Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle
sehr herzlich zu unseren heutigen Beratungen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
haben jeweils beantragt, die Beratung der Vorlagen zur
Zukunft der Bahn von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Es handelt sich dabei um den Tagesordnungspunkt 29 sowie den Zusatzpunkt 7.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat als erste Rednerin
die Kollegin Dagmar Enkelmann für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Fraktion Die Linke beantragt die Absetzung der Bahnprivatisierung von der heutigen Tagesordnung. Ich stelle
fest: Das von der Koalition gewählte Verfahren - Affentempo - steht im Widerspruch zur Tragweite der Entscheidung, um die es hier heute geht.
({0})
Immerhin soll heute ein Viertel des öffentlichen Eigentums an der Bahn auf den Weg der Privatisierung gebracht werden. Das soll im Schnellverfahren durchgeboxt werden. Am Montag erst gab es die Anhörung im
Verkehrsausschuss, am Mittwoch erfolgte die abschließende Beratung im Verkehrsausschuss, und heute findet
nun hier die abschließende Lesung statt. Eine wirklich
umfassende Beratung, eine Auswertung der Anhörung,
insbesondere auch in den Fraktionen, war damit schlicht
und ergreifend unmöglich.
({1})
Sind wir Abgeordnete hier nur noch Abnicker? Vor
allen Dingen: Wie arrogant gehen Sie eigentlich mit den
Sachverständigen um, die Sie am Montag gehört haben?
Haben Sie tatsächlich alle Folgen einer Privatisierung
verantwortungsbewusst abwägen können? Sind Sie sich
im Klaren, dass Sie heute den Weg für eine Bahn freimachen sollen, in der es in erster Linie um die Rendite
geht? Wissen Sie, dass sich Investmentbanken längst in
Erwartung lukrativer Provisionen für die Platzierung der
Aktien in Stellung gebracht haben? Es ist die Rede von
immerhin 100 Millionen Euro, die da zu holen sind. In
Erwartung von Schnäppchen stehen die Banken also
längst auf der Matte. Ist Ihnen bekannt, dass unter diesen
Banken eine ganze Reihe von Verantwortlichen für den
internationalen Finanzskandal sind? Liebe Leute, das
stinkt nach einem Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislaturperiode.
({2})
Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen: Die Linke wird
ihn beantragen.
Kennen Sie die Position der Bahn? Ich zitiere, Frau
Präsidentin:
Die Aktien sollen vor allem Großinvestoren angeboten werden. Nur ein kleiner Teil soll an private
Anleger gehen.
- So viel zu Ihrem Volksaktienmodell, liebe Kolleginnen
und Kollegen der SPD. Hatten Sie ausreichend Zeit, die
Aussage des neuen Personalvorstands, des ehemaligen
Gewerkschaftsfunktionärs Norbert Hansen, zu prüfen?
Ich zitiere erneut:
Und das wird in einigen Bereichen nicht ohne Personalabbau gehen.
Was wird mit den Beschäftigten der Bahn? Hatten Sie
Gelegenheit, sich mit seiner Aussage zu befassen? Ich
zitiere erneut:
Die Obergrenze für eine Privatisierung liegt für
mich bei 49,9 Prozent.
- Von wegen 24,9 Prozent, und da ist die Grenze.
({3})
Redetext
Hatten Sie tatsächlich Zeit, die Verfassungsmäßigkeit
der Entscheidung zu prüfen? Art. 87 e Grundgesetz verpflichtet uns nämlich, das Wohl der Allgemeinheit zu gewährleisten. Ist die Verfassungsmäßigkeit tatsächlich
weiterhin gegeben? Haben Sie ausreichend abwägen
können, welche Folgen die Privatisierung für die Beschäftigten, für die Kundinnen und Kunden, für den Service, für den Verkehr in der Fläche haben wird? Haben
Sie all das tatsächlich ausreichend abwägen können?
({4})
Oder geht es am Ende möglicherweise um einen Verschiebebahnhof. Es geht nicht nur um Norbert Hansen.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Achim Großmann, SPD, soll einen Vorstandsposten bei der DB Holding AG erhalten. Dasselbe
gilt für den ehemaligen Verkehrsreferenten der SPDFraktion Thomas Kohl. Schaffen Sie sich hier möglicherweise einen Freibrief?
Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit, bitte.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Wenn Sie jetzt zu dem Ergebnis kommen, dass Sie all
das erst wirklich abwägen müssen, dann bitte ich Sie,
unseren Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung zu
unterstützen.
Ich danke Ihnen.
({0})
Nun hat das Wort der Kollege Dirk Fischer für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Geschäftsordnungsantrag auf Absetzung
dieses Tagesordnungspunktes leisten die Linken und die
Grünen der Sachdebatte um die Teilprivatisierung der
DB AG wahrlich keinen guten Dienst. Das ist sehr bedauerlich, zumal die Grünen diesen Prozess in den letzten Jahren oft konstruktiv begleitet haben.
({0})
Unsere Koalition findet es richtig und wichtig, dass
ihr zukunftsweisendes Konzept heute zur Abstimmung
gestellt wird. Die DB AG Holding bleibt erhalten; sie
bleibt zu 100 Prozent beim Bund. Die Infrastruktur - ein
besonderes Anliegen -, die Bahnhöfe, das Schienennetz,
die Elektrizität, geht nicht in den Kapitalmarkt, sondern
bleibt an die DB AG Holding und damit mittelbar an das
Eigentum des Bundes gebunden. Am Verkehrs- und Logistikbereich soll privates Kapital mit 24,9 Prozent beteiligt werden.
Ich denke, dass wir damit frisches Kapital für die Unternehmensentwicklung, für Investitionen in die Schieneninfrastruktur und in die Verbesserung des Netzes, für
die Optimierung der Bahnhöfe und für die Lärmsanierung mobilisieren und dass damit auch der Bundeshaushalt weiter entschuldet werden kann. Damit stärken wir
auch die Wettbewerbsfähigkeit der DB AG im europäischen Schienenverkehr - das ist jetzt besonders wichtig -,
der sich im Güterverkehr und auch im Personenfernverkehr immer mehr zu einem Wettbewerbsmarkt
entwickelt. Gleichzeitig bleibt der konzerninterne Arbeitsmarkt erhalten. Das ist wichtig für die Arbeitsplatzsicherheit der rund 230 000 Beschäftigten der DB AG.
Wir wollen die Mitarbeiter auf diesem Wege im guten
Sinne mitnehmen.
Das parlamentarische Verfahren ist vollkommen in
Ordnung.
({1})
Kaum ein Thema ist seit vielen Jahren und insbesondere
in dieser Legislaturperiode so intensiv behandelt worden
wie die Privatisierung der DB AG.
({2})
Im Ausschuss haben wir oftmals gründlich darüber diskutiert. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir zu
diesem Komplex vier Anhörverfahren durchgeführt. Wer
also „oberflächlich, schnell, durchgepeitscht“ sagt, der
redet schlicht und ergreifend dummes Zeug, der sagt die
Unwahrheit. Das gilt für diesen Prozess nicht.
({3})
Die letzte Expertenanhörung fand am Montag statt.
Sie hat im Großen und Ganzen das Konzept dieser
Koalition bestätigt. Nun geht es darum, keine weitere
Zeit zu verlieren und im Interesse der Beschäftigten, der
Kunden und des Unternehmens
({4})
zügig die richtigen Entscheidungen zu treffen.
({5})
Ich habe Verständnis dafür - ich war in meinem Leben
lange Abgeordneter einer Oppositionsfraktion -, dass
die Opposition gelegentlich das Interesse hat, die Regierungsarbeit ein Stück weit zu hemmen. Aber es ist heute
Sache der Bundesregierung und ihrer Parlamentsmehrheit, endlich zu handeln. Ich bitte um Verständnis, wenn
ich dafür plädiere, den Antrag auf Absetzung zurückzuweisen.
({6})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
der Kollege Volker Beck.
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Fischer, das ist eigentlich eine Geschäftsordnungsdebatte. Darin soll es
um die Gründe gehen, warum wir das heute hier beraten
sollen, und darum, ob diese Beratung der Sache angemessen ist. Es geht bei der Privatisierung der Bahn um
keine Kleinigkeit. Es geht um die Fragen: Ist nach der
heutigen Entscheidung noch eine eigenständige Schienenverkehrspolitik des Bundes möglich? Kann man auch
in Zukunft sagen: „Schienenverkehr ist eine öffentliche
Aufgabe“?
({0})
Bei dieser Holding - einem Zwitter aus Öffentlichem
und Privatem - mit einem gemeinsamen Vorstand
Mehdorn ist nicht gewährleistet, dass der Verkehr und
das Netz getrennt sind und echter Wettbewerb auf diesem Netz stattfinden kann.
({1})
Wird Herr Mehdorn als Holdingchef allgemeinwohlorientierte Politik im Privatunternehmen machen, oder
wird er Gewinnmaximierungspolitik in der Holding machen? Das alles ist offen. Mit der heutigen Entscheidung
zeigen Sie nur eines: Sie haben Angst, dass sich die Diätendebatte wiederholt, dass Sie also am Montag einen
Gesetzentwurf einbringen, von dem Sie am Freitag selber wissen, dass Sie ihn nicht aufrechterhalten können,
weil Ihnen die eigenen Leute auseinanderlaufen.
({2})
Deshalb legen Sie diesen Schweinsgalopp vor.
Wer von Ihnen - abgesehen von den Mitgliedern des
Verkehrsausschusses - hat eigentlich das Protokoll der
Anhörung gelesen? - Gelesen haben kann es keiner. Davon mitbekommen haben nur diejenigen etwas, die in
der Anhörung waren. Aber das gesamte Haus muss diese
Entscheidung fällen. Die Anhörung hat am Montag stattgefunden, am Mittwoch haben Sie ohne Lektüre des Protokolls entschieden, und heute muss das ganze Haus entscheiden, obwohl wir das Protokoll nicht zur Kenntnis
nehmen können.
({3})
Es ist eine Unverschämtheit, wie Sie bei diesem
Thema mit dem Bundesrat umgehen. Der Bundesrat hat
am letzten Freitag einen Gesetzentwurf zur Privatisierung eingebracht.
({4})
Ob man die Privatisierung überhaupt ohne eine gesetzliche Grundlage durchführen kann, ist eine offene Frage,
über die sich das Bundesverfassungsgericht sicherlich
noch den Kopf zerbrechen wird.
({5})
Der Bundesrat hat diesen Gesetzentwurf eingebracht,
er liegt uns noch nicht einmal als Bundestagsdrucksache
vor, und schon wollen Sie ihn ausbooten. Bei einem so
zentralen politischen Anliegen, bei dem es um das
Volksvermögen und die Zukunft des Mobilitätsträgers
Bahn geht, ist das eine unverantwortliche und unanständige Art und Weise.
({6})
Bei der Bundesratsdebatte wurde Ihnen ja ins Stammbuch geschrieben, welche Punkte offen sind. Ihr Modell
bietet keine Gewähr für den Erhalt der Regionalnetze. Es
bietet keinen Schutz vor der Entwertung der Nahverkehrsmittel durch steigende Stations- und Trassenpreise.
Es gibt keinen Schutz davor, dass ausschließlich ökonomische Gesichtspunkte über den Umfang und die Qualität der Infrastruktur entscheiden.
Wie es alles kommen wird, können wir nicht wissen,
weil die Grundlagen, die Herr Tiefensee dem Hohen
Haus in der ersten Lesung angekündigt hat, bis heute
nicht vorliegen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre
Redezeit ist zu Ende.
Lassen Sie mich noch diesen letzten Satz zu den
Grundlagen sagen.
({0})
Der Bundesverkehrsminister hat im Hohen Haus am
8. Mai 2008 versprochen, den Beteiligungsvertrag in den
nächsten Tagen vorzulegen. Der Beteiligungsvertrag
liegt nicht vor. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ist unvollständig, lückenhaft und besteht im Wesentlichen aus „xxx“.
({1})
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überzogen.
Der Zustandsbericht fehlt auch. Wir haben überhaupt
keine Grundlage, um diese Entscheidung heute qualifiziert treffen zu können. Deshalb lassen Sie uns diesen
Punkt von der Tagesordnung absetzen!
({0})
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege
Thomas Oppermann.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Beck, liebe Frau Enkelmann, wir
werden Ihre aufgeregte Intervention gleich in aller Ruhe
und mit großer Mehrheit zurückweisen.
({0})
Es gibt kaum ein politisches Projekt in Deutschland,
das mit so viel Ausdauer, mit so viel Sorgfalt und in so
vielen Details diskutiert wurde wie die Bahnreform.
({1})
Das Verfahren war gründlich. Die Anhörung hat ergeben, dass das Holdingmodell funktioniert. Die Debatte
hat lange gedauert. Heute ist der Tag der Entscheidung.
Es ist eine Entscheidung für eine moderne DB AG,
für eine intelligente Teilkapitalprivatisierung, die privates Kapital mobilisiert, aber den strategisch-gestalterischen Einfluss beim Staat belässt. Es ist eine Entscheidung für die Sicherheit von 230 000 Arbeitsplätzen bei
der Bahn, für Investitionen in die DB AG, für eine bessere Eigenkapitalbasis, für Wachstum, für das Ziel
„Mehr Verkehre auf die Schiene“. Es ist eine Entscheidung, die gut und richtig ist. Deshalb werden wir sie
heute treffen.
Frau Enkelmann, warum Sie diese Entscheidung nicht
wollen, kann ich gut verstehen; denn wenn das heute ins
Werk gesetzt wird, wenn wir sehen, dass investiert wird,
dass die Bahn wachsen kann, dass die Arbeitsplätze sicher sind, dann können Sie nicht mehr diese irrationalen
Ängste gegen die Bahnreform mobilisieren.
({2})
Deshalb wollen Sie das heute stoppen. Den Gefallen
werden wir Ihnen nicht tun. Wir werden heute entscheiden und lehnen deshalb Ihren Geschäftsordnungsantrag
ab.
Vielen Dank.
({3})
Nun hat für die FDP-Fraktion das Wort der Kollege
Jan Mücke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber
Herr Kollege Fischer, wir haben keinesfalls vor, die Regierung zu hemmen. Damit keine Irrtümer aufkommen:
Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt sich vor, die Regierung zu treiben und im Übrigen auch abzulösen.
({0})
- Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht.
Wahr ist, dass nicht die Opposition Sie gehemmt hat;
wahr ist, dass sich die beiden Großkoalitionäre bei diesem Projekt gegenseitig gehemmt haben,
({1})
weshalb sie für dieses Projekt auch mehr als fünf Jahre
gebraucht haben.
Auch deshalb ist völlig unverständlich, dass Sie das
hier im Schweinsgalopp absolviert haben: mit einer Anhörung am Montag, einer Ausschusssitzung am Mittwoch, die die Ergebnisse der Anhörung in keinem Fall
aufgenommen hat, und mit einem Antrag, der heute, am
Freitag, Gegenstand der Beratung im Parlament ist. Das
ist der wahre Grund: Sie haben sich gegenseitig gehemmt.
Dass sieht man dem Antrag im Übrigen auch an. Was
hier heute stattfindet, ist die letzte Beratung über das
Thema Bahnprivatisierung überhaupt; denn es heißt im
Antrag:
Vor Abschluss ist der Beteiligungsvertrag dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorzulegen.
Damit das klar ist: Vorlage reicht.
Unser Anliegen ist ein anderes. Unser Anliegen ist,
dass Sie ein ausgehandeltes Vertragswerk mit einem ausgehandelten Beteiligungsvertrag und einer ausgehandelten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ins
Gesamtparlament und nicht nur in irgendwelche Ausschüsse einbringen und das hier insgesamt beraten wird.
Solche Verträge kann man abschließen. Solche Verträge
stehen unter Gremienvorbehalt. Dieses Gremium soll die
abschließende Entscheidung darüber treffen.
Was Sie hier machen, ist eine Verlagerung in zwei
Ausschüsse. Irgendetwas soll ausgehandelt werden, soll
dann irgendwann einmal in Ausschüssen verhandelt
werden, wird aber nicht mehr hier im Haus beraten.
Jetzt stelle ich Ihnen die Frage: Woran liegt das? Das
liegt daran, dass die SPD sich in der Bahnprivatisierungsfrage nicht einig ist. Sie möchte ein förmliches Gesetzgebungsverfahren in dieser Frage vermeiden, weil es
diese Partei zerreißen würde.
({2})
Das ist der einzige Grund dafür, meine Damen und Herren, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben. Sie haben
ein schnelles Verfahren gewählt, am Parlament vorbei:
nur ein Antrag, Verlagerung der Entscheidung in zwei
Ausschüsse, wobei es im Grunde nur darum geht, Vertragsunterlagen zur Kenntnis zu nehmen, keinesfalls zu
beschließen.
Dennoch werden wir als FDP-Bundestagsfraktion
dem Geschäftsordnungsantrag der Linken und der Grünen nicht zustimmen. Dieses Verfahren ist zwar kritikwürdig, aber keinesfalls geschäftsordnungswidrig.
({3})
Es gibt einen zweiten Grund für unsere Ablehnung,
nämlich einen inhaltlichen. Dieser inhaltliche Grund ist,
dass Sie - da richte ich mich ausdrücklich an die Linken in Wahrheit überhaupt gar keine Privatisierung wollen.
({4})
Ihnen geht es nicht um eine ordnungsgemäße parlamentarische Behandlung dieses Problems, sondern Sie sind
generell dagegen. Genau das gilt für uns als Liberale
nicht. Wir sind der Überzeugung, dass die Beteiligung
privaten Kapitals und ein diskriminierungsfreier Zugang
zur öffentlichen Schieneninfrastruktur die Voraussetzungen dafür sind, dass wir ein gutes Verkehrsangebot auf
der Schiene haben, dass Wettbewerb stattfinden kann,
dass die Preise sinken und dass eine noch stärkere Beteiligung privaten Kapitals in diesem Bereich eintritt.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grund werden
wir Ihnen zu Ihrer privatisierungsfeindlichen Politik
nicht die Hand reichen.
({5})
Nun kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt für die beantragte Absetzung des Tages-
ordnungspunktes 29 und des Zusatzpunktes 7? - Wer ist
dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Geschäftsord-
nungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
bei Enthaltung der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der
Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abge-
lehnt.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 29 a und b so-
wie den Zusatzpunkt 7 auf:
29 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({0})
- zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD
Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die
Bahnreform weiterentwickeln
- zu dem Antrag der Abgeordneten Horst
Friedrich ({1}), Patrick Döring, Joachim
Günther ({2}), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
Bahnprivatisierung zügig und konsequent
beschließen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried
Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine Bahnprivatisierung am Parlament
vorbei
- zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried
Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zukunft des Schienenverkehrs sichern
- Drucksachen 16/9070, 16/8774, 16/8046,
16/9071, 16/9362 Berichterstattung:
Abgeordnete Uwe Beckmeyer
Horst Friedrich ({3})
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({4}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz
Kuhn, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schieneninfrastruktur ist öffentliche Aufgabe Moratorium für die Privatisierung der Deutsche Bahn AG
- Drucksachen 16/5270, 16/6813 Berichterstattung:
Abgeordneter Uwe Beckmeyer
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Dagmar Enkelmann, Dorothée Menzner,
Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE
Zukunft der Bahn für die Menschen sichern Bahnprivatisierung stoppen
- Drucksache 16/9306 Ich weise schon jetzt darauf hin, dass wir später dazu
zwei namentliche Abstimmungen durchführen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Dann können
wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort Herrn Bundesminister Wolfgang Tiefensee
für die Bundesregierung.
({5})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn findet im Kontext der deutschen Verkehrspolitik und im Zusammenhang mit der Aufstellung des
Eisenbahnwesens in Europa statt.
Dieser Tage findet in Leipzig das erste Weltverkehrsforum statt. 51 Staaten diskutieren darüber, wie
sie den enormen Herausforderungen im Verkehrsbereich
gerecht werden können. Wir wissen, dass die Güterverkehre zunehmen und dadurch auch die Lärmbelästigungen stärker werden. Wir wissen, dass Personen befördert
werden wollen, insbesondere im öffentlichen Nahverkehr. Wir wissen, dass die Gelder in den Haushalten endlich sind und dass es enorme Herausforderungen in Bezug auf das Klima gibt; ich nenne die Stichworte CO2Senkung, Energieeinsparung und Einsatz regenerativer
Energien.
Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG liefert
Antworten auf Fragen, die wir hier in Deutschland gestellt haben. Die von uns gegebenen Antworten sind
auch im europäischen Kontext vernünftig. Deshalb ist es
eine gute Entscheidung, heute mit Ja zu stimmen, wenn
über den Antrag zur Teilprivatisierung der Deutschen
Bahn AG abgestimmt wird.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Eckpunkte, die Ihnen zur Abstimmung vorliegen, entsprechen der Lösung, die wir für die Zukunft brauchen, nämlich eine starke Bahn. Führen wir uns einmal vor Augen,
wie diese Bahn vor 10 bis 15 Jahren ausgesehen hat gegenüber dem, was wir jetzt vorhaben: Das Schienennetz
soll im Eigentum des Bundes bzw. des Volkes bleiben;
es gibt weiterhin einen konzerninternen Arbeitsmarkt,
der dafür sorgt, dass 230 000 Beschäftigte Sicherheit haben; die Finanzbasis wird stabilisiert und die Transferleistungen des Bundes werden begrenzt; eine hohe
Dienstleistungsqualität wird ermöglichen, dass die Bahn
in Deutschland und in Europa dem Wettbewerb standhalten kann; schließlich wird all das zu einer Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene führen,
womit gleichzeitig etwas für das Klima getan wird.
Man kann ja Menschen Wünsche von den Lippen ablesen, unter Umständen auch Kritik oder Forderungen,
die sie im Bundestag erheben werden, ohne sie vorher
schon gehört zu haben. Ich darf mich nun als Erstes wie
bei der ersten Beratung an die Linke wenden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, Sie spielen ein falsches Spiel,
({1})
wenn Sie den Menschen einreden wollen, dass der Bund
seiner Verpflichtung zur Daseinsvorsorge nicht gerecht
wird.
({2})
Daseinsvorsorge bedeutet, mit Steuergeldern vernünftig
umzugehen, einen diskriminierungsfreien Zugang für
alle zu schaffen, in der Fläche die Versorgung genauso
zu realisieren wie in den Hauptknotenpunkten und vor
allen Dingen etwas für einen nachhaltigen Umgang mit
der Natur zu tun, damit die Zukunft unserer Kinder gesichert ist.
Diesen Auftrag zur Daseinsvorsorge, der im Grundgesetz steht, werden der Bund und die Länder auch und
gerade mit dieser Teilprivatisierung der Deutschen Bahn
erfüllen. Wenn Sie etwas anderes erzählen, dann irren
Sie in dreierlei Hinsicht.
Erstens. Sie suggerieren, dass mit der Teilprivatisierung der Bahn die Leistungen für die Bevölkerung und
die Unternehmen geschmälert werden. Das Gegenteil ist
der Fall. Wir werden besser werden.
Zweitens. Sie suggerieren, dass eine Leistung von
Privaten nur dann erbracht werden darf, wenn es sich um
den nichtöffentlichen Sektor handelt. Private und das
Unternehmertum in unserem Land dürfen nicht desavouiert werden. Wir brauchen Partnerschaften zwischen
der öffentlichen Hand und den Privaten, um die Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
Drittens. Es ist auch ein Affront gegen den Deutschen
Bundestag und gegen die Bundesregierung, wenn Sie die
Menschen glauben machen, dass wir diese Leistungen
dann nicht erfüllen können, wenn wir Private beteiligen.
Wir haben die Zügel in der Hand, wir sind zu
100 Prozent Eigentümer der DB AG. Das ist so und wird
so bleiben. Hören Sie deshalb auf, die Bevölkerung zu
verunsichern und mit falschen Argumenten auf das falsche Gleis zu führen!
({3})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Seifert?
Bitte schön.
Herr Minister, Sie sprachen gerade davon, dass es um
einen diskriminierungsfreien Zugang für alle Menschen zur Bahn geht und dass die Situation besser werden würde, wenn die Bahn teilprivatisiert würde. Können Sie mir bitte einmal sagen, wieso Herr Mehdorn
alles tut, um zu verhindern, dass Menschen mit Behinderungen diskriminierungsfrei ein- und aussteigen können?
Seitdem er im Amt ist, weigert er sich, dafür zu sorgen,
dass fahrzeuggebundene Einstieghilfen mitgenommen
werden und alle Bahnhöfe barrierefrei gestaltet werden.
Das nennen Sie einen diskriminierungsfreien Zugang für
alle? Das kann ich überhaupt nicht verstehen.
({0})
Sehr verehrter Herr Abgeordneter, vor uns liegt die
gewaltige Aufgabe, allen Menschen, insbesondere Menschen mit Behinderungen, an jedem Ort Zugang zu Zügen der Deutschen Bahn AG zu gewährleisten.
({0})
Diese Aufgabe erfordert enorme Finanzmittel. Ich darf
Sie zunächst daran erinnern, wie die Situation Anfang
der 90er-Jahre gewesen ist. Wenn Sie einen Vergleich
mit der heutigen Situation ziehen, dann sollten Sie beachten, wie sich die Servicequalität für die Behinderten im Laufe der letzten 15 Jahre geändert hat.
({1})
Ein weiterer Punkt, Herr Abgeordneter: Wie sollen
wir die Ausstattung der kleinen Bahnhöfe mit Rolltreppen und mit Fahrstühlen finanzieren,
({2})
wenn die öffentliche Hand, aber auch die DB AG nicht
das erforderliche Kapital haben? Mit der Teilprivatisierung gibt es sozusagen einen engen Schulterschluss der
Finanzierung durch die öffentliche Hand mit der Finanzierung durch Private, um genau diese Leistungen verbessern zu können.
Herr Minister, der Kollege Seifert möchte eine weitere Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Nein, vielen Dank. Ich denke, es ist alles gesagt, was
in diesem Zusammenhang zu sagen ist.
Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn führt dazu
- da wende ich mich ganz besonders an Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen -, dass
die Bahn stärker wird und damit im Wettbewerb mit
der Straße Anteile gewinnen wird. Wenn ich es richtig
verstehe, ist Ihr Hauptanliegen, wie wir mehr Verkehr
von der Straße auf die Schiene bringen können. Im Übrigen ist das auch unser Anliegen. Wir lassen uns von niemandem überbieten im Bestreben, den Modal Split, also
die Verteilung auf die einzelnen Verkehrsträger, zugunsten der Bahn zu verbessern.
Wie wollen wir dies aber schaffen, wenn die Bahn
ihre Nachteile nicht wettmachen kann, indem sie auch
mit dem Geld Privater stärker wird? Wie wollen wir dies
schaffen, wenn wir sie nicht so modern machen, dass sie
den enormen Herausforderungen, die sich aus dem Wettbewerb mit der Straße ergeben, etwas entgegensetzen
kann? Sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen,
wir werden den Nachweis erbringen, dass die Linie
„Mehr Verkehr auf die Schiene“ auch nach der Teilprivatisierung fortgesetzt und verstärkt wird. Das ist aber zuallererst die Frage einer integrierten Verkehrspolitik, die
die Straße, die Binnenwasserstraße und die Schiene gleichermaßen im Blick behält.
Ich höre schon den Vorwurf, wir würden mit dieser
Lösung verhindern, dass Wettbewerb stattfindet. Dies ist
ein altes Argument. Dem ist zweierlei entgegenzusetzen,
meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP:
Wir haben zum Ersten bereits jetzt in Deutschland eine
Wettbewerbskultur, eine Anzahl von Wettbewerbern
auf der Schiene sowohl im Personenverkehr als auch im
Güterverkehr. Dies lässt sich im europäischen Maßstab
sehen. Warum? Weil wir dieses verschränkte System aus
Betrieb der Schiene und Transport in den letzten
15 Jahren so entwickelt haben, dass kein anderes Land
nur annähernd eine solche Qualität vorweisen kann und
damit der Wettbewerb auch für die Privaten auf der
Schiene lukrativ und attraktiv wird. Das wollen wir in
der Zukunft fortsetzen.
Das Zweite ist: Wir bemühen uns darum, dass die
Bundesnetzagentur den diskriminierungsfreien Zugang
für alle Wettbewerber ermöglicht - und dies weiterhin
qualitativ höher ausgestattet - und demzufolge der Wettbewerb in Deutschland zunehmen wird.
Daseinsvorsorge, mehr Verkehr auf die Schiene,
Wettbewerb auch mit diesem Modell - es hat sich gelohnt, miteinander zu streiten. Ich danke den Koalitionsfraktionen für den langen Atem. Ich danke Ihnen, Herr
Fischer, Herr Beckmeyer, Herr Friedrich und Herr
Hübner, insbesondere dafür, dass wir es gemeinsam mit
den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen vermocht
haben, dieses gute Werk in Gang zu setzen. Ich bin überzeugt: Wir stoßen die Tür für eine gute Zukunft der
Deutschen Bahn AG auf. Ich habe Ihnen dafür herzlich
zu danken.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Horst Friedrich für
die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, wir dürfen heute
das Finale furioso einer Gesetzgebung, einer Antragsflut
zur Bahnreform erleben, zu der man einleitend positiv
sagen kann: Eigentlich muss man froh sein, dass Sie sich
so schnell entschlossen haben, zum Ende zu kommen.
Man weiß ja nicht, was die SPD am Montag Neues entdeckt. Insofern kann man zufrieden sein, dass Sie wenigstens das, was Sie vorlegen wollten, vorgelegt haben.
Denn das Positive vorweg: Das, was jetzt vorliegt, verbaut nichts für die Zukunft, ist bei anderen politischen
Mehrheiten sinnvoll weiterzuentwickeln. Das wird unser
politisches Ziel sein.
({0})
Zum Inhalt und zum Beratungsablauf, Herr Minister.
Natürlich ist es richtig: Wir diskutieren seit fünf Jahren
über die Bahnreform. Wir hatten zig Anhörungen im
Horst Friedrich ({1})
Verkehrsausschuss. Es gab ein von der Regierung auf
Aufforderung des Bundestages in Auftrag gegebenes
Gutachten, das sogenannte PRIMON-Gutachten, das bestimmte Wegweisungen vorgegeben hat und das von Ihnen, Herr Tiefensee, liegen gelassen wurde. Sie haben
dann ein verquastes sogenanntes Eigentumssicherungsmodell entwickelt, bei dem keiner am Ende so genau
wissen durfte, wem nun eigentlich das Schienennetz gehört. Nun hat man sich wenigstens dazu entschlossen,
das Parlament mittels eines Antrages ein Verfahren abschließend beraten zu lassen, das - das muss man seriöserweise sagen - der Vorstand der DB AG auch ohne das
Parlament hätte beschließen können. Das ist nämlich
kraft Aktiengesetz möglich; das muss man ergänzend sagen. - So viel zu dem Thema.
Es überrascht allerdings schon: Am Montag hatten
wir eine Anhörung. Aus den Expertenmeinungen liest
Kollege Beckmeyer heraus: Alles wunderbar! Alles
Gold! - Offensichtlich hat er den zweiten Satz aller Experten, nämlich die Fangstricke dieser Lösung, völlig
ignoriert. Am Mittwoch gab es eine Diskussion, die überhaupt nichts brachte und änderte, und am Freitag beraten
wir über den gleichen Antrag, den wir am Montag vorliegen hatten - ohne jede Änderung. Deswegen vorweg:
Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen können.
Sie sind ja nicht einmal Ihrem eigenen Entschließungsantrag treu geblieben. Wenigstens diesen hätten
Sie zur Grundlage machen können. Sie haben nämlich
die Bundesregierung aufgefordert, ein Privatisierungsgesetz vorzulegen. Nun sind wir bei einem Antrag gelandet. Das ist eine etwas abgeschwächte Form. Wenn man
nicht genau weiß, was man machen soll, dann legt man
eben einen Antrag vor.
Im Endeffekt ist es so, dass Sie mit diesem Verfahren
ganz bewusst sowohl das Parlament als auch die Bundesländer aus der Reform heraushalten wollen. Das ist
Ihnen natürlich gelungen. Ob das am Ende greift, ist eine
völlig andere Frage. Das kann man zwar machen, eine
seriöse Gesetzesberatung sieht aber anders aus. Herr Minister, wirklich alle belastenden Begleitgesetze, von der
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bis zum Beteiligungsvertrag, liegen noch nicht vor, sind zumindest
nicht beratungsfähig.
({2})
Bei der letzten Debatte über die Bahnreform haben
Sie uns beruhigen wollen und gesagt: Das kommt ja alles. - Es kam auch etwas: Fragmente. Ein Entwurf der
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung liegt vor.
Wenn man sich in diesen Entwurf vertieft, stellt man
aber Folgendes fest: Es gibt eine verpflichtende Erklärung des Bundes für die dauerhafte Zahlung von jährlich
2,5 Milliarden Euro für den Bestandserhalt des Schienennetzes. Weiter hinten in dem Entwurf steht eine
Klausel, nach der 100 Prozent des Geldes auch dann gezahlt werden, wenn nur noch 95 Prozent Leistung da
sind. Sprich: Wenn die Deutsche Bahn 5 Prozent des
Schienennetzes abbaut - das sind ungefähr 1 700 Kilometer -, bekommt sie immer noch 2,5 Milliarden Euro.
Das kann man so wollen. Ich muss sagen: An dem Geschäft wäre ich auch gern beteiligt. Wenn man das umrechnet, heißt das: Wenn die Deutsche Bahn 1 700 Kilometer abbaut, spart sie jährlich 125 Millionen Euro. Das
ist nicht gerade wenig.
Als der Wettbewerbsbericht der Bahn vorgelegt
wurde, musste man hellhörig werden. Einer der führenden Vorstände, Herr Garber, sagte: Eigentlich reichen
2,5 Milliarden Euro nicht aus; denn diese Summe basiert
auf den Preisen von 2002. Das kann man einfach zur
Kenntnis nehmen, bei mir läuten da aber alle Alarmglocken; denn ich weiß genau, was da passiert.
Herr Minister, vor diesem Hintergrund muss ich sagen: Es wäre schön, wenn die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wenigstens eine Passage zur Eigenverpflichtung der Bahn enthalten würde. Die eigentliche
Bahnreform hat mit der klaren Aussage begonnen, dass
Investitionen vom Steuerzahler und Erhaltungsaufwendungen aus den Betriebsmitteln der Deutschen
Bahn zu finanzieren sind. Davon ist keine Rede mehr.
Alles geht zulasten des deutschen Steuerzahlers, der seit
Beginn der Bahnreform insgesamt schon 240 Milliarden
Euro in das System Schiene gesteckt hat.
({3})
Der Kollege Mücke hat schon gesagt, was im Antrag
steht: Der Beteiligungsvertrag ist vorzulegen. Das ist
völlig klar.
Die Deutsche Bahn hat in dieser Woche bereits veröffentlicht, wer ihren Börsengang leitet: Morgan Stanley,
die Deutsche Bank und ein paar andere Bekannte. Die
Banken brauchen einen Börsenprospekt, weil sie sonst
nicht auf die Reise gehen können, um Anleger zu finden.
Diesen Börsenprospekt kann man später nicht mehr verändern; zumindest muss er die Wahrheit enthalten, weil
man sonst Gefahr läuft, Gewähr leisten zu müssen. Das
wollen sie natürlich nicht.
Die spannende Frage ist: Was bringt uns das Ganze
ein? Die Beteiligung wird damit begründet, dass der
Staat nicht genug Geld hat und man deswegen frisches
Kapital vom Markt braucht. Nun hat der Minister voller
Verve in der Ausschusssitzung am Mittwoch erklärt, alle
Zahlen seien rein spekulativ. Das ist verräterisch: Ausgerechnet der, der als Erster Zahlen in die Welt gesetzt hat,
wirft allen anderen vor, sie seien bei diesem Thema Spekulanten.
({4})
Herr Tiefensee, ich darf Sie daran erinnern, was am
30. April 2008 in der Leipziger Volkszeitung stand: Es
wird einen einmaligen Erlös zwischen 5 und 8 Milliarden Euro geben. Financial Times vom 2. Mai 2008: bis
zu 12 Milliarden Euro. - Wenn wir nun sagen, dass es
bestenfalls 3 bis 4 Milliarden Euro gibt, sagen Sie, das
sei Spekulation. Selbst die Deutsche Bahn hat in dieser
Woche gesagt, dass es wahrscheinlich 3 bis 4 Milliarden
Euro gibt. Nach der Drittelung des Erlöses bleiben schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro für ein Investitions- und
Forschungsprogramm übrig, das mit ungefähr 15 Milliarden Euro dotiert ist. Das wird Sie nicht wesentlich
weiterbringen.
Horst Friedrich ({5})
Unterm Strich muss man sagen: Die Randbedingungen sind aus meiner Sicht schon bemerkenswert: Bei der
ersten Debatte über diesen Antrag war zu lesen, dass
Herr Hansen als Transnet-Chef zurücktritt und Arbeitsdirektor bei der DB AG wird. Bei der zweiten und dritten Beratung dürfen wir dem Ticker entnehmen, dass der
Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann Vorstand in der DB Holding AG werden soll und der Hauptabteilungsleiter Eisenbahn im Verkehrsministerium,
Herr Kohl, ebenfalls in der Holding beschäftigt werden
soll.
({6})
Ausgerechnet die beiden, die für den Vertrag und alle
Begleitgesetze federführend zuständig sind, wechseln
zur Holding. Das wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden
Werner Müller eingefädelt, der sich dadurch ausgezeichnet hat, dass er eine Ministererlaubnis für ein Unternehmen erlassen hat, bei dem er dann Vorstand wurde. Das
überrascht in Deutschland ja eigentlich nicht. Eine Bananenrepublik ist dagegen geordnet.
({7})
Eines muss man Ihnen noch sagen, Herr Minister:
Man kann Posten ja politisch besetzen. Dabei kann man
Glück haben, oder man bekommt Herrn Hansen, den
neuen Maßstab für den Abstand zwischen einem Fettnäpfchen und dem nächsten. Wenn Herr Hansen so weitermacht, wie er begonnen hat, wünsche ich Ihnen mit
dem, was noch kommt, sehr viel Erfolg.
Danke sehr.
({8})
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege
Dr. Klaus Lippold.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich glaube, man muss zunächst ganz
deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir nach 14 Jahren
Bahnreform heute einen guten und entscheidenden
Schritt zur Weiterentwicklung der Bahn und des Schienenverkehrs in Deutschland machen. Es ist auch ein notwendiger Schritt.
Die Kollegen von der FDP seien jetzt besonders angesprochen. Wenn wir das nicht mit dem nötigen Tempo
gemacht hätten, dann möchte ich das Geschrei der Opposition gehört haben, warum wir diesen Schritt nicht
tun, warum wir nicht zu Ende bringen, was wir geplant
haben. Sie würden dann noch lauter brüllen und einfordern, dass es sofort oder am besten noch gestern geschieht.
Man kann nicht alles haben. Auf der einen Seite wird
gesagt, es müsse schnell und zügig geschehen, und auf
der anderen Seite wird gesagt, es geschehe alles zu
schnell. Aus der Erfahrung weiß ich - ich bin jetzt
25 Jahre Mitglied dieses Hauses -, dass wir unter jeglicher Koalition in der Vergangenheit in Situationen waren, in denen schnell und zum Teil über Nacht entschieden und beschlossen wurde.
({0})
Ich denke zum Beispiel daran, was alles unter Rot-Grün
gelaufen ist, Kollege Hermann. Deshalb geht es ganz
einfach nicht, dass man heute so tut, als habe man in der
Vergangenheit nicht die gleichen Mittel genutzt.
Heute geht es um etwas, das Sie im Grunde genommen doch auch wollen, nämlich dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, um mehr Verkehr auf die Schiene
zu bringen, um die Straßen zu entlasten und um den Verkehrsträger Schiene noch besser in das europäische Netz
einzubringen. Dieser Punkt ist ganz hervorragend. Davon lassen wir uns nicht abhalten. Das muss durchgezogen werden, und zwar schnell.
Ein weiterer Punkt. Kollege Friedrich sagt, dass wir
über die Höhe der Mittel - darauf komme ich gleich
noch zusprechen - reden müssen. Kollege Friedrich,
dann hätte ich aber auch den Satz erwartet, dass es sinnvoll ist, es jetzt zu verabschieden, damit wir zu einem
optimalen Zeitpunkt an den Kapitalmarkt kommen können. Das wird schnell und locker übergangen; denn das
passt nicht ins Kritikkonzept. Wir sollten uns davon lösen, dass die Oppositionsparteien nur das Ritual abarbeiten: Was von der Regierung kommt, ist schlecht. Ihr
wisst doch selbst, dass es anders ist. Dann sagt das auch
einmal deutlich! Wenn hier etwas schnell geschieht,
dann gebt mal zu, dass es der Weg in die richtige Richtung ist! Nichts anderes tun wir. Im Grunde seid ihr doch
froh, dass wir euch die Arbeit abnehmen und dass wir etwas ein Stück voranbringen, das bislang in dieser Form
nicht weitergebracht worden ist.
({1})
Ich freue mich natürlich auch - das muss ich ganz
offen sagen -, dass es insbesondere aufgrund der Diskussionsbeiträge meiner Fraktion gelungen ist, vom Eigentumssicherungsmodell zum Holdingmodell überzugehen. Herr Minister Tiefensee, das war ein kluger
Schritt. Das hätten wir schon früher so haben können.
Ich bin froh, dass wir es jetzt so haben.
({2})
Denn hier haben wir die Trennung von Netz und Betrieb, die wir brauchen. Das Netz bleibt im Eigentum
des Bundes. Die Sorgen und Befürchtungen vieler Mitbürger, dass wir das Netz zu - ich sage es einmal so schlechten Konditionen weiterreichen, sind jetzt ausgeräumt. Die Mitbürger können versichert sein, dass dieses
Netz uneingeschränkt im Besitz des Bundes bleibt. Das
ist auch gut so.
({3})
Die Verantwortung dafür in Zukunft wahrzunehmen, ist
eine Aufgabe des Parlaments, über die wir uns noch verständigen müssen.
Darüber hinaus ist mir ein Punkt wichtig, den ich ansprechen will: Mir persönlich wäre es lieber gewesen,
wenn wir schon heute über den Anteil von 24,9 Prozent
hinausgegangen wären. Ich sage ganz deutlich, dass es
schön gewesen wäre, wenn wir noch mehr Geld erhalten
hätten, wenn wir den Paketzuschlag bekommen hätten,
wenn wir gegebenenfalls die Aufnahme in den DAX erreicht hätten. Diese Positionen muss man ansprechen.
Das war in dieser Form nicht möglich. Das ist bedauerlich. Aber was jetzt nicht möglich ist, wird in Zukunft
möglich sein.
({4})
Darüber können wir dann noch einmal ganz offen reden.
Ich will eine Position ansprechen, die ich für wichtig
halte. Wir hatten seinerzeit den wegweisenden Parlamentsbeschluss - das war vor circa vier Jahren -, dass
wir den gesamten Erlös ins Netz stecken. Herr Bundesfinanzminister, diese Position halte ich nach wie vor für
richtig. Wir haben gemeinschaftlich eine Fülle von Aufgaben vor uns, und auch die Fraktion, der Sie angehören,
hat deutlich gemacht, dass wir noch eine ganze Menge
finanzieren müssen, dass wir mehr Geld in das Netz stecken sollten.
