Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir können heute ohne jede Vorbemerkung oder Bekanntgabe zusätzlicher Tagesordnungspunkte - welcher
Komplikationen auch immer - in unsere Tagesordnung
eintreten.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur verbesserten Einbeziehung der
selbst genutzten Wohnimmobilie in die geförderte Altersversorgung ({0})
- Drucksache 16/8869 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({1})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
diese Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist es so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Dr. Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Fraktion.
({2})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Riester-Rente ist ein Erfolgsmodell ohne
Wenn und Aber.
({0})
Über 10 Millionen abgeschlossener Verträge bezeugen
dieses. Allerdings gehörte die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum bisher nicht zu den von der
Riester-Förderung unmittelbar begünstigten Anlageformen. Für viele Bürgerinnen und Bürger aber ist das
mietfreie Wohnen im Alter die bevorzugte Art der individuellen Altersvorsorge.
Aus diesem Grunde schreiben wir heute die Erfolgsstory Riester-Rente fort. Mit dem Eigenheimrentengesetz - volkstümlich und richtigerweise auch WohnRiester genannt - erweitern die Koalitionsfraktionen die
staatlich geförderte private Altersvorsorge um die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum. Heute ist
also ein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger.
({1})
Durch die Einbeziehung von selbst genutztem
Wohneigentum vergrößert sich das Angebot von steuerlich begünstigten Vorsorgemodellen. Die Menschen können somit aus verschiedenen, steuerlich gleichermaßen
geförderten Altersvorsorgeformen die ihnen passende
auswählen.
Die Bildung von Wohneigentum kann dabei auf zwei
Wegen gefördert werden. Zum einen kann das gesamte
in einem Altersvorsorgevertrag angesparte Vermögen für
die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnimmobilie
entnommen werden. Alternativ kann das gesamte Vermögen zu Beginn der Auszahlungsphase für die Entschuldung einer schon angeschafften Immobilie genutzt
werden. Diese Entnahmemöglichkeiten gelten auch für
bereits bestehende Verträge.
Aus Sicht der SPD ist es ferner in diesem Zusammenhang besonders begrüßenswert, dass auch der Erwerb
von Genossenschaftsanteilen für die Nutzung einer Genossenschaftswohnung in die steuerliche Förderung integriert wird.
({2})
Hierdurch kann ebenso wie bei selbst genutztem Wohneigentum eine Verringerung der Wohnkosten im Alter
erreicht werden.
Redetext
Zum anderen aber - das ist neu - können auch direkt
zur Darlehenstilgung eingesetzte Mittel steuerlich gefördert werden. Begünstigt werden dabei sowohl reine
Darlehensverträge als auch Sparleistungen im Zusammenhang mit Bausparverträgen und die nach Zuteilung
des Darlehens zu entrichtenden Tilgungen.
({3})
In die Förderung einbezogen werden dabei ausdrücklich
auch die vielfach von den Bausparkassen angebotenen
tilgungsfreien Vorfinanzierungsdarlehen mit anschließender Ablösung durch einen Bausparvertrag.
Diese im Eigenheimrentengesetz vorgesehene Förderung bietet ein Höchstmaß an Flexibilität. Wer einen Altersvorsorgevertrag abschließt, muss eben noch keine
Vorfestlegung auf die Bildung steuerlich geförderten
Wohneigentums treffen. Er behält die Wahlmöglichkeit,
ob er sich das angesparte Kapital im Alter als Rente auszahlen lassen will oder aber es für die Anschaffung einer
Wohnimmobilie nutzt. Er kann aber auch, wenn er sich
sicher ist, gleich zu Beginn sagen: Jawohl, ich möchte
mit einem zertifizierten Bausparvertrag ganz gezielt auf
eine Wohnimmobilie zusteuern.
Wie attraktiv das Ganze ist und sein kann, lassen Sie
mich bitte anhand eines Beispiels kurz aufzeigen, eines
Beispiels, bei dem ich das Jahresfamilieneinkommen mit
50 000 Euro bewusst relativ hoch angesetzt habe. Eine
Familie mit zwei Kindern, die bei diesem Jahreseinkommen ein Darlehen über 40 000 Euro aufnimmt, wird dieses Darlehen nach circa 20 Jahren getilgt haben. Wenn
sie dann diese 40 000 Euro Schulden getilgt hat - ich
muss hinzufügen: ein Kind ist vor und ein Kind ist nach
dem 1. Januar 2008 geboren -, dann bedeutet das, dass
diese Familie von dem getilgten Darlehen in Höhe von
40 000 Euro lediglich 24 140 Euro selbst aufgebracht
hat und der Rest, nämlich 15 860 Euro, durch staatliche
Zulagen abgedeckt wurde. Das heißt also, fast
40 Prozent dieses Darlehens werden vom Staat in Form
einer Zulage abgedeckt, damit diese Familie für das Alter vorsorgen kann. Das ist unschlagbar.
({4})
Die SPD hat ferner erreicht - es gab da unterschiedliche Sichtweisen -, dass bei der Einbeziehung der
Wohnimmobilie in die staatliche Förderung die Systematik der Riester-Rente - das war uns ganz wichtig erhalten blieb. Nur bei einer systematischen Gleichbehandlung der Immobilie mit anderen Anlageprodukten
- Banksparplan, Fondssparplan usw. - gibt es die so oft
beschriebene und beschworene echte Wahlfreiheit. In
der Ansparphase erfolgt daher wie bislang eine Steuerfreistellung der Beiträge; in der Auszahlungsphase werden die sich aus Beiträgen, Zulagen und Erträgen ergebenden Leistungen nachgelagert besteuert. Das Ganze
geschieht unter Zuhilfenahme eines sogenannten Wohnförderkontos. Auf diesem Konto werden die in der Immobilie gebundenen steuerlich geförderten Beiträge erfasst und nachgelagert besteuert.
Die Steuerpflichtigen erhalten jedoch - das ist neu zu Beginn der Auszahlungsphase ein einmaliges Wahlrecht, ob sie sich wie sonst bei der Riester-Rente jährlich nachgelagert besteuern lassen wollen oder ob sie
stattdessen lieber eine Einmalbesteuerung in Höhe von
70 Prozent des in der Wohnimmobilie gebundenen steuerlich geförderten Kapitals nutzen wollen.
({5})
Das ist gut und richtig.
Entgegen manchen Befürchtungen wird die Einbeziehung der Wohnimmobilien kein Monster der Bürokratie
bedeuten. Nein, die Führung des Wohnförderkontos
vollzieht sich ganz unspektakulär bei der Finanzverwaltung. Über die Entwicklung der geförderten Beiträge unterrichtet ebenso unspektakulär der Anbieter.
Da wir nun die Einbeziehung des Wohneigentums in
die Riester-Rente und damit eine Neuausrichtung vorgenommen haben, ergab und ergibt sich folgerichtig, dass
diese Neujustierung auch auf die Ausrichtung der Wohnungsbauprämie Konsequenzen haben wird und sich
diese Prämie ganz fokussiert auf die Anschaffung bzw.
den Kauf einer Immobilie richten muss.
Das Eigenheimrentengesetz enthält außerdem zwei
weitere, wie ich denke, erwähnenswerte Einzelpunkte:
Zum Ersten ist das der Berufseinsteigerbonus in
Höhe von 100 Euro. Diese Summe mag gering erscheinen; diese Förderung ist aber eine gute Möglichkeit,
Sparerinnen und Sparer, die das 21. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, die also in besonderem Maße die
mit der Langfristigkeit der Verträge verbundene Hebelwirkung zu ihren Gunsten nutzen können, auf die
Riester-Möglichkeiten aufmerksam zu machen und ihnen den Zugang zu Riester-Modellen zu erleichtern.
Zum Zweiten haben wir eine Möglichkeit gefunden
- auch das ist interessant und gut -, dass diejenigen, die
eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen - das gilt analog auch für Beamte -, sich im Rahmen der Altersvorsorge zusätzlich versichern können. Diese Personen
konnten während ihrer sozialversicherungspflichtigen
Tätigkeit bzw. während ihrer Beamtentätigkeit nämlich
keine Anwartschaften aufbauen.
Die mit dem Eigenheimrentengesetz vorgesehene
Einbeziehung der Bildung von Wohneigentum ist durchdacht. In langen Beratungen mit dem Koalitionspartner
ist das eine runde Sache geworden. Daher können wir
sagen: Ja, die Erfolgsstory Riester-Rente wird zum
Wohle der Menschen in unserem Land fortgesetzt. Die
SPD-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass dieses Gesetz im Anschluss an diese erste Lesung nach zügiger
Beratung noch vor der Sommerpause verabschiedet
wird, damit sich alle Menschen in diesem Land in der
zweiten Jahreshälfte exakt informieren können, ob sie
von dieser neu geschaffenen Möglichkeit der Förderung
eines Altersvorsorgeproduktes Gebrauch machen können. Das ist gut, richtig und vor allen Dingen eine Sicherheit für die Menschen in diesem Land.
