, Sie machen sich einen schlanken Fuß. Ich finde, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie Forderungen stellen, ohne zu erklären, wie Sie das finanzieren wollen und wie Sie verhindern wollen, dass folgende Generationen die Lasten tragen müssen. ({2}) Herr Gysi hat seine Rede in der letzten Debatte über die Bahnreform mit der Bemerkung begonnen, dass er kein Experte ist. Das hat er heute bestätigt. ({3}) Das ist gar nicht so schlimm, Herr Dr. Gysi. Schlimm finde ich aber, dass Sie die Bahn schlechtgeredet haben und damit die Leistung, die die Beschäftigten der Bahn in den letzten 17 Jahren erbracht haben, diskreditiert haben. ({4}) Sie sind den Leistungen der Bahnbeschäftigten überhaupt nicht gerecht geworden. Das muss ich Ihnen ins Stammbuch schreiben. ({5}) Machen wir einmal Sachaufklärung: Sie haben Neuseeland und Großbritannien als negative Beispiele angeführt. Richtig, bei diesen Privatisierungen hat es Probleme gegeben. Worin besteht aber der Unterschied zu der Privatisierung bei uns? Sowohl in Neuseeland als auch in Großbritannien ist das Netz mitprivatisiert worden. Das tun wir ausdrücklich nicht. ({6}) Wir lassen das Netz im Bundesbesitz. Das ist der entscheidende Unterschied. Sie sollten keine hinkenden Vergleiche bringen. Wir haben von diesen Ländern etwas gelernt. Das Gesetz, das wir machen, sorgt dafür, dass das Netz im Bundesbesitz bleibt. Daher ist das ein gutes Gesetz. ({7})) Sie haben behauptet, das Verkehrsangebot in der Fläche könne dadurch gefährdet werden, dass wir private Investoren beteiligen. Die Wahrheit ist doch - das muss doch einmal gesagt werden -: Der Nahverkehr wird von den Ländern bestellt. Wir geben rund 7 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel aus, damit die Länder den Nahverkehr bestellen können. Das heißt, der Nahverkehr hat mit der Privatisierung nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Der Nahverkehr wird davon gar nicht beeinflusst. ({8}) Auf den Fernverkehr hat Minister Daehre hingewiesen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner zulassen?

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Hübner, Sie haben eben gesagt, wir würden hier ein gutes Gesetz machen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass die Kritik der Opposition im Wesentlichen genau darauf zielt, dass Sie überhaupt kein Gesetz vorlegen. Zweitens frage ich: Haben Sie am Montag in der Anhörung zur Kenntnis genommen, dass die Fachleute zum einen gesagt haben, dass der Beschäftigungssicherungstarifvertrag aus ihrer Sicht - es waren Juristen, die das gesagt haben - nicht justiziabel ist, und dass sie zweitens gesagt haben, dass mit dem vorgelegten Modell die Haftungsrisiken für den Bund höher und nicht geringer werden?

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben vollkommen recht. Wir haben einen Antrag, und zwar aus gutem Grund: Wir wollen mit der Privatisierung an dieser Stelle schneller vorankommen. Wir haben ausführlich über dieses Thema diskutiert. Die Beschäftigungssicherung ist ein Pfund, das sich die Gewerkschaften ausgehandelt haben. Es gab einige Experten, die daran zweifeln. Aber die große Masse sagt: Das ist ein guter Vertrag, der abgeschlossen worden ist. Man kann nicht einzelne Meinungen an die Stelle einer Gesamtbeurteilung setzen. Ich glaube, dass hier die Gewerkschaften und gerade Transnet für die Beschäftigten etwas Gutes getan haben. ({0}) Deswegen kann ich Ihre Kritik an der Stelle nicht teilen. Hinsichtlich der Haftung sage ich: Wir haben schon heute eine volle Haftung für die DB AG. Es ändert sich nicht besonders viel dadurch, dass sich Private daran beteiligen. Ich weiß gar nicht, wie sich der Status quo ändern soll. Schon heute haften wir selbstverständlich für die DB AG und für das Schienenverkehrsnetz. Durch unseren Antrag ändert sich daran gar nichts, Frau Kollegin. ({1}) Zum Fernverkehrsnetz. Ich möchte das Thema anschneiden, weil Herr Daehre es angesprochen hat. Ich glaube, wir haben in Deutschland momentan ein gutes Fernverkehrsnetz, das die Zentren in der Fläche erschließt und gut mit dem Nahverkehrsnetz verknüpft ist. Wir haben momentan einen Fernverkehr, der sich selber trägt und ohne staatliche Zuschüsse betrieben werden kann. Nicht zuletzt deswegen darf Deutschland stolz darauf sein, wie sich der Schienenverkehr in der letzten Zeit entwickelt hat. Aber wir müssen das auch erhalten und weiterentwickeln. Um das zu erreichen, brauchen wir langfristig tragfähige Strukturen. Ab dem 1. Januar 2010 wird auch im Fernverkehr der Wettbewerb freigegeben. Natürlich müssen wir unserem grundgesetzlichen Auftrag nachkommen, sicherzustellen, dass auch im Fernverkehr ausreichend Verkehre zur Verfügung gestellt werden. Darüber wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren. Kollege Hofbauer hat es angesprochen. Das ist ein Thema, mit dem sich diese Koalition weiterhin auseinandersetzen wird; das ist gar keine Frage. Wenn es um die künftige Bahnpolitik geht, liegt mir besonders der Güterverkehr am Herzen, nicht zuletzt deshalb, weil der Güterverkehr zu den am meisten unterschätzten Wirtschaftszweigen gehört. Im gesamten Verkehrsbereich arbeiten in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen. Das sind fast doppelt so viele wie in der gesamten Automobilindustrie. Noch wichtiger ist jedoch die Bedeutung des Güterverkehrs für die übrige Wirtschaft. Je globalisierter unsere Wirtschaftswelt wird und je mehr die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Weltregionen wächst, umso wichtiger wird die Logistik als Bindeglied zwischen Unternehmen bzw. Herstellern und Endkunden. Wir in dieser Koalition - auch wir Sozialdemokraten wollen Deutschland zum Logistikstandort Nummer eins machen; wir wollen es entwickeln. Logistik ist ein Jobmotor in diesem Land. Wir bekennen uns zur Logistik in diesem Land. 2006 fragte die Agentur Ernst & Young internationale Führungskräfte nach den Standortentscheidungskriterien im internationalen Bereich. Am meisten Bedeutung ist dort eindeutig Transport, Logistik und Infrastruktur zugemessen worden. Darum ist alles, was wir dort zur Modernisierung tun, ein Beitrag für ein weiteres stabiles Wirtschaftswachstum in unserem Land. Wir wollen weiterhin bei der Logistik in der Weltspitze mitspielen. Daher müssen wir die Kapazitäten schaffen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass wir neues Geld genau hier investieren können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie alle haben uns kaum zugetraut, dass wir bei dieser schwierigen Thematik zu einem guten Ergebnis kommen. ({2}) Wir haben Sie alle Lügen gestraft. Ich kann Ihre Aufregung ja verstehen, weil Sie das Thema nicht mehr weiter für sich verfolgen können. Aber diese Koalition hat eindeutig gezeigt: Sie ist handlungswillig und handlungsfähig. Vielen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Enak Ferlemann. ({0})