Ich erinnere nur an die Hinterlandverkehre, ein gemeinschaftliches Anliegen von uns. Ich erinnere an die
Lärmsanierung, mit der wir die Bürger vom Lärm befreien; davon müssen sie befreit werden. Die Bewohner
an der Mittelrheinstrecke müssen eine unerträgliche Belastung ertragen. Deshalb, Herr Finanzminister, werden
wir nicht nachlassen, auch in Zukunft mehr Mittel für
die Infrastruktur und für den Verkehr zu fordern.
({5})
- Bei verschiedenen Positionen, Herr Minister, sind Sie
nicht so widerstandsfähig, wenn es um höhere Anforderungen geht. Man muss nicht ausgerechnet bei der Verkehrsinfrastruktur die widerstandsfähigste Nummer fahren, während man es in anderen Bereichen nicht tut. Das
kann ich so nicht akzeptieren.
({6})
Wir können heute eine weitere Voraussetzung dafür
schaffen, mehr Wettbewerb auf der Schiene zuzulassen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz
deutlich sagen: Wir haben in dieser deutschen Republik
wesentlich mehr Wettbewerb auf der Schiene als andere
Länder. Das ist gut so. Dass wir mit dem Erreichten
nicht zufrieden sind, ist völlig unbeschadet des Sachverhalts, dass wir auf diesem Gebiet in Europa führend sind.
Was ich hier einfordere und was ich auch von der Opposition verlange, ist, gemeinschaftlich darauf zu achten,
dass es auch in anderen Ländern mehr Reziprozität gibt,
dass wir nicht die Einzigen sind, die die anderen unentgeltlich unser Netz nutzen lassen, sondern dass das auch
in anderen Ländern ganz genauso passiert.
({7})
Im Energiebereich ist die Situation anders. Wir sollten
gemeinschaftlich dafür Sorge tragen, dass wir dies auch
bei der Bahn und beim Netz erreichen. Das wäre
sinnvoll. Ich lade die Opposition ein, daran endlich konstruktiv mitzuwirken. Man braucht nicht immer nur herumzumosern; vielmehr wäre Konstruktivität hier ausgesprochen notwendig.
({8})
Der Beteiligungsvertrag ist mehrfach angesprochen
worden, Herr Bundesminister. Ich bitte Sie, ihn dem Verkehrsausschuss möglichst schnell zuzuleiten, damit wir
einen Sachstand über die aktuellen Verhandlungen haben. Aber ich will auch an die Opposition gerichtet sagen, Horst Friedrich: Wenn wir den Beteiligungsvertrag
vor der heutigen Beschlussfassung vorgelegt hätten,
dann hättet ihr gesagt: Wieso das? Wir haben doch noch
gar nicht über die Grundzüge entschieden, und jetzt
wollt ihr schon den Beteiligungsvertrag einbringen.
({9})
Leute, diese verquere Logik kann ich nicht mittragen.
Eure Auffassung ist: Ich will kritisieren, damit ich kritisieren kann.
({10})
Das ist aber an der Sache vorbei. Ich meine, die Bürger
in dieser Republik haben einen Anspruch darauf, dass
wir zur Sache reden, also über die Weiterentwicklung
von Bahn und Netz diskutieren und diese Sachpunkte
entsprechend zügig verabschieden. Das ist notwendig.
Meine Bitte ist also an Sie, Herr Minister, das zuzuleiten, damit wir eine Grundlage haben. Ich lade alle ein, an
der Diskussion konstruktiv mitzuwirken.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst finde ich es interessant, Herr Lippold, dass Sie
von „Hinterlandverkehr“ sprechen. Ich weiß gar nicht
genau, welche Gegenden in Deutschland Sie damit meinen. Ich hoffe, Sie sagen das in den Wahlkämpfen.
({0})
- Ich wollte ja nur, dass Sie wieder lauter werden, damit
ein bisschen Leben in die Bude kommt. Das habe ich immerhin geschafft.
({1})
Ich sage Ihnen: Sie haben Ende letzten Jahres zwei
100-prozentige Bahntöchter verkauft. Das haben Sie, die
Bundesregierung, am Bundestag vorbei getan. Nicht einmal der Haushaltsausschuss wurde damit beschäftigt.
Das verstößt nach unserer Auffassung zum einen gegen
das Haushaltsgesetz und zum anderen gegen das Grundgesetz. Deshalb haben wir jetzt Organklage erhoben. Wir
werden den ersten Schritt dieser Art der Privatisierung
vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Das halte
ich für dringend erforderlich.
({2})
Auch das, was Sie heute vorhaben, ist interessant:
Alle Fraktionen waren sich immer einig, dass man ein
Gesetz braucht, um diese Privatisierung durchzuführen;
auch die SPD hat das auf ihrem Parteitag ganz eindeutig
so beschlossen. Im letzten Moment haben Sie allerdings
gesagt: Nein, wir brauchen doch kein Gesetz, sondern
wir fassen lediglich einen Beschluss; das muss reichen.
Warum haben Sie das gemacht? Um den Bundesrat
zu umgehen. Bei einem Gesetz bräuchten Sie nämlich
die Zustimmung des Bundesrates. Aber Sie befürchten,
dass Sie sie nicht ohne Weiteres bekommen würden. Das
ist ein übler Trick und kein angemessener Weg. Auch
das wird das Bundesverfassungsgericht sicherlich beschäftigen.
({3})
Man kann darüber diskutieren, ob Ihr Beschluss
Art. 87 e des Grundgesetzes widerspricht. Auf jeden Fall
widerspricht er Art. 87 e Abs. 5 Satz 1, in dem ausdrücklich steht, dass ein Gesetz beschlossen werden muss,
dem der Bundesrat zuzustimmen hat. Das versuchen Sie
zu umgehen.
({4})
Dass das Ganze einem Parteitagsbeschluss der SPD widerspricht, habe ich schon beim letzten Mal gesagt. Ich
weiß, dass man das vor dem Bundesverfassungsgericht
nicht einklagen kann. Dennoch sagt das etwas über Ihre
Situation aus.
Nun wird also ein Viertel der Bahn verkauft. Ich finde
es hochinteressant, dass sowohl die FDP als auch die
Union immer erklären, das sei erst der Anfang, und dass
die SPD immer erklärt, das sei der weiteste Schritt und
mehr komme nicht infrage. Ich glaube, dass die Union,
die FDP und letztlich auch die SPD zu einem späteren
Zeitpunkt entscheiden werden, diesen Anteil weiter zu
erhöhen.
({5})
Auf genau diese Gefahr weisen wir die Bevölkerung hin.
({6})
Seit 170 Jahren gehören die Eisenbahnstrecken und
die Eisenbahnen dem Volk.
({7})
Jetzt beginnt seine Enteignung. Herr Bundesverkehrsminister, Sie sagen immer, dass Sie die Daseinsvorsorge
gewährleisten wollen. Daher möchte ich Sie auf drei
Dinge hinweisen: 20 Prozent der Strecken sind bereits
stillgelegt; das sind 5 000 Kilometer. 1 000 Bahnhöfe
wurden bereits geschlossen; das alles hat Folgen. Jetzt
sage ich etwas, bei dem Sie bestimmt wieder aufschreien
werden: Die DDR hatte zweifellos nicht das beste Streckennetz,
({8})
aber immerhin das dichteste in Europa.
({9})
Davon kann heute überhaupt keine Rede mehr sein.
({10})
- Ich wusste, dass Sie das stört.
Sie erzählen immer, dieser Verkauf sei sehr wichtig,
weil die Bahn dadurch frisches Geld bekomme, mit dem
sie die Infrastruktur wunderbar entwickeln könne. Wenn
ich es richtig verstanden habe, wollen Sie ein Viertel der
Bahn verkaufen. Sie erwarten doch keine Spenden.
({11})
Würden Sie sagen, dass Sie in diesem Umfang Spenden
erwarten, dann könnten Sie hier erzählen, was Sie mit
diesem Geld machen wollen. Da Sie aber verkaufen,
sage ich Ihnen: Die Investoren erwarten ihr Geld zurück, und zwar mit einem großen Plus und so schnell wie
möglich. Das alles müssen die Kundinnen und Kunden
bezahlen.
({12})
Die Investoren schenken Ihnen ihr Geld doch nicht!
Abgesehen davon hat der Kollege von der FDP völlig
recht, dass es, was die Kaufsummen betrifft, Schwankungen gibt, die gar nicht mehr auszuhalten sind. Plötzlich fehlen zum Beispiel 3 Milliarden Euro. Man hat den
Eindruck, als wenn das gar nichts wäre. Auch das ist
nicht hinzunehmen.
Was ist eigentlich das Ziel des Investors? Der Investor
ist doch nicht in die Bahn verliebt. Er träumt doch nicht
von schönen Bahnhöfen
({13})
oder davon, dass die Leute mit der Bahn in Zukunft alles
bequem erledigen können. Er will mehr Geld. Das ist der
einzige Grund, aus dem er Geld zur Verfügung stellt.
Das müssen Sie den Leuten endlich einmal ehrlich sagen. Sie müssen auch einmal sagen, wer das in welcher
Form zu bezahlen hat.
({14})
Interessant ist auch die Frage: Was passiert mit dieser
Einnahme? Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen
Sie die Einnahme des Bundes dritteln. Ein Drittel soll
die Bahn bekommen. Machen wir uns doch einmal klar,
was die Bahn mit diesem Drittel macht. Nehmen wir
zum Beispiel an, die Bahn trägt damit Schulden ab; das
wäre legitim. Es ist doch so: Wenn der Investor den
Kaufpreis gezahlt hat, gehört ihm die Bahn zu einem
Viertel.
({15})
Daraufhin kommt ein Drittel seines Geldes zur Bahn zurück, und dann setzen Sie es entsprechend ein. Das ist ja
wunderbar! Da werden sie sich freuen!
({16})
Es ist auch wichtig, was mit den beteiligten Personen
geschieht. Sie werden das nicht mehr los; denn das ist
ein starkes Stück. Weil Sie sich beim letzten Mal so sehr
darüber geärgert haben, sage ich es noch einmal: Ich
habe gar nichts dagegen, dass Gewerkschafter Personalchefs werden und in Vorstände wechseln. Aber in diesem Fall ist der Zusammenhang unerträglich.
({17})
Herr Hansen, der Chef der Gewerkschaft Transnet,
war immer für eine Privatisierung. Jetzt spricht er in der
Bild-Zeitung von einem Anteil in Höhe von
49,9 Prozent. Er ist in den Vorsand gewechselt und bekommt nun ein ganz anderes Gehalt. Ich muss Ihnen sagen: Das hat ein sehr unangenehmes Geschmäckle. Das
müssten auch Sie einmal kritisieren. Das ist nicht hinnehmbar.
({18})
Jetzt sage ich Ihnen: Wenn nun auch noch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Achim Großmann,
({19})
und Thomas Kohl von der SPD - er war auch einmal Ihr
Sprecher und ist jetzt Abteilungsleiter im Ministerium auf die Vorstandsebene wechseln, dann hat man den Eindruck, dass der Verkauf auch deshalb stattfindet, um
Leute der eigenen Partei unterzubringen. Das ist doch
nicht mehr hinnehmbar und geht in jeder Hinsicht einfach zu weit.
({20})
Nun sagen Sie immer, es gebe riesige Erfolge und
durch die Bahnprivatisierung würden die Probleme der
Bahn gelöst. Schauen wir uns das doch einmal in Großbritannien und Neuseeland an! Warum ignorieren Sie
denn die Erfahrungen aus den beiden Ländern? Neuseeland hat die Bahn verkauft und muss sie jetzt zu einem
viel höheren Preis zurückkaufen, weil die öffentliche
Daseinsvorsorge nicht mehr gewährleistet werden kann.
({21})
In Großbritannien kam es zu Unfällen, die man sich vorher überhaupt nicht vorstellen konnte.
({22})
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich will Ihnen
doch wirklich nicht sagen, dass jedes staatliche Unternehmen zwingend gut geleitet ist. Das ist gar nicht das
Problem.
({23})
- Eben, ja. Ich bin ja nicht bescheuert. Auch ich weiß
das.
({24})
Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um die politische Verantwortung, die Sie schrittweise aufgeben. Sie
wollen dafür nicht mehr zuständig sein.
({25})
Schauen wir uns als Beispiel doch die Privatisierung
der Energieversorgung an! Heute gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen Frau Merkel und mir: Aufgrund der
Privatisierung haben wir beide das Gleiche über die
Energiepreise zu entscheiden, nämlich gar nichts. Ansonsten wäre die Politik dafür zuständig. Wenn die Politik zuständig ist - darin werden Sie mir doch wenigstens
zustimmen -, dann macht die Wahl zwischen Frau
Merkel und mir Sinn, weil die eine damit so umgeht und
der andere anders. Wenn sie aber nicht zuständig ist und
beide nichts mehr zu entscheiden haben, dann verliert
die Demokratie an Bedeutung. Die Privatiseure sind
Leute, die die Bedeutung der Demokratie reduzieren,
während die Linke sie erhöhen will. Das ist Tatsache.
({26})
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Mücke?
Ja, bitte.
Herr Kollege Gysi, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die Privatisierung eines Verkehrsunternehmens ähnlich katastrophale Folgen wie die Privatisierung im Energiebereich hätte. Ist Ihnen bekannt, dass die
Bundesrepublik Deutschland bereits ein Verkehrsunternehmen veräußert hat, nämlich die Deutsche Lufthansa AG, die sehr erfolgreich am Markt operiert, mehr
Mitarbeiter als zu staatlichen Zeiten hat und eine der erfolgreichsten Airlines in Europa ist?
({0})
Auch dieses Verkehrsunternehmen hat einen öffentlichen Transportauftrag. Wo ist hier eigentlich die Relation? Erklären Sie mir das bitte.
Ich würde gerne eine zweite Frage anschließen. Da
Sie sagen, dass Sie wieder zurück zu einer staatlichen
Bahn wollen, möchte ich Sie an das Jahr 1993 erinnern,
als es neben der Deutschen Bundesbahn auch noch die
Deutsche Reichsbahn gab. Diese beiden Unternehmen
konnten von ihren Fahrgeldeinnahmen nicht einmal
mehr ihre Personalkosten decken. Erst seitdem wir diesen Privatisierungsprozess angestoßen haben, gibt es
überhaupt eine positive Entwicklung im Eisenbahnsektor. Welche Antwort geben Sie mir darauf?
({1})
Ich fange mit der ersten Frage an.
Wir sind gegen die Privatisierung in drei Bereichen
bzw. für die Wiederverstaatlichung, wenn dort bereits
privatisiert wurde.
Das Erste - das sage ich Ihnen ganz klar - ist die Rüstungsindustrie, weil ich verhindern möchte, dass Leute
am Krieg verdienen. Dann ist es mir lieber, dass die Rüstungsindustrie staatlich ist.
({0})
Das Zweite sind Monopole, weil man bei einem Monopol, bei dem man keine Konkurrenz organisieren
kann, auch nicht in der Lage ist, Druck auf die Preise
nach unten und auf die Qualität nach oben auszuüben.
Da man das nicht organisieren kann, möchte ich eine politische Zuständigkeit.
Das Dritte ist die öffentliche Daseinsvorsorge.
Bei der Lufthansa hat die Privatisierung einigermaßen
funktioniert, aber das Fliegen ist immer teurer geworden.
({1})
- Ja, natürlich. Aber selbstverständlich.
({2})
- Schauen Sie sich doch einmal die Lufthansa im Vergleich zu anderen Linien an!
({3})
- Hören Sie mal zu! - Dann können Sie den Unterschied
aber sehr schnell feststellen.
({4})
Jetzt zu Ihrer zweiten Frage. Alles, was 1993 versprochen worden ist, wurde nicht eingehalten. Das erste Versprechen war, dass die Bahn für die Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler billiger wird. Sie ist teurer geworden.
({5})
- Aber selbstverständlich. - Das zweite Versprechen
war, dass die Bahn ein kundennahes Serviceunternehmen wird. Davon kann keine Rede sein, wenn Beschäftigte entlassen und Schalter und Bahnhöfe geschlossen
werden. Außerdem sollten die Anteile der Schiene am
Verkehrsmarkt erhöht werden. Auch das ist nicht gelungen.
Alle drei Versprechen im Zusammenhang mit der organisatorischen Privatisierung der Bahn sind nicht erfüllt
worden. Das ist die eigentliche Tragik.
({6})
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Trittin?
Gerne.
Herr Kollege Gysi, so sehr ich Ihre Auffassung teile,
dass es in den Bereichen, in denen es Monopole gibt,
nicht um Privatisierung gehen kann - weswegen zum
Beispiel das Bahnnetz oder Bereiche der öffentlichen
Daseinsvorsorge nicht privatisiert werden sollten -, sollten Sie dem Hohen Hause in Ihrer festen Überzeugung,
die Sie zum Besten gegeben haben, auch erklären, warum Sie sich an der Privatisierung der Dresdener Wasserbetriebe beteiligt haben und warum das von Ihnen
mitregierte Berlin eine Volksinitiative zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe mit fadenscheinigen Argumenten abgewürgt hat.
({0})
Das Erste ist einfach. Das kann ich damit erklären,
dass die Dresdener Fraktion in dieser Frage völlig gespalten war. Ein Teil hat sich so entschieden, ein anderer
Teil hat sich für das Gegenteil ausgesprochen.
({0})
- So etwas kennen Sie nicht. Sie setzen das im Gegensatz zu uns mit Gewalt durch. - Die Partei insgesamt hat
klar dagegen Stellung genommen. Ich finde den Verkauf
der Dresdener Wasserbetriebe eindeutig falsch. Das haben wir auch immer so gesagt.
({1})
Die Umstände des Verkaufs der Berliner Wasserbetriebe waren ein starkes Stück. - Wir haben die Situation
von Herrn Diepgen übernommen, der zusammen mit
dem Koalitionspartner SPD regiert hat. - Der Verkauf ist
in einer Art und Weise erfolgt, die nicht hinnehmbar ist.
Ich nenne nur einen Punkt, der in den Verträgen enthalten ist. Das weiß ich nun wirklich ganz genau.
({2})
- Ich sage gleich etwas zur Rekommunalisierung. - Den
Verträgen zufolge gehört ein größerer Anteil der Stadt.
Ein kleinerer Anteil gehört zwei privaten Investoren,
und zwar in Verbindung mit der Regelung, dass sie jedes
Jahr eine bestimmte Gewinnausschüttung erhalten, unabhängig davon, was die Wasserbetriebe einnehmen.
Das ist eine tolle Leistung. Das heißt, dass die Stadt immer zahlen muss, selbst wenn keine Gewinne erwirtschaftet werden. Wenn die Wasserbetriebe rekommunalisiert würden, dann müssten wir Milliarden aufbringen,
die wir leider dank Union und SPD in Berlin zurzeit
nicht haben, Herr Trittin. Das ist die Wahrheit.
({3})
Jetzt komme ich zurück zur Privatisierung. Ich habe
über Monopole und Rüstung gesprochen. Es gibt noch
einen dritten Bereich, nämlich die öffentliche Daseinsvorsorge. Ich bitte Sie, zu bedenken, was wir hier anrichten. Was heißt es denn, wenn eine Klinik privatisiert
wird - das ist ein Beispiel der öffentlichen Daseinsvorsorge; das kann man nicht leugnen -, was viele CDUMinisterpräsidenten zu gerne machen?
({4})
Dann gibt es einen Geschäftsführer, der erreichen muss,
dass sich das Krankenhaus rechnet. Sie wollen das so.
Das hat folgende Konsequenz: Er bekommt eine Fallpauschale für eine bestimmte Operation. Der eine Patient ist 22, ein anderer 70 Jahre alt. Für beide erhält er
denselben Geldbetrag nach der Operation.
({5})
Der eine liegt nach der Operation drei Tage im Krankenhaus, der andere drei Wochen. Wer von den beiden rechnet sich für die Klinik?
({6})
Wollen wir, dass Klinikleitungen so denken müssen?
Oder wollen wir, dass sie sich danach richten, was zur
Vorsorge und Fürsorge für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen getan werden
muss? Das ist der andere Ansatz. Das gilt für die Bereiche Wasser, Energie und Verkehr gleichermaßen.
({7})
Was wollen wir bei der Bahn erreichen? Gibt es einen
sozialen und ökologischen Auftrag? Wollen wir, dass
auch Hartz-IV-Empfänger mit der Bahn fahren können?
Gibt es eine Art Grundrecht auf Mobilität? Wenn ich
politische Freiheiten deklariere, muss auch jemand zur
Demonstration oder Kundgebung fahren können. Wie
kommt er dahin? Das ist die soziale Frage.
({8})
Hinzu kommt die ökologische Frage. Wenn Gütertransporte von der Straße auf die Schiene verlagert werden sollen, dann müssen subventionierte Angebote unterbreitet werden. Das wird ein privater Investor niemals
tun. Warum sollte er etwas verschenken?
({9})
Alle diese politischen Ziele beginnen Sie aufzugeben.
Ich weiß, dass zunächst nur ein Viertel der Bahn verkauft werden soll. Ich weiß aber auch, wie groß der Einfluss eines Investors ist, dem ein Viertel eines Unternehmens gehört. Der Renditedruck wird zunehmen.
Weil Sie auch über die positiven Veränderungen bei
der Bahn gesprochen haben, fordere ich Sie auf, einmal
zu vergleichen, was eine Bahnfahrkarte vor 15 Jahren
oder vor zehn Jahren gekostet hat und was sie heute kostet.
({10})
Das ist doch nicht etwa billiger geworden. Dies gehört
zur Vorbereitung der Privatisierung, um den Investoren
zu zeigen, wie sehr sich das Geschäft lohnt.
Der nächste Punkt betrifft Befürchtungen der Länder.
Warum sind die Länder dagegen, und warum sollen sie
ausgeschlossen werden? Aus einem ganz einfachen
Grund: Die Länder gehen davon aus, dass die Investoren nur etwas erwerben, was sich rechnet. Was sich nicht
rechnet, bleibt bei den Kommunen, und das müssen dann
die Länder bezahlen. Deshalb melden sie Widerspruch
an. Dann kommen Sie und sagen: Wir fassen bloß einen
Beschluss, und dann können die Länder keinen Widerspruch anmelden. - Es ist nicht hinnehmbar, wie Sie das
Ganze organisieren.
({11})
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wenn wir die
Zuständigkeit der Politik durch Privatisierung Schritt für
Schritt aufgeben - wir tun es bei der Kultur, bei der Bildung, im Gesundheitswesen, bei Energie und Wasser
und nun auch beim Verkehr -, dann zerstören wir das
Primat der Politik und bekommen ein Primat der Wirtschaft über die Politik, wovon man schon heute ausgehen kann. Dann müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern jedes Mal erklären, warum wir alle dafür nicht
zuständig sind:
({12})
Wir haben es verkauft; es gehört uns nicht mehr. Es gehört irgendeinem Privaten, der über die Preise sowie darüber entscheidet, was er anbietet. - Das ist der falsche
Weg. Wir brauchen eine höhere Bedeutung der Demokratie und damit eine klare Verantwortung der Politik.
Danke schön.
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dass die scheinbar formalen Fragen, die am Anfang diskutiert worden sind - kein Gesetzentwurf, unzureichende Berichte -, keine Petitessen, sondern systematische Probleme sind, will ich am Anfang kurz darstellen.
Erstens haben wir einen nicht aussagefähigen Netzzustandsbericht, der von Mehdorn, von der Bahn,
stammt, aber nicht evaluiert ist. Er gibt zum Beispiel
keinen klaren Aufschluss über die vielen Langsamfahrstrecken der Bahn. Dies halten wir für ein systematisches Problem, wenn es um die auch von Herrn Lippold
angesprochene Frage geht, ob der von Ihnen erwartete
Erlös ganz ins Netz fließen oder nach der Drittellösung
verteilt werden soll. Wenn herauskäme, dass wir ein marodes Netz haben, dann wäre es doch völlig logisch, dass
das gesamte Geld für die Netzinfrastruktur ausgegeben
werden muss.
({0})
Zweitens liegt uns keine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor. Sie ist noch nicht endgültig
verhandelt und enthält viele Leerstellen. Ich weiß nicht,
ob das allen klar ist: Da steht immer „xxx“, wenn es ums
Eingemachte geht. Aber ein Punkt ist bereits präzise beschrieben: Man kann 5 Prozent des Netzes stilllegen,
aber der Bundeszuschuss in Höhe von 2,5 Milliarden
Euro bleibt bestehen. Das ist eine schöne Einladung an
Leute, die sich da einkaufen werden. Man kann Kosten
streichen, aber der Zuschuss bleibt.
({1})
Drittens liegt der Beteiligungsvertrag, der die Details regelt, Herr Lippold, nicht vor. Professor Schäfer
scheint ihn bei der Anhörung schon gehabt zu haben. Jedenfalls warnt er davor, dass es bei der von Ihnen gewählten Konstruktion des Holdingmodells ein beträchtliches Risiko für die Konzernmutter geben könne. Für
Fehlinvestitionen und Auslandsgeschäfte der Konzerntochter, also Mobilität und Logistik, muss die Mutter geradestehen. Wo sind wir denn, meine Damen und Herren, wenn wir als Parlament so etwas nicht klar auf dem
Tisch haben, bevor wir beschließen? Wir müssen die tatsächlichen Risiken der Privatisierung und des Holdingmodells, das Sie gewählt haben, kennen.
({2})
Wenn Sie diese drei Punkte zusammennehmen, Herr
Tiefensee, dann entsteht ein anderes Bild. Hier wird eine
anlegerfreundliche Desinformation der Politik und der
Öffentlichkeit gewählt. So entsteht ein günstiges Bild für
Anleger, während in unserem Hause eine systematische
Desinformation organisiert worden ist.
({3})
Dazu hätte ich von einem Verkehrsminister, der uns noch
am 8. Mai hier erzählt hat, der Beteiligungsvertrag
werde in den nächsten Tagen kommen, schon ein bisschen mehr erwartet als diese Herumdruckserei, die Sie
eben in Ihrer Rede mit blassgrüner Krawatte vorgeführt
haben.
({4})
Die Peinlichkeiten im Verfahren sind wirklich unübersehbar. Jetzt erfahren wir aus den Wirtschaftsseiten
der Zeitung, dass von den zu privatisierenden 24,9 Prozent 20 Prozent an institutionelle Anleger, an die Russen
oder an wen auch immer, und 3 bis 5 Prozent an Kleinanleger gehen werden. Ich frage die Genossinnen und
Genossen von der SPD: Ist diese Bonsai-Volksaktie die
Volksaktie, von der Sie immer geschwärmt haben? Da
kann man nur lachen.
({5})
Dass es bei einer Privatisierung von 24,9 Prozent
nicht bleiben wird, haben die Redner der CDU/CSU
heute schon deutlich gemacht, lieber Kollege Struck.
Herr Beck erzählt jetzt den Wählerinnen und Wählern,
man müsse eben SPD wählen, damit es bei den
24,9 Prozent bleibt. Ich würde Ihnen raten: Passen Sie
auf, dass die Wähler die 24,9 Prozent nicht mit dem Ziel
der SPD bei der nächsten Bundestagswahl verwechseln!
Wenn Sie so weitermachen, werden es nämlich nicht viel
mehr als das werden.
({6})
Und dann die Doppelnummer mit Herrn Mehdorn als
Chef der Holding-Mutter und Chef der Verkehrstochter!
Herr Tiefensee, ich frage Sie: Wenn diese Konstruktion
gut ist, warum soll sie dann 2009 geändert werden?
Wenn sie aber nicht gut ist, warum wird so etwas dann
bis 2009 gemacht? Die entscheidende Frage, wer einen
Konzern mit unterschiedlichen Töchtern und Müttern
am besten führen kann, haben Sie mit diesem Hü und
Hott, mit diesem Gewurschtel nicht geklärt, Herr Verkehrsminister.
({7})
Ich möchte zu den Grundsatzfragen kommen.
({8})
Mich interessiert, welche verkehrspolitischen Ziele, welche Ziele im Hinblick auf die Daseinsvorsorge, welche
Umweltziele mit dieser Privatisierung erreicht werden
sollen. In den vergangenen Jahren sind viele Debatten
geführt worden; doch muss man sich einmal darüber klar
werden: Wird das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen, erreicht? Wir wissen aus den Diskussionen über
den Klimaschutz, dass 20 Prozent der CO2-Emissionen
Deutschlands durch den Verkehr entstehen. Diese Regierung hat keinerlei Konzept, wie man diesen Anteil verringern könnte. Ich frage noch einmal: Wird mit einer
Privatisierung von 24,9 Prozent bei Verkehr und Logistik das verkehrspolitische Ziel erreicht, mehr Verkehr
auf die Schiene zu bringen?
({9})
Dafür spricht nichts.
({10})
Wenn jetzt private Anleger, Großanleger mit strategischen Interessen bei Verkehr und Logistik der Bahn einsteigen, ist doch völlig klar, dass der Schienenverkehr
dadurch unter Renditedruck gesetzt wird. Natürlich wird
erwartet werden, dass schnell Rendite kommt. So werden zum Beispiel Fernverkehrsstrecken, die nicht so rentabel sind, anstatt dass sie rentabler gemacht werden,
stillgelegt werden. Mit den 5 Prozent haben Sie schon in
der Finanzierungsvereinbarung eine Stilllegungsprämie
vorgesehen.
({11})
Es spricht nichts dafür, dass sich mit diesem Konzept
mehr Verkehr auf die Schiene bringen ließe. Wer im Interesse von mehr Klimaschutz will, dass mehr Verkehr
auf die Schiene verlagert wird, kann diese Art von Privatisierung nicht gutheißen. Unser Ziel kann es ja nicht
sein, zu finanzieren, dass in China oder Russland Lastwagen, auf denen „DB“ steht, herumfahren. Unser Ziel
muss doch eine Verkehrssubstitution zugunsten des ökologisch besten Verkehrsträgers sein. Mit dem, was Sie,
meine Damen und Herren von der Großen Koalition,
vorlegen, haben Sie ganz klar versagt.
({12})
Bei dem Konzept, das heute vorliegt, hat allenfalls
Mehdorn gewonnen, der seine verschachtelten Interessen in den letzten Jahren dogmatisch verfolgt hat. Der
Schienenverkehr ist bei der Privatisierung, die Sie heute
vorhaben, der Verlierer.
({13})
Auch was das Ordnungspolitische angeht, sollten Sie,
Herr Fischer, Herr Lippold, Herr Meyer, mit der Union
noch einmal reden. Ich frage mich übrigens, wo Herr
Glos ist. Bei den Anfängen dieser Diskussion hat er entschieden für eine klare ordnungspolitische Linie geworben; jetzt hat er sich bei diesem Thema still und heimlich
vom Acker gemacht.
({14})
Wo sind denn Vorkehrungen für mehr Wettbewerb auf
der Schiene, wodurch man das Schienenverkehrsaufkommen ebenfalls steigern kann? Es gibt bei diesem
Modell, anders als es Herr Lippold sagte, keine Trennung von Netz und Betrieb.
({15})
Wann lernen Sie endlich aus dem Debakel, das wir im
Energiebereich haben? Dieses Debakel bedeutet ordnungspolitisch: Wer guten Wettbewerb und faire
Zugangsbedingungen haben will, der muss Betrieb und
Erzeugung bzw. Netz und Fahrbetrieb voneinander trennen. Das gilt im Energiebereich genauso wie im Verkehrsbereich. Sie haben es aber nicht gemacht, weil sie
weiterhin dem Dogma eines integrierten Konzerns anhängen.
({16})
Herr Fischer, in ordnungspolitischer Hinsicht ist das,
was Sie hier vorlegen, kein Meisterstück, sondern nichts
anderes als ein Versagen. Zu diesem Schluss kommt
man, wenn man mehr Wettbewerb auf der Schiene haben
will und das für ein politisches Ziel hält. Mit der von Ihnen angestrebten Privatisierung erreichen Sie nicht mehr
Wettbewerb auf der Schiene. Das ist ein Märchen. Lassen Sie sich nichts einreden! Allein die Bahn verfügt
über das Netz. Lediglich 24,9 Prozent des Betriebs, also
von Verkehr und Logistik, werden privatisiert. Wie soll
eine solche Konstruktion mehr Wettbewerb im Netz ermöglichen und neuen Verkehrsbetrieben eine Chance eröffnen? Die vorhandenen bürokratischen Probleme wie
Zugangszeiten und Preisintransparenz bleiben bei dem
Modell bestehen, das Sie gewählt haben.
Ich frage Sie noch einmal: Welche übergeordneten
Ziele erreichen Sie eigentlich mit der von Ihnen angestrebten Privatisierung? Ich finde, dass die Große Koalition bisher eine Antwort darauf schuldig geblieben ist.
({17})
Ich gehe einen Schritt weiter. Ich glaube, dass die Große
Koalition in einem so bedauernswerten Zustand ist, dass
sie sich schon freut, wenn überhaupt ein Ergebnis zustande kommt, und dass es ihr völlig egal ist, welchen
Murks sie verabschiedet. Hauptsache, man hat ein
Thema erledigt und kann so tun, als wäre man noch
handlungsfähig.
({18})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich
habe mir Ihre Ziele genau angesehen, die Sie vor Ihrem
Parteitag verkündet haben, und sie mit dem verglichen,
was herausgekommen ist. Ich bin zu dem Schluss gekommen: Sie haben noch nicht einmal ein schlechtes
Defensivspiel gemacht. Sie haben einfach dem Murks
zugestimmt, um irgendwie über die Runden zu kommen
und Ihren Vorsitzenden - oder wen auch immer - handlungsfähig erscheinen zu lassen. Mit einer vernünftigen
Verkehrspolitik, deren Ziel es sein muss, mehr Verkehr
auf die Schiene zu bringen, und mit einer vernünftigen
Klimaschutzpolitik, deren Ziel es sein muss, nach dem
Scheitern der Beimischungsquote im Biospritbereich
und der gescheiterten Umstellung der Kfz-Steuer den
Anteil des Verkehrs am CO2-Ausstoß von 20 Prozent zu
senken, hat das vorgelegte Papier - Sie haben noch nicht
einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt - nichts, aber
auch gar nichts zu tun.
Ihr Entwurf ist auch im Hinblick auf den Umgang
mit dem Volksvermögen nicht positiv zu bewerten. Die
3 Milliarden Euro bzw. die 3,5 Milliarden Euro - was
wissen wir schon? -, die Sie vielleicht erlösen werden,
werden nicht zielgenau für das Erreichen des Klimaschutzziels „besserer Verkehr“ ausgegeben. 1 Milliarde
Euro soll für die Sanierung des Staatshaushalts verwendet werden. Ein anderer Teil des Erlöses soll für das Erreichen der Ziele verwendet werden, die Herr Mehdorn
bei seiner Strategie der Globalisierung verfolgt. Das
Geld bleibt jedenfalls nicht bei uns im Land.
Wir haben einen klugen Antrag vorgelegt und weisen
darin Ihr Konzept zurück.
({19})
Wir wollen Netz und Betrieb endlich voneinander trennen. Ich schlage Ihnen vor: Geben Sie sich einen Ruck!
Machen Sie das, was Ihre Basis will, Herr Kollege
Struck, und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Ich danke.
({20})
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Uwe
Beckmeyer.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Einige Reden der Opposition waren schon bemerkenswert. Das gilt insbesondere für Sie, Herr Kuhn.
Sie haben deutlich gemacht, was die Grünen eigentlich
wollen. Davon steht in Ihrem Antrag nichts drin. Dort
steht lediglich, dass Sie nichts mit einem integrierten
Konzern zu tun haben wollen. Sie haben heute zum ersten Mal gesagt, dass Sie eine Trennung von Betrieb und
Netz wollen.
({0})
Das ist interessant. Das ist eine Neuorientierung Ihrer
Position. Wir nehmen das dankbar zur Kenntnis und
werden darauf öffentlich zurückkommen.
Herr Gysi, Ihr Problem ist, dass Sie von dem Thema
nicht viel verstehen und trotzdem sehr populistisch darüber reden.
({1})
Insofern sollten Sie aufpassen. Man kann nicht mit dem
gleichen Argument wie für die Krankenhäuser auch die
Bahn bedienen.
Es ist wichtig, einmal zu überlegen, wie unsere heutige Bahn sich entwickelt hat. 1993 erfolgte in Deutschland die Verschmelzung der Deutschen Bundesbahn mit
der Reichsbahn. Sie haben recht, in der DDR gab es sehr
viele Schienenkilometer, aber in einem derart miserablen
Zustand, dass niemand verantworten konnte, diese auch
nur annähernd zu unterhalten und aufrechtzuerhalten.
({2})
Das muss man dem deutschen Volk einfach einmal sagen.
Ich habe gelesen, dass Herr Lafontaine wegen des
Programmmangels auf Ihrem Parteitag vorgeschlagen
hat, auch einige Teile des Kommunistischen Manifestes
aufzunehmen.
({3})
Das fand ich gut. Ich kann da noch einen Satz von Karl
Marx zum Thema Eisenbahnen hinzufügen, den ich
jüngst gelesen habe und der vor längerer Zeit von dem in
der DDR damals verantwortlichen Günter Mittag in
einem Brief an Alfred Neumann für die Begründung herhalten musste, weshalb die DDR nicht in die Eisenbahn
investiert hat. Ich zitiere:
Der Bau von Eisenbahnen liefert für lange Zeit
keine Produktions- und Lebensmittel, entzieht diese
aber der jährlichen wirtschaftlichen Erzeugung.
Wenn Sie das in Ihr Programm aufnehmen, dann wissen
wir endlich, was Sie wollen.
({4})
Wir haben eine lange Diskussion über die Bahnreform hinter uns. Wir haben politische Diskussionen im
Plenum und in den Ausschüssen gehabt. Wir haben vier
Anhörungen durchgeführt - wenn man die private Anhörung der Oppositionsfraktionen mitzählt, sogar fünf; da
waren Sie allerdings leider enttäuscht über das Ergebnis,
denn diese hat erbracht, dass die Fachleute mehrheitlich
der Meinung sind, dass Ihre Position nicht trägt.
({5})
Wir haben eine sehr intensive Debatte geführt.
Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, dass wir in
Deutschland zukünftig eine DB AG haben werden, die
zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist. Es wird eine
konzerngeleitete Holding strukturiert, und das ist gut so.
Wir werden ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen
haben, das das gesamte Schienennetz mit einem Wert
von 180 Milliarden Euro Wiederbeschaffungswert besitzt, das die Bahnhöfe, die Energieerzeugung und die
notwendigen Dienstleistungen wie Projektbau und natürlich auch strategische Konzernleitungsfunktionen umfasst. Dieses bleibt zu 100 Prozent im Besitz der Bundesrepublik Deutschland.
({6})
- Haben Sie dagegen etwas einzuwenden? Ich denke
nicht.
Herr Kollege Beckmeyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich wollte eigentlich meine Rede fortsetzen,
Frau Präsidentin.
({0})
- Wenn Sie nach dem Zitat fragen wollen: Ich kann es
Ihnen nachher geben.
Investoren in Deutschland werden an den Infrastrukturunternehmen nicht beteiligt werden. Es gibt also aus
dieser Investorenschaft keinen Einfluss auf den Konzern. Der Bund wird seine im Grundgesetz festgelegte
Infrastruktur- und Angebotsverantwortung demgemäß
vollständig erfüllen. Da gibt es kein Vertun. Außerdem
werden wir so den integrierten Konzern und damit den
konzerninternen Arbeitsmarkt sichern. Auch da gibt es
kein Vertun, und das ist gut so.
Wir ermöglichen lediglich die Beteiligung privaten
Kapitals von maximal 24,9 Prozent an einer Bahntochter, und zwar der DB Mobility Logistics AG, in der der
Güterverkehr, die Logistik, der Fern- und der Regionalverkehr und die dazugehörigen Dienstleistungen zusammengefasst sind. Im Umkehrschluss heißt das: 75,1 Prozent dieser Gesellschaft bleiben im Besitz der Bahn AG
und damit mittelbar im Besitz der Bundesrepublik
Deutschland. Das muss man wissen. Sie zeichnen für das
deutsche Volk von dieser Stelle aus ein Phantomgebilde,
das überhaupt nicht existent ist.
Der Verkaufserlös - das ist das Entscheidende;
darum geht es - soll zu gleichen Teilen erstens an den
Bundesfinanzminister, zweitens in eine Eigenkapitalerhöhung der Bahn mit einem zielgerichteten Investitionsprogramm und drittens in Investitionen des Bundes
in das Schienennetz fließen.
Nun komme ich zurück zu Herrn Gysi. Herr Gysi, Sie
haben vorhin so getan, als würden wir plötzlich mit den
Investoren in einen Wettbewerb treten und als würden
uns diese ganzen bösen Investoren drangsalieren wollen.
Wissen Sie eigentlich, dass der Güterverkehr, dass
Railion und Schenker schon heute im Wettbewerb stehen? Die müssen im Wettbewerb Geld verdienen. Die
DB Regio steht heute schon im Wettbewerb und muss so
günstig und gut sein, dass sie Ausschreibungen gegen
Veolia und andere große Bahnen in Deutschland gewinnt. Sie muss gut sein, und darum geht es doch.
({1})
Wir wollen eine gute Bahn, die Geld verdient und die
auch in der Lage ist, im Wettbewerb zu bestehen. Aber
was Sie im Kopfe haben, ist eine Staatsbahn alten Zuschnitts, hoffentlich nicht nach Art der DDR. Dieses alles zusammengenommen zeigt doch die Unterschiede,
die zwischen Ihnen und denen, die momentan diese
Bahnreform fortsetzen wollen, existieren. Sie haben ein
verkrustetes Bahnmodell im Kopfe, das schon 1993 abgeschafft worden ist, und das ist gut so. Sie müssen dazulernen, sonst kommen Sie auf keinen aktuellen Informationsstand. Übrigens, die Aussage, die Deutsche
Bahn sei 170 Jahre im Besitz des Staates, ist falsch. Erst
die Preußen haben die Bahn verstaatlicht. Vorher waren
die Bahnen privat. Auch das muss man zur geschichtlichen Klarstellung sagen.
({2})
Ich komme zum Schluss. Entscheidend ist, dass wir
die Eigenkapitalbasis stärken und dass wir damit die Investitionskraft der DB AG fördern. Wir wollen Wachstum auf der Schiene ermöglichen, Herr Kuhn, und den
Herausforderungen des europäischen Schienenverkehrsmarktes begegnen. Wir wollen zusätzliche Finanzmittel
für die Ertüchtigung des Bundesschienennetzes und damit die Engpässe beseitigen. Wir wollen Strecken und
Knoten ausbauen, wir wollen die Bahnhöfe sanieren,
und wir wollen uns dem Thema Lärm an Strecken widmen. Wir müssen den Lärm an Schienensträngen beseitigen. Dafür brauchen wir Geld im öffentlichen Bereich.
({3})
Es geht um eine spürbare Attraktivitätssteigerung.
Ich will als Letztes noch etwas sagen.
Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit!
- Ein letzter Gedanke. ({0})
Hier wird mit Schmutz geworfen. Die Rheinische Post,
die Sie schon dreimal angesprochen haben, hat einen falschen Bericht geschrieben. Nehmen Sie das bitte zur
Kenntnis. Wir können heute klar und deutlich sagen: Die
Information, die hier drinsteht, ist zu dementieren.
Danke schön.
({1})
Zu einer Kurzintervention erteile ich nun der Kollegin
Menzner das Wort.
Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben jetzt hier sehr vehement für Ihren Entwurf geworben, aber Sie haben mit
keinem Wort deutlich gemacht, wie das, was jetzt vorgesehen ist, den Einfluss des nach wie vor Haupteigentümers - bisher des alleinigen Eigentümers -, des Bundes,
stärken soll. Gemeinsam streiten wir seit zweieinhalb
Jahren, um einen aussagefähigen Netzzustandsbericht
zu erhalten. Wir hatten schon große Schwierigkeiten, solange die DB AG zu 100 Prozent dem Bund gehörte. Mir
und, ich glaube, auch dem Bürger erschließt sich nicht,
wie wir in Zukunft besser an Informationen kommen,
wenn wir nur noch „mittelbare Eigentümer“ sind, und da
zitiere ich Sie wörtlich.
({0})
Zum Zweiten: Natürlich steht die DB AG im Wettbewerb, aber Sie dürfen nicht verschweigen, wie die
DB AG damit umgeht. Sie ist dabei, eine ganze Reihe
von Subunternehmen zu gründen - ich nenne als Stichwort die DB Heidekrautbahn -, um mit durch Lohndumping möglichen billigeren Angeboten an Ausschreibungen teilnehmen zu können. Es geht aber aus meiner
Sicht - das ist der öffentliche Auftrag - um Qualität für
die Bürgerinnen und Bürger, um vernünftige Angebote
und um vernünftige Arbeitsbedingungen für die Menschen, die bei der Bahn arbeiten. Das ist nicht gewährleistet.
({1})
Herr Kollege Beckmeyer, bitte.
Liebe Frau Kollegin, wir haben uns darüber schon im
Ausschuss unterhalten. Für die sozialdemokratische
Fraktion kann ich eindeutig erklären: Wir sind gegen
Dumpinglöhne. Die Tarifverträge, die die Deutsche
Bahn mit ihrer Gewerkschaft geschlossen hat, verhindern diese Gott sei Dank. Wir sind stolz darauf, dass die
Kolleginnen und Kollegen das - möglichst noch bis
2023 - erstritten haben, um das deutlich zu sagen.
({0})
Sie operieren mit Informationen, die nicht aktuell sind.
Sie werden bei uns garantiert keine politische Unterstützung finden.
Ich will etwas zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sagen. Auch das ist hier von Ihnen angesprochen worden. Ich finde es unredlich, wie die Opposition teilweise mit diesem Thema umgeht. Die
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung - Stand: aktuell, vorgestern - ist Ihnen zur Verfügung gestellt worden, damit Sie sich einlesen können. Es ist immer gesagt
worden, dass das ein Zwischenstand ist, der sich weiterentwickelt.
Jetzt zu sagen, dieses Thema sei nicht ausreichend behandelt, ist unfair. Wir werden uns im Ausschuss über
die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beraten
und wir werden sie beschließen. Das steht ebenfalls in
dem Antrag, den wir heute beschließen.
Danke schön.
({1})
Nächster Redner ist nun der Kollege Patrick Döring
für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ging doch sehr viel durcheinander. Ich will meine vier
Minuten Redezeit dazu nutzen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Sehr geehrter Herr Kollege Gysi, wenn Sie zurückwollen zu einer Staatsbahn, wie wir sie vor 1989 und vor
1993 hatten, wenn Sie zurückwollen zu einer Behördenbahn, dann müssen Sie auch konstatieren: Nirgendwo,
zu keinem Zeitpunkt gab es so wenig und so schlechten
Schienenverkehr wie in der Zeit der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn.
({0})
Deshalb ist eine Reverstaatlichung wirklich kein Konzept, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen.
({1})
Sehr verehrter Herr Kollege Kuhn, ein Konzept ist
aber auch nicht, darüber nachzudenken, wie man die
Bürgerinnen und Bürger durch mehr staatlichen Einfluss
- am liebsten per Verordnung oder Gesetz - zurück auf
die Schiene bringt. Die Erfolgsgeschichte der Regionalisierung ist doch, dass das Angebot besser geworden ist
und dass gute Angebote in einer Wettbewerbssituation
die Menschen motiviert haben, wieder in den Zug zu
steigen. Das ist die Erfolgsgeschichte der Bahnreform
1994 durch Schwarz-Gelb mit Unterstützung der Sozialdemokratie.
({2})
Ich stehe hier aber nicht, um den jetzt gewählten Weg
zu loben und zu unterstützen,
({3})
und zwar aus mehreren Gründen. Sehr geehrter Herr
Kollege Beckmeyer, ich bin mit Ihnen einig, dass man
das Entgegenkommen des Ministeriums, uns jetzt die
LuFV im Entwurfsstand zu geben, in dieser Phase nicht
kritisieren darf. Ich sage für meine Fraktion nur: Wir fordern nichts anderes, als dass Sie sich an Ihren Beschluss
vom letzten Jahr erinnern, dass die Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung ausformuliert und ein Jahr
erprobt sein muss, bevor man privatisiert.
({4})
Da gehen Sie jetzt einen anderen Weg, weil Sie wahrscheinlich nicht garantieren können, dass Ihre Basis
nach dem Samstag in Nürnberg auch diese Entscheidung
noch mitträgt. Deshalb muss das heute alles abgeräumt
werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich
höre es gerne, wenn sie sagen: „Uns wäre mehr als
24,9 Prozent eingefallen“, allein mir fehlt der Glaube.
Deshalb sage ich: Es ist nicht zu verantworten, übrigens
auch nicht politisch, dass der deutsche Steuerzahler weiter mit 75,1 Prozent für LKW-Verkehr in Russland, für
Bahnverkehr in China und für Nahverkehr in Schweden
und anderen europäischen Ländern haftet.
({5})
Ich wiederhole: Das ist nicht zu verantworten.
Man muss deshalb fragen: Warum wachsen die
Güterverkehre heute? Warum haben wir gute private
- übrigens, oh Schreck, renditegetriebene - Regionalverkehrsunternehmen? Diese Unternehmen machen einen tollen Regionalverkehr, und sie gewinnen auch die
Ausschreibungen gegen das Unternehmen mit Sitz am
Potsdamer Platz, obwohl sie Gewinn machen müssen
und die besseren Wagen anbieten. Warum geschieht das
alles? Weil Effizienzen in einem Unternehmen gehoben
werden, das jetzt endlich getrieben wird, sich vernünftig
zu verhalten.
({6})
Jetzt kommen wir zur Infrastruktur. Ich persönlich
- das habe ich auch im Ausschuss gesagt - empfehle gelegentlich den Blick ins Aktiengesetz. Die Koalition
schreibt in ihrem Papier, sie erwarte, dass die DB AG die
Mittel, die sie bekommt, für nationale Investitionen und
Innovationen verwendet. Im Aktiengesetz ist eindeutig
geregelt, dass diese Entscheidung ausschließlich der
Vorstand fällt. Das ist das, was die FDP-Fraktion und
mich in diesem Verfahren stört: Wer privatisieren will
- wir wollen das; wir wollen, dass noch mehr privatisiert
wird -, der muss sicherstellen, dass der Staat, der am
Ende zu 100 Prozent die Verantwortung für die Infrastruktur behält - was wir begrüßen -, seine Verantwortung auch wahrnehmen kann.
Die jetzt gewählte Konstruktion ist sowohl aus Sicht
des Aktienrechts als auch aus Sicht der Beteiligung des
Parlaments unbefriedigend. Sind wir Politiker eigentlich
damit zufrieden, wie wir in der Vergangenheit Einfluss
auf den Aufsichtsrat nehmen konnten, der zu 100 Prozent vom Bund bestellt wird? Waren wir damit zufrieden? Es ist falsch, diese Entscheidung schon jetzt zu
treffen, ohne darüber zu sprechen, wie mit einer erprobten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, mit einem Netzzustandsbericht und mit einem Beteiligungsvertrag, den das Parlament vorher gesehen hat und über
den auch entschieden werden kann, umzugehen ist, bevor man seinen Anteil dem DB-Vorstand zu Füßen legt,
ihm 2,5 Milliarden Euro hinterherwirft, ohne die Gegenleistung zu kennen.
Das ist der falsche Weg. So macht man keine erfolgreiche Privatisierung. So diskreditiert man Privatisierung. Deshalb können wir Ihren Weg heute nicht mitgehen.
Herzlichen Dank.
({7})
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege
Klaus Hofbauer.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Die Große Koalition bringt heute ein großes und wichtiges Projekt unter ihrer Regierungsverantwortung auf die Zielgerade.
Nach jahrelanger und ausführlicher Diskussion mit
zum Teil konträren Standpunkten können wir heute feststellen, dass wir mit einer erfolgreichen Fortentwicklung
der Bahnreform auf dem richtigen Weg sind. Das ist die
entscheidende Botschaft, die wir nach außen tragen müssen.
({0})
Bei dem Kollegen Horst Friedrich möchte ich mich
fast bedanken, weil er zu Beginn seiner Ausführungen
ganz klar und deutlich gesagt hat, dass dieser Antrag der
richtige Weg ist. Ja, wir sind auf dem richtigen Weg.
Deswegen bitte ich die FDP-Fraktion sehr herzlich, unserem Antrag zuzustimmen. Das wäre der ehrliche und
richtige Weg.
({1})
Es gibt zwei große Herausforderungen für die Politik
und für die Bahn.
Zum einen müssen wir die Bahn fit machen, dass sie
sich dem globalen Wettbewerb stellen kann. Warum ist
es notwendig, dass die Bahn sich dem globalen Wettbewerb stellt? Es ist notwendig, weil der Kunde es verlangt. Die Wirtschaft agiert weltweit. Der Kunde verlangt von der Bahn ein ganzheitliches Konzept, wie zum
Beispiel ein Produkt von Deutschland nach Japan oder
an jeden anderen Ort der Welt gebracht werden kann,
ohne dass Verhandlungen mit mehreren Vertragspartnern
erforderlich sind. Dafür müssen wir die Bahn fit machen.
Genau das tun wir jetzt.
Zum anderen nehmen wir die Verpflichtung zur
Daseinsvorsorge sehr ernst. Wir fühlen uns dem Art. 87 e
des Grundgesetzes verpflichtet.
({2})
Wir wollen, dass in Deutschland ein attraktiver und zukunftsorientierter Bahnverkehr stattfindet. Dafür haben
wir in der Vergangenheit zum Beispiel bei den Regionalisierungsmitteln die Weichen gestellt. Die zum Teil privatisierten regionalen Angebote sind eine Erfolgsgeschichte der letzten 15 Jahre. Diese Erfolgsgeschichte
wollen wir fortsetzen, stärken und ausbauen.
({3})
Da sind wir auf einem guten Weg, Herr Kollege
Hofreiter, weil wir Akzente gesetzt haben und dies auch
weiterhin tun werden.
({4})
Es steht außer Zweifel, dass das regionale Angebot
immer attraktiver geworden ist, dass die Menschen es
immer besser annehmen und dass die Bahn erhebliche
Zuwächse hat. Außerdem wird der Güterverkehr in
Deutschland von der Bahn so attraktiv gestaltet, dass es
bereits Engpässe gibt. Wir brauchen erhebliche Investitionen, um das Güterverkehrsangebot auszubauen und zu
verstärken.
Es ist klar, dass die Umsetzung des heutigen Beschlusses noch ganz gewaltige Herausforderungen für
uns mit sich bringen wird. Wir sind dabei, die entsprechenden Voraussetzungen zum Beispiel bei dem Beteiligungsvertrag zu erfüllen. Das gilt natürlich auch für die
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie die
Anreizregulierung.
Ich möchte hier erwähnen, was der Herr Staatssekretär Großmann bei der Anhörung gesagt hat: Wir legen
euch keine fertigen Papiere vor. Die Papiere, die im Entwurf vorliegen, können gestaltet werden. Wir werden die
Chance nutzen, die Inhalte so zu gestalten, dass sie den
Zielen des heutigen Beschlusses auch wirklich gerecht
werden. Herzlichen Dank für dieses Angebot. Wir als
Koalitionsfraktionen werden es ganz konkret nutzen.
({5})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie
mir eine Anmerkung zur Anreizregulierung. Wir wissen, dass insbesondere die DB die Anreizregulierung gar
nicht will. Wir von der Politik hier im Parlament fordern,
dass die Anreizregulierung umgesetzt wird, weil wir
Kontrolle haben wollen. Wir können und müssen uns
aber darüber unterhalten, mit welchem bürokratischen
Aufwand das geschieht. Wir wollen keinen Popanz „Bürokratie“ aufbauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass
wir gemeinsam Lösungen dafür finden, wie das richtig
gestaltet werden kann.
Noch eine Bemerkung zu den Investitionen. Ich
möchte mich nicht an den Spekulationen darüber beteiligen, welchen Erlös die Teilprivatisierung erbringt. Das
müssen wir abwarten. Das werden die nächsten Monate
oder das nächste Jahr zeigen. Eines muss aber klar sein
- das darf ich als Verkehrspolitiker sagen -: Mit dem jetzigen Maß an Investitionen werden wir die Herausforderungen weder bei der Bahn noch auf der Straße bewältigen können.
({6})
Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland braucht insgesamt mehr Geld, weil wir ansonsten - ich glaube, das
dürfen wir sagen - ins Hintertreffen geraten.
({7})
Vorhin wurde gesagt, dass wir in vielen Bereichen erfolgreich sind. Ich weiß nicht, ob das jetzt in diese Debatte passt, spreche es aber trotzdem an. Ich möchte den
Bediensteten der Bahn insgesamt und auch den Bediensteten der Privatbahnen einmal ein herzliches Dankeschön sagen sowie Anerkennung und Respekt zum Ausdruck bringen.
({8})
Dass so viele Erfolge erzielt wurden, ist auch dem Einsatz der Bediensteten auf allen Ebenen zu verdanken.
Weil wir als Eigentümer mit dabei sind, darf man das
einmal sagen.
Wir werden in den nächsten Wochen noch über manche Bereiche diskutieren. Wir werden das rasch über die
Bühne bringen. Wir werden uns zum Beispiel über die
Möglichkeit unterhalten, das Streckennetz um 5 Prozent
zu reduzieren, ohne dass die Mittel entsprechend reduziert werden. Das kann so nicht sein. 5 Prozent sind ein
ganz erheblicher Anteil. Deswegen müssen wir darüber
diskutieren.
Natürlich macht uns auch das Thema Fernverkehr
einige Sorgen. Erlauben Sie mir, das etwas persönlicher
zu sagen. Als ich vor 10 oder 15 Jahren zwischen Mün17354
chen und Prag über den Grenzübergang Furth im Wald
gefahren bin, war das Fernverkehr. Das wird jetzt mit
Nahverkehrsmitteln bedient. Das ist auf Dauer mit Sicherheit nicht der richtige Weg. Wir müssen das Thema
Fernverkehr ernst nehmen: Wir werden es auch ernst
nehmen und die entsprechenden Akzente setzen.
Zum Schluss möchte ich Folgendes feststellen: Wir
haben noch einige Hausaufgaben zu machen. Das werden wir tun. Wir sind aber auf einem hervorragenden
Weg, die Bahnreform aus 1993/94 weiterzuentwickeln.
Ich glaube, dass wir heute einen sehr guten Beschluss
fassen werden.
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Martin Burkert für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren
auf der Tribüne! Ich will das jetzt noch einmal in aller
Sachlichkeit und Ruhe erläutern; denn für einen Eisenbahner ist das heute schon ein besonderer Tag.
Der Zug, sprich: die Bahnreform, steht aus meiner
Sicht auf dem richtigen Gleis. Der Fahrweg ist eingestellt. Wir haben alle haushaltspolitischen und verkehrspolitischen Fragen erörtert und beantwortet.
Nachdem heute ein Modell zur Trennung von Fahrweg und Betrieb im Güterverkehrsbereich von den
Grünen erstmals öffentlich dargestellt worden ist,
({0})
möchte ich ausdrücklich sagen: Herr Kuhn, der Einzelwagenverkehr in Deutschland ist nicht lukrativ. Wenn
Sie nun aber die Möglichkeit des Einzelwagenverkehrs,
also beispielsweise den Transport eines Güterwagens
von Hamburg nach München, dadurch aufheben, dass
Sie die Subventionierungsmöglichkeit im Querverbund
abschaffen, dann gibt es über Nacht bis zu 100 000 Lkw
mehr auf unseren Straßen. Das kann doch sicherlich von
Ihnen nicht gewollt sein.
Weiterhin haben wir auch die unternehmenspolitischen, die europarechtlichen und nicht zuletzt die beschäftigungspolitischen Weichen richtig gestellt. Der
Deutsche Bundestag gibt heute das Signal Zp9 - das ist
in der Eisenbahnersprache das grüne Licht beim Abfahrtsignal - für die Bahnreform. Der 1994 begonnene
Erfolgsweg der Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft wird nun vollendet und die Bahn jetzt mit
der Teilprivatisierung von 24,9 Prozent der Verkehrssparte in eine gute und wettbewerbsfähige Zukunft geführt.
({1})
Wie Ihnen bekannt ist, hat die SPD mit sich gerungen,
wie privaten Investoren der Einstieg möglich gemacht
werden kann. Wir haben ausführliche Beratungen durchgeführt und zusammen mit der Union ein tragfähiges
Modell vorgelegt, das unseren Ansprüchen gerecht wird.
Ein wichtiger Maßstab war und ist für uns dabei immer
auch die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse bei
der Bahn.
Die Beschäftigten bei der Bahn sind seit 1994 im Übrigen der Garant des Erfolges. Schauen wir uns nämlich
einmal an, wie sich die Personalkosten und die Wertschöpfung entwickelt haben: Im Jahr 1994 betrugen die
Personalkosten für einen Mitarbeiter im Durchschnitt
31 000 Euro pro Jahr, während die Wertschöpfung damals nur bei 28 000 Euro pro Jahr lag, also im negativen
Bereich. Im Jahr 2007 lagen die durchschnittlichen Personalkosten je Mitarbeiter bei 43 000 Euro im Jahr;
gleichzeitig erreichte die Wertschöpfung je Mitarbeiter
aber bereits einen Wert von 54 000 Euro im Jahr. Alleine
aus dieser Differenz ergibt sich ein Gewinn von über
2 Milliarden Euro vor Steuern.
Wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklung
war die Einheit des integrierten Konzerns. Deshalb
war die Beibehaltung des integrierten Konzerns genauso
wie die Beschäftigungssicherung für die 230 000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner für uns von der SPD eine
wesentliche Grundvoraussetzung bei den Verhandlungen
über den Einstieg privater Investoren. Die SPD-Fraktion
begrüßt deshalb ausdrücklich den Erhalt des integrierten
Konzerns und damit des konzerninternen Arbeitsmarktes. Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich auch den
Abschluss eines Sicherungstarifvertrages zwischen der
Transnet und der Deutschen Bahn AG.
({2})
Im Kern sind hier drei Punkte herauszustellen:
Erstens. Es wird ausgeschlossen - Kollege Beckmeyer
hat es erwähnt -, dass es bis zum Jahr 2023 zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sicherlich einzigartig in unserem Land.
Zweitens. Der bahninterne Arbeitsmarkt bleibt erhalten. Obendrein wird die Bahn weiterhin in großem Umfang ausbilden. Sie ist schon heute das größte Ausbildungsunternehmen in Deutschland, und das, obwohl
sie es mit 360 Konkurrenzunternehmen im Schienenverkehrsbereich zu tun hat. In diesem Punkt, meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP, um
auf die unternehmerische Verantwortung und vor allen
Dingen auch volkswirtschaftliche Bedeutung zu sprechen zu kommen, haben die privaten Konkurrenten bisher leider gar nichts vorzuweisen. Von diesen wurden
nämlich bisher nicht einmal zwei Hände voll an Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestellt.
Drittens. Es bleibt auch das sogenannte Kontrahierungsgebot, also die Verpflichtung zur konzerninternen
Auftragsvergabe bei der Deutschen Bahn erhalten.
Diese drei Punkte wirken sich in der Praxis folgendermaßen aus: Es wird sichergestellt, dass Lokführer oder
Fahrdienstleiter sowie alle anderen Eisenbahnerinnen
und Eisenbahner, die im Betriebsdienst beschäftigt sind,
dann, wenn sie zum Beispiel Diabetes bekommen oder
an Bluthochdruck leiden, nicht arbeitslos werden, obwohl sie aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen ihren
bisherigen Job nicht mehr länger ausüben dürfen. Durch
den konzerninternen Arbeitsmarkt ist es vielmehr möglich, sie auf einen anderen Arbeitsplatz im DB-Konzern
zu vermitteln, etwa im Dienstleistungsbereich. Allein in
diesem Bereich werden zurzeit 70 000 Eisenbahnerinnen
und Eisenbahner beschäftigt.
Dass diese Menschen auch weiterhin eine Perspektive
haben, garantiert das vorhin angesprochene Kontrahierungsgebot. Was heißt das? Es heißt, dass alle Arbeiten
im Konzern selbst erledigt werden, soweit sie dort abrufbar sind. Auch hierzu ein Beispiel: Ein Wagenreiniger in
Bayern verdient dank des Tarifvertrages einen Stundenlohn von 8,60 Euro. Seine Arbeit, wie auch zum Beispiel
die Arbeit der Sicherheitsposten, der Gastronomiebeschäftigten, der Projektplaner oder der Servicemitarbeiter, könnte die Bahn aber genauso gut auf dem freien
Markt viel günstiger einkaufen. Genau das wollen wir
aber nicht.
Darin liegt der große Unterschied zwischen uns Sozialdemokraten und Ihnen von der FDP. Sie würden den
Markt alles regeln lassen, auch auf Kosten der Arbeitsplätze bei der Bahn. Wir wollen das nicht; wir wollen
gute Arbeit, wir wollen anständig bezahlte Arbeit und
keine Ausbeutung bei der Bahn.
({3})
Für uns sind die tarifpolitischen und sozialpolitischen
Standards sowie die Sicherung der Beschäftigung mit
unseren sozialdemokratischen Grundsätzen eng verbunden. Angesichts des Schielens auf andere politische
Mehrheiten - das kommt in diesem Haus ab und zu vor kann man nur davor warnen, am integrierten Konzern zu
rütteln. Dies würde einen Angriff auf die Beschäftigungssicherung bedeuten.
Was dies zur Folge hätte, umschrieb der Arbeiterdichter Georg Herwegh 1863 - er war, wie wir wissen, zusammen mit Ferdinand Lassalle Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins - mit den Versen eines
berühmten Arbeiterliedes:
Mann der Arbeit aufgewacht, erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es
will!
Wie ich meine Gewerkschaftskollegen und Betriebsfunktionäre kenne, wäre der Streik der Lokomotivführer
im Vergleich zum Protest, der bei einem Angriff auf die
Beschäftigungssicherung ausgelöst würde, nur ein lauer
Sommerwind gewesen.
Auch zu den Streckenstilllegungen könnte man viel
sagen. Da wird Angst und Panik verbreitet. Das ist aber
unbegründet.
Angesichts meiner fortgeschrittenen Redezeit fasse
ich zusammen: Der Zugriff privater Investoren auf das
Schienennetz wird ausgeschlossen. Der Einfluss auf die
Geschäftspolitik wird stark begrenzt. Der konzerninterne
Arbeitsmarkt wird erhalten. Die Beschäftigungssicherung wird garantiert. Die Stellung des Bundes als Eigentümer bleibt bestehen und wird ausgebaut. Investitionen
in Infrastruktur und in Material werden getätigt. Damit
wird unser Unternehmen Bahn wettbewerbsfähig in
Europa aufgestellt.
Das heißt also: Signal Zp9 - Abfahrauftrag - und keiner hat jetzt etwas gegen die K-Scheibe - das ist ein anderer Eisenbahnerbegriff -, mit der der Fahrdienstleiter
dem Lokführer den Auftrag gibt, die Fahrzeit zu verkürzen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Letzte Bemerkung. Wir sind auf einer guten Fahrt in
eine sichere Bahnzukunft. Die Bahngeschichte wird
heute weitergeschrieben.
Recht herzlichen Dank.
({0})
Für den Bundesrat spricht nun der Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Herr Dr. Karl-Heinz Daehre.
({0})
Dr. Karl-Heinz Daehre, Minister ({1}):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Bundestagsabgeordneten und Bundestagsabgeordnete!
Herzlichen Dank für die Möglichkeit, dass ich zu Ihnen
sprechen darf.
Wenn man über ein bestimmtes Thema redet, dann
sollte man auch erwähnen, woher man kommt und wohin man will. Als gelernter DDR-Bürger darf ich daran
erinnern, wo wir 1989 standen und wo wir jetzt stehen.
Ich kann mich noch an die damalige Fahrzeit von Dresden nach Magdeburg erinnern. In dieser Zeit könnte man
heute zweimal nach Berlin fahren. Wir müssen einmal
zur Kenntnis nehmen, was in den letzten 15 Jahren passiert ist. Herzlichen Dank allen, die dazu beigetragen haben.
({2})
- Zum Einstieg ist ein bisschen Beifall immer gut. Aber
ich komme noch zu kritischen Anmerkungen.
({3})
Es muss deutlich sein, dass sich die Länder nicht zum
Anwalt der Linken machen wollen. Die Länder sind eindeutig der Meinung, dass die Teilprivatisierung der richtige Weg ist. So ist es von den Ländern mehrheitlich beschlossen worden. Mit diesem Missverständnis möchte
ich hier einmal aufräumen. Ich denke, das ist der richtige
Weg.
Minister Dr. Karl-Heinz Daehre ({4})
Deshalb streiten wir nicht mehr darüber - auch die
Länder nicht -, ob wir teilprivatisieren. Wir streiten nur
über den Weg. Da haben wir unterschiedliche Positionen. Aber auch für Sie als Bundestagsabgeordnete ist es
nichts Neues, dass es in einem föderalistischen System
unterschiedliche Auffassungen zu dem einen oder anderen Punkt gibt und auch geben muss. Wir müssen die
Länderinteressen vertreten.
Eines verbindet uns alle: Wir wollen, dass mehr Güter
von der Straße auf die Schiene kommen, dass mehr Bürger den Zug benutzen; da könnten wir alle einmal bei
uns selber anfangen. Das ist aus meiner Sicht inzwischen
ein gesellschaftspolitisches Thema. Denn wenn wenige
mit dem Zug fahren, dann sind bestimmte Strecken nicht
mehr rentabel. Dann sind wir in den Ländern gezwungen, Strecken einzustellen. Das kann nicht unser Ziel
sein. Deshalb ist es für uns natürlich wichtig, dass viele
Bürger den Zug nehmen. Aber sie nehmen ihn nicht - da
setzt unsere Kritik an -, wenn die Geschwindigkeit
30 bis 40 Stundenkilometer beträgt. Dann fährt keiner
mit dem Zug, außer der Großvater einmal mit dem Enkel. Beim zweiten Mal sagt der Enkel dann: Opa, so interessant ist das nicht mehr.
Der entscheidende Kritikpunkt, den die Länder haben, ist, dass wir bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mitreden wollen, damit sichergestellt wird, dass wir in Zukunft einen attraktiven
Nahverkehr in der Fläche erhalten. Wir werden angesichts dessen, dass die Verkehre so zunehmen, wie alle
Experten prognostizieren, noch einmal über jeden Kilometer Schienenstrang dankbar sein, der auch in Zukunft
besteht.
({5})
Das ist die Herausforderung, die wir gemeinsam angehen müssen.
Auch in diesem Jahr wurde schon die eine oder andere Fernverkehrsstrecke eingestellt. Das habe ich nicht
nur in Sachsen-Anhalt erlebt. Gerade wurde gesagt, dass
auch München und Prag mit Regionalverkehr verbunden
werden. Das hätte man sich früher nicht vorstellen können.
({6})
- Ganz früher, ja.
({7})
- Da hatten wir noch einen Kaiser und einen König.
Zurück zu dem eigentlichen Thema. Wenn Fernverkehrsstrecken eingestellt werden, dann werden die Länder dort Regionalverkehr einsetzen müssen. Dann haben
wir die Situation, dass die Regionalisierungsmittel, die
im Moment Spitz auf Knopf stehen, natürlich nicht für
diese Strecken reichen.
({8})
- Wir machen es ganz transparent.
Aber lassen Sie mich einmal sagen, was wir uns so
wünschen. Auch wir dürfen einmal das eine oder andere
sagen. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die Länder
die Regionalisierungsmittel bekommen. Das sind Milliardenbeträge. Wenn die Länder diese Milliardenbeträge
schon gesetzlich zugeschrieben bekommen haben, dann
möchten sie auch bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mitreden. Das ist unsere Forderung. Ich
bitte darum, dass dies passiert.
Ein bisschen Bewegung, Herr Bundesminister, ist
schon in diese Dinge gekommen. Die Länder sind jetzt
zum zweiten Mal eingeladen worden. Aber sich allein
ins Benehmen zu setzen, reicht nicht aus. Dies hört sich
so an: Zwei -, dreimal werden wir eingeladen, und dann
ist das Benehmen hergestellt. Das kann nicht der Weg
sein.
Wir müssen uns in den nächsten Wochen und Monaten auch im Austausch mit dem Hohen Haus mit der
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beschäftigen.
Die Kreuze müssen weg, und stattdessen müssen Summen eingesetzt werden. Am Ende muss es darum gehen,
deutlich zu machen, dass wir in Deutschland in der Fläche ein attraktives Schienennetz, und zwar vom Fernverkehr bis hin zum Nahverkehr, erhalten wollen.
Ein weiterer Punkt. Die Länder haben natürlich ein
großes Interesse daran, ordentliche Bahnhöfe zu haben.
Denn Sie können den Bürgern eines nicht zumuten: dass
sie Bahnhöfe und Bahnsteige vorfinden, die nicht mehr
dem 21. Jahrhundert entsprechen. Das ist unsere Forderung. Gleichzeitig sage ich aber: Wir werden es nicht
schaffen, jeden Bahnhof barrierefrei zu gestalten. Das ist
eine Zusage, die man nicht einhalten kann. Wir müssen
sehen, wie wir Knotenpunkte entwickeln, wo dann auch
behinderte, mobilitätseingeschränkte Bürger die Möglichkeit haben, den Zug zu benutzen. Es gibt also große
Herausforderungen.
Nochmals: Die Länder werden dafür kämpfen - das
ist unsere Aufgabe -, dass wir in Zukunft bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und bei den Qualitätsparametern im Schienenverkehr mitreden. Ich darf
abschließend eines sagen: Eine Zielstellung wäre, wenn
wir es hinbekämen, dass in der Fläche mit 80 Stundenkilometern gefahren werden kann. Ich denke, das wäre
gut. Denn wenn wir den Schienenpersonennahverkehr
abbestellen, wird der Güteverkehr, der auf diesen Strecken nach wie vor fahren wird, teurer, weil DB Cargo
dann an DB Netz Geld zahlen muss. Das würde dazu
führen, dass Güterverkehr eingestellt würde. Das kann
nicht unser Ziel sein.
Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, dafür zu sorgen, dass in Zukunft mehr Güter auf der Schiene transportiert werden und mehr Personen den Zug benutzen.
Das sind wir der Umwelt, den Bürgern und Deutschland
schuldig.
Danke schön.
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Klaas Hübner für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der Kollege Kuhn hat hier für die Grünen erklärt, dass sie gegen einen integrierten Konzern sind.
Das ist bemerkenswert. Insofern besteht zwischen uns in
der Tat ein diametraler Gegensatz; denn wir wollen den
integrierten Konzern. Wir wollen eine Beschäftigungssicherheit für die Mitarbeiter der DB AG, und nur
in einem integrierten Konzern ist ein integrierter Arbeitsmarkt möglich. Nur so konnte eine Beschäftigungsgarantie - immerhin bis zum Jahr 2023 - vereinbart werden. Das geht mit unserem Modell, mit Ihrem nicht. An
dieser Stelle besteht also ein deutlicher Gegensatz zwischen unseren Positionen. Wir treten für die Beschäftigten der DB AG ein.
({0})
Sie haben einen klimapolitischen Ansatz angemahnt.
Natürlich wollen wir mehr Güterverkehr auf die Schiene
bringen.
({1})
Darum müssen wir in das Netz investieren. Wir brauchen eine bessere Anbindung an unsere Seehäfen, die
überfüllt sind und nicht mehr expandieren können. Seehäfen können nämlich nur dann expandieren, wenn sie
die Güter möglichst schnell weitertransportieren können.
Darum müssen wir in das Güterverkehrsschienennetz investieren, Herrn Kuhn. Das wollen wir tun.
Es gibt aber eine Gesamtverantwortung. Wir wissen,
dass wir nicht einfach mehr Geld ausgeben dürfen, dass
wir nicht einfach mehr Schulden machen oder die Steuern
erhöhen können, sondern auch das Prinzip der Generationengerechtigkeit zu beachten haben. Wir haben uns
die Haushaltskonsolidierung zum Ziel gesetzt. Bis zum
Jahr 2011 wollen wir einen Schuldenstand von null erreicht haben. Nur so können wir verhindern, dass zukünftigen Generationen immer wieder neue Lasten aufgetragen werden. Die Finanzierung muss der jeweiligen
Generation obliegen. Das halten wir ein.
Natürlich wollen wir Zukunftsinvestitionen durchführen. Wenn wir das Ziel der Haushaltskonsolidierung
ernst nehmen wollen, ist das aber nur möglich, wenn wir
Private an der Finanzierung gemeinwohlorientierter
Aufgaben beteiligen. Ich finde, bei der DB AG ist das
sinnvoll. Daher machen wir das.
Herr Kuhn, Sie machen sich einen schlanken Fuß. Ich
finde, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie Forderungen stellen, ohne zu erklären, wie Sie das finanzieren
wollen und wie Sie verhindern wollen, dass folgende
Generationen die Lasten tragen müssen.
({2})
Herr Gysi hat seine Rede in der letzten Debatte über
die Bahnreform mit der Bemerkung begonnen, dass er
kein Experte ist. Das hat er heute bestätigt.
({3})
Das ist gar nicht so schlimm, Herr Dr. Gysi. Schlimm
finde ich aber, dass Sie die Bahn schlechtgeredet haben
und damit die Leistung, die die Beschäftigten der Bahn
in den letzten 17 Jahren erbracht haben, diskreditiert haben.
({4})
Sie sind den Leistungen der Bahnbeschäftigten überhaupt nicht gerecht geworden. Das muss ich Ihnen ins
Stammbuch schreiben.
({5})
Machen wir einmal Sachaufklärung: Sie haben Neuseeland und Großbritannien als negative Beispiele angeführt. Richtig, bei diesen Privatisierungen hat es Probleme gegeben. Worin besteht aber der Unterschied zu
der Privatisierung bei uns? Sowohl in Neuseeland als
auch in Großbritannien ist das Netz mitprivatisiert worden. Das tun wir ausdrücklich nicht.
({6})
Wir lassen das Netz im Bundesbesitz. Das ist der entscheidende Unterschied. Sie sollten keine hinkenden
Vergleiche bringen. Wir haben von diesen Ländern etwas gelernt. Das Gesetz, das wir machen, sorgt dafür,
dass das Netz im Bundesbesitz bleibt. Daher ist das ein
gutes Gesetz.
({7}))
Sie haben behauptet, das Verkehrsangebot in der Fläche könne dadurch gefährdet werden, dass wir private
Investoren beteiligen. Die Wahrheit ist doch - das muss
doch einmal gesagt werden -: Der Nahverkehr wird
von den Ländern bestellt. Wir geben rund
7 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel aus, damit
die Länder den Nahverkehr bestellen können. Das heißt,
der Nahverkehr hat mit der Privatisierung nichts, aber
auch gar nichts zu tun hat. Der Nahverkehr wird davon
gar nicht beeinflusst.
({8})
Auf den Fernverkehr hat Minister Daehre hingewiesen.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Menzner zulassen?
Selbstverständlich.
Bitte schön.
Herr Kollege Hübner, Sie haben eben gesagt, wir
würden hier ein gutes Gesetz machen. Nehmen Sie doch
bitte zur Kenntnis, dass die Kritik der Opposition im
Wesentlichen genau darauf zielt, dass Sie überhaupt kein
Gesetz vorlegen.
Zweitens frage ich: Haben Sie am Montag in der Anhörung zur Kenntnis genommen, dass die Fachleute zum
einen gesagt haben, dass der Beschäftigungssicherungstarifvertrag aus ihrer Sicht - es waren Juristen, die das
gesagt haben - nicht justiziabel ist, und dass sie zweitens
gesagt haben, dass mit dem vorgelegten Modell die Haftungsrisiken für den Bund höher und nicht geringer
werden?
Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben vollkommen
recht. Wir haben einen Antrag, und zwar aus gutem
Grund: Wir wollen mit der Privatisierung an dieser Stelle
schneller vorankommen. Wir haben ausführlich über
dieses Thema diskutiert.
Die Beschäftigungssicherung ist ein Pfund, das sich
die Gewerkschaften ausgehandelt haben. Es gab einige
Experten, die daran zweifeln. Aber die große Masse
sagt: Das ist ein guter Vertrag, der abgeschlossen worden
ist. Man kann nicht einzelne Meinungen an die Stelle einer Gesamtbeurteilung setzen. Ich glaube, dass hier die
Gewerkschaften und gerade Transnet für die Beschäftigten etwas Gutes getan haben.
({0})
Deswegen kann ich Ihre Kritik an der Stelle nicht teilen.
Hinsichtlich der Haftung sage ich: Wir haben schon
heute eine volle Haftung für die DB AG. Es ändert sich
nicht besonders viel dadurch, dass sich Private daran beteiligen. Ich weiß gar nicht, wie sich der Status quo ändern soll. Schon heute haften wir selbstverständlich für
die DB AG und für das Schienenverkehrsnetz. Durch
unseren Antrag ändert sich daran gar nichts, Frau Kollegin.
({1})
Zum Fernverkehrsnetz. Ich möchte das Thema anschneiden, weil Herr Daehre es angesprochen hat. Ich
glaube, wir haben in Deutschland momentan ein gutes
Fernverkehrsnetz, das die Zentren in der Fläche erschließt und gut mit dem Nahverkehrsnetz verknüpft ist.
Wir haben momentan einen Fernverkehr, der sich selber
trägt und ohne staatliche Zuschüsse betrieben werden
kann. Nicht zuletzt deswegen darf Deutschland stolz
darauf sein, wie sich der Schienenverkehr in der letzten
Zeit entwickelt hat.
Aber wir müssen das auch erhalten und weiterentwickeln. Um das zu erreichen, brauchen wir langfristig
tragfähige Strukturen. Ab dem 1. Januar 2010 wird auch
im Fernverkehr der Wettbewerb freigegeben. Natürlich
müssen wir unserem grundgesetzlichen Auftrag nachkommen, sicherzustellen, dass auch im Fernverkehr ausreichend Verkehre zur Verfügung gestellt werden. Darüber wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren. Kollege
Hofbauer hat es angesprochen. Das ist ein Thema, mit
dem sich diese Koalition weiterhin auseinandersetzen
wird; das ist gar keine Frage.
Wenn es um die künftige Bahnpolitik geht, liegt mir
besonders der Güterverkehr am Herzen, nicht zuletzt
deshalb, weil der Güterverkehr zu den am meisten unterschätzten Wirtschaftszweigen gehört. Im gesamten Verkehrsbereich arbeiten in Deutschland rund 1,6 Millionen
Menschen. Das sind fast doppelt so viele wie in der gesamten Automobilindustrie. Noch wichtiger ist jedoch
die Bedeutung des Güterverkehrs für die übrige Wirtschaft. Je globalisierter unsere Wirtschaftswelt wird und
je mehr die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und
Weltregionen wächst, umso wichtiger wird die Logistik
als Bindeglied zwischen Unternehmen bzw. Herstellern
und Endkunden.
Wir in dieser Koalition - auch wir Sozialdemokraten wollen Deutschland zum Logistikstandort Nummer eins
machen; wir wollen es entwickeln. Logistik ist ein Jobmotor in diesem Land. Wir bekennen uns zur Logistik in
diesem Land. 2006 fragte die Agentur Ernst & Young internationale Führungskräfte nach den Standortentscheidungskriterien im internationalen Bereich. Am meisten
Bedeutung ist dort eindeutig Transport, Logistik und Infrastruktur zugemessen worden. Darum ist alles, was wir
dort zur Modernisierung tun, ein Beitrag für ein weiteres
stabiles Wirtschaftswachstum in unserem Land. Wir
wollen weiterhin bei der Logistik in der Weltspitze mitspielen. Daher müssen wir die Kapazitäten schaffen, um
mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Das wollen
wir mit unserem Antrag erreichen. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass wir neues Geld genau hier investieren können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie alle haben uns kaum zugetraut, dass wir bei dieser schwierigen
Thematik zu einem guten Ergebnis kommen.
({2})
Wir haben Sie alle Lügen gestraft. Ich kann Ihre Aufregung ja verstehen, weil Sie das Thema nicht mehr weiter
für sich verfolgen können. Aber diese Koalition hat eindeutig gezeigt: Sie ist handlungswillig und handlungsfähig.
Vielen Dank.
({3})
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Enak
Ferlemann.
({0})
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich freue mich, dass heute so viele Kolleginnen und Kollegen hierhergekommen sind, um sich mit dem Thema
Bahn auseinanderzusetzen. Das ist der Entscheidung, die
wir heute treffen, angemessen.
({0})
Dies ist eine der größten Entscheidungen der Verkehrspolitik in dieser Legislaturperiode, vielleicht sogar die
größte Entscheidung.
Mit der heutigen Entscheidung vollenden wir die
Bahnreform. Wir haben uns dafür entschieden, eine
Teilprivatisierung der Verkehrsgesellschaften in Form
eines Holdingmodells vorzunehmen. Ich möchte zum
Ausdruck bringen, dass wir nach vielen Diskussionen
vieler verschiedener Modelle ein nahezu optimales
Modell gefunden haben. Wir teilprivatisieren die Verkehrsgesellschaften und behalten zu 100 Prozent die Infrastruktur als Staatseigentum, eine wesentliche Voraussetzung, um Wettbewerb auf der Schiene zu generieren.
({1})
Die Erlöse werden gedrittelt. Ein Drittel wird für die
Entschuldung des Bundes genutzt, um die nachhaltige
Finanzpolitik, die die Große Koalition verfolgt, zu unterstützen. Ein Drittel geht in das Eigenkapital der DB AG
über, um in dem europäischen Wettbewerb, in den auch
unser Unternehmen einsteigen muss, finanzielle Möglichkeiten zu schaffen. Ein Drittel kommt der Infrastruktur zugute, damit hier notwendige Investitionen, vor allem beim Lärmschutz, bei den Bahnhöfen und beim
Gleisbau, vorgenommen werden können.
Dieses Holdingmodell ist eine konsequente Fortentwicklung der Bahnreform von 1994. Deswegen brauchen wir kein eigenes Gesetz, wie es immer gefordert
wird, sondern das ist damals als Gesetz beschlossen worden. Da wir uns in diesem Rahmen bewegen, brauchen
wir heute kein Gesetz zu beschließen, sondern es reicht
der Entschließungsantrag der Koalition.
Ziel der Bahnreform von damals - das gilt auch heute war es, den Bundeshaushalt zu entlasten. Das tun wir
heute zumindest dadurch, dass wir die Belastungen für
die Zukunft mindern. Vor allem wollen wir mehr Verkehr auf die Schiene bringen, insbesondere durch den
Wettbewerb. Genau das generiert dieses Modell.