Ich danke Ihnen.
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele,
FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Krüger,
ich glaube, dieses Gesetz ist mehr Schein als Sein. Es
wird der Eindruck erweckt, dass mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf der Weg zu mehr Wohneigentum
in Deutschland geebnet wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie wissen selbst, dass das nicht so
ist. Im ersten Jahr beträgt das Fördervolumen gerade einmal 20 Millionen Euro, und die volle Wirkung tritt erst
nach 25 Jahren ein. Diese Regelung ist kein Ersatz für
die weggefallene Eigenheimzulage. Sie ist unzureichend und ungeeignet, nennenswert mehr Wohneigentum zu schaffen. Die eingeplanten Mittel sind einfach zu
gering.
({0})
Außerdem verschweigen Sie, dass das Sparen von Ihnen in Zukunft an anderer Stelle schlechter gefördert
wird. Das Wohnungsbauprämiengesetz soll geändert
werden. Die angesparten Gelder sind zukünftig „nur
noch bei wohnungswirtschaftlicher Verwendung prämienbegünstigt“. Dadurch wird das Ansparen zum einen
weniger attraktiv. Das gilt insbesondere für jüngere
Menschen, die sich nicht in jungen Jahren darauf festlegen wollen, Wohneigentum zu erwerben.
({1})
Zum anderen müsste dieser Punkt eigentlich im
Finanztableau aufgeführt werden - für mich ist es eine
Überraschung, dass das nicht so ist -: Die derzeitigen
Prämien belasten den Bundeshaushalt mit circa
442 Millionen Euro; wenn das weniger wird, müsste das
im Finanztableau erscheinen. Insofern kann ich nur sagen: Sie geben wenig, nehmen dafür aber etwas. Dieses
Gesetz hat die Wirkung eines Potemkinschen Dorfes. Ich
habe erhebliche Zweifel, ob mit diesem Gesetz tatsächlich mehr Wohneigentum in Deutschland entstehen
kann.
Wir brauchen Sparvorgänge. Wenn wir vergleichen,
wie Immobilien in den Vereinigten Staaten und in
Deutschland finanziert werden, stellen wir fest, dass wir
froh darüber sein können, dass die Eigenkapitalquote
beim Erwerb von Wohneigentum in Deutschland durchschnittlich 30 Prozent beträgt. Insofern müssen wir die
Kapitalbildung erleichtern. Mit der Reduzierung der
Bausparförderung wird das leider nicht erreicht, sondern
das Gegenteil.
({2})
Dieses Gesetz enthält ein beinahe unglaubliches Ausmaß an Bürokratie. Das Folgende müsste viele nachdenklich werden lassen: Die Zehn Gebote enthalten
279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung enthält 300 Wörter, aber allein die §§ 92 a und 92 b
des Einkommensteuergesetzes enthalten 1 181 Wörter,
und der Art. 2 über die Änderung des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes enthält 2 718 Wörter.
({3})
Hier ist in einer Komplexität und in einem bürokratischen Überwahn etwas auf den Weg gebracht worden,
was sämtlichen Bemühungen der Bundesregierung um
Bürokratieabbau und Ähnliches absolut Hohn spricht.
({4})
Man muss sich schon fragen: Warum einfach, wenn
es auch kompliziert geht? Warum sollen die Nutzer und
Anbieter dieser Regelung mit klaren und einfachen Regeln arbeiten, wenn es auch kompliziert geht? Deshalb
richte ich an Union und SPD die Frage, ob es sinnvoll
und nötig ist, die Förderung des Wohneigentums derart
kompliziert auszugestalten. Es sollen acht Gesetze und
Verordnungen geändert bzw. ergänzt werden, darunter
allein das Einkommensteuergesetz an zehn verschiedenen Stellen. Auf Bürger, Verwaltung und Unternehmen
kommen 21 neue Informationspflichten zu. Deshalb ist
der von der Koalition versprochene Bürokratieabbau
eine einzige Leerformel.
Wir als FDP setzen uns schon seit Jahren für mehr
Teilhabe der Bevölkerung an den Werten unserer Gesellschaft ein. Deshalb haben wir die Erhöhung der
Wohneigentumsquote betrieben und freuen uns darüber, dass sie von 1992 bis 2003 von knapp 39 Prozent
auf 43 Prozent gestiegen ist, also um circa 10 Prozent, in
den neuen Bundesländern sogar um 30 Prozent. Das bedeutet, dass in dieser Zeit etwa 1,5 Millionen zusätzliche
Haushalte Eigentum erworben haben. Geht man von einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,2 Personen
pro Haushalt aus, bedeutet dies, dass jetzt 3,3 Millionen
Menschen mehr in selbst genutztem Wohneigentum leben und nicht mehr zur Miete wohnen.
Dennoch bilden die Deutschen im Hinblick auf die
Wohneigentumsquote im europäischen Vergleich nahezu
das Schlusslicht. In Spanien wohnen 86 Prozent der
Menschen in den eigenen vier Wänden,
({5})
in Irland 83 Prozent, in Frankreich 56 Prozent, in Österreich 57 Prozent und in Großbritannien 70 Prozent. Der
Trend, dass sich die Wohneigentumsquote in unserem
Land erhöht, darf nach Auffassung der FDP nicht abbrechen. Hier müssen wir etwas tun.
({6})
Insofern ist es beängstigend, dass die Zahl der in diesem Jahr fertiggestellten Wohnungen inklusive des Mietwohnungsbaus unter 200 000 liegt.
({7})
Es besteht die Gefahr, dass es langfristig zu einem Wohnungsmangel kommt - in einigen Bereichen ist er bereits zu verzeichnen -, der dazu führen wird, dass in vielen Gegenden unseres Landes zusätzlich zu den drastisch
gestiegenen Warmmieten auch die Kaltmieten steigen
werden.
Die FDP begrüßt, dass der Anlagenkatalog des vom
Staat geförderten Altersvorsorgesparens, der bisher das
Lebensversicherungssparen, das Sparen nach Banksparplänen und das Sparen in Investmentfonds umfasst, nun
um die Baufinanzierung ergänzt werden soll.
Zwischen den anderen Anlageformen und der Förderung des selbst genutzten Wohneigentums gibt es allerdings einen grundsätzlichen Unterschied: Im Gegensatz
zu den bisherigen Anlageformen fließen einem Mieter
bei Erreichen der Altersgrenze keine Geldbeträge zu, auf
die Steuern zu zahlen sind. Insofern handelt es sich bei
der Förderung von Wohneigentum um einen anderen
Weg, der aus unserer Sicht auch anders behandelt werden sollte.
Die Förderung von Wohneigentum sollte praktikabel
ausgestaltet werden. Sie sollte einfach, verständlich und
flexibel sein. Anstatt die Zulage bei der Entnahme zu besteuern, wäre es denkbar, den Förderbetrag um die später
entstehende Steuerschuld zu reduzieren. Dies würde
zwar zu einer Verringerung der Zulagenförderung führen, würde aber gleichzeitig den Haushalt entlasten und
wäre erheblich einfacher und praktikabler.
({8})
Im Namen der FDP begrüße ich, dass gerade die SPD
ideologischen Ballast abgeworfen hat. Das war vermutlich einer der Gründe dafür, dass die Diskussion über
dieses Gesetz so lange gedauert hat. Wir befinden uns
bereits in der zweiten Hälfte dieser Wahlperiode. Eigentlich sollte dieses Vorhaben schon im Jahre 2007 Gesetz
werden.
Wohneigentum ist ein Eckpfeiler einer liberalen Gesellschaftsordnung. Ich freue mich und hoffe, dass auch
die Mehrzahl der Sozialdemokraten dies inzwischen so
sieht und nicht mehr an dem Eindruck festhält, dass insbesondere Mieter treue sozialdemokratische Wähler
sind. Wohneigentum verschafft den Bürgerinnen und
Bürgern Freiheit und Unabhängigkeit im privaten Bereich. Die Bürger erwerben Eigentum und damit Sicherheit. Wohneigentum ist aber auch ein wichtiges Instrument der Altersvorsorge. Im Durchschnitt vermeiden
Rentnerhaushalte, die über selbst genutztes Wohneigentum verfügen, pro Monat Mietaufwendungen in Höhe
von über 500 Euro oder 20 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Da wird es verständlich, dass Umfragen zufolge
für 82 Prozent der Deutschen eigener Wohnraum zu den
idealen Formen der Absicherung fürs Alter gehört.
Ich komme zum Schluss. In der Regierungskoalition
gab es um dieses Gesetz ein mühsames Gezerre. Die
jetzt beschlossene Ausgestaltung der Eigenheimförderung ist abenteuerlich. Wir hoffen, dass die Anhörung
den Koalitionsfraktionen zu einem Erkenntnisgewinn
verhilft und sie dann hoffentlich bereit sind, ihren Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten und so zu verbessern, dass mit diesem Gesetz das Ziel der Steigerung
der Wohneigentumsquote tatsächlich erreicht werden
kann. Ich würde mir wünschen, dass sich die Union dafür einsetzt. Bisher hat sie lediglich den Erfolg erzielt,
dass „Riester“ im Titel des Gesetzes nicht auftaucht.