Enak Ferlemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass heute so viele Kolleginnen und Kollegen hierhergekommen sind, um sich mit dem Thema Bahn auseinanderzusetzen. Das ist der Entscheidung, die wir heute treffen, angemessen. ({0}) Dies ist eine der größten Entscheidungen der Verkehrspolitik in dieser Legislaturperiode, vielleicht sogar die größte Entscheidung. Mit der heutigen Entscheidung vollenden wir die Bahnreform. Wir haben uns dafür entschieden, eine Teilprivatisierung der Verkehrsgesellschaften in Form eines Holdingmodells vorzunehmen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass wir nach vielen Diskussionen vieler verschiedener Modelle ein nahezu optimales Modell gefunden haben. Wir teilprivatisieren die Verkehrsgesellschaften und behalten zu 100 Prozent die Infrastruktur als Staatseigentum, eine wesentliche Voraussetzung, um Wettbewerb auf der Schiene zu generieren. ({1}) Die Erlöse werden gedrittelt. Ein Drittel wird für die Entschuldung des Bundes genutzt, um die nachhaltige Finanzpolitik, die die Große Koalition verfolgt, zu unterstützen. Ein Drittel geht in das Eigenkapital der DB AG über, um in dem europäischen Wettbewerb, in den auch unser Unternehmen einsteigen muss, finanzielle Möglichkeiten zu schaffen. Ein Drittel kommt der Infrastruktur zugute, damit hier notwendige Investitionen, vor allem beim Lärmschutz, bei den Bahnhöfen und beim Gleisbau, vorgenommen werden können. Dieses Holdingmodell ist eine konsequente Fortentwicklung der Bahnreform von 1994. Deswegen brauchen wir kein eigenes Gesetz, wie es immer gefordert wird, sondern das ist damals als Gesetz beschlossen worden. Da wir uns in diesem Rahmen bewegen, brauchen wir heute kein Gesetz zu beschließen, sondern es reicht der Entschließungsantrag der Koalition. Ziel der Bahnreform von damals - das gilt auch heute war es, den Bundeshaushalt zu entlasten. Das tun wir heute zumindest dadurch, dass wir die Belastungen für die Zukunft mindern. Vor allem wollen wir mehr Verkehr auf die Schiene bringen, insbesondere durch den Wettbewerb. Genau das generiert dieses Modell. Herr Kollege Kuhn, beim Schienenpersonennahverkehr werden sogar Sie zugeben müssen, dass die Regionalisierung ein Riesenerfolg ist. Man kann in der Bundesrepublik Deutschland überall sehen, dass Privatgesellschaften den Schienenpersonennahverkehr in einer unglaublich hohen Qualität betreiben. Auch die DB hat sich hier wesentlich verbessert. Man kann also sagen: Dieser Teil der Reform ist gelungen. Seit 2007 besteht ein europaweiter Wettbewerb im Güterverkehr. Auch hier steigt der Verkehr dramatisch an, sehr zu unserer Freude, aber zum Leidwesen derjenigen Menschen, die an den Schienenwegen wohnen, weil jetzt Tag und Nacht Güter auf der Schiene transportiert werden und dadurch Lärm entsteht. Trotzdem kann man von einem großen Erfolg des Systems Schiene sprechen. Wir brauchen Investitionen, um das weiter voranzutreiben. Ein anderer Punkt ist der Personenfernverkehr, der ab 2010 für den europaweiten Wettbewerb freigegeben wird. Wir werden viele andere Bahnen auf unserem Netz fahren sehen, sodass wir durch den Wettbewerb auch hier für unsere Kunden ein deutlich höheres Angebot bekommen werden. Wichtig ist - dafür bin ich dem Minister sehr dankbar -, dass er uns die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und den Netzentwicklungs- und Zustandsbericht übersandt hat, sodass wir diese Dinge im Detail noch sehr intensiv besprechen können. Gerade bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wird es darauf ankommen, ein sehr modernes System, mit dem man Infrastrukturmonopole kontrolliert und steuert, zu implementieren, die sogenannte Anreizregulierung. Das ist ein sinnvolles Instrument. Wir werden uns über die Einführung ernsthaft unterhalten müssen. Gleiches gilt für den Beteiligungsvertrag, der die Angelegenheiten zwischen Bund und Steuerzahler auf der einen und der DB AG auf der anderen Seite regelt. Hier liegen in den nächsten Monaten noch lange Diskussionen vor uns. Ich sehe aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind und zu einem guten Ergebnis kommen werden. Das gilt leider nicht für die Personalentscheidungen, die uns in den letzten Tagen, aber auch in den letzten Stunden erreicht haben. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Werner Müller, hat uns beim letzten Mal wissen lassen, dass Norbert Hansen nun Vorstand der Deutschen Bahn AG werden soll. Herr Mehdorn hat dazu gesagt, die Politik habe ihm diese Personalentscheidung aufoktroyiert. Ich kann für meine Fraktion nur sagen: Wir haben davon nichts gewusst und wir haben niemandem etwas aufoktroyiert. Wir sind genauso erstaunt wie viele andere, dass es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Wie sie sich auswirkt, kann man in dem einen oder anderen Blatt lesen. Wir halten es für keine gute Entscheidung. Nun lesen wir, dass wiederum Entscheidungen vorbereitet werden, wer Vorstandsvorsitzender und wer ein weiteres Mitglied des Vorstandes werden soll. Ob das stimmt oder nicht, weiß man nicht genau. Wir jedenfalls sind darüber nicht informiert. Wir unterstützen das auch nicht. Wir glauben, dass es sinnvoll wäre, gemeinsam mit den Koalitionsspitzen über diese Personalentscheidungen zu reden und sie nicht einfach im stillen Kämmerlein zu treffen, um dann auch noch Personen auszuwählen, die wir für nicht geeignet halten. ({2}) Wir haben Vertrauen zu Herrn Mehdorn. Wir haben auch großes Vertrauen zu Herrn Sack. Diese beiden sollen ja die Vorstände beider Gesellschaften für eine Übergangszeit führen. Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung. Never change a winning team! Die DB AG hat eine erfolgreiche Mannschaft, ({3}) und es macht keinen Sinn, jemanden aus dieser Mannschaft auszuwechseln, und das womöglich noch mit politischem Geschmäckle. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden bei den Personalentscheidungen erheblichen Widerstand leisten. Denn wir sind mit ihnen nicht einverstanden und hoffen, dass sie so nicht umgesetzt werden. ({4}) Die heutige Debatte war mit Ausnahme des Beitrags von Herrn Gysi sehr sachlich und kenntnisreich. Herr Gysi hat sich wieder als der gezeigt, der er ist. Er redet über Themen, die er nicht versteht. Das hat man heute wieder einmal deutlich gemerkt. Ich weiß nicht, was Klinikbetriebe mit der Bahnprivatisierung zu tun haben. Das werden Sie, Herr Gysi, an anderer Stelle noch einmal deutlich machen müssen. Ich darf mich für die gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen bedanken. Ich bedaure sehr, dass die FDP unserem Antrag nicht zustimmt. Denn eigentlich ist sie im Grundsatz unserer Auffassung; ({5}) das ist ähnlich wie bei den Grünen. Natürlich kann man über Details unterschiedlicher Auffassung sein; das ist nun einmal so. Aber die Richtung, in die wir gehen, stimmt. Dass wir noch weitere Schritte machen müssen, ist klar. Das wollen wir auch tun. Wir wollen nicht bei 24,9 Prozent stehenbleiben. Wir wollen mehr Anteile der Verkehrsgesellschaften privatisieren, weil das einen größeren Ertrag bringt, den wir dann für die Weiterentwicklung der Infrastruktur zur Verfügung stellen können. Grüne und FDP haben zu diesem Thema eine sehr ähnliche Einstellung wie die Union. Deswegen bedaure ich, dass sie unserem Antrag heute aus unterschiedlichen Gründen nicht zustimmen wollen. Das wird sich in Zukunft sicherlich noch ändern. Ich freue mich, dass wir das Vorhaben des Antrags von 1994 heute vollenden können. Ich hoffe, dass wir im Sinne einer guten Zukunft der Bahn die richtige Entscheidung treffen. Ich kann Sie nur herzlich bitten: Stimmen Sie dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 16/9362. Zuvor möchte ich noch bekanntgeben, dass Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen, und zwar von den Kolleginnen und Kollegen Christine Lambrecht, Michael Roth ({0}), Peter Friedrich, Klaus Barthel, Renate Gradistanac, Angelika Graf ({1}), Gabriele Hiller-Ohm, Christian Kleiminger, Dr. Bärbel Kofler, Lothar Mark, Hilde Mattheis, Ottmar Schreiner, Andreas Steppuhn, Rüdiger Veit, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Axel Berg, Steffen Reiche ({2}), Maik Reichel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Hartmann ({3}), Jörg Tauss, Elvira Drobrinski-Weiß, Dr. Hermann Scheer, Elke Ferner, Dr. Marlies Volkmer, Gabriele Frechen, Jürgen Kucharczyk, Frank Schwabe, Dirk Manzewski, Rolf Kramer, Klaus Hagemann, Gert Weisskirchen ({4}), Johannes Jung ({5}), Iris Hoffmann ({6}), Wolfgang Spanier, Simone Violka, Dr. Reinhold Hemker, Klaus Uwe Benneter und Dr. Peter Danckert.1) ({7}) Möglicherweise sind das noch nicht alle. Das sind aber alle, die uns im Moment bekannt sind. Wir werden jetzt zunächst zwei namentliche Abstim- mungen hintereinander durchführen. Außerdem weise ich darauf hin, dass im Anschluss weitere Abstimmun- gen zu diesem Tagesordnungspunkt und Wahlen zu Gre- mien durchgeführt werden müssen. Bei einer Wahl ist die Mehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich. Deswegen bitte ich Sie, den Saal nach den namentlichen Abstimmungen zur Bahnreform noch nicht zu verlassen. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss- empfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/9070 mit dem Titel „Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die Bahn- reform weiterentwickeln“. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verlangen namentliche Ab- stimmung. Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftfüh- rer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen be- setzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Dann ist die Abstimmung ge- schlossen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift- führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.2) Wir kommen jetzt zur zweiten namentlichen Abstim- mung. Unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9071 mit dem Titel „Zukunft des Schienenverkehrs sichern“. Wir stimmen über die Beschlussempfehlung ab. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt hierzu ebenfalls eine namentliche Abstimmung. Ich bitte jetzt die Schriftfüh- rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein- zunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint mir nicht mehr der Fall zu sein. Dann schließe ich die Ab- stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift- führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis werden wir Ihnen später bekannt geben.3) Bitte bleiben Sie für die weiteren Abstimmungen und insbesondere für die nachfolgenden Wahlen noch im Saal. 1) Anlagen 3 bis 8 2) Ergebnis siehe Seite 17362 C 3) Ergebnis siehe Seite 17364 D Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Noch Tagesordnungspunkt 29 a. Wir setzen jetzt die Abstimmungen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 16/9362 fort. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/8774 mit dem Titel „Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8046 mit dem Titel „Keine Bahnprivatisierung am Parlament vorbei“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalition und der Linken gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Tagesordnungspunkt 29 b. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Schieneninfrastruktur ist öffentliche Aufgabe - Moratorium für die Privatisierung der Deutsche Bahn AG“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6813, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5270 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition. Zusatzpunkt 7. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9306 mit dem Titel „Zukunft der Bahn für die Menschen sichern - Bahnprivatisierung stoppen“. ({8}) - Wir müssen das kurz klären. Es liegt möglicherweise ein Fehler vor. ({9}) Es handelt sich um einen Fehler. Es geht um den An- trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/9306 mit dem Titel „Zukunft der Bahn für die Menschen sichern - Bahnprivatisierung stoppen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dage- gen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag bei Zustim- mung der Fraktion Die Linke, bei Gegenstimmen der Koalition und der FDP-Fraktion sowie bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen nun zu den Zusatzpunkten 8 a bis f, Wahlen zu Gremien: a) Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN Wahl von Mitgliedern in den Stiftungsrat der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dikta- tur“ - Drucksache 16/9352 - Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Wahlvor- schlag einstimmig angenommen. b) Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl eines Mitglieds des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes - Drucksache 16/9353 - Zu dieser Wahl ist laut Gesetz die Mehrheit der Mit- glieder des Hauses erforderlich. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Wahlvorschlag ist mit der erforderlichen Mehrheit und einstimmig ange- nommen. c) Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl eines vom Deutschen Bundestag zu ent- sendenden Mitglieds der gemeinsamen Kom- mission zur Modernisierung der Bund-Län- der-Finanzbeziehungen - Drucksache 16/9354 - Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist einstim- mig angenommen. d) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der Deutschen Nationalbibliothek gemäß § 6 Abs. 1 Nummer 1 des Gesetzes über die Deut- sche Nationalbibliothek - Drucksache 16/9355 - Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Auch dieser Wahlvorschlag ist einstimmig angenommen. e) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der Filmförderungsanstalt gemäß § 6 des Filmförderungsgesetzes ({10}) - Drucksache 16/9356 - Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. f) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU Wahl eines Mitglieds des Stiftungsrates der „Deutschen Stiftung Friedensforschung ({11})“ - Drucksache 16/9357 - Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Dieser Wahlvorschlag ist bei Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Zustimmung des Hauses angenommen, wobei sich die Fraktion Die Linke enthalten hat. Wie interfraktionell vereinbart, kommen wir zu Tagesordnungspunkt 28 - zurück, soweit dieser in der gestrigen Sitzung noch nicht erledigt worden ist: Ände- rung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Vor- schlag der EU-Kommission für den Emissionshandel nach 2012 überarbeiten - Klima schützen, Stromver- braucher entlasten, Wettbewerb stärken“ sowie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla- ments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/ 87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU- Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszerti- fikaten. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 16/9334 die Ablehnung des An- trags der FDP auf Drucksache 16/8075. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- haltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustim- mung des Hauses - bis auf die FDP-Fraktion, die dage- gengestimmt hat - angenommen. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung eine Ent- schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss- empfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich weiß jetzt nicht, wie sich die Linke verhalten hat. Ich muss die Abstimmung wiederholen. Wer stimmt für diese Entschließung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Da- mit ist die Entschließung mit den Stimmen der Koalition und der Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenom- men.1) Ich gebe jetzt die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekannt. Zunächst zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem Titel „Zukunft der Bahn, Bahn der Zu- kunft - Die Bahnreform weiterentwickeln“. Abgegeben wurden 516 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 355, mit Nein haben gestimmt 158. Es gab 3 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. 1) Anlage 2 Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 516; davon ja: 355 nein: 158 enthalten: 3 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({12}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({13}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({14}) Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({15}) Dirk Fischer ({16}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({17}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({18}) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({19}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({20}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({21}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Patricia Lips Dr. Michael Luther Stephan Mayer ({22}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({23}) Maria Michalk Philipp Mißfelder Marlene Mortler Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Stefan Müller ({24}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Daniela Raab Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({25}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({26}) Anita Schäfer ({27}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Norbert Schindler Georg Schirmbeck Andreas Schmidt ({28}) Ingo Schmitt ({29}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Thomas Strobl ({30}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({31}) Gerald Weiß ({32}) Ingo Wellenreuther Willy Wimmer ({33}) Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Gregor Amann Ernst Bahr ({34}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({35}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({36}) Dr. Michael Bürsch Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Dieter Grasedieck Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({37}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Stephan Hilsberg Gerd Höfer Iris Hoffmann ({38}) Frank Hofmann ({39}) Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({40}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christian Lange ({41}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Caren Marks Katja Mast Markus Meckel Ulrike Merten Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({42}) Michael Müller ({43}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Steffen Reiche ({44}) Maik Reichel Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({45}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({46}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({47}) Bernd Scheelen Marianne Schieder Ulla Schmidt ({48}) Silvia Schmidt ({49}) Carsten Schneider ({50}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Waltraud Wolff ({51}) Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein SPD Dr. Lale Akgün Niels Annen Klaus Barthel Ulla Burchardt Renate Gradistanac Angelika Graf ({52}) Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Gabriele Hiller-Ohm Christian Kleiminger Dr. Bärbel Kofler Lothar Mark Hilde Mattheis Petra Merkel ({53}) Mechthild Rawert Gerold Reichenbach René Röspel Heinz Schmitt ({54}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({55}) Ewald Schurer Andreas Steppuhn Rüdiger Veit Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Gert Weisskirchen ({56}) Dr. Margrit Wetzel Dr. Wolfgang Wodarg FDP Christian Ahrendt Daniel Bahr ({57}) Uwe Barth Ernst Burgbacher Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({58}) Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({59}) Heinz-Peter Haustein Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Ina Lenke Michael Link ({60}) Patrick Meinhardt Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto ({61}) Detlef Parr Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Florian Toncar Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Wolfgang Gehrcke Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kornelia Möller Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({62}) Volker Schneider ({63}) Dr. Herbert Schui Dr. Petra Sitte Frank Spieth Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({64}) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Peter Hettlich Priska Hinz ({65}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({66}) Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({67}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Grietje Staffelt Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler fraktionslose Gert Winkelmeier Enthalten CDU/CSU Carsten Müller ({68}) SPD Christine Lambrecht Michael Roth ({69}) Zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth, Nicole Maisch und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Zukunft des Schienenverkehrs sichern“. Abgegeben wurden 515 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 433, mit Nein haben gestimmt 46. Enthaltungen gab es 36. Damit ist diese Beschlussempfehlung ebenfalls angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 515; davon ja: 433 nein: 46 enthalten: 36 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({70}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({71}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Dr. Stephan Eisel Anke Eymer ({72}) Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({73}) Dirk Fischer ({74}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({75}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Gerda Hasselfeldt Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({76}) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({77}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({78}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({79}) Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Patricia Lips Dr. Michael Luther Stephan Mayer ({80}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({81}) Maria Michalk Philipp Mißfelder Marlene Mortler Carsten Müller ({82}) Stefan Müller ({83}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Daniela Raab Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({84}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({85}) Anita Schäfer ({86}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Norbert Schindler Georg Schirmbeck Andreas Schmidt ({87}) Ingo Schmitt ({88}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Thomas Strobl ({89}) Lena Strothmann Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({90}) Gerald Weiß ({91}) Ingo Wellenreuther Willy Wimmer ({92}) Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Niels Annen Ernst Bahr ({93}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({94}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({95}) Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Renate Gradistanac Angelika Graf ({96}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({97}) Hubertus Heil Dr. Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Iris Hoffmann ({98}) Frank Hofmann ({99}) Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({100}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({101}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({102}) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Ulrike Merten Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({103}) Michael Müller ({104}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({105}) Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({106}) Michael Roth ({107}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({108}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({109}) Bernd Scheelen Marianne Schieder Ulla Schmidt ({110}) Silvia Schmidt ({111}) Heinz Schmitt ({112}) Carsten Schneider ({113}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({114}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Dieter Steinecke Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({115}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff ({116}) Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Wolfgang Gehrcke Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kornelia Möller Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({117}) Volker Schneider ({118}) Dr. Herbert Schui Dr. Petra Sitte Frank Spieth Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann fraktionslose Gert Winkelmeier Nein BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({119}) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Peter Hettlich Priska Hinz ({120}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({121}) Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({122}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Grietje Staffelt Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Enthalten FDP Christian Ahrendt Daniel Bahr ({123}) Uwe Barth Ernst Burgbacher Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({124}) Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({125}) Heinz-Peter Haustein Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Michael Link ({126}) Patrick Meinhardt Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto ({127}) Detlef Parr Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Marina Schuster Florian Toncar Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 e auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ambitionierte europäische Emissionsnormen für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr - Drucksache 16/9105 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({128}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen - Drucksache 16/8538 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({129}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorbildfunktion der Politik für Klimaschutz ernst nehmen - Für eine nachhaltige Senkung verkehrsbedingter CO2-Emissionen des Deutschen Bundestages - Drucksache 16/9009 Überweisungsvorschlag: Ältestenrat ({130}) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wirksame Begrenzung des CO2-Ausstoßes neuer Personenkraftwagen - Drucksache 16/9307 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({131}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({132}) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr ergreifen - Drucksachen 16/5967, 16/9119 Berichterstattung: Abgeordneter Christian Carstensen Es ist verabredet, hierüber eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Winfried Hermann für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klimaschutz im Verkehr - das ist das Thema, über das wir heute sprechen - scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Man fragt sich daher: Warum müssen wir heute über vier Anträge der Grünen und einen Antrag der Linken sprechen? Die Antwort ist einfach: Wir glauben, dass die Bundesregierung das Thema Klimaschutz im Verkehr bisher nicht ernst nimmt. ({0}) Klimaschutz im Verkehr wurde lange nicht ernst genommen, übrigens nicht nur in den Parlamenten, sondern auch von der Gesellschaft. In kaum einem Bereich, der so viel zum Klimaschaden beiträgt, ist so wenig getan worden. Yvo de Boer hat auf dem Weltverkehrsforum in Leipzig, das Verkehrsminister Tiefensee vorgestern eröffnet hat - 50 Verkehrsminister treffen sich, um über die Zukunft der Mobilität zu sprechen -, in aller Klarheit gesagt: Der Zustand der Verkehrspolitik in Sachen Klimaschutz ist beklagenswert unzureichend. ({1}) - Liebe Freundinnen und Freunde der Grünen, unser Thema ist dran. Ich würde euch bitten, dass ihr zuhört. Danke schön! ({2}) Neuerdings hören wir große Reden, gerade von Minister Tiefensee. Er hat zum Weltverkehrsforum gesagt - man muss ihn wörtlich zitieren -: Klimawandel, steigende Ölpreise und knappe Energieressourcen verpflichten uns zum Handeln. Wir brauchen weltweit verbindliche Klimaziele etwa im Bereich der Luftverkehrs- und PkwEmmissionen. O-Ton Tiefensee! Man muss fragen: Was treibt einen Minister, auf einem internationalen Kongress solche Reden zu halten? Was tut er hierzulande? ({3}) Ist ein Minister - bzw. ein Ministerium - glaubwürdig, der auf einem internationalen Kongress so etwas fordert und zu Hause so wenig tut? Man hat den Eindruck, dass das Verkehrsforum in Leipzig eine Art Heiligendamm ohne Strandkorb für Herrn Tiefensee werden soll. Der Weltöffentlichkeit soll dargelegt werden: Wir tun etwas. Wir sind vorneweg. Wir wollen Klimaschutz nicht nur bei uns, sondern weltweit. Nebenbei bemerkt: Klimaschutz bei uns betreiben wir erst, wenn die Welt mitmacht. - Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Man ist doch nicht glaubwürdig, wenn man vor 50 Verkehrsministern sagt: Wir brauchen kein Tempolimit. Schließlich haben alle anderen Länder ein Tempolimit. Man ist auch nicht besonders glaubwürdig gegenüber den Kollegen aus der Europäischen Union, wenn man sagt: Wir brauchen ambitionierte Grenzwerte. Schließlich wissen alle, dass alle deutschen Minister einschließlich der Kanzlerin auf europäischer Ebene ständig im Auftrag der deutschen Automobilindustrie unterwegs sind gegen scharfe Grenzwerte. ({4}) Das macht deutsche Politik nicht glaubwürdig. So kommen wir beim Klimaschutz nicht voran. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Hermann, entschuldigen Sie bitte einen Augenblick. Die Abgeordneten wissen, dass mit dem Handy im Plenum nicht telefoniert werden darf.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Kollege Hofreiter ist heute besonders gefragt und wichtig. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Genau, ich meine den Kollegen Hofreiter. - Vielen Dank. Setzen Sie bitte Ihre Rede fort, Herr Hermann.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nicht nur Herr Tiefensee, sondern auch die Kanzlerin hat sich in diesem Jahr mehrfach in Sachen Klimaschutz und Verkehr geäußert, zum Beispiel in einer Verkehrszeitung: Unser Ziel ist klar: Wir wollen die CO2-Emissionen … bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Auch der Verkehrsbereich muss dazu einen Beitrag leisten. … Wir wollen mit Anreizen und intelligenten technischen Lösungen erreichen, dass Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß von Fahrzeugen sinken. O-Ton Frau Merkel! Dazu kann man nur sagen: ein schönes Ziel, wie immer bei solchen Reden. Man fragt sich aber, warum nichts zustande kommt. In der Bundesregierung blockiert ein Ministerium das andere, und die Kanzlerin greift nicht durch. Die Bundesregierung hatte im letzten Jahr die Chance, auf europäischer Ebene vieles nach vorne zu bringen. Die EU-Kommission hat eine ganze Reihe von Anliegen, die heute in Deutschland als sehr wichtig angesehen werden, auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung hätte während ihrer halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft wirklich diese Vorhaben vorantreiben können. Bei den Emissionsgrenzwerten für Pkw wurde nichts vorangebracht. Über eine steuerliche Förderung von sogenannten sauberen Pkw reden wir noch heute. Eine Regelung über eine Kennzeichnung zur besseren Information der Verbraucher steht noch aus. In der gesamten Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wurde nicht das Ziel verfolgt, den Klimaschutz im Verkehrsbereich voranzubringen. Man hatte eher den Eindruck, dass die Bundesregierung auf der Bremse steht, und zwar dort, wo die Europäische Union eigentlich viel weiter ist. ({0}) Im letzten Jahr, als der Weltklimarat sehr deutlich gemacht hat, wie weit der Klimawandel fortgeschritten ist und wie zwingend notwendig es ist, zu handeln, hat die Bundesregierung unter dem Druck der Öffentlichkeit gesagt: Wir schnüren ein Paket. Das war die Wundertüte von Meseberg. Was sieht dieses Paket vor? Die Aufzählung der Maßnahmen ist beeindruckend. Aber es handelt sich nicht um eine Strategie, sondern um ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen: Reduktion der CO2-Emissionen, Ausbau der Biokraftstoffe, Umstellung der KfzSteuer auf CO2-Bezug, Verbrauchskennzeichnung. Das alles kennen wir schon. Man war gespannt, wie aus diesem Katalog von Meseberg Politik wird. Hierzu muss man frei nach Yvo de Boer auf dem Kongress von vor zwei Tagen sagen: An kaum einer Stelle klaffen Anspruch und Wirklichkeit der Politik in Deutschland so weit auseinander wie in der Verkehrspolitik. Auf der einen Seite werden schöne Reden über den Klimaschutz gehalten und schöne Programme aufgelegt. Auf der anderen Seite geschieht praktisch nichts. Ich werde das an einigen Beispielen belegen. CO2-Grenzwert. Noch immer wird auf europäischer Ebene gestritten, ob der CO2-Grenzwert bei 130, 125 oder 120 Gramm pro Kilometer liegen und ob er 2012 oder 2015 gelten soll. Und wer sorgt hier immer für Veränderungen und Verschiebungen, zusammen mit der deutschen Automobilindustrie? Es ist die Bundesregierung, es sind die einzelnen Minister. Man steht auf der Bremse, weil man Klimaschutz mit Lobbyarbeit für die deutsche Automobilindustrie verwechselt. So kann kein vernünftiger Kompromiss zustande kommen. Nun warten wir gespannt. Wir haben gehört, Frau Merkel will sich mit Herrn Präsident Sarkozy im Juni im stillen Kämmerlein von Straubing treffen und die letzten Absprachen in Sachen Verbrauchsobergrenze treffen. ({1}) - Das ist zwar eine schöne Gegend; aber ich bin gespannt, ob das eine Lösung für Europa bringt oder ob das nicht eher eine Kungelei zwischen deutscher und französischer Automobilindustrie sein wird. Nehmen wir das Beispiel Biokraftstoffe. Sie haben in Ihrer Strategie darauf hingewiesen, dass das ein zentraler Punkt ist. Damit wollen Sie mindestens 5 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer einsparen. Nun wissen wir: Diese Kraftstoffstrategie ist, so ambitioniert sie war, mindestens zur Hälfte kläglich gescheitert. Nehmen wir die CO2-basierte Kfz-Steuer. Alle haben gesagt, eine solche Steuer sei gut. Ich weiß nicht, wie oft ich Herrn Minister Tiefensee auf verschiedenen Veranstaltungen gehört habe, wo er sagte, ein zentrales Element der Klimaschutzpolitik im Verkehrssektor sei die neue Kfz-Steuer auf CO2-Basis; sie werde verkehrslenkend wirken. Heute wissen wir, dass die Regierung nicht in der Lage ist, ein Konzept vorzulegen, das von dieser Regierung auch nur halbwegs getragen wird. Man muss sogar befürchten, dass es gar keine Kfz-Steuerreform gibt. Als Opposition könnte man sich darüber freuen; aber unter Klimaschutzgesichtspunkten ist das eine Katastrophe. Das war Ihr zentrales Lenkungsinstrument, das nun nicht zustande kommt. Man muss sich einmal überlegen, worüber Sie gestritten haben. Zunächst haben Sie eine Vorlage gemacht, die nicht wirklich gravierend gewirkt hätte. Aber schon bei den ersten Aufschreien, dieses oder jenes Modell werde dadurch zu sehr belastet, haben Sie einen Rückzieher gemacht. Ein Klimaschutz, der niemandem wehtun will, der es allen recht machen will - den spritfressenden, teuren neuen Fahrzeugen genauso wie den Altfahrzeugen -, kann jedoch nicht funktionieren. Das ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern im Grunde genommen eher ein Weg zurück. Eine Kfz-Steuer muss doch Anreize setzen, damit Leute neue, energieeffiziente Fahrzeuge kaufen, die Sprit sparen. ({2}) Ringen Sie sich doch wenigstens dazu durch! Wenn Sie schon bei den Altfahrzeugen Probleme haben, dann fördern Sie wenigstens massiv die spritsparenden Fahrzeuge! Das wäre ein Anschub. Bestrafen Sie diejenigen, die viel zu viel Sprit verbrauchen, statt das immer noch steuerlich zu begünstigen! Nehmen wir die Verbrauchskennzeichnung. Der Minister hat gesagt, es sei wichtig, dass die Verbraucher mitwirken und mitreden können; sie müssten informiert sein. Dafür bräuchten sie die Kennzeichnung. Jetzt ist die Kennzeichnung vom Tisch. Nehmen wir das Dienstwagenprivileg. Aus meiner Sicht ist es Sozialpolitik de luxe, dass teure Mittel- und Oberklassewagen, die übrigens zu 70 bis 80 Prozent inzwischen als Dienstwagen gefahren werden, steuerlich im Verbrauch wie bei der Anschaffung gefördert werden und deswegen überleben können. Das ist doch eher Artenschutz für Cayenne, Cayman, Touareg und wie sie alle heißen, aber es ist keine Klimaschutzpolitik. Das ist eigentlich eine Katastrophe. ({3}) Mich wundert, dass die SPD sich nicht wenigstens an dieser Stelle erinnert, woher sie kommt. Meine Damen und Herren, Klimaschutz kann nicht länger nur auf Reden vertrauen. Wir brauchen endlich ein klares Handlungskonzept, das zum einen in viele politische Felder hineinreichen und zum anderen an die Verbraucher appellieren muss. Es muss Anreize für die Verbraucher geben, damit sie ihr Verhalten ändern. Pachauri, der Chef des Weltklimarates, hat zum Beispiel unlängst gesagt, wir müssten endlich aufhören, den Individualverkehr politisch zu fördern, und mehr den öffentlichen, klimafreundlichen Verkehr fördern. Wir müssten aufhören, immer größere Autos zu fördern, und es wäre auch nicht schlecht, wenn wir ab und zu - das könnte fast von mir sein - ein bisschen mehr Fahrrad fahren und öfter laufen würden. ({4}) Herr Pachauri hat recht; ich kann ihn nur unterstützen. Herr Tiefensee hat übrigens unlängst auf dem schon genannten Kongress gesagt, im Verkehr sei es in Sachen Klimawandel nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Wir Grünen haben eine klare Vorstellung, wie es weitergehen soll, was mindestens getan werden muss, wenn man in dem Bereich überhaupt etwas erreichen will. Klare CO2-Grenzwerte sind nötig, und zwar nicht nur bis 2012, sondern bis 2020. Wir brauchen eine deutliche Absenkung des CO2-Ausstoßes auf 120 Gramm und dann auf 80 Gramm. Ein Tempolimit ist die preiswerteste und einfachste Lösung, die Sie weiterhin verweigern, weil das angeblich zu wenig bringt. Dabei bringt das wirklich etwas. Wir brauchen eine Steuerreform, die wenigstens die Spritschlucker bestraft, und wir brauchen eine Förderung von neuen Fahrzeugen, die sparsam und innovativ sind. Auch das wäre ein klares Signal. Endlich muss das Dienstwagenprivileg abgeschafft werden. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. Klimaschutz im Verkehr verlangt nicht nur ein Sammelsurium von Vorschlägen, sondern eine klare Strategie mit ambitionierten Zielen und Zeitvorgaben. Er erfordert aber auch Mut und Wille zur Durchsetzung und ein bisschen politische Courage. Man muss den Leuten auch sagen, dass es nicht so wie bisher weitergehen kann, dass es Umstellungen und gewisse Einschränkungen geben muss. Nur so kann Klimaschutz gelingen. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Jens Koeppen hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jens Koeppen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003789, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich kann natürlich bei den vielen Anträgen nicht ins Detail gehen und will mich heute bei meinen Ausführungen auf eine Frage konzentrieren, und zwar auf die Frage, wie eigentlich eine nachhaltige Klimapolitik unter dem Gesichtspunkt aussieht, dass wir Nachhaltigkeit wörtlich nehmen. Sie, Herr Hermann, wissen, dass „nachhaltig“ bedeutet: ökologisch, ökonomisch und sozial. Ich habe bei Ihren Anträgen den Eindruck, wenn man diese Säulen gleichzeitig und auch gleichberechtigt betrachtet, dass Sie zwei Säulen vergessen haben, nämlich einmal die wirtschaftliche und einmal die soziale. Sie haben außer Acht gelassen, dass das auch für die CO2-bezogene Kfz-Steuer gelten muss. Wenn wir diese unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betrachten, dann bedeutet das zum Ersten - da sind wir uns einig -, dass wir im Sinne der Ökologie den Ausstoß von Treibhausgasen und Schadstoffen in die Atmosphäre minimieren wollen. Dann kommen die zwei anderen Säulen. Wir wollen unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen erhalten, den Wirtschaftsstandort Deutschland ausbauen und die Arbeitsplätze erhalten. Dann kommen wir zur dritten Säule, dem Sozialen. Wir wollen massive finanzielle Belastungen unserer Bürgerinnen und Bürger vermeiden bzw. ihre Belastungen erträglich gestalten. ({0}) Diese Form der Nachhaltigkeit ist gerade in der Umweltpolitik eine spannende Aufgabe. Sie haben auch gesagt, dass das die meisten Spannungen birgt. Das ist völlig klar. Aber die vielfältigen Diskussionen in der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten haben gezeigt, dass die Umweltpolitik offenbar an Akzeptanz verliert. Woran liegt das? Das liegt natürlich nicht daran, dass die Menschen eine grundsätzlich positive Einstellung zum Umweltschutz nicht haben, und das liegt auch nicht daran, dass sie nicht wissen, dass Klimaschutz und Umweltschutz notwendiger sind denn je. Aber sie sind es leid, nur noch zu hören, was alles nicht mehr geht, sie sind es leid, zu hören, dass sie immer mehr belastet werden müssen und dass es immer mehr Dinge gibt, die sie nicht mehr tun dürfen. ({1}) - Herr Heilmann, Umweltpolitik wird einseitig, wenn sie nur aus Verboten, aus Gängelei, aus Gebühren oder aus sonstigen Strafzahlungen besteht. ({2}) Wir wollen umschalten, was Sie nicht gemacht haben. Auch Ihr Antrag ist völlig daneben. Wir wollen Anreize schaffen, statt immer neue Verbote und neue Sanktionen zu errichten. ({3}) Wenn wir so weitermachen, verkommen wir zu einer Verbotsgesellschaft - die müssten Sie kennen -, die es nicht vermag, die Menschen mitzunehmen, sie aufzuklären und für den Umwelt- und den Naturschutz zu begeistern. Das gilt gerade im Fokus der vier Anträge, die Sie, Herr Hermann, eingebracht haben und die wir heute beraten. Sie gehören leider wieder in die Rubrik „Aktionismus, Verteufelung und Schwarz-Weiß-Malerei“. ({4}) - Herr Hettlich, Sie meinen es ja gut; das nehme ich Ihnen völlig ab. Aber Sie kommen aus dieser Nein-dankeMentalität nicht heraus. - Sie führen diese Tradition fort und propagieren unter dem Deckmantel des Klimaschutzes immer den Verzicht, ohne Antworten zu geben oder Alternativen aufzuzeigen. Sie haben mit „Atomkraft? Nein danke“ angefangen. Sie sagen den Leuten heute, dass wir die Atomkraft nicht brauchen und dass wir eine Käseglocke über Deutschland stülpen sollen. Gleichzeitig beschwindeln Sie die deutsche Bevölkerung; denn Sie kaufen Atomstrom aus Frankreich und aus Tschechien und sagen: Wir sind sauber. - So sieht kein Umweltschutz aus. So können wir das nicht machen. ({5}) - Es geht gleich los. Sie sagen auch, wenn wir schon einmal dabei sind: „Kohle? Nein danke.“ - Auch das tun Sie, ohne Antworten zu geben und Alternativen aufzuzeigen. Sie sagen nichts zum Energiemix, zur Grundlast, zur Verfügbarkeit, zur Unabhängigkeit oder zu den Energiekosten, etwa bei den neuen Kraftwerken, die Sie nicht wollen. Sie nehmen hin, dass der Schadstoffausstoß der alten Kraftwerke um ein Vielfaches höher ist. Diese Nein-danke-Mentalität setzt sich fort. Hinzu kommen immer mehr Fälle, in denen man „Nein danke!“ sagt: Autobahnen, Flughäfen, Wasserstraßen, Gentechnik, Fleischkonsum, Biokraftstoffe, Urlaubsreisen in fremde Länder. Sie sagen den Leuten nicht, was geht; Sie sagen nur, was nicht gehen soll. Das ist nicht richtig. Ihr „Nein danke!“ beim Thema Autos gilt vor allen Dingen für große Autos. Die Premiumklasse ist für Sie die Inkarnation, die „Blechwerdung“ des Bösen. ({6}) Sie machen eine einseitige Umweltpolitik, die an den Menschen vorbeigeht. Das führt zu Unmut, zu Verdrossenheit in Sachen Umweltbewusstsein. Ich kann Ihnen sagen: In der Großen Koalition bleibt die Umweltpolitik das Schwerpunktthema. Da brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen. Unsere Betrachtungsweise ist aber nicht nur national, sondern auch europaweit und international. Wir müssen das Ganze global und ganzheitlich betrachten; sonst funktioniert das nämlich nicht. ({7}) Wenn bei der Behandlung eines Themas wie CO2-bezogene Kfz-Steuer Nachhaltigkeit eine zu geringe Rolle spielt, wenn also ökologische, ökonomische und soziale Aspekte nicht ausreichend zur Geltung kommen, dann müssen wir nachbessern. Das ist unsere Aufgabe. Das sehen unsere Abgeordneten vielleicht anders als Sie. Wir müssen dem Ministerium nicht unbedingt hinterherrennen. Vielmehr sagen wir, wie es besser gemacht werden soll. Wir haben dabei die Menschen in Deutschland im Fokus. Diese Einstellung wollen wir beibehalten. ({8}) Weder Aktionismus noch Schnellschüsse helfen uns weiter; deswegen machen wir das ordentlich. Ich möchte einen kleinen Schwenk zu den Umweltzonen machen. Bei der Behandlung des Themas KfzSteuer habe ich ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt. Stichwort „Umweltzone“: Eine gute Maßnahme verkommt zu einem bürokratischen und finanziellen Monstrum; gut gedacht, schlecht umgesetzt - von den Ländern übrigens. Das wollen wir bei der Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Bezug verhindern. Ein Beispiel in Bezug auf die Umweltzone - was die Busse angeht, ist alles gesagt -: Ein Handwerksmeister, der sich vor drei Jahren ein Auto gekauft hat, darf nicht in die Umweltzone fahren. Eine Ausnahmegenehmigung wird ihm erteilt, wenn er klarstellt, dass sein Auto nicht nachrüstbar ist. Dann muss er sehr viel Geld zahlen. Dieser Vorgang ist sehr bürokratisch. Was ist, wenn dieser Handwerker in ein anderes Bundesland fahren möchte, um dort zu arbeiten? Was die Senatsverwaltung Berlin macht, ist Perversion - ich beziehe mich insbesondere auf die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz der Linken -; dort sagt man: Unternehmen, die nicht in die Umweltzone dürfen, sollen sich außerhalb der Umweltzone Aufträge besorgen. Das ist keine Umweltpolitik; das provoziert nur den Zorn der Menschen. Das kann so nicht funktionieren. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, haben nie ein Unternehmen von innen gesehen. Das muss sich irgendwann einmal ändern. ({9}) Ich komme zurück zur CO2-bezogenen Kfz-Steuer. Wir sind an diesem Thema dran. Herr Hermann, Ihre Vorschläge sind bezüglich Zeitschiene, Begrenzung und Schärfe der Sanktionen nicht vermittelbar. Auch wenn Sie wenige Techniker in Ihren Reihen haben, versuchen Sie wiederholt, die Physik auszutricksen; aber Sie können die Physik nicht austricksen. Eine Begrenzung auf 80 Gramm CO2 pro Kilometer für ein mittelgroßes Auto funktioniert zurzeit eben nicht. ({10}) Deswegen brauchen wir eine andere Zeitschiene. Auch die Vorschläge der Kommission zur Wettbewerbsfähigkeit, zur Kosteneffizienz und zum Verursacherprinzip sind viel zu scharf; das wissen Sie. Wir haben gesagt: Wir sollten alle drei Säulen betrachten. Wenn man das nicht tut, funktioniert das Ganze nicht. ({11}) Wir müssen alle Fahrzeuge an der Festlegung der Reduktionsziele angemessen beteiligen; ein Berufs- und Herstellerverbot wird mit uns nicht funktionieren. Auch sehen wir die Notwendigkeit, dass schwere Fahrzeuge einen größeren Beitrag leisten; das ist völlig klar. Die Mehrzahl der Fahrzeuge in Europa sind kleine Fahrzeuge. Wenn deren CO2-Ausstoß verpflichtend um 5 Gramm oder 10 Gramm gesenkt würde, hätte das aufgrund des viel höheren Reduktionspotenzials eine viel stärkere Wirkung als eine Beschränkung des CO2-Ausstoßes der großen Fahrzeuge. Das Allerwichtigste ist: Wir müssen möglichst viele Anreize für Innovationen schaffen. Nach dem jetzigen Vorschlag der Kommission fällt eine Reihe von Investitionen völlig unter den Tisch. Hier fordern wir - wie überall im Umweltschutz - Technologieoffenheit. Das ist das A und O. Wir brauchen dringend auch Eco-Innovations, zum Beispiel: energieeffiziente Leuchten - sie sind momentan viel teurer als normale Leuchten -, Solardächer, Sechsganggetriebe, Verbrauchsanzeigen und Abwärmewandlung. Auch auf die Altfahrzeuge müssen wir zu sprechen kommen. Wir können doch nicht sagen: Alle Altfahrzeuge fallen unter die neue Regelung. Sie werden wesentlich stärker belastet. Die Menschen haben vor fünf Jahren noch geglaubt, dass sie sich ein umweltfreundliches Auto kaufen, und jetzt bestrafen wir sie. Das kann nicht funktionieren. Wir müssen darüber reden, wie wir die alten Autos mit einer Frist und Anreizen, neue Autos zu kaufen, aus dem Markt wachsen lassen können. Die von den Ländern immer wieder geforderte Aufkommensneutralität bringt uns doch in die Bredouille. Lassen Sie uns lieber darüber reden, wie wir Altfahrzeuge und Neufahrzeuge unter einen Hut bringen können, und lassen Sie uns eine ordentliche CO2-bezogene KfzSteuer einführen! Sie wird kommen, aber wir wollen sie solide gestalten. ({12}) Mein Fazit zu den Anträgen lautet: Wir sollten uns in der Umweltpolitik Ziele setzen. Das haben wir getan. Dabei haben Sie, die Grünen, mitgeholfen. Sie treiben die Debatte voran. Das ist Ihre Aufgabe, das ist in Ordnung. Wir müssen aber ordnungspolitisch saubere Marktanreize schaffen und flexibel sein. Vor allen Dingen müssen wir den Fachleuten und Technikern die Umsetzung überlassen. Wir müssen lediglich Anreize schaffen. ({13}) - Herr Hermann, wir haben doch nichts davon, wenn wir Bestrafungsorgien abhalten. Wir müssen Innovationen fördern, statt zu sanktionieren. Das ist das A und O. Lassen Sie uns das auch entsprechend in Gesetzesform gießen! Umfassende Lösungen suchen und dabei die Akzeptanz bei der Bevölkerung nicht aus den Augen verlieren - so sieht in meinen Augen vorbildliche und vor allen Dingen - damit sind wir wieder am Anfang der Rede nachhaltige Umweltpolitik aus. Vielen Dank. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat der Kollege Michael Kauch das Wort für die FDP-Fraktion.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wollen wir die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen, so müssen wir die CO2-Emissionen im Verkehr senken. Dies ist auch im wirtschaftlichen Interesse der Bürgerinnen und Bürger; denn die Senkung der CO2-Emissionen ist gleichzeitig eine Strategie, die die Abhängigkeit vom Öl vermindert. Die Bürgerinnen und Bürger ächzen schon heute unter den Energiekosten. ({0}) Aber die Antworten von den Grünen sind immer die gleichen. Mit Fahrradfahren und Laufen werden Sie das Klima nicht retten. Mit Geschichten wie der Diskussion darüber, dass die Leute nicht nach Mallorca fliegen sollten, werden Sie keinen durchgreifenden Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern Sie werden die Akzeptanz von Klimapolitik bei den Menschen nur kaputtmachen. Statt Verzicht zu predigen, sollten wir uns auf technologische Innovationen einrichten. Effizienzsteigerungen, neue Verkehrskonzepte, aber vor allem alternative Antriebstechnologien und Kraftstoffe können uns helfen, die notwendigen Ziele zu erreichen. Die Ausschöpfung der technischen Potenziale bei konventionellen Antrieben ist kurzfristig sicherlich die richtige Lösung. Langfristig sollten wir uns aber an den neuen Forschungsfortschritten ausrichten. Wir sehen momentan zum Beispiel Fortschritte bei Lithium-Ionen-Akkus. Das Thema Elektromobilität gewinnt wieder an Schwung und Bedeutung. Das müssen wir in eine Zukunftsstrategie einbinden. Denn die Elektromobilität würde uns in eine Win-win-Situation bringen. Auf der einen Seite könnten wir Autos, die meistens ohnehin 23 Stunden am Tag stillstehen, mit überschüssigem Windstrom aufladen. Auf der anderen Seite würde uns das helfen, den Windstrom, der zu einem zunehmenden Problem für die Stabilität des Netzes wird, aus den Netzen abzuleiten. ({1}) Das geht mit intelligenter Netztechnik, mit verbesserten Akkus und Motoren nicht heute, aber vielleicht schon in naher Zukunft. Auch Biokraftstoffe bleiben eine Strategie für den Klimaschutz im Verkehr. Die FDP hat sich in den vergangenen Monaten sehr kritisch mit den Biokraftstoffen auseinandergesetzt. Wir glauben, dass die jetzige Förderung der Biokraftstoffe geeignet ist, die tropischen Regenwälder zu gefährden. Aber Biokraftstoffe sind weder Himmel noch Hölle. Sie sind weder per se gut noch per se schlecht. Es kommt vielmehr darauf an, mit welchen Rohstoffen und mit welchen Techniken sie produziert werden. Das kann man auch nachhaltig gestalten. ({2}) Der Stern-Report zeigt allerdings, dass die CO2-Vermeidung im Verkehr und insbesondere bei der Fahrzeugtechnik - das muss man sehr deutlich sagen - vergleichsweise hohe Kosten verursacht. Das bedeutet, dass man an anderer Stelle der Volkswirtschaft mit dem gleichen Aufwand oft viel mehr CO2 einsparen könnte. Deshalb brauchen wir eine sektorübergreifende Strategie, bei der man nicht wie das Kaninchen auf die Schlange - den Verkehr - starrt, sondern alle Sektoren der Volkswirtschaft gleichmäßig beachtet. ({3}) Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, den Verkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, und zwar nicht nur den Luftverkehr, sondern auch den Straßenverkehr. Dazu gibt es konkrete Vorschläge - solche haben wir in den Deutschen Bundestag eingebracht -; dies kann erreicht werden, indem man die Händler von Treibstoffen verpflichtet, Emissionsrechte nachzuweisen. Dadurch würde die Emission im Verkehrsbereich gedeckelt. Die Verminderung könnte aber auch in anderen Sektoren der Volkswirtschaft stattfinden. Was sagt die Koalition dazu? Gute Idee, aber viel zu bürokratisch. Meine Damen und Herren, Ihr Sachverständigenrat für Umweltfragen hat genau das Modell vorgeschlagen, das in dem Antrag enthalten ist, den die FDP in den Deutschen Bundestag eingebracht hat. ({4}) Es wäre schön, wenn Sie einmal auf Ihre Fachleute hören würden. Genauso schön wäre es, wenn Sie einmal über die Grenzen blicken würden. Wir alle sind sehr froh darüber, dass es in den Vereinigten Staaten jetzt eine Gesetzgebung für ein nationales Emissionshandelssystem geben soll. Wenn man sich das anschaut, stellt man überrascht fest: In einem Punkt ist man mit dem, worüber man dort im Senat diskutiert, weiter. In der Vorlage für den Emissionshandel in den USA ist der Transportsektor nach genau dem Modell integriert, wie es auch die FDP vorschlägt. Wenn wir die Emissionshandelssysteme vernetzen wollen, dann macht es Sinn, die gleichen Sektoren einzubeziehen. Überdenken Sie die Ablehnung, die Sie in diesem Bereich in den letzten Monaten gezeigt haben, deshalb bitte noch einmal. ({5}) Es gibt wenige Sektoren, in denen so viel Symbolpolitik, so viel Hysterie und so viel Heuchelei ist wie beim Klimaschutz im Verkehr. Da war doch letztens Herr Mehdorn auf einer Konferenz des BDI, und ich hatte das Vergnügen, mit ihm eine Podiumsdiskussion zu bestreiten. Herr Mehdorn sagte: Wir müssen zunächst einmal die Nonsensverkehre - für 19 Euro nach Venedig - beenden. Ich habe ihn gefragt: Ist die gleiche Nonsensreise für 29 Euro mit dem „Dauer-Spezial“ der Bahn denn besser? Aus meiner Sicht ist das nicht der Fall. Wenn die Reise Nonsens ist, ist sie Nonsens. Nur, wer soll entscheiden, was Nonsens ist? Haben wir demnächst eine Moralpolizei, die entscheidet, die eine Reise ist gut, die Reise nach Venedig ist nicht so gut, außer wenn es sich um eine Hochzeitsreise handelt? Das ist doch absurd. ({6}) Genauso absurd ist es, wenn Herr Mehdorn sagt: Die Joghurtbecher werden von Mecklenburg-Vorpommern nach Bayern und dann wieder zurück gekarrt. Das ist Nonsensverkehr. Natürlich, das ist dann Nonsens, wenn man die Marktanreize nicht richtig setzt, wenn die Kosten, die hier entstehen, abgewälzt und eben nicht internalisiert werden. Ich frage mich, ob das Unternehmen Deutsche Bahn, in dem Fall Schenker, bei der Auftragsannahme demnächst fragt, ob der Joghurtbechertransport ein Nonsensverkehr ist. Damit macht die Deutsche Bahn sehr viel Geld. Solche heuchlerischen Reden sollte man nicht halten, weder hier im Parlament noch in der Wirtschaft. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Michael Müller hat jetzt das Wort als Parlamentarischer Staatssekretär für die Bundesregierung. ({0})