Herr Kollege Kuhn, beim Schienenpersonennahverkehr werden sogar Sie zugeben müssen, dass die
Regionalisierung ein Riesenerfolg ist. Man kann in der
Bundesrepublik Deutschland überall sehen, dass Privatgesellschaften den Schienenpersonennahverkehr in einer
unglaublich hohen Qualität betreiben. Auch die DB hat
sich hier wesentlich verbessert. Man kann also sagen:
Dieser Teil der Reform ist gelungen.
Seit 2007 besteht ein europaweiter Wettbewerb im
Güterverkehr. Auch hier steigt der Verkehr dramatisch
an, sehr zu unserer Freude, aber zum Leidwesen derjenigen Menschen, die an den Schienenwegen wohnen, weil
jetzt Tag und Nacht Güter auf der Schiene transportiert
werden und dadurch Lärm entsteht. Trotzdem kann man
von einem großen Erfolg des Systems Schiene sprechen.
Wir brauchen Investitionen, um das weiter voranzutreiben.
Ein anderer Punkt ist der Personenfernverkehr, der
ab 2010 für den europaweiten Wettbewerb freigegeben
wird. Wir werden viele andere Bahnen auf unserem Netz
fahren sehen, sodass wir durch den Wettbewerb auch
hier für unsere Kunden ein deutlich höheres Angebot bekommen werden.
Wichtig ist - dafür bin ich dem Minister sehr dankbar -,
dass er uns die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und den Netzentwicklungs- und Zustandsbericht
übersandt hat, sodass wir diese Dinge im Detail noch
sehr intensiv besprechen können. Gerade bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wird es darauf
ankommen, ein sehr modernes System, mit dem man Infrastrukturmonopole kontrolliert und steuert, zu implementieren, die sogenannte Anreizregulierung. Das ist ein
sinnvolles Instrument. Wir werden uns über die Einführung ernsthaft unterhalten müssen. Gleiches gilt für den
Beteiligungsvertrag, der die Angelegenheiten zwischen
Bund und Steuerzahler auf der einen und der DB AG auf
der anderen Seite regelt. Hier liegen in den nächsten Monaten noch lange Diskussionen vor uns. Ich sehe aber,
dass wir auf dem richtigen Weg sind und zu einem guten
Ergebnis kommen werden.
Das gilt leider nicht für die Personalentscheidungen,
die uns in den letzten Tagen, aber auch in den letzten
Stunden erreicht haben. Der Aufsichtsratsvorsitzende,
Herr Werner Müller, hat uns beim letzten Mal wissen
lassen, dass Norbert Hansen nun Vorstand der Deutschen
Bahn AG werden soll. Herr Mehdorn hat dazu gesagt,
die Politik habe ihm diese Personalentscheidung aufoktroyiert. Ich kann für meine Fraktion nur sagen: Wir
haben davon nichts gewusst und wir haben niemandem
etwas aufoktroyiert. Wir sind genauso erstaunt wie viele
andere, dass es zu dieser Entscheidung gekommen ist.
Wie sie sich auswirkt, kann man in dem einen oder anderen Blatt lesen. Wir halten es für keine gute Entscheidung.
Nun lesen wir, dass wiederum Entscheidungen vorbereitet werden, wer Vorstandsvorsitzender und wer ein
weiteres Mitglied des Vorstandes werden soll. Ob das
stimmt oder nicht, weiß man nicht genau. Wir jedenfalls
sind darüber nicht informiert. Wir unterstützen das auch
nicht. Wir glauben, dass es sinnvoll wäre, gemeinsam
mit den Koalitionsspitzen über diese Personalentscheidungen zu reden und sie nicht einfach im stillen Kämmerlein zu treffen, um dann auch noch Personen auszuwählen, die wir für nicht geeignet halten.
({2})
Wir haben Vertrauen zu Herrn Mehdorn. Wir haben
auch großes Vertrauen zu Herrn Sack. Diese beiden sollen ja die Vorstände beider Gesellschaften für eine Übergangszeit führen. Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung. Never change a winning team! Die DB AG hat
eine erfolgreiche Mannschaft,
({3})
und es macht keinen Sinn, jemanden aus dieser Mannschaft auszuwechseln, und das womöglich noch mit
politischem Geschmäckle. Meine sehr verehrten Damen
und Herren, wir werden bei den Personalentscheidungen
erheblichen Widerstand leisten. Denn wir sind mit ihnen
nicht einverstanden und hoffen, dass sie so nicht umgesetzt werden.
({4})
Die heutige Debatte war mit Ausnahme des Beitrags
von Herrn Gysi sehr sachlich und kenntnisreich. Herr
Gysi hat sich wieder als der gezeigt, der er ist. Er redet
über Themen, die er nicht versteht. Das hat man heute
wieder einmal deutlich gemerkt. Ich weiß nicht, was Klinikbetriebe mit der Bahnprivatisierung zu tun haben.
Das werden Sie, Herr Gysi, an anderer Stelle noch einmal deutlich machen müssen.
Ich darf mich für die gute Zusammenarbeit mit allen
Fraktionen bedanken. Ich bedaure sehr, dass die FDP unserem Antrag nicht zustimmt. Denn eigentlich ist sie im
Grundsatz unserer Auffassung;
({5})
das ist ähnlich wie bei den Grünen. Natürlich kann man
über Details unterschiedlicher Auffassung sein; das ist
nun einmal so. Aber die Richtung, in die wir gehen,
stimmt. Dass wir noch weitere Schritte machen müssen,
ist klar. Das wollen wir auch tun. Wir wollen nicht bei
24,9 Prozent stehenbleiben. Wir wollen mehr Anteile der
Verkehrsgesellschaften privatisieren, weil das einen größeren Ertrag bringt, den wir dann für die Weiterentwicklung der Infrastruktur zur Verfügung stellen können.
Grüne und FDP haben zu diesem Thema eine sehr ähnliche Einstellung wie die Union. Deswegen bedaure ich,
dass sie unserem Antrag heute aus unterschiedlichen
Gründen nicht zustimmen wollen. Das wird sich in Zukunft sicherlich noch ändern.
Ich freue mich, dass wir das Vorhaben des Antrags
von 1994 heute vollenden können. Ich hoffe, dass wir im
Sinne einer guten Zukunft der Bahn die richtige Entscheidung treffen. Ich kann Sie nur herzlich bitten: Stimmen Sie dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung auf Drucksache 16/9362.
Zuvor möchte ich noch bekanntgeben, dass Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen, und zwar von den Kolleginnen und Kollegen Christine Lambrecht, Michael Roth ({0}),
Peter Friedrich, Klaus Barthel, Renate Gradistanac,
Angelika Graf ({1}), Gabriele Hiller-Ohm,
Christian Kleiminger, Dr. Bärbel Kofler, Lothar Mark,
Hilde Mattheis, Ottmar Schreiner, Andreas Steppuhn,
Rüdiger Veit, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Axel Berg,
Steffen Reiche ({2}), Maik Reichel, Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Michael Hartmann ({3}), Jörg
Tauss, Elvira Drobrinski-Weiß, Dr. Hermann Scheer,
Elke Ferner, Dr. Marlies Volkmer, Gabriele Frechen,
Jürgen Kucharczyk, Frank Schwabe, Dirk Manzewski,
Rolf Kramer, Klaus Hagemann, Gert Weisskirchen
({4}), Johannes Jung ({5}), Iris Hoffmann
({6}), Wolfgang Spanier, Simone Violka, Dr. Reinhold
Hemker, Klaus Uwe Benneter und Dr. Peter Danckert.1)
({7})
Möglicherweise sind das noch nicht alle. Das sind aber
alle, die uns im Moment bekannt sind.
Wir werden jetzt zunächst zwei namentliche Abstim-
mungen hintereinander durchführen. Außerdem weise
ich darauf hin, dass im Anschluss weitere Abstimmun-
gen zu diesem Tagesordnungspunkt und Wahlen zu Gre-
mien durchgeführt werden müssen. Bei einer Wahl ist
die Mehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich.
Deswegen bitte ich Sie, den Saal nach den namentlichen
Abstimmungen zur Bahnreform noch nicht zu verlassen.
Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der
CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/9070 mit dem
Titel „Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die Bahn-
reform weiterentwickeln“. Die Fraktionen Die Linke
und Bündnis 90/Die Grünen verlangen namentliche Ab-
stimmung.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftfüh-
rer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen be-
setzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich
die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint mir
nicht der Fall zu sein. Dann ist die Abstimmung ge-
schlossen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.2)
Wir kommen jetzt zur zweiten namentlichen Abstim-
mung.
Unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9071 mit
dem Titel „Zukunft des Schienenverkehrs sichern“. Wir
stimmen über die Beschlussempfehlung ab. Die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen verlangt hierzu ebenfalls eine
namentliche Abstimmung. Ich bitte jetzt die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Dann eröffne ich
die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint mir
nicht mehr der Fall zu sein. Dann schließe ich die Ab-
stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
werden wir Ihnen später bekannt geben.3) Bitte bleiben
Sie für die weiteren Abstimmungen und insbesondere
für die nachfolgenden Wahlen noch im Saal.
1) Anlagen 3 bis 8
2) Ergebnis siehe Seite 17362 C
3) Ergebnis siehe Seite 17364 D
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Noch Tagesordnungspunkt 29 a. Wir setzen jetzt die
Abstimmungen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf
Drucksache 16/9362 fort. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP
auf Drucksache 16/8774 mit dem Titel „Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen“. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen
mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Die Linke,
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
der Fraktion des Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8046 mit dem Titel „Keine Bahnprivatisierung
am Parlament vorbei“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Diese
Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
der Koalition und der Linken gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und FDP.
Tagesordnungspunkt 29 b. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Schieneninfrastruktur
ist öffentliche Aufgabe - Moratorium für die Privatisierung der Deutsche Bahn AG“. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6813,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/5270 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition.
Zusatzpunkt 7. Ich komme zur Abstimmung über den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9306 mit dem Titel „Zukunft der Bahn für die
Menschen sichern - Bahnprivatisierung stoppen“.
({8})
- Wir müssen das kurz klären. Es liegt möglicherweise
ein Fehler vor.
({9})
Es handelt sich um einen Fehler. Es geht um den An-
trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/9306 mit
dem Titel „Zukunft der Bahn für die Menschen sichern -
Bahnprivatisierung stoppen“.
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dage-
gen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag bei Zustim-
mung der Fraktion Die Linke, bei Gegenstimmen der
Koalition und der FDP-Fraktion sowie bei Enthaltung
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen nun zu den Zusatzpunkten 8 a bis f,
Wahlen zu Gremien:
a) Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Wahl von Mitgliedern in den Stiftungsrat der
„Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dikta-
tur“
- Drucksache 16/9352 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Wahlvor-
schlag einstimmig angenommen.
b) Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Wahl eines Mitglieds des Gremiums gemäß § 3
des Bundesschuldenwesengesetzes
- Drucksache 16/9353 -
Zu dieser Wahl ist laut Gesetz die Mehrheit der Mit-
glieder des Hauses erforderlich.
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Wahlvorschlag ist
mit der erforderlichen Mehrheit und einstimmig ange-
nommen.
c) Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Wahl eines vom Deutschen Bundestag zu ent-
sendenden Mitglieds der gemeinsamen Kom-
mission zur Modernisierung der Bund-Län-
der-Finanzbeziehungen
- Drucksache 16/9354 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist einstim-
mig angenommen.
d) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der
Deutschen Nationalbibliothek gemäß § 6
Abs. 1 Nummer 1 des Gesetzes über die Deut-
sche Nationalbibliothek
- Drucksache 16/9355 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Auch dieser Wahlvorschlag ist
einstimmig angenommen.
e) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der
Filmförderungsanstalt gemäß § 6 des Filmförderungsgesetzes ({10})
- Drucksache 16/9356 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
f) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
Wahl eines Mitglieds des Stiftungsrates der
„Deutschen Stiftung Friedensforschung
({11})“
- Drucksache 16/9357 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Dieser Wahlvorschlag ist bei
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Zustimmung des Hauses angenommen, wobei sich die
Fraktion Die Linke enthalten hat.
Wie interfraktionell vereinbart, kommen wir zu
Tagesordnungspunkt 28 - zurück, soweit dieser in der
gestrigen Sitzung noch nicht erledigt worden ist: Ände-
rung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung
und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit
Treibhausgasemissionszertifikaten. - Ich sehe, Sie sind
damit einverstanden.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Vor-
schlag der EU-Kommission für den Emissionshandel
nach 2012 überarbeiten - Klima schützen, Stromver-
braucher entlasten, Wettbewerb stärken“ sowie zu der
Unterrichtung durch die Bundesregierung über einen
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla-
ments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/
87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-
Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszerti-
fikaten.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/9334 die Ablehnung des An-
trags der FDP auf Drucksache 16/8075. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent-
haltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustim-
mung des Hauses - bis auf die FDP-Fraktion, die dage-
gengestimmt hat - angenommen.
Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis der
Unterrichtung durch die Bundesregierung eine Ent-
schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich
weiß jetzt nicht, wie sich die Linke verhalten hat. Ich
muss die Abstimmung wiederholen. Wer stimmt für diese
Entschließung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Da-
mit ist die Entschließung mit den Stimmen der Koalition
und der Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die
Linke und bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenom-
men.1)
Ich gebe jetzt die von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden
namentlichen Abstimmungen bekannt. Zunächst zur
namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
der SPD mit dem Titel „Zukunft der Bahn, Bahn der Zu-
kunft - Die Bahnreform weiterentwickeln“. Abgegeben
wurden 516 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 355, mit
Nein haben gestimmt 158. Es gab 3 Enthaltungen. Damit
ist die Beschlussempfehlung angenommen.
1) Anlage 2
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 516;
davon
ja: 355
nein: 158
enthalten: 3
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({12})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
({13})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({14})
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({15})
Dirk Fischer ({16})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({17})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({18})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({19})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({20})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({21})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({22})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({23})
Maria Michalk
Philipp Mißfelder
Marlene Mortler
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Stefan Müller ({24})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({25})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({26})
Anita Schäfer ({27})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Andreas Schmidt ({28})
Ingo Schmitt ({29})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Thomas Strobl ({30})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({31})
Gerald Weiß ({32})
Ingo Wellenreuther
Willy Wimmer ({33})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Gregor Amann
Ernst Bahr ({34})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({35})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({36})
Dr. Michael Bürsch
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({37})
Hubertus Heil
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({38})
Frank Hofmann ({39})
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({40})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christian Lange ({41})
Dr. Karl Lauterbach
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Caren Marks
Katja Mast
Markus Meckel
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({42})
Michael Müller ({43})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Steffen Reiche ({44})
Maik Reichel
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({45})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({46})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({47})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({48})
Silvia Schmidt ({49})
Carsten Schneider ({50})
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Waltraud Wolff
({51})
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Nein
SPD
Dr. Lale Akgün
Niels Annen
Klaus Barthel
Ulla Burchardt
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({52})
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Gabriele Hiller-Ohm
Christian Kleiminger
Dr. Bärbel Kofler
Lothar Mark
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({53})
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
René Röspel
Heinz Schmitt ({54})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({55})
Ewald Schurer
Andreas Steppuhn
Rüdiger Veit
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Gert Weisskirchen
({56})
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Wolfgang Wodarg
FDP
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({57})
Uwe Barth
Ernst Burgbacher
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich ({58})
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({59})
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Ina Lenke
Michael Link ({60})
Patrick Meinhardt
Burkhardt Müller-Sönksen
Hans-Joachim Otto
({61})
Detlef Parr
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Florian Toncar
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Wolfgang Gehrcke
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Kornelia Möller
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({62})
Volker Schneider
({63})
Dr. Herbert Schui
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({64})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Peter Hettlich
Priska Hinz ({65})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({66})
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({67})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionslose
Gert Winkelmeier
Enthalten
CDU/CSU
Carsten Müller
({68})
SPD
Christine Lambrecht
Michael Roth ({69})
Zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten
Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich,
Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth, Nicole Maisch und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Zukunft des Schienenverkehrs sichern“. Abgegeben wurden 515 Stimmen. Mit
Ja haben gestimmt 433, mit Nein haben gestimmt 46. Enthaltungen gab es 36. Damit ist diese Beschlussempfehlung ebenfalls angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 515;
davon
ja: 433
nein: 46
enthalten: 36
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({70})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
({71})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({72})
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({73})
Dirk Fischer ({74})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({75})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({76})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({77})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({78})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({79})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({80})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({81})
Maria Michalk
Philipp Mißfelder
Marlene Mortler
Carsten Müller
({82})
Stefan Müller ({83})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({84})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({85})
Anita Schäfer ({86})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Andreas Schmidt ({87})
Ingo Schmitt ({88})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Thomas Strobl ({89})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({90})
Gerald Weiß ({91})
Ingo Wellenreuther
Willy Wimmer ({92})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Niels Annen
Ernst Bahr ({93})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({94})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({95})
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({96})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({97})
Hubertus Heil
Dr. Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({98})
Frank Hofmann ({99})
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({100})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({101})
Dr. Karl Lauterbach
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({102})
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({103})
Michael Müller ({104})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({105})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({106})
Michael Roth ({107})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({108})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({109})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({110})
Silvia Schmidt ({111})
Heinz Schmitt ({112})
Carsten Schneider ({113})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({114})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({115})
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
({116})
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Wolfgang Gehrcke
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Kornelia Möller
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({117})
Volker Schneider
({118})
Dr. Herbert Schui
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
fraktionslose
Gert Winkelmeier
Nein
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({119})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Peter Hettlich
Priska Hinz ({120})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({121})
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({122})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Enthalten
FDP
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({123})
Uwe Barth
Ernst Burgbacher
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich ({124})
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({125})
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Michael Link ({126})
Patrick Meinhardt
Burkhardt Müller-Sönksen
Hans-Joachim Otto
({127})
Detlef Parr
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Florian Toncar
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 e auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ambitionierte europäische Emissionsnormen
für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr
- Drucksache 16/9105 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({128})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer
schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen
- Drucksache 16/8538 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({129})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Bärbel Höhn, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vorbildfunktion der Politik für Klimaschutz
ernst nehmen - Für eine nachhaltige Senkung
verkehrsbedingter CO2-Emissionen des Deutschen Bundestages
- Drucksache 16/9009 Überweisungsvorschlag:
Ältestenrat ({130})
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Lutz
Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Hans-Kurt Hill,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Wirksame Begrenzung des CO2-Ausstoßes
neuer Personenkraftwagen
- Drucksache 16/9307 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({131})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({132}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter
Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr ergreifen
- Drucksachen 16/5967, 16/9119 Berichterstattung:
Abgeordneter Christian Carstensen
Es ist verabredet, hierüber eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist
das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Winfried Hermann für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Klimaschutz im Verkehr - das ist das Thema,
über das wir heute sprechen - scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Man fragt sich daher: Warum müssen wir heute über vier Anträge der Grünen und einen
Antrag der Linken sprechen? Die Antwort ist einfach:
Wir glauben, dass die Bundesregierung das Thema Klimaschutz im Verkehr bisher nicht ernst nimmt.
({0})
Klimaschutz im Verkehr wurde lange nicht ernst genommen, übrigens nicht nur in den Parlamenten, sondern
auch von der Gesellschaft. In kaum einem Bereich, der
so viel zum Klimaschaden beiträgt, ist so wenig getan
worden. Yvo de Boer hat auf dem Weltverkehrsforum
in Leipzig, das Verkehrsminister Tiefensee vorgestern
eröffnet hat - 50 Verkehrsminister treffen sich, um über
die Zukunft der Mobilität zu sprechen -, in aller Klarheit
gesagt: Der Zustand der Verkehrspolitik in Sachen Klimaschutz ist beklagenswert unzureichend.
({1})
- Liebe Freundinnen und Freunde der Grünen, unser
Thema ist dran. Ich würde euch bitten, dass ihr zuhört. Danke schön!
({2})
Neuerdings hören wir große Reden, gerade von
Minister Tiefensee. Er hat zum Weltverkehrsforum gesagt - man muss ihn wörtlich zitieren -:
Klimawandel, steigende Ölpreise und knappe Energieressourcen verpflichten uns zum Handeln.
Wir brauchen weltweit verbindliche Klimaziele
etwa im Bereich der Luftverkehrs- und PkwEmmissionen.
O-Ton Tiefensee!
Man muss fragen: Was treibt einen Minister, auf einem internationalen Kongress solche Reden zu halten?
Was tut er hierzulande?
({3})
Ist ein Minister - bzw. ein Ministerium - glaubwürdig,
der auf einem internationalen Kongress so etwas fordert
und zu Hause so wenig tut? Man hat den Eindruck, dass
das Verkehrsforum in Leipzig eine Art Heiligendamm
ohne Strandkorb für Herrn Tiefensee werden soll. Der
Weltöffentlichkeit soll dargelegt werden: Wir tun etwas.
Wir sind vorneweg. Wir wollen Klimaschutz nicht nur
bei uns, sondern weltweit. Nebenbei bemerkt: Klimaschutz bei uns betreiben wir erst, wenn die Welt mitmacht. - Das wird auf Dauer nicht funktionieren.
Man ist doch nicht glaubwürdig, wenn man vor
50 Verkehrsministern sagt: Wir brauchen kein Tempolimit. Schließlich haben alle anderen Länder ein Tempolimit. Man ist auch nicht besonders glaubwürdig gegenüber den Kollegen aus der Europäischen Union, wenn
man sagt: Wir brauchen ambitionierte Grenzwerte.
Schließlich wissen alle, dass alle deutschen Minister einschließlich der Kanzlerin auf europäischer Ebene ständig
im Auftrag der deutschen Automobilindustrie unterwegs
sind gegen scharfe Grenzwerte.
({4})
Das macht deutsche Politik nicht glaubwürdig. So kommen wir beim Klimaschutz nicht voran.
({5})
Herr Hermann, entschuldigen Sie bitte einen Augenblick. Die Abgeordneten wissen, dass mit dem Handy im
Plenum nicht telefoniert werden darf.
Der Kollege Hofreiter ist heute besonders gefragt und
wichtig.
({0})
Genau, ich meine den Kollegen Hofreiter. - Vielen
Dank.
Setzen Sie bitte Ihre Rede fort, Herr Hermann.
Nicht nur Herr Tiefensee, sondern auch die Kanzlerin
hat sich in diesem Jahr mehrfach in Sachen Klimaschutz
und Verkehr geäußert, zum Beispiel in einer Verkehrszeitung:
Unser Ziel ist klar: Wir wollen die CO2-Emissionen … bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Auch
der Verkehrsbereich muss dazu einen Beitrag leisten. … Wir wollen mit Anreizen und intelligenten
technischen Lösungen erreichen, dass Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß von Fahrzeugen sinken.
O-Ton Frau Merkel! Dazu kann man nur sagen: ein
schönes Ziel, wie immer bei solchen Reden. Man fragt
sich aber, warum nichts zustande kommt. In der Bundesregierung blockiert ein Ministerium das andere, und die
Kanzlerin greift nicht durch.
Die Bundesregierung hatte im letzten Jahr die
Chance, auf europäischer Ebene vieles nach vorne zu
bringen. Die EU-Kommission hat eine ganze Reihe von
Anliegen, die heute in Deutschland als sehr wichtig angesehen werden, auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung hätte während ihrer halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft wirklich diese Vorhaben vorantreiben
können. Bei den Emissionsgrenzwerten für Pkw wurde
nichts vorangebracht. Über eine steuerliche Förderung
von sogenannten sauberen Pkw reden wir noch heute.
Eine Regelung über eine Kennzeichnung zur besseren
Information der Verbraucher steht noch aus. In der gesamten Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
wurde nicht das Ziel verfolgt, den Klimaschutz im Verkehrsbereich voranzubringen. Man hatte eher den Eindruck, dass die Bundesregierung auf der Bremse steht,
und zwar dort, wo die Europäische Union eigentlich viel
weiter ist.
({0})
Im letzten Jahr, als der Weltklimarat sehr deutlich gemacht hat, wie weit der Klimawandel fortgeschritten ist
und wie zwingend notwendig es ist, zu handeln, hat die
Bundesregierung unter dem Druck der Öffentlichkeit gesagt: Wir schnüren ein Paket. Das war die Wundertüte
von Meseberg. Was sieht dieses Paket vor? Die Aufzählung der Maßnahmen ist beeindruckend. Aber es handelt
sich nicht um eine Strategie, sondern um ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen: Reduktion der CO2-Emissionen, Ausbau der Biokraftstoffe, Umstellung der KfzSteuer auf CO2-Bezug, Verbrauchskennzeichnung. Das
alles kennen wir schon. Man war gespannt, wie aus diesem Katalog von Meseberg Politik wird. Hierzu muss
man frei nach Yvo de Boer auf dem Kongress von vor
zwei Tagen sagen: An kaum einer Stelle klaffen Anspruch und Wirklichkeit der Politik in Deutschland so
weit auseinander wie in der Verkehrspolitik. Auf der einen Seite werden schöne Reden über den Klimaschutz
gehalten und schöne Programme aufgelegt. Auf der anderen Seite geschieht praktisch nichts. Ich werde das an
einigen Beispielen belegen.
CO2-Grenzwert. Noch immer wird auf europäischer
Ebene gestritten, ob der CO2-Grenzwert bei 130, 125
oder 120 Gramm pro Kilometer liegen und ob er 2012
oder 2015 gelten soll. Und wer sorgt hier immer für Veränderungen und Verschiebungen, zusammen mit der
deutschen Automobilindustrie? Es ist die Bundesregierung, es sind die einzelnen Minister. Man steht auf der
Bremse, weil man Klimaschutz mit Lobbyarbeit für die
deutsche Automobilindustrie verwechselt. So kann kein
vernünftiger Kompromiss zustande kommen.
Nun warten wir gespannt. Wir haben gehört, Frau
Merkel will sich mit Herrn Präsident Sarkozy im Juni im
stillen Kämmerlein von Straubing treffen und die letzten
Absprachen in Sachen Verbrauchsobergrenze treffen.
({1})
- Das ist zwar eine schöne Gegend; aber ich bin gespannt, ob das eine Lösung für Europa bringt oder ob das
nicht eher eine Kungelei zwischen deutscher und französischer Automobilindustrie sein wird.
Nehmen wir das Beispiel Biokraftstoffe. Sie haben in
Ihrer Strategie darauf hingewiesen, dass das ein zentraler
Punkt ist. Damit wollen Sie mindestens 5 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer einsparen. Nun wissen wir:
Diese Kraftstoffstrategie ist, so ambitioniert sie war,
mindestens zur Hälfte kläglich gescheitert.
Nehmen wir die CO2-basierte Kfz-Steuer. Alle haben gesagt, eine solche Steuer sei gut. Ich weiß nicht,
wie oft ich Herrn Minister Tiefensee auf verschiedenen
Veranstaltungen gehört habe, wo er sagte, ein zentrales
Element der Klimaschutzpolitik im Verkehrssektor sei
die neue Kfz-Steuer auf CO2-Basis; sie werde verkehrslenkend wirken. Heute wissen wir, dass die Regierung
nicht in der Lage ist, ein Konzept vorzulegen, das von
dieser Regierung auch nur halbwegs getragen wird. Man
muss sogar befürchten, dass es gar keine Kfz-Steuerreform gibt. Als Opposition könnte man sich darüber
freuen; aber unter Klimaschutzgesichtspunkten ist das
eine Katastrophe. Das war Ihr zentrales Lenkungsinstrument, das nun nicht zustande kommt.
Man muss sich einmal überlegen, worüber Sie gestritten haben. Zunächst haben Sie eine Vorlage gemacht, die
nicht wirklich gravierend gewirkt hätte. Aber schon bei
den ersten Aufschreien, dieses oder jenes Modell werde
dadurch zu sehr belastet, haben Sie einen Rückzieher gemacht. Ein Klimaschutz, der niemandem wehtun will,
der es allen recht machen will - den spritfressenden, teuren neuen Fahrzeugen genauso wie den Altfahrzeugen -,
kann jedoch nicht funktionieren. Das ist nicht einmal ein
Nullsummenspiel, sondern im Grunde genommen eher
ein Weg zurück. Eine Kfz-Steuer muss doch Anreize setzen, damit Leute neue, energieeffiziente Fahrzeuge kaufen, die Sprit sparen.
({2})
Ringen Sie sich doch wenigstens dazu durch! Wenn Sie
schon bei den Altfahrzeugen Probleme haben, dann fördern Sie wenigstens massiv die spritsparenden Fahrzeuge! Das wäre ein Anschub. Bestrafen Sie diejenigen,
die viel zu viel Sprit verbrauchen, statt das immer noch
steuerlich zu begünstigen!
Nehmen wir die Verbrauchskennzeichnung. Der
Minister hat gesagt, es sei wichtig, dass die Verbraucher
mitwirken und mitreden können; sie müssten informiert
sein. Dafür bräuchten sie die Kennzeichnung. Jetzt ist
die Kennzeichnung vom Tisch.
Nehmen wir das Dienstwagenprivileg. Aus meiner
Sicht ist es Sozialpolitik de luxe, dass teure Mittel- und
Oberklassewagen, die übrigens zu 70 bis 80 Prozent inzwischen als Dienstwagen gefahren werden, steuerlich
im Verbrauch wie bei der Anschaffung gefördert werden
und deswegen überleben können. Das ist doch eher Artenschutz für Cayenne, Cayman, Touareg und wie sie
alle heißen, aber es ist keine Klimaschutzpolitik. Das ist
eigentlich eine Katastrophe.
({3})
Mich wundert, dass die SPD sich nicht wenigstens an
dieser Stelle erinnert, woher sie kommt.
Meine Damen und Herren, Klimaschutz kann nicht
länger nur auf Reden vertrauen. Wir brauchen endlich
ein klares Handlungskonzept, das zum einen in viele
politische Felder hineinreichen und zum anderen an die
Verbraucher appellieren muss. Es muss Anreize für die
Verbraucher geben, damit sie ihr Verhalten ändern.
Pachauri, der Chef des Weltklimarates, hat zum Beispiel
unlängst gesagt, wir müssten endlich aufhören, den Individualverkehr politisch zu fördern, und mehr den öffentlichen, klimafreundlichen Verkehr fördern. Wir müssten
aufhören, immer größere Autos zu fördern, und es wäre
auch nicht schlecht, wenn wir ab und zu - das könnte
fast von mir sein - ein bisschen mehr Fahrrad fahren und
öfter laufen würden.
({4})
Herr Pachauri hat recht; ich kann ihn nur unterstützen.
Herr Tiefensee hat übrigens unlängst auf dem schon genannten Kongress gesagt, im Verkehr sei es in Sachen Klimawandel nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf.
Wir Grünen haben eine klare Vorstellung, wie es
weitergehen soll, was mindestens getan werden muss,
wenn man in dem Bereich überhaupt etwas erreichen
will. Klare CO2-Grenzwerte sind nötig, und zwar nicht
nur bis 2012, sondern bis 2020. Wir brauchen eine deutliche Absenkung des CO2-Ausstoßes auf 120 Gramm
und dann auf 80 Gramm. Ein Tempolimit ist die preiswerteste und einfachste Lösung, die Sie weiterhin verweigern, weil das angeblich zu wenig bringt. Dabei
bringt das wirklich etwas. Wir brauchen eine Steuerreform, die wenigstens die Spritschlucker bestraft, und wir
brauchen eine Förderung von neuen Fahrzeugen, die
sparsam und innovativ sind. Auch das wäre ein klares
Signal. Endlich muss das Dienstwagenprivileg abgeschafft werden.
({5})
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss.
Klimaschutz im Verkehr verlangt nicht nur ein Sammelsurium von Vorschlägen, sondern eine klare Strategie
mit ambitionierten Zielen und Zeitvorgaben. Er erfordert
aber auch Mut und Wille zur Durchsetzung und ein bisschen politische Courage. Man muss den Leuten auch sagen, dass es nicht so wie bisher weitergehen kann, dass
es Umstellungen und gewisse Einschränkungen geben
muss. Nur so kann Klimaschutz gelingen.
Vielen Dank.
({0})
Der Kollege Jens Koeppen hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ich kann natürlich bei den
vielen Anträgen nicht ins Detail gehen und will mich
heute bei meinen Ausführungen auf eine Frage konzentrieren, und zwar auf die Frage, wie eigentlich eine nachhaltige Klimapolitik unter dem Gesichtspunkt aussieht,
dass wir Nachhaltigkeit wörtlich nehmen. Sie, Herr
Hermann, wissen, dass „nachhaltig“ bedeutet: ökologisch, ökonomisch und sozial. Ich habe bei Ihren Anträgen den Eindruck, wenn man diese Säulen gleichzeitig
und auch gleichberechtigt betrachtet, dass Sie zwei
Säulen vergessen haben, nämlich einmal die wirtschaftliche und einmal die soziale.
Sie haben außer Acht gelassen, dass das auch für die
CO2-bezogene Kfz-Steuer gelten muss. Wenn wir diese
unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betrachten, dann
bedeutet das zum Ersten - da sind wir uns einig -, dass
wir im Sinne der Ökologie den Ausstoß von Treibhausgasen und Schadstoffen in die Atmosphäre minimieren
wollen. Dann kommen die zwei anderen Säulen. Wir
wollen unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichen
die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen erhalten, den Wirtschaftsstandort Deutschland ausbauen und
die Arbeitsplätze erhalten. Dann kommen wir zur dritten
Säule, dem Sozialen. Wir wollen massive finanzielle Belastungen unserer Bürgerinnen und Bürger vermeiden
bzw. ihre Belastungen erträglich gestalten.
({0})
Diese Form der Nachhaltigkeit ist gerade in der Umweltpolitik eine spannende Aufgabe. Sie haben auch gesagt, dass das die meisten Spannungen birgt. Das ist
völlig klar. Aber die vielfältigen Diskussionen in der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten haben gezeigt,
dass die Umweltpolitik offenbar an Akzeptanz verliert.
Woran liegt das? Das liegt natürlich nicht daran, dass die
Menschen eine grundsätzlich positive Einstellung zum
Umweltschutz nicht haben, und das liegt auch nicht daran, dass sie nicht wissen, dass Klimaschutz und Umweltschutz notwendiger sind denn je. Aber sie sind es
leid, nur noch zu hören, was alles nicht mehr geht, sie
sind es leid, zu hören, dass sie immer mehr belastet werden müssen und dass es immer mehr Dinge gibt, die sie
nicht mehr tun dürfen.
({1})
- Herr Heilmann, Umweltpolitik wird einseitig, wenn sie
nur aus Verboten, aus Gängelei, aus Gebühren oder aus
sonstigen Strafzahlungen besteht.
({2})
Wir wollen umschalten, was Sie nicht gemacht haben.
Auch Ihr Antrag ist völlig daneben. Wir wollen Anreize
schaffen, statt immer neue Verbote und neue Sanktionen
zu errichten. ({3})
Wenn wir so weitermachen, verkommen wir zu einer
Verbotsgesellschaft - die müssten Sie kennen -, die es
nicht vermag, die Menschen mitzunehmen, sie aufzuklären und für den Umwelt- und den Naturschutz zu begeistern. Das gilt gerade im Fokus der vier Anträge, die Sie,
Herr Hermann, eingebracht haben und die wir heute beraten. Sie gehören leider wieder in die Rubrik „Aktionismus, Verteufelung und Schwarz-Weiß-Malerei“.
({4})
- Herr Hettlich, Sie meinen es ja gut; das nehme ich Ihnen völlig ab. Aber Sie kommen aus dieser Nein-dankeMentalität nicht heraus. - Sie führen diese Tradition
fort und propagieren unter dem Deckmantel des Klimaschutzes immer den Verzicht, ohne Antworten zu geben
oder Alternativen aufzuzeigen. Sie haben mit „Atomkraft? Nein danke“ angefangen. Sie sagen den Leuten
heute, dass wir die Atomkraft nicht brauchen und dass
wir eine Käseglocke über Deutschland stülpen sollen.
Gleichzeitig beschwindeln Sie die deutsche Bevölkerung; denn Sie kaufen Atomstrom aus Frankreich und
aus Tschechien und sagen: Wir sind sauber. - So sieht
kein Umweltschutz aus. So können wir das nicht machen.
({5})
- Es geht gleich los.
Sie sagen auch, wenn wir schon einmal dabei sind:
„Kohle? Nein danke.“ - Auch das tun Sie, ohne Antworten zu geben und Alternativen aufzuzeigen. Sie sagen
nichts zum Energiemix, zur Grundlast, zur Verfügbarkeit, zur Unabhängigkeit oder zu den Energiekosten,
etwa bei den neuen Kraftwerken, die Sie nicht wollen.
Sie nehmen hin, dass der Schadstoffausstoß der alten
Kraftwerke um ein Vielfaches höher ist. Diese
Nein-danke-Mentalität setzt sich fort. Hinzu kommen
immer mehr Fälle, in denen man „Nein danke!“ sagt:
Autobahnen, Flughäfen, Wasserstraßen, Gentechnik,
Fleischkonsum, Biokraftstoffe, Urlaubsreisen in fremde
Länder. Sie sagen den Leuten nicht, was geht; Sie sagen
nur, was nicht gehen soll. Das ist nicht richtig.
Ihr „Nein danke!“ beim Thema Autos gilt vor allen
Dingen für große Autos. Die Premiumklasse ist für Sie
die Inkarnation, die „Blechwerdung“ des Bösen.
({6})
Sie machen eine einseitige Umweltpolitik, die an den
Menschen vorbeigeht. Das führt zu Unmut, zu Verdrossenheit in Sachen Umweltbewusstsein.
Ich kann Ihnen sagen: In der Großen Koalition bleibt
die Umweltpolitik das Schwerpunktthema. Da brauchen
Sie sich gar keine Sorgen zu machen. Unsere Betrachtungsweise ist aber nicht nur national, sondern auch europaweit und international. Wir müssen das Ganze global und ganzheitlich betrachten; sonst funktioniert das
nämlich nicht.
({7})
Wenn bei der Behandlung eines Themas wie CO2-bezogene Kfz-Steuer Nachhaltigkeit eine zu geringe Rolle
spielt, wenn also ökologische, ökonomische und soziale
Aspekte nicht ausreichend zur Geltung kommen, dann
müssen wir nachbessern. Das ist unsere Aufgabe. Das
sehen unsere Abgeordneten vielleicht anders als Sie. Wir
müssen dem Ministerium nicht unbedingt hinterherrennen. Vielmehr sagen wir, wie es besser gemacht werden
soll. Wir haben dabei die Menschen in Deutschland im
Fokus. Diese Einstellung wollen wir beibehalten.
({8})
Weder Aktionismus noch Schnellschüsse helfen uns
weiter; deswegen machen wir das ordentlich.
Ich möchte einen kleinen Schwenk zu den Umweltzonen machen. Bei der Behandlung des Themas KfzSteuer habe ich ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt. Stichwort
„Umweltzone“: Eine gute Maßnahme verkommt zu einem bürokratischen und finanziellen Monstrum; gut gedacht, schlecht umgesetzt - von den Ländern übrigens.
Das wollen wir bei der Umstellung der Kfz-Steuer auf
CO2-Bezug verhindern. Ein Beispiel in Bezug auf die
Umweltzone - was die Busse angeht, ist alles gesagt -:
Ein Handwerksmeister, der sich vor drei Jahren ein Auto
gekauft hat, darf nicht in die Umweltzone fahren. Eine
Ausnahmegenehmigung wird ihm erteilt, wenn er klarstellt, dass sein Auto nicht nachrüstbar ist. Dann muss er
sehr viel Geld zahlen. Dieser Vorgang ist sehr bürokratisch. Was ist, wenn dieser Handwerker in ein anderes
Bundesland fahren möchte, um dort zu arbeiten?
Was die Senatsverwaltung Berlin macht, ist Perversion - ich beziehe mich insbesondere auf die Senatorin
für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz der Linken -; dort sagt man: Unternehmen, die nicht in die Umweltzone dürfen, sollen sich außerhalb der Umweltzone
Aufträge besorgen. Das ist keine Umweltpolitik; das
provoziert nur den Zorn der Menschen. Das kann so
nicht funktionieren. Diejenigen, die dafür verantwortlich
sind, haben nie ein Unternehmen von innen gesehen.
Das muss sich irgendwann einmal ändern.
({9})
Ich komme zurück zur CO2-bezogenen Kfz-Steuer.
Wir sind an diesem Thema dran. Herr Hermann, Ihre
Vorschläge sind bezüglich Zeitschiene, Begrenzung und
Schärfe der Sanktionen nicht vermittelbar. Auch wenn
Sie wenige Techniker in Ihren Reihen haben, versuchen
Sie wiederholt, die Physik auszutricksen; aber Sie können die Physik nicht austricksen. Eine Begrenzung auf
80 Gramm CO2 pro Kilometer für ein mittelgroßes Auto
funktioniert zurzeit eben nicht.
({10})
Deswegen brauchen wir eine andere Zeitschiene.
Auch die Vorschläge der Kommission zur Wettbewerbsfähigkeit, zur Kosteneffizienz und zum Verursacherprinzip sind viel zu scharf; das wissen Sie. Wir haben gesagt: Wir sollten alle drei Säulen betrachten.
Wenn man das nicht tut, funktioniert das Ganze nicht.
({11})
Wir müssen alle Fahrzeuge an der Festlegung der
Reduktionsziele angemessen beteiligen; ein Berufs- und
Herstellerverbot wird mit uns nicht funktionieren. Auch
sehen wir die Notwendigkeit, dass schwere Fahrzeuge
einen größeren Beitrag leisten; das ist völlig klar. Die
Mehrzahl der Fahrzeuge in Europa sind kleine Fahrzeuge. Wenn deren CO2-Ausstoß verpflichtend um
5 Gramm oder 10 Gramm gesenkt würde, hätte das aufgrund des viel höheren Reduktionspotenzials eine viel
stärkere Wirkung als eine Beschränkung des CO2-Ausstoßes der großen Fahrzeuge.
Das Allerwichtigste ist: Wir müssen möglichst viele
Anreize für Innovationen schaffen. Nach dem jetzigen
Vorschlag der Kommission fällt eine Reihe von Investitionen völlig unter den Tisch. Hier fordern wir - wie
überall im Umweltschutz - Technologieoffenheit. Das
ist das A und O. Wir brauchen dringend auch Eco-Innovations, zum Beispiel: energieeffiziente Leuchten - sie
sind momentan viel teurer als normale Leuchten -, Solardächer, Sechsganggetriebe, Verbrauchsanzeigen und
Abwärmewandlung.
Auch auf die Altfahrzeuge müssen wir zu sprechen
kommen. Wir können doch nicht sagen: Alle Altfahrzeuge fallen unter die neue Regelung. Sie werden wesentlich stärker belastet. Die Menschen haben vor fünf
Jahren noch geglaubt, dass sie sich ein umweltfreundliches Auto kaufen, und jetzt bestrafen wir sie. Das kann
nicht funktionieren. Wir müssen darüber reden, wie wir
die alten Autos mit einer Frist und Anreizen, neue Autos
zu kaufen, aus dem Markt wachsen lassen können. Die
von den Ländern immer wieder geforderte Aufkommensneutralität bringt uns doch in die Bredouille. Lassen Sie uns lieber darüber reden, wie wir Altfahrzeuge
und Neufahrzeuge unter einen Hut bringen können, und
lassen Sie uns eine ordentliche CO2-bezogene KfzSteuer einführen! Sie wird kommen, aber wir wollen sie
solide gestalten.