Aber das als einziger Erfolg ist ein bisschen wenig.
Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Michael Meister,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen aus Umfragen, dass die Immobilie bei den Menschen, wenn es darum geht, was die richtige Vorsorge für
das Alter ist, an zweiter Stelle steht. Mit dem Eigenheimrentengesetz, über das wir heute in erster Lesung
beraten, wollen wir die Bevölkerung bei der Erfüllung
ihres Wunsches, Eigentum zu erwerben, unterstützen.
({0})
Bisher wurde die Immobilie diskriminiert. Mit diesem
Gesetz wird die selbst genutzte Immobilie der Geldrente gleichgestellt. Das ist ein gewaltiger Schritt nach
vorne.
({1})
Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die Akzeptanz
für die private Altersvorsorge insgesamt wächst.
Wir gewähren mit diesem Gesetz keine neue Leistung, wir schaffen lediglich eine neue Anlagemöglichkeit. Deshalb sind die Mehrausgaben, die im Haushalt
entstehen werden, rein dadurch begründet, dass über die
Immobilie mehr Menschen zur Altersvorsorge finden
werden. Wir erliegen nicht staatlichen Allmachtsfantasien, glauben nicht, dass der Staat eine hinreichende Altersvorsorge garantieren kann. Deshalb setzen wir darauf, die Menschen zu motivieren, in jungen Jahren,
wenn sie im Erwerbsleben stehen, Eigenvorsorge zu betreiben. Wir verbinden mit diesem Eigenheimrentengesetz die Hoffnung, dass die Menschen im Alter selbst für
ihr Auskommen sorgen können.
({2})
Wer ein Haus baut, zeigt Verantwortung, nicht nur für
sich selbst, sondern auch für seine Familie und für die
Gesellschaft, ist bereit, ein Risiko einzugehen. Eigentum
zu schaffen, ist in unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung gleichzeitig Voraussetzung und Ziel. Wir
wollen mit diesem Gesetz die Eigentumsbildung unterstützen. Wir sind eine Partei, die glaubt, dass unsere Gesellschaft stabiler wird, wenn die Menschen über Eigentum verfügen. Auch deshalb wollen wir die Schaffung
von Eigentum unterstützen.
({3})
Wir haben in den vergangenen Jahren viel getan, um
die private Eigenvorsorge zu stärken. Ich bin fest davon
überzeugt, dass der Ansatz richtig ist, auf Subsidiarität
zu setzen, die Menschen zu animieren, Eigenvorsorge zu
betreiben, und dies als Staat zu unterstützen. Wir haben
zum letzten Jahreswechsel die betriebliche Altersvorsorge gestärkt, indem wir sie weiterhin von Steuern und
Sozialabgaben freigestellt haben.
({4})
- Ja, aber es war bis zum 31. Dezember 2007 befristet,
Herr Kollege. Wir haben diese Befristung aufgehoben
und damit die Förderung weiterhin möglich gemacht.
({5})
Wir haben durch die nachgelagerte Besteuerung dafür gesorgt, dass das Ansparen für Eigentum und Vorsorge steuerlich begünstigt wird. Die Besteuerung findet
jetzt erst in der Auszahlungsphase statt; die Menschen
haben dann in der Regel einen viel niedrigeren Steuersatz. Wir haben ferner mit der Riester-Geldrente und der
Rürup-Unterstützung geeignete Instrumente gefunden.
Ich glaube, all das sind Anreize dafür, das aufzufangen, was durch die gesetzliche Rente in Zukunft nicht
mehr geleistet werden kann, weil das Verhältnis zwischen den Erwerbstätigen und den Beziehern von Leistungen immer schlechter wird. Vor 40 Jahren betrug das
Verhältnis vier zu eins - vier Arbeitnehmer kamen auf
einen Leistungsbezieher -, heute beträgt das Verhältnis
zwei zu eins, und in 25 Jahren wird das Verhältnis eins
zu eins betragen.
({6})
Deshalb ist es zwingend notwendig, dass wir die Menschen zu mehr Eigenvorsorge animieren.
Wer den Menschen heute suggeriert, dass der Staat
das alles leisten kann, der täuscht sie und führt sie in die
Irre. Irgendwann werden sie erkennen, dass dies ein
Fehlglaube war, und dann ohne Vorsorge dastehen. Davor wollen wir die Menschen in diesem Lande schützen.
({7})
Was geschieht durch dieses Gesetz? Zum einen werden wir während der Tilgungsphase eine Förderung gewähren. Das heißt, dann, wenn die Menschen aufgrund
des Erwerbs bzw. Baus ihrer Immobilie am meisten belastet sind - während der Tilgungsphase -, entlasten wir
sie durch die Zulage aus der Eigenheimrente. Sie werden
dazu animiert, indem sie die Möglichkeit erhalten, vorher eine Geldrente zu ersparen, aus der sie dann Mittel
entnehmen können, und indem sie auch in der Vorsparphase, also während der Kapitalbildung vor dem Wohnungserwerb, unterstützt werden.
Ich habe vorhin schon erwähnt, dass im Hinblick auf
alle Förderkonditionen - Förderhöhe und Förderbedingungen - eine vollständige Gleichstellung der Immobilie mit der Geldrente erfolgt. Es kommt hier zur nachgelagerten Besteuerung. Wir bleiben also im System.
Weil der Punkt Einfachheit angesprochen worden ist,
will ich an dieser Stelle eine Bemerkung dazu machen:
Das, was wir heute beschließen, ist wesentlich einfacher
als das, was es bisher gibt. Bisher darf man nämlich
zwar entleihen, aber man muss das Geld bis zum Renteneintritt zurückzahlen. Parallel dazu muss man noch
den Immobilienkredit tilgen und weiter für die Geldrente
sparen. Das, was wir hier beschließen, ist also wesentlich einfacher als das, was heute gilt. Es ist also ein
Schritt hin zu mehr Einfachheit.
({8})
Ich sage aber auch: Nichts ist so einfach, dass es nicht
noch einfacher werden könnte.
({9})
Deshalb werden wir als Fraktion uns darum bemühen,
dass das, was wir hier beschließen werden, in Zukunft
noch einfacher wird.
({10})
Dennoch bin ich der Meinung, dass man einen Schritt
hin zu mehr Einfachheit nicht im Vorhinein diskreditieren, sondern auch einmal anerkennen sollte.
({11})
Das habe ich in allen Redebeiträgen bisher - ich nehme
den Kollegen Krüger aus - ein Stück weit vermisst; denn
das wurde leider nicht entsprechend angesprochen.
Ich komme zur Rendite. Auch hinsichtlich der Rendite wird ein Stück weit versucht, diese Eigenheimrente
zu diskreditieren. Ich bin der Meinung, dass die Rendite
dieser Eigenheimrente sehr gut ist. Es wird zwar nachgelagert besteuert - wir haben dort ein Optionsmodell eingefügt -, aber dennoch bin ich der Meinung, dass die
Rendite für denjenigen, der ein entsprechendes Objekt
kauft, hervorragend ist. Er profitiert einerseits vom vorhin angesprochenen und in der Regel niedrigeren Steuersatz während der Phase, in der er Leistungsbezieher ist,
und andererseits natürlich davon, dass ihm die Mittel
über den entsprechenden Zeitraum hinweg gestundet
worden sind. Deshalb glaube ich, dass das Ganze auch
unter Renditeaspekte vernünftig ist.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, nämlich
die Wohnungsbauprämie. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Wohnungsbauprämie zwar ein ganz kleiner, aber sehr wichtiger Anreiz für die Menschen zum
Sparen ist.
({12})
Deshalb wollen wir die Wohnungsbauprämie auch in
Zukunft erhalten.
Es gibt viele, die daran zweifeln, dass der Anreiz hilft,
weil er sehr klein ist. Wenn man sich die Zahlen darüber
anschaut, wie viele Menschen sich durch diesen kleinen
Anreiz animieren lassen, dann sieht man, dass wir an
dieser Stelle einen riesigen Hebel haben.
Wir schaffen die Wohnungsbauprämie jetzt nicht ab,
({13})
sondern in Zukunft wird es bei der Gewährung der Wohnungsbauprämie eine Zweckbindung geben, wonach das
Geld, mit dem gefördert worden ist, tatsächlich in eine
Immobilie fließen muss.
({14})
An dieser Stelle will ich auch erwähnen, dass wir im
parlamentarischen Verfahren darüber sprechen werden,
inwieweit es möglich ist, insbesondere für junge Menschen, die vielleicht erst einmal ein Stück weit zum Sparen angeleitet werden müssen, noch zu anderen Regeln
zu kommen. Das steht noch nicht im Gesetzentwurf,
aber über diese Frage wollen wir miteinander reden. Wir
wollen schauen, ob wir hier einen besonderen Anreiz für
Jugendliche setzen können, weil wir glauben, dass dies
ein wichtiger Punkt ist.