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war gut, dass wir gestern in der Aktuellen Stunde zum Thema Klima in Grundsätzen große Einheit gezeigt haben. Die beiden wichtigsten Punkte dabei sind folgende: Erstens. Ganz ohne Zweifel muss man beim Klimawandel zu einer Zeit handeln, zu der die Folgen noch nicht richtig sichtbar sind, weil es einen zeitlichen Vorlauf von vier bis fünf Jahrzehnten gibt, was, auch kulturell, eine ganz andere Herausforderung ist als sonst. Die übliche Reaktionsweise im Umweltbereich ist ja, immer erst dann zu handeln, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist. Zweitens. Wir haben eigentlich schon ziemlich viel Zeit verloren; auch das ist klar. Ich erinnere nur daran, dass der Bundestag Anfang der 90er-Jahre noch davon ausgegangen ist, dass wir die Erwärmung auf 1,5 Grad würden begrenzen können. In der Zwischenzeit vertreten wir die Position, dass die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzt werden soll. Selbst dies ist bisher nirgendwo in der Welt eine verbindliche Obergrenze. Es ist nur eine Position, die eine Vielzahl von Ländern vertritt; sie bilden aber noch keine Mehrheit. Insofern ist zu sagen: Wir haben schon sehr viel Zeit verloren, und das ist das eigentliche Problem. Jetzt hat sich das Problem noch weiter zugespitzt, zum einen durch die Verknappung und Verteuerung der Rohstoffe und zum anderen dadurch, dass sich, wie wir es jetzt ja immer deutlicher erleben, die Dynamik der Welt auf den Süden verlagert und damit eine ganz andere Quantität annimmt. Es ist auch schwierig, ein Land wie Kalifornien als Vorbild zu nehmen. Wenn dort mehr als 1 000 Autos auf 1 000 Einwohner kommen, dann stellt sich für mich schon die Frage, ob man es zum Vorbild nehmen soll. Wenn es nämlich dazu käme, dass sich weltweit ein Trend zu einem solchen Auto-Einwohner-Verhältnis ergäbe, stiege die Zahl der Autos nicht um ein paar Millionen, sondern um ein paar Hundertmillionen. Das ist ja eine ganz andere Dimension. Angesichts dessen müssen wir, Herr Kauch, an die Frage anders herangehen als allein über die Steuerung durch Marktmechanismen. Hier wird vielmehr eine Vorbildfunktion von uns verlangt. Wir müssen sozusagen den Umbauprozess vorantreiben. Die Schlüsselfrage, die uns in Indien oder China immer wieder gestellt wird, lautet ja: Macht ihr das, was ihr verlangt, auch bei euch? ({0}) Es ist immer dasselbe. Das ist die Grundfrage. Deshalb möchte auch ich es noch einmal auf den Punkt bringen: Deutschland kann in der Welt nicht glaubwürdig sein, wenn es zu den drei einzigen Ländern weltweit gehört, wo es kein Tempolimit gibt. Das geht nicht. Das funktioniert nicht. Man muss in diesem Punkt auch kulturelle Glaubwürdigkeit aufweisen und nicht nur technologische Antworten geben. Beides gehört zusammen. ({1}) - Das ist so. Ein Tempolimit bringt ein Minus von 4 Millionen Tonnen CO2. Das ist vom Umfang her mehr, als in der ersten Phase in den Emissionshandel einbezogen wurden. ({2}) - Es sind 4 Millionen Tonnen nach den Untersuchungen, die vorliegen. Ich weiß, dass Sie das abstreiten, weil Sie das Thema nicht hochkommen lassen wollen. Ich sage nur umgekehrt: Wer will, dass Klimaschutz vor allem auch als eine Dimension - ({3}) - Im Gegensatz zu Ihnen bin ich seit 40 Jahren dabei. Ich glaube schon, ich weiß, wovon ich rede. Wenn man also möchte, dass der Klimawandel auch zu einem größeren Verständnis von Rücksichtnahme und Verantwortung führt, dann ist klar, dass man dieses Ziel nicht allein durch technologische Veränderungen erreicht. Es ist vielmehr erforderlich, auch eine Vorbildfunktion einzunehmen. Wir sind sehr wohl bereit, eine solche Vorbildfunktion einzunehmen. Das Kernproblem des Verkehrs ist - ich mache es einmal an einem Begriff von Max Weber fest - die Ambiguität der Moderne, also eine gewisse Ambivalenz, weil im Verkehrsbereich mehr als in allen anderen Bereichen zwei Grundfragen aufeinanderstoßen: Zum einen eröffnet Mobilität natürlich Freiheit, Chancen und Gerechtigkeit. Zum anderen trägt Mobilität immer stärker zur Naturzerstörung bei und wirkt deshalb auch limitierend. Deshalb ist Nachhaltigkeit - Herr Koeppen, das möchte ich schon sagen - nicht nur Gleichrangigkeit von Ökonomie und Ökologie, sondern Gleichrangigkeit gibt es nur auf der Basis des limitierenden Faktors der Ökologie. Das ist die Grundposition des Nachhaltigkeitsberichts. Diese Position wird auch im Brundtland-Bericht vertreten. Hier wird nämlich klar gesagt: Der limitierende Faktor, der unsere Zukunft bestimmen wird, sind die Endlichkeit und Begrenztheit der Natur. Alle anderen Entscheidungen müssen sich genau an diesem Ziel orientieren. Insofern geht es nicht einfach nur um das Zusammenführen von sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Verträglichkeit und wirtschaftlicher Innovationskraft. Vielmehr ist ein Rahmen gesetzt, der durch die Begrenztheit und Endlichkeit der Natur bestimmt wird. An dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei. Insofern geht es hier um ein wenig mehr: Es wird auch von uns die bewusste Einsicht in Grenzen und Veränderungen verlangt. ({4}) Lassen Sie mich noch ein paar wichtige Punkte für die aktuelle Diskussion anführen. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es im Verkehrsbereich insgesamt - es gibt keinen anderen Bereich, wo das so deutlich wird wie hier - bisher im Vergleich zu 1990 zu keiner Reduktion von Emissionen gekommen ist. Alle Effizienzfortschritte wurden kompensiert durch höheres Gewicht, stärkere Motoren etc. Es ist deswegen zu keiner Reduktion gekommen. Wenn wir aber bei den CO2Emissionen zu einem Minus von 40 Prozent kommen wollen, führt kein Weg an einer Reduktion vorbei. Diese Position hat eine qualitativ andere Dimension als die Position, die eine Abschmelzung von Verbrauch durch Effizienz und geringeres Wachstum erreichen will. Nein, hier geht es um mehr, nämlich um eine Senkung. Deshalb müssen wir viele der Positionen, über die wir hier diskutiert haben, mit mehr Nachdruck vertreten. Dazu gehört zum Beispiel die Minderung der CO2-Emissionen von Pkws. Der angestrebte Wert von 120 Gramm pro Kilometer ist richtig. Wir halten bei allen Schwierigkeiten daran fest. Mich wundert nun ein bisschen, dass Sie, Herr Hermann, in Ihrem Antrag die Biokraftstoffe gar nicht mehr erwähnen. Das halte ich insbesondere vor dem Hintergrund der Euphorie, die Sie früher an den Tag legten und die größer war als bei manchen anderen Fraktionen, für falsch. ({5}) Aber die Förderung ganz zu streichen, halte ich für falsch. Es muss klare Nachhaltigkeitskriterien und eindeutige CO2-Bilanzen geben. Es kann nicht sein, dass wir schon jetzt sozusagen die Tür schließen. Das wäre aus meiner Sicht falsch. Ihre Position in dieser Frage kann ich nicht nachvollziehen. Ein weiterer Punkt, der sehr wichtig ist: Wir müssen Anreize für Gewichtseinsparungen schaffen. Ich glaube, dass auf europäischer Ebene die Orientierung auf das Gewicht völlig richtig ist. Wir halten die Grundrichtung für richtig. Wir brauchen eine CO2-bezogene Kfz-Steuer. Nach dem, was Frau Merkel auf dem Katholikentag gesagt hat, gehe ich davon aus, dass sie zu diesem Ziel steht und ihre Zusagen einhält. Ich gehe ferner davon aus, dass ihre Auffassung in ihrer Fraktion wie auch in allen anderen Fraktionen geteilt wird. Wir brauchen diese Umstellung. Mir ist völlig klar, dass eine solche Umstellung immer auch mit Einschnitten verbunden ist. Aber der Grundsatz gilt: Wer heute keine Veränderungen vornimmt, der nimmt größere Einschnitte in der Zukunft in Kauf. Insofern müssen wir darüber reden, wie wir diese Veränderungen so sozialverträglich wie möglich hinbekommen. Es kann und darf aber nicht sein, dass wir diese Veränderungen generell infrage stellen. Denn das würde uns in der Zukunft umso stärker einholen. Das ist aus meiner Sicht ganz klar. ({6}) Ich will als letzten Punkt noch den Luftverkehr erwähnen. In der letzten Zeit kann man erleben, dass der eine Verkehrsträger auf den anderen schimpft. Sie haben das Beispiel von Herrn Mehdorn erwähnt. Die Luftfahrtindustrie schimpft auf den Automobilsektor. Bei Daimler-Benz habe ich erlebt, wie auf den Luftverkehr geschimpft wird. Das kann man nicht akzeptieren. Alle müssen ihren Beitrag leisten. Im Übrigen gibt es höchst unterschiedliche Gewichtungen, was den CO2-Ausstoß angeht. Natürlich sind die CO2-Emissionen des Flugverkehrs quantitativ geringer als bei anderen Verkehrsträgern. Aber da der Abbau von CO2 höhenabhängig ist, müssen die durch den Luftverkehr ausgestoßenen Mengen anders gewichtet werden. Die Emissionen des Luftverkehrs enthaltenen einen hohen O3-Anteil, und außerdem trägt er erheblich zur Wolkenbildung und damit zur Schaffung von Kältebrücken in der Atmosphäre bei. Das hat auf die Chemie und Dynamik der Atmosphäre negative Auswirkungen. Wir wollen alle Verkehrsträger mit ins Boot nehmen, und alle müssen ihren Beitrag leisten. Deswegen ist es richtig, dass der Luftverkehr in dieses Regime einbezogen wird. Es kann nicht sein, sich nur auf einzelne Verkehrsträger zu beziehen. Wir brauchen ein Gesamtpaket. Darüber sind wir uns hoffentlich einig. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, Sie haben eben eine nachdenkliche und sachkundige Rede gehalten. Sie wissen, was Sie tun. Aber Sie wissen auch, was Sie nicht tun. Das ist das Problem, vor dem wir hier stehen. Sie haben über das Tempolimit und über das Ziel von 120 Gramm pro Kilometer gesprochen. Sie haben außerdem erwähnt, wofür die Kanzlerin steht. Wann aber verabschieden wir im Bundestag entsprechende Gesetze? ({0}) Warum haben wir auf der Autobahn noch kein Tempolimit von 130 km/h? Wenn man die jetzige Debatte im Zusammenhang mit der vorherigen sieht, muss man sagen, dass es ein Trauerspiel ist. Sie haben eben mit Mehrheit beschlossen, ein Viertel der Bahn zu verkaufen, zu privatisieren. Das ist ein zentraler Punkt. Denn Klimapolitik betrifft die gesamte Gesellschaft, und man kann sie nicht auf Teilbereiche reduzieren. Der beste und wirksamste Ansatz wäre immer noch, Verkehr zu vermeiden. ({1}) Sehen wir uns einmal die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden an. Der demografische Wandel birgt auch Chancen. Diese Chancen zu ergreifen, verlangt aber ein neues Denken: Wo wird Wirtschaft angesiedelt? Wie fördern wir die kleinteilige Wirtschaft? Wir dürfen nicht nur den Supermarkt auf der grünen Wiese, sondern müssen auch kleine Geschäfte fördern. ({2}) Es hat aber auch mit Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zu tun. Sehen Sie sich doch Ihre Hartz-Gesetzgebung an. Sie haben es zu verantworten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Arbeitswege mit einer Dauer von bis zu drei Stunden täglich zugemutet werden. Sie wissen, dass die Menschen nicht einfach umziehen können. Wenn sie dann eine solche Chance auf Arbeit annehmen, dann können sie oftmals nicht mit der Bahn fahren. Sie sind dann wieder auf das Auto angewiesen. Wenn man dann in der Presse liest - um zur Bahnprivatisierung zurückzukommen -, ({3}) dass der Bahn im Vertragsentwurf wohl zugesichert wird - uns liegt er ja noch nicht vor -, ({4}) weitere 1 700 Kilometer Strecke einzustellen und einfach vom Netz abzuklemmen, dann heißt das doch Rückbau. Das heißt, Sie zwingen die Menschen, wenn sie mobil sein wollen und müssen, weiter zum Individualverkehr. Das lehnen wir ab. ({5}) Die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ist eine wesentliche Anforderung an eine vernünftige Klimapolitik. Das geht aber nicht, wenn die Profitmaximierung vornan steht. Dazu braucht man ein gesamtgesellschaftliches Denken, eine Aufgabe, die wir als Politikerinnen und Politiker zu erfüllen hätten, von der Sie sich mit Ihrer Mehrheit aber leider verabschieden. Nicht Rentabilitätskriterien können das Entscheidende sein, sondern die Tatsache, dass Menschen mobil sein müssen, mobil sein wollen, und die Art und Weise, wie wir das realisieren wollen. Natürlich brauchen wir konkrete Gesetze. Nach einigen Jahren Erfahrungen im Deutschen Bundestag muss ich sagen: Ich kann das Wort „Selbstverpflichtung“ und die Worte „Es wird schon werden“ einfach nicht mehr hören. ({6}) In den verschiedensten Bereichen wurden Selbstverpflichtungen abgeschlossen. Sie sind nie erfüllt worden. Nennen Sie mir einen Bereich, wo eine Selbstverpflichtung tatsächlich erfüllt wurde! Nehmen wir den CO2Ausstoß. Es gab die Selbstverpflichtung der europäischen, japanischen und koreanischen Autoindustrie, den CO2-Ausstoß neuer Fahrzeuge auf 140 Gramm pro Kilometer zu reduzieren. Ist dies erreicht worden? Nein. Wie ist das in Deutschland? Hier hatten die neu zugelassenen Fahrzeuge im vergangenen Jahr einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 170 Gramm pro Kilometer, lagen also weit über der Selbstverpflichtung von 140 Gramm. Wenn man dann sieht, dass von den neu zugelassenen Fahrzeugen die Fahrzeuge deutschen Ursprungs noch weiter darüber liegen, so heißt das, dass auch die deutsche Automobilindustrie in diesem Bereich völlig versagt hat. Selbstverpflichtung hin oder her, Gewinn geht bei Ihnen vor Klimaschutz. Betriebswirtschaftliche Rationalität bedeutet eben nicht zugleich volkswirtschaftliche Rationalität. Dieser Mechanismus versagt. Wir brauchen verbindliche Regelungen. Ich finde, es reicht nicht aus, auf internationaler Ebene große Reden zu schwingen und im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft zu betonen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen wird und will. Dies sollte man mit Konkretem unterlegen. Die Linke hat mehrere Anträge zu diesem Thema in den Bundestag eingebracht, unter anderem am 28. Februar vergangenen Jahres den Antrag „Trendwende beim Klimaschutz im Verkehr - Nachhaltige Mobilität für alle ermöglichen“. Heute liegt Ihnen der Antrag „Wirksame Begrenzung des CO2-Ausstoßes neuer Personenkraftwagen“ mit zur Beratung vor. Darin stehen ganz konkrete Anforderungen. Wir sind für verbindliche Regelungen und für ein weitgehenderes Denken. Wir fordern nicht nur ab 2012 für Neufahrzeuge einen CO2-Ausstoß von 120 Gramm, sondern sagen, dass wir weiter gehen müssen und der Industrie eine Zielstellung von 80 Gramm bis 2020 geben sollten. Was hindert uns daran? Das technologische Potenzial ist dafür auf alle Fälle vorhanden. Herr Staatssekretär, ich denke, es ist auch wichtig, das Gewicht der Fahrzeuge - Sie erwähnten es - zu berücksichtigen. Es ist aber ebenso notwendig, die Fläche, die ein Fahrzeug beansprucht, mit in die Betrachtung einzubeziehen. Wir müssen dann auch über Fragen betreffend den Biosprit reden; dies klang schon an. Ich möchte darauf verweisen, dass wir im Europaparlament ein Moratorium gefordert haben, um die ökologische Eignung von Biosprit zu prüfen und zu überprüfen, wie man erreichen kann, dass es nicht zu einer Konkurrenz zwischen der Herstellung von Biosprit für den Autoverkehr und der Versorgung mit Nahrungsmitteln kommt. Hier brauchen wir noch Zeit und keine unter dem Titel Klimaschutz übereilten Beschlüsse, die letztendlich kontraproduktiv wirken. Danke. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Dr. Andreas Scheuer das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Höll, Gott sei Dank - ich mache drei Kreuzzeichen - ist die Linke nicht an der Regierung. Was Sie hier abliefern - vorhin zur Bahnreform und jetzt zum Thema Klimaschutz in der Verkehrspolitik -, ist Planwirtschaft pur. Da Sie aus einem Staat kommen, in dem Sie den Trabi und eine marode Reichsbahn verschuldet haben, würde ich mit solchen Zieldefinitionen in Sachen Klimaschutz etwas vorsichtiger sein. ({0}) Wir setzen auf Dialog. Ich greife den Gedankengang von Winfried Hermann auf: Ich denke, dass sich alle Parteien und alle Fraktionen beim Klimaschutz schwertun. Die Lösung muss ein Mix aus sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Überlegungen sein. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie haben - so ehrlich muss man sein - sieben Jahre Zeit gehabt. Diese Klimaschutzziele hättet ihr frühzeitig definieren können. Deshalb tut euch die sehr erfolgreiche Politik der Bundeskanzlerin sehr weh. ({1}) Die Bundeskanzlerin hat es geschafft, die Politik auf europäischer und internationaler Ebene beim Thema Klimaschutz zu mobilisieren und, Herr Staatssekretär, Vorbild zu sein. Es ist klar, dass wir jetzt um die beste Lösung ringen. Ich lade die Grünen sehr herzlich dazu ein. Von euch kommen ja auch konstruktive Vorschläge. Lieber Winni Hermann, geschätzter Kollege, du darfst dich ruhig an deinem Stuhl festhalten: Ich lobe die Grünen. Durch die grüne Bewegung ist in unserem Land viel passiert, vor allem in den Köpfen. Beim Klimaschutz haben wir die Bürgerinnen und Bürger jetzt auf unserer Seite. Sie sagen: Wir leben alle auf einem Erdball, wir haben nur eine Chance, wir müssen nachhaltigen Klimaschutz betreiben, damit auch die nächsten Generationen auf diesem Erdball gemeinsam leben können. Ich lade die Grünen sehr herzlich ein, Vorschläge dazu zu machen. Die Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirates waren in Norwegen. Das war eine sehr interessante Reise. In einem Modellprojekt auf einer norwegischen Insel wird deutsche Technologie eingesetzt. Es geht um das Verhältnis zwischen Wind und H2. Das läuft sehr gut. Das sind Themen, die wir uns vornehmen müssen. Hier steckt deutsche Technologie drin. Darum geht es. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, an eurem Antragspaket stört mich, dass ihr explizit die italienischen und die französischen Autohersteller hervorgehoben habt. Soll das deutsche Interessenvertretung sein? Wenn ja, wäre ich sehr traurig; denn das schadet dem Autostandort Deutschland. Da hängen schließlich Fließbandarbeitsplätze und viele Beschäftigte dran. ({2}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Sie kämpfen doch immer für die arbeitende Bevölkerung. ({3}) Wir hingegen machen eine Politik, damit die Leute in Beschäftigung bleiben bzw. in Beschäftigung kommen. Wir setzen das um. Die Große Koalition hat das geschafft. ({4}) Ich komme auf die italienischen und französischen Hersteller zurück. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir sollten unseren Wirtschaftsstandort nicht schlechtreden. Ich finde durchaus, dass die deutschen Automobilhersteller unter Zugzwang stehen und in der Pflicht sind. ({5}) Deutsche Technologien und deutsche Innovationen werden aber weltweit geschätzt. Wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass Arbeitsplätze in diesem Bereich erhalten bleiben und es Innovationen gibt. Wir müssen zu besseren, alternativen Antriebstechniken kommen und die Spritfrage lösen. Mobilität darf nicht zur sozialen Frage der Zukunft werden. Ich bin Abgeordneter eines Wahlkreises im ländlichen Raum. Da kann man nicht einfach in die S- oder U-Bahn einsteigen. Da gibt es kein geschlossenes ÖPNV-Netz. Ein Maurer, Heizungstechniker oder Vertreter muss dort mit dem Auto zu seiner Arbeitsstelle fahren. Angesichts der hügeligen Landschaft des Bayerischen Waldes kann man nicht jede Strecke mit dem Rad fahren. Wir brauchen Mobilität. Mobilität ist auch Freiheit, Arbeit annehmen zu können. Wir müssen darüber streiten, wie wir den Mix am besten hinbekommen. Im Antrag wird auch die Eco-Drive-Fahrweise genannt. Beispielsweise sollen Fahranfänger lernen, ökologisch zu fahren. Ich bin voll dafür. Ich wäre sogar dafür, dass man ein verpflichtendes Fahrsicherheitstraining mit diesem Eco-Drive einführt, sodass die Menschen wissen, wann sie ökologisch und wann sie spritfressend fahren. Zum Vorbildcharakter bei den Dienstwagen. Ich kann mich nicht daran erinnern, lieber Winfried Hermann, dass zum Beispiel Jürgen Trittin als Mitglied der rot-grünen Bundesregierung mit einem Elektroscooter vorm Deutschen Bundestag vorgefahren ist; Elektroscooter werden im Antrag genannt. Ich kann mich nur an eine sehr große Premiumklasse erinnern. Von daher sollte man auf diesem Gebiet ein bisschen glaubwürdiger und nicht so heuchlerisch sein. ({6}) Bei der Kfz-Steuer ist für die CDU/CSU völlig klar: Es darf gerade in schwierigen sozialen Bereichen zu keinen Mehrbelastungen kommen. Wenn ich nur den CO2Ausstoß in Bezug auf das Gewicht setze und die Sitzplätze oder die Fahrgastzelle nicht integriere, ({7}) dann kommt zum Beispiel für den Opel Zafira Folgendes dabei heraus: Die Steuer beträgt jetzt 121 Euro und soll später nach den Vorstellungen des BMF 447 Euro betragen. Das lehnen die CDU und die CSU ab. Denn wir machen erfolgreiche Familienpolitik, erfolgreiche Sozialpolitik und wenden sehr viel Geld für die Familien auf. Wir holen uns das Geld nicht über die Kfz-Steuer zurück; denn das Geld soll bei den Familien bleiben. Die Familienautos sollen in dieser mobilen Welt in Deutschland Platz haben, sodass man zum Kindergarten, zur Schule und zum Arbeitsplatz fahren kann. ({8}) Dieses Heuchlerische meine ich. Denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, haben auch eine Altfahrzeugregelung vorgesehen. Da hat sich bei Ihnen wohl die Truppe um die ehemaligen Entenfahrer durchgesetzt, die auf ältere Fahrzeuge fixiert sind. In Ihrem Antrag steht eine Altfahrzeugregelung für Fahrzeuge mit einer Erstzulassung bis einschließlich 2000. Über die Hintertür hat sich dieser Flügel dort durchgesetzt. Es steht unter Punkt 7. Vorher stehen schöne Überschriften. Aber ihr steht bei der Kfz-Steuer genauso vor der Problematik, wie man die Altfahrzeuge behandelt. Ihr habt das über die Hintertür integriert. Ich glaube, wir müssen - das soll der Grundtenor sein aufhören, die Bürger zu verschrecken. Vielmehr müssen wir sie beim Klimaschutz mitnehmen. Mit Verzicht und Verboten werden wir die Bevölkerung, die mitmachen muss, nicht gewinnen. Ob nun beim Wohnen oder Autofahren, wir brauchen sie, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Deswegen geht es darum, Anreize zu schaffen, vernünftige Lösungen zu finden und beispielsweise hinsichtlich der Kfz-Steuer für Autokäufer viel mehr herauszuarbeiten. Dann geht ein Verbraucher auch über die Türschwelle des Autohauses und informiert sich darüber, wie viel Entlastung ihm ein neues, schadstoffarmes Auto bringt, welches Einsparpotenzial es hat. Ob das nun Sprit, Steuern, neue Module oder Bauteile betrifft, er soll wissen, dass er, wenn er jetzt zum Beispiel seinen Golf II gegen einen neuen Golf wechselt, im Unterhalt Vorteile dadurch hat. Wir haben das Problem, dass der Fahrzeugbestand nicht ausgetauscht wird. Deswegen müssen wir uns auf diesen Bereich konzentrieren und Anreize setzen. Ich denke, die Grünen haben heute in diesen eineinhalb Stunden die Chance, das grüne Feigenblatt auszupacken und trotz der erfolgreichen Klimapolitik der Kanzlerin ({9}) mit ihren Anträgen darauf zu verweisen: Hallo deutsche Öffentlichkeit, wir sind auch noch da. ({10}) - Wir diskutieren sehr gerne darüber. Es bietet uns die Chance, die erfolgreiche Politik der Kanzlerin darzustellen. Wir werden nicht lockerlassen, mit sozial17378 verträglichen, wirtschaftlich vernünftigen, aber auch ökologischen und zielorientierten Lösungen in die Zukunft zu gehen. Herzlichen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Patrick Döring ist jetzt an der Reihe für die FDP-Fraktion. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Zunächst herzlichen Dank. Ich bin dem Kollegen Scheuer dankbar, dass jetzt wieder ein bisschen Klarheit über die Position der Koalition herrscht, nachdem der Herr Staatssekretär insbesondere beim Thema Tempolimit ganz offensichtlich seine Privatmeinung, aber nicht die der Bundesregierung dargestellt hat. ({0}) Manche Themen sind fast schon zu Götzenbildern mutiert. Ich bin überhaupt nicht erstaunt, dass beim Thema Tempolimit, aber auch bei der Diskussion über die 120 Gramm CO2 manche glänzende Augen bekommen. In Wahrheit - deshalb schließe ich mich dem Kollegen gerne an - haben wir eine sehr schwierige Marktlage. ({1}) - Herr Heilmann, das ist auch für Sie lehrreich. Sie haben nicht ganz so viel Ahnung davon. Hören Sie einfach zu. ({2}) Das Durchschnittsalter der Kfz-Flotte in Deutschland erhöht sich jedes Jahr. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Menschen - Die Linke gibt ja immer vor, sich für diese Menschen besonders einzusetzen -, die in der Mitte der Gesellschaft sind und ihr Fahrzeug benötigen, um damit zur Arbeit zu kommen, aktuell nicht die Finanzmittel haben, neue verbrauchsarme Fahrzeuge zu erwerben. Deshalb wird die Flotte immer älter. Wir haben die niedrigste Zahl der Neuzulassungen seit den 90er-Jahren. Das macht deutlich, dass immer weniger Fahrzeuge neu hinzukommen. Deshalb kann man über den Ausstoß von 120 Gramm CO2 sprechen, aber man darf sich auch nichts vormachen. Eine Erneuerung der Flotte geschieht sehr langsam und ist sehr langwierig. Es ist auch völlig unerheblich, ob ein Fahrzeug theoretisch 120 Gramm CO2 oder weniger emittiert. Am Ende hängt alles davon ab, wie oft und wie viel dieses Fahrzeug bewegt wird. ({3}) Deshalb sind diese Symbole falsch gesetzt. Wir diskutieren in einer Zeit, in der der Liter Benzin und Diesel mehr als 1,50 Euro kostet. Ich finde es schon bemerkenswert, dass keiner meiner Vorredner darauf hingewiesen hat, dass dieser Preis einen Anteil von 90 Cent an staatlich bedingten Steuern enthält. Ohne diesen Steueranteil sähe der Preis anders aus. Wenn man das weiß, dann muss man doch wohl zur Kenntnis nehmen, dass Mobilität durch die staatlichen Aktivitäten und durch Steuerbelastungen auf Treibstoff immer teuerer wird. So funktioniert auch der Markt. Nicht ohne Grund konnte das Bundesunternehmen am Potsdamer Platz diese Woche bekannt geben, dass es wieder einen starken Anstieg der Zahl der Reisenden im Fernverkehr verzeichnet. Die Menschen reagieren auf die Entwicklung des Spritpreises und verhalten sich ökologisch vernünftig, wenn sie es denn können. Aber man kann eben die Autofahrt nicht überall durch eine Bahnfahrt substituieren. Das wissen wir alle. Deshalb muss man Klimaschutzpolitik sozial ausgewogen machen. ({4}) - Lieber Kollege Hettlich, ich bedanke mich für Ihren Zuruf, weil ich diesen Punkt gerne aufnehme. Schauen wir uns einmal an, wie effizient der Verkehr geworden ist. Die Menge an Tonnen- und Personenkilometern auf deutschen Straßen hat sich seit 1990 verdoppelt. Der CO2-Anteil an den Gesamtemissionen liegt immer noch bei unter 20 Prozent. In keinem Land Europas ist der Verkehr auf der Straße so effizient wie in Deutschland geworden. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Die Menge an Tonnen- und Personenkilometern hat sich ohne einen höheren Anteil des Verkehrs an den CO2Emissionen verdoppelt, weil unsere Wirtschaft und unsere Industrie so gut sind. ({5}) Eine weitere Bemerkung. Ich finde es schon bemerkenswert - auch darüber sollten wir ganz ehrlich sprechen -, was schon heute an Mitteln im Zusammenhang mit dem CO2-Ausstoß im Verkehr aufgebracht wird. Kein Sektor bringt so viele Steuermittel für den Bundeshaushalt wie der Straßenverkehr auf. Jeder Tonne an CO2-Ausstoß - über diese Zahlen aus dem Umweltbundesamt besteht kein Dissens; wir akzeptieren sie -, umgerechnet auf die gesamte Steuerbelastung des Straßenverkehrs, also Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Ökosteuer, stehen 240 Euro an Steuereinnahmen gegenüber. In keinem Sektor wird schon heute so viel internalisiert wie im Verkehr. Auch das gehört zur Wirklichkeit dazu. ({6}) Lassen Sie uns doch statt über Ver- und Gebote über Effizienzen sprechen. Wir alle, die wir hier sitzen - das ist fast wie in einer Sitzung der Ausschüsse für Umwelt und Verkehr -, wissen doch, wo die Ineffizienzen liegen. Es ist doch nun einmal so, dass der stehende Verkehr und der Suchverkehr weit mehr Auswirkungen auf die Menge des CO2-Ausstoßes als die mögliche Einführung eines Tempolimits haben. ({7}) Lassen Sie uns doch gemeinsam Geld zur Stauvermeidung und zur Schaffung von mehr Parkmöglichkeiten an der Autobahn in die Hand nehmen, damit die LKWs eben nicht sinnlos in der Gegend herumkarriolen. Lassen Sie uns über Effizienzen im Luftverkehr sprechen. Warum schaffen wir es nicht gemeinsam, warum schafft es die Koalition nicht, bei der Deutschen Flugsicherung endlich ein europakonformes System durchzusetzen, sodass es zu keiner unnützen Fliegerei über den Flughäfen - ein Kreis und noch ein Kreis - kommt? In Deutschland wird beim Warten auf die Landung mehr Kerosin verbrannt als bei allen Verkehrsflügen. Das ist die Wirklichkeit, über die wir uns Gedanken machen müssen. Wir haben die Situation im Hinblick auf die Privatisierung der Deutschen Flugsicherung, die wir eigentlich in dieser Wahlperiode durchführen wollten, selbst in der Hand. ({8}) Wir brauchen weniger Symbole und weniger Schlagworte. Vielmehr müssen wir ganz genau hinschauen, welches Ziel wir wie erreichen können. Mehr Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, erreicht man ganz sicher nicht, indem man auf Verzicht und Verteuerung setzt und indem man Mobilität zu einem Luxusgut macht. Das ist keine Botschaft, die die Menschen mitnimmt. Dazu können wir Ihnen nicht die Hand reichen. Mit Emissionshandelssystemen und industriepolitisch intelligenten Ansätzen ist viel mehr zu erreichen. Herzlichen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Martin Burkert spricht jetzt für die SPDFraktion. ({0})