({12})
Mein Fazit zu den Anträgen lautet: Wir sollten uns in
der Umweltpolitik Ziele setzen. Das haben wir getan.
Dabei haben Sie, die Grünen, mitgeholfen. Sie treiben
die Debatte voran. Das ist Ihre Aufgabe, das ist in Ordnung. Wir müssen aber ordnungspolitisch saubere
Marktanreize schaffen und flexibel sein. Vor allen Dingen müssen wir den Fachleuten und Technikern die Umsetzung überlassen. Wir müssen lediglich Anreize schaffen.
({13})
- Herr Hermann, wir haben doch nichts davon, wenn wir
Bestrafungsorgien abhalten. Wir müssen Innovationen
fördern, statt zu sanktionieren. Das ist das A und O. Lassen Sie uns das auch entsprechend in Gesetzesform gießen!
Umfassende Lösungen suchen und dabei die Akzeptanz bei der Bevölkerung nicht aus den Augen verlieren
- so sieht in meinen Augen vorbildliche und vor allen
Dingen - damit sind wir wieder am Anfang der Rede nachhaltige Umweltpolitik aus.
Vielen Dank.
({14})
Jetzt hat der Kollege Michael Kauch das Wort für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wollen
wir die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen, so
müssen wir die CO2-Emissionen im Verkehr senken.
Dies ist auch im wirtschaftlichen Interesse der Bürgerinnen und Bürger; denn die Senkung der CO2-Emissionen
ist gleichzeitig eine Strategie, die die Abhängigkeit vom
Öl vermindert. Die Bürgerinnen und Bürger ächzen
schon heute unter den Energiekosten.
({0})
Aber die Antworten von den Grünen sind immer die
gleichen. Mit Fahrradfahren und Laufen werden Sie das
Klima nicht retten. Mit Geschichten wie der Diskussion
darüber, dass die Leute nicht nach Mallorca fliegen sollten, werden Sie keinen durchgreifenden Beitrag zum
Klimaschutz leisten, sondern Sie werden die Akzeptanz
von Klimapolitik bei den Menschen nur kaputtmachen.
Statt Verzicht zu predigen, sollten wir uns auf technologische Innovationen einrichten. Effizienzsteigerungen,
neue Verkehrskonzepte, aber vor allem alternative Antriebstechnologien und Kraftstoffe können uns helfen,
die notwendigen Ziele zu erreichen. Die Ausschöpfung
der technischen Potenziale bei konventionellen Antrieben ist kurzfristig sicherlich die richtige Lösung. Langfristig sollten wir uns aber an den neuen Forschungsfortschritten ausrichten.
Wir sehen momentan zum Beispiel Fortschritte bei
Lithium-Ionen-Akkus. Das Thema Elektromobilität gewinnt wieder an Schwung und Bedeutung. Das müssen
wir in eine Zukunftsstrategie einbinden. Denn die Elektromobilität würde uns in eine Win-win-Situation bringen. Auf der einen Seite könnten wir Autos, die meistens
ohnehin 23 Stunden am Tag stillstehen, mit überschüssigem Windstrom aufladen. Auf der anderen Seite würde
uns das helfen, den Windstrom, der zu einem zunehmenden Problem für die Stabilität des Netzes wird, aus den
Netzen abzuleiten.
({1})
Das geht mit intelligenter Netztechnik, mit verbesserten
Akkus und Motoren nicht heute, aber vielleicht schon in
naher Zukunft.
Auch Biokraftstoffe bleiben eine Strategie für den
Klimaschutz im Verkehr. Die FDP hat sich in den vergangenen Monaten sehr kritisch mit den Biokraftstoffen
auseinandergesetzt. Wir glauben, dass die jetzige Förderung der Biokraftstoffe geeignet ist, die tropischen Regenwälder zu gefährden. Aber Biokraftstoffe sind weder
Himmel noch Hölle. Sie sind weder per se gut noch per
se schlecht. Es kommt vielmehr darauf an, mit welchen
Rohstoffen und mit welchen Techniken sie produziert
werden. Das kann man auch nachhaltig gestalten.
({2})
Der Stern-Report zeigt allerdings, dass die CO2-Vermeidung im Verkehr und insbesondere bei der Fahrzeugtechnik - das muss man sehr deutlich sagen - vergleichsweise hohe Kosten verursacht. Das bedeutet, dass man
an anderer Stelle der Volkswirtschaft mit dem gleichen
Aufwand oft viel mehr CO2 einsparen könnte. Deshalb
brauchen wir eine sektorübergreifende Strategie, bei der
man nicht wie das Kaninchen auf die Schlange - den
Verkehr - starrt, sondern alle Sektoren der Volkswirtschaft gleichmäßig beachtet.
({3})
Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, den Verkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, und zwar
nicht nur den Luftverkehr, sondern auch den Straßenverkehr. Dazu gibt es konkrete Vorschläge - solche haben wir in den Deutschen Bundestag eingebracht -; dies
kann erreicht werden, indem man die Händler von Treibstoffen verpflichtet, Emissionsrechte nachzuweisen.
Dadurch würde die Emission im Verkehrsbereich gedeckelt. Die Verminderung könnte aber auch in anderen
Sektoren der Volkswirtschaft stattfinden.
Was sagt die Koalition dazu? Gute Idee, aber viel zu
bürokratisch. Meine Damen und Herren, Ihr Sachverständigenrat für Umweltfragen hat genau das Modell
vorgeschlagen, das in dem Antrag enthalten ist, den die
FDP in den Deutschen Bundestag eingebracht hat.
({4})
Es wäre schön, wenn Sie einmal auf Ihre Fachleute hören würden.
Genauso schön wäre es, wenn Sie einmal über die
Grenzen blicken würden. Wir alle sind sehr froh darüber,
dass es in den Vereinigten Staaten jetzt eine Gesetzgebung für ein nationales Emissionshandelssystem geben
soll. Wenn man sich das anschaut, stellt man überrascht
fest: In einem Punkt ist man mit dem, worüber man dort
im Senat diskutiert, weiter. In der Vorlage für den Emissionshandel in den USA ist der Transportsektor nach
genau dem Modell integriert, wie es auch die FDP vorschlägt. Wenn wir die Emissionshandelssysteme vernetzen wollen, dann macht es Sinn, die gleichen Sektoren
einzubeziehen. Überdenken Sie die Ablehnung, die Sie
in diesem Bereich in den letzten Monaten gezeigt haben,
deshalb bitte noch einmal.
({5})
Es gibt wenige Sektoren, in denen so viel Symbolpolitik, so viel Hysterie und so viel Heuchelei ist wie
beim Klimaschutz im Verkehr. Da war doch letztens
Herr Mehdorn auf einer Konferenz des BDI, und ich
hatte das Vergnügen, mit ihm eine Podiumsdiskussion zu
bestreiten. Herr Mehdorn sagte: Wir müssen zunächst
einmal die Nonsensverkehre - für 19 Euro nach Venedig - beenden. Ich habe ihn gefragt: Ist die gleiche Nonsensreise für 29 Euro mit dem „Dauer-Spezial“ der Bahn
denn besser? Aus meiner Sicht ist das nicht der Fall.
Wenn die Reise Nonsens ist, ist sie Nonsens. Nur, wer
soll entscheiden, was Nonsens ist? Haben wir demnächst
eine Moralpolizei, die entscheidet, die eine Reise ist gut,
die Reise nach Venedig ist nicht so gut, außer wenn es
sich um eine Hochzeitsreise handelt? Das ist doch absurd.
({6})
Genauso absurd ist es, wenn Herr Mehdorn sagt: Die
Joghurtbecher werden von Mecklenburg-Vorpommern
nach Bayern und dann wieder zurück gekarrt. Das ist
Nonsensverkehr. Natürlich, das ist dann Nonsens, wenn
man die Marktanreize nicht richtig setzt, wenn die Kosten, die hier entstehen, abgewälzt und eben nicht internalisiert werden. Ich frage mich, ob das Unternehmen
Deutsche Bahn, in dem Fall Schenker, bei der Auftragsannahme demnächst fragt, ob der Joghurtbechertransport ein Nonsensverkehr ist. Damit macht die Deutsche Bahn sehr viel Geld. Solche heuchlerischen Reden
sollte man nicht halten, weder hier im Parlament noch in
der Wirtschaft.
Vielen Dank.
({7})
Michael Müller hat jetzt das Wort als Parlamentarischer Staatssekretär für die Bundesregierung.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war
gut, dass wir gestern in der Aktuellen Stunde zum
Thema Klima in Grundsätzen große Einheit gezeigt haben. Die beiden wichtigsten Punkte dabei sind folgende:
Erstens. Ganz ohne Zweifel muss man beim Klimawandel zu einer Zeit handeln, zu der die Folgen noch nicht
richtig sichtbar sind, weil es einen zeitlichen Vorlauf von
vier bis fünf Jahrzehnten gibt, was, auch kulturell, eine
ganz andere Herausforderung ist als sonst. Die übliche
Reaktionsweise im Umweltbereich ist ja, immer erst
dann zu handeln, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist.
Zweitens. Wir haben eigentlich schon ziemlich viel
Zeit verloren; auch das ist klar. Ich erinnere nur daran,
dass der Bundestag Anfang der 90er-Jahre noch davon
ausgegangen ist, dass wir die Erwärmung auf 1,5 Grad
würden begrenzen können. In der Zwischenzeit vertreten
wir die Position, dass die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzt werden soll. Selbst dies ist bisher nirgendwo in
der Welt eine verbindliche Obergrenze. Es ist nur eine
Position, die eine Vielzahl von Ländern vertritt; sie bilden aber noch keine Mehrheit.
Insofern ist zu sagen: Wir haben schon sehr viel Zeit
verloren, und das ist das eigentliche Problem. Jetzt hat
sich das Problem noch weiter zugespitzt, zum einen
durch die Verknappung und Verteuerung der Rohstoffe
und zum anderen dadurch, dass sich, wie wir es jetzt ja
immer deutlicher erleben, die Dynamik der Welt auf den
Süden verlagert und damit eine ganz andere Quantität
annimmt.
Es ist auch schwierig, ein Land wie Kalifornien als
Vorbild zu nehmen. Wenn dort mehr als 1 000 Autos auf
1 000 Einwohner kommen, dann stellt sich für mich
schon die Frage, ob man es zum Vorbild nehmen soll.
Wenn es nämlich dazu käme, dass sich weltweit ein
Trend zu einem solchen Auto-Einwohner-Verhältnis ergäbe, stiege die Zahl der Autos nicht um ein paar Millionen, sondern um ein paar Hundertmillionen. Das ist ja
eine ganz andere Dimension. Angesichts dessen müssen
wir, Herr Kauch, an die Frage anders herangehen als allein über die Steuerung durch Marktmechanismen. Hier
wird vielmehr eine Vorbildfunktion von uns verlangt.
Wir müssen sozusagen den Umbauprozess vorantreiben.
Die Schlüsselfrage, die uns in Indien oder China immer wieder gestellt wird, lautet ja: Macht ihr das, was ihr
verlangt, auch bei euch?
({0})
Es ist immer dasselbe. Das ist die Grundfrage. Deshalb
möchte auch ich es noch einmal auf den Punkt bringen:
Deutschland kann in der Welt nicht glaubwürdig sein,
wenn es zu den drei einzigen Ländern weltweit gehört,
wo es kein Tempolimit gibt. Das geht nicht. Das funktioniert nicht. Man muss in diesem Punkt auch kulturelle
Glaubwürdigkeit aufweisen und nicht nur technologische Antworten geben. Beides gehört zusammen.
({1})
- Das ist so. Ein Tempolimit bringt ein Minus von
4 Millionen Tonnen CO2. Das ist vom Umfang her mehr,
als in der ersten Phase in den Emissionshandel einbezogen wurden.
({2})
- Es sind 4 Millionen Tonnen nach den Untersuchungen,
die vorliegen. Ich weiß, dass Sie das abstreiten, weil Sie
das Thema nicht hochkommen lassen wollen. Ich sage
nur umgekehrt: Wer will, dass Klimaschutz vor allem
auch als eine Dimension - ({3})
- Im Gegensatz zu Ihnen bin ich seit 40 Jahren dabei. Ich
glaube schon, ich weiß, wovon ich rede.
Wenn man also möchte, dass der Klimawandel auch
zu einem größeren Verständnis von Rücksichtnahme und
Verantwortung führt, dann ist klar, dass man dieses Ziel
nicht allein durch technologische Veränderungen erreicht. Es ist vielmehr erforderlich, auch eine Vorbildfunktion einzunehmen. Wir sind sehr wohl bereit, eine
solche Vorbildfunktion einzunehmen.
Das Kernproblem des Verkehrs ist - ich mache es einmal an einem Begriff von Max Weber fest - die Ambiguität der Moderne, also eine gewisse Ambivalenz,
weil im Verkehrsbereich mehr als in allen anderen Bereichen zwei Grundfragen aufeinanderstoßen: Zum einen
eröffnet Mobilität natürlich Freiheit, Chancen und Gerechtigkeit. Zum anderen trägt Mobilität immer stärker
zur Naturzerstörung bei und wirkt deshalb auch limitierend.
Deshalb ist Nachhaltigkeit - Herr Koeppen, das
möchte ich schon sagen - nicht nur Gleichrangigkeit von
Ökonomie und Ökologie, sondern Gleichrangigkeit gibt
es nur auf der Basis des limitierenden Faktors der Ökologie. Das ist die Grundposition des Nachhaltigkeitsberichts. Diese Position wird auch im Brundtland-Bericht
vertreten. Hier wird nämlich klar gesagt: Der limitierende Faktor, der unsere Zukunft bestimmen wird, sind
die Endlichkeit und Begrenztheit der Natur. Alle anderen Entscheidungen müssen sich genau an diesem Ziel
orientieren. Insofern geht es nicht einfach nur um das
Zusammenführen von sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Verträglichkeit und wirtschaftlicher Innovationskraft. Vielmehr ist ein Rahmen gesetzt, der durch die Begrenztheit und Endlichkeit der Natur bestimmt wird. An
dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei. Insofern geht
es hier um ein wenig mehr: Es wird auch von uns die bewusste Einsicht in Grenzen und Veränderungen verlangt.
({4})
Lassen Sie mich noch ein paar wichtige Punkte für
die aktuelle Diskussion anführen. Wir müssen einfach
zur Kenntnis nehmen, dass es im Verkehrsbereich insgesamt - es gibt keinen anderen Bereich, wo das so deutlich wird wie hier - bisher im Vergleich zu 1990 zu keiner Reduktion von Emissionen gekommen ist. Alle
Effizienzfortschritte wurden kompensiert durch höheres
Gewicht, stärkere Motoren etc. Es ist deswegen zu keiner Reduktion gekommen. Wenn wir aber bei den CO2Emissionen zu einem Minus von 40 Prozent kommen
wollen, führt kein Weg an einer Reduktion vorbei.
Diese Position hat eine qualitativ andere Dimension
als die Position, die eine Abschmelzung von Verbrauch
durch Effizienz und geringeres Wachstum erreichen will.
Nein, hier geht es um mehr, nämlich um eine Senkung.
Deshalb müssen wir viele der Positionen, über die wir
hier diskutiert haben, mit mehr Nachdruck vertreten.
Dazu gehört zum Beispiel die Minderung der CO2-Emissionen von Pkws. Der angestrebte Wert von 120 Gramm
pro Kilometer ist richtig. Wir halten bei allen Schwierigkeiten daran fest.
Mich wundert nun ein bisschen, dass Sie, Herr
Hermann, in Ihrem Antrag die Biokraftstoffe gar nicht
mehr erwähnen. Das halte ich insbesondere vor dem
Hintergrund der Euphorie, die Sie früher an den Tag legten und die größer war als bei manchen anderen Fraktionen, für falsch.
({5})
Aber die Förderung ganz zu streichen, halte ich für
falsch. Es muss klare Nachhaltigkeitskriterien und eindeutige CO2-Bilanzen geben. Es kann nicht sein, dass
wir schon jetzt sozusagen die Tür schließen. Das wäre
aus meiner Sicht falsch. Ihre Position in dieser Frage
kann ich nicht nachvollziehen.
Ein weiterer Punkt, der sehr wichtig ist: Wir müssen
Anreize für Gewichtseinsparungen schaffen. Ich
glaube, dass auf europäischer Ebene die Orientierung
auf das Gewicht völlig richtig ist. Wir halten die Grundrichtung für richtig.
Wir brauchen eine CO2-bezogene Kfz-Steuer. Nach
dem, was Frau Merkel auf dem Katholikentag gesagt
hat, gehe ich davon aus, dass sie zu diesem Ziel steht
und ihre Zusagen einhält. Ich gehe ferner davon aus,
dass ihre Auffassung in ihrer Fraktion wie auch in allen
anderen Fraktionen geteilt wird. Wir brauchen diese
Umstellung.
Mir ist völlig klar, dass eine solche Umstellung immer auch mit Einschnitten verbunden ist. Aber der
Grundsatz gilt: Wer heute keine Veränderungen vornimmt, der nimmt größere Einschnitte in der Zukunft in
Kauf. Insofern müssen wir darüber reden, wie wir diese
Veränderungen so sozialverträglich wie möglich hinbekommen. Es kann und darf aber nicht sein, dass wir
diese Veränderungen generell infrage stellen. Denn das
würde uns in der Zukunft umso stärker einholen. Das ist
aus meiner Sicht ganz klar.
({6})
Ich will als letzten Punkt noch den Luftverkehr erwähnen. In der letzten Zeit kann man erleben, dass der
eine Verkehrsträger auf den anderen schimpft. Sie haben
das Beispiel von Herrn Mehdorn erwähnt. Die Luftfahrtindustrie schimpft auf den Automobilsektor. Bei
Daimler-Benz habe ich erlebt, wie auf den Luftverkehr
geschimpft wird. Das kann man nicht akzeptieren. Alle
müssen ihren Beitrag leisten.
Im Übrigen gibt es höchst unterschiedliche Gewichtungen, was den CO2-Ausstoß angeht. Natürlich sind die
CO2-Emissionen des Flugverkehrs quantitativ geringer
als bei anderen Verkehrsträgern. Aber da der Abbau von
CO2 höhenabhängig ist, müssen die durch den Luftverkehr ausgestoßenen Mengen anders gewichtet werden.
Die Emissionen des Luftverkehrs enthaltenen einen hohen O3-Anteil, und außerdem trägt er erheblich zur Wolkenbildung und damit zur Schaffung von Kältebrücken
in der Atmosphäre bei. Das hat auf die Chemie und Dynamik der Atmosphäre negative Auswirkungen.
Wir wollen alle Verkehrsträger mit ins Boot nehmen,
und alle müssen ihren Beitrag leisten. Deswegen ist es
richtig, dass der Luftverkehr in dieses Regime einbezogen wird. Es kann nicht sein, sich nur auf einzelne Verkehrsträger zu beziehen. Wir brauchen ein Gesamtpaket.
Darüber sind wir uns hoffentlich einig.
Vielen Dank.
({7})
Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Staatssekretär, Sie haben eben eine nachdenkliche
und sachkundige Rede gehalten. Sie wissen, was Sie tun.
Aber Sie wissen auch, was Sie nicht tun. Das ist das Problem, vor dem wir hier stehen.
Sie haben über das Tempolimit und über das Ziel von
120 Gramm pro Kilometer gesprochen. Sie haben außerdem erwähnt, wofür die Kanzlerin steht. Wann aber verabschieden wir im Bundestag entsprechende Gesetze?
({0})
Warum haben wir auf der Autobahn noch kein Tempolimit von 130 km/h?
Wenn man die jetzige Debatte im Zusammenhang mit
der vorherigen sieht, muss man sagen, dass es ein Trauerspiel ist. Sie haben eben mit Mehrheit beschlossen, ein
Viertel der Bahn zu verkaufen, zu privatisieren. Das ist
ein zentraler Punkt. Denn Klimapolitik betrifft die gesamte Gesellschaft, und man kann sie nicht auf Teilbereiche reduzieren. Der beste und wirksamste Ansatz
wäre immer noch, Verkehr zu vermeiden.
({1})
Sehen wir uns einmal die Entwicklung unserer Städte
und Gemeinden an. Der demografische Wandel birgt
auch Chancen. Diese Chancen zu ergreifen, verlangt
aber ein neues Denken: Wo wird Wirtschaft angesiedelt?
Wie fördern wir die kleinteilige Wirtschaft? Wir dürfen
nicht nur den Supermarkt auf der grünen Wiese, sondern
müssen auch kleine Geschäfte fördern.
({2})
Es hat aber auch mit Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zu tun. Sehen Sie sich doch Ihre Hartz-Gesetzgebung an. Sie haben es zu verantworten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Arbeitswege mit
einer Dauer von bis zu drei Stunden täglich zugemutet
werden. Sie wissen, dass die Menschen nicht einfach
umziehen können. Wenn sie dann eine solche Chance
auf Arbeit annehmen, dann können sie oftmals nicht mit
der Bahn fahren. Sie sind dann wieder auf das Auto angewiesen. Wenn man dann in der Presse liest - um zur
Bahnprivatisierung zurückzukommen -,
({3})
dass der Bahn im Vertragsentwurf wohl zugesichert wird
- uns liegt er ja noch nicht vor -,
({4})
weitere 1 700 Kilometer Strecke einzustellen und einfach vom Netz abzuklemmen, dann heißt das doch
Rückbau. Das heißt, Sie zwingen die Menschen, wenn
sie mobil sein wollen und müssen, weiter zum Individualverkehr. Das lehnen wir ab.
({5})
Die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die
Schiene ist eine wesentliche Anforderung an eine vernünftige Klimapolitik. Das geht aber nicht, wenn die
Profitmaximierung vornan steht. Dazu braucht man ein
gesamtgesellschaftliches Denken, eine Aufgabe, die wir
als Politikerinnen und Politiker zu erfüllen hätten, von
der Sie sich mit Ihrer Mehrheit aber leider verabschieden. Nicht Rentabilitätskriterien können das Entscheidende sein, sondern die Tatsache, dass Menschen mobil
sein müssen, mobil sein wollen, und die Art und Weise,
wie wir das realisieren wollen.
Natürlich brauchen wir konkrete Gesetze. Nach einigen Jahren Erfahrungen im Deutschen Bundestag muss
ich sagen: Ich kann das Wort „Selbstverpflichtung“
und die Worte „Es wird schon werden“ einfach nicht
mehr hören.
({6})
In den verschiedensten Bereichen wurden Selbstverpflichtungen abgeschlossen. Sie sind nie erfüllt worden.
Nennen Sie mir einen Bereich, wo eine Selbstverpflichtung tatsächlich erfüllt wurde! Nehmen wir den CO2Ausstoß. Es gab die Selbstverpflichtung der europäischen, japanischen und koreanischen Autoindustrie, den
CO2-Ausstoß neuer Fahrzeuge auf 140 Gramm pro Kilometer zu reduzieren. Ist dies erreicht worden? Nein.
Wie ist das in Deutschland? Hier hatten die neu zugelassenen Fahrzeuge im vergangenen Jahr einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 170 Gramm pro Kilometer, lagen also weit über der Selbstverpflichtung von
140 Gramm. Wenn man dann sieht, dass von den neu zugelassenen Fahrzeugen die Fahrzeuge deutschen Ursprungs noch weiter darüber liegen, so heißt das, dass
auch die deutsche Automobilindustrie in diesem Bereich
völlig versagt hat.
Selbstverpflichtung hin oder her, Gewinn geht bei Ihnen vor Klimaschutz. Betriebswirtschaftliche Rationalität bedeutet eben nicht zugleich volkswirtschaftliche Rationalität. Dieser Mechanismus versagt. Wir brauchen
verbindliche Regelungen. Ich finde, es reicht nicht aus,
auf internationaler Ebene große Reden zu schwingen
und im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft zu betonen,
dass Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen wird
und will. Dies sollte man mit Konkretem unterlegen.
Die Linke hat mehrere Anträge zu diesem Thema in
den Bundestag eingebracht, unter anderem am 28. Februar vergangenen Jahres den Antrag „Trendwende beim
Klimaschutz im Verkehr - Nachhaltige Mobilität für alle
ermöglichen“. Heute liegt Ihnen der Antrag „Wirksame
Begrenzung des CO2-Ausstoßes neuer Personenkraftwagen“ mit zur Beratung vor. Darin stehen ganz konkrete
Anforderungen. Wir sind für verbindliche Regelungen
und für ein weitgehenderes Denken. Wir fordern nicht
nur ab 2012 für Neufahrzeuge einen CO2-Ausstoß von
120 Gramm, sondern sagen, dass wir weiter gehen müssen und der Industrie eine Zielstellung von 80 Gramm
bis 2020 geben sollten. Was hindert uns daran? Das technologische Potenzial ist dafür auf alle Fälle vorhanden.
Herr Staatssekretär, ich denke, es ist auch wichtig, das
Gewicht der Fahrzeuge - Sie erwähnten es - zu berücksichtigen. Es ist aber ebenso notwendig, die Fläche, die
ein Fahrzeug beansprucht, mit in die Betrachtung einzubeziehen.
Wir müssen dann auch über Fragen betreffend den
Biosprit reden; dies klang schon an. Ich möchte darauf
verweisen, dass wir im Europaparlament ein Moratorium gefordert haben, um die ökologische Eignung von
Biosprit zu prüfen und zu überprüfen, wie man erreichen
kann, dass es nicht zu einer Konkurrenz zwischen der
Herstellung von Biosprit für den Autoverkehr und der
Versorgung mit Nahrungsmitteln kommt. Hier brauchen
wir noch Zeit und keine unter dem Titel Klimaschutz
übereilten Beschlüsse, die letztendlich kontraproduktiv
wirken.
Danke.
({7})
Jetzt hat Dr. Andreas Scheuer das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Höll, Gott sei Dank - ich mache drei
Kreuzzeichen - ist die Linke nicht an der Regierung.
Was Sie hier abliefern - vorhin zur Bahnreform und jetzt
zum Thema Klimaschutz in der Verkehrspolitik -, ist
Planwirtschaft pur. Da Sie aus einem Staat kommen, in
dem Sie den Trabi und eine marode Reichsbahn verschuldet haben, würde ich mit solchen Zieldefinitionen
in Sachen Klimaschutz etwas vorsichtiger sein.
({0})
Wir setzen auf Dialog. Ich greife den Gedankengang
von Winfried Hermann auf: Ich denke, dass sich alle
Parteien und alle Fraktionen beim Klimaschutz schwertun. Die Lösung muss ein Mix aus sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Überlegungen sein.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie haben
- so ehrlich muss man sein - sieben Jahre Zeit gehabt.
Diese Klimaschutzziele hättet ihr frühzeitig definieren
können. Deshalb tut euch die sehr erfolgreiche Politik
der Bundeskanzlerin sehr weh.
({1})
Die Bundeskanzlerin hat es geschafft, die Politik auf europäischer und internationaler Ebene beim Thema Klimaschutz zu mobilisieren und, Herr Staatssekretär, Vorbild zu sein.
Es ist klar, dass wir jetzt um die beste Lösung ringen.
Ich lade die Grünen sehr herzlich dazu ein. Von euch
kommen ja auch konstruktive Vorschläge. Lieber Winni
Hermann, geschätzter Kollege, du darfst dich ruhig an
deinem Stuhl festhalten: Ich lobe die Grünen. Durch die
grüne Bewegung ist in unserem Land viel passiert, vor
allem in den Köpfen. Beim Klimaschutz haben wir die
Bürgerinnen und Bürger jetzt auf unserer Seite. Sie sagen: Wir leben alle auf einem Erdball, wir haben nur
eine Chance, wir müssen nachhaltigen Klimaschutz betreiben, damit auch die nächsten Generationen auf diesem Erdball gemeinsam leben können. Ich lade die Grünen sehr herzlich ein, Vorschläge dazu zu machen.
Die Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirates waren in
Norwegen. Das war eine sehr interessante Reise. In einem Modellprojekt auf einer norwegischen Insel wird
deutsche Technologie eingesetzt. Es geht um das Verhältnis zwischen Wind und H2. Das läuft sehr gut. Das
sind Themen, die wir uns vornehmen müssen. Hier
steckt deutsche Technologie drin. Darum geht es.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, an
eurem Antragspaket stört mich, dass ihr explizit die italienischen und die französischen Autohersteller hervorgehoben habt. Soll das deutsche Interessenvertretung
sein? Wenn ja, wäre ich sehr traurig; denn das schadet
dem Autostandort Deutschland. Da hängen schließlich
Fließbandarbeitsplätze und viele Beschäftigte dran.
({2})
- Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Sie
kämpfen doch immer für die arbeitende Bevölkerung.
({3})
Wir hingegen machen eine Politik, damit die Leute in
Beschäftigung bleiben bzw. in Beschäftigung kommen.
Wir setzen das um. Die Große Koalition hat das geschafft.
({4})
Ich komme auf die italienischen und französischen
Hersteller zurück. Liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen, wir sollten unseren Wirtschaftsstandort
nicht schlechtreden. Ich finde durchaus, dass die deutschen Automobilhersteller unter Zugzwang stehen und
in der Pflicht sind.
({5})
Deutsche Technologien und deutsche Innovationen werden aber weltweit geschätzt. Wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass Arbeitsplätze in diesem
Bereich erhalten bleiben und es Innovationen gibt. Wir
müssen zu besseren, alternativen Antriebstechniken
kommen und die Spritfrage lösen.
Mobilität darf nicht zur sozialen Frage der Zukunft
werden. Ich bin Abgeordneter eines Wahlkreises im ländlichen Raum. Da kann man nicht einfach in die S- oder
U-Bahn einsteigen. Da gibt es kein geschlossenes
ÖPNV-Netz. Ein Maurer, Heizungstechniker oder Vertreter muss dort mit dem Auto zu seiner Arbeitsstelle
fahren. Angesichts der hügeligen Landschaft des Bayerischen Waldes kann man nicht jede Strecke mit dem Rad
fahren. Wir brauchen Mobilität. Mobilität ist auch Freiheit, Arbeit annehmen zu können. Wir müssen darüber
streiten, wie wir den Mix am besten hinbekommen.
Im Antrag wird auch die Eco-Drive-Fahrweise genannt. Beispielsweise sollen Fahranfänger lernen, ökologisch zu fahren. Ich bin voll dafür. Ich wäre sogar dafür,
dass man ein verpflichtendes Fahrsicherheitstraining mit
diesem Eco-Drive einführt, sodass die Menschen wissen,
wann sie ökologisch und wann sie spritfressend fahren.
Zum Vorbildcharakter bei den Dienstwagen. Ich kann
mich nicht daran erinnern, lieber Winfried Hermann,
dass zum Beispiel Jürgen Trittin als Mitglied der rot-grünen Bundesregierung mit einem Elektroscooter vorm
Deutschen Bundestag vorgefahren ist; Elektroscooter
werden im Antrag genannt. Ich kann mich nur an eine
sehr große Premiumklasse erinnern. Von daher sollte
man auf diesem Gebiet ein bisschen glaubwürdiger und
nicht so heuchlerisch sein.
({6})
Bei der Kfz-Steuer ist für die CDU/CSU völlig klar:
Es darf gerade in schwierigen sozialen Bereichen zu keinen Mehrbelastungen kommen. Wenn ich nur den CO2Ausstoß in Bezug auf das Gewicht setze und die Sitzplätze oder die Fahrgastzelle nicht integriere,
({7})
dann kommt zum Beispiel für den Opel Zafira Folgendes
dabei heraus: Die Steuer beträgt jetzt 121 Euro und soll
später nach den Vorstellungen des BMF 447 Euro betragen. Das lehnen die CDU und die CSU ab. Denn wir machen erfolgreiche Familienpolitik, erfolgreiche Sozialpolitik und wenden sehr viel Geld für die Familien auf.
Wir holen uns das Geld nicht über die Kfz-Steuer zurück; denn das Geld soll bei den Familien bleiben. Die
Familienautos sollen in dieser mobilen Welt in Deutschland Platz haben, sodass man zum Kindergarten, zur
Schule und zum Arbeitsplatz fahren kann.
({8})
Dieses Heuchlerische meine ich. Denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, haben auch eine
Altfahrzeugregelung vorgesehen. Da hat sich bei Ihnen
wohl die Truppe um die ehemaligen Entenfahrer durchgesetzt, die auf ältere Fahrzeuge fixiert sind. In Ihrem
Antrag steht eine Altfahrzeugregelung für Fahrzeuge mit
einer Erstzulassung bis einschließlich 2000. Über die
Hintertür hat sich dieser Flügel dort durchgesetzt. Es
steht unter Punkt 7. Vorher stehen schöne Überschriften.
Aber ihr steht bei der Kfz-Steuer genauso vor der Problematik, wie man die Altfahrzeuge behandelt. Ihr habt
das über die Hintertür integriert.
Ich glaube, wir müssen - das soll der Grundtenor sein aufhören, die Bürger zu verschrecken. Vielmehr müssen
wir sie beim Klimaschutz mitnehmen. Mit Verzicht und
Verboten werden wir die Bevölkerung, die mitmachen
muss, nicht gewinnen. Ob nun beim Wohnen oder Autofahren, wir brauchen sie, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Deswegen geht es darum, Anreize zu schaffen,
vernünftige Lösungen zu finden und beispielsweise hinsichtlich der Kfz-Steuer für Autokäufer viel mehr herauszuarbeiten. Dann geht ein Verbraucher auch über die
Türschwelle des Autohauses und informiert sich darüber, wie viel Entlastung ihm ein neues, schadstoffarmes Auto bringt, welches Einsparpotenzial es hat. Ob
das nun Sprit, Steuern, neue Module oder Bauteile betrifft, er soll wissen, dass er, wenn er jetzt zum Beispiel
seinen Golf II gegen einen neuen Golf wechselt, im Unterhalt Vorteile dadurch hat. Wir haben das Problem,
dass der Fahrzeugbestand nicht ausgetauscht wird. Deswegen müssen wir uns auf diesen Bereich konzentrieren
und Anreize setzen.
Ich denke, die Grünen haben heute in diesen eineinhalb Stunden die Chance, das grüne Feigenblatt auszupacken und trotz der erfolgreichen Klimapolitik der
Kanzlerin
({9})
mit ihren Anträgen darauf zu verweisen: Hallo deutsche
Öffentlichkeit, wir sind auch noch da.
({10})
- Wir diskutieren sehr gerne darüber. Es bietet uns die
Chance, die erfolgreiche Politik der Kanzlerin darzustellen. Wir werden nicht lockerlassen, mit sozial17378
verträglichen, wirtschaftlich vernünftigen, aber auch
ökologischen und zielorientierten Lösungen in die Zukunft zu gehen.
Herzlichen Dank.
({11})
Der Kollege Patrick Döring ist jetzt an der Reihe für
die FDP-Fraktion.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin!
Zunächst herzlichen Dank. Ich bin dem Kollegen
Scheuer dankbar, dass jetzt wieder ein bisschen Klarheit
über die Position der Koalition herrscht, nachdem der
Herr Staatssekretär insbesondere beim Thema Tempolimit ganz offensichtlich seine Privatmeinung, aber nicht
die der Bundesregierung dargestellt hat.
({0})
Manche Themen sind fast schon zu Götzenbildern mutiert. Ich bin überhaupt nicht erstaunt, dass beim Thema
Tempolimit, aber auch bei der Diskussion über die
120 Gramm CO2 manche glänzende Augen bekommen.
In Wahrheit - deshalb schließe ich mich dem Kollegen gerne an - haben wir eine sehr schwierige Marktlage.
({1})
- Herr Heilmann, das ist auch für Sie lehrreich. Sie haben nicht ganz so viel Ahnung davon. Hören Sie einfach
zu.
({2})
Das Durchschnittsalter der Kfz-Flotte in Deutschland
erhöht sich jedes Jahr. Das liegt im Wesentlichen daran,
dass die Menschen - Die Linke gibt ja immer vor, sich
für diese Menschen besonders einzusetzen -, die in der
Mitte der Gesellschaft sind und ihr Fahrzeug benötigen,
um damit zur Arbeit zu kommen, aktuell nicht die Finanzmittel haben, neue verbrauchsarme Fahrzeuge zu
erwerben. Deshalb wird die Flotte immer älter.
Wir haben die niedrigste Zahl der Neuzulassungen
seit den 90er-Jahren. Das macht deutlich, dass immer
weniger Fahrzeuge neu hinzukommen. Deshalb kann
man über den Ausstoß von 120 Gramm CO2 sprechen,
aber man darf sich auch nichts vormachen. Eine Erneuerung der Flotte geschieht sehr langsam und ist sehr langwierig. Es ist auch völlig unerheblich, ob ein Fahrzeug
theoretisch 120 Gramm CO2 oder weniger emittiert. Am
Ende hängt alles davon ab, wie oft und wie viel dieses
Fahrzeug bewegt wird.
({3})
Deshalb sind diese Symbole falsch gesetzt. Wir diskutieren in einer Zeit, in der der Liter Benzin und Diesel
mehr als 1,50 Euro kostet. Ich finde es schon bemerkenswert, dass keiner meiner Vorredner darauf hingewiesen hat, dass dieser Preis einen Anteil von 90 Cent an
staatlich bedingten Steuern enthält. Ohne diesen Steueranteil sähe der Preis anders aus. Wenn man das weiß,
dann muss man doch wohl zur Kenntnis nehmen, dass
Mobilität durch die staatlichen Aktivitäten und durch
Steuerbelastungen auf Treibstoff immer teuerer wird.
So funktioniert auch der Markt. Nicht ohne Grund
konnte das Bundesunternehmen am Potsdamer Platz
diese Woche bekannt geben, dass es wieder einen starken Anstieg der Zahl der Reisenden im Fernverkehr verzeichnet. Die Menschen reagieren auf die Entwicklung
des Spritpreises und verhalten sich ökologisch vernünftig, wenn sie es denn können. Aber man kann eben die
Autofahrt nicht überall durch eine Bahnfahrt substituieren. Das wissen wir alle. Deshalb muss man Klimaschutzpolitik sozial ausgewogen machen.
({4})
- Lieber Kollege Hettlich, ich bedanke mich für Ihren
Zuruf, weil ich diesen Punkt gerne aufnehme. Schauen
wir uns einmal an, wie effizient der Verkehr geworden
ist. Die Menge an Tonnen- und Personenkilometern auf
deutschen Straßen hat sich seit 1990 verdoppelt. Der
CO2-Anteil an den Gesamtemissionen liegt immer noch
bei unter 20 Prozent. In keinem Land Europas ist der
Verkehr auf der Straße so effizient wie in Deutschland
geworden. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Die
Menge an Tonnen- und Personenkilometern hat sich
ohne einen höheren Anteil des Verkehrs an den CO2Emissionen verdoppelt, weil unsere Wirtschaft und unsere Industrie so gut sind.
({5})
Eine weitere Bemerkung. Ich finde es schon bemerkenswert - auch darüber sollten wir ganz ehrlich sprechen -, was schon heute an Mitteln im Zusammenhang
mit dem CO2-Ausstoß im Verkehr aufgebracht wird.
Kein Sektor bringt so viele Steuermittel für den Bundeshaushalt wie der Straßenverkehr auf. Jeder Tonne an
CO2-Ausstoß - über diese Zahlen aus dem Umweltbundesamt besteht kein Dissens; wir akzeptieren sie -,
umgerechnet auf die gesamte Steuerbelastung des Straßenverkehrs, also Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Ökosteuer, stehen 240 Euro an Steuereinnahmen gegenüber.
In keinem Sektor wird schon heute so viel internalisiert
wie im Verkehr. Auch das gehört zur Wirklichkeit dazu.
({6})
Lassen Sie uns doch statt über Ver- und Gebote über
Effizienzen sprechen. Wir alle, die wir hier sitzen - das
ist fast wie in einer Sitzung der Ausschüsse für Umwelt
und Verkehr -, wissen doch, wo die Ineffizienzen liegen.
Es ist doch nun einmal so, dass der stehende Verkehr und
der Suchverkehr weit mehr Auswirkungen auf die
Menge des CO2-Ausstoßes als die mögliche Einführung
eines Tempolimits haben.
({7})
Lassen Sie uns doch gemeinsam Geld zur Stauvermeidung und zur Schaffung von mehr Parkmöglichkeiten an der Autobahn in die Hand nehmen, damit die
LKWs eben nicht sinnlos in der Gegend herumkarriolen.
Lassen Sie uns über Effizienzen im Luftverkehr sprechen. Warum schaffen wir es nicht gemeinsam, warum
schafft es die Koalition nicht, bei der Deutschen Flugsicherung endlich ein europakonformes System durchzusetzen, sodass es zu keiner unnützen Fliegerei über den
Flughäfen - ein Kreis und noch ein Kreis - kommt? In
Deutschland wird beim Warten auf die Landung mehr
Kerosin verbrannt als bei allen Verkehrsflügen. Das ist
die Wirklichkeit, über die wir uns Gedanken machen
müssen. Wir haben die Situation im Hinblick auf die Privatisierung der Deutschen Flugsicherung, die wir eigentlich in dieser Wahlperiode durchführen wollten, selbst in
der Hand.
({8})
Wir brauchen weniger Symbole und weniger Schlagworte. Vielmehr müssen wir ganz genau hinschauen,
welches Ziel wir wie erreichen können. Mehr Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
erreicht man ganz sicher nicht, indem man auf Verzicht
und Verteuerung setzt und indem man Mobilität zu einem Luxusgut macht. Das ist keine Botschaft, die die
Menschen mitnimmt. Dazu können wir Ihnen nicht die
Hand reichen. Mit Emissionshandelssystemen und industriepolitisch intelligenten Ansätzen ist viel mehr zu
erreichen.
Herzlichen Dank.
({9})
Der Kollege Martin Burkert spricht jetzt für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Deutschland hat sich im Rahmen des Klimapakets
dem Ziel verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis zum
Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, um den Klimawandel aufzuhalten. An vielen Baustellen ist etwas zu tun.
Wir müssen, um es bildlich auszudrücken, auch auf den
Straßen viele Baustellenschilder aufstellen. Denn
20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes sind durch
den Verkehrssektor bedingt - Staatssekretär Müller hat
das vorhin mit Nachdruck dargestellt -, und innerhalb
des Verkehrssektors ist der Straßenverkehr die größte
Emissionsquelle.
Wie reduzieren wir die Emissionen im Straßenverkehr? Weil wir heute oft über dieses Thema gesprochen
haben, sage ich Ihnen: Ein Weg ist natürlich das Tempolimit. Dafür müssten wir allerdings keine Baustellenschilder, sondern Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder
aufstellen. Wir Sozialdemokraten haben uns auf unserem
Bundesparteitag im Oktober letzten Jahres in Hamburg
ganz klar für ein Tempolimit ausgesprochen. In der aktuellen Koalition steht es um eine Einigung allerdings in
der Tat schlecht. Ich hoffe aber, dass wir mit unserem
Koalitionspartner bei der Einführung eines Tempolimits
von 130 km/h für Kleinlaster mit einem Gewicht zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen noch weiterkommen und dass
die Koalition in dieser Frage etwas auf den Weg bringt.
({0})
Denn erstens reduziert ein Tempolimit die Abgasbelastung. Zweitens ist ein Tempolimit gut für den Geldbeutel; denn man verbraucht weniger Sprit. Drittens
macht ein Tempolimit den Verkehr sicherer. Viertens
können wir damit endlich den Irrglauben der deutschen
Autoindustrie richtigstellen, wir würden einzig und allein auf größere, schnellere und schwerere neue Autos
warten, auf Autos, die nur für die Besserverdienenden in
diesem Land gedacht sind.