Letzte Bemerkung. Wir ermöglichen es, dass mehr
Akteure solche Produkte anbieten können. Bisher war es
den Bausparkassen - ich nenne sie beispielhaft - lediglich möglich, Geschäfte im Bereich des Bausparens zu
tätigen. Das Gesetz ermöglicht es auch Bausparkassen,
Produkte für die Altersvorsorge anzubieten. Das ist ein
Schritt hin zu mehr Wettbewerb und sorgt für einen weiteren Anreiz, der der Altersvorsorge in Deutschland guttun kann.
Ich hoffe, dass wir zu guten Beratungen über den vorliegenden Gesetzentwurf im Ausschuss und im Bundestag kommen werden und dass mit diesem Gesetz ein
Fortschritt für die Bürger in unserem Land verbunden
ist.
Vielen Dank.
({15})
Volker Schneider ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr Kollege Dr. Krüger, Ihre Rede mutete mir
gespenstisch an. Sie haben die Riester-Förderung und
den vorliegenden Gesetzentwurf als tolle Erfolge gefeiert. Ich frage mich ernsthaft, ob Ihnen überhaupt bewusst
ist, welches der Sinn einer Rentenversicherung ist. Meiner Meinung nach besteht die Kernaufgabe einer Rentenversicherung darin, die Menschen im Alter vor Armut
zu schützen und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
({0})
Die Kassiererin aus einem Hamburger Supermarkt,
die genauso wie die meisten ihrer Kolleginnen 400 Euro
verdient, fragt sich: Was habe ich von diesem Gesetz?
Der Bauleiter in Erfurt, der über 50 Jahre alt ist und
schon seit vier Jahren arbeitslos ist, fragt sich: Was nutzt
mir dieses Gesetz? Die Fernsehjournalistin aus Köln, die
sich als Selbstständige von Auftrag zu Auftrag hangelt
und später von den Leistungen der Künstlersozialversicherung leben muss, fragt sich: Schützt mich und nutzt
mir dieses Gesetz wirklich? Der Soloselbstständige aus
dem Saarland, der mit großen Hoffnungen in seine IchAG gestartet ist und heute von der Hand in den Mund leben muss und keinen einzigen Cent für die Altersvorsorge erübrigen kann, fragt sich: Was nutzt es? Ich sage
Ihnen: Für diese Menschen ist Altersarmut verdammt
real und Wohneigentum von einem anderen Stern.
({1})
Schauen wir uns Ihre tollen Erfolge bei der RiesterRente genau an. Aufgrund der veränderten Demografie
trägt der Generationenvertrag nicht mehr. Also muss privat vorgesorgt werden. Was passiert aber, nachdem Sie
den Menschen das Heil aus der privaten Altersvorsorge versprochen haben und alle Risiken ignoriert haben, die dieses System mit sich bringt? Sie haben das
System der gesetzlichen Rentenversicherung demontiert und seiner Schutzfunktion beraubt, sodass die freiwillige private Zusatzversorgung heute faktisch ein
Zwang ist - Herr Meister will sie auch zum Zwang machen, wenn ich seine Rede richtig verstanden habe -, es
sei denn, ich will sehenden Auges in Kauf nehmen, dass
ich im Alter nicht ausreichend vor Armut geschützt bin.
({2})
Sie versuchen, den Menschen weiszumachen, dass es
gut für sie sei, wenn jeder selbst Kapital für das Alter
aufbaut, und tun auch noch so, als wäre dies immer mit
einer tollen Rendite, zumindest mit einer besseren Rendite als in der gesetzlichen Rentenversicherung, verbunden. Ich will hier nur am Rande für die Kolleginnen und
Kollegen der sogenannten Sozialdemokratie erwähnen,
dass in dem Moment, wo jeder für sich selbst sorgt, das
Solidarprinzip endgültig aufgekündigt ist.
({3})
Bei Ihrer ungebrochenen Begeisterung für die private
Vorsorge übersehen Sie beflissentlich einige Punkte, die
Ihnen zu denken geben müssten. Selbst Herr Rürup bestreitet nicht, dass die Verwaltungskosten bei den privaVolker Schneider ({4})
ten Versicherern bis zu fünfmal so hoch liegen wie in der
gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist kein Wunder.
Man muss sich nur anschauen, wie viele Versicherungsvertreter unterwegs sind, welche Provisionen sie kassieren und welcher Werbeaufwand getrieben wird. Zieht die
Versicherung die Verwaltungskosten zuerst ab, dann
wird manch einer staunen. Viele, die in einer Notlage
eine Lebensversicherung vorzeitig gekündigt haben,
mussten schon feststellen, dass sie exakt null herausbekommen, obwohl sie jahrelang eingezahlt haben.
Nun behaupten Sie, dass die Versicherungsunternehmen mit dem eingezahlten Kapital arbeiteten und damit
deutlich bessere Renditen erzielten als die gesetzliche
Rentenversicherung. Das belegen Sie dann mit Beispielrechnungen, die so unseriös sind, dass im Vergleich dazu
ein Hütchenspieler fast schon wie eine ehrliche Haut erscheint.
({5})
Was Sie bei all diesen Berechnungen verschweigen,
ist die Tatsache, dass die gesetzliche Rentenversicherung
mehr ist als nur eine Alterssicherung; denn sie schließt
auch die Absicherung bei Erwerbsminderung ein.
Wenn man bei einer privaten Versicherung eine sehr
teure Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abschließen
muss, dann lösen sich Ihre Renditeversprechungen ganz
schnell in Luft auf.
({6})
Das ist hinsichtlich der Renditeversprechungen auch
kein Wunder: Wenn man von dem eingezahlten Kapital
zuerst bis zu 20 Prozent für Verwaltungskosten abzieht,
dann müsste man schon sensationell wirtschaften, um
mit den verbleibenden 80 Prozent Kapital noch tolle Erfolge zu erzielen.
Wo werden diese Renditen erzielt? Auch die Lebensversicherer investieren am internationalen Finanzmarkt,
und was dort im Moment passiert, brauche ich wohl
nicht mehr zu sagen. 1 000 Milliarden Dollar lösen sich
im Moment in Luft auf. Die Menschen in Südamerika, in
den USA und in Großbritannien mussten erleben, wie
ihre betriebliche und private Vorsorge in der Vergangenheit katastrophale Einbrüche erlebte. Das stand am
10. März 2004 auch in der Frankfurter Rundschau zu lesen:
Drei Jahre sinkender Börsenkurse und niedriger
Zinssätze haben den Wert des nichtstaatlichen Rentenvolumens drastisch gesenkt.
In derselben Woche hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz beschlossen, das die private Vorsorge eindeutig stärker fördert. Kurz zuvor - auch das hat als Mahnung nicht
gereicht - war mit der Mannheimer Lebensversicherung
erstmals auch in Deutschland ein Versicherungskonzern
in die Knie gegangen. Die Risiken waren und sind also
bekannt.
Und als Letztes: Während die gesetzliche Rentenversicherung vor ihrer Absenkung durch die Einführung
von Dämpfungsfaktoren der Lohnentwicklung folgte, erhalten Sie bei einer privaten Vorsorge das heraus, was
Sie eingezahlt haben, zuzüglich der erzielten Rendite.
({7})
Dieser Betrag ist aber während der gesamten Vertragslaufzeit der Inflation ausgesetzt. Deshalb wird es manch
langes Gesicht geben, wenn den Versicherten klar wird,
wie viel die versprochene Rente, deren Höhe bei Vertragsabschluss noch so vielversprechend klang, bei der
Auszahlung tatsächlich wert ist. 100 000 Euro entsprechen bei einer Inflationsrate von 1,5 Prozent nach
35 Vertragsjahren real noch nicht einmal mehr
60 000 Euro. Das sind die Fakten.
Ein Gewinner dieses Systems steht jedoch fest: die
Versicherungsunternehmen, denen Sie durch die Privatisierung der Altersvorsorge mindestens 12 Milliarden
Euro zusätzlichen Umsatz beschert haben. Damit deren
Umsatz weiter steigt, übernehmen Sie jetzt auch noch
die Kosten für die Werbegeschenke an Jugendliche bis
zum 21. Lebensjahr, auch wenn Sie das Berufseinsteigerbonus nennen.
({8})
Weil das Geschäft so toll läuft, sollen nach den Versicherungsunternehmen auch die Bausparkassen von der Privatisierung profitieren. Sollten Sie in den nächsten Jahren nicht wieder ihre 60 000 Euro Spenden vom
Allianzkonzern bekommen, ahne ich, woher das Geld
beim nächsten Mal kommen wird.
({9})
Den Menschen draußen im Land hilft das nichts. Aber
das kümmert Sie ja offensichtlich nicht.
({10})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vorab nur ganz kurz eine Bemerkung zu dem, was der
Kollege von der Linken, Herr Schneider, gerade geäußert hat.