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Deutschland hat sich im Rahmen des Klimapakets dem Ziel verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, um den Klimawandel aufzuhalten. An vielen Baustellen ist etwas zu tun. Wir müssen, um es bildlich auszudrücken, auch auf den Straßen viele Baustellenschilder aufstellen. Denn 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes sind durch den Verkehrssektor bedingt - Staatssekretär Müller hat das vorhin mit Nachdruck dargestellt -, und innerhalb des Verkehrssektors ist der Straßenverkehr die größte Emissionsquelle. Wie reduzieren wir die Emissionen im Straßenverkehr? Weil wir heute oft über dieses Thema gesprochen haben, sage ich Ihnen: Ein Weg ist natürlich das Tempolimit. Dafür müssten wir allerdings keine Baustellenschilder, sondern Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder aufstellen. Wir Sozialdemokraten haben uns auf unserem Bundesparteitag im Oktober letzten Jahres in Hamburg ganz klar für ein Tempolimit ausgesprochen. In der aktuellen Koalition steht es um eine Einigung allerdings in der Tat schlecht. Ich hoffe aber, dass wir mit unserem Koalitionspartner bei der Einführung eines Tempolimits von 130 km/h für Kleinlaster mit einem Gewicht zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen noch weiterkommen und dass die Koalition in dieser Frage etwas auf den Weg bringt. ({0}) Denn erstens reduziert ein Tempolimit die Abgasbelastung. Zweitens ist ein Tempolimit gut für den Geldbeutel; denn man verbraucht weniger Sprit. Drittens macht ein Tempolimit den Verkehr sicherer. Viertens können wir damit endlich den Irrglauben der deutschen Autoindustrie richtigstellen, wir würden einzig und allein auf größere, schnellere und schwerere neue Autos warten, auf Autos, die nur für die Besserverdienenden in diesem Land gedacht sind. Nein, wir wollen endlich ein größeres Angebot an bezahlbaren, kleinen, spritsparenden und umweltfreundlichen Autos. Das Vorhaben, dass die deutsche Automobilindustrie einen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen leisten will, ({1}) können wir seit Mitte der 90er-Jahre verfolgen. Ich will die bisherigen Ergebnisse nicht geringschätzen. Durch innovative Technologien und neue Werkstoffe wurden bereits beachtliche Effizienzgewinne erreicht. ({2}) Es ist aber notwendig, diese Effizienzgewinne zur Senkung der Emissionen und nicht zur Leistungssteigerung zu nutzen. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei Autos auf 130 Gramm CO2 pro Kilometer. ({3}) An diesem Grenzwert darf aus unserer Sicht nicht gerüttelt werden. Wir unterstützen auch das Bestreben, einen langfristigen Grenzwert für das Jahr 2020 festzusetzen. Die deutsche Automobilindustrie muss aber Gas geben, wenn sie im Innovationswettrennen nicht hintanstehen will. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, sie wolle die Kommissionspläne abschwächen. Hier liegt sicherlich ein gravierendes Missverständnis vor. ({4}) Forderungen nach einer Vorzugsbehandlung für deutsche Autobauer lehnen wir nicht grundsätzlich ab, sondern wir gehen sorgfältig damit um. ({5}) Vielmehr fordern wir sie auf, die Forschung nach alternativen Antriebstechniken zu intensivieren; Mercedes beispielsweise hat das in dieser Woche angekündigt. ({6}) Langfristig muss eine Halbierung des spezifischen Verbrauchs bei allen Fahrzeugen erreicht werden. Dies ist schon deshalb notwendig, um unter sozialen Aspekten Mobilität für alle zu gewährleisten. Technisch ist diese Verbrauchshalbierung möglich, wie auch Veröffentlichungen der Automobilindustrie belegen. Praktisch werden diese Potenziale zum größten Teil aber der Leistungssteigerung geopfert. Neben den konventionellen Antrieben für Verbrennungsmotoren, also Diesel und Otto, existieren ja bereits verschiedene alternative Antriebstechniken in unterschiedlichsten Entwicklungsstadien, zum Beispiel Hybridfahrzeuge, Elektrofahrzeuge, Fahrzeuge mit Brennstoffzellen und Verbrennungsmotoren auf Wasserstoffbasis. In diesem Bereich muss aber noch viel mehr passieren. ({7}) Hier liegt auch die Zukunft für die deutsche Automobilindustrie und die deutschen Ingenieursleistungen. Damit, und nicht mit den rückwärtsgewandten Pseudoerrungenschaften von immer größeren, schnelleren und schwereren Megaautos, müssen wir uns profilieren. Ende des 19. Jahrhunderts gab es viel Erfinder- und Entwicklergeist bei der Suche nach dem perfekten Automobil. Hinsichtlich der Antriebstechnik - Gasmotoren, Viertakter, Verbrennungsmotoren, Elektrofahrzeuge, Hubkolbenmotoren - wurde viel herumexperimentiert nicht zuletzt in Deutschland, zum Beispiel mit Nikolaus August Otto, Rudolf Diesel, Carl Benz, Gottlieb Daimler oder Wilhelm Maybach, um nur einige Namen zu nennen. ({8}) Die Suche nach der perfekten Antriebstechnik erfordert auch heute jemanden, der diese Herausforderungen annimmt. Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung zum Antrag der Grünen - Herr Herrmann, ich kann es Ihnen nicht ersparen -, in dem unter anderem gefordert wird, dass die Abgeordneten für das Fahrradleihsystem Call a Bike der Deutschen Bahn AG freigeschaltet werden. ({9}) Angesichts der zurückliegenden Debatte über die Diäten erscheint es völlig absurd, dass jetzt die Grünen einen kostenlosen Call-a-Bike-Zugang fordern. Ein Fahrrad sollte sich noch jeder Abgeordnete leisten können. ({10}) Auch den Tagespreis in Höhe von neun Euro für ein Call a Bike kann sich sicherlich jeder Abgeordnete leisten. ({11}) Jedem Abgeordneten bleibt es unbenommen, bei kurzen Strecken zu Fuß zu gehen oder auch sein Fahrrad zu benutzen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Vielen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

So weit sind wir noch nicht. - Jetzt hat der Kollege Lutz Heilmann für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Für Kinder, die in die Schule gehen, ist die Wiederholung die beste Lernmethode. Deshalb noch einmal von mir: Der beste Klimaschutz beim Verkehr ist immer noch die Reduzierung des Individualverkehrs. ({0}) Dafür müssen wir den Menschen aber auch einen Anreiz geben. Durch die Verhökerung der Bahn, die die Große Koalition heute durchgezockt hat, wird kein Beitrag dazu geleistet. ({1}) Die Privatisierung von Verkehrsbetrieben in den Kommunen zeigt deutlich: Da, wo privatisiert wurde, wurden die Linien ausgedünnt und sind die Preise gestiegen. ({2}) Damit werden Sie viele, die sich kein Auto leisten können, künftig von der Mobilität ausschließen. Ich muss jetzt ganz einfach einmal sagen: Mobilität bedeutet eben nicht nur, frei mit dem Auto irgendwohin fahren zu können. Mobilität ist mehr: Mobilität bedeutet die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das sollten Sie sich vielleicht einmal auf die Fahne schreiben. ({3}) Diese Mobilität rauben Sie den Menschen mit der Privatisierung der Bahn; denn der Ölpreis wird weiter steigen. Momentan liegt er bei 135 Dollar, bald werden es 200 Dollar sein. Somit steigen auch die Kraftstoffpreise. Sie machen die Mobilität zum Luxusgut. Vielleicht wollen Sie das aber auch, um die Straßen für Ihre Klientel freizuhalten. Die Linke ist strikt gegen eine Privatisierung in diesem Bereich. ({4}) Wir sehen aber auch, dass das Auto ein wichtiger Verkehrsträger ist. Ich habe lange Zeit im ländlichen Bereich in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und weiß, wovon ich rede, da dort nur zweimal am Tag ein Bus vorbeigehuscht kommt. Um den Klimawandel einigermaßen in den Griff zu bekommen, müssen Autos langsamer, leichter, kleiner und damit sparsamer und klimaschonender werden. ({5}) Der vorliegende Entwurf der EU-Verordnung leistet dazu einen Beitrag. Was aber macht die Bundesregierung? Sie bekämpft die Verordnung. Minister Gabriel spricht von einem Wettbewerbskrieg gegen die deutsche Autoindustrie. Ich muss Ihnen ausdrücklich widersprechen, Kollege Burkert. Damit entlarvt sich der angebliche Klimaschützer Gabriel als Lobbyist der Autoindustrie. ({6}) Wir haben aber zum Glück einen Autokanzler überlebt, und wir werden auch einen Autoumweltminister überleben. Ob es bei Herrn Gabriel für eine zweite Runde reicht, erscheint mir sehr zweifelhaft. Seine Bilanz ist nicht gerade rosig. Sie führen wieder einmal das Argument an, es würden Arbeitsplätze vernichtet. Die Kollegen Koeppen und Scheuer haben das angesprochen. Meinen Sie, dass die Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie nur Modelle wie Touareg oder Cayenne bauen können? Ich denke, sie können genauso gut kleine, effiziente Fahrzeuge bauen. Trauen Sie unseren Arbeiterinnen und Arbeitern ruhig ein bisschen was zu! ({7}) Die vorliegende Verordnung muss zumindest in der jetzigen Fassung beibehalten werden. Wir haben zwar eine Menge Kritikpunkte, aber sie darf nicht weiter abgeschwächt und auf das Jahr 2015 verschoben werden. Die Strafen für die Autoindustrie dürfen nicht reduziert werden. Es gibt aber noch weitere Maßnahmen. Ich will nur drei nennen: erstens das allgemeine Tempolimit auf Autobahnen, zweitens die Kfz-Steuer - wir als Linke sind konsequent und nehmen sämtliche Altfahrzeuge davon aus, um soziale Härten auszuschließen - und drittens eine vernünftige, verbraucherfreundliche Verbrauchskennzeichnung, damit sich der Verbraucher frei entscheiden kann. Insofern ist das Kühlschrankmodell auch in diesem Bereich anzuwenden. Handelt die Bundesregierung entsprechend? Pustekuchen! Ihr Klimapaket aus dem letzten Jahr verkommt mehr und mehr zu einem Klimapäckchen. Wenn es so weitergeht, fürchte ich, dass demnächst alles auf eine Postkarte passt. Ich möchte noch eine weitere Maßnahme ansprechen. Die meisten Spritschlucker sind als Firmenwagen unterwegs. Mittlerweile sind 60 Prozent der Neuzulassungen Firmenwagen. Die Kfz-Steuer spielt keine große Rolle mehr; denn alle mit Firmenwagen verbundenen Kosten - auch die Kfz-Steuer - sind steuerlich zu 100 Prozent abzugsfähig. Das müssen wir angehen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit für Firmenwagen muss begrenzt werden. Wir als Linke meinen: Wenn Unternehmen ihre Bosse in Luxuskarossen durch die Gegend schaukeln wollen, dann sollen sie das ruhig tun, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Dem muss eine Grenze gesetzt werden. Mein Vorschlag ist, die Abzugsfähigkeit stufenweise auf 80 Prozent zu reduzieren. Dass in diesem Bereich ein Umsteuern möglich ist, zeigt Großbritannien. Dort wurde das britische Gegenstück zur deutschen 1-Prozent-Regelung umgestaltet. Der zu versteuernde Anteil richtet sich nun ausschließlich nach dem CO2-Ausstoß. Die Firmenwagen sind in Großbritannien heute klimaschonender als Privatfahrzeuge. So können wir Klimaschutz erreichen, ohne die Bürgerinnen und Bürger zu belasten. Ich fasse zusammen: Der beste Klimaschutz sind die Reduzierung des Individualverkehrs und die Stärkung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs. Der Vorschlag der Europäischen Union leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Neben Kfz-Steuer, Tempolimit und verbraucherfreundlicher Kennzeichnung gehört auch die Firmenwagenproblematik auf die Tagesordnung. Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zur Fahrbereitschaft des Bundestages. Wir nutzen alle den Fahrdienst und sitzen insofern sozusagen im selben Boot.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

- Erlauben Sie mir noch einen Gedanken. - Aber wenn die Grünen schon Symbolpolitik machen, dann sollten sie dort anfangen, wo sie es selbst bestimmen können. Unser früherer Kollege Loske - vielen als Verfechter des Klimaschutzes bekannt - fährt als Senator in Bremen einen Dienstwagen, der es auf einen CO2-Ausstoß von stolzen 220 Gramm bringt. ({0}) Das ist nicht besonders vorbildlich. Wenn es um den positiven Spitzenreiter geht, dann sollte man auch erwähnen, welchen Dienstwagen unsere Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher fährt: Es ist ein Toyota Prius, der mit einem CO2-Ausstoß von 104 Gramm schon heute die Anforderungen der EU erfüllt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche noch einen schönen Tag. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als nächste hat die Kollegin Patricia Lips für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Patricia Lips (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute von Vertretern aller Parteien gesagt worden, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland und auf der ganzen Welt zu hoch sei. Dies gilt für die Industrie, die häusliche Energieversorgung, Fahrzeuge und vieles andere mehr. Die Maßnahmen und Vorschläge sind naturgemäß vielfältig und unterscheiden sich in diesem Haus nach der jeweiligen politischen Ausrichtung. Kolleginnen und Kollegen, Klimaschutz lebt aber nicht primär von uns, sondern von der Beteiligung der Menschen draußen. Sie müssen mitmachen; viele tun es bereits. Dies ist ein hohes Gut auch für uns. Dabei sind wir realistisch genug, eines zu wissen: Nicht jeder ist bereit oder kann bereit sein, aktiv mehr zu zahlen, weil ihm der Klimaschutz explizit am Herzen liegt. Er tut es vor allen Dingen auch, weil von der Politik finanzielle Anreize gesetzt werden, um diese Richtung zu beeinflussen. Wir nennen es Lenkungswirkung. Dies bedeutet für uns aber, dass wir bei den politischen Rahmenbedingungen sehr genau darauf achten müssen, dass ein Anreiz auf der einen Seite und eine damit gekoppelte Strafzahlung oder gar ein Zwang auf der anderen Seite nicht in eine Schieflage geraten. Es muss vermieden werden, dass die Menschen das Gefühl bekommen, der Faktor Strafe oder Zwang stehe im Vordergrund. Dr. Scheuer hat bereits ein Beispiel aus dem Familienbereich genannt. Gestatten Sie mir, ein weiteres darzulegen, das ebenfalls mit dem Thema Kfz zu tun hat, weil es fast alle Menschen in unserem Land grundsätzlich betrifft. In meiner unmittelbaren Nähe lebt ein älteres Ehepaar, beide um die 70. Seit vielen Jahren fahren sie einen Benz. Somit handelt es sich nicht um einen schnittigen Neuwagen, sondern um ein älteres Modell, das von einem CO2-Ausstoß von 120 oder 140 g weit entfernt ist. Es ist aber ein gewisser Stolz mit diesem Wagen verbunden, den wir ihnen zugestehen. Dieser Wagen hat annähernd 200 000 Kilometer auf dem Buckel und wird gehegt und gepflegt; wir kennen dies. Vor einigen Wochen war eine Inspektion fällig: hier ein Ölwechsel, da neue Reifen, an der Lichtmaschine war auch etwas defekt. Eigentlich waren es Kleinigkeiten, aber in der Summe lagen die Kosten deutlich über 1 200 Euro. Das ist verdammt viel Geld für diesen kleinen Haushalt. Ein neues, sparsameres Auto? Ja, wie denn? Dann wird doch lieber die kleine Rechnung bezahlt und womöglich auch noch eine höhere Kfz-Steuer, wie sie jetzt vorgelegt wurde. All dies geschieht in der Hoffnung, dass es der Wagen noch einige Jahre macht Diese Menschen kennen wir doch alle, die wir hier sitzen; von ihnen gibt es sehr viele. Das sind nicht die Besitzer und Käufer von Geländewagen. Courage ist gut, Herr Hermann; wo ist die Liste, auf der ich unterschreiben kann? Aber was nützt die ganze Courage, wenn die Betroffenen nicht daran teilnehmen können und finanzielle Anreize damit komplett an ihnen vorbeigehen? Was nützt es vor allem dem Klima? Seit mehr als zehn Jahren wurde immer wieder der Versuch unternommen, die Kfz-Steuer auf den Schadstoffausstoß umzustellen. Sieben Jahre davon saßen Sie, Herr Hermann, mit am Tisch der Regierung. Schon vergessen? ({0}) - Ich habe es aber in den Jahren, in denen Sie an der Regierung waren, auch nicht so deutlich gehört, unabhängig vom Erfolg. Es ist heute leicht, anderen einen Strick daraus drehen zu wollen, was man selber versäumt hat. Am Anfang stellten Sie die Frage, weshalb jetzt so wenig zustande kam. Abgesehen davon, dass ich Ihnen natürlich vehement widerspreche, spiele ich diesen Ball gern in Ihre Reihen zurück. Dies verbinde ich nicht mit einem großen Vorwurf. Als Opposition müssen Sie heute so agieren; das ist Ihr gutes Recht, und das ist auch selbstverständlich. ({1}) Das macht auch die Komplexität dieses Themas deutlich: Der Bund entscheidet. Es handelt sich aber um eine Ländersteuer. Daher stimmen die Länder, denen die Einnahmen zustehen, mit. Gerade in Zeiten steigender Energiepreise soll niemand, der ein älteres Auto besitzt, auch noch zusätzlich belastet werden. Steuerausfälle darf es jedoch auch nicht geben. Das ist erschöpfend. Wir gestehen zu, dass dies schwierig wird. Da gibt es auch nichts zu beschönigen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich tauschen sich Fahrzeuggenerationen sukzessive aus, sodass in einigen Jahren andere Themen automatisch im Vordergrund stehen werden. Auch fragen heute schon viele beim Kauf eines Wagens wenigstens nach dem Verbrauch, vielleicht nicht immer nach dem CO2-Ausstoß. Jedoch oder gerade deshalb: In der aktuellen Situation geht es um mehr, nämlich um eine Addition von Belastungen, die die Menschen vornehmlich im Energiebereich verspüren. Viele Menschen, die jeden Tag an den Anzeigen der Tankstellen vorbeifahren, ob sie nun tanken müssen oder nicht, denken nach, wenn auch in diesen Tagen vielleicht etwas weniger über das Thema Umweltschutz als vielmehr über ihren Geldbeutel. Das darf uns nicht egal sein, wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren, die bisher - sehr erfreulich - aktiv Klimaschutz praktizieren. Wir müssen aufpassen, dass sich - bei allem, was hier zu Recht gesagt worden ist - die Theorie nicht zu weit von der Praxis entfernt. ({2}) Eine Umstellung der Kfz-Steuer muss möglich sein, ohne diese starke Benachteiligung des Altbestandes der Fahrzeuge zu erzeugen. Es kann auch nicht darum gehen, nach dem Prinzip „Linke Tasche, rechte Tasche“ zu verfahren. Lassen Sie mich ein Bonmot am Rande bringen. Ich bin bei meiner intensiven Beschäftigung mit den Anträgen in einem Antrag der Grünen über die folgende Forderung gestolpert: Dieselfahrzeuge werden, wie bisher auch, mit einem höheren Kfz-Steuersatz belegt, um den Steuervorteil bei der Mineralölsteuer von rund 18 Cent auszugleichen. Die aktuellen Benzinpreise zeigen, wie weit wir uns von der Realität entfernt haben. Sie haben ja grundsätzlich recht, dass diese Differenz besteht. Nur, wie wollen Sie das den Menschen draußen erklären, wenn Diesel an der Tankstelle teurer ist als Normalbenzin? Deshalb sage ich noch einmal: Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen weiterhin mitnehmen. Vielleicht ergibt sich noch in diesem Jahr die Chance, dass im Rahmen der Föderalismuskommission II die weitere Ausgestaltung der Kfz-Steuer dem Bund übertragen wird. Das heißt nicht, dass es in der Sache einfacher würde; aber immerhin reden dann weniger Akteure mit. Die Europäische Kommission will bis Herbst neue Eckwerte vorlegen. Wie gesagt: Es muss gestattet sein, noch eine Runde zu drehen; vielleicht ist das auch gut, weil wir das dann mitnehmen können. Kolleginnen und Kollegen, der technische Fortschritt schreitet rasant voran. Klimaprogramme - ja, Anreize ja; aber setzen wir mehr auf die Menschen in diesem Land, ohne Zwang und mit möglichst wenig „Strafe“! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Christian Carstensen, SPD-Fraktion. ({0})