Nein, wir wollen endlich ein größeres Angebot an bezahlbaren, kleinen, spritsparenden und umweltfreundlichen Autos. Das Vorhaben, dass die deutsche Automobilindustrie einen Beitrag zur Verringerung der
Treibhausgasemissionen leisten will,
({1})
können wir seit Mitte der 90er-Jahre verfolgen. Ich will
die bisherigen Ergebnisse nicht geringschätzen. Durch
innovative Technologien und neue Werkstoffe wurden
bereits beachtliche Effizienzgewinne erreicht.
({2})
Es ist aber notwendig, diese Effizienzgewinne zur
Senkung der Emissionen und nicht zur Leistungssteigerung zu nutzen. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich
den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei Autos auf 130 Gramm
CO2 pro Kilometer.
({3})
An diesem Grenzwert darf aus unserer Sicht nicht gerüttelt werden. Wir unterstützen auch das Bestreben, einen
langfristigen Grenzwert für das Jahr 2020 festzusetzen.
Die deutsche Automobilindustrie muss aber Gas geben,
wenn sie im Innovationswettrennen nicht hintanstehen
will.
Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, sie
wolle die Kommissionspläne abschwächen. Hier liegt sicherlich ein gravierendes Missverständnis vor.
({4})
Forderungen nach einer Vorzugsbehandlung für deutsche Autobauer lehnen wir nicht grundsätzlich ab, sondern wir gehen sorgfältig damit um.
({5})
Vielmehr fordern wir sie auf, die Forschung nach alternativen Antriebstechniken zu intensivieren; Mercedes
beispielsweise hat das in dieser Woche angekündigt.
({6})
Langfristig muss eine Halbierung des spezifischen
Verbrauchs bei allen Fahrzeugen erreicht werden. Dies
ist schon deshalb notwendig, um unter sozialen Aspekten Mobilität für alle zu gewährleisten.
Technisch ist diese Verbrauchshalbierung möglich,
wie auch Veröffentlichungen der Automobilindustrie belegen. Praktisch werden diese Potenziale zum größten
Teil aber der Leistungssteigerung geopfert. Neben den
konventionellen Antrieben für Verbrennungsmotoren,
also Diesel und Otto, existieren ja bereits verschiedene
alternative Antriebstechniken in unterschiedlichsten
Entwicklungsstadien, zum Beispiel Hybridfahrzeuge,
Elektrofahrzeuge, Fahrzeuge mit Brennstoffzellen und
Verbrennungsmotoren auf Wasserstoffbasis. In diesem
Bereich muss aber noch viel mehr passieren.
({7})
Hier liegt auch die Zukunft für die deutsche Automobilindustrie und die deutschen Ingenieursleistungen.
Damit, und nicht mit den rückwärtsgewandten Pseudoerrungenschaften von immer größeren, schnelleren und
schwereren Megaautos, müssen wir uns profilieren.
Ende des 19. Jahrhunderts gab es viel Erfinder- und
Entwicklergeist bei der Suche nach dem perfekten Automobil. Hinsichtlich der Antriebstechnik - Gasmotoren,
Viertakter, Verbrennungsmotoren, Elektrofahrzeuge, Hubkolbenmotoren - wurde viel herumexperimentiert nicht zuletzt in Deutschland, zum Beispiel mit Nikolaus
August Otto, Rudolf Diesel, Carl Benz, Gottlieb Daimler
oder Wilhelm Maybach, um nur einige Namen zu nennen.
({8})
Die Suche nach der perfekten Antriebstechnik erfordert
auch heute jemanden, der diese Herausforderungen annimmt.
Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung zum Antrag
der Grünen - Herr Herrmann, ich kann es Ihnen nicht ersparen -, in dem unter anderem gefordert wird, dass die
Abgeordneten für das Fahrradleihsystem Call a Bike der
Deutschen Bahn AG freigeschaltet werden.
({9})
Angesichts der zurückliegenden Debatte über die Diäten
erscheint es völlig absurd, dass jetzt die Grünen einen
kostenlosen Call-a-Bike-Zugang fordern. Ein Fahrrad
sollte sich noch jeder Abgeordnete leisten können.
({10})
Auch den Tagespreis in Höhe von neun Euro für ein Call
a Bike kann sich sicherlich jeder Abgeordnete leisten.
({11})
Jedem Abgeordneten bleibt es unbenommen, bei kurzen
Strecken zu Fuß zu gehen oder auch sein Fahrrad zu benutzen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.
Vielen Dank.
({12})
So weit sind wir noch nicht. - Jetzt hat der Kollege
Lutz Heilmann für die Fraktion Die Linke das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Werte Gäste! Für Kinder, die in die Schule gehen, ist die Wiederholung die beste Lernmethode. Deshalb noch einmal von mir: Der beste Klimaschutz beim
Verkehr ist immer noch die Reduzierung des Individualverkehrs.
({0})
Dafür müssen wir den Menschen aber auch einen Anreiz geben. Durch die Verhökerung der Bahn, die die
Große Koalition heute durchgezockt hat, wird kein Beitrag dazu geleistet.
({1})
Die Privatisierung von Verkehrsbetrieben in den Kommunen zeigt deutlich: Da, wo privatisiert wurde, wurden
die Linien ausgedünnt und sind die Preise gestiegen.
({2})
Damit werden Sie viele, die sich kein Auto leisten
können, künftig von der Mobilität ausschließen. Ich
muss jetzt ganz einfach einmal sagen: Mobilität bedeutet
eben nicht nur, frei mit dem Auto irgendwohin fahren zu
können. Mobilität ist mehr: Mobilität bedeutet die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das sollten Sie sich
vielleicht einmal auf die Fahne schreiben.
({3})
Diese Mobilität rauben Sie den Menschen mit der Privatisierung der Bahn; denn der Ölpreis wird weiter steigen. Momentan liegt er bei 135 Dollar, bald werden es
200 Dollar sein. Somit steigen auch die Kraftstoffpreise.
Sie machen die Mobilität zum Luxusgut. Vielleicht wollen Sie das aber auch, um die Straßen für Ihre Klientel
freizuhalten. Die Linke ist strikt gegen eine Privatisierung in diesem Bereich.
({4})
Wir sehen aber auch, dass das Auto ein wichtiger Verkehrsträger ist. Ich habe lange Zeit im ländlichen Bereich in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und weiß,
wovon ich rede, da dort nur zweimal am Tag ein Bus
vorbeigehuscht kommt. Um den Klimawandel einigermaßen in den Griff zu bekommen, müssen Autos langsamer, leichter, kleiner und damit sparsamer und klimaschonender werden.
({5})
Der vorliegende Entwurf der EU-Verordnung leistet
dazu einen Beitrag.
Was aber macht die Bundesregierung? Sie bekämpft
die Verordnung. Minister Gabriel spricht von einem
Wettbewerbskrieg gegen die deutsche Autoindustrie. Ich
muss Ihnen ausdrücklich widersprechen, Kollege
Burkert. Damit entlarvt sich der angebliche Klimaschützer Gabriel als Lobbyist der Autoindustrie.
({6})
Wir haben aber zum Glück einen Autokanzler überlebt, und wir werden auch einen Autoumweltminister
überleben. Ob es bei Herrn Gabriel für eine zweite
Runde reicht, erscheint mir sehr zweifelhaft. Seine Bilanz ist nicht gerade rosig.
Sie führen wieder einmal das Argument an, es würden
Arbeitsplätze vernichtet. Die Kollegen Koeppen und
Scheuer haben das angesprochen. Meinen Sie, dass die
Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie nur Modelle wie Touareg oder Cayenne bauen können? Ich
denke, sie können genauso gut kleine, effiziente Fahrzeuge bauen. Trauen Sie unseren Arbeiterinnen und Arbeitern ruhig ein bisschen was zu!
({7})
Die vorliegende Verordnung muss zumindest in der
jetzigen Fassung beibehalten werden. Wir haben zwar
eine Menge Kritikpunkte, aber sie darf nicht weiter abgeschwächt und auf das Jahr 2015 verschoben werden.
Die Strafen für die Autoindustrie dürfen nicht reduziert
werden.
Es gibt aber noch weitere Maßnahmen. Ich will nur
drei nennen: erstens das allgemeine Tempolimit auf Autobahnen, zweitens die Kfz-Steuer - wir als Linke sind
konsequent und nehmen sämtliche Altfahrzeuge davon
aus, um soziale Härten auszuschließen - und drittens
eine vernünftige, verbraucherfreundliche Verbrauchskennzeichnung, damit sich der Verbraucher frei entscheiden kann. Insofern ist das Kühlschrankmodell auch
in diesem Bereich anzuwenden.
Handelt die Bundesregierung entsprechend? Pustekuchen! Ihr Klimapaket aus dem letzten Jahr verkommt
mehr und mehr zu einem Klimapäckchen. Wenn es so
weitergeht, fürchte ich, dass demnächst alles auf eine
Postkarte passt.
Ich möchte noch eine weitere Maßnahme ansprechen.
Die meisten Spritschlucker sind als Firmenwagen unterwegs. Mittlerweile sind 60 Prozent der Neuzulassungen Firmenwagen. Die Kfz-Steuer spielt keine große
Rolle mehr; denn alle mit Firmenwagen verbundenen
Kosten - auch die Kfz-Steuer - sind steuerlich zu 100 Prozent abzugsfähig. Das müssen wir angehen.
Die steuerliche Abzugsfähigkeit für Firmenwagen
muss begrenzt werden. Wir als Linke meinen: Wenn Unternehmen ihre Bosse in Luxuskarossen durch die Gegend schaukeln wollen, dann sollen sie das ruhig tun,
aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Dem muss eine
Grenze gesetzt werden. Mein Vorschlag ist, die Abzugsfähigkeit stufenweise auf 80 Prozent zu reduzieren.
Dass in diesem Bereich ein Umsteuern möglich ist,
zeigt Großbritannien. Dort wurde das britische Gegenstück zur deutschen 1-Prozent-Regelung umgestaltet.
Der zu versteuernde Anteil richtet sich nun ausschließlich nach dem CO2-Ausstoß. Die Firmenwagen sind in
Großbritannien heute klimaschonender als Privatfahrzeuge. So können wir Klimaschutz erreichen, ohne die
Bürgerinnen und Bürger zu belasten.
Ich fasse zusammen: Der beste Klimaschutz sind die
Reduzierung des Individualverkehrs und die Stärkung
des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs. Der
Vorschlag der Europäischen Union leistet einen Beitrag
zum Klimaschutz. Neben Kfz-Steuer, Tempolimit und
verbraucherfreundlicher Kennzeichnung gehört auch die
Firmenwagenproblematik auf die Tagesordnung.
Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zur Fahrbereitschaft des Bundestages. Wir nutzen
alle den Fahrdienst und sitzen insofern sozusagen im selben Boot.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
- Erlauben Sie mir noch einen Gedanken. - Aber
wenn die Grünen schon Symbolpolitik machen, dann
sollten sie dort anfangen, wo sie es selbst bestimmen
können. Unser früherer Kollege Loske - vielen als Verfechter des Klimaschutzes bekannt - fährt als Senator in
Bremen einen Dienstwagen, der es auf einen CO2-Ausstoß von stolzen 220 Gramm bringt.
({0})
Das ist nicht besonders vorbildlich.
Wenn es um den positiven Spitzenreiter geht, dann
sollte man auch erwähnen, welchen Dienstwagen unsere
Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher fährt: Es ist
ein Toyota Prius, der mit einem CO2-Ausstoß von
104 Gramm schon heute die Anforderungen der EU erfüllt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche
noch einen schönen Tag.
({1})
Als nächste hat die Kollegin Patricia Lips für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es ist heute von Vertretern aller Parteien gesagt
worden, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland und auf
der ganzen Welt zu hoch sei. Dies gilt für die Industrie,
die häusliche Energieversorgung, Fahrzeuge und vieles
andere mehr. Die Maßnahmen und Vorschläge sind naturgemäß vielfältig und unterscheiden sich in diesem
Haus nach der jeweiligen politischen Ausrichtung.
Kolleginnen und Kollegen, Klimaschutz lebt aber
nicht primär von uns, sondern von der Beteiligung der
Menschen draußen. Sie müssen mitmachen; viele tun es
bereits. Dies ist ein hohes Gut auch für uns. Dabei sind
wir realistisch genug, eines zu wissen: Nicht jeder ist bereit oder kann bereit sein, aktiv mehr zu zahlen, weil ihm
der Klimaschutz explizit am Herzen liegt. Er tut es vor
allen Dingen auch, weil von der Politik finanzielle Anreize gesetzt werden, um diese Richtung zu beeinflussen.
Wir nennen es Lenkungswirkung. Dies bedeutet für uns
aber, dass wir bei den politischen Rahmenbedingungen
sehr genau darauf achten müssen, dass ein Anreiz auf
der einen Seite und eine damit gekoppelte Strafzahlung
oder gar ein Zwang auf der anderen Seite nicht in eine
Schieflage geraten. Es muss vermieden werden, dass die
Menschen das Gefühl bekommen, der Faktor Strafe oder
Zwang stehe im Vordergrund.
Dr. Scheuer hat bereits ein Beispiel aus dem Familienbereich genannt. Gestatten Sie mir, ein weiteres darzulegen, das ebenfalls mit dem Thema Kfz zu tun hat,
weil es fast alle Menschen in unserem Land grundsätzlich betrifft. In meiner unmittelbaren Nähe lebt ein älteres Ehepaar, beide um die 70. Seit vielen Jahren fahren
sie einen Benz. Somit handelt es sich nicht um einen
schnittigen Neuwagen, sondern um ein älteres Modell,
das von einem CO2-Ausstoß von 120 oder 140 g weit
entfernt ist. Es ist aber ein gewisser Stolz mit diesem
Wagen verbunden, den wir ihnen zugestehen. Dieser
Wagen hat annähernd 200 000 Kilometer auf dem Buckel und wird gehegt und gepflegt; wir kennen dies.
Vor einigen Wochen war eine Inspektion fällig: hier
ein Ölwechsel, da neue Reifen, an der Lichtmaschine
war auch etwas defekt. Eigentlich waren es Kleinigkeiten, aber in der Summe lagen die Kosten deutlich über
1 200 Euro. Das ist verdammt viel Geld für diesen kleinen Haushalt. Ein neues, sparsameres Auto? Ja, wie
denn? Dann wird doch lieber die kleine Rechnung bezahlt und womöglich auch noch eine höhere Kfz-Steuer,
wie sie jetzt vorgelegt wurde. All dies geschieht in der
Hoffnung, dass es der Wagen noch einige Jahre macht Diese Menschen kennen wir doch alle, die wir hier sitzen; von ihnen gibt es sehr viele. Das sind nicht die Besitzer und Käufer von Geländewagen. Courage ist gut,
Herr Hermann; wo ist die Liste, auf der ich unterschreiben kann? Aber was nützt die ganze Courage, wenn die
Betroffenen nicht daran teilnehmen können und finanzielle Anreize damit komplett an ihnen vorbeigehen?
Was nützt es vor allem dem Klima?
Seit mehr als zehn Jahren wurde immer wieder der
Versuch unternommen, die Kfz-Steuer auf den Schadstoffausstoß umzustellen. Sieben Jahre davon saßen Sie,
Herr Hermann, mit am Tisch der Regierung. Schon vergessen?
({0})
- Ich habe es aber in den Jahren, in denen Sie an der Regierung waren, auch nicht so deutlich gehört, unabhängig vom Erfolg.
Es ist heute leicht, anderen einen Strick daraus drehen
zu wollen, was man selber versäumt hat. Am Anfang
stellten Sie die Frage, weshalb jetzt so wenig zustande
kam. Abgesehen davon, dass ich Ihnen natürlich vehement widerspreche, spiele ich diesen Ball gern in Ihre
Reihen zurück. Dies verbinde ich nicht mit einem großen Vorwurf. Als Opposition müssen Sie heute so agieren; das ist Ihr gutes Recht, und das ist auch selbstverständlich.
({1})
Das macht auch die Komplexität dieses Themas
deutlich: Der Bund entscheidet. Es handelt sich aber um
eine Ländersteuer. Daher stimmen die Länder, denen die
Einnahmen zustehen, mit. Gerade in Zeiten steigender
Energiepreise soll niemand, der ein älteres Auto besitzt,
auch noch zusätzlich belastet werden. Steuerausfälle darf
es jedoch auch nicht geben. Das ist erschöpfend. Wir gestehen zu, dass dies schwierig wird. Da gibt es auch
nichts zu beschönigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich tauschen sich Fahrzeuggenerationen sukzessive aus, sodass in einigen Jahren andere Themen automatisch im Vordergrund stehen werden. Auch fragen
heute schon viele beim Kauf eines Wagens wenigstens
nach dem Verbrauch, vielleicht nicht immer nach dem
CO2-Ausstoß. Jedoch oder gerade deshalb: In der aktuellen Situation geht es um mehr, nämlich um eine Addition
von Belastungen, die die Menschen vornehmlich im
Energiebereich verspüren. Viele Menschen, die jeden
Tag an den Anzeigen der Tankstellen vorbeifahren, ob
sie nun tanken müssen oder nicht, denken nach, wenn
auch in diesen Tagen vielleicht etwas weniger über das
Thema Umweltschutz als vielmehr über ihren Geldbeutel. Das darf uns nicht egal sein, wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren, die bisher
- sehr erfreulich - aktiv Klimaschutz praktizieren. Wir
müssen aufpassen, dass sich - bei allem, was hier zu
Recht gesagt worden ist - die Theorie nicht zu weit von
der Praxis entfernt.
({2})
Eine Umstellung der Kfz-Steuer muss möglich sein,
ohne diese starke Benachteiligung des Altbestandes der
Fahrzeuge zu erzeugen. Es kann auch nicht darum gehen, nach dem Prinzip „Linke Tasche, rechte Tasche“ zu
verfahren.
Lassen Sie mich ein Bonmot am Rande bringen. Ich
bin bei meiner intensiven Beschäftigung mit den Anträgen in einem Antrag der Grünen über die folgende Forderung gestolpert:
Dieselfahrzeuge werden, wie bisher auch, mit einem höheren Kfz-Steuersatz belegt, um den Steuervorteil bei der Mineralölsteuer von rund 18 Cent
auszugleichen.
Die aktuellen Benzinpreise zeigen, wie weit wir uns von
der Realität entfernt haben. Sie haben ja grundsätzlich
recht, dass diese Differenz besteht. Nur, wie wollen Sie
das den Menschen draußen erklären, wenn Diesel an der
Tankstelle teurer ist als Normalbenzin? Deshalb sage ich
noch einmal: Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen weiterhin mitnehmen.
Vielleicht ergibt sich noch in diesem Jahr die Chance,
dass im Rahmen der Föderalismuskommission II die
weitere Ausgestaltung der Kfz-Steuer dem Bund übertragen wird. Das heißt nicht, dass es in der Sache einfacher würde; aber immerhin reden dann weniger Akteure
mit. Die Europäische Kommission will bis Herbst neue
Eckwerte vorlegen. Wie gesagt: Es muss gestattet sein,
noch eine Runde zu drehen; vielleicht ist das auch gut,
weil wir das dann mitnehmen können.
Kolleginnen und Kollegen, der technische Fortschritt
schreitet rasant voran. Klimaprogramme - ja, Anreize ja; aber setzen wir mehr auf die Menschen in diesem
Land, ohne Zwang und mit möglichst wenig „Strafe“!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Das Wort hat nun Christian Carstensen, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Gäste! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute überwiegend über
den Straßenverkehr. Der Straßenverkehr hat in der Tat
den Hauptanteil an den Verkehrsemissionen. Staatssekretär Müller hat allerdings recht: Wir müssen auch über
den Luftverkehr reden.
Der Zeitpunkt dafür ist ideal, findet doch hier in Berlin gerade eine der größten Luftfahrtschauen und -messen der Welt statt: die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung. Auf der ILA kann man beobachten,
dass die Branche, dass die Aussteller das Thema Klimaschutz schon seit langem als ein dominierendes Thema
anerkennen. Es liegt schließlich in ihrem ureigenen,
wirtschaftlichen Interesse, weniger Kerosin zu verbrauchen und nach preis- und umweltverträglichen Alternativen Ausschau zu halten.
Klar ist, dass wir die Luftfahrtunternehmen und die
Flughäfen dabei nicht alleinlassen dürfen. Die Politik
muss auf nationaler und auf internationaler Ebene die
notwendigen Rahmenbedingungen richtig setzen. Wir
sind dabei auf einem guten Weg. Mit dem Beschluss,
den Luftverkehr in das europäische Emissionshandelssystem einzubeziehen und möglichst rasch den Einheitlichen Europäischen Luftraum zu verwirklichen, sind auf
europäischer Ebene gleich zwei wichtige Schritte gemacht, um erstens Anreize zur Vermeidung von Emissionen zu setzen und zweitens effektiv Emissionen zu
verhindern. Ein zweites Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Single European Sky ist bereits angekündigt.
Es soll auch eine Richtlinie zur europaweiten Begrenzung der Stickoxidemissionen des Flugverkehrs geben.
Wem folgt die Europäische Kommission dabei? Unter
anderem dem Beispiel der Bundesrepublik Deutschland.
Bei uns wurden bereits zum 1. Januar dieses Jahres an
den beiden großen Flughäfen Frankfurt und München
emissionsabhängige Start- und Landeentgelte eingeführt.
Wir haben uns dafür eine dreijährige Pilot- und Testphase vorgenommen. Es sieht so aus, als ob sich schon
zum Jahresende weitere Flughäfen dem freiwillig anschließen werden. An dieser Stelle bleibt uns nur, den
Frankfurtern und den Münchnern für die Wahrnehmung
ihrer Vorbildfunktion zu danken und alle Flughäfen, die
diesem Beispiel folgen wollen, herzlich willkommen zu
heißen.
({0})
Auch bei Industrie und Forschung geht es voran. So
arbeiten sowohl Flugzeug- als auch Triebwerkhersteller
intensiv an der Verbesserung des Fluggeräts und am Einsatz alternativer Kraftstoffe. Durch Gewichtsreduktion,
den Einsatz neuer Werkstoffe und Verbesserung der
Aerodynamik wollen die Hersteller bis 2020 die Lärmemissionen um 50 Prozent, den Kohlendioxidausstoß
ebenfalls um 50 Prozent und die Stickoxidemissionen um
sage und schreibe 80 Prozent reduzieren. Die Bundesregierung und das Parlament unterstützen diese Forschungsanstrengungen mit der Bereitstellung von Fördergeldern.
Im Rahmen des 4. Luftfahrtforschungsprogramms werden für die Periode 2009 bis 2013 insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Forschungsschwerpunkt des sogenannten LuFo-IV-Programms liegt
natürlich bei der Entwicklung technologischer Bausteine
für das klimaschonende Luftverkehrssystem der Zukunft. Das ist im Hinblick auf die Arbeitsplätze und die
Umwelt sicherlich gut angelegtes Geld.
Bei der Erforschung von Alternativen zum herkömmlichen Kraftstoff Kerosin befinden wir uns leider noch
im Anfangsstadium. Aber die beiden großen Luftfahrzeughersteller Airbus und Boeing haben bereits in diesem Jahr Probeflüge mit alternativen Kraftstoffen durchgeführt. Das ist ein gutes Signal, für das wir dankbar
sein können.
Sie sehen also: Auf allen Ebenen werden Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr ergriffen oder
verstärkt. Das ist der richtige Weg, den wir im Hinblick
auf die Umwelt, eine Mobilität für alle sowie im Interesse der Beschäftigten im Luftverkehr und der Industrie
gemeinsam gehen sollten. Insofern kommen Ihre Anträge, in denen sicherlich viel Vernünftiges steht, zu spät,
meine Damen und Herren von den Grünen. Sie hinken
mit Ihren Formulierungen hinterher. Wir wollen Ihre Anträge aber im Ausschuss zum Anlass nehmen - ich
hoffe, dass das niemand vergessen hat -, weiter intensiv
darüber zu reden.
Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung zuzustimmen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Das Wort hat nun Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter,
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Wer dem Klimawandel entgegentreten will, muss Entscheidungen
treffen, die Veränderungen zur Folge haben. Ohne Veränderungen gibt es keinen Klimaschutz. Wer allerdings
bei jeder Veränderung die Verbraucher verängstigt, handelt unverantwortlich.
({0})
Man muss den Verbrauchern sagen, was auf sie langfristig zukommt, wenn wir nichts tun. Auch im Bereich Verkehr müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden.
Wir brauchen umweltfreundliche und energieeffiziente
Fahrzeuge. Diese Veränderung kommt nicht von selbst.
Wir brauchen Anreize für Käuferinnen und Käufer, auf
den CO2-Ausstoß zu achten und sich für ein energieeffizientes Auto zu entscheiden. Wir brauchen außerdem
Anreize für die Autobauer, in Innovationen zu investieren.
Mit der Umstellung der Kfz-Steuer auf eine CO2Komponente wollen wir einen monetären Anreiz für den
Kauf eines energieeffizienten Neuwagens schaffen.
Durch eine reduzierte Kfz-Steuer soll die höhere Investition in ein schadstoff- und CO2-armes Auto erleichtert
werden. Wer allerdings auf viel PS und schwere Autos
Wert legt, muss einen Beitrag leisten und etwas tiefer in
die Tasche greifen. Zu den anderen Anreizen gehört eine
Kennzeichnung, die jedem, der den Verkaufsraum eines
Autohauses betritt, schnell deutlich macht, wo ein energieeffizientes Auto steht. Man braucht also kein Ingenieurstudium, um ein solches zu finden. Wir brauchen
also eine auf dem CO2-Ausstoß basierende Kfz-Steuer
und eine Kennzeichnung. Beides brauchen wir bald.
Die Widerstände der Länder und des Bundeswirtschaftsministeriums sind nicht nur im Hinblick auf die
öffentliche Akzeptanz der Bundespolitik ärgerlich, sondern schaden unserem Ziel, Vorreiter im Klimaschutz zu
sein. Wir brauchen eine zeitnahe Lösung bei der KfzSteuer, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher bei
steigenden Spritkosten eine gesicherte Basis für ihre
Entscheidung erhalten und in ihrer Verunsicherung nicht
alleine bleiben. Die CO2-Komponente in der Kfz-Steuer
fordert auch der Verband der Automobilindustrie. Allerdings will Herr Wissmann auch die Altfahrzeuge einbeziehen. Er hält es für einen Treppenwitz, wenn wir es
nicht tun. Wer meint, dass dies das ausschlaggebende
Argument ist, um den Rückgang der Verkaufszahlen zu
beenden, der darf nicht vergessen, dass sich viele ein
neues, verbrauchsarmes und energieeffizientes Auto
kaufen würden, wenn sie es sich leisten könnten. Darauf
muss man Rücksicht nehmen und darf die Altfahrzeuge
nicht mit einbeziehen.
({1})
Mobilität muss bezahlbar bleiben. Eine unerwartete
zusätzliche Belastung der Autobesitzer ist mit uns nicht
zu machen. Die Spritpreise - Sie haben sie schon angesprochen, Frau Lips - haben zu einer Erhöhung der Inflation um 3 Prozent geführt. Das belastet die Verbraucher schon genug.
Gestatten Sie mir einen kurzen Blick über die Grenzen, und zwar zu der kleinen Alpenrepublik Österreich,
die im Sommer in diesem Bereich ein recht attraktives
Modell in Kraft treten lässt: ein Ökologisierungsgesetz
mit einer sogenannten Normverbrauchsabgabe. Der Käufer eines Neuwagens, der mehr als 180 g CO2 pro Kilometer ausstößt, muss mit einer höheren Normverbrauchsabgabe rechnen. 200 Euro Bonus erhalten Käufer
von Autos, die unter dem Grenzwert für Stickoxid bleiben. Für alternative Antriebe gibt es ebenfalls einen
Bonus. Bei alternativ angetriebenen Fahrzeugen, die die
CO2-Grenze überschreiten, wird trotzdem ein Malus fällig.
Ich mache auf das Beispiel Österreich aufmerksam,
um zu zeigen, dass wir nicht alleine sind und dass wir
schnell in die Gänge kommen müssen, wenn wir unsere
Klimaziele erreichen wollen.
Mit einem Bonus-Malus-System oder unserer neu gestalteten Kfz-Steuer schaffen wir eine verursachergerechte Zuordnung der Kosten. Denn nicht der Klimaschutz kommt uns teuer zu stehen; vielmehr wird die
Unterlassung des Klimaschutzes unsere Gesellschaft in
der Zukunft belasten.
Die Automobilzulieferer sind wesentlich weiter.
Wenn man die Motorhaube des Tata-Autos aufmacht,
entdeckt man eine Menge Zubehörteile von deutschen
Zulieferern. In dem Tata-Auto ist nicht preiswerteste
Technik, und unsere Automobilzulieferer erwarten ein
Signal, dass wir es mit dem Klimaschutz vor Ort ernst
meinen, um hier weiter eine Chance zu haben.
Ein Wort an die Linke. Sie tun immer so, als ob die
Automobilindustrie der Bösewicht in Deutschland sei.
({2})
Ist Ihnen überhaupt bewusst, dass es in diesem Bereich
1,4 Millionen Arbeitsplätze gibt? Darum brauchen wir
eine Lösung, die klimafreundlich, aber nicht wettbewerbsverzerrend ist und die uns weiterbringt.
({3})
Ich denke, dass das Weltverkehrsforum gestern in
Leipzig mit seiner Abschlusserklärung ein richtiges
Signal gesetzt hat. Es wurde betont, dass die Verbesserung der Energieeffizienz und die Reduzierung der
Emissionen durch den Verkehr die wichtigsten Veränderungen für diesen Sektor bedeuten.
Ich hoffe, dass auch die Länder die Eile und den
Druck, dem wir ausgesetzt sind, verstehen, dass sie ihrer
Verantwortung beim Thema Klimaschutz gerecht werden und sich bereit erklären, bei der Kfz-Steuer endlich
zu einer Lösung zu kommen.
Ich danke Ihnen.
({4})
Das Wort hat nun Ingrid Arndt-Brauer, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Thema Klimaschutz ist es wie beim Thema
Nachhaltigkeit: Alle sind dafür; aber wenn es konkret
werden soll, wird es schwierig.
Mit dem Koalitionsvertrag wurde am 11. November
2005 bei diesem Thema der Aufschlag gemacht. Ich darf
zitieren:
Zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen und der Verminderung von CO2-Emissionen
im gesamten Straßenverkehr werden wir wirksame
Anreize für die Einführung … durch eine am
Schadstoffausstoß orientierte Kfz-Steuer schaffen.
Weiter ging es mit allen möglichen Gipfelgesprächen
und Gesprächen in kleinen Runden. Am 23./24. August
2007 war die Klausurtagung in Meseberg; dort wurde
die Umstellung der Kfz-Steuer auf Schadstoff-, auf CO2Basis beschlossen. Am 5. Dezember 2007 erfolgte eine
Veröffentlichung des Bundesfinanzministeriums: „Kraftfahrzeugsteuer soll Anreiz für mehr Umweltfreundlichkeit setzen“.
Am 26. Mai 2008 plötzlich die Meldung: „CO2-Debakel: Reform der Kfz-Steuer vorerst gescheitert“. Was
war passiert? Wie schon gesagt, es wird schwierig, wenn
es ins Detail geht. Wir haben im Moment eine Hubraumbesteuerung, die ein paar umweltpolitische Elemente
enthält, die Euro-0- bis Euro-4-Norm. Wir haben versucht, mit der Kfz-Steuer ein wenig das Kaufverhalten
zu steuern. Das wollten wir besonders mit der Umstellung auf CO2-Basis erreichen.
Ich denke, wir sind uns einig, dass das notwenig ist.
Die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen betragen 175 Gramm pro Kilometer bei Dieselfahrzeugen und 160 Gramm pro Kilometer bei Benzinfahrzeugen. Das Ziel sind 120 bzw. 130 Gramm pro
Kilometer. Das ist nicht einfach zu erreichen, weil der
CO2-Ausstoß vom Benzinverbrauch abhängig ist und es
in Deutschland hauptsächlich Autos mit einem hohen
Benzinverbrauch gibt. Der Durchschnitt liegt bei
6,9 Litern auf 100 Kilometer bei Benzinern und
6,1 Litern auf 100 Kilometer bei Dieselfahrzeugen.
An dieser Stelle fängt das Problem an. Wir brauchen
andere Autos. Ich selbst bin in dieser Beziehung geschädigt. Ich konnte meinen Lupo, der sehr schadstoffarm
und sehr spritsparend war, dieses Jahr leider nicht ersetzen, weil VW keine Lupos mehr baut. Ich habe nachgehakt, und dann hieß es ganz klar: Die Autos werden
nicht nachgefragt. - Wir müssen noch einiges tun, damit
die Bevölkerung das Ziel, das sie eigentlich hat, erreicht
und schadstoffarme, auch kleinere Autos nachfragt. Leider suchen sich die Menschen das Auto immer noch
nach allen möglichen Kriterien aus, aber nicht nach dem
der Schadstoffarmut und des Benzinverbrauchs.
Jetzt sind die Dieselfahrer, zu denen ich leider auch
gehöre, im Moment ein wenig gestraft. Das Wohlgefühl,
das man wenigstens beim Tanken hatte, nachdem man
die hohe Kfz-Steuer bezahlt hatte, stellt sich nicht mehr
ein. Man zahlt genauso viel wie der Nutzer eines Benzinfahrzeugs und wird deswegen im Moment doppelt bestraft. Nun fahren Dieselfahrzeuge doppelt so viel wie
Benziner, sie leben länger.
({0})
- Ja, vielleicht müssen sie mehr fahren. - Ich denke, es
ist dringend nötig, dass wir eine Lösung finden, mit der
wir mehrere Ziele auf einmal erreichen. Die Autos müssen einmal weniger Schadstoff ausstoßen, zum anderen
sollte die Umwelt weniger belastet werden, und wir
müssen den Leuten ermöglichen, das alles zu finanzieren. Hier kommen jetzt die Länder ins Spiel. Das ist ein
Grund, warum wir bisher noch keine Lösung haben. Die
Länder fordern, dass das Ganze aufkommensneutral sein
soll. Man soll also neue Autos bezuschussen, aber alte
nicht belasten. Das ist - das muss ich hier ganz klar sagen - nicht möglich. Wenn Klimaschutz gewünscht
wird, dann muss Klimaschutz auch gefördert werden,
und dann kostet Klimaschutz Geld. Ich möchte hier an
die Länder appellieren, die Aufkommensneutralität, die
sie hier einfordern, vielleicht an anderer Stelle einzufordern, zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer. An diese
könnten wir massiver herangehen.
({1})
Aus einigen Bereichen könnten wir ganz einfach Geld
bekommen, das wir im Klimaschutz einsetzen könnten.
Wir jedenfalls sind der Meinung, dass der Weg, den
die Koalition eingeschlagen hat und den die Kanzlerin
nach innen und außen vertritt, weitergegangen werden
muss. Wir brauchen den Druck auf die Industrie, schadstoffarme Autos zu bauen. Wir müssen aber auch die Bevölkerung aufklären, damit sie diese Autos nachfragt.
Vielleicht brauchen wir eine Imagekampagne für kleinere Autos. Das ist alles diskutierbar und sollte gemacht
werden. Wir brauchen auch den Druck auf den Bundesrat, sich ein Stück weit zu bewegen. Auch der Wirtschaftsminister - das sage ich ganz klar hier in diesem
Hause - muss mitziehen. Ich denke, dann haben wir die
Möglichkeit, die Kfz-Steuer als Lenkungsmöglichkeit
beizubehalten. Ich setze leider nicht dieselbe Hoffnung
wie Sie in die Föderalismuskommission II. Wir müssen
das schon hier im Bundestag regeln. Einen Steuertausch
in unserem Sinne wird es nicht geben.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe,
dass wir unser Ziel erreichen.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/9105, 16/8538, 16/9009 und 16/9307
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 16/8538 zu
Tagesordnungspunkt 30 b soll federführend beim Fi-
nanzausschuss beraten werden. Sind Sie damit einver-
standen? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun-
gen so beschlossen.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem
Titel „Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr ergrei-
fen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/9119, den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5967
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Grünen und der
Linksfraktion angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter
Gauweiler, Eckart von Klaeden, Monika Grütters,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Monika
Griefahn, Gert Weisskirchen ({0}), Niels
Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD
Deutsches Auslandsschulwesen stärken und
weiterentwickeln
- Drucksache 16/9303 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Qualität des Deutschunterrichtes an deutschen
Auslandsschulen und Partnerschulen sicherstellen - Kompetenzen zwischen Auslandsschulen und Goethe-Instituten eindeutig zuweisen
- Drucksache 16/8775 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({1})
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Monika
Griefahn, SPD-Fraktion, das Wort.
Lieber Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und
Kollegen! Man denkt eigentlich, man redet heute über
einen alten Hut. Wir waren letztes Jahr eingeladen bei
der Deutschen Schule in Montevideo. Diese Schule hat
schon ihr 150-jähriges Jubiläum gefeiert. Wie in vielen
anderen Ländern haben wir dort eine wunderbare
Schule, die ganz viel Kultur, Austausch und interkulturellen Dialog in das Land gebracht hat. Sie ist dort ein
anerkannter Faktor. Man kann wirklich den nachhaltigen
Einfluss erleben, den diese Schule vor Ort über so viele
Jahre entwickelt hat.
Momentan haben wir 117 deutsche Auslandsschulen.
Es gibt 461 Schulen, an denen wir zusammen mit den
Ländern, in denen diese Schulen sind, durch Lehrerentsendeprogramme Deutschunterricht anbieten können.
Das Erlernen der deutschen Sprache ist eine Möglichkeit, unsere Kultur kennenzulernen und eine Anbindung
an Deutschland zu erfahren. Wir haben 1 900 entsendete
Lehrer, die in der ganzen Welt an deutschen Schulen,
aber auch an Schulen, die einen verstärkten Deutschunterricht anbieten, arbeiten, damit dieser Bezug hergestellt wird. Wir erreichen damit fast 300 000 Schüler.
Daran lässt sich erkennen, was für eine wichtige Funktion unser deutsches Auslandsschulwesen hat und wie
viel Dialog wir vor Ort eigentlich herstellen können.
Mit dieser Schularbeit erreichen wir zunächst eine
qualitativ hochwertige Ausbildung, bei der man die
deutsche Sprache und Kultur kennenlernen kann. Das
hohe Niveau lässt sich auch daran ablesen, dass die
Schüler von Auslandsschulen bei PISA manchmal besser als unsere deutschen Schüler abgeschnitten haben,
obwohl die Vorgaben, die in den Schulen maßgeblich
sind, von den deutschen Bundesländern aufgestellt werden, zum Beispiel von Thüringen, Baden-Württemberg,
Bayern, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Aber
nicht nur das: Auch kulturell ist das ein ganz wichtiger
Faktor. Im letzten Jahr haben bei „Jugend musiziert“ unter anderem zwei Schülerinnen gewonnen, die die Deutsche Schule in Alexandria in Ägypten besuchen. Auch
das ist ganz toll.
Schule sollte also nicht nur unter dem Bildungsaspekt
betrachtet werden. Schulen sind Treffpunkte von Menschen, die den interkulturellen Dialog suchen. Wir wollen, dass Absolventen einer deutschen Auslandsschule
mit Deutschland eng verbunden bleiben. Wir wollen,
dass sie in Deutschland studieren, und wir wollen, dass
sie auch dann, wenn sie im Berufsleben stehen, eine
enge Bindung an Deutschland haben, zum Beispiel, indem sie wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, etwa
durch die Kooperation mit deutschen Firmen. Das geschieht automatisch, wenn man unsere Kultur und natürlich auch unser Demokratieverständnis kennengelernt
hat, das ja auch in unseren Auslandsschulen vermittelt
wird.
Man sieht an diesen wenigen Punkten, wie wichtig
die Auslandsschulen eigentlich sind. Wir wollen sie mit
unserem Antrag stärken. Insbesondere wollen wir auf
die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ aufmerksam machen. Ich bin dankbar, dass mit Frank-Walter
Steinmeier endlich jemand Außenminister ist, der die
Bedeutung der Kultur- und Bildungspolitik für die Außenpolitik erkennt und fördert. Mit dieser Initiative wird
das Schulnetz innerhalb von drei Jahren auf 1 000 Schulen ausgeweitet. Ich bin ganz froh, dass wir gemeinsam
handeln. Das Parlament hat das angeregt; aber man
braucht auch einen Außenminister, der eine solche Anregung aufgreift. Das ist ein Ausdruck unserer guten Zusammenarbeit. Ich freue mich darüber sehr. Das wird
auch überall in der Welt wahrgenommen.
Mit Hunderten Schulen wird derzeit intensiv über die
Aufnahme in das Schulnetz verhandelt. In wenigen Tagen wird es den nächsten Vertragsabschluss im GoetheInstitut geben, bei dem zwei Partnerschulen im Raum
Neu-Delhi in Indien aufgenommen werden. Ich als alte
Protestantin denke bei solchen Entwicklungen automatisch an Martin Luther. Von ihm stammt das Zitat:
Wenn die Schulen zunehmen, dann steht’s wohl im
Land.
Ich glaube, das ist immer so. Bildung ist die Grundlage
für Entwicklung, Zusammenarbeit, Frieden sowie Dialog und gegen gewalttätige Auseinandersetzungen.
Wir wollen, dass die Unternehmen sich stärker beteiligen, dass sie Absolventinnen und Absolventen der
deutschen Auslandsschulen bevorzugen und dass sie
sich bei der Vergabe von Stipendien stärker engagieren.
Wir wollen erreichen, dass der Wirtschaftsbeirat, den das
Goethe-Institut installiert hat, auch das Thema der deutschen Schulen behandelt.
Wir haben einen tollen Start hingelegt. Mit unserem
Antrag und unseren Anhörungen im Auswärtigen Ausschuss bzw. im Unterausschuss „Auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik“ haben wir im letzten Jahr die GoetheInstitute vorangebracht. In diesem Jahr haben wir die
Schulen in den Fokus genommen und die Programme
weiterentwickelt. Im nächsten Jahr werden es die Hochschulen und Wissenschaften sein.
Es gibt eine Kontinuität, und es gibt Menschen, die
fortlaufend mit uns, mit Deutschland im Dialog stehen.
Ich glaube, dass sich das auszahlen wird. Nach den USA
und England sind wir schon heute das Land mit der dritthöchsten Zahl an Studenten aus anderen Ländern. Diese
Kontakte und dieser Dialog werden sich in Zukunft zum
Beispiel im Rahmen der außenwirtschaftlichen Beziehungen auszahlen.
Insofern können wir auch sagen, dass das Erlernen
unserer Sprache eine gute Sache ist. Es muss nicht immer Englisch sein, es kann auch Deutsch sein. Das ist
ganz wichtig. Wir sollten damit selbstbewusst umgehen.
Ich hoffe, Sie alle unterstützen diesen Antrag.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat nun Harald Leibrecht, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deutsche Auslandsschulen sind nicht nur ein wichtiger
Beitrag zur Vermittlung eines positiven Deutschlandbildes, sie sind auch wesentlich daran beteiligt, das Interesse für die deutsche Sprache im Ausland zu wecken
und zu fördern.