({0})
Er tut so, als ob der Staat ungeachtet unserer heutigen
demografischen Entwicklung in Zukunft für eine Rente
aufkommen könnte, die die Rentner und Rentnerinnen
von staatlicher Seite aus so weit schützt, dass sie nicht
weniger haben als heute, auch wenn sie nicht privat oder
betrieblich vorsorgen. Er sagt nicht, dass wir damit
- man muss ja über die Legislaturperiode hinaus konkret
weiterdenken - bis zum Jahr 2030 in eine Situation gerieten, in der die Rentenversicherungsbeiträge der ab16666
hängig Beschäftigten und der Arbeitgeber 40 Prozent
betrügen.
({1})
Das ist genau der Punkt, an dem ich sage: Sie haben kein
Konzept, und Sie suggerieren den Leuten, dass man,
ohne selbst in der privaten bzw. betrieblichen Vorsorge
aktiv zu werden, einen Schutz im Alter hat. Und das ist
völlig falsch.
({2})
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Großen
Koalition, nicht alles, was lange währt, wird unbedingt
richtig gut.
({3})
Wir haben leider schon oft in der Regierungszeit erlebt,
dass der Gedanke, der am Anfang steht, zwar ganz gut
ist, aber man dann, wenn die Gesetzentwürfe vorgelegt
werden, relativ schnell feststellt, dass es nicht gerade
Geniestreiche sind, die Sie hier präsentieren.
({4})
Das gilt auch für das Eigenheimrentengesetz. Es ist wenig verwunderlich: Die SPD wollte eigentlich gar keine
Änderungen, die Union wollte eigentlich einen Ersatz
für die abgeschaffte Eigenheimzulage, und deshalb ist
wohl auch der Name Eigenheimrente zustande gekommen.
({5})
Da sieht man einmal, wie solche Kompromisse Begriffsform annehmen.
Aber wie ist die Situation? Wir haben heute etwa
11 Millionen Menschen, die für eine Riester-Rente sparen. Wir wissen, dass es etwa 33 Millionen Menschen
gibt, die bei uns in Deutschland einen Anspruch haben,
einen Riester-Vertrag abschließen zu können. Wir wissen, dass die private Altersvorsorge eine tragende
Säule für die Sicherung des Lebensstandards im Alter
ist. Wir sagen auch, dass eine attraktive, einfache und
verständliche Förderung Sinn macht, damit noch mehr
Bürgerinnen und Bürger die Chance nutzen, ihre späteren Altersbezüge aufzubessern. Aber so, wie Sie von der
Großen Koalition es anfangen, wird es nichts werden;
denn die Vorschläge sind hochkomplex, sie sind verwaltungsaufwendig, und sie sind kostenintensiv.
So zeigen zum Beispiel die fiktiven Wohnförderkonten, die die Anbieter für ihre Exkunden weiterführen
müssen, die Komplexität. Das verkompliziert das gesamte Förderverfahren enorm. Herr Thiele hat zu Recht
darauf hingewiesen, dass 21 neue Informationspflichten
kommen. Auch wir haben das schon gemerkt. Wir brauchen vielfältige gesetzliche Änderungen, worauf Sie hingewiesen haben. Herr Dr. Meister hat die Ziele beschrieben und erklärt, warum man das tut. Der Anspruch ist
richtig, aber leider klaffen wie so oft Anspruch und
Wirklichkeit bei der Großen Koalition ziemlich auseinander.
({6})
Sie haben die Chance verspielt, den Gesamtförderrahmen flexibler auszugestalten. Erstens müsste die staatliche Einmischung zurückgenommen werden. Viele Bürgerinnen und Bürger sparen übrigens nicht in RiesterProdukte, weil sie sich gegängelt fühlen. So gibt es die
formale Begrenzung der Produkte, es gibt ein Mindestalter beim Renteneintritt, es gibt die Zwangsverrentung ab
85, und es gibt die formalen Auszahlungsvorschriften.
Das sind komplizierte Bestimmungen, die manche Leute
einfach nicht wollen. Eine private Altersvorsorge, die,
wie bei uns, nicht obligatorisch ist, muss den Sparenden
Selbstbestimmung einräumen.
({7})
Das ist das Prinzip, das wir von den Grünen immer
hochgehalten haben. Wir haben auch in der Vergangenheit, als die Gesetze entwickelt worden sind, gesagt, dass
wir ein Stück mehr Selbstbestimmung wollen und nicht
immer nur das Versicherungsdenken im klassischen
Sinne. Dann kann man nämlich auch eine Lebensversicherung abschließen, was völlig in Ordnung ist.
Zweitens wäre es an der Zeit, dass alle Bürgerinnen
und Bürger gefördert werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in der Ausbildung sind, ob sie abhängig beschäftigt sind oder ob sie selbstständig sind. Nur so bietet die Förderung genug Flexibilität für individuelle
Lebenskonzepte.
Drittens brauchen wir ein einheitliches Dach für die
zusätzliche Altersvorsorge; denn sonst drohen die Sparenden den Überblick zu verlieren. Das ist das Problem.
Von all dem steht nichts in dem Gesetzentwurf. Es ist
kaum nachvollziehbar, wie so die Attraktivität der steuerlich geförderten Altersvorsorge erhöht werden soll. Ich
frage mich auch, wie die Große Koalition den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln will, dass im Alter Beträge
versteuert werden müssen, die in der selbst genutzten
Wohnung oder im selbst genutzten Haus gebunden sind
und gar nicht fließen. Ich bezweifle, dass sich sehr viele
Menschen darauf einlassen werden.
Wir kritisieren bestimmte Punkte. Es gibt verbraucherfeindliche Produkte, gegen die die Verbraucherschutzverbände übrigens schon heute Sturm laufen. Es
gibt Verträge, die vorsehen, dass Darlehen zu einem
hohen Zinssatz aufgenommen und nicht getilgt werden,
während gleichzeitig zu einem niedrigen Zins angespart
wird und die jeweilige Bank damit einen entsprechenden
Gewinn auf Kosten der Kunden erwirtschaftet. Ich finde,
der Staat sollte die Sparenden nicht noch locken, unattraktive Produkte zu erwerben.
({8})
Das muss man auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten so sehen.
Aus diesem Grund haben die Grünen das Altersvorsorgekonto entwickelt. Es ist ein einfacher, verständlicher Weg. Das Finanzierungskapital für selbst genutztes
Wohneigentum soll dem Altersvorsorgekonto steuerfrei
entnommen werden können. Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz. Wir werden diesen Ansatz in die Diskussion einbringen.
Ich bin auf die Anhörung gespannt, die wir haben
werden. Ich habe aus der Gesellschaft großen Zuspruch
für das von den Grünen vorgeschlagene Altersvorsorgekonto erfahren. Dieses Konto ist wesentlich attraktiver
als das, was die Große Koalition hier macht.
Danke schön.
({9})
Das Wort erhält nun die Kollegin Petra Weis, SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem WohnRiester - ich gestehe freimütig, dass mir dieser Begriff
leichter über die Lippen kommt als der der Eigenheimrente; der Mensch ist ein Gewohnheitstier - ist der Koalition nach langen und, wie wir wissen, durchaus kontroversen Verhandlungen und Diskussionen eine nachhaltige Ausweitung der privaten Altersvorsorge gelungen. Diese Aussage gilt auch im Angesicht der vielfach
geäußerten Kritik von interessierter Seite. Ich sage das
mit einem nicht übertriebenen, aber durchaus gesunden
Selbstbewusstsein im Hinblick auf das erzielte Ergebnis.
Man mag uns sicherlich vorhalten - das ist schon zur
Sprache gekommen -, dass es viel zu lange gedauert hat,
bis dieser Kompromiss auf dem Tisch lag. Frau Kollegin
Scheel, gut Ding braucht manchmal Weile. Ich schätze
die Bedeutung und die Qualität des Kompromisses deutlich positiver ein, als Sie es tun. Man mag uns vorwerfen, dass die Regelungen zu kompliziert und zu bürokratisch sind. Ich habe manchmal das Gefühl, dass das fast
schon ein Totschlagargument ist. Gelegentlich frage ich
mich auch: Woher wissen wir eigentlich, ob die Sache in
der Praxis funktioniert oder nicht? Man mag uns vorhalten, dass der Wohn-Riester kein gleichwertiger Ersatz
für die abgeschaffte Eigenheimzulage ist. Das war aber
auch nie die Absicht.
Man muss neidlos anerkennen, dass es uns gelungen
ist, das selbst genutzte Wohneigentum nun als gleichberechtigtes Element der Riester-Rente zu etablieren. Das
unterstützt den Wunsch vieler Menschen, Wohneigentum zu erwerben. Der Kollege Meister hat das schon
vorhin erwähnt. Wir wissen, Kollege Thiele, dass sie
nicht alle die FDP wählen - welch ein Glück!