Christian Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003745, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Gäste! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute überwiegend über den Straßenverkehr. Der Straßenverkehr hat in der Tat den Hauptanteil an den Verkehrsemissionen. Staatssekretär Müller hat allerdings recht: Wir müssen auch über den Luftverkehr reden. Der Zeitpunkt dafür ist ideal, findet doch hier in Berlin gerade eine der größten Luftfahrtschauen und -messen der Welt statt: die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung. Auf der ILA kann man beobachten, dass die Branche, dass die Aussteller das Thema Klimaschutz schon seit langem als ein dominierendes Thema anerkennen. Es liegt schließlich in ihrem ureigenen, wirtschaftlichen Interesse, weniger Kerosin zu verbrauchen und nach preis- und umweltverträglichen Alternativen Ausschau zu halten. Klar ist, dass wir die Luftfahrtunternehmen und die Flughäfen dabei nicht alleinlassen dürfen. Die Politik muss auf nationaler und auf internationaler Ebene die notwendigen Rahmenbedingungen richtig setzen. Wir sind dabei auf einem guten Weg. Mit dem Beschluss, den Luftverkehr in das europäische Emissionshandelssystem einzubeziehen und möglichst rasch den Einheitlichen Europäischen Luftraum zu verwirklichen, sind auf europäischer Ebene gleich zwei wichtige Schritte gemacht, um erstens Anreize zur Vermeidung von Emissionen zu setzen und zweitens effektiv Emissionen zu verhindern. Ein zweites Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Single European Sky ist bereits angekündigt. Es soll auch eine Richtlinie zur europaweiten Begrenzung der Stickoxidemissionen des Flugverkehrs geben. Wem folgt die Europäische Kommission dabei? Unter anderem dem Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. Bei uns wurden bereits zum 1. Januar dieses Jahres an den beiden großen Flughäfen Frankfurt und München emissionsabhängige Start- und Landeentgelte eingeführt. Wir haben uns dafür eine dreijährige Pilot- und Testphase vorgenommen. Es sieht so aus, als ob sich schon zum Jahresende weitere Flughäfen dem freiwillig anschließen werden. An dieser Stelle bleibt uns nur, den Frankfurtern und den Münchnern für die Wahrnehmung ihrer Vorbildfunktion zu danken und alle Flughäfen, die diesem Beispiel folgen wollen, herzlich willkommen zu heißen. ({0}) Auch bei Industrie und Forschung geht es voran. So arbeiten sowohl Flugzeug- als auch Triebwerkhersteller intensiv an der Verbesserung des Fluggeräts und am Einsatz alternativer Kraftstoffe. Durch Gewichtsreduktion, den Einsatz neuer Werkstoffe und Verbesserung der Aerodynamik wollen die Hersteller bis 2020 die Lärmemissionen um 50 Prozent, den Kohlendioxidausstoß ebenfalls um 50 Prozent und die Stickoxidemissionen um sage und schreibe 80 Prozent reduzieren. Die Bundesregierung und das Parlament unterstützen diese Forschungsanstrengungen mit der Bereitstellung von Fördergeldern. Im Rahmen des 4. Luftfahrtforschungsprogramms werden für die Periode 2009 bis 2013 insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Forschungsschwerpunkt des sogenannten LuFo-IV-Programms liegt natürlich bei der Entwicklung technologischer Bausteine für das klimaschonende Luftverkehrssystem der Zukunft. Das ist im Hinblick auf die Arbeitsplätze und die Umwelt sicherlich gut angelegtes Geld. Bei der Erforschung von Alternativen zum herkömmlichen Kraftstoff Kerosin befinden wir uns leider noch im Anfangsstadium. Aber die beiden großen Luftfahrzeughersteller Airbus und Boeing haben bereits in diesem Jahr Probeflüge mit alternativen Kraftstoffen durchgeführt. Das ist ein gutes Signal, für das wir dankbar sein können. Sie sehen also: Auf allen Ebenen werden Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr ergriffen oder verstärkt. Das ist der richtige Weg, den wir im Hinblick auf die Umwelt, eine Mobilität für alle sowie im Interesse der Beschäftigten im Luftverkehr und der Industrie gemeinsam gehen sollten. Insofern kommen Ihre Anträge, in denen sicherlich viel Vernünftiges steht, zu spät, meine Damen und Herren von den Grünen. Sie hinken mit Ihren Formulierungen hinterher. Wir wollen Ihre Anträge aber im Ausschuss zum Anlass nehmen - ich hoffe, dass das niemand vergessen hat -, weiter intensiv darüber zu reden. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung zuzustimmen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Fraktion. ({0})

Rita Schwarzelühr-Sutter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003847, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Wer dem Klimawandel entgegentreten will, muss Entscheidungen treffen, die Veränderungen zur Folge haben. Ohne Veränderungen gibt es keinen Klimaschutz. Wer allerdings bei jeder Veränderung die Verbraucher verängstigt, handelt unverantwortlich. ({0}) Man muss den Verbrauchern sagen, was auf sie langfristig zukommt, wenn wir nichts tun. Auch im Bereich Verkehr müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden. Wir brauchen umweltfreundliche und energieeffiziente Fahrzeuge. Diese Veränderung kommt nicht von selbst. Wir brauchen Anreize für Käuferinnen und Käufer, auf den CO2-Ausstoß zu achten und sich für ein energieeffizientes Auto zu entscheiden. Wir brauchen außerdem Anreize für die Autobauer, in Innovationen zu investieren. Mit der Umstellung der Kfz-Steuer auf eine CO2Komponente wollen wir einen monetären Anreiz für den Kauf eines energieeffizienten Neuwagens schaffen. Durch eine reduzierte Kfz-Steuer soll die höhere Investition in ein schadstoff- und CO2-armes Auto erleichtert werden. Wer allerdings auf viel PS und schwere Autos Wert legt, muss einen Beitrag leisten und etwas tiefer in die Tasche greifen. Zu den anderen Anreizen gehört eine Kennzeichnung, die jedem, der den Verkaufsraum eines Autohauses betritt, schnell deutlich macht, wo ein energieeffizientes Auto steht. Man braucht also kein Ingenieurstudium, um ein solches zu finden. Wir brauchen also eine auf dem CO2-Ausstoß basierende Kfz-Steuer und eine Kennzeichnung. Beides brauchen wir bald. Die Widerstände der Länder und des Bundeswirtschaftsministeriums sind nicht nur im Hinblick auf die öffentliche Akzeptanz der Bundespolitik ärgerlich, sondern schaden unserem Ziel, Vorreiter im Klimaschutz zu sein. Wir brauchen eine zeitnahe Lösung bei der KfzSteuer, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher bei steigenden Spritkosten eine gesicherte Basis für ihre Entscheidung erhalten und in ihrer Verunsicherung nicht alleine bleiben. Die CO2-Komponente in der Kfz-Steuer fordert auch der Verband der Automobilindustrie. Allerdings will Herr Wissmann auch die Altfahrzeuge einbeziehen. Er hält es für einen Treppenwitz, wenn wir es nicht tun. Wer meint, dass dies das ausschlaggebende Argument ist, um den Rückgang der Verkaufszahlen zu beenden, der darf nicht vergessen, dass sich viele ein neues, verbrauchsarmes und energieeffizientes Auto kaufen würden, wenn sie es sich leisten könnten. Darauf muss man Rücksicht nehmen und darf die Altfahrzeuge nicht mit einbeziehen. ({1}) Mobilität muss bezahlbar bleiben. Eine unerwartete zusätzliche Belastung der Autobesitzer ist mit uns nicht zu machen. Die Spritpreise - Sie haben sie schon angesprochen, Frau Lips - haben zu einer Erhöhung der Inflation um 3 Prozent geführt. Das belastet die Verbraucher schon genug. Gestatten Sie mir einen kurzen Blick über die Grenzen, und zwar zu der kleinen Alpenrepublik Österreich, die im Sommer in diesem Bereich ein recht attraktives Modell in Kraft treten lässt: ein Ökologisierungsgesetz mit einer sogenannten Normverbrauchsabgabe. Der Käufer eines Neuwagens, der mehr als 180 g CO2 pro Kilometer ausstößt, muss mit einer höheren Normverbrauchsabgabe rechnen. 200 Euro Bonus erhalten Käufer von Autos, die unter dem Grenzwert für Stickoxid bleiben. Für alternative Antriebe gibt es ebenfalls einen Bonus. Bei alternativ angetriebenen Fahrzeugen, die die CO2-Grenze überschreiten, wird trotzdem ein Malus fällig. Ich mache auf das Beispiel Österreich aufmerksam, um zu zeigen, dass wir nicht alleine sind und dass wir schnell in die Gänge kommen müssen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Mit einem Bonus-Malus-System oder unserer neu gestalteten Kfz-Steuer schaffen wir eine verursachergerechte Zuordnung der Kosten. Denn nicht der Klimaschutz kommt uns teuer zu stehen; vielmehr wird die Unterlassung des Klimaschutzes unsere Gesellschaft in der Zukunft belasten. Die Automobilzulieferer sind wesentlich weiter. Wenn man die Motorhaube des Tata-Autos aufmacht, entdeckt man eine Menge Zubehörteile von deutschen Zulieferern. In dem Tata-Auto ist nicht preiswerteste Technik, und unsere Automobilzulieferer erwarten ein Signal, dass wir es mit dem Klimaschutz vor Ort ernst meinen, um hier weiter eine Chance zu haben. Ein Wort an die Linke. Sie tun immer so, als ob die Automobilindustrie der Bösewicht in Deutschland sei. ({2}) Ist Ihnen überhaupt bewusst, dass es in diesem Bereich 1,4 Millionen Arbeitsplätze gibt? Darum brauchen wir eine Lösung, die klimafreundlich, aber nicht wettbewerbsverzerrend ist und die uns weiterbringt. ({3}) Ich denke, dass das Weltverkehrsforum gestern in Leipzig mit seiner Abschlusserklärung ein richtiges Signal gesetzt hat. Es wurde betont, dass die Verbesserung der Energieeffizienz und die Reduzierung der Emissionen durch den Verkehr die wichtigsten Veränderungen für diesen Sektor bedeuten. Ich hoffe, dass auch die Länder die Eile und den Druck, dem wir ausgesetzt sind, verstehen, dass sie ihrer Verantwortung beim Thema Klimaschutz gerecht werden und sich bereit erklären, bei der Kfz-Steuer endlich zu einer Lösung zu kommen. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Ingrid Arndt-Brauer, SPD-Fraktion.

Ingrid Arndt-Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Thema Klimaschutz ist es wie beim Thema Nachhaltigkeit: Alle sind dafür; aber wenn es konkret werden soll, wird es schwierig. Mit dem Koalitionsvertrag wurde am 11. November 2005 bei diesem Thema der Aufschlag gemacht. Ich darf zitieren: Zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen und der Verminderung von CO2-Emissionen im gesamten Straßenverkehr werden wir wirksame Anreize für die Einführung … durch eine am Schadstoffausstoß orientierte Kfz-Steuer schaffen. Weiter ging es mit allen möglichen Gipfelgesprächen und Gesprächen in kleinen Runden. Am 23./24. August 2007 war die Klausurtagung in Meseberg; dort wurde die Umstellung der Kfz-Steuer auf Schadstoff-, auf CO2Basis beschlossen. Am 5. Dezember 2007 erfolgte eine Veröffentlichung des Bundesfinanzministeriums: „Kraftfahrzeugsteuer soll Anreiz für mehr Umweltfreundlichkeit setzen“. Am 26. Mai 2008 plötzlich die Meldung: „CO2-Debakel: Reform der Kfz-Steuer vorerst gescheitert“. Was war passiert? Wie schon gesagt, es wird schwierig, wenn es ins Detail geht. Wir haben im Moment eine Hubraumbesteuerung, die ein paar umweltpolitische Elemente enthält, die Euro-0- bis Euro-4-Norm. Wir haben versucht, mit der Kfz-Steuer ein wenig das Kaufverhalten zu steuern. Das wollten wir besonders mit der Umstellung auf CO2-Basis erreichen. Ich denke, wir sind uns einig, dass das notwenig ist. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen betragen 175 Gramm pro Kilometer bei Dieselfahrzeugen und 160 Gramm pro Kilometer bei Benzinfahrzeugen. Das Ziel sind 120 bzw. 130 Gramm pro Kilometer. Das ist nicht einfach zu erreichen, weil der CO2-Ausstoß vom Benzinverbrauch abhängig ist und es in Deutschland hauptsächlich Autos mit einem hohen Benzinverbrauch gibt. Der Durchschnitt liegt bei 6,9 Litern auf 100 Kilometer bei Benzinern und 6,1 Litern auf 100 Kilometer bei Dieselfahrzeugen. An dieser Stelle fängt das Problem an. Wir brauchen andere Autos. Ich selbst bin in dieser Beziehung geschädigt. Ich konnte meinen Lupo, der sehr schadstoffarm und sehr spritsparend war, dieses Jahr leider nicht ersetzen, weil VW keine Lupos mehr baut. Ich habe nachgehakt, und dann hieß es ganz klar: Die Autos werden nicht nachgefragt. - Wir müssen noch einiges tun, damit die Bevölkerung das Ziel, das sie eigentlich hat, erreicht und schadstoffarme, auch kleinere Autos nachfragt. Leider suchen sich die Menschen das Auto immer noch nach allen möglichen Kriterien aus, aber nicht nach dem der Schadstoffarmut und des Benzinverbrauchs. Jetzt sind die Dieselfahrer, zu denen ich leider auch gehöre, im Moment ein wenig gestraft. Das Wohlgefühl, das man wenigstens beim Tanken hatte, nachdem man die hohe Kfz-Steuer bezahlt hatte, stellt sich nicht mehr ein. Man zahlt genauso viel wie der Nutzer eines Benzinfahrzeugs und wird deswegen im Moment doppelt bestraft. Nun fahren Dieselfahrzeuge doppelt so viel wie Benziner, sie leben länger. ({0}) - Ja, vielleicht müssen sie mehr fahren. - Ich denke, es ist dringend nötig, dass wir eine Lösung finden, mit der wir mehrere Ziele auf einmal erreichen. Die Autos müssen einmal weniger Schadstoff ausstoßen, zum anderen sollte die Umwelt weniger belastet werden, und wir müssen den Leuten ermöglichen, das alles zu finanzieren. Hier kommen jetzt die Länder ins Spiel. Das ist ein Grund, warum wir bisher noch keine Lösung haben. Die Länder fordern, dass das Ganze aufkommensneutral sein soll. Man soll also neue Autos bezuschussen, aber alte nicht belasten. Das ist - das muss ich hier ganz klar sagen - nicht möglich. Wenn Klimaschutz gewünscht wird, dann muss Klimaschutz auch gefördert werden, und dann kostet Klimaschutz Geld. Ich möchte hier an die Länder appellieren, die Aufkommensneutralität, die sie hier einfordern, vielleicht an anderer Stelle einzufordern, zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer. An diese könnten wir massiver herangehen. ({1}) Aus einigen Bereichen könnten wir ganz einfach Geld bekommen, das wir im Klimaschutz einsetzen könnten. Wir jedenfalls sind der Meinung, dass der Weg, den die Koalition eingeschlagen hat und den die Kanzlerin nach innen und außen vertritt, weitergegangen werden muss. Wir brauchen den Druck auf die Industrie, schadstoffarme Autos zu bauen. Wir müssen aber auch die Bevölkerung aufklären, damit sie diese Autos nachfragt. Vielleicht brauchen wir eine Imagekampagne für kleinere Autos. Das ist alles diskutierbar und sollte gemacht werden. Wir brauchen auch den Druck auf den Bundesrat, sich ein Stück weit zu bewegen. Auch der Wirtschaftsminister - das sage ich ganz klar hier in diesem Hause - muss mitziehen. Ich denke, dann haben wir die Möglichkeit, die Kfz-Steuer als Lenkungsmöglichkeit beizubehalten. Ich setze leider nicht dieselbe Hoffnung wie Sie in die Föderalismuskommission II. Wir müssen das schon hier im Bundestag regeln. Einen Steuertausch in unserem Sinne wird es nicht geben. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir unser Ziel erreichen. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/9105, 16/8538, 16/9009 und 16/9307 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 16/8538 zu Tagesordnungspunkt 30 b soll federführend beim Fi- nanzausschuss beraten werden. Sind Sie damit einver- standen? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun- gen so beschlossen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr ergrei- fen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- fehlung auf Drucksache 16/9119, den Antrag der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5967 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- lung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Be- schlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Grünen und der Linksfraktion angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Eckart von Klaeden, Monika Grütters, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Monika Griefahn, Gert Weisskirchen ({0}), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Deutsches Auslandsschulwesen stärken und weiterentwickeln - Drucksache 16/9303 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Qualität des Deutschunterrichtes an deutschen Auslandsschulen und Partnerschulen sicherstellen - Kompetenzen zwischen Auslandsschulen und Goethe-Instituten eindeutig zuweisen - Drucksache 16/8775 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({1}) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Monika Griefahn, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man denkt eigentlich, man redet heute über einen alten Hut. Wir waren letztes Jahr eingeladen bei der Deutschen Schule in Montevideo. Diese Schule hat schon ihr 150-jähriges Jubiläum gefeiert. Wie in vielen anderen Ländern haben wir dort eine wunderbare Schule, die ganz viel Kultur, Austausch und interkulturellen Dialog in das Land gebracht hat. Sie ist dort ein anerkannter Faktor. Man kann wirklich den nachhaltigen Einfluss erleben, den diese Schule vor Ort über so viele Jahre entwickelt hat. Momentan haben wir 117 deutsche Auslandsschulen. Es gibt 461 Schulen, an denen wir zusammen mit den Ländern, in denen diese Schulen sind, durch Lehrerentsendeprogramme Deutschunterricht anbieten können. Das Erlernen der deutschen Sprache ist eine Möglichkeit, unsere Kultur kennenzulernen und eine Anbindung an Deutschland zu erfahren. Wir haben 1 900 entsendete Lehrer, die in der ganzen Welt an deutschen Schulen, aber auch an Schulen, die einen verstärkten Deutschunterricht anbieten, arbeiten, damit dieser Bezug hergestellt wird. Wir erreichen damit fast 300 000 Schüler. Daran lässt sich erkennen, was für eine wichtige Funktion unser deutsches Auslandsschulwesen hat und wie viel Dialog wir vor Ort eigentlich herstellen können. Mit dieser Schularbeit erreichen wir zunächst eine qualitativ hochwertige Ausbildung, bei der man die deutsche Sprache und Kultur kennenlernen kann. Das hohe Niveau lässt sich auch daran ablesen, dass die Schüler von Auslandsschulen bei PISA manchmal besser als unsere deutschen Schüler abgeschnitten haben, obwohl die Vorgaben, die in den Schulen maßgeblich sind, von den deutschen Bundesländern aufgestellt werden, zum Beispiel von Thüringen, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Aber nicht nur das: Auch kulturell ist das ein ganz wichtiger Faktor. Im letzten Jahr haben bei „Jugend musiziert“ unter anderem zwei Schülerinnen gewonnen, die die Deutsche Schule in Alexandria in Ägypten besuchen. Auch das ist ganz toll. Schule sollte also nicht nur unter dem Bildungsaspekt betrachtet werden. Schulen sind Treffpunkte von Menschen, die den interkulturellen Dialog suchen. Wir wollen, dass Absolventen einer deutschen Auslandsschule mit Deutschland eng verbunden bleiben. Wir wollen, dass sie in Deutschland studieren, und wir wollen, dass sie auch dann, wenn sie im Berufsleben stehen, eine enge Bindung an Deutschland haben, zum Beispiel, indem sie wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, etwa durch die Kooperation mit deutschen Firmen. Das geschieht automatisch, wenn man unsere Kultur und natürlich auch unser Demokratieverständnis kennengelernt hat, das ja auch in unseren Auslandsschulen vermittelt wird. Man sieht an diesen wenigen Punkten, wie wichtig die Auslandsschulen eigentlich sind. Wir wollen sie mit unserem Antrag stärken. Insbesondere wollen wir auf die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ aufmerksam machen. Ich bin dankbar, dass mit Frank-Walter Steinmeier endlich jemand Außenminister ist, der die Bedeutung der Kultur- und Bildungspolitik für die Außenpolitik erkennt und fördert. Mit dieser Initiative wird das Schulnetz innerhalb von drei Jahren auf 1 000 Schulen ausgeweitet. Ich bin ganz froh, dass wir gemeinsam handeln. Das Parlament hat das angeregt; aber man braucht auch einen Außenminister, der eine solche Anregung aufgreift. Das ist ein Ausdruck unserer guten Zusammenarbeit. Ich freue mich darüber sehr. Das wird auch überall in der Welt wahrgenommen. Mit Hunderten Schulen wird derzeit intensiv über die Aufnahme in das Schulnetz verhandelt. In wenigen Tagen wird es den nächsten Vertragsabschluss im GoetheInstitut geben, bei dem zwei Partnerschulen im Raum Neu-Delhi in Indien aufgenommen werden. Ich als alte Protestantin denke bei solchen Entwicklungen automatisch an Martin Luther. Von ihm stammt das Zitat: Wenn die Schulen zunehmen, dann steht’s wohl im Land. Ich glaube, das ist immer so. Bildung ist die Grundlage für Entwicklung, Zusammenarbeit, Frieden sowie Dialog und gegen gewalttätige Auseinandersetzungen. Wir wollen, dass die Unternehmen sich stärker beteiligen, dass sie Absolventinnen und Absolventen der deutschen Auslandsschulen bevorzugen und dass sie sich bei der Vergabe von Stipendien stärker engagieren. Wir wollen erreichen, dass der Wirtschaftsbeirat, den das Goethe-Institut installiert hat, auch das Thema der deutschen Schulen behandelt. Wir haben einen tollen Start hingelegt. Mit unserem Antrag und unseren Anhörungen im Auswärtigen Ausschuss bzw. im Unterausschuss „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ haben wir im letzten Jahr die GoetheInstitute vorangebracht. In diesem Jahr haben wir die Schulen in den Fokus genommen und die Programme weiterentwickelt. Im nächsten Jahr werden es die Hochschulen und Wissenschaften sein. Es gibt eine Kontinuität, und es gibt Menschen, die fortlaufend mit uns, mit Deutschland im Dialog stehen. Ich glaube, dass sich das auszahlen wird. Nach den USA und England sind wir schon heute das Land mit der dritthöchsten Zahl an Studenten aus anderen Ländern. Diese Kontakte und dieser Dialog werden sich in Zukunft zum Beispiel im Rahmen der außenwirtschaftlichen Beziehungen auszahlen. Insofern können wir auch sagen, dass das Erlernen unserer Sprache eine gute Sache ist. Es muss nicht immer Englisch sein, es kann auch Deutsch sein. Das ist ganz wichtig. Wir sollten damit selbstbewusst umgehen. Ich hoffe, Sie alle unterstützen diesen Antrag. Danke schön. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Harald Leibrecht, FDP-Fraktion.