Darum begrüßen und unterstützen auch wir ganz ausdrücklich die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“
des Bundesaußenministers Steinmeier. Das Ziel ist es,
ein weltumspannendes Netz von über 1 000 Partnerschulen aufzubauen. Gerade in Wachstumsregionen wie
Asien, der Golfregion und Mittel- und Osteuropa ist eine
stärkere bildungspolitische Präsenz unseres Landes zu
begrüßen.
Doch das uns vor einigen Wochen vorgelegte sogenannte PASCH-Konzept erscheint uns an manchen Stellen noch etwas unausgereift und durchaus ausbaufähig.
Daher haben wir unseren Antrag eingebracht. Neben der
Klärung offener Fragen geht es uns bei der PASCH-Initiative darum, Auseinandersetzungen oder ein mögliches
Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Institutionen - dem Goethe-Institut auf der einen Seite und den
deutschen Auslandsschulen auf der anderen Seite - zu
vermeiden.
Wie ich an den bisherigen Reaktionen vonseiten aller
Betroffenen auf unseren Antrag sehe, treffen wir damit
durchaus den richtigen Nerv. Als kritischer Punkt wird
beispielsweise die Verwendung der 19 Millionen Euro
betrachtet, die im Haushalt des Goethe-Instituts angesiedelt sind und die für die Initiative zur Verfügung stehen
sollen.
Es ist nicht so, dass wir dem Goethe-Institut dieses
Geld nicht gönnen - im Gegenteil -, aber wir möchten
genau wissen, wie das Geld verwendet wird.
({0})
In der Zweckbestimmung steht zwar, dass dieser Betrag
zur Erweiterung des Partnerschulnetzes, zur Stärkung
des Deutschunterrichtes, zur Entwicklung von Lehrplänen und zur Aus- und Fortbildung von lokalen
Deutschlehrern der neuen Partnerschulen und GoetheSprachlernzentren verwendet werden soll. Das ist uns
aber noch zu dünn. Darum möchten wir erstens eine genaue Aufstellung über die geplanten Kosten und zweitens eine verlässliche Auskunft darüber, inwieweit sich
das Goethe-Institut und die bestehenden deutschen Auslandsschulen im PASCH-Programm ergänzen und zusammenarbeiten.
Wenn wir alle die hervorragende Arbeit der deutschen
Auslandsschulen schon so hervorheben und loben, müssen wir diesen Schulen auch die Chance geben, stärker
in die PASCH-Initiative eingebunden zu werden. Die
Bereitschaft vonseiten der Auslandsschulen ist vorhanden. Wir müssen die Ängste der deutschen Schulen im
Ausland, die befürchten, dass es bei Nichtbeachtung
dieser Initiative zu einer selbst geschaffenen Konkurrenz
im jeweiligen Land kommen kann, ernst nehmen.
Wir alle hier im Saal möchten, dass das Projekt
„Schulen: Partner der Zukunft“ ein richtiger Erfolg wird.
Auch der Antrag der CDU/CSU und der SPD unterstreicht dies. Trotzdem hätten wir uns gewünscht, dass
auch in Ihrem Antrag diese Frage der möglicherweise
selbstgeschaffenen Konkurrenz nicht einfach ignoriert
wird.
({1})
Der Unterausschuss war vor wenigen Wochen bei
deutschen Auslandsschulen in Chile und Argentinien zu
Besuch. Dort wurden wir darauf angesprochen, dass die
Goethe-Institute ihnen im Rahmen dieser Initiative auf
ihrem ureigenen Spezialgebiet Konkurrenz machen
könnten - bis hin zur Abwerbung von Deutschlehrern,
die in den meisten Ländern, in denen es deutsche Schulen gibt, absolute Mangelware sind.
Auf der Homepage der CDU/CSU ist nur zu lesen
- das ist lapidar -, dass unser Antrag, der Antrag der
FDP, auf vagen Vermutungen aufbaue.
({2})
Dafür, dass es nur vage Vermutungen gewesen sein sollen, haben wir mit unserem Antrag - darüber bin ich
doch recht erfreut - aber offensichtlich schon etwas Bewegung in die Sache gebracht.
Vage finde ich eher Ihren Antrag, der die von den
Auslandsschulen angesprochenen Probleme überhaupt
nicht aufgreift, geschweige denn Antworten gibt.
({3})
Sie schreiben in Ihrem Antrag sicherlich nichts Falsches
- ich kann nur unterstützen, was Sie Positives über die
Auslandsschulen sagen -, doch Sie sprechen die Probleme und die offenen Fragen überhaupt nicht an, und
somit geben Sie natürlich auch keine Antworten.
Wir sollten gemeinsam sicherstellen, dass wir auch
noch in einigen Jahren auf eine positive Entwicklung der
deutschen Schulen im Ausland blicken können. Darum
ist es uns lieber, jetzt, gleich zu Beginn der PASCH-Initiative, die Probleme anzusprechen und zu lösen, als
diese auszusitzen und Fehlentwicklungen in der Zukunft
heute vielleicht billigend in Kauf zu nehmen.
Ich würde mir wünschen, dass wir in dieser Sache
enger und besser zusammenarbeiten.
Ich danke Ihnen.
({4})
Das Wort hat nun Kollege Peter Gauweiler, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Vor 40 Jahren, während der ersten Großen
Koalition, gab es eine große Debatte darüber, was denn
die Schule der Nation sei. Schließlich einigte man sich
auf die Feststellung: Die Schule der Nation ist die
Schule.
({0})
- Der damals Außenminister war.
Wir greifen dies auf. Wie positiv dies als Leistung der
Koalition immer noch und immer wieder gewürdigt
wird, zeigt ein Zitat aus der völlig unverdächtigen Süddeutschen Zeitung - ich zitiere -:
Doch, es gibt Bereiche der Politik, in denen die
Große Koalition ihre Aufgaben erfüllt, leise,
schnell und effizient.
({1})
Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik gehört
dazu, für die es seit März 2006 einen Unterausschuss des Bundestages gibt. Im vergangenen Jahr
rettete er das Goethe-Institut, das zu Zeiten der rotgrünen Regierung ökonomisch in eine so desperate
Lage getrieben worden war, dass die Zahlungsfähigkeit ernsthaft bedroht war (Beifall der Abg. Monika Grütters ({2})
und von Darbietungen deutscher Kultur im Ausland
wollte schon gar niemand mehr reden. Jetzt glänzt
das Goethe-Institut wieder, mit einem neuen Präsidenten … und mit neuen Engagements vor allem im
Nahen und Fernen Osten sowie in Afrika. Und der
Unterausschuss macht weiter. In diesem Jahr stehen
die deutschen Schulen im Ausland auf dem Programm, im kommenden Jahr werden es die Wissenschaften sein.
Ein allerletztes Zitat daraus:
Es ist Jahrzehnte her, dass es die auswärtige Kulturarbeit in der Politik so leicht gehabt hat, und zum
ersten Mal seit langer Zeit kann sie sich auf einen
Außenminister verlassen, der ihr nicht nur wohlgesonnen ist, sondern sich, in eklatantem Unterschied
zu seinem Vorgänger, auch mit ihr beschäftigt.
Das ist keine Gehässigkeit gegenüber Herrn Fischer,
sondern die nackte Wahrheit, wie man am Vergleich der
Zahlen sehen kann.
({3})
Wenn schon so viel über den Ärger in der Koalition
geredet wird, dann dürfen wir, die verantwortlichen Vertreter für diesen Bereich im Deutschen Bundestag, auch
sagen: Wir sind stolz darauf, dass wir dies gemeinsam so
vorangebracht haben.
({4})
Es sind Zahlen für das Auslandsschulwesen genannt
worden, einerseits als Zukunftsprogramm, anderseits als
historischer Beleg. Herr Steinmeier sprach einmal davon, dass vor 100 Jahren die deutschen Schulen im Ausland der Nukleus der deutschen auswärtigen Kulturpolitik gewesen seien.
Auf der allerältesten deutschen Schule im Ausland,
der Sankt-Petri-Schule in Kopenhagen, war der frühere
Bundespräsident von Weizsäcker. Ich finde es gut, dass
die Gattin des früheren russischen Staatsoberhaupts
Putin viele Jahre lang im Elternbeirat der deutschen
Schule in Moskau tätig gewesen ist und der Präsident
darauf bestanden hat, dass alle seine Töchter ein deutsches Abitur ablegen. Es ist selbstverständlich auch
große Klasse, dass die Bundeskanzlerin während ihrer
Lateinamerikareise bei ihrem Besuch in der deutschen
Schule in Mexiko feststellen konnte, dass fünf Absolventen der deutschen Schule in der mexikanischen Regierung sitzen.
({5})
Den jungen Stipendiaten des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes, die wir heute auf der Zuschauertribüne herzlich als unsere Gäste begrüßen können,
({6})
gebe ich das mexikanische Beispiel zum Vorbild.
Unser Antrag zielt darauf ab, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, die öffentlichprivate Partnerschaft stärker als bisher zu nutzen. Wir
wollen, dass die Schulfonds ausreichend finanziell unterstützt werden. Dabei sollte diese Förderung so flexibel gestaltet werden, dass die entsprechenden Möglichkeiten vor Ort freier genutzt werden können. Wir wollen
dafür sorgen, dass das Niveau der Auslandsschulen gehalten und, wo nötig, ausgebaut wird. Dann soll dafür
gesorgt werden, dass die Bauvorhaben der deutschen
Auslandsschulen besser unterstützt werden, als dies in
der Vergangenheit oft der Fall gewesen ist. Wir werden
dieses Thema zu einem Gegenstand unserer nächsten
Beratung machen.
({7})
Der heute vorliegende Antrag stellt, wenn Sie so wollen, auch eine Hallo-Wach-Tablette für die Verbände der
deutschen Wirtschaft dar. Deren Unterstützung deutscher
Schulen hat in den letzten Jahren stark nachgelassen; insgesamt fällt sie viel zu niedrig aus. Wir verlangen, dass
die Verbände darauf drängen, dass die Unternehmen Absolventen deutscher Schulen im Ausland, um es ganz
deutlich zu sagen, bevorzugen, wenn ansonsten gleiche
Bewerbungsvoraussetzungen vorliegen.
({8})
Die Interessenkonvergenz zwischen den deutschen Auslandsschulen, der Politik und der Wirtschaft erlaubt also
ein viel breiteres Spektrum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich
betonen wir im Zusammenhang mit dieser Debatte auch
das, was uns als Außenpolitiker generell antreibt, uns in
diesem Bereich zu engagieren. Die auswärtige Kulturund Bildungspolitik und in diesem Fall die Schulpolitik,
für die ja ein Drittel des entsprechenden Haushalts vorgesehen ist, stellt nämlich in unseren Augen einen besseren Beitrag zur Sicherheitspolitik dar als manches andere,
({9})
was je nach Auffassung als notwendig angesehen wird.
({10})
Aktuell hat sich diese Sichtweise ja in mehreren
Punkten weiterentwickelt. Wir wissen, dass der Kern
möglicher Konflikte nicht mehr in verschiedenen Staatssystemen liegt, nicht einmal mehr in verschiedenen Gesellschaftsordnungen, sondern vielmehr auf kulturellen
Differenzen, die eine unterschiedliche Betrachtungsweise mit sich bringen, beruht. Damit sind wir auf einer
Ebene, die von der klassischen Politik nur bedingt erreicht werden kann.
({11})
Wenn es stimmt - das wird ja ebenfalls von allen Seiten
gesagt -, dass die Bedrohung dadurch zunimmt, dass in
bestimmten Regionen das staatliche Gewaltmonopol zusammenbricht und die klassische diplomatische Strategie, vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Staaten
einzuleiten, an Bedeutung verliert, dann wird klar, dass
die Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme mit
der Bevölkerung viel mehr an Bedeutung gewinnen.
Hier geht es dann insbesondere darum, die Menschen als
kulturelle Wesen zu erreichen. Konfliktpotenziale können also viel eher vermindert werden, wenn man sich
das klarmacht. Nichts anderes als „Klarmachen“ impliziert ja auch der Begriff Aufklärung. Und dann ist die
Schule der Nation eben die Schule.
Diesem Zukunftsprogramm fühlen wir uns verpflichtet. Es umzusetzen, betrachten wir als eine gemeinsame
Aufgabe.
({12})
Nun hat Kollegin Cornelia Hirsch, Fraktion Die
Linke, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Weltweit gibt es mehr als 100 Millionen Kinder, denen
das Recht auf Bildung verwehrt wird. Dennoch ist es
heute im Deutschen Bundestag in dieser Legislaturperiode das erste Mal, dass wir über das Engagement der
Bundesregierung für Bildung auch über die eigenen
Grenzen hinaus diskutieren. Aber selbst jetzt thematisieren Ihre Anträge keineswegs diese weltweite Ungleichheit und die Missachtung des Rechts auf Bildung; stattdessen geht es Ihnen lediglich um den Ausbau des
deutschen Auslandsschulwesens. Ich möchte Ihnen anhand von drei Punkten erläutern, warum die Linke das
für die falsche Herangehensweise hält.
Erster Punkt. Sie führen in Ihrem Antrag aus, dass die
deutschen Auslandsschulen zur Völkerverständigung, zu
einem besseren Austausch und zu interkultureller Kompetenz beitragen sollen. Die Realität ist jedoch, dass Sie
eine Außenpolitik betreiben, die durch immer weitergehende Liberalisierungen und nicht zuletzt durch Kriegseinsätze gekennzeichnet ist. Damit wächst globale Ungleichheit und Armut. Ihre Auslandsschulen wirken
dieser Entwicklung nicht entgegen, sondern sind häufig
Teil der Strategie, die eigene wirtschaftliche Überlegenheit weiter auszubauen.
({0})
Deshalb ist es falsch, von Auslandsschulen als Orten
der interkulturellen Begegnung zu sprechen und kein
Wort darüber zu verlieren, dass es Ihr Festhalten an einem ungerechten Weltwirtschaftssystem ist, das diesen
gleichberechtigten Austausch viel zu häufig von vornherein unmöglich macht.
({1})
Zweiter Punkt. Sie behaupten, dass Sie mit dem Auslandsschulwesen einen Beitrag zur Entwicklungshilfe
leisten könnten, da auch die einheimische Bevölkerung
in den Gastländern von den deutschen Schulen profitiert.
Richtig wäre aber, zu sagen, dass deutsche Auslandsschulen in den Entwicklungsländern vor allem ein Angebot an die jeweiligen Eliten sind. Darüber können auch
die wenigen Stipendien, die Sie jetzt in Aussicht stellen,
nicht hinwegtäuschen.
Die Linke fordert eine Politik, die alle Länder in die
Lage versetzt, gut ausgestattete und eigenständige Bildungssysteme aufzubauen. Dass Sie dieses Ziel mit Ihrer
Politik verhindern,
({2})
lässt sich nicht dadurch verschleiern, dass Sie versuchen,
uns weiszumachen, mit dem deutschen Auslandsschulwesen würden Sie einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten.
Dritter Punkt. Sie sind für die weltweiten Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten ebenso blind wie für die
Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten vor der eigenen
Haustür.
({3})
Ich zitiere aus dem Antrag der Großen Koalition:
Immer stärker rückt weltweit ins öffentliche Bewusstsein, wie wichtig Bildung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes
ist. Aus diesem Grund wird das Bildungsangebot in
Deutschland stetig verbreitert und verbessert.
Hier muss man sich die Frage stellen,
({4})
ob wir dieselben Untersuchungen zum deutschen Bildungswesen gelesen haben. Egal ob man sich die PISAStudie oder die OECD-Berichte anschaut: Überall werden andere Realitäten geschildert. Es wird darin festgehalten, dass seit Jahren und Jahrzehnten die Bildungsausgaben stagnieren oder sogar zurückgefahren werden.
Es ist von einer hohen Zahl der Schulabbrecherinnen
und Schulabbrecher die Rede. Es wird geschildert, dass
Migrantinnen und Migranten sowie Kinder aus bildungsfernen und finanzschwachen Elternhäusern im deutschen
Bildungssystem systematisch benachteiligt werden.
({5})
Das Wichtige für diese Debatte ist, dass die auswärtige Bildungspolitik an dieser Entwicklung eine Mitschuld trägt.
({6})
Denn auch im Rahmen der auswärtigen Bildungspolitik
ist mit entschieden worden, dass beispielsweise die
deutschen Auslandsschulen als Testballon für die neoliberalen Programme der Bertelsmann-Stiftung benutzt
wurden. In den deutschen Auslandsschulen ist beispielsweise die eigenverantwortliche Schule zum ersten Mal
getestet worden, die inzwischen auch im Inland in immer mehr Bundesländern durchgesetzt wird.
({7})
Konkret heißt das, dass demokratische Mitbestimmungsstrukturen an den Schulen ausgehöhlt werden. Auf diese
Weise lassen sich aber weder im In- noch im Ausland
bessere Schulen aufbauen.
Ich fasse zusammen. Ihnen geht es offensichtlich weder im In- noch im Ausland tatsächlich um eine bessere
Bildung im Interesse der Gesellschaft, sondern vor allem
um den Ausbau der deutschen Vormachtstellung und um
besser ausgebildete Fachkräfte im Interesse der Wirtschaftslobbyisten.
({8})
Die Linke streitet dagegen für das Recht auf Bildung hier und weltweit.
Besten Dank.
({9})
Die Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die
Grünen, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.1)
1) Anlage 9
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ich erteile jetzt dem Staatsminister Gernot Erler das
Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
komme zurück zum Thema. - Eine Gesellschaft, die
zukunftsfähig bleiben will, muss allen Menschen die
bestmögliche Bildung anbieten. Heute muss sich das
Bildungsangebot allerdings unabdingbar international
ausrichten.
Wir müssen zwei Dinge tun: junge Menschen in
Deutschland auf ein Bestehen in internationalen Kontexten vorbereiten und dafür sorgen, dass Deutschland als
Akteur international als attraktiv wahrgenommen und
verstanden wird. Dazu wollen wir mit unserer auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik beitragen und ein umfassendes lebendiges und aktuelles Deutschlandbild vermitteln.
Das geht am besten, wenn wir mit den Menschen, die
wir gewinnen wollen, in einen lebenslangen kulturellen
Dialog eintreten. An unseren Auslandsschulen, die immer auch Orte der interkulturellen Begegnung sind, können wir diesen Dialog sehr früh beginnen. Auslandsschulen fördern auf vielfältige Weise den Standort
Deutschland. Ein Viertel der Absolventen deutscher
Auslandsschulen studiert anschließend in Deutschland.
Diese Menschen sind später die idealen Mitarbeiter, Ansprechpartner und oft auch Türöffner für international tätige deutsche Unternehmen.
Als ein Land, das jeden dritten Euro mit dem Ausland
oder im Ausland verdient, brauchen wir dort deutsche
Schulen. Dies ist oft die einzige Schulmöglichkeit für
Firmenvertreter und entsandte Kräfte mit Kindern. Diese
Schulen schaffen deutschen Unternehmen eine wichtige
Voraussetzung für die Erschließung neuer Märkte im
Ausland. Deshalb halte ich die Diskussion über eine
mögliche Streichung der steuerlichen Abzugsfähigkeit
des Schulgeldes für Auslandsschulen für abwegig.
({0})
Wenn Sie sich umhören, werden Sie oft vernehmen:
Die deutschen Auslandsschulen machen hervorragende
Arbeit. Sie gehören regelmäßig zu den besten Schulen
am Platz. Geld, das wir dort investieren, ist wirklich gut
angelegt und wird uns mittel- und langfristig auch in anderen Bereichen wie der Wirtschaft, aber auch der Wissenschaft gute Rückwirkungen bringen; um das Wort
„Rendite“ zu vermeiden. Wir haben deshalb im vergangenen Jahr zusätzliche Haushaltsmittel beantragt und
können nun, nach Bewilligung durch den Deutschen
Bundestag, die Förderung der schulischen Arbeit deutlich ausbauen, sowohl was die Breite als auch was die
Qualität der Förderung angeht.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich all denjenigen Kolleginnen und Kollegen danken, die unsere Bemühungen zur Stärkung des Auslandsschulwesens unterstützt haben.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu der von Bundesminister Steinmeier ins Leben gerufenen Initiative
„Schulen: Partner der Zukunft“ sagen. Wir wollen - dies
ist schon betont worden - weltweit ein Netz von insgesamt 1 000 Partnerschulen aufbauen, die Qualitätsarbeit
bei der Ausbildung unserer Partner von morgen leisten.
Wenn wir diese Initiative und den Reformprozess im
Auslandsschulwesen zukunftsfähig gestalten wollen,
dann geht das nur mit der Unterstützung und Begleitung
durch den Deutschen Bundestag einschließlich der Bereitstellung der erforderlichen Mittel.
Ich fasse zusammen: Unsere Bilanz ist gut. Wir haben
die Zahl deutscher Auslandsschulen im ersten Halbjahr
2008 von 117 auf 123 erhöht und konnten 20 neue Partnerschulen gewinnen. Im September dieses Jahres werden wir schon 130 Auslandsschulen und 60 Partnerschulen haben. Wir werden das alles weiterhin in engem
Kontakt mit Ihnen tun. Trotz aller sichtbaren Erfolge
müssen wir hier einen dauerhaften Prozess etablieren;
denn wir werden erst mittel- und langfristig merken, wie
wichtig die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ für
die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Nun hat Monika Grütters, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Hirsch, abgesehen davon, dass ich Sie noch nie bei uns
im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik gesehen habe, bin ich einigermaßen fassungslos,
wie aggressiv Sie hier versuchen, die deutsche auswärtige Bildungspolitik zu diskreditieren.
({0})
Das ist absolut unangemessen, wenn man die Anstrengungen im Rahmen dieses ältesten Bildungsinstruments
sieht. Ich möchte gar nicht auf Ihre Vergangenheit zu
sprechen kommen; aber andere Erklärungsmuster fallen
mir für Ihre Rede nicht ein. Wissen Sie, wie internationale Firmen um qualifizierten Nachwuchs werben? Mit
dem Slogan: Die Welt steht Ihnen offen. Das ist doch
wohl ein gesellschaftspolitisches Ziel, dem wir alle hier
uns nicht nur nicht verschließen wollen, sondern das es
zu fördern gilt. Gut ausgebildete junge Fachleute und
Führungskräfte bewegen sich immer selbstverständlicher auf dem internationalen Parkett. Das ist nicht nur
ein Markt, aber natürlich auch ein Angebots- und Arbeitsmarkt. Wenn unsere Universitäten oder unsere Forschungseinrichtungen werben, tun sie das immer auch
mit dem Slogan „Wettbewerb um die besten Köpfe“. Das
sollten Sie wissen; schließlich sitzen Sie immerhin im
Bildungsausschuss. Das mit solchen Reden niederzumachen, ist absolut daneben. Das gehört nicht hierher.
({1})
Es macht wirklich Spaß, junge Leute zu beobachten
und zu unterrichten, die aus anderen Ländern hierherkommen. Ich kann das in meinem Studiengang an der
FU immer wieder erleben. Als Gastland für Studierende
aus aller Welt ist Deutschland - Frau Griefahn hat das
gesagt - in den letzten Jahren sehr attraktiv geworden.
Im internationalen Vergleich stehen wir auf Rang drei.
Das ist ein Status, den wir in einem globalen Hochschulraum verteidigen und ausbauen und nicht schlechtreden
sollten.
Bei der Entscheidung für einen Einsatz- oder Studienort spielt - das wissen Sie genauso gut wie wir - in allererster Linie der sprachliche Zugang eine Rolle. Wenn
wir das Interesse am Standort Deutschland stärken wollen, müssen wir auch die Verbreitung von Deutsch als
Fremdsprache im Ausland fördern. Wie gut also, dass
weltweit 18 Millionen Menschen Deutsch lernen und
mehr als 290 000 davon schon als Kinder und Jugendliche an Schulen im Ausland an unser Bildungsprofil, unsere Kultur und unsere Wertvorstellungen herangeführt
werden.
({2})
Wir haben schon viele eindrucksvolle Zahlen gehört:
Es geht immerhin um 117 Schulen in 62 Ländern, 440 insgesamt mit deutschem Sprachunterricht; 291 000 Schüler
werden erreicht; 53 000 der Schüler an deutschen Auslandsschulen sind nichtdeutscher Herkunft.
Ich finde es wichtig, dass man Ihre These, dass es sich
hierbei um einseitige Eliteförderung handelt, an Beispielen widerlegt: Unsere Schulen im Ausland haben - Frau
Griefahn hat auch das gesagt - in der PISA-Studie sehr
gut abgeschnitten. Die drittbeste finnische Schule war
unsere deutsche Auslandsschule in Helsinki. Nicht zuletzt deshalb ist die Nachfrage nach Schulplätzen an vielen Standorten nicht nur bei Deutschen, sondern auch bei
den Einheimischen ungebrochen. In Barcelona können
wir beispielsweise gerade einmal ein Drittel der Bewerber aufnehmen. In Mexiko besuchen inzwischen mehr
als 5 000 Kinder und Jugendliche deutsche Schulen, und
die German European School Singapore kann sich trotz
Gebühren in Höhe von fast 8 000 Euro vor Bewerbungen nicht retten.
Neben dem pädagogischen Auftrag und der Vermittlung der deutschen Sprache wirken viele Schulen intensiv in das jeweilige Gastland hinein, nicht nur als Botschafter für unsere Wertvorstellungen und unsere Kultur.
Vielmehr helfen sie auch beim Aufbau stabiler zivilgesellschaftlicher Verhältnisse in Krisenregionen. Das Beispiel Kabul/Afghanistan ist eindrucksvoll. Das hat mit
neoliberaler, einseitiger Elitenbildung nach Ihrem
Strickmuster nichts, aber auch gar nichts zu tun. Nach
dem Fall des Talibanregimes - falls Sie das nicht wissen
sollten - wurde auf deutscher Seite der Beschluss gefasst, eine Jungen- und eine Mädchenschule mit deutschem Geld wiederaufzubauen. Das ist von 2002 bis
2004 mit Mitteln des AA geschehen.
Inzwischen werden an der Mädchenschule 1 800 Schülerinnen von 90 Lehrerinnen und Lehrern in den Klassen
2 bis 12 unterrichtet. Zwei entsandte Lehrkräfte und drei
Ortskräfte unterrichten Deutsch als Fremdsprache. Das
Fernziel ist der Abschluss des deutschen Sprachdiploms,
welches von der Kultusministerkonferenz anerkannt
wird. Schulgeld wird an solchen Schulen nicht erhoben.
Durch einen im Landesdurchschnitt qualitativ hochwertigen schüler- und projektorientierten Unterricht in allen
Fächern werden diese jungen Leute, die so lange unterdrückt wurden, befähigt, später in Gesellschaft, Politik
und Wirtschaft Verantwortung für das Gemeinwohl zu
übernehmen. Das ist echte Arbeit an einer friedlichen
Zukunft in diesem Land.
({3})
Ein anderes Beispiel ist unser Engagement im Bildungs- und Hochschulbereich in Vietnam. Es gibt eine
intensive Zusammenarbeit und auch eine deutsche
Hochschule in Vietnam. Auch das zählen Sie hoffentlich
nicht als Elitenbildung, wie Sie es eben polemisch formuliert haben.
Nehmen Sie Osteuropa als Beispiel: Für dauerhaft im
Ausland lebende deutschsprachige Gemeinschaften sind
unsere Schulen eine ganz wichtige Brücke. Immerhin leben 3 Millionen Angehörige deutscher Minderheiten in
Osteuropa. Unsere Schulen sorgen für kulturelle Identität. Auch das kann nicht, wie Sie es gesagt haben, mies
sein.
Beispiel Rumänien: Dort gibt es 21 deutsche Schulen.
14 davon liegen in Siebenbürgen. Dort lernen jährlich
3 000 Schüler Deutsch. Damit haben sie später natürlich
einen Vorteil in ihrem beruflichen Werdegang.
Das friedliche Zusammenleben der verschiedenen
Ethnien und Kulturen konnte ich übrigens bei einem Besuch in Hermannstadt studieren. Es hat mich sehr beeindruckt. Ich glaube, dass das die Zukunft unseres Europas
ist. Rumänien ist immerhin inzwischen Mitglied der EU.
Dort kann man beispielhaft studieren, wie Mehrsprachigkeit auch Integrationspolitik ist.
Das Beispiel Schanghai als wichtige Wachstumsregion: Die Schule dort hatte 1994 noch 6 Schüler, heute
sind es 850. Auf dem Gebiet der Public-Private Partnership und des Kultursponsorings ist diese Hochschule
- übrigens ein europäischer Campus; das ist ein wichtiges Signal - führend. Mit 12 Millionen Euro hat man
dort den neuen Schulbau aus privater Hand finanziert.
Abschließend nur so viel: Die Stärkung und Weiterentwicklung des Auslandsschulwesens ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit nicht nur unseres Landes,
sondern auch vieler anderer Länder. Die Beispiele Vietnam und Afghanistan haben offensichtlich schon ein
kleines Schlaglicht gebracht. Übrigens haben auch andere Länder das Potenzial erkannt und setzen nicht nur
auf Englisch als internationale Verkehrssprache. Nur
zum Vergleich: Frankreich hat 250 Schulen, wir haben
117. Sie senden doppelt so viele Lehrer aus. Wenn wir
unsere Rankingplätze verteidigen wollen, zum Beispiel
Platz drei bei internationalen Hochschülern, dann müssen wir viel tun. So wie für international umworbene
Fach- und Führungskräfte das Englische ein Muss ist,
sollten wir Deutsch als Sprache zu einem Plus machen.
Damit kann man nicht früh genug anfangen. Deshalb haben wir unseren Antrag zur Stärkung des Bewusstseins
für den Wert unserer Auslandsschulen vorgelegt.
({4})
Als letzte Rednerin zu diesem Debattenpunkt erteile
ich das Wort Kollegin Angelika Krüger-Leißner, SPDFraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Auf fast jeder meiner Auslandsdienstreisen besuche ich eine deutsche Schule. Kennste eine,
kennste alle - von wegen, muss ich sagen. Diese einfache Formel geht nicht auf. Die Pestalozzi-Schule in Buenos Aires zum Beispiel arbeitet unter ganz anderen Bedingungen als die Deutsche Schule Paris. Das habe ich
letzte Woche beim 50-jährigen Jubiläum in Saint Cloud
feststellen müssen.
Die Zusammensetzung der Schüler ist anders. In Argentinien zum Beispiel sind die meisten Schüler Einheimische. In Westeuropa bilden deutsche Schüler die
Mehrheit. Natürlich unterscheiden sich die Gebäude, die
Einrichtung und die Ausstattung enorm, ganz zu schweigen von den unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Situationen in den jeweiligen Ländern.
In allen Auslandsschulen habe ich unglaublichen
Spaß am Lernen, motivierte Schüler und Lehrer, hohe
pädagogische Qualität, großes Engagement der Elternschaft und ein reiches kulturelles Leben, geprägt durch
das Zusammenleben unterschiedlicher Nationen, erlebt.
Darauf können wir stolz sein. Unsere deutschen Schulen
sind ein starkes anerkanntes Symbol und einzigartige
Orte des kulturellen Austausches. Das kann auch eine
Kollegin der Linken nicht kleinreden.
({0})
Aufgrund der Vielfalt deutscher Auslandsschulen ist
es wichtig, dass es den Weltverband Deutscher Auslandsschulen gibt. Er hat sich zu einem Sprachrohr der
deutschen Auslandsschulen entwickelt. Er ist die Plattform, auf der über neue konzeptionelle und strukturelle
Ideen diskutiert wird, die trotz der Vielfalt alle betreffen.
Gemeinsam ist allen deutschen Auslandsschulen eine
ähnliche Struktur. Es gibt eine Doppelspitze von Schuldirektor und Schulvorstand und damit eine klare Aufgabenteilung. Der Schuldirektor ist der pädagogische Leiter. Der Schulvorstand kümmert sich um die finanziellen
und organisatorischen Rahmenbedingungen. In der Regel ist es eine gute Konstruktion, wenn alle an einem
Strang ziehen. Es kann gut gehen, muss es aber nicht.
Dieses Modell hat sich jetzt über 150 Jahre bewährt.
Dennoch besteht für mich kein Grund, nicht weiter nach
Optimierungsstrategien zu suchen.
Deutsche Auslandsschulen sind die Aushängeschilder
Deutschlands in der ganzen Welt und haben eine enorme
Ausstrahlungskraft. Sie sind das älteste Instrument der
auswärtigen Kulturpolitik und zugleich ihr Herzstück.
Wir müssen also alles dafür tun, dass deutsche Auslandsschulen ihr positives Image weiter verbessern. Daher bin
ich froh, dass die große Mehrheit des Hauses in diesem
Punkt übereinstimmt.
In Ergänzung zu dem, was meine Kollegen schon erwähnt haben, möchte ich ein Thema ansprechen, das mir
ganz besonders am Herzen liegt: den Ausbau von Schulgeldermäßigung und Stipendien. Für einige Familien ist
bei der Überlegung, ihre besonders begabten Kinder auf
eine deutsche Schule zu schicken, das Schulgeld ein unüberwindbares Hindernis. Durch die vorgesehene Ausweitung der Stipendien und die Schulgeldermäßigungen
für besonders begabte Kinder kann ein sozialer Ausgleich geschaffen werden. Damit sind Auslandsschulen
eine besonders intelligente und lohnende Art der Entwicklungshilfe.
Ich konnte immer wieder erfahren, dass deutsche
Auslandsschulen wertvolle Netzwerke schaffen, auf die
sich Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft stützen
können. Daher brauchen wir in Deutschland Topabsolventen deutscher Auslandsschulen, die in Deutschland
studieren und nach Abschluss auch hier bleiben. Das
stärkt den Studienstandort Deutschland und wirkt dem
Fachkräftemangel entgegen.
Fakt ist aber, dass die Abbrecherquote von ausländischen Studenten in Deutschland enorm hoch ist. Darum
begrüße ich die „Betreuungs-Initiative Deutsche Auslands- und Partner-Schulen“ vom DAAD. Sie wird in
dieser Frage Abhilfe schaffen, weil die Studierenden von
Beginn an besser betreut und begleitet werden. Ich finde,
das ist eine glückliche Verbindung zwischen Universitäten und deutschen Schulen im Ausland. Das wird auch
dazu beitragen, unser Auslandsschulwesen langfristig zu
stärken.
Aus all den Facetten unseres Antrages wird klar, dass
wir das Auslandsschulwesen als Leuchtturm der auswärtigen Kulturpolitik weiter ausbauen werden. Darauf
freue ich mich.
Danke.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/9303
mit dem Titel „Deutsches Auslandsschulwesen stärken
und weiterentwickeln“. Wer stimmt für diesen Antrag? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag
ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grü-
nen angenommen.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/8775 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b
auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen auf wissenschaftliche Grundlage
stellen - Agrarischen Veredlungsstandort
Deutschland sichern
- Drucksache 16/8929 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({0})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen - Verflechtung zwischen den Behörden und der Agro-Gentechnik-Industrie beenden und wissenschaftliche Grundlagen
verbessern
- Drucksache 16/9314 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Kollegin
Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
alle wissen: Die Lebensmittelpreise steigen. Die Energiepreise steigen. Die Familien werden durch erhöhte
Steuern belastet. - Das kann so nicht weitergehen.
Die Bild-Zeitung hat in ihrer gestrigen Ausgabe einen
Zehnjahresvergleich gebracht: Erhöhung der Heizölpreise um 309 Prozent, Steigerung des Preises für Joghurt um 50 Prozent und für Nudeln um 70 Prozent.
Aber das Schnitzel kostet noch genauso viel wie vor
zehn Jahren, obwohl die Futtermittelpreise um 30 Euro
je Schwein gestiegen sind. Das heißt, die Landwirte zahlen die Zeche. Bei den Milchbauern - das wissen wir
alle; wir haben die Proteste gesehen - sieht es genauso
aus. Milchbauern und Schweinehaltern muss geholfen
werden. Die Futtermittelkosten sind explodiert, die
Energiepreise drastisch gestiegen. Die Symbolpolitik
von Minister Seehofer richtet da nichts aus.
Die Tierhaltung in Europa und in Deutschland ist auf
den Import von eiweißhaltigen Futtermitteln angewiesen. Erbsen und Rapsschrot können Sojaschrot nur zu einem sehr kleinen Teil ausgleichen. Der britische EUKommissar Peter Mandelson hat bereits im letzten Jahr
darauf aufmerksam gemacht, dass in den USA, Kanada,
Argentinien und Brasilien gentechnisch veränderte Sorten angebaut werden, die keine Zulassung für den Import
nach Europa haben. Das bedeutet zum einen eine erhebliche Verknappung von Sojaprodukten von zugelassenen
Sorten. Das bedeutet zum anderen die gestiegene Möglichkeit, dass dem importierten Sojaschrot geringfügige
Mengen von in Europa nicht zugelassenen Sorten beigemengt ist, und zwar unabhängig davon, ob das Sojaschrot aus gentechnisch veränderten oder aus konventionell gezüchteten Sorten hergestellt wurde. Beides führt
zur Verteuerung der Importe, zur Verteuerung von Sojaschrot aus konventionell gezüchtetem Soja wie auch von
gentechnisch verändertem Soja, führt zur Verteuerung
der Tierhaltung und zur Verteuerung der Lebensmittel.
Das kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand wollen.
({0})
Mandelson sieht die Gefahr, dass die Schweine- und
Geflügelproduktion in Europa um 30 Prozent gemindert
und gleichzeitig der Import von Schweine- und Geflügelfleisch erhöht wird. Dabei handelt es sich - darüber
müssen wir uns im Klaren sein - um Importe von Tieren,
die mit genau den gentechnisch veränderten Sorten gefüttert wurden, deren geringfügige Beimengung in der
EU zurzeit verboten ist.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation
ist nicht aussichtslos, wenn denn der politische Wille, zu
handeln, vorhanden ist. Bis zum 18. April 2007 galt in
der EU ein Toleranzschwellenwert von 0,5 Prozent für
von der EFSA geprüfte Sorten. Wir wollen, dass dieser
Toleranzschwellenwert wieder eingeführt wird; denn wir
haben damit gute Erfahrungen gemacht.
({1})
Die Schweiz hat bereits reagiert und einen Toleranzschwellenwert eingeführt. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass die Schweiz deshalb ihren Status als beliebtes Urlaubsland verliert. Die Nulltoleranz ist ausschließlich ein
Arbeitsbeschaffungsprogramm für Labore. Sie treibt die
Kosten in die Höhe, ohne dass die Verbraucherinnen und
Verbraucher davon irgendeinen Nutzen haben.
Liebe Kollegin Behm, ich erinnere mich noch sehr
gut an den Antrag der Grünen, in dem Sie forderten,
nicht zugelassene Farbstoffe zum Färben von Ostereiern
zu verwenden. Dem haben wir damals zugestimmt. Hier
ist es genauso: Niemand erleidet dadurch einen Schaden.
({2})
Die Abschaffung der Nulltoleranz reicht aber nicht
aus. Wir brauchen auch die gegenseitige Anerkennung
der Zulassung, sofern die Zulassungsverfahren definierten Standards genügen. Dass die Zulassung gentechnisch
veränderter Sorten, die alle Hürden des Zulassungsverfahrens übersprungen haben, in der EU verweigert wird,
ist eine mittelalterliche Vorgehensweise. Das heliozentrische Weltbild konnte durch ideologisch begründete Verbote nicht aufgehalten werden. Auch die Gentechnik
werden wir dadurch nicht aufhalten.
({3})
Es gibt keine Alternative zu einem Zulassungsverfahren,
das sich ausschließlich an den Ergebnissen der Wissenschaft orientiert. Minister Seehofer sagt oft, dass er dafür
eintritt. Doch bei seinen Abstimmungen im Agrarministerrat orientiert er sich nicht an den Gutachten der EFSA
und der ZKBS. Minister Seehofer handelt unehrlich.
Rechts blinken und links abbiegen, das führt zu Unfällen; das wissen wir alle.
Die in Deutschland erbittert geführte Debatte um die
Nutzung der Grünen Gentechnik erinnert an Don
Quichottes Kampf gegen die Windmühlen. Wie die
Windmühlen zur Zeit Cervantes Arbeitserleichterungen
und bescheidenen Wohlstand brachten, so dient die biotechnologische Pflanzenzüchtung heute der Verbesserung der landwirtschaftlichen Erträge, der Gewährleistung der Nachhaltigkeit der Wirtschaft und insbesondere
in den Schwellenländern dem Aufbau der Wirtschaft und
der Bekämpfung der Armut.
Die Gentechnik ist eine Züchtungsmethode, die sich
- hier bin ich mir mit sehr vielen Kollegen in diesem
Hause einig - auf vielen Gebieten bewährt hat: bei der
Züchtung von Mikroorganismen zur Herstellung von
Arzneimitteln, Vitaminen und Aminosäuren und bei der
Züchtung von Kulturpflanzen, die auf 114 Millionen
Hektar weltweit angebaut werden. Die Universalität des
genetischen Codes ist die Grundlage für eine erfolgreiche Anwendung dieser Züchtungsmethode.
Anders als die meisten Touristen, die China besuchen
und kein chinesisches Schriftzeichen deuten können
- ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht -, kann die Pflanzenzelle die Information eines Bakteriumgens lesen und
umsetzen. Genauso können Bakterien die Information
eines menschlichen Gens lesen und umsetzen, wie das
Beispiel Insulin zeigt. Das heißt, es gibt keine Alternative dazu, dass auch wir in Deutschland uns mit der Gentechnik beschäftigen und der Grünen Gentechnik zum
Durchbruch verhelfen.
({4})
Den Antrag der Grünen lehnen wir ab. Er ist ein Antrag der Ohnmacht. Da die Weltsicht der Grünen keine
Bestätigung findet, wollen Sie nun Rache an denen üben,
deren wissenschaftliche Sichtweise sich weltweit durchgesetzt hat. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein
ganz mieser politischer Stil.
({5})
- Liebe Kollegin, ich finde, es ist nicht zum Lachen, in
welcher Weise Sie mit den Beamten umgehen.
({6})
Die Tatsache, dass Gutachten unsere tägliche Erfahrung bestätigen, dass die Züchtungsmethode Gentechnik
sicher ist, schmälert ihren Wert nicht. Wir mussten gerade erst zur Kenntnis nehmen, dass zwei Gutachten, in
denen die angeblichen Gefahren der Handystrahlung belegt werden sollten, gefälscht waren. Dieses Beispiel
zeigt: Zur strikten Orientierung an wissenschaftlichen
Ergebnissen gibt es keine Alternative.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Das Wort hat nun Kollege Max Lehmer, CDU/CSUFraktion.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Forderung in den vorliegenden Anträgen, die Zulassung von GVO auf eine wissenschaftliche Grundlage zu
stellen, kann ich inhaltlich nur unterstützen.
({0})
Wissenschaftliche Erkenntnisse und Bewertungen sind
elementare Grundlagen für politische Entscheidungen,
insbesondere im Zusammenhang mit Regelungen zur
Zulassung und Anwendung neuer Technologien.
Ich möchte kurz zu einigen Aussagen im Antrag der
Grünen Stellung nehmen.
Das Vorsorgeprinzip ist prinzipiell richtig. Vorsorgemaßnahmen müssen aber auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse hin geprüft sein. Willkürliche Maßnahmen
haben auch hier nichts zu suchen; sie sind nicht zielführend.