„Ein Haus, zwei Bier“ titelte unlängst ein Nachrichtenmagazin und rechnete mithilfe eines Verbraucherschützers vor, dass die Betroffenen ihr Wohneigentum in
Zukunft schneller abbezahlen werden, dass sie deutlich
niedrigere Kosten haben werden und dass die zu erzielende Rente im Alter durchaus ausreicht, um die
Riester-Steuer zu finanzieren. Danach wurde durchaus
zu Recht gefragt, und wir mussten auf diese Frage eine
überzeugende Antwort finden. Ebendieses Nachrichtenmagazin schrieb, übrig bleibe noch genug für zwei Bier
monatlich an der Bar. Man könnte statt Bier auch andere,
alkoholfreie und ebenfalls köstliche Getränke ähnlicher
Preisklasse in Erwägung ziehen. In diesem Artikel ging
es um Bier, wahrscheinlich deshalb, weil man das
Thema ein bisschen zugänglicher machen wollte.
Warum hat mir dieser Kommentar so gut gefallen? Er
hat mir so gut gefallen, weil er sich wohltuend abhob
von mancher Polemik, die aus meiner Sicht allenfalls
dazu angetan war, diejenigen, die wir mit diesem Produkt erreichen wollen, nämlich die potenziellen Hausund Wohnungseigentümer, zu verunsichern, statt sie zu
ermutigen, diesen Schritt zu gehen, der für viele zweifelsohne nichts ist, was man gleich mehrfach im Leben
wagt.
Die Eigenheimrente wird - da bin ich mir ziemlich sicher - die Neubauaktivitäten, die in den letzten Jahren
rückläufig waren, deutlich stimulieren. Für die Bauwirtschaft ergibt sich wieder ein deutlicher Impuls. Die Bauwirtschaft selbst hat sich wie viele andere für die Einbeziehung der Wohnimmobilie in die staatlich geförderte
Altersvorsorge ausgesprochen. Darüber hinaus hat die
Bauwirtschaft Vorschläge gemacht, die in das jetzt vorgelegte Modell eingeflossen sind.
Mit dem neuen Förderinstrument können wir nun
auch verstärkt Impulse setzen, die nicht nur den Neubau
von Häusern und Wohnungen, sondern auch den Erwerb
und den Umbau von Bestand deutlich voranbringen. Das
steht im Übrigen - Sie gestatten mir als Baupolitikerin
und als Stadtentwicklungspolitikerin diese Anmerkung in völliger Übereinstimmung mit den weiteren Instrumenten unserer Politik für eine nachhaltige Stadtentwicklung im Zeichen des demografischen Wandels.
({0})
Der Wohn-Riester ist eingebettet in die Städtebauförderung, den Stadtumbau, die energetische Gebäudesanierung, die Politik der Stärkung der Innenentwicklung
der Städte und vieles andere mehr. Erst in diesem Zusammenhang erschließt sich ja die Dimension des Projekts. Deswegen war es meines Erachtens höchste Zeit,
dass die Koalition nun einen Gesetzentwurf vorgelegt
hat, nach dessen Verabschiedung die Regelungen rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt ja sehr
selten vor, dass das Thema Wohnen, das nicht nur ein
Grundbedürfnis aller Menschen beschreibt, sondern
auch in seiner Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht unterschätzt werden darf,
einen solch hohen Stellenwert in diesem Hohen Haus bekommt, und dann auch noch zu einer so prominenten Tages- bzw. Uhrzeit. Wenn wir in wenigen Stunden - Sie
gestatten mir diesen kleinen Ausblick - dann auch noch
die Erhöhung des Wohngelds beschlossen haben werden,
dann - davon bin ich fest überzeugt - wird die Koalition
zumindest in diesem Punkt - hier ganz besonders - nicht
nur ihre Handlungsfähigkeit, sondern auch ihre Problemlösungsfähigkeit bewiesen haben. Das ist übrigens
etwas ganz anderes als die unsinnigen und illegitimen
Heilsversprechungen von der linken Seite dieses Hauses.
Herzlichen Dank.
({1})
Nun erhält der Kollege Eduard Oswald das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Kritik der Opposition an dem Gesetzentwurf der Koalition ändert nichts daran: Das Eigenheimrentengesetz
- das ist der richtige Name, Frau Kollegin Petra Weis stellt eine wegweisende wohnungspolitische Weichenstellung dar.
({0})
Wir nehmen jetzt die Integration des Wohnungseigentums in die staatliche Altersvorsorge vor.
Natürlich ist dieser Entwurf ein Kompromiss aus unterschiedlichen Ansätzen,
({1})
aber so ist es nun einmal in einer Koalition, besonders
wenn sie groß ist. Das weiß Frau Kollegin Christine
Scheel aus früheren Koalitionen, das weiß Carl-Ludwig
Thiele aus früheren Koalitionen.
({2})
Es geht immer um den Versuch, gemeinsam etwas zu gestalten. Wir kamen ja aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Aber ich glaube, das Ergebnis kann sich sehen
lassen.
Mit diesem Gesetz wird - das ist der Punkt - die Diskriminierung der Wohnimmobilie im System der staatlichen Altersvorsorge beseitigt.
({3})
Diese stellt ja die beliebteste Form der privaten Altersvorsorge dar. Sie wird nun in dieser Funktion auch staatlich anerkannt. Eine aktuelle Umfrage hat jetzt wieder
bestätigt, dass 61 Prozent der Deutschen eine eigene Immobilie für die beste Form der Altersvorsorge halten.
Diesem eindeutigen Votum wird nun Rechnung getragen.
Mit diesem Gesetz wird auch bestätigt, dass Bausparen als millionenfach bewährter Weg zur Bildung von
Eigenkapital und zur sicheren zinsgünstigen Wohnungsbaufinanzierung einen ganz wesentlichen Beitrag zur Altersvorsorge mit Wohneigentum leistet.
({4})
Lieber Kollege Oswald, wollen Sie schon zu diesem
frühen Zeitpunkt Ihrer Rede eine Zwischenfrage zulassen?
Nein, das möchte ich jetzt nicht. Insofern war Ihr Hinweis angebracht. Die Frau Kollegin Dr. Höll hat ja im
Ausschuss Gelegenheit, das zu tun. Wir sind ja jetzt in
der ersten Lesung. Hören Sie sich erst einmal an, was
wir auf den Weg bringen! Außerdem weiß ich nach der
Fundamentalkritik der Linken, die überhaupt kein gutes
Haar an dem Gesetzentwurf gelassen hat, gar nicht, was
Sie hier fragen wollen.
({0})
Im Kern geht es bei dem vorliegenden Entwurf des
Eigenheimrentengesetzes darum, dass Spar- und Tilgungsleistungen für selbst genutztes Wohneigentum die
gleiche steuerliche Förderung erhalten sollen wie die bestehenden Riester-Produkte, also wie Rentenversicherungen sowie Bank- und Fondssparpläne, mit denen
Geldvermögen für zusätzliche Rentenbezüge im Alter
gebildet wird. Darüber haben wir ja schon einiges gehört.
({1})
Das geförderte Kapital soll nachgelagert, also mit Beginn des Ruhestandes, versteuert werden. Klar, dass die
Union bei dem Thema einen anderen Ansatz hatte. Ich
finde aber, dass mit dem Kompromiss, dass einerseits
die volle Förderung in der Ansparphase und eine nachgelagerte Besteuerung vorgesehen sind sowie andererseits Regelungen enthalten sind, die auf die Besonderheiten der Wohnimmobilie eingehen, eine richtige
Entscheidung getroffen worden ist.
Es ist höchste Zeit, dass der Eigenheimbau wieder in
Schwung kommt. Dieses Eigenheimrentengesetz kann
belebend wirken.
({2})
Vor allem wird es einen positiven psychologischen
Effekt haben. Die Wohneigentumsbildung erhält kräftigen Rückenwind. Das sollte Mut machen und die Investitionsbereitschaft stärken. Die geplante Riester-Förderung für Tilgungsbeiträge kann sogar schon kurzfristig
zum Bau oder Kauf eigener vier Wände animieren. Das
ist ein ganz wichtiger Punkt.
({3})
Ich bin zuversichtlich, dass sich Deutschland mit der
neuen Altersvorsorgeförderung für Wohneigentum auf
den Weg machen kann. Es wird höchste Zeit - Kollege
Thiele hat es angedeutet -, dass wir endlich die rote Laterne bei der Wohneigentumsquote in Deutschland abgeben.
({4})
Das, was wir für den Wohnungsbau tun, reicht alleine
nicht. Wir müssen weitere Akzente setzen.
({5})
Die gegenwärtigen Zahlen zeigen, dass dringender
Handlungsbedarf besteht. Dies können wir an den drastischen Genehmigungszahlen für das Jahr 2007 ablesen.
Insgesamt gingen sie im Wohnungsbau um 27 Prozent
gegenüber 2006 zurück. Damit ist ein historisch niedriges Niveau erreicht. Bei Eigenheimen betrug der Einbruch sogar 35 Prozent. Das sind 95 000 Einheiten in
Ein- und Zweifamilienhäusern.