Harald Leibrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003581, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutsche Auslandsschulen sind nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Vermittlung eines positiven Deutschlandbildes, sie sind auch wesentlich daran beteiligt, das Interesse für die deutsche Sprache im Ausland zu wecken und zu fördern. Darum begrüßen und unterstützen auch wir ganz ausdrücklich die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ des Bundesaußenministers Steinmeier. Das Ziel ist es, ein weltumspannendes Netz von über 1 000 Partnerschulen aufzubauen. Gerade in Wachstumsregionen wie Asien, der Golfregion und Mittel- und Osteuropa ist eine stärkere bildungspolitische Präsenz unseres Landes zu begrüßen. Doch das uns vor einigen Wochen vorgelegte sogenannte PASCH-Konzept erscheint uns an manchen Stellen noch etwas unausgereift und durchaus ausbaufähig. Daher haben wir unseren Antrag eingebracht. Neben der Klärung offener Fragen geht es uns bei der PASCH-Initiative darum, Auseinandersetzungen oder ein mögliches Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Institutionen - dem Goethe-Institut auf der einen Seite und den deutschen Auslandsschulen auf der anderen Seite - zu vermeiden. Wie ich an den bisherigen Reaktionen vonseiten aller Betroffenen auf unseren Antrag sehe, treffen wir damit durchaus den richtigen Nerv. Als kritischer Punkt wird beispielsweise die Verwendung der 19 Millionen Euro betrachtet, die im Haushalt des Goethe-Instituts angesiedelt sind und die für die Initiative zur Verfügung stehen sollen. Es ist nicht so, dass wir dem Goethe-Institut dieses Geld nicht gönnen - im Gegenteil -, aber wir möchten genau wissen, wie das Geld verwendet wird. ({0}) In der Zweckbestimmung steht zwar, dass dieser Betrag zur Erweiterung des Partnerschulnetzes, zur Stärkung des Deutschunterrichtes, zur Entwicklung von Lehrplänen und zur Aus- und Fortbildung von lokalen Deutschlehrern der neuen Partnerschulen und GoetheSprachlernzentren verwendet werden soll. Das ist uns aber noch zu dünn. Darum möchten wir erstens eine genaue Aufstellung über die geplanten Kosten und zweitens eine verlässliche Auskunft darüber, inwieweit sich das Goethe-Institut und die bestehenden deutschen Auslandsschulen im PASCH-Programm ergänzen und zusammenarbeiten. Wenn wir alle die hervorragende Arbeit der deutschen Auslandsschulen schon so hervorheben und loben, müssen wir diesen Schulen auch die Chance geben, stärker in die PASCH-Initiative eingebunden zu werden. Die Bereitschaft vonseiten der Auslandsschulen ist vorhanden. Wir müssen die Ängste der deutschen Schulen im Ausland, die befürchten, dass es bei Nichtbeachtung dieser Initiative zu einer selbst geschaffenen Konkurrenz im jeweiligen Land kommen kann, ernst nehmen. Wir alle hier im Saal möchten, dass das Projekt „Schulen: Partner der Zukunft“ ein richtiger Erfolg wird. Auch der Antrag der CDU/CSU und der SPD unterstreicht dies. Trotzdem hätten wir uns gewünscht, dass auch in Ihrem Antrag diese Frage der möglicherweise selbstgeschaffenen Konkurrenz nicht einfach ignoriert wird. ({1}) Der Unterausschuss war vor wenigen Wochen bei deutschen Auslandsschulen in Chile und Argentinien zu Besuch. Dort wurden wir darauf angesprochen, dass die Goethe-Institute ihnen im Rahmen dieser Initiative auf ihrem ureigenen Spezialgebiet Konkurrenz machen könnten - bis hin zur Abwerbung von Deutschlehrern, die in den meisten Ländern, in denen es deutsche Schulen gibt, absolute Mangelware sind. Auf der Homepage der CDU/CSU ist nur zu lesen - das ist lapidar -, dass unser Antrag, der Antrag der FDP, auf vagen Vermutungen aufbaue. ({2}) Dafür, dass es nur vage Vermutungen gewesen sein sollen, haben wir mit unserem Antrag - darüber bin ich doch recht erfreut - aber offensichtlich schon etwas Bewegung in die Sache gebracht. Vage finde ich eher Ihren Antrag, der die von den Auslandsschulen angesprochenen Probleme überhaupt nicht aufgreift, geschweige denn Antworten gibt. ({3}) Sie schreiben in Ihrem Antrag sicherlich nichts Falsches - ich kann nur unterstützen, was Sie Positives über die Auslandsschulen sagen -, doch Sie sprechen die Probleme und die offenen Fragen überhaupt nicht an, und somit geben Sie natürlich auch keine Antworten. Wir sollten gemeinsam sicherstellen, dass wir auch noch in einigen Jahren auf eine positive Entwicklung der deutschen Schulen im Ausland blicken können. Darum ist es uns lieber, jetzt, gleich zu Beginn der PASCH-Initiative, die Probleme anzusprechen und zu lösen, als diese auszusitzen und Fehlentwicklungen in der Zukunft heute vielleicht billigend in Kauf zu nehmen. Ich würde mir wünschen, dass wir in dieser Sache enger und besser zusammenarbeiten. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Peter Gauweiler, CDU/ CSU-Fraktion.

Dr. Peter Gauweiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor 40 Jahren, während der ersten Großen Koalition, gab es eine große Debatte darüber, was denn die Schule der Nation sei. Schließlich einigte man sich auf die Feststellung: Die Schule der Nation ist die Schule. ({0}) - Der damals Außenminister war. Wir greifen dies auf. Wie positiv dies als Leistung der Koalition immer noch und immer wieder gewürdigt wird, zeigt ein Zitat aus der völlig unverdächtigen Süddeutschen Zeitung - ich zitiere -: Doch, es gibt Bereiche der Politik, in denen die Große Koalition ihre Aufgaben erfüllt, leise, schnell und effizient. ({1}) Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik gehört dazu, für die es seit März 2006 einen Unterausschuss des Bundestages gibt. Im vergangenen Jahr rettete er das Goethe-Institut, das zu Zeiten der rotgrünen Regierung ökonomisch in eine so desperate Lage getrieben worden war, dass die Zahlungsfähigkeit ernsthaft bedroht war (Beifall der Abg. Monika Grütters ({2}) und von Darbietungen deutscher Kultur im Ausland wollte schon gar niemand mehr reden. Jetzt glänzt das Goethe-Institut wieder, mit einem neuen Präsidenten … und mit neuen Engagements vor allem im Nahen und Fernen Osten sowie in Afrika. Und der Unterausschuss macht weiter. In diesem Jahr stehen die deutschen Schulen im Ausland auf dem Programm, im kommenden Jahr werden es die Wissenschaften sein. Ein allerletztes Zitat daraus: Es ist Jahrzehnte her, dass es die auswärtige Kulturarbeit in der Politik so leicht gehabt hat, und zum ersten Mal seit langer Zeit kann sie sich auf einen Außenminister verlassen, der ihr nicht nur wohlgesonnen ist, sondern sich, in eklatantem Unterschied zu seinem Vorgänger, auch mit ihr beschäftigt. Das ist keine Gehässigkeit gegenüber Herrn Fischer, sondern die nackte Wahrheit, wie man am Vergleich der Zahlen sehen kann. ({3}) Wenn schon so viel über den Ärger in der Koalition geredet wird, dann dürfen wir, die verantwortlichen Vertreter für diesen Bereich im Deutschen Bundestag, auch sagen: Wir sind stolz darauf, dass wir dies gemeinsam so vorangebracht haben. ({4}) Es sind Zahlen für das Auslandsschulwesen genannt worden, einerseits als Zukunftsprogramm, anderseits als historischer Beleg. Herr Steinmeier sprach einmal davon, dass vor 100 Jahren die deutschen Schulen im Ausland der Nukleus der deutschen auswärtigen Kulturpolitik gewesen seien. Auf der allerältesten deutschen Schule im Ausland, der Sankt-Petri-Schule in Kopenhagen, war der frühere Bundespräsident von Weizsäcker. Ich finde es gut, dass die Gattin des früheren russischen Staatsoberhaupts Putin viele Jahre lang im Elternbeirat der deutschen Schule in Moskau tätig gewesen ist und der Präsident darauf bestanden hat, dass alle seine Töchter ein deutsches Abitur ablegen. Es ist selbstverständlich auch große Klasse, dass die Bundeskanzlerin während ihrer Lateinamerikareise bei ihrem Besuch in der deutschen Schule in Mexiko feststellen konnte, dass fünf Absolventen der deutschen Schule in der mexikanischen Regierung sitzen. ({5}) Den jungen Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, die wir heute auf der Zuschauertribüne herzlich als unsere Gäste begrüßen können, ({6}) gebe ich das mexikanische Beispiel zum Vorbild. Unser Antrag zielt darauf ab, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, die öffentlichprivate Partnerschaft stärker als bisher zu nutzen. Wir wollen, dass die Schulfonds ausreichend finanziell unterstützt werden. Dabei sollte diese Förderung so flexibel gestaltet werden, dass die entsprechenden Möglichkeiten vor Ort freier genutzt werden können. Wir wollen dafür sorgen, dass das Niveau der Auslandsschulen gehalten und, wo nötig, ausgebaut wird. Dann soll dafür gesorgt werden, dass die Bauvorhaben der deutschen Auslandsschulen besser unterstützt werden, als dies in der Vergangenheit oft der Fall gewesen ist. Wir werden dieses Thema zu einem Gegenstand unserer nächsten Beratung machen. ({7}) Der heute vorliegende Antrag stellt, wenn Sie so wollen, auch eine Hallo-Wach-Tablette für die Verbände der deutschen Wirtschaft dar. Deren Unterstützung deutscher Schulen hat in den letzten Jahren stark nachgelassen; insgesamt fällt sie viel zu niedrig aus. Wir verlangen, dass die Verbände darauf drängen, dass die Unternehmen Absolventen deutscher Schulen im Ausland, um es ganz deutlich zu sagen, bevorzugen, wenn ansonsten gleiche Bewerbungsvoraussetzungen vorliegen. ({8}) Die Interessenkonvergenz zwischen den deutschen Auslandsschulen, der Politik und der Wirtschaft erlaubt also ein viel breiteres Spektrum. Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich betonen wir im Zusammenhang mit dieser Debatte auch das, was uns als Außenpolitiker generell antreibt, uns in diesem Bereich zu engagieren. Die auswärtige Kulturund Bildungspolitik und in diesem Fall die Schulpolitik, für die ja ein Drittel des entsprechenden Haushalts vorgesehen ist, stellt nämlich in unseren Augen einen besseren Beitrag zur Sicherheitspolitik dar als manches andere, ({9}) was je nach Auffassung als notwendig angesehen wird. ({10}) Aktuell hat sich diese Sichtweise ja in mehreren Punkten weiterentwickelt. Wir wissen, dass der Kern möglicher Konflikte nicht mehr in verschiedenen Staatssystemen liegt, nicht einmal mehr in verschiedenen Gesellschaftsordnungen, sondern vielmehr auf kulturellen Differenzen, die eine unterschiedliche Betrachtungsweise mit sich bringen, beruht. Damit sind wir auf einer Ebene, die von der klassischen Politik nur bedingt erreicht werden kann. ({11}) Wenn es stimmt - das wird ja ebenfalls von allen Seiten gesagt -, dass die Bedrohung dadurch zunimmt, dass in bestimmten Regionen das staatliche Gewaltmonopol zusammenbricht und die klassische diplomatische Strategie, vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Staaten einzuleiten, an Bedeutung verliert, dann wird klar, dass die Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung viel mehr an Bedeutung gewinnen. Hier geht es dann insbesondere darum, die Menschen als kulturelle Wesen zu erreichen. Konfliktpotenziale können also viel eher vermindert werden, wenn man sich das klarmacht. Nichts anderes als „Klarmachen“ impliziert ja auch der Begriff Aufklärung. Und dann ist die Schule der Nation eben die Schule. Diesem Zukunftsprogramm fühlen wir uns verpflichtet. Es umzusetzen, betrachten wir als eine gemeinsame Aufgabe. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat Kollegin Cornelia Hirsch, Fraktion Die Linke, das Wort. ({0})

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Weltweit gibt es mehr als 100 Millionen Kinder, denen das Recht auf Bildung verwehrt wird. Dennoch ist es heute im Deutschen Bundestag in dieser Legislaturperiode das erste Mal, dass wir über das Engagement der Bundesregierung für Bildung auch über die eigenen Grenzen hinaus diskutieren. Aber selbst jetzt thematisieren Ihre Anträge keineswegs diese weltweite Ungleichheit und die Missachtung des Rechts auf Bildung; stattdessen geht es Ihnen lediglich um den Ausbau des deutschen Auslandsschulwesens. Ich möchte Ihnen anhand von drei Punkten erläutern, warum die Linke das für die falsche Herangehensweise hält. Erster Punkt. Sie führen in Ihrem Antrag aus, dass die deutschen Auslandsschulen zur Völkerverständigung, zu einem besseren Austausch und zu interkultureller Kompetenz beitragen sollen. Die Realität ist jedoch, dass Sie eine Außenpolitik betreiben, die durch immer weitergehende Liberalisierungen und nicht zuletzt durch Kriegseinsätze gekennzeichnet ist. Damit wächst globale Ungleichheit und Armut. Ihre Auslandsschulen wirken dieser Entwicklung nicht entgegen, sondern sind häufig Teil der Strategie, die eigene wirtschaftliche Überlegenheit weiter auszubauen. ({0}) Deshalb ist es falsch, von Auslandsschulen als Orten der interkulturellen Begegnung zu sprechen und kein Wort darüber zu verlieren, dass es Ihr Festhalten an einem ungerechten Weltwirtschaftssystem ist, das diesen gleichberechtigten Austausch viel zu häufig von vornherein unmöglich macht. ({1}) Zweiter Punkt. Sie behaupten, dass Sie mit dem Auslandsschulwesen einen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten könnten, da auch die einheimische Bevölkerung in den Gastländern von den deutschen Schulen profitiert. Richtig wäre aber, zu sagen, dass deutsche Auslandsschulen in den Entwicklungsländern vor allem ein Angebot an die jeweiligen Eliten sind. Darüber können auch die wenigen Stipendien, die Sie jetzt in Aussicht stellen, nicht hinwegtäuschen. Die Linke fordert eine Politik, die alle Länder in die Lage versetzt, gut ausgestattete und eigenständige Bildungssysteme aufzubauen. Dass Sie dieses Ziel mit Ihrer Politik verhindern, ({2}) lässt sich nicht dadurch verschleiern, dass Sie versuchen, uns weiszumachen, mit dem deutschen Auslandsschulwesen würden Sie einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten. Dritter Punkt. Sie sind für die weltweiten Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten ebenso blind wie für die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten vor der eigenen Haustür. ({3}) Ich zitiere aus dem Antrag der Großen Koalition: Immer stärker rückt weltweit ins öffentliche Bewusstsein, wie wichtig Bildung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist. Aus diesem Grund wird das Bildungsangebot in Deutschland stetig verbreitert und verbessert. Hier muss man sich die Frage stellen, ({4}) ob wir dieselben Untersuchungen zum deutschen Bildungswesen gelesen haben. Egal ob man sich die PISAStudie oder die OECD-Berichte anschaut: Überall werden andere Realitäten geschildert. Es wird darin festgehalten, dass seit Jahren und Jahrzehnten die Bildungsausgaben stagnieren oder sogar zurückgefahren werden. Es ist von einer hohen Zahl der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher die Rede. Es wird geschildert, dass Migrantinnen und Migranten sowie Kinder aus bildungsfernen und finanzschwachen Elternhäusern im deutschen Bildungssystem systematisch benachteiligt werden. ({5}) Das Wichtige für diese Debatte ist, dass die auswärtige Bildungspolitik an dieser Entwicklung eine Mitschuld trägt. ({6}) Denn auch im Rahmen der auswärtigen Bildungspolitik ist mit entschieden worden, dass beispielsweise die deutschen Auslandsschulen als Testballon für die neoliberalen Programme der Bertelsmann-Stiftung benutzt wurden. In den deutschen Auslandsschulen ist beispielsweise die eigenverantwortliche Schule zum ersten Mal getestet worden, die inzwischen auch im Inland in immer mehr Bundesländern durchgesetzt wird. ({7}) Konkret heißt das, dass demokratische Mitbestimmungsstrukturen an den Schulen ausgehöhlt werden. Auf diese Weise lassen sich aber weder im In- noch im Ausland bessere Schulen aufbauen. Ich fasse zusammen. Ihnen geht es offensichtlich weder im In- noch im Ausland tatsächlich um eine bessere Bildung im Interesse der Gesellschaft, sondern vor allem um den Ausbau der deutschen Vormachtstellung und um besser ausgebildete Fachkräfte im Interesse der Wirtschaftslobbyisten. ({8}) Die Linke streitet dagegen für das Recht auf Bildung hier und weltweit. Besten Dank. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.1) 1) Anlage 9 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Ich erteile jetzt dem Staatsminister Gernot Erler das Wort.

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zurück zum Thema. - Eine Gesellschaft, die zukunftsfähig bleiben will, muss allen Menschen die bestmögliche Bildung anbieten. Heute muss sich das Bildungsangebot allerdings unabdingbar international ausrichten. Wir müssen zwei Dinge tun: junge Menschen in Deutschland auf ein Bestehen in internationalen Kontexten vorbereiten und dafür sorgen, dass Deutschland als Akteur international als attraktiv wahrgenommen und verstanden wird. Dazu wollen wir mit unserer auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik beitragen und ein umfassendes lebendiges und aktuelles Deutschlandbild vermitteln. Das geht am besten, wenn wir mit den Menschen, die wir gewinnen wollen, in einen lebenslangen kulturellen Dialog eintreten. An unseren Auslandsschulen, die immer auch Orte der interkulturellen Begegnung sind, können wir diesen Dialog sehr früh beginnen. Auslandsschulen fördern auf vielfältige Weise den Standort Deutschland. Ein Viertel der Absolventen deutscher Auslandsschulen studiert anschließend in Deutschland. Diese Menschen sind später die idealen Mitarbeiter, Ansprechpartner und oft auch Türöffner für international tätige deutsche Unternehmen. Als ein Land, das jeden dritten Euro mit dem Ausland oder im Ausland verdient, brauchen wir dort deutsche Schulen. Dies ist oft die einzige Schulmöglichkeit für Firmenvertreter und entsandte Kräfte mit Kindern. Diese Schulen schaffen deutschen Unternehmen eine wichtige Voraussetzung für die Erschließung neuer Märkte im Ausland. Deshalb halte ich die Diskussion über eine mögliche Streichung der steuerlichen Abzugsfähigkeit des Schulgeldes für Auslandsschulen für abwegig. ({0}) Wenn Sie sich umhören, werden Sie oft vernehmen: Die deutschen Auslandsschulen machen hervorragende Arbeit. Sie gehören regelmäßig zu den besten Schulen am Platz. Geld, das wir dort investieren, ist wirklich gut angelegt und wird uns mittel- und langfristig auch in anderen Bereichen wie der Wirtschaft, aber auch der Wissenschaft gute Rückwirkungen bringen; um das Wort „Rendite“ zu vermeiden. Wir haben deshalb im vergangenen Jahr zusätzliche Haushaltsmittel beantragt und können nun, nach Bewilligung durch den Deutschen Bundestag, die Förderung der schulischen Arbeit deutlich ausbauen, sowohl was die Breite als auch was die Qualität der Förderung angeht. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich all denjenigen Kolleginnen und Kollegen danken, die unsere Bemühungen zur Stärkung des Auslandsschulwesens unterstützt haben. Lassen Sie mich noch einige Worte zu der von Bundesminister Steinmeier ins Leben gerufenen Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ sagen. Wir wollen - dies ist schon betont worden - weltweit ein Netz von insgesamt 1 000 Partnerschulen aufbauen, die Qualitätsarbeit bei der Ausbildung unserer Partner von morgen leisten. Wenn wir diese Initiative und den Reformprozess im Auslandsschulwesen zukunftsfähig gestalten wollen, dann geht das nur mit der Unterstützung und Begleitung durch den Deutschen Bundestag einschließlich der Bereitstellung der erforderlichen Mittel. Ich fasse zusammen: Unsere Bilanz ist gut. Wir haben die Zahl deutscher Auslandsschulen im ersten Halbjahr 2008 von 117 auf 123 erhöht und konnten 20 neue Partnerschulen gewinnen. Im September dieses Jahres werden wir schon 130 Auslandsschulen und 60 Partnerschulen haben. Wir werden das alles weiterhin in engem Kontakt mit Ihnen tun. Trotz aller sichtbaren Erfolge müssen wir hier einen dauerhaften Prozess etablieren; denn wir werden erst mittel- und langfristig merken, wie wichtig die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat Monika Grütters, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Prof. Monika Grütters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003761, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hirsch, abgesehen davon, dass ich Sie noch nie bei uns im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik gesehen habe, bin ich einigermaßen fassungslos, wie aggressiv Sie hier versuchen, die deutsche auswärtige Bildungspolitik zu diskreditieren. ({0}) Das ist absolut unangemessen, wenn man die Anstrengungen im Rahmen dieses ältesten Bildungsinstruments sieht. Ich möchte gar nicht auf Ihre Vergangenheit zu sprechen kommen; aber andere Erklärungsmuster fallen mir für Ihre Rede nicht ein. Wissen Sie, wie internationale Firmen um qualifizierten Nachwuchs werben? Mit dem Slogan: Die Welt steht Ihnen offen. Das ist doch wohl ein gesellschaftspolitisches Ziel, dem wir alle hier uns nicht nur nicht verschließen wollen, sondern das es zu fördern gilt. Gut ausgebildete junge Fachleute und Führungskräfte bewegen sich immer selbstverständlicher auf dem internationalen Parkett. Das ist nicht nur ein Markt, aber natürlich auch ein Angebots- und Arbeitsmarkt. Wenn unsere Universitäten oder unsere Forschungseinrichtungen werben, tun sie das immer auch mit dem Slogan „Wettbewerb um die besten Köpfe“. Das sollten Sie wissen; schließlich sitzen Sie immerhin im Bildungsausschuss. Das mit solchen Reden niederzumachen, ist absolut daneben. Das gehört nicht hierher. ({1}) Es macht wirklich Spaß, junge Leute zu beobachten und zu unterrichten, die aus anderen Ländern hierherkommen. Ich kann das in meinem Studiengang an der FU immer wieder erleben. Als Gastland für Studierende aus aller Welt ist Deutschland - Frau Griefahn hat das gesagt - in den letzten Jahren sehr attraktiv geworden. Im internationalen Vergleich stehen wir auf Rang drei. Das ist ein Status, den wir in einem globalen Hochschulraum verteidigen und ausbauen und nicht schlechtreden sollten. Bei der Entscheidung für einen Einsatz- oder Studienort spielt - das wissen Sie genauso gut wie wir - in allererster Linie der sprachliche Zugang eine Rolle. Wenn wir das Interesse am Standort Deutschland stärken wollen, müssen wir auch die Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache im Ausland fördern. Wie gut also, dass weltweit 18 Millionen Menschen Deutsch lernen und mehr als 290 000 davon schon als Kinder und Jugendliche an Schulen im Ausland an unser Bildungsprofil, unsere Kultur und unsere Wertvorstellungen herangeführt werden. ({2}) Wir haben schon viele eindrucksvolle Zahlen gehört: Es geht immerhin um 117 Schulen in 62 Ländern, 440 insgesamt mit deutschem Sprachunterricht; 291 000 Schüler werden erreicht; 53 000 der Schüler an deutschen Auslandsschulen sind nichtdeutscher Herkunft. Ich finde es wichtig, dass man Ihre These, dass es sich hierbei um einseitige Eliteförderung handelt, an Beispielen widerlegt: Unsere Schulen im Ausland haben - Frau Griefahn hat auch das gesagt - in der PISA-Studie sehr gut abgeschnitten. Die drittbeste finnische Schule war unsere deutsche Auslandsschule in Helsinki. Nicht zuletzt deshalb ist die Nachfrage nach Schulplätzen an vielen Standorten nicht nur bei Deutschen, sondern auch bei den Einheimischen ungebrochen. In Barcelona können wir beispielsweise gerade einmal ein Drittel der Bewerber aufnehmen. In Mexiko besuchen inzwischen mehr als 5 000 Kinder und Jugendliche deutsche Schulen, und die German European School Singapore kann sich trotz Gebühren in Höhe von fast 8 000 Euro vor Bewerbungen nicht retten. Neben dem pädagogischen Auftrag und der Vermittlung der deutschen Sprache wirken viele Schulen intensiv in das jeweilige Gastland hinein, nicht nur als Botschafter für unsere Wertvorstellungen und unsere Kultur. Vielmehr helfen sie auch beim Aufbau stabiler zivilgesellschaftlicher Verhältnisse in Krisenregionen. Das Beispiel Kabul/Afghanistan ist eindrucksvoll. Das hat mit neoliberaler, einseitiger Elitenbildung nach Ihrem Strickmuster nichts, aber auch gar nichts zu tun. Nach dem Fall des Talibanregimes - falls Sie das nicht wissen sollten - wurde auf deutscher Seite der Beschluss gefasst, eine Jungen- und eine Mädchenschule mit deutschem Geld wiederaufzubauen. Das ist von 2002 bis 2004 mit Mitteln des AA geschehen. Inzwischen werden an der Mädchenschule 1 800 Schülerinnen von 90 Lehrerinnen und Lehrern in den Klassen 2 bis 12 unterrichtet. Zwei entsandte Lehrkräfte und drei Ortskräfte unterrichten Deutsch als Fremdsprache. Das Fernziel ist der Abschluss des deutschen Sprachdiploms, welches von der Kultusministerkonferenz anerkannt wird. Schulgeld wird an solchen Schulen nicht erhoben. Durch einen im Landesdurchschnitt qualitativ hochwertigen schüler- und projektorientierten Unterricht in allen Fächern werden diese jungen Leute, die so lange unterdrückt wurden, befähigt, später in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen. Das ist echte Arbeit an einer friedlichen Zukunft in diesem Land. ({3}) Ein anderes Beispiel ist unser Engagement im Bildungs- und Hochschulbereich in Vietnam. Es gibt eine intensive Zusammenarbeit und auch eine deutsche Hochschule in Vietnam. Auch das zählen Sie hoffentlich nicht als Elitenbildung, wie Sie es eben polemisch formuliert haben. Nehmen Sie Osteuropa als Beispiel: Für dauerhaft im Ausland lebende deutschsprachige Gemeinschaften sind unsere Schulen eine ganz wichtige Brücke. Immerhin leben 3 Millionen Angehörige deutscher Minderheiten in Osteuropa. Unsere Schulen sorgen für kulturelle Identität. Auch das kann nicht, wie Sie es gesagt haben, mies sein. Beispiel Rumänien: Dort gibt es 21 deutsche Schulen. 14 davon liegen in Siebenbürgen. Dort lernen jährlich 3 000 Schüler Deutsch. Damit haben sie später natürlich einen Vorteil in ihrem beruflichen Werdegang. Das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Ethnien und Kulturen konnte ich übrigens bei einem Besuch in Hermannstadt studieren. Es hat mich sehr beeindruckt. Ich glaube, dass das die Zukunft unseres Europas ist. Rumänien ist immerhin inzwischen Mitglied der EU. Dort kann man beispielhaft studieren, wie Mehrsprachigkeit auch Integrationspolitik ist. Das Beispiel Schanghai als wichtige Wachstumsregion: Die Schule dort hatte 1994 noch 6 Schüler, heute sind es 850. Auf dem Gebiet der Public-Private Partnership und des Kultursponsorings ist diese Hochschule - übrigens ein europäischer Campus; das ist ein wichtiges Signal - führend. Mit 12 Millionen Euro hat man dort den neuen Schulbau aus privater Hand finanziert. Abschließend nur so viel: Die Stärkung und Weiterentwicklung des Auslandsschulwesens ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit nicht nur unseres Landes, sondern auch vieler anderer Länder. Die Beispiele Vietnam und Afghanistan haben offensichtlich schon ein kleines Schlaglicht gebracht. Übrigens haben auch andere Länder das Potenzial erkannt und setzen nicht nur auf Englisch als internationale Verkehrssprache. Nur zum Vergleich: Frankreich hat 250 Schulen, wir haben 117. Sie senden doppelt so viele Lehrer aus. Wenn wir unsere Rankingplätze verteidigen wollen, zum Beispiel Platz drei bei internationalen Hochschülern, dann müssen wir viel tun. So wie für international umworbene Fach- und Führungskräfte das Englische ein Muss ist, sollten wir Deutsch als Sprache zu einem Plus machen. Damit kann man nicht früh genug anfangen. Deshalb haben wir unseren Antrag zur Stärkung des Bewusstseins für den Wert unserer Auslandsschulen vorgelegt. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letzte Rednerin zu diesem Debattenpunkt erteile ich das Wort Kollegin Angelika Krüger-Leißner, SPDFraktion.