({1})
Zum oft angesprochenen Problem der Auskreuzung:
Das ist ein Prinzip der Natur. Auch mit herkömmlichen
Methoden veränderte Organismen sind nach der Freisetzung nicht mehr rückholbar.
({2})
Die übertragenen genetischen Eigenschaften sind
nicht per se als Verunreinigung oder Kontamination einzustufen. Kulturpflanzen besitzen eine Vielzahl von genetischen Eigenschaften, die nicht immer unmittelbar
genutzt werden. Deshalb spricht man dennoch nicht von
verunreinigten Pflanzen.
Die Gefahr von Schäden an Umwelt, Tieren oder
menschlicher Gesundheit ist Inhalt der wissenschaftlichen Prüfungen, die von uns selbstverständlich vollinhaltlich mitgetragen werden, und der in den gesetzlichen
Anbauregeln festgelegten Begleitmaßnahmen.
Nationale Schutzmaßnahmen, zu denen immer wieder
Stellung genommen wird, sind nach EU-Recht prinzipiell möglich; das ist richtig. Allerdings müssen diese auf
neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Diese
liegen bisher nicht vor.
Mit der zuständigen EFSA und dem GMO-Panel hat
die EU bereits ein wissenschaftlich arbeitendes Gremium.
({3})
Seine Mitglieder kommen aus den EU-Mitgliedstaaten
und sind ausgewiesene Forscher und Experten auf dem
Gebiet der Gentechnologie. Zudem haben wir in der EU
das weltweit strengste Zulassungsverfahren. Daran kann
es keinen Zweifel geben. Das Problem ist vielmehr, dass
bei den Abstimmungen über GVO-Zulassungen im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit und im Agrarministerrat nicht allein die wissenschaftlichen Expertisen der EFSA ausschlaggebend sind,
sondern letztlich politisch entschieden wird. Wissenschaftlich komplexe Entscheidungen dürfen aber nicht
nach Stimmungslage getroffen werden.
({4})
Maßgebend müssen die wissenschaftlichen Erkenntnisse
sein.
({5})
Die Politik hat die wichtige Aufgabe, die Entscheidungskriterien, die Sicherheitsstandards und insgesamt
den Rahmen für Zulassung und Anwendung gentechnisch veränderter Pflanzen vorzugeben. Es darf nicht
sein, dass Zulassungen von GVO, die die politisch vorgegebenen Anforderungen erfüllen, trotzdem auf politischem Wege abgelehnt werden. Dies widerspricht völlig
einem notwendigen verlässlichen Rahmen- und Regelwerk, das für eine forschende und auf Innovation angewiesene Wirtschaft unverzichtbar ist.
({6})
Lassen Sie mich kurz auf einige Ansatzpunkte für
Verbesserungen des Zulassungsverfahrens eingehen.
Bundesminister Seehofer hat in den vergangenen Monaten zu Recht Änderungen angemahnt. Auch die FDP
spricht die gesamte Problematik in ihrem Antrag sehr
sachgerecht und umfassend an.
Einer der zentralen Ansätze muss die Verkürzung der
Verfahrensdauer sein. Der forschenden Industrie entstehen Millionenschäden, weil Unternehmen zum Teil
Jahre auf eine Entscheidung über ihren Zulassungsantrag
warten müssen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen aus diesem Bereich sind auf ein verlässliches
Verfahren angewiesen, weil sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um ein langgestrecktes Verfahren
durchzustehen.
({7})
International sind wir so nicht wettbewerbsfähig, da außerhalb der EU wesentlich schneller entschieden wird.
Im Übrigen - es ist mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen - belasten generell überhöhte Forderungen kleinere
und mittelständische Unternehmen besonders stark, und
sie begünstigen indirekt den - auch von mir - unerwünschten Trend zu einer Monopolisierung.
({8})
Wegen der mangelnden Entscheidungsfähigkeit auf
EU-Ebene kommt es dazu, dass Mais- und Sojaprodukte
wegen geringster GVO-Spuren nicht eingeführt werden
dürfen oder vernichtet werden müssen, obwohl die betreffenden GVO von der EFSA bereits als sicher bewertet wurden und in Drittländern sogar schon zugelassen
sind. Negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit mit Futtermitteln für die Tierernährung sind so
unvermeidbar. Auch die Saatgutwirtschaft bekommt die
Folgen bereits zu spüren. Die Saatgutproduktion ist inzwischen ein globales Geschäft, und die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigter GVO-Spuren wächst. Durch die
immer noch fehlenden Saatgutschwellenwerte wird das
Problem zusätzlich verschärft.
Als Schlussfolgerung ist festzustellen, dass die Einführung einer verbindlichen Frist, innerhalb derer die
KOM nach Abschluss des Verfahrens über eine Zulassung endgültig entscheiden muss, dringend notwendig
ist. Zum Vergleich: Bei der Arzneimittelzulassung hat
die Kommission innerhalb von 15 Tagen nach Abschluss
des Verfahrens zu entscheiden. Hieran könnte man sich
bei der GVO-Zulassung orientieren.
({9})
In den vergangenen Jahren wurde auch oft eine stärkere Einbindung der Mitgliedstaaten in das Zulassungsverfahren der EU gefordert. Die EFSA hat hierauf bereits reagiert und verschiedene Verbesserungen auf den
Weg gebracht. Sie setzt sich bereits seit der Ankündigung von Kommissar Dimas 2006 verstärkt mit den Einwänden von Mitgliedstaaten im Zulassungsverfahren
auseinander. Seitdem wird von der EFSA verstärkt auf
potenzielle Langzeitwirkungen und Fragen der biologischen Vielfalt eingegangen. Sie hat für dieses Jahr angekündigt, dass das GMO-Panel einen beträchtlichen Teil
seiner Ressourcen für die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten verwenden wird. Des Weiteren will man
seine Risikobewertungen transparenter machen und detailliert auf Fragen und Bedenken antworten. Ich denke,
das ist sehr begrüßenswert.
Die stärkere Einbindung nationaler Institutionen wie
BVL, BfR und auch von deutschen Universitäten ist ausdrücklich zu begrüßen. Dies kann sicherlich einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens in die Zulassung von GVO leisten. Die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen verweist in ihrem Antrag auf eine Studie als Beleg für angebliche Verflechtungen. Die vom ehemaligen
Greenpeace-Mitarbeiter Christoph Then im Auftrag von
Frau Höfken verfasste Studie „Kontrolle oder KollaboraDr. Max Lehmer
tion - Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden“
enthält viele inhaltliche Fehler und wiederholt längst
widerlegte falsche Behauptungen. So stellt zum Beispiel
die Antwort der Bundesregierung auf die Frage von Bündnis 90/Die Grünen in der Fragestunde vom 18. Oktober
2006 klar, dass Professor Dr. Jany nicht an Zulassungen
für transgene Pflanzen oder Lebensmittel und an der
Auswertung von Daten hierfür beteiligt ist. Ebenso
wurde eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Aktivitäten widerlegt. Trotzdem wird diese Behauptung in der Studie erneut aufgestellt. Bezeichnend ist dagegen, dass diese Studie eine Auftragsarbeit von Herrn
Then für Frau Höfken ist. Herr Then war bei Greenpeace
zuständig für Gentechnik. Sein Bericht wurde von den
Greenpeace-Anwälten in ihrer Klageschrift gegen
MON 810 bereits als Beweismittel aufgeführt, lange bevor er veröffentlicht wurde. Das ist sehr bemerkenswert.
So viel zum Thema Verflechtungen.
Die Zusammenarbeit mit forschender Industrie ist immer wieder Gegenstand von Kritik im Sinne von unerlaubter Einflussnahme. Dazu ist festzustellen, dass der
überwiegende Teil innovativer Forschungsergebnisse
aus allen Bereichen in Deutschland aus der industriellen
Forschung kommt. Forschende Firmen investieren erhebliche Mittel aus ihren Gewinnen für zukunftsweisende Innovationen. Dies ist aus volkswirtschaftlicher
Sicht ausdrücklich zu begrüßen.
Es ist sinnvoll und notwendig, einen wissenschaftlichen Dialog zwischen staatlichen Stellen, Universitäten
und industriellen Forschungseinrichtungen zu führen. Es
ist eine Selbstverständlichkeit, dass dabei Neutralität
und Objektivität voll gewahrt bleiben müssen. Ausdrücklich sei festgestellt, dass wir keinerlei Verflechtungen wollen. Die Nutzung aller - ich betone: aller - wissenschaftlichen Ressourcen ist Grundlage für den hohen
wissenschaftlichen Standard und technologischen Stand
unseres Landes. Deshalb ist der Antrag der Grünen abzulehnen. Wir werden unsere politischen Entscheidungen weiter konsequent auf der Basis wissenschaftlicher
Erkenntnisse gründen.
Vielen herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat nun Kollegin Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Gäste! Das Zulassungsverfahren für genetisch veränderte Organismen steht schon seit langem in der
Kritik. Das haben selbst die EU-Kommissare Kyprianou
und Dimas zu Protokoll gegeben.
Agrogentechnikindustrie und Lobbyverbände behaupten immer wieder, transgene Pflanzen seien die am
besten untersuchten Pflanzen, und fragen, was wir denn
noch mehr wollen. Die Linke sagt: Wir wollen mehr.
Aber das, was wir fordern, ist eigentlich selbstverständlich. Denn wir fordern ein sicheres, transparentes und
demokratisches Zulassungsverfahren. Dass es in diesem
Punkt Defizite gibt, hat selbst Kollege Lehmer eben festgestellt. Die Gesellschaft muss sich darauf verlassen
können, dass Gefahren nach menschlichem Ermessen
vermieden werden. Ohne diese Sicherheit dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht erlaubt werden, weder auf dem Acker noch im Tank oder im Futtertrog. Die
gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei müssen vor
Schaden bewahrt werden, und zwar langfristig.
({0})
Das hat für uns Linke klaren Vorrang.
Die FDP fordert in ihrem Antrag, das Zulassungsverfahren auf wissenschaftliche Grundlagen zu stellen. Wer
mag diesem Anspruch widersprechen? Ich habe als Tierärztin selbst lange Jahre wissenschaftlich gearbeitet und
weiß, wovon ich rede. Deshalb muss ich bei dem Antrag
der FDP doch den Kopf schütteln.
Erstens. Die EU-Zulassungsbehörde EFSA ist alles
andere als unumstritten. Die Mitglieder der EFSA stehen
seit Jahren in Verdacht - zumindest einige -, nicht unabhängig zu sein. Aber gerade Neutralität ist Voraussetzung für eine wissenschaftliche Bewertung.
Zweitens. Im Zulassungsverfahren für genetisch veränderte Pflanzen werden viele wichtige Fragen ausgeblendet. Nehmen wir als Beispiel den genetisch veränderten Mais, der ein Gift gegen den Maiszünsler
produziert. Dieser Mais darf in Deutschland kommerziell angebaut werden. Aber es fehlen Langzeitstudien
zur Wirkung auf sogenannte Nichtzielorganismen, also
zum Beispiel auf andere Insekten. Es fehlen genauere
Untersuchungen der Auswirkungen auf Bodenleben,
Fauna und Flora. Wir wissen wenig über die Anreicherung des Giftes im Boden oder in Oberflächengewässern. Wir wissen nicht einmal genau, wie viel Gift verschiedene Maispflanzen produzieren. Auch wissen wir
wenig über die Auswirkungen der genetischen Veränderungen auf die Eiweißstruktur. Eine genetische Struktur
ist ja das, was dann als Eiweiß entsteht.
Drittens. Es ist ausdrücklich ein Fehler, eine Risikotechnologie wie die Agrogentechnik rein wissenschaftlich zu bewerten.
({1})
Die Politik hat die Verantwortung, gesellschaftliche Debatten aufzunehmen und transparente Entscheidungsprozesse zu organisieren. Genau deswegen ist es wichtig,
dass auch in Zukunft alle mitreden - Politikerinnen und
Politiker, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer, Umweltschützerinnen und Umweltschützer sowie Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft -,
wenn es um die Zulassung von genetisch veränderten
Pflanzen geht.
Schon das sind drei gute Gründe, dem Antrag der
FDP nicht zuzustimmen. Die Linke lehnt aber auch die
Aufhebung der Nulltoleranz gegenüber genetisch veränderten Pflanzen ab, die in der EU nicht zugelassen sind.
Gerade diese Nulltoleranz dient nämlich der Gefahrenabwehr.
Wenn gentechnikfrei produziertes Soja auf dem Weltmarkt knapp wird, gibt es andere Auswege aus dem drohenden Engpass bei Eiweißfuttermitteln.
({2})
Erstens können Futtermittel - manche scheinen dies vergessen zu haben - regional hergestellt werden: Futter aus
Brandenburg statt aus Brasilien stellt auch eine Chance
zur Unabhängigkeit dar.
({3})
Zweitens wird die gentechnikfreie Erzeugung von Futtermitteln zum Beispiel durch die Kennzeichnung „Ohne
Gentechnik“ für Fleisch und Milch von gentechnikfrei
gefütterten Nutztieren attraktiver, die jetzt endlich eingeführt wird. Ich halte dies für einen sehr wichtigen
Schritt.
Der Antrag der Grünen macht auf die personellen
Verflechtungen von Zulassungs- und Überwachungsbehörden und der Agrogentechnikindustrie bzw. ihren
Lobbyverbänden auch in Deutschland aufmerksam. Wir
unterstützen die Forderung an die Bundesregierung, hier
schnellstens aktiv zu werden. Eine gesicherte Entflechtung von Kontrolle und Kontrollierten ist aus unserer
Sicht die Voraussetzung für die dringend notwendige unabhängige wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung. Dies gilt erst recht bei einer Risikotechnologie wie
der Agrogentechnik.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Der erkrankte Kollege Matthias Miersch hat seine
Rede zu Protokoll gegeben1). Damit hat jetzt Ulrike
Höfken, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Liebe Gäste! Dies ist eine spannende
Debatte, die wir sicherlich auch weiterhin noch in allen
Einzelheiten führen werden. Der Titel des Antrags der
FDP lautet: „Zulassung von gentechnisch veränderten
Organismen auf wissenschaftliche Grundlage stellen“.
So weit gehen wir bei diesem Antrag mit; diese Forde-
rung unterstützen wir mit Nachdruck. Aber genau hier
fängt das Problem an, und an dieser Stelle endet auch
schon die Gemeinsamkeit. Wir sehen, dass die Unabhän-
gigkeit und Glaubwürdigkeit der behördlichen Zulas-
sungsentscheidungen infrage steht. Deswegen habe ich
auch diese Studie in Auftrag gegeben. - Ich lege mein
Redemanuskript beiseite und gehe auf das ein, was die
Kolleginnen und Kollegen vor mir gesagt haben.
In der letzten Woche war ich in Bonn bei der COP
und der MOP, den Verhandlungen zur biologischen Si-
cherheit und zu den Biodiversitätsabkommen, bei denen
1) Anlage 10
auch die Frage der Agrogentechnik eine Rolle gespielt
hat. Bei solchen Veranstaltungen gibt es immer Side
Events, auf denen dann auch unsere Behördenvertreter
live auftauchen, allerdings als NGOs, erkennbar an dem
rosafarbenen Badge. Sie vertreten dort ihre Argumente
und machen dort Politik. Ich habe überhaupt nichts gegen eine Gesprächsbasis mit der Industrie, auch nichts
gegen eine Zusammenarbeit und Abstimmung. In dem
Moment aber, in dem die Distanz so offenkundig fehlt,
wird es problematisch. Angesichts dessen kann man als
Parlamentarier auch nicht mehr den Bewertungen vertrauen, die uns diese Behördenvertreter in den Anhörungen der Ausschüsse geben. Wir alle - das gilt auch für
die Kollegen und Kolleginnen der SPD - haben uns oft
fragen müssen, wie solche Positionen zustande kommen.
Wir haben auf solchen „Events“ - so nenne ich die UNKonferenzen einmal - oft erleben können, wie diese
enge Verflechtung dokumentiert wurde.
Im Moment geht es um das Risk Assessment, das
heißt, um die Risikoabschätzung und die entsprechende
Argumentation. Wir mussten erleben, wie Detlef
Bartsch, der im Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit für Koexistenz und für Monitoring zuständig ist, im Rahmen des Panel on GMO der
EFSA jetzt gemeinsam mit Vertretern von Monsanto,
DuPont Crop, Syngenta, BASF und einer Vielzahl von
US-Firmen in einem gemeinsamen Artikel nichts anderes zum Ziel hatte, als - ich formuliere das einmal vorsichtig - zu verhindern, dass es zu einer unabhängigen
Bewertung, nämlich zu einer Bewertung außerhalb der
von der Industrie vorgelegten Daten kommt. So kann
man das Papier, das dort vorgelegt wurde, treffend umschreiben. Von der BBA bzw. vom Julius-Kühn-Institut,
das jetzt Einvernehmensbehörde ist, war Herr Joachim
Schiemann anwesend. Er vertritt Positionen, die sich
meines Erachtens nicht darauf richten, den geltenden
Gesetzen zur Umsetzung zu verhelfen, sondern in eine
völlig andere Richtung gehen. Es sind daher Zweifel angebracht, ob die Risikobewertungen geeignet sind, unseren Entscheidungen Glaubwürdigkeit zu verleihen.
({0})
Ein letzter Satz. Wir alle haben Feldzerstörungen abgelehnt. Wir stehen allerdings in der Verantwortung: Die
Entscheidungen, die wir treffen, müssen glaubwürdig
sein. Nur dann können wir unsere Positionen vertreten,
nur dann können wir die Menschen für unsere Positionen
gewinnen.
Wir fordern mit unserem Antrag die Bundesregierung, Minister Seehofer auf, die Verflechtungen offenzulegen und einen Verhaltenskodex zu entwickeln, mit
dem die nötige Transparenz der Arbeit der Regierung
und der Zulassungsbehörden hergestellt wird.
Vielen Dank.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/8929 und 16/9314 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Paul
Schäfer ({1}), Monika Knoche, Inge Höger,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE
Für ein sofortiges Verbot von Streumunition in
Deutschland
- Drucksachen 16/7767, 16/9152 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Uta Zapf
Wolfgang Gehrcke
Marieluise Beck ({2})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Andreas Weigel, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der vorliegende Antrag der Linken zeichnet
ein verfälschtes, realitätsfernes Bild. Die Schlüsse, die
die Linke in ihrem Antrag zieht, sind angesichts des Verlaufs der Dubliner Konferenz in den letzten Tagen nicht
zu halten.
Sie wollen eine Politik mit der Brechstange. So funktioniert Politik nicht. Wäre unsere Verhandlungsdelegation Ihrem Rat gefolgt, stände sie heute mit leeren
Händen da. Tatsächlich ist in Dublin ein formelles Übereinkommen geschlossen worden, über das wir alle sehr
froh sind. Die Bundesregierung bezeichnet diese Vereinbarung zu Recht als Meilenstein für die Weiterentwicklung
des humanitären Völkerrechts. Erhebliche Verdienste am
Zustandekommen dieser Vereinbarung hat die Verhandlungsdelegation der Bundesrepublik Deutschland.
Bereits als wir Ihren Antrag im Januar dieses Jahres
in erster Lesung beraten haben, habe ich darauf hingewiesen, dass Teile Ihres Antrages respektlos sind, respektlos gegenüber den Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr, die in ein zweifelhaftes Licht gerückt werden, aber auch respektlos gegenüber der deutschen Diplomatie, die sich in den letzten Monaten engagiert für
die Ächtung von Streumunition eingesetzt hat. Sie behaupten in Ihrem Antrag, Deutschland verweigere sich
und blockiere die Verhandlungen. Das stimmt nicht, wie
wir dieser Tage sehen. Ganz im Gegenteil: Deutschland
hat eine Vorreiterrolle übernommen, und zwar sowohl
innerhalb als auch außerhalb der UN-Verhandlungen.
Die Einigung von Mittwochabend wurde heute Vormittag formell verabschiedet. Das ist ein großer Erfolg und
ein wichtiger Impuls zur Wiederbelebung internationaler
Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik.
({0})
Diese Vereinbarung erhöht den Druck auf die Staaten,
die bislang außen vor sind. Die Vereinigten Staaten haben sich an diesen Verhandlungen nicht unmittelbar beteiligt. Sie haben auf unsere Partner Einfluss genommen,
sich nicht am Vertragsabschluss zu beteiligen. Dennoch
ist eine Einigung erzielt worden. Sie wird von wichtigen
NATO-Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Kanada,
Spanien und Deutschland mitgetragen. Aber auch Japan
sowie zahlreiche afrikanische und lateinamerikanische
Länder haben sich der Vereinbarung angeschlossen. Dies
ist ein wichtiges Signal für die angestrebte Universalisierung dieses Abkommens.
({1})
Der Vertragstext von Dublin wurde heute von allen
111 beteiligten Staaten angenommen. Damit stehen wir
vor einem umfassenden Verbot von Streumunition. Die
SPD-Bundestagsfraktion hat sich dafür bereits seit langem eingesetzt. Wir haben in den letzten Monaten mehrere Angebote und Vorschläge zum Beispiel zu einem
Moratorium und Übergangsfristen gemacht. Wir haben
uns darüber hinaus bei der Blindgängerquote und den
Ausnahmeregelungen deutlich positioniert. Wir können
froh und dankbar sein, dass dies so aufgenommen
wurde. Wir haben in Dublin erreicht, dass zum Beispiel
die Streumunition M85 mit sofortiger Wirkung verboten
wird. Diese Munition kam im Libanon-Krieg 2006 zum
Einsatz und hatte verheerende Auswirkungen auf die
Zivilbevölkerung. Wir begrüßen außerdem, dass die Vereinbarung eine umfassende Regelung zur Opferbeihilfe
vorsieht. Der Vertrag soll des Weiteren rückwirkend in
Kraft treten und beinhaltet die Verpflichtung zur Räumung von Munition, die in der Vergangenheit verschossen worden ist. Außerdem unterliegt der Einsatz von
Punktzielmunition einer ganzen Reihe rechtlicher Beschränkungen.
Der Vertragstext berücksichtigt sicherlich militärische
Notwendigkeiten, stellt aber das humanitäre Völkerrecht
in den Vordergrund. An vielen Textstellen hat sich
Deutschland ganz entscheidend eingebracht und dazu
beigetragen, dass ein ausgewogener Kompromiss erzielt
wurde. Die deutsche Delegation hat unter Federführung
des Auswärtigen Amtes klug bei diesen Verhandlungen
Schritt für Schritt zu diesem Ergebnis beigetragen. Das
Urteil vieler unabhängiger Beobachter lautet, dass sich
Deutschland als Vorreiter eingebracht hat. Ich möchte
außerdem Norwegen für seine Initiative besonders loben. Ohne Norwegen wäre dieser Prozess überhaupt
nicht in Gang gekommen. Darüber hinaus gilt es, dem
zivilgesellschaftlichen Netzwerk großen Respekt zu zollen. Nichtregierungsorganisationen wie Handicap International, Aktionsbündnis Landmine.de und Human
Rights Watch haben maßgeblich zum Erreichen des
Ziels beigetragen, das wir heute gemeinsam feiern können.
({2})
Dies erfolgte in engem Schulterschluss mit uns Parlamentariern. Das ist ein gutes Signal für die Arbeit des
Parlamentes.
Jetzt geht es darum, die Ergebnisse zügig umzusetzen.
Gemeinsam haben die Minister Steinmeier und Jung
gestern erklärt, dass Streumunition mit sofortiger Wirkung aus dem Verkehr gezogen wird. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Munition wird vernichtet und
entsorgt, aber das wird noch einige Zeit dauern.
Die Bundesregierung wird Anfang Dezember in Oslo
die Vereinbarung unterzeichnen und ratifizieren. Es wird
das vorrangige Ziel sein, bis dahin viele Staaten dazu zu
bringen, diesem Abkommen beizutreten, insbesondere
Staaten, die noch umfangreiche Arsenale von Streumunition haben wie die Vereinigten Staaten, China, Russland, Indien, Pakistan, Israel und auch Brasilien.
Es ist wichtig, dass wir weiterhin eine Doppelstrategie verfolgen. Überzeugungsarbeit ist notwendig. Wir
brauchen eine universale Gültigkeit dieser Vereinbarung,
sowohl innerhalb als auch außerhalb des UN-Rahmens.
Der Bundestag hat die Regierung 2006 aufgefordert,
Schritt für Schritt eine völkerrechtliche Ächtung von
Streumunition herbeizuführen. Diesem Ziel sind wir
jetzt ein ganzes Stück nähergekommen. Das Parlament
hat die Verhandlungen eng begleitet. Wir haben in einer
Reihe von parlamentarischen Debatten, aber auch von
Berichterstattergesprächen und Anhörungen dazu beigetragen, die Regierung zu ermutigen, unsere politische
Sicht mitzutragen.
({3})
Wir werden auch, lieber Kollege Winfried Nachtwei,
die weitere Entwicklung eng und kritisch begleiten und
auf ein hohes Maß an Transparenz drängen. Es muss
Transparenz und zeitnahe Information über Munitionserprobungen und Neuentwicklungen geben. Punktzielmunition ist nicht gleichzusetzen mit Streumunition. Der
Dubliner Text nennt klare Kriterien für Einschränkungen. Gemäß den Empfehlungen des Internationalen Roten Kreuzes sind diese Einschränkungen die Limitierung
der Sprengkörperanzahl, das Gewicht, Zielerkennungsvorrichtungen sowie Deaktivierungs- und Selbstzerstörungsmechanismen. Die Regierung steht diesbezüglich
gegenüber dem Parlament in der Pflicht. Wir werden
darauf drängen, dass das Verteidigungsministerium dieser Pflicht nachkommt. Das Parlament hat hier eine
Funktion als unabhängiges Kontrollorgan. Wir fordern
regelmäßig gesicherte und detaillierte Nachweise über
die Erfüllung der Kriterien durch die Bundesregierung.
Der Bundestag wird die beschlossene Außerdienststellung, den Verbleib sowie die Vernichtung von Streumunition bei der Bundeswehr verfolgen. Wir sollten im
Parlament in den kommenden Wochen darüber beraten,
wie der gesetzliche Rahmen für ein Moratorium aussieht, wie der Finanzrahmen für die Vernichtung und für
die internationale Opferbeihilfe gestaltet werden soll und
ob wir eine Ergänzung des jährlichen Abschlussberichts
um einen Passus vornehmen, der die Außerdienststellung und Vernichtung von Streumunition klar dokumentiert und begleitet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein guter Tag,
den wir heute feiern können. Wir stehen allerdings nicht
am Schluss unserer Bemühungen, sondern haben erst ein
Stück des Weges hinter uns gebracht. Ich danke allen,
die daran beteiligt waren, und freue mich auf eine weiterhin möglichst breite engagierte Arbeit im Parlament
an diesem Thema.
Vielen Dank.
({4})
Der Kollege Florian Toncar, FDP-Fraktion, hat seine
Rede zu Protokoll gegeben1). Damit erhält jetzt Holger
Haibach, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der Erfin-
dung von Streubomben sind nach Schätzung vieler
Organisationen mindestens 100 000 Menschen Blind-
gängern zum Opfer gefallen. Jedes Jahr, so ist die Schät-
zung, sind es zwischen 15 000 und 20 000 mehr. Das
sind furchtbare Zahlen, und jeder, der durch eine Streu-
bombe gestorben ist, ist ein Toter zu viel.
Insofern kann man dem Kollegen Weigel nur zustim-
men, wenn er sagt, dass heute ein guter Tag ist. Es ist ein
guter Tag, weil wir einen wichtigen Schritt gemacht ha-
ben, hin zu einer humaneren Gesellschaft, zu einer Wei-
terentwicklung des humanitären Völkerrechts. Darüber
sollten wir froh sein.
Ich kann auch nur zustimmen, wenn das Auswärtige
Amt sagt, es ist sozusagen ein Meilenstein bei der Ent-
wicklung des humanitären Völkerrechts.
Dass die Bundesregierung am Ende des Tages mit
Siebenmeilenstiefeln auf diesen Kompromiss zuspaziert
ist, hat sicherlich sehr viel damit zu tun, dass viele enga-
giert mitgearbeitet haben, die Position der Bundesregie-
rung zu stärken und vielleicht auch an der einen oder an-
deren Stelle zu konkretisieren. Ich denke, da ist neben
der wertvollen Arbeit der Nichtregierungsorganisationen
noch etwas hervorzuheben, was wir selten machen, näm-
lich die Rolle des Parlaments. Herr Kollege Weigel ist
schon darauf eingegangen. Er kann sich schlecht selber
loben. Ich glaube, der Brief, den er und unser Kollege zu
Guttenberg, der heute leider nicht da sein kann, an die
beiden zuständigen Minister geschrieben haben und der
noch einmal deutlich gemacht hat, dass auch wir seitens
der Koalitionsfraktionen eine gewisse Erwartung haben,
was dieses Thema betrifft, war von großer Wichtigkeit
und zeigt, dass das Parlament jenseits der Frage von Op-
position und Regierung in der Lage ist, selbstständig zu
handeln.
1) Anlage 11
({0})
Natürlich ist es auch ein gutes Signal, dass sehr viele
größere Staaten wie Großbritannien und Frankreich bei
dieser Konferenz anwesend waren und sich vorstellen
konnten, diesem Kompromiss näherzutreten. Wenn jetzt
alle 111 Staaten, die an der Konferenz teilgenommen haben, das Schlussdokument gezeichnet haben, dann ist
das im wahrsten Sinne des Wortes ein wirklich guter
Tag.
Aber auch das ist richtig: Wir sind auf dem Weg, nicht
am Ende des Weges. Was den Antrag der Linken betrifft,
so übersieht er eben - auch das ist schon angeklungen -,
dass wir nicht allein diejenigen sind, die das Heft des
Handelns in der Hand haben. Wir müssen schon sehen,
wie wir in irgendeiner Form diejenigen, die nicht in
Dublin dabei waren, überzeugen können, sich uns auf
diesem richtigen Weg anzuschließen. Es gibt insgesamt
34 Länder, die Streumunition herstellen. Die größten
Produzenten - Russland, China, USA, Israel und Pakistan - waren alle nicht da. All diese Länder haben sich
nicht an dem Kompromiss beteiligt. Es wird sehr viel
Überzeugungsarbeit bedeuten, um diesen Dubliner Prozess in die UN zu tragen - das wird aber notwendig sein -,
um auf die Dauer - nur das kann unser Ziel sein - alle an
dieser ganzen Auseinandersetzung zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass das, was in Dublin verhandelt worden
ist, weltweit Standard wird.
({1})
Ich begrüße es sehr, dass sich die Bundesregierung
jetzt dazu durchgerungen hat, die Position einzunehmen,
97 Prozent - darum geht es - der im Bestand der Bundeswehr befindlichen Streumunition oder Munition, die
nach diesem Prinzip funktioniert - Herr Kollege Weigel
hat erklärt, worin der Unterschied zwischen der einen
und der anderen Munition liegt -, zu vernichten. Dass
dies eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird und
dass wir das parlamentarischerseits vernünftig begleiten
müssen, liegt, soweit ich das überblicken kann, auf der
Hand. Das wird sicherlich auch in Zukunft im Auswärtigen Ausschuss, im Verteidigungsausschuss und im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung eine wichtige Aufgabe sein; denn wir
können nur dann glaubwürdig agieren, auch gegenüber
denjenigen, die jetzt nicht in Dublin waren, wenn wir unsere eigenen Aufgaben ernst nehmen und unsere Hausaufgaben machen. Ich denke, auch da haben wir als Parlament durchaus eine wichtige Aufgabe.
Insofern können wir konstatieren: Wir sind ein gutes
Stück des Weges vorangekommen. Es ist wirklich ein
guter Tag. Wir haben noch sehr viel zu tun. Wir werden
in Zukunft im Parlament sehen müssen, wie wir weiterhin mit diesen Fragen umgehen. Da ich weiß, dass es der
eine oder andere etwas eiliger hat, schenke ich Ihnen die
restlichen vier Minuten meiner Redezeit. Ich denke, zu
diesem Thema ist alles gesagt.
Herzlichen Dank.
({2})
Damit hat Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die Linke,
das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut,
dass sich jetzt in Dublin über hundert Staaten bereit gefunden haben, die Streubomben grundsätzlich zu ächten.
Waffen, die vor allem Zivilisten töten, müssen aus den
Rüstungsarsenalen verschwinden.
({0})
Es ist auch gut, dass man sich darauf geeinigt hat, diese
Mordwerkzeuge nicht in ferner Zukunft und nicht in Stufen, sondern unverzüglich außer Dienst zu stellen. Es ist
weiterhin wichtig und gut, dass es erstmals in einem solchen Vertrag gelungen ist, Hilfe und Unterstützung für
die Opfer dieser Waffen sehr grundsätzlich und sehr ausführlich zu regeln.
Aber wie bei den Landminen hat sich gezeigt: Ohne
den Druck der Zivilgesellschaft tut sich nichts.
({1})
Deshalb muss der Dank und unser Glückwunsch vor allem an all die beteiligten Aktiven und Organisationen
der Cluster Munition Coalition gehen, die maßgeblich
dazu beigetragen haben, überhaupt dieses Rad ins Rollen
zu bringen. Ich hoffe sehr, dass dieser Vertragsschluss
abrüstungspolitisches Engagement dieser Art ermutigt;
denn dieses Engagement brauchen wir weiter.
({2})
Wir, die Linke, stimmen nicht in den Chor derjenigen
ein, die jetzt das Hohelied der Bundesregierung singen.
Diese Bundesregierung hat sich nicht - zumindest nicht
durchgängig - mit Ruhm bekleckert. Sie stand bis zuletzt, was das völlige Verbot dieser Waffen anbetrifft, auf
der Bremse. Wenn die britische Regierung nicht umgeschwenkt wäre, wäre womöglich überhaupt kein Durchbruch gelungen. So sieht es doch aus. Es war eben
falsch, zwischen gefährlicher und weniger gefährlicher
Munition zu differenzieren. Das war der Ansatz der
Bundesregierung.
({3})
Streumunition ist systematisch und vorsätzlich darauf
gerichtet, Wirkung in einer großen Fläche zu erzielen.
Dabei sollen vor allem weiche Ziele, sprich: Menschen,
bekämpft werden. Deshalb verstoßen diese Waffen
Paul Schäfer ({4})
grundlegend gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht.
Sie sind zu ächten, ohne Unterschied.
({5})
Wegen der Bremser in den verschiedenen Regierungen enthält der Vertrag - das muss man bei aller Genugtuung sagen - einige Hintertüren. Unsere Freude ist wie die von Handicap International und anderen - nicht
ungetrübt. Das komplette Verbot von Streumunition
wird durchlöchert, weil bestimmte Munitionstypen ausgeklammert worden sind. Ob man mit diesen Munitionsund Waffentypen, die jetzt erlaubt worden sind, eine
Kampfführung ausschließen kann, die besonders Zivilisten in Mitleidenschaft zieht, darf sehr bezweifelt werden.
Unser Ansinnen als Linke ist: Wir sollten alles dafür tun,
dass diese Schlupflöcher wenigstens in Deutschland gestopft werden.
Auch die Klausel, wonach es den Vertragsstaaten erlaubt ist, bei militärischen Operationen mitzumachen, in
denen Nichtvertragsstaaten weiterhin Streubomben verschießen dürfen, muss übel aufstoßen. Das ist eine Art
Freibrief für die großen Militärmächte USA und Russland, so weiterzumachen wie bisher. Die anderen haben
zwar ihr Gewissen erleichtert, dürfen aber mitmachen.
Das finde ich völlig unmöglich.
({6})
Wir sollten eines nicht übersehen: Solche Abkommen
schränken zwar die Möglichkeiten der Kriegsführung
ein; doch zugleich wird es dazu kommen, dass man versucht, die bestehenden Waffenarsenale umzurüsten; „alternative Wirkmittel“ heißt jetzt die Zauberformel. Wie
wir wissen, sind die Militärs sehr kreativ, wenn es darum
geht, geeigneten Ersatz für abzurüstende Waffen zu
schaffen. Die Bundeswehr ist dabei weit vorangeschritten. Sie ist mit der Munition SMArt gut aufgestellt, wie
man heute sagt. Die Hightechrüstungsfirmen Rheinmetall und Diehl stehen schon in den Startlöchern, um in
diese neue Marktlücke zu stoßen. Das wird das neue
Kampffeld sein. Die Auseinandersetzung der Zukunft
wird nicht zuletzt darum gehen, diese mögliche neue
Rüstungsdynamik inklusiver massiver Rüstungsexportgeschäfte zu verhindern. Es gibt keinen Anlass, sich
einfach zurückzulehnen; vielmehr müssen wir alles daransetzen, diese Schlupflöcher zu stopfen und dafür zu
sorgen, dass dieser Vertrag universal gültig ist.
Wir müssen einen weiteren wichtigen Punkt aufgreifen. Es geht nicht nur darum, dass die Bundesregierung
ihre Bestände unverzüglich und konsequent vernichtet,
sondern auch darum, dass wir anderen Staaten untersagen, auf deutschem Boden weiterhin Streubomben zu lagern und von hier aus zu benutzen.
({7})
Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt unseres Antrags,
der deshalb nicht in allen Bestandteilen hinfällig geworden ist. Er ist vielmehr eine Einladung an alle, die sagen:
Wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen; der Vertrag
muss umgesetzt werden, und wir müssen Schritte machen, die darüber hinausgehen. Diese Punkte stehen in
unserem Antrag. Deshalb ist er meines Erachtens weiterhin aktuell.
Danke.
({8})
Der letzte Redner des heutigen Tages ist Winfried
Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
genau sechs Monaten haben Sie, Herr Präsident, hier in
den Räumen des Bundestages die Ausstellung „Explosives Erbe des Krieges - Erfolge und Herausforderungen Zwischenbilanz der Kampagne gegen Landminen und
Streumunition“ eröffnet. Dies geschah anlässlich des
zehnten Jahrestages des Ottawa-Abkommens gegen Antipersonenminen. Bei dieser Ausstellung wurde wiederum sehr deutlich, wie grausam diese Streumunition
für die Zivilbevölkerung ist. Es wurde deutlich, wie breit
inzwischen die gesellschaftliche Ablehnung dieser Waffengattung ist. Außerdem wurde deutlich hervorgehoben, welcher enorme historische Erfolg das Verbot der
Antipersonenminen war. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde wirklich durch zivilgesellschaftliche Anstrengungen unter Beihilfe williger Staaten eine ganze
Waffengattung geächtet. Das hat es vorher noch nie gegeben.
({0})
Zum damaligen Zeitpunkt - das weiß ich noch sehr
genau - war die Haltung der Bundesregierung widersprüchlich. Bei ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage
ein paar Monate zuvor hieß es:
Ein umfassendes Verbot von Streumunition, vergleichbar der Ächtung von Antipersonenminen
durch das Ottawa-Übereinkommen, hat derzeit
keine Aussicht auf Zustimmung einer Mehrheit der
Staatengemeinschaft, vor allem der Staaten, die
über Streumunition verfügen.
Das war eine sehr skeptische Beurteilung.
Der Acht-Punkte-Beschluss der Großen Koalition hat
bei dieser Problematik sehr große Schlupflöcher - eher
Tore - offen gelassen. Jetzt haben wir in Dublin den Vertrag zum Verbot von Streumunition abgeschlossen. Er ist
- da sind wir uns alle einig - eindeutig ein großer humanitärer Abrüstungserfolg, weil eine große Masse der realen Bestände - einschränkend muss man sagen: bei den
Vertragsstaaten - vernichtet werden muss. Die von der
Bundesregierung bis kurz vor Vertragsschluss geforderten Übergangsfristen gibt es nun doch nicht; es muss sofort mit der Vernichtung begonnen werden. Schließlich
gibt es erstmalig - das war bei keinem bisherigen RüsWinfried Nachtwei
tungsabkommen der Fall - Regelungen zu umfassender
und präziser Hilfe für die Opfer. Das sind die äußerst
positiven Aspekte.
Zugleich sind die Defizite unübersehbar. Kollege
Schäfer hat bereits die vom Vertrag ausgenommenen
Waffentypen angesprochen. Es steht weiterhin der Verdacht im Raum, den die beiden lobenswerten Kollegen
Weigel und zu Guttenberg in ihrem Brief an die Bundesregierung angesprochen haben. Es besteht der Verdacht,
dass Rücksicht auf bestimmte rüstungsindustrielle Interessen genommen wird. Behauptet wird, dass die ausgenommenen Waffentypen punktgenau und ohne Schäden
für die Zivilbevölkerung wirken. Solange aber nicht
transparent ist, wie diese Waffen tatsächlich wirken,
kann man diesen Verdacht nicht ausräumen. Es wurde
auch schon die Vertragsklausel angesprochen, die Operationen mit Nichtvertragsstaaten, die weiterhin Streumunition verwenden, erlaubt.
Zuallererst ist dieser Vertrag aber wiederum ein Erfolg einer zivilgesellschaftlichen Bewegung. Vor knapp
sechs Jahren hat die Antistreumunitionskoalition zu wirken begonnen. Hier in der Bundesrepublik sind besonders das Aktionsbündnis Landmine.de mit Thomas
Küchenmeister und Handicap International mit François
de Keersmaeker zu nennen. Ihnen ist ausdrücklich zu
danken.
({1})
Es gab viel Hör- und Sehbereitschaft hier im Parlament, und der damalige Bundestagspräsident Thierse ist
2003 mit gutem Beispiel vorangegangen, als Sie sich,
Herr Präsident, zu diesem Thema deutlich erklärt haben.
Dies war ein im Ergebnis gutes Zusammenwirken.
Befremdlich ist die jetzige Darstellung der Bundesregierung. Es ist richtig, dass sie sich für das Verbot
insgesamt stark gemacht hat. Aber de facto war sie zwischendurch immer wieder in einer gewissen Bremserrolle. Die Süddeutsche Zeitung stellt angesichts der gestrigen Äußerungen heute fest, dass da etwas Heuchelei
im Spiel sei.
Es ist von verschiedenen Seiten schon gesagt worden,
dass die Angelegenheit jetzt nicht erledigt ist. Jetzt geht
es vor allem darum, Druck auf die bedeutenden Streumunitionsbesitzer und -produzenten auszuüben. Es ist in
der Tat die Frage, ob sich aus Art. 1 des Vertrages nicht
ergibt, dass zum Beispiel die USA ihre großen Streumunitionsbestände in der Bundesrepublik nicht weiter unterhalten dürfen, dass diese beseitigt werden müssen.
Es sind einige Experten aus dem Bereich Rüstungskontrolle und Abrüstung anwesend. Unsere Erfahrungen
in den letzten Jahren waren fast durchweg deprimierend.
Es gibt kaum einen anderen Politikbereich, der so deprimierend ist, wo man jeden Mut und jede Motivation verlieren kann. Der Vertrag, der jetzt unterzeichnet wird, ist
von enormer Bedeutung, weil er wirklich Mut macht,
Mut in einem entscheidenden Bereich von Friedens- und
Sicherheitspolitik und in der Tat Mut für die weiteren
notwendigen Schritte.
Danke schön, auch dafür, dass Sie mir Ihre zwei Minuten Redezeit gegeben haben.
({2})
Genauer gesagt: Er hat sie sich genommen.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Für ein sofortiges Verbot von Streumunition in Deutschland“. Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/9152, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 16/7767 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. Juni 2008, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen ein freundliches Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.