({6})
Dies ist im Jahre 2007 nicht einmal die Hälfte dessen gewesen, was vier Jahre zuvor genehmigt wurde.
({7})
Aus vielen Teilen unseres Landes, nicht nur aus den
Zentren Bayerns und Baden-Württembergs, sondern
auch aus der Rheinschiene in Nordrhein-Westfalen, erreichen uns die Klagen von Experten und Verbänden.
Alle haben einen Tenor: Bezahlbarer Wohnraum wird
bereits knapp. Trotz der demografischen Entwicklung
steigt die Zahl der Haushalte weiter, mindestens noch
zehn Jahre. Das heißt, junge Menschen bekommen bei
der familiengerechten Wohnungsversorgung Probleme.
Die Berechnungen liegen ja auf dem Tisch. Für die
nächsten Jahre ist immerhin ein jährlicher Neubaubedarf
von knapp 280 000 Wohneinheiten errechnet. Oder mit
anderen Worten: Wir bräuchten 50 Prozent mehr Neubau, als 2007 genehmigt wurde.
Für mich und meine Fraktion ist Wohneigentum ein
Teil der Gesellschaftspolitik,
({8})
weil es Vermögensbildung voraussetzt und das öffentliche wie persönliche Denken und Handeln in langfristigen Zeiträumen fördert. Sparen und investieren, bewahren und vererben sind Verhaltensweisen, die Wohlstand
ermöglichen.
({9})
Die Förderung des Wohneigentums liegt daher im Interesse des Gemeinwesens. Das ist ein ganz wichtiger
Punkt für meine Fraktion.
({10})
Mit dieser Form der Wohneigentumsbildung setzen
wir unsere traditionell konservative deutsche Baufinanzierungskultur fort. All diejenigen - es ist ja noch nicht
so lange her -, die uns die amerikanische Finanzierungsform als Vorbild und möglichen Wachstumsturbo für
Deutschland gepriesen haben, sind zu Recht verstummt.
Traditionell solide Finanzierungen haben sich bewährt.
({11})
Koalitionen zwingen also zu Kompromissen. Dass
aber jetzt eine nachhaltige Verankerung des Wohneigentums in der staatlichen Altersvorsorgeförderung auf den
Weg gebracht wird, ist ein sehr gutes Signal. Dass die
Wohnungsbauprämie erhalten bleibt, wenn auch mit einer dauerhaften Zweckbindung, ist ebenfalls ein richtiges Signal.
Sie sehen, das Verhandeln hat sich gelohnt. Wenn es
ein bisschen länger gedauert hat, dann war es notwendig,
damit etwas Besseres herauskommt, als ursprünglich
vorgesehen war.
({12})
Ich hoffe, dass es im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch möglich sein wird, eine Ausnahmeregelung für
junge Menschen gerade im Bereich der Wohnungsbauprämie zu treffen. Denn die Wohnungsbauprämie hat
sich als sehr wirksame Sparmotivation für junge Leute
bewährt und damit als Initialzündung für umfangreiche
Investitionen in Wohneigentum gewirkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für meine Fraktion
war es das grundlegende Ziel, den Erwerb von Immobilien zu fördern. Wir wollten ein einfaches und verständliches Fördersystem. Vielleicht kann man das eine oder
andere noch einfacher machen. Das ist immer eine Forderung.
({13})
Im Regelfall machen wir vieles kompliziert; das ist
wohl wahr. Dieser Gesetzentwurf kann aber - das ist für
uns das Entscheidende - ein wichtiger Impuls für mehr
Wohneigentum in Deutschland sein.
Vielen Dank.
({14})
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Höll.
Sehr geehrter Herr Oswald, ich bedaure, dass Sie mir
nicht die Möglichkeit gegeben haben, eine Frage grundsätzlicher Art zu stellen. Ich kann mir vorstellen, dass
viele Handwerker oder Bauunternehmer dieselbe Frage
haben, wenn sie Ihre Rede gehört haben. Sie haben mit
Vehemenz die Ansicht vertreten, dass der Erwerb von
Immobilien das Nonplusultra, die ideale Form der Altersvorsorge ist. Darüber möchte ich nicht inhaltlich
sprechen. Ich möchte Sie nur fragen, warum Ihre Koalition dann die Eigenheimzulage abgeschafft hat. Das
erschließt sich mir nicht ganz, vor allem vor dem
Hintergrund, dass die Eigenheimzulage als direkte Zahlung von allen Menschen gleichermaßen in Anspruch
genommen werden konnte und die Höhe der Geldleistung vom Einkommen unabhängig war. Das, was Sie in
Ihrem neuen Gesetzentwurf vorschlagen, führt hingegen
dazu, dass Menschen mit einem höheren Einkommen
eine höhere Steuerersparnis haben, also eine höhere Subvention erhalten und wesentlich stärker als Menschen
mit mittlerem Einkommen gefördert werden, die diese
Möglichkeit nutzen wollen. Vor dem Hintergrund, dass
die Eigenheimzulage abgeschafft wurde, frage ich: Warum soll diese Förderung jetzt so toll sein? Das erschließt sich mir wirklich nicht.
({0})
Zur Erwiderung Herr Kollege Oswald.
Frau Kollegin Dr. Höll, es ist schade, dass Sie den
Gesamtzusammenhang meiner Rede nicht aufgenommen haben. Der Gesamtzusammenhang war: Wir wollen
die Menschen, die den Wunsch nach einer Immobilie haben, unterstützen, und das ist Teil eines ganzen Paketes
von Maßnahmen - Riester-Rente, Rürup-Rente -, mit
dem wir die Menschen fördern. Für jeden Einzelnen ist
etwas dabei. Jetzt schließen wir eine Lücke - das ist eine
richtige Maßnahme - und verhelfen den Menschen zu
mehr Wohneigentum.
({0})
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Jörg Vogelsänger, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Im Jahr 2001 haben Bundestag und Bundesrat dem Altersvermögensgesetz zugestimmt. Eine breite
gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland erkennt zunehmend die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge; Eigentumsbildung gehört selbstverständlich dazu.
Hier sind die Anstrengungen zu verstärken, und das tut
die Große Koalition. Die Linkspartei schürt Ängste; das
nutzt den Menschen in Deutschland überhaupt nichts.
({0})
Im Sommer 2006 hat die SPD-Fraktion ein WohnRiester-Modell entwickelt. Nun liegt ein Gesetzentwurf
der Koalition vor. Es ist ein besonders bedeutendes Gesetzesvorhaben, das - so ist es nun einmal bei der Eigentumsbildung - weit über diese Legislaturperiode hinaus
wirken wird. Wir gehen dabei neue Wege. Das Eigenheimrentengesetz wird ein weiterer wichtiger Baustein
der Altersvorsorge sein: Die Riester-Rente soll auf selbst
genutzte Wohnimmobilien ausgedehnt werden. Das ist
gut und richtig so.
({1})
Verehrter Kollege Thiele, ich freue mich über jede
junge Familie in meinem Wahlkreis, die den Mut hat, ein
Eigenheim zu bauen;
({2})
das ist ein mutiger Schritt. Mit dem neuen Gesetz zeigen
wir neue Wege auf. Wir zwingen niemanden; aber wir
sollten den Menschen Mut machen, denn Wohneigentum
stellt eine gute Altersvorsorge dar.
({3})
Mehr noch: Auch der Erwerb von Genossenschaftsanteilen wird förderfähig. Das ist ein weiterer wichtiger
und richtiger Schritt, der keineswegs selbstverständlich
ist. Man hätte das auch anders regeln können. Ich denke,
wir gehen auch hier einen richtigen Weg.
({4})
Häufig geben Genossenschaften gerade Kleinverdienern die Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. So bieten sie Haushalten mit geringen Einkommen hohe
Wohnqualität und solidarisches Eigentum. 2,2 Millionen
Genossenschaftswohnungen sichern immerhin deutlich
mehr als 5 Millionen Menschen Wohnraum. Wohnungsgenossenschaften stehen für Wohnsicherheit im solidarischen Eigentum ohne belastende Kapitalbindung.
Das Gemeinschaftseigentum schließt nutzungsfremde
Kapitalinteressen aus. Sie sind ein Wohnmodell zwischen Miete und Eigentum, das substanzerhaltend an die
nächste Generation weitergegeben werden kann. Schon
jetzt bieten Genossenschaften ihren Mitgliedern spezielle genossenschaftliche Altersvorsorgeprodukte wie
den zusätzlichen Erwerb von Geschäftsanteilen an. Mit
dem Eigenheimrentengesetz können wir das noch weiter
fördern. Gerade junge Menschen erhalten durch das Gesetz die Möglichkeit, während der Erwerbstätigkeit dafür zu sorgen, dass sie auch im Alter zu angemessenen
Kosten wohnen können. Das wird auch durch genossenschaftliche Wohnungen ermöglicht.