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf fast jeder meiner Auslandsdienstreisen besuche ich eine deutsche Schule. Kennste eine, kennste alle - von wegen, muss ich sagen. Diese einfache Formel geht nicht auf. Die Pestalozzi-Schule in Buenos Aires zum Beispiel arbeitet unter ganz anderen Bedingungen als die Deutsche Schule Paris. Das habe ich letzte Woche beim 50-jährigen Jubiläum in Saint Cloud feststellen müssen. Die Zusammensetzung der Schüler ist anders. In Argentinien zum Beispiel sind die meisten Schüler Einheimische. In Westeuropa bilden deutsche Schüler die Mehrheit. Natürlich unterscheiden sich die Gebäude, die Einrichtung und die Ausstattung enorm, ganz zu schweigen von den unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Situationen in den jeweiligen Ländern. In allen Auslandsschulen habe ich unglaublichen Spaß am Lernen, motivierte Schüler und Lehrer, hohe pädagogische Qualität, großes Engagement der Elternschaft und ein reiches kulturelles Leben, geprägt durch das Zusammenleben unterschiedlicher Nationen, erlebt. Darauf können wir stolz sein. Unsere deutschen Schulen sind ein starkes anerkanntes Symbol und einzigartige Orte des kulturellen Austausches. Das kann auch eine Kollegin der Linken nicht kleinreden. ({0}) Aufgrund der Vielfalt deutscher Auslandsschulen ist es wichtig, dass es den Weltverband Deutscher Auslandsschulen gibt. Er hat sich zu einem Sprachrohr der deutschen Auslandsschulen entwickelt. Er ist die Plattform, auf der über neue konzeptionelle und strukturelle Ideen diskutiert wird, die trotz der Vielfalt alle betreffen. Gemeinsam ist allen deutschen Auslandsschulen eine ähnliche Struktur. Es gibt eine Doppelspitze von Schuldirektor und Schulvorstand und damit eine klare Aufgabenteilung. Der Schuldirektor ist der pädagogische Leiter. Der Schulvorstand kümmert sich um die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen. In der Regel ist es eine gute Konstruktion, wenn alle an einem Strang ziehen. Es kann gut gehen, muss es aber nicht. Dieses Modell hat sich jetzt über 150 Jahre bewährt. Dennoch besteht für mich kein Grund, nicht weiter nach Optimierungsstrategien zu suchen. Deutsche Auslandsschulen sind die Aushängeschilder Deutschlands in der ganzen Welt und haben eine enorme Ausstrahlungskraft. Sie sind das älteste Instrument der auswärtigen Kulturpolitik und zugleich ihr Herzstück. Wir müssen also alles dafür tun, dass deutsche Auslandsschulen ihr positives Image weiter verbessern. Daher bin ich froh, dass die große Mehrheit des Hauses in diesem Punkt übereinstimmt. In Ergänzung zu dem, was meine Kollegen schon erwähnt haben, möchte ich ein Thema ansprechen, das mir ganz besonders am Herzen liegt: den Ausbau von Schulgeldermäßigung und Stipendien. Für einige Familien ist bei der Überlegung, ihre besonders begabten Kinder auf eine deutsche Schule zu schicken, das Schulgeld ein unüberwindbares Hindernis. Durch die vorgesehene Ausweitung der Stipendien und die Schulgeldermäßigungen für besonders begabte Kinder kann ein sozialer Ausgleich geschaffen werden. Damit sind Auslandsschulen eine besonders intelligente und lohnende Art der Entwicklungshilfe. Ich konnte immer wieder erfahren, dass deutsche Auslandsschulen wertvolle Netzwerke schaffen, auf die sich Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft stützen können. Daher brauchen wir in Deutschland Topabsolventen deutscher Auslandsschulen, die in Deutschland studieren und nach Abschluss auch hier bleiben. Das stärkt den Studienstandort Deutschland und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Fakt ist aber, dass die Abbrecherquote von ausländischen Studenten in Deutschland enorm hoch ist. Darum begrüße ich die „Betreuungs-Initiative Deutsche Auslands- und Partner-Schulen“ vom DAAD. Sie wird in dieser Frage Abhilfe schaffen, weil die Studierenden von Beginn an besser betreut und begleitet werden. Ich finde, das ist eine glückliche Verbindung zwischen Universitäten und deutschen Schulen im Ausland. Das wird auch dazu beitragen, unser Auslandsschulwesen langfristig zu stärken. Aus all den Facetten unseres Antrages wird klar, dass wir das Auslandsschulwesen als Leuchtturm der auswärtigen Kulturpolitik weiter ausbauen werden. Darauf freue ich mich. Danke. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/9303 mit dem Titel „Deutsches Auslandsschulwesen stärken und weiterentwickeln“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grü- nen angenommen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/8775 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen auf wissenschaftliche Grundlage stellen - Agrarischen Veredlungsstandort Deutschland sichern - Drucksache 16/8929 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({0}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen - Verflechtung zwischen den Behörden und der Agro-Gentechnik-Industrie beenden und wissenschaftliche Grundlagen verbessern - Drucksache 16/9314 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Kollegin Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen: Die Lebensmittelpreise steigen. Die Energiepreise steigen. Die Familien werden durch erhöhte Steuern belastet. - Das kann so nicht weitergehen. Die Bild-Zeitung hat in ihrer gestrigen Ausgabe einen Zehnjahresvergleich gebracht: Erhöhung der Heizölpreise um 309 Prozent, Steigerung des Preises für Joghurt um 50 Prozent und für Nudeln um 70 Prozent. Aber das Schnitzel kostet noch genauso viel wie vor zehn Jahren, obwohl die Futtermittelpreise um 30 Euro je Schwein gestiegen sind. Das heißt, die Landwirte zahlen die Zeche. Bei den Milchbauern - das wissen wir alle; wir haben die Proteste gesehen - sieht es genauso aus. Milchbauern und Schweinehaltern muss geholfen werden. Die Futtermittelkosten sind explodiert, die Energiepreise drastisch gestiegen. Die Symbolpolitik von Minister Seehofer richtet da nichts aus. Die Tierhaltung in Europa und in Deutschland ist auf den Import von eiweißhaltigen Futtermitteln angewiesen. Erbsen und Rapsschrot können Sojaschrot nur zu einem sehr kleinen Teil ausgleichen. Der britische EUKommissar Peter Mandelson hat bereits im letzten Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass in den USA, Kanada, Argentinien und Brasilien gentechnisch veränderte Sorten angebaut werden, die keine Zulassung für den Import nach Europa haben. Das bedeutet zum einen eine erhebliche Verknappung von Sojaprodukten von zugelassenen Sorten. Das bedeutet zum anderen die gestiegene Möglichkeit, dass dem importierten Sojaschrot geringfügige Mengen von in Europa nicht zugelassenen Sorten beigemengt ist, und zwar unabhängig davon, ob das Sojaschrot aus gentechnisch veränderten oder aus konventionell gezüchteten Sorten hergestellt wurde. Beides führt zur Verteuerung der Importe, zur Verteuerung von Sojaschrot aus konventionell gezüchtetem Soja wie auch von gentechnisch verändertem Soja, führt zur Verteuerung der Tierhaltung und zur Verteuerung der Lebensmittel. Das kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand wollen. ({0}) Mandelson sieht die Gefahr, dass die Schweine- und Geflügelproduktion in Europa um 30 Prozent gemindert und gleichzeitig der Import von Schweine- und Geflügelfleisch erhöht wird. Dabei handelt es sich - darüber müssen wir uns im Klaren sein - um Importe von Tieren, die mit genau den gentechnisch veränderten Sorten gefüttert wurden, deren geringfügige Beimengung in der EU zurzeit verboten ist. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation ist nicht aussichtslos, wenn denn der politische Wille, zu handeln, vorhanden ist. Bis zum 18. April 2007 galt in der EU ein Toleranzschwellenwert von 0,5 Prozent für von der EFSA geprüfte Sorten. Wir wollen, dass dieser Toleranzschwellenwert wieder eingeführt wird; denn wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. ({1}) Die Schweiz hat bereits reagiert und einen Toleranzschwellenwert eingeführt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schweiz deshalb ihren Status als beliebtes Urlaubsland verliert. Die Nulltoleranz ist ausschließlich ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Labore. Sie treibt die Kosten in die Höhe, ohne dass die Verbraucherinnen und Verbraucher davon irgendeinen Nutzen haben. Liebe Kollegin Behm, ich erinnere mich noch sehr gut an den Antrag der Grünen, in dem Sie forderten, nicht zugelassene Farbstoffe zum Färben von Ostereiern zu verwenden. Dem haben wir damals zugestimmt. Hier ist es genauso: Niemand erleidet dadurch einen Schaden. ({2}) Die Abschaffung der Nulltoleranz reicht aber nicht aus. Wir brauchen auch die gegenseitige Anerkennung der Zulassung, sofern die Zulassungsverfahren definierten Standards genügen. Dass die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten, die alle Hürden des Zulassungsverfahrens übersprungen haben, in der EU verweigert wird, ist eine mittelalterliche Vorgehensweise. Das heliozentrische Weltbild konnte durch ideologisch begründete Verbote nicht aufgehalten werden. Auch die Gentechnik werden wir dadurch nicht aufhalten. ({3}) Es gibt keine Alternative zu einem Zulassungsverfahren, das sich ausschließlich an den Ergebnissen der Wissenschaft orientiert. Minister Seehofer sagt oft, dass er dafür eintritt. Doch bei seinen Abstimmungen im Agrarministerrat orientiert er sich nicht an den Gutachten der EFSA und der ZKBS. Minister Seehofer handelt unehrlich. Rechts blinken und links abbiegen, das führt zu Unfällen; das wissen wir alle. Die in Deutschland erbittert geführte Debatte um die Nutzung der Grünen Gentechnik erinnert an Don Quichottes Kampf gegen die Windmühlen. Wie die Windmühlen zur Zeit Cervantes Arbeitserleichterungen und bescheidenen Wohlstand brachten, so dient die biotechnologische Pflanzenzüchtung heute der Verbesserung der landwirtschaftlichen Erträge, der Gewährleistung der Nachhaltigkeit der Wirtschaft und insbesondere in den Schwellenländern dem Aufbau der Wirtschaft und der Bekämpfung der Armut. Die Gentechnik ist eine Züchtungsmethode, die sich - hier bin ich mir mit sehr vielen Kollegen in diesem Hause einig - auf vielen Gebieten bewährt hat: bei der Züchtung von Mikroorganismen zur Herstellung von Arzneimitteln, Vitaminen und Aminosäuren und bei der Züchtung von Kulturpflanzen, die auf 114 Millionen Hektar weltweit angebaut werden. Die Universalität des genetischen Codes ist die Grundlage für eine erfolgreiche Anwendung dieser Züchtungsmethode. Anders als die meisten Touristen, die China besuchen und kein chinesisches Schriftzeichen deuten können - ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht -, kann die Pflanzenzelle die Information eines Bakteriumgens lesen und umsetzen. Genauso können Bakterien die Information eines menschlichen Gens lesen und umsetzen, wie das Beispiel Insulin zeigt. Das heißt, es gibt keine Alternative dazu, dass auch wir in Deutschland uns mit der Gentechnik beschäftigen und der Grünen Gentechnik zum Durchbruch verhelfen. ({4}) Den Antrag der Grünen lehnen wir ab. Er ist ein Antrag der Ohnmacht. Da die Weltsicht der Grünen keine Bestätigung findet, wollen Sie nun Rache an denen üben, deren wissenschaftliche Sichtweise sich weltweit durchgesetzt hat. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein ganz mieser politischer Stil. ({5}) - Liebe Kollegin, ich finde, es ist nicht zum Lachen, in welcher Weise Sie mit den Beamten umgehen. ({6}) Die Tatsache, dass Gutachten unsere tägliche Erfahrung bestätigen, dass die Züchtungsmethode Gentechnik sicher ist, schmälert ihren Wert nicht. Wir mussten gerade erst zur Kenntnis nehmen, dass zwei Gutachten, in denen die angeblichen Gefahren der Handystrahlung belegt werden sollten, gefälscht waren. Dieses Beispiel zeigt: Zur strikten Orientierung an wissenschaftlichen Ergebnissen gibt es keine Alternative. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Max Lehmer, CDU/CSUFraktion. ({0})

Dr. Max Lehmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003798, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung in den vorliegenden Anträgen, die Zulassung von GVO auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen, kann ich inhaltlich nur unterstützen. ({0}) Wissenschaftliche Erkenntnisse und Bewertungen sind elementare Grundlagen für politische Entscheidungen, insbesondere im Zusammenhang mit Regelungen zur Zulassung und Anwendung neuer Technologien. Ich möchte kurz zu einigen Aussagen im Antrag der Grünen Stellung nehmen. Das Vorsorgeprinzip ist prinzipiell richtig. Vorsorgemaßnahmen müssen aber auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse hin geprüft sein. Willkürliche Maßnahmen haben auch hier nichts zu suchen; sie sind nicht zielführend. ({1}) Zum oft angesprochenen Problem der Auskreuzung: Das ist ein Prinzip der Natur. Auch mit herkömmlichen Methoden veränderte Organismen sind nach der Freisetzung nicht mehr rückholbar. ({2}) Die übertragenen genetischen Eigenschaften sind nicht per se als Verunreinigung oder Kontamination einzustufen. Kulturpflanzen besitzen eine Vielzahl von genetischen Eigenschaften, die nicht immer unmittelbar genutzt werden. Deshalb spricht man dennoch nicht von verunreinigten Pflanzen. Die Gefahr von Schäden an Umwelt, Tieren oder menschlicher Gesundheit ist Inhalt der wissenschaftlichen Prüfungen, die von uns selbstverständlich vollinhaltlich mitgetragen werden, und der in den gesetzlichen Anbauregeln festgelegten Begleitmaßnahmen. Nationale Schutzmaßnahmen, zu denen immer wieder Stellung genommen wird, sind nach EU-Recht prinzipiell möglich; das ist richtig. Allerdings müssen diese auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Diese liegen bisher nicht vor. Mit der zuständigen EFSA und dem GMO-Panel hat die EU bereits ein wissenschaftlich arbeitendes Gremium. ({3}) Seine Mitglieder kommen aus den EU-Mitgliedstaaten und sind ausgewiesene Forscher und Experten auf dem Gebiet der Gentechnologie. Zudem haben wir in der EU das weltweit strengste Zulassungsverfahren. Daran kann es keinen Zweifel geben. Das Problem ist vielmehr, dass bei den Abstimmungen über GVO-Zulassungen im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit und im Agrarministerrat nicht allein die wissenschaftlichen Expertisen der EFSA ausschlaggebend sind, sondern letztlich politisch entschieden wird. Wissenschaftlich komplexe Entscheidungen dürfen aber nicht nach Stimmungslage getroffen werden. ({4}) Maßgebend müssen die wissenschaftlichen Erkenntnisse sein. ({5}) Die Politik hat die wichtige Aufgabe, die Entscheidungskriterien, die Sicherheitsstandards und insgesamt den Rahmen für Zulassung und Anwendung gentechnisch veränderter Pflanzen vorzugeben. Es darf nicht sein, dass Zulassungen von GVO, die die politisch vorgegebenen Anforderungen erfüllen, trotzdem auf politischem Wege abgelehnt werden. Dies widerspricht völlig einem notwendigen verlässlichen Rahmen- und Regelwerk, das für eine forschende und auf Innovation angewiesene Wirtschaft unverzichtbar ist. ({6}) Lassen Sie mich kurz auf einige Ansatzpunkte für Verbesserungen des Zulassungsverfahrens eingehen. Bundesminister Seehofer hat in den vergangenen Monaten zu Recht Änderungen angemahnt. Auch die FDP spricht die gesamte Problematik in ihrem Antrag sehr sachgerecht und umfassend an. Einer der zentralen Ansätze muss die Verkürzung der Verfahrensdauer sein. Der forschenden Industrie entstehen Millionenschäden, weil Unternehmen zum Teil Jahre auf eine Entscheidung über ihren Zulassungsantrag warten müssen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen aus diesem Bereich sind auf ein verlässliches Verfahren angewiesen, weil sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um ein langgestrecktes Verfahren durchzustehen. ({7}) International sind wir so nicht wettbewerbsfähig, da außerhalb der EU wesentlich schneller entschieden wird. Im Übrigen - es ist mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen - belasten generell überhöhte Forderungen kleinere und mittelständische Unternehmen besonders stark, und sie begünstigen indirekt den - auch von mir - unerwünschten Trend zu einer Monopolisierung. ({8}) Wegen der mangelnden Entscheidungsfähigkeit auf EU-Ebene kommt es dazu, dass Mais- und Sojaprodukte wegen geringster GVO-Spuren nicht eingeführt werden dürfen oder vernichtet werden müssen, obwohl die betreffenden GVO von der EFSA bereits als sicher bewertet wurden und in Drittländern sogar schon zugelassen sind. Negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit mit Futtermitteln für die Tierernährung sind so unvermeidbar. Auch die Saatgutwirtschaft bekommt die Folgen bereits zu spüren. Die Saatgutproduktion ist inzwischen ein globales Geschäft, und die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigter GVO-Spuren wächst. Durch die immer noch fehlenden Saatgutschwellenwerte wird das Problem zusätzlich verschärft. Als Schlussfolgerung ist festzustellen, dass die Einführung einer verbindlichen Frist, innerhalb derer die KOM nach Abschluss des Verfahrens über eine Zulassung endgültig entscheiden muss, dringend notwendig ist. Zum Vergleich: Bei der Arzneimittelzulassung hat die Kommission innerhalb von 15 Tagen nach Abschluss des Verfahrens zu entscheiden. Hieran könnte man sich bei der GVO-Zulassung orientieren. ({9}) In den vergangenen Jahren wurde auch oft eine stärkere Einbindung der Mitgliedstaaten in das Zulassungsverfahren der EU gefordert. Die EFSA hat hierauf bereits reagiert und verschiedene Verbesserungen auf den Weg gebracht. Sie setzt sich bereits seit der Ankündigung von Kommissar Dimas 2006 verstärkt mit den Einwänden von Mitgliedstaaten im Zulassungsverfahren auseinander. Seitdem wird von der EFSA verstärkt auf potenzielle Langzeitwirkungen und Fragen der biologischen Vielfalt eingegangen. Sie hat für dieses Jahr angekündigt, dass das GMO-Panel einen beträchtlichen Teil seiner Ressourcen für die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten verwenden wird. Des Weiteren will man seine Risikobewertungen transparenter machen und detailliert auf Fragen und Bedenken antworten. Ich denke, das ist sehr begrüßenswert. Die stärkere Einbindung nationaler Institutionen wie BVL, BfR und auch von deutschen Universitäten ist ausdrücklich zu begrüßen. Dies kann sicherlich einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens in die Zulassung von GVO leisten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verweist in ihrem Antrag auf eine Studie als Beleg für angebliche Verflechtungen. Die vom ehemaligen Greenpeace-Mitarbeiter Christoph Then im Auftrag von Frau Höfken verfasste Studie „Kontrolle oder KollaboraDr. Max Lehmer tion - Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden“ enthält viele inhaltliche Fehler und wiederholt längst widerlegte falsche Behauptungen. So stellt zum Beispiel die Antwort der Bundesregierung auf die Frage von Bündnis 90/Die Grünen in der Fragestunde vom 18. Oktober 2006 klar, dass Professor Dr. Jany nicht an Zulassungen für transgene Pflanzen oder Lebensmittel und an der Auswertung von Daten hierfür beteiligt ist. Ebenso wurde eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Aktivitäten widerlegt. Trotzdem wird diese Behauptung in der Studie erneut aufgestellt. Bezeichnend ist dagegen, dass diese Studie eine Auftragsarbeit von Herrn Then für Frau Höfken ist. Herr Then war bei Greenpeace zuständig für Gentechnik. Sein Bericht wurde von den Greenpeace-Anwälten in ihrer Klageschrift gegen MON 810 bereits als Beweismittel aufgeführt, lange bevor er veröffentlicht wurde. Das ist sehr bemerkenswert. So viel zum Thema Verflechtungen. Die Zusammenarbeit mit forschender Industrie ist immer wieder Gegenstand von Kritik im Sinne von unerlaubter Einflussnahme. Dazu ist festzustellen, dass der überwiegende Teil innovativer Forschungsergebnisse aus allen Bereichen in Deutschland aus der industriellen Forschung kommt. Forschende Firmen investieren erhebliche Mittel aus ihren Gewinnen für zukunftsweisende Innovationen. Dies ist aus volkswirtschaftlicher Sicht ausdrücklich zu begrüßen. Es ist sinnvoll und notwendig, einen wissenschaftlichen Dialog zwischen staatlichen Stellen, Universitäten und industriellen Forschungseinrichtungen zu führen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass dabei Neutralität und Objektivität voll gewahrt bleiben müssen. Ausdrücklich sei festgestellt, dass wir keinerlei Verflechtungen wollen. Die Nutzung aller - ich betone: aller - wissenschaftlichen Ressourcen ist Grundlage für den hohen wissenschaftlichen Standard und technologischen Stand unseres Landes. Deshalb ist der Antrag der Grünen abzulehnen. Wir werden unsere politischen Entscheidungen weiter konsequent auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gründen. Vielen herzlichen Dank. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollegin Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Das Zulassungsverfahren für genetisch veränderte Organismen steht schon seit langem in der Kritik. Das haben selbst die EU-Kommissare Kyprianou und Dimas zu Protokoll gegeben. Agrogentechnikindustrie und Lobbyverbände behaupten immer wieder, transgene Pflanzen seien die am besten untersuchten Pflanzen, und fragen, was wir denn noch mehr wollen. Die Linke sagt: Wir wollen mehr. Aber das, was wir fordern, ist eigentlich selbstverständlich. Denn wir fordern ein sicheres, transparentes und demokratisches Zulassungsverfahren. Dass es in diesem Punkt Defizite gibt, hat selbst Kollege Lehmer eben festgestellt. Die Gesellschaft muss sich darauf verlassen können, dass Gefahren nach menschlichem Ermessen vermieden werden. Ohne diese Sicherheit dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht erlaubt werden, weder auf dem Acker noch im Tank oder im Futtertrog. Die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei müssen vor Schaden bewahrt werden, und zwar langfristig. ({0}) Das hat für uns Linke klaren Vorrang. Die FDP fordert in ihrem Antrag, das Zulassungsverfahren auf wissenschaftliche Grundlagen zu stellen. Wer mag diesem Anspruch widersprechen? Ich habe als Tierärztin selbst lange Jahre wissenschaftlich gearbeitet und weiß, wovon ich rede. Deshalb muss ich bei dem Antrag der FDP doch den Kopf schütteln. Erstens. Die EU-Zulassungsbehörde EFSA ist alles andere als unumstritten. Die Mitglieder der EFSA stehen seit Jahren in Verdacht - zumindest einige -, nicht unabhängig zu sein. Aber gerade Neutralität ist Voraussetzung für eine wissenschaftliche Bewertung. Zweitens. Im Zulassungsverfahren für genetisch veränderte Pflanzen werden viele wichtige Fragen ausgeblendet. Nehmen wir als Beispiel den genetisch veränderten Mais, der ein Gift gegen den Maiszünsler produziert. Dieser Mais darf in Deutschland kommerziell angebaut werden. Aber es fehlen Langzeitstudien zur Wirkung auf sogenannte Nichtzielorganismen, also zum Beispiel auf andere Insekten. Es fehlen genauere Untersuchungen der Auswirkungen auf Bodenleben, Fauna und Flora. Wir wissen wenig über die Anreicherung des Giftes im Boden oder in Oberflächengewässern. Wir wissen nicht einmal genau, wie viel Gift verschiedene Maispflanzen produzieren. Auch wissen wir wenig über die Auswirkungen der genetischen Veränderungen auf die Eiweißstruktur. Eine genetische Struktur ist ja das, was dann als Eiweiß entsteht. Drittens. Es ist ausdrücklich ein Fehler, eine Risikotechnologie wie die Agrogentechnik rein wissenschaftlich zu bewerten. ({1}) Die Politik hat die Verantwortung, gesellschaftliche Debatten aufzunehmen und transparente Entscheidungsprozesse zu organisieren. Genau deswegen ist es wichtig, dass auch in Zukunft alle mitreden - Politikerinnen und Politiker, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer, Umweltschützerinnen und Umweltschützer sowie Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft -, wenn es um die Zulassung von genetisch veränderten Pflanzen geht. Schon das sind drei gute Gründe, dem Antrag der FDP nicht zuzustimmen. Die Linke lehnt aber auch die Aufhebung der Nulltoleranz gegenüber genetisch veränderten Pflanzen ab, die in der EU nicht zugelassen sind. Gerade diese Nulltoleranz dient nämlich der Gefahrenabwehr. Wenn gentechnikfrei produziertes Soja auf dem Weltmarkt knapp wird, gibt es andere Auswege aus dem drohenden Engpass bei Eiweißfuttermitteln. ({2}) Erstens können Futtermittel - manche scheinen dies vergessen zu haben - regional hergestellt werden: Futter aus Brandenburg statt aus Brasilien stellt auch eine Chance zur Unabhängigkeit dar. ({3}) Zweitens wird die gentechnikfreie Erzeugung von Futtermitteln zum Beispiel durch die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ für Fleisch und Milch von gentechnikfrei gefütterten Nutztieren attraktiver, die jetzt endlich eingeführt wird. Ich halte dies für einen sehr wichtigen Schritt. Der Antrag der Grünen macht auf die personellen Verflechtungen von Zulassungs- und Überwachungsbehörden und der Agrogentechnikindustrie bzw. ihren Lobbyverbänden auch in Deutschland aufmerksam. Wir unterstützen die Forderung an die Bundesregierung, hier schnellstens aktiv zu werden. Eine gesicherte Entflechtung von Kontrolle und Kontrollierten ist aus unserer Sicht die Voraussetzung für die dringend notwendige unabhängige wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung. Dies gilt erst recht bei einer Risikotechnologie wie der Agrogentechnik. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Der erkrankte Kollege Matthias Miersch hat seine Rede zu Protokoll gegeben1). Damit hat jetzt Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- nen und Kollegen! Liebe Gäste! Dies ist eine spannende Debatte, die wir sicherlich auch weiterhin noch in allen Einzelheiten führen werden. Der Titel des Antrags der FDP lautet: „Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen auf wissenschaftliche Grundlage stellen“. So weit gehen wir bei diesem Antrag mit; diese Forde- rung unterstützen wir mit Nachdruck. Aber genau hier fängt das Problem an, und an dieser Stelle endet auch schon die Gemeinsamkeit. Wir sehen, dass die Unabhän- gigkeit und Glaubwürdigkeit der behördlichen Zulas- sungsentscheidungen infrage steht. Deswegen habe ich auch diese Studie in Auftrag gegeben. - Ich lege mein Redemanuskript beiseite und gehe auf das ein, was die Kolleginnen und Kollegen vor mir gesagt haben. In der letzten Woche war ich in Bonn bei der COP und der MOP, den Verhandlungen zur biologischen Si- cherheit und zu den Biodiversitätsabkommen, bei denen 1) Anlage 10 auch die Frage der Agrogentechnik eine Rolle gespielt hat. Bei solchen Veranstaltungen gibt es immer Side Events, auf denen dann auch unsere Behördenvertreter live auftauchen, allerdings als NGOs, erkennbar an dem rosafarbenen Badge. Sie vertreten dort ihre Argumente und machen dort Politik. Ich habe überhaupt nichts gegen eine Gesprächsbasis mit der Industrie, auch nichts gegen eine Zusammenarbeit und Abstimmung. In dem Moment aber, in dem die Distanz so offenkundig fehlt, wird es problematisch. Angesichts dessen kann man als Parlamentarier auch nicht mehr den Bewertungen vertrauen, die uns diese Behördenvertreter in den Anhörungen der Ausschüsse geben. Wir alle - das gilt auch für die Kollegen und Kolleginnen der SPD - haben uns oft fragen müssen, wie solche Positionen zustande kommen. Wir haben auf solchen „Events“ - so nenne ich die UNKonferenzen einmal - oft erleben können, wie diese enge Verflechtung dokumentiert wurde. Im Moment geht es um das Risk Assessment, das heißt, um die Risikoabschätzung und die entsprechende Argumentation. Wir mussten erleben, wie Detlef Bartsch, der im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für Koexistenz und für Monitoring zuständig ist, im Rahmen des Panel on GMO der EFSA jetzt gemeinsam mit Vertretern von Monsanto, DuPont Crop, Syngenta, BASF und einer Vielzahl von US-Firmen in einem gemeinsamen Artikel nichts anderes zum Ziel hatte, als - ich formuliere das einmal vorsichtig - zu verhindern, dass es zu einer unabhängigen Bewertung, nämlich zu einer Bewertung außerhalb der von der Industrie vorgelegten Daten kommt. So kann man das Papier, das dort vorgelegt wurde, treffend umschreiben. Von der BBA bzw. vom Julius-Kühn-Institut, das jetzt Einvernehmensbehörde ist, war Herr Joachim Schiemann anwesend. Er vertritt Positionen, die sich meines Erachtens nicht darauf richten, den geltenden Gesetzen zur Umsetzung zu verhelfen, sondern in eine völlig andere Richtung gehen. Es sind daher Zweifel angebracht, ob die Risikobewertungen geeignet sind, unseren Entscheidungen Glaubwürdigkeit zu verleihen. ({0}) Ein letzter Satz. Wir alle haben Feldzerstörungen abgelehnt. Wir stehen allerdings in der Verantwortung: Die Entscheidungen, die wir treffen, müssen glaubwürdig sein. Nur dann können wir unsere Positionen vertreten, nur dann können wir die Menschen für unsere Positionen gewinnen. Wir fordern mit unserem Antrag die Bundesregierung, Minister Seehofer auf, die Verflechtungen offenzulegen und einen Verhaltenskodex zu entwickeln, mit dem die nötige Transparenz der Arbeit der Regierung und der Zulassungsbehörden hergestellt wird. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/8929 und 16/9314 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer ({1}), Monika Knoche, Inge Höger, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE Für ein sofortiges Verbot von Streumunition in Deutschland - Drucksachen 16/7767, 16/9152 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Uta Zapf Wolfgang Gehrcke Marieluise Beck ({2}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Andreas Weigel, SPD-Fraktion, das Wort.

Andreas Weigel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003656, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Linken zeichnet ein verfälschtes, realitätsfernes Bild. Die Schlüsse, die die Linke in ihrem Antrag zieht, sind angesichts des Verlaufs der Dubliner Konferenz in den letzten Tagen nicht zu halten. Sie wollen eine Politik mit der Brechstange. So funktioniert Politik nicht. Wäre unsere Verhandlungsdelegation Ihrem Rat gefolgt, stände sie heute mit leeren Händen da. Tatsächlich ist in Dublin ein formelles Übereinkommen geschlossen worden, über das wir alle sehr froh sind. Die Bundesregierung bezeichnet diese Vereinbarung zu Recht als Meilenstein für die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts. Erhebliche Verdienste am Zustandekommen dieser Vereinbarung hat die Verhandlungsdelegation der Bundesrepublik Deutschland. Bereits als wir Ihren Antrag im Januar dieses Jahres in erster Lesung beraten haben, habe ich darauf hingewiesen, dass Teile Ihres Antrages respektlos sind, respektlos gegenüber den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die in ein zweifelhaftes Licht gerückt werden, aber auch respektlos gegenüber der deutschen Diplomatie, die sich in den letzten Monaten engagiert für die Ächtung von Streumunition eingesetzt hat. Sie behaupten in Ihrem Antrag, Deutschland verweigere sich und blockiere die Verhandlungen. Das stimmt nicht, wie wir dieser Tage sehen. Ganz im Gegenteil: Deutschland hat eine Vorreiterrolle übernommen, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb der UN-Verhandlungen. Die Einigung von Mittwochabend wurde heute Vormittag formell verabschiedet. Das ist ein großer Erfolg und ein wichtiger Impuls zur Wiederbelebung internationaler Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. ({0}) Diese Vereinbarung erhöht den Druck auf die Staaten, die bislang außen vor sind. Die Vereinigten Staaten haben sich an diesen Verhandlungen nicht unmittelbar beteiligt. Sie haben auf unsere Partner Einfluss genommen, sich nicht am Vertragsabschluss zu beteiligen. Dennoch ist eine Einigung erzielt worden. Sie wird von wichtigen NATO-Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Kanada, Spanien und Deutschland mitgetragen. Aber auch Japan sowie zahlreiche afrikanische und lateinamerikanische Länder haben sich der Vereinbarung angeschlossen. Dies ist ein wichtiges Signal für die angestrebte Universalisierung dieses Abkommens. ({1}) Der Vertragstext von Dublin wurde heute von allen 111 beteiligten Staaten angenommen. Damit stehen wir vor einem umfassenden Verbot von Streumunition. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich dafür bereits seit langem eingesetzt. Wir haben in den letzten Monaten mehrere Angebote und Vorschläge zum Beispiel zu einem Moratorium und Übergangsfristen gemacht. Wir haben uns darüber hinaus bei der Blindgängerquote und den Ausnahmeregelungen deutlich positioniert. Wir können froh und dankbar sein, dass dies so aufgenommen wurde. Wir haben in Dublin erreicht, dass zum Beispiel die Streumunition M85 mit sofortiger Wirkung verboten wird. Diese Munition kam im Libanon-Krieg 2006 zum Einsatz und hatte verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Wir begrüßen außerdem, dass die Vereinbarung eine umfassende Regelung zur Opferbeihilfe vorsieht. Der Vertrag soll des Weiteren rückwirkend in Kraft treten und beinhaltet die Verpflichtung zur Räumung von Munition, die in der Vergangenheit verschossen worden ist. Außerdem unterliegt der Einsatz von Punktzielmunition einer ganzen Reihe rechtlicher Beschränkungen. Der Vertragstext berücksichtigt sicherlich militärische Notwendigkeiten, stellt aber das humanitäre Völkerrecht in den Vordergrund. An vielen Textstellen hat sich Deutschland ganz entscheidend eingebracht und dazu beigetragen, dass ein ausgewogener Kompromiss erzielt wurde. Die deutsche Delegation hat unter Federführung des Auswärtigen Amtes klug bei diesen Verhandlungen Schritt für Schritt zu diesem Ergebnis beigetragen. Das Urteil vieler unabhängiger Beobachter lautet, dass sich Deutschland als Vorreiter eingebracht hat. Ich möchte außerdem Norwegen für seine Initiative besonders loben. Ohne Norwegen wäre dieser Prozess überhaupt nicht in Gang gekommen. Darüber hinaus gilt es, dem zivilgesellschaftlichen Netzwerk großen Respekt zu zollen. Nichtregierungsorganisationen wie Handicap International, Aktionsbündnis Landmine.de und Human Rights Watch haben maßgeblich zum Erreichen des Ziels beigetragen, das wir heute gemeinsam feiern können. ({2}) Dies erfolgte in engem Schulterschluss mit uns Parlamentariern. Das ist ein gutes Signal für die Arbeit des Parlamentes. Jetzt geht es darum, die Ergebnisse zügig umzusetzen. Gemeinsam haben die Minister Steinmeier und Jung gestern erklärt, dass Streumunition mit sofortiger Wirkung aus dem Verkehr gezogen wird. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Munition wird vernichtet und entsorgt, aber das wird noch einige Zeit dauern. Die Bundesregierung wird Anfang Dezember in Oslo die Vereinbarung unterzeichnen und ratifizieren. Es wird das vorrangige Ziel sein, bis dahin viele Staaten dazu zu bringen, diesem Abkommen beizutreten, insbesondere Staaten, die noch umfangreiche Arsenale von Streumunition haben wie die Vereinigten Staaten, China, Russland, Indien, Pakistan, Israel und auch Brasilien. Es ist wichtig, dass wir weiterhin eine Doppelstrategie verfolgen. Überzeugungsarbeit ist notwendig. Wir brauchen eine universale Gültigkeit dieser Vereinbarung, sowohl innerhalb als auch außerhalb des UN-Rahmens. Der Bundestag hat die Regierung 2006 aufgefordert, Schritt für Schritt eine völkerrechtliche Ächtung von Streumunition herbeizuführen. Diesem Ziel sind wir jetzt ein ganzes Stück nähergekommen. Das Parlament hat die Verhandlungen eng begleitet. Wir haben in einer Reihe von parlamentarischen Debatten, aber auch von Berichterstattergesprächen und Anhörungen dazu beigetragen, die Regierung zu ermutigen, unsere politische Sicht mitzutragen. ({3}) Wir werden auch, lieber Kollege Winfried Nachtwei, die weitere Entwicklung eng und kritisch begleiten und auf ein hohes Maß an Transparenz drängen. Es muss Transparenz und zeitnahe Information über Munitionserprobungen und Neuentwicklungen geben. Punktzielmunition ist nicht gleichzusetzen mit Streumunition. Der Dubliner Text nennt klare Kriterien für Einschränkungen. Gemäß den Empfehlungen des Internationalen Roten Kreuzes sind diese Einschränkungen die Limitierung der Sprengkörperanzahl, das Gewicht, Zielerkennungsvorrichtungen sowie Deaktivierungs- und Selbstzerstörungsmechanismen. Die Regierung steht diesbezüglich gegenüber dem Parlament in der Pflicht. Wir werden darauf drängen, dass das Verteidigungsministerium dieser Pflicht nachkommt. Das Parlament hat hier eine Funktion als unabhängiges Kontrollorgan. Wir fordern regelmäßig gesicherte und detaillierte Nachweise über die Erfüllung der Kriterien durch die Bundesregierung. Der Bundestag wird die beschlossene Außerdienststellung, den Verbleib sowie die Vernichtung von Streumunition bei der Bundeswehr verfolgen. Wir sollten im Parlament in den kommenden Wochen darüber beraten, wie der gesetzliche Rahmen für ein Moratorium aussieht, wie der Finanzrahmen für die Vernichtung und für die internationale Opferbeihilfe gestaltet werden soll und ob wir eine Ergänzung des jährlichen Abschlussberichts um einen Passus vornehmen, der die Außerdienststellung und Vernichtung von Streumunition klar dokumentiert und begleitet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein guter Tag, den wir heute feiern können. Wir stehen allerdings nicht am Schluss unserer Bemühungen, sondern haben erst ein Stück des Weges hinter uns gebracht. Ich danke allen, die daran beteiligt waren, und freue mich auf eine weiterhin möglichst breite engagierte Arbeit im Parlament an diesem Thema. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Der Kollege Florian Toncar, FDP-Fraktion, hat seine Rede zu Protokoll gegeben1). Damit erhält jetzt Holger Haibach, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Holger Haibach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der Erfin- dung von Streubomben sind nach Schätzung vieler Organisationen mindestens 100 000 Menschen Blind- gängern zum Opfer gefallen. Jedes Jahr, so ist die Schät- zung, sind es zwischen 15 000 und 20 000 mehr. Das sind furchtbare Zahlen, und jeder, der durch eine Streu- bombe gestorben ist, ist ein Toter zu viel. Insofern kann man dem Kollegen Weigel nur zustim- men, wenn er sagt, dass heute ein guter Tag ist. Es ist ein guter Tag, weil wir einen wichtigen Schritt gemacht ha- ben, hin zu einer humaneren Gesellschaft, zu einer Wei- terentwicklung des humanitären Völkerrechts. Darüber sollten wir froh sein. Ich kann auch nur zustimmen, wenn das Auswärtige Amt sagt, es ist sozusagen ein Meilenstein bei der Ent- wicklung des humanitären Völkerrechts. Dass die Bundesregierung am Ende des Tages mit Siebenmeilenstiefeln auf diesen Kompromiss zuspaziert ist, hat sicherlich sehr viel damit zu tun, dass viele enga- giert mitgearbeitet haben, die Position der Bundesregie- rung zu stärken und vielleicht auch an der einen oder an- deren Stelle zu konkretisieren. Ich denke, da ist neben der wertvollen Arbeit der Nichtregierungsorganisationen noch etwas hervorzuheben, was wir selten machen, näm- lich die Rolle des Parlaments. Herr Kollege Weigel ist schon darauf eingegangen. Er kann sich schlecht selber loben. Ich glaube, der Brief, den er und unser Kollege zu Guttenberg, der heute leider nicht da sein kann, an die beiden zuständigen Minister geschrieben haben und der noch einmal deutlich gemacht hat, dass auch wir seitens der Koalitionsfraktionen eine gewisse Erwartung haben, was dieses Thema betrifft, war von großer Wichtigkeit und zeigt, dass das Parlament jenseits der Frage von Op- position und Regierung in der Lage ist, selbstständig zu handeln. 1) Anlage 11 ({0}) Natürlich ist es auch ein gutes Signal, dass sehr viele größere Staaten wie Großbritannien und Frankreich bei dieser Konferenz anwesend waren und sich vorstellen konnten, diesem Kompromiss näherzutreten. Wenn jetzt alle 111 Staaten, die an der Konferenz teilgenommen haben, das Schlussdokument gezeichnet haben, dann ist das im wahrsten Sinne des Wortes ein wirklich guter Tag. Aber auch das ist richtig: Wir sind auf dem Weg, nicht am Ende des Weges. Was den Antrag der Linken betrifft, so übersieht er eben - auch das ist schon angeklungen -, dass wir nicht allein diejenigen sind, die das Heft des Handelns in der Hand haben. Wir müssen schon sehen, wie wir in irgendeiner Form diejenigen, die nicht in Dublin dabei waren, überzeugen können, sich uns auf diesem richtigen Weg anzuschließen. Es gibt insgesamt 34 Länder, die Streumunition herstellen. Die größten Produzenten - Russland, China, USA, Israel und Pakistan - waren alle nicht da. All diese Länder haben sich nicht an dem Kompromiss beteiligt. Es wird sehr viel Überzeugungsarbeit bedeuten, um diesen Dubliner Prozess in die UN zu tragen - das wird aber notwendig sein -, um auf die Dauer - nur das kann unser Ziel sein - alle an dieser ganzen Auseinandersetzung zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass das, was in Dublin verhandelt worden ist, weltweit Standard wird. ({1}) Ich begrüße es sehr, dass sich die Bundesregierung jetzt dazu durchgerungen hat, die Position einzunehmen, 97 Prozent - darum geht es - der im Bestand der Bundeswehr befindlichen Streumunition oder Munition, die nach diesem Prinzip funktioniert - Herr Kollege Weigel hat erklärt, worin der Unterschied zwischen der einen und der anderen Munition liegt -, zu vernichten. Dass dies eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird und dass wir das parlamentarischerseits vernünftig begleiten müssen, liegt, soweit ich das überblicken kann, auf der Hand. Das wird sicherlich auch in Zukunft im Auswärtigen Ausschuss, im Verteidigungsausschuss und im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung eine wichtige Aufgabe sein; denn wir können nur dann glaubwürdig agieren, auch gegenüber denjenigen, die jetzt nicht in Dublin waren, wenn wir unsere eigenen Aufgaben ernst nehmen und unsere Hausaufgaben machen. Ich denke, auch da haben wir als Parlament durchaus eine wichtige Aufgabe. Insofern können wir konstatieren: Wir sind ein gutes Stück des Weges vorangekommen. Es ist wirklich ein guter Tag. Wir haben noch sehr viel zu tun. Wir werden in Zukunft im Parlament sehen müssen, wie wir weiterhin mit diesen Fragen umgehen. Da ich weiß, dass es der eine oder andere etwas eiliger hat, schenke ich Ihnen die restlichen vier Minuten meiner Redezeit. Ich denke, zu diesem Thema ist alles gesagt. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit hat Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die Linke, das Wort. ({0})

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass sich jetzt in Dublin über hundert Staaten bereit gefunden haben, die Streubomben grundsätzlich zu ächten. Waffen, die vor allem Zivilisten töten, müssen aus den Rüstungsarsenalen verschwinden. ({0}) Es ist auch gut, dass man sich darauf geeinigt hat, diese Mordwerkzeuge nicht in ferner Zukunft und nicht in Stufen, sondern unverzüglich außer Dienst zu stellen. Es ist weiterhin wichtig und gut, dass es erstmals in einem solchen Vertrag gelungen ist, Hilfe und Unterstützung für die Opfer dieser Waffen sehr grundsätzlich und sehr ausführlich zu regeln. Aber wie bei den Landminen hat sich gezeigt: Ohne den Druck der Zivilgesellschaft tut sich nichts. ({1}) Deshalb muss der Dank und unser Glückwunsch vor allem an all die beteiligten Aktiven und Organisationen der Cluster Munition Coalition gehen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, überhaupt dieses Rad ins Rollen zu bringen. Ich hoffe sehr, dass dieser Vertragsschluss abrüstungspolitisches Engagement dieser Art ermutigt; denn dieses Engagement brauchen wir weiter. ({2}) Wir, die Linke, stimmen nicht in den Chor derjenigen ein, die jetzt das Hohelied der Bundesregierung singen. Diese Bundesregierung hat sich nicht - zumindest nicht durchgängig - mit Ruhm bekleckert. Sie stand bis zuletzt, was das völlige Verbot dieser Waffen anbetrifft, auf der Bremse. Wenn die britische Regierung nicht umgeschwenkt wäre, wäre womöglich überhaupt kein Durchbruch gelungen. So sieht es doch aus. Es war eben falsch, zwischen gefährlicher und weniger gefährlicher Munition zu differenzieren. Das war der Ansatz der Bundesregierung. ({3}) Streumunition ist systematisch und vorsätzlich darauf gerichtet, Wirkung in einer großen Fläche zu erzielen. Dabei sollen vor allem weiche Ziele, sprich: Menschen, bekämpft werden. Deshalb verstoßen diese Waffen Paul Schäfer ({4}) grundlegend gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht. Sie sind zu ächten, ohne Unterschied. ({5}) Wegen der Bremser in den verschiedenen Regierungen enthält der Vertrag - das muss man bei aller Genugtuung sagen - einige Hintertüren. Unsere Freude ist wie die von Handicap International und anderen - nicht ungetrübt. Das komplette Verbot von Streumunition wird durchlöchert, weil bestimmte Munitionstypen ausgeklammert worden sind. Ob man mit diesen Munitionsund Waffentypen, die jetzt erlaubt worden sind, eine Kampfführung ausschließen kann, die besonders Zivilisten in Mitleidenschaft zieht, darf sehr bezweifelt werden. Unser Ansinnen als Linke ist: Wir sollten alles dafür tun, dass diese Schlupflöcher wenigstens in Deutschland gestopft werden. Auch die Klausel, wonach es den Vertragsstaaten erlaubt ist, bei militärischen Operationen mitzumachen, in denen Nichtvertragsstaaten weiterhin Streubomben verschießen dürfen, muss übel aufstoßen. Das ist eine Art Freibrief für die großen Militärmächte USA und Russland, so weiterzumachen wie bisher. Die anderen haben zwar ihr Gewissen erleichtert, dürfen aber mitmachen. Das finde ich völlig unmöglich. ({6}) Wir sollten eines nicht übersehen: Solche Abkommen schränken zwar die Möglichkeiten der Kriegsführung ein; doch zugleich wird es dazu kommen, dass man versucht, die bestehenden Waffenarsenale umzurüsten; „alternative Wirkmittel“ heißt jetzt die Zauberformel. Wie wir wissen, sind die Militärs sehr kreativ, wenn es darum geht, geeigneten Ersatz für abzurüstende Waffen zu schaffen. Die Bundeswehr ist dabei weit vorangeschritten. Sie ist mit der Munition SMArt gut aufgestellt, wie man heute sagt. Die Hightechrüstungsfirmen Rheinmetall und Diehl stehen schon in den Startlöchern, um in diese neue Marktlücke zu stoßen. Das wird das neue Kampffeld sein. Die Auseinandersetzung der Zukunft wird nicht zuletzt darum gehen, diese mögliche neue Rüstungsdynamik inklusiver massiver Rüstungsexportgeschäfte zu verhindern. Es gibt keinen Anlass, sich einfach zurückzulehnen; vielmehr müssen wir alles daransetzen, diese Schlupflöcher zu stopfen und dafür zu sorgen, dass dieser Vertrag universal gültig ist. Wir müssen einen weiteren wichtigen Punkt aufgreifen. Es geht nicht nur darum, dass die Bundesregierung ihre Bestände unverzüglich und konsequent vernichtet, sondern auch darum, dass wir anderen Staaten untersagen, auf deutschem Boden weiterhin Streubomben zu lagern und von hier aus zu benutzen. ({7}) Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt unseres Antrags, der deshalb nicht in allen Bestandteilen hinfällig geworden ist. Er ist vielmehr eine Einladung an alle, die sagen: Wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen; der Vertrag muss umgesetzt werden, und wir müssen Schritte machen, die darüber hinausgehen. Diese Punkte stehen in unserem Antrag. Deshalb ist er meines Erachtens weiterhin aktuell. Danke. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Der letzte Redner des heutigen Tages ist Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau sechs Monaten haben Sie, Herr Präsident, hier in den Räumen des Bundestages die Ausstellung „Explosives Erbe des Krieges - Erfolge und Herausforderungen Zwischenbilanz der Kampagne gegen Landminen und Streumunition“ eröffnet. Dies geschah anlässlich des zehnten Jahrestages des Ottawa-Abkommens gegen Antipersonenminen. Bei dieser Ausstellung wurde wiederum sehr deutlich, wie grausam diese Streumunition für die Zivilbevölkerung ist. Es wurde deutlich, wie breit inzwischen die gesellschaftliche Ablehnung dieser Waffengattung ist. Außerdem wurde deutlich hervorgehoben, welcher enorme historische Erfolg das Verbot der Antipersonenminen war. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde wirklich durch zivilgesellschaftliche Anstrengungen unter Beihilfe williger Staaten eine ganze Waffengattung geächtet. Das hat es vorher noch nie gegeben. ({0}) Zum damaligen Zeitpunkt - das weiß ich noch sehr genau - war die Haltung der Bundesregierung widersprüchlich. Bei ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage ein paar Monate zuvor hieß es: Ein umfassendes Verbot von Streumunition, vergleichbar der Ächtung von Antipersonenminen durch das Ottawa-Übereinkommen, hat derzeit keine Aussicht auf Zustimmung einer Mehrheit der Staatengemeinschaft, vor allem der Staaten, die über Streumunition verfügen. Das war eine sehr skeptische Beurteilung. Der Acht-Punkte-Beschluss der Großen Koalition hat bei dieser Problematik sehr große Schlupflöcher - eher Tore - offen gelassen. Jetzt haben wir in Dublin den Vertrag zum Verbot von Streumunition abgeschlossen. Er ist - da sind wir uns alle einig - eindeutig ein großer humanitärer Abrüstungserfolg, weil eine große Masse der realen Bestände - einschränkend muss man sagen: bei den Vertragsstaaten - vernichtet werden muss. Die von der Bundesregierung bis kurz vor Vertragsschluss geforderten Übergangsfristen gibt es nun doch nicht; es muss sofort mit der Vernichtung begonnen werden. Schließlich gibt es erstmalig - das war bei keinem bisherigen RüsWinfried Nachtwei tungsabkommen der Fall - Regelungen zu umfassender und präziser Hilfe für die Opfer. Das sind die äußerst positiven Aspekte. Zugleich sind die Defizite unübersehbar. Kollege Schäfer hat bereits die vom Vertrag ausgenommenen Waffentypen angesprochen. Es steht weiterhin der Verdacht im Raum, den die beiden lobenswerten Kollegen Weigel und zu Guttenberg in ihrem Brief an die Bundesregierung angesprochen haben. Es besteht der Verdacht, dass Rücksicht auf bestimmte rüstungsindustrielle Interessen genommen wird. Behauptet wird, dass die ausgenommenen Waffentypen punktgenau und ohne Schäden für die Zivilbevölkerung wirken. Solange aber nicht transparent ist, wie diese Waffen tatsächlich wirken, kann man diesen Verdacht nicht ausräumen. Es wurde auch schon die Vertragsklausel angesprochen, die Operationen mit Nichtvertragsstaaten, die weiterhin Streumunition verwenden, erlaubt. Zuallererst ist dieser Vertrag aber wiederum ein Erfolg einer zivilgesellschaftlichen Bewegung. Vor knapp sechs Jahren hat die Antistreumunitionskoalition zu wirken begonnen. Hier in der Bundesrepublik sind besonders das Aktionsbündnis Landmine.de mit Thomas Küchenmeister und Handicap International mit François de Keersmaeker zu nennen. Ihnen ist ausdrücklich zu danken. ({1}) Es gab viel Hör- und Sehbereitschaft hier im Parlament, und der damalige Bundestagspräsident Thierse ist 2003 mit gutem Beispiel vorangegangen, als Sie sich, Herr Präsident, zu diesem Thema deutlich erklärt haben. Dies war ein im Ergebnis gutes Zusammenwirken. Befremdlich ist die jetzige Darstellung der Bundesregierung. Es ist richtig, dass sie sich für das Verbot insgesamt stark gemacht hat. Aber de facto war sie zwischendurch immer wieder in einer gewissen Bremserrolle. Die Süddeutsche Zeitung stellt angesichts der gestrigen Äußerungen heute fest, dass da etwas Heuchelei im Spiel sei. Es ist von verschiedenen Seiten schon gesagt worden, dass die Angelegenheit jetzt nicht erledigt ist. Jetzt geht es vor allem darum, Druck auf die bedeutenden Streumunitionsbesitzer und -produzenten auszuüben. Es ist in der Tat die Frage, ob sich aus Art. 1 des Vertrages nicht ergibt, dass zum Beispiel die USA ihre großen Streumunitionsbestände in der Bundesrepublik nicht weiter unterhalten dürfen, dass diese beseitigt werden müssen. Es sind einige Experten aus dem Bereich Rüstungskontrolle und Abrüstung anwesend. Unsere Erfahrungen in den letzten Jahren waren fast durchweg deprimierend. Es gibt kaum einen anderen Politikbereich, der so deprimierend ist, wo man jeden Mut und jede Motivation verlieren kann. Der Vertrag, der jetzt unterzeichnet wird, ist von enormer Bedeutung, weil er wirklich Mut macht, Mut in einem entscheidenden Bereich von Friedens- und Sicherheitspolitik und in der Tat Mut für die weiteren notwendigen Schritte. Danke schön, auch dafür, dass Sie mir Ihre zwei Minuten Redezeit gegeben haben. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Genauer gesagt: Er hat sie sich genommen. ({0}) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Für ein sofortiges Verbot von Streumunition in Deutschland“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9152, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7767 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. Juni 2008, 13 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen ein freundliches Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.