Deshalb ist es richtig und wichtig, dass das Eigenheimrentengesetz beschlossen wird. Damit wird auch
das genossenschaftliche Eigentum gestärkt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfes auf der Drucksache 16/8869 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt
Präsident Dr. Norbert Lammert
es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 27 a bis 27 c:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Koppelin, Frank Schäffler, Martin Zeil, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten - Voraussetzungen für eine grundlegende
Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors schaffen
- Drucksache 16/8771 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({0})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank
Schäffler, Martin Zeil, Dr. Hermann Otto Solms,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Reaktion auf die Krise der staatlichen Banken
- Drucksache 16/6998 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Sozialisierung der Verluste verhindern - Sicherungsfonds für privaten Finanzsektor schaffen
- Drucksache 16/8888 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({2})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Martin Zeil für die FDP-Fraktion.
({3})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! „Banken sind gefährlicher als stehende Armeen“, wie Thomas Jefferson einmal sagte. Große Teile
der Finanzwirtschaft haben die Welt in den vergangenen
Monaten das Fürchten gelehrt. Auf der Jagd nach maximalen Renditen wurden bei hochriskanten Geschäften
Milliarden verzockt.
({0})
Der Internationale Währungsfonds geht davon aus,
dass weltweit ein Schaden von mindestens 1 Billion
Dollar entstehen wird. Diese kaum vorstellbare Summe
offenbart nicht nur eine verantwortungslose Spielkasinomentalität; erschreckend ist vor allem, dass interne und
externe Kontrollmechanismen und das Risikomanagement derart versagt haben.
({1})
Das Vertrauen der Menschen in das Finanzsystem ist
durch diese Machenschaften zutiefst erschüttert worden.
Ursachen und Folgen der Finanzkrise müssen dringend
aufgearbeitet werden.
Uns geht es heute um die Konsequenzen für den staatlichen Bankensektor, also für den engeren Verantwortungsbereich der Politik. Wir halten eine Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors für überfällig.
({2})
Die FDP ist schon lange der Meinung, dass Vater Staat
als Banker eine Fehlbesetzung ist.
({3})
Die Mehrzahl der staatlichen Banken hatte und hat nämlich kein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell.
Hier wird das Geld des Steuerzahlers verbrannt, nicht
etwa das Geld eines Aktionärs.
Es war der Finanzminister, der aus der Förderbank
KfW eine Art Hedgefonds für seine staatliche Beteiligungspolitik gemacht hat.
({4})
Der Einstieg der KfW bei der IKB war, wie wir heute
wissen, eine milliardenschwere Fehlentscheidung.
({5})
Zur Absicherung staatlicher Banken bei Spekulationsgeschäften wurden bis heute sage und schreibe Darlehen und Garantien in Höhe von mehr als 18 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt.
Die vorgenommenen Wertberichtigungen belaufen sich
auf mehr als 10 Milliarden Euro, die bereits eingetretenen Verluste auf mehrere Milliarden. Solche Geschäfte
sind mit dem gesetzlichen Auftrag und der Zweckbestimmung öffentlich-rechtlicher Banken schlicht und
einfach nicht zu vereinbaren.
({6})
Ich will Ihnen das am Beispiel der Bayerischen Landesbank erläutern. Im Gesetz über die Bayerische Landesbank ist festgelegt, dass diese Bank die Aufgabe einer Staatsbank hat und ihre Geschäfte unter Beachtung
ihres öffentlichen Auftrags zu führen hat. Es liegt auf der
Hand, dass Spekulationen mit schwer durchschaubaren
und hochriskanten Finanzprodukten wie den SubprimeKrediten ganz offensichtlich nicht zu der eben zitierten
gesetzlichen Aufgabe passen. Es ist auch völlig ungeklärt, ob sich Sparkassen nach ihrer gesetzlichen Bestimmung überhaupt an einer Bürgschaft für solche Geschäfte beteiligen dürfen. Das Problem liegt in dem
schleichenden Ausbau der staatlichen Banken über ihren
gesetzlichen Auftrag hinaus zu international agierenden
Geschäftsbanken.
({7})
Hier stellt sich auch die Frage der Verantwortlichkeit
und der Überwachung. Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien staatlicher Banken beruht natürlich auf
ihrem öffentlichen Auftrag. Im Fall der Bayerischen
Landesbank drückt sich das dadurch aus, dass im zehnköpfigen Verwaltungsrat fünf Vertreter der Regierung,
ein Landrat und ein Oberbürgermeister sitzen. Man tritt
den Herrschaften sicher nicht zu nahe, wenn man davon
ausgeht, dass sie bei der Einschätzung von Risiken einer
international tätigen Geschäftsbank völlig überfordert
waren. Wie das Beispiel IKB zeigt, ist nicht einmal allgemeiner wirtschaftlicher Sachverstand eine Garantie
für qualifizierte Kontrolle.
Der Verwaltungsrat der Landesbank beschließt die
Richtlinien für die Geschäftspolitik und überwacht den
Vorstand. Nach den Erfahrungen der letzten Monate gibt
es in einem solchen Fall nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Verwaltungsrat eine Geschäftspolitik gebilligt, die von den gesetzlichen Bestimmungen nicht gedeckt war, oder die Geschäftspolitik wurde an ihm
vorbei gemacht; dann hat er bei der Überwachung versagt.
({8})
Das Ergebnis - wieder am Beispiel Bayern - ist: Risikopapiere in Höhe von 24 Milliarden Euro. Die Zahl
muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
24 Milliarden Euro! Jetzt wird allein dort eine Garantie
von 6 Milliarden Euro erforderlich. Steuerzahler und
Sparkassen sollen für Missmanagement und mangelnde
Überwachung in Haftung genommen werden, ohne dass
sie sich dagegen wehren können.
({9})
Darum geht es in unserem Antrag: Diese Sozialisierung von Spekulationsverlusten muss verhindert werden.
({10})
Sie führt dazu, dass der Staat Leistungen nicht mehr erbringen kann, und sie engt den Spielraum für notwendige Investitionen ein. Kurzum: Die Sozialisierung von
Spekulationsverlusten ist unsozial.
({11})
Ich will es noch einmal verdeutlichen: Auf jeden einzelnen Bürger kommt ein verbrannter 100-Euro-Schein.
Was hätte man mit diesen Milliarden machen können!
Mit nur 1 Milliarde Euro könnte der Staat zum Beispiel
eine Kindergelderhöhung von 5 Euro im Monat finanzieren. Mit 1 Milliarde Euro könnte vielerorts der dringendste Bedarf an zusätzlichem Personal für unsere
Schulen gedeckt werden.
„Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten.
Wahre Profis gründen eine Bank“, hat der Dichter
Bertolt Brecht einmal gesagt.
({12})
Für den Bürger ist dieses Zitat durch die fahrlässige Ausweitung der Geschäfte öffentlicher Banken und wegen
der Verletzung von Kontrollpflichten durch überforderte
Politiker bittere Realität geworden.
({13})
Das Wort erhält nun der Kollege Leo Dautzenberg,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Monaten haben wir
uns hier zuletzt mit der leider immer noch aktuellen
Finanzmarktkrise beschäftigt. Sie ist heute erneut Ausgangspunkt der Anträge von FDP und Linken. Die FDP
nimmt die aktuelle Krise zum Anlass, um wieder einmal
den öffentlich-rechtlichen Bankensektor infrage zu stellen. Die Linke bezweifelt gar die Funktionsfähigkeit des
deutschen Einlagensicherungssystems und fordert die
Einführung eines zusätzlichen Sicherungsfonds für private Kreditinstitute.
Meine Damen und Herren von der Linken, ich frage
mich wirklich: Wie kommen Sie dazu, den aktuellen
Einlagensicherungssystemen der deutschen Banken die
Funktionsfähigkeit derart abzusprechen?
({0})
Richtig ist, dass wir mit Blick auf die Anlegerentschädigung, nicht aber grundsätzlich hinsichtlich der Einlagensicherung über Reformen nachdenken müssen. Dafür hat
uns der Finanzminister Vorschläge zugesagt. Richtig ist
aber auch, dass private Gelder in Deutschland so gut abgesichert sind wie in kaum einem anderen Land.
({1})
Wenn wir also über mögliche Reformen reden, dann
sollten wir das in der gebotenen Sachlichkeit tun. Die
Darstellung in Ihrem Antrag, in dem Sie die Gefahr von
Serienbankrotten deutscher Banken skizzieren, bedeutet
Panikmache und ist unverantwortlich.
Kommen wir zu den Anträgen der FDP. Sie von der
FDP stellen wieder einmal den öffentlich-rechtlichen
Bankensektor infrage. Wenn ich von den Problemen einiger Landesbanken einmal absehe - darauf komme ich
später noch zu sprechen -,
({2})
kann ich zur Strukturfrage nur sagen: Ich bin davon
überzeugt, dass sich die breit aufgestellte Bankenlandschaft in Deutschland gerade in Krisenzeiten bewährt,
({3})
weil sie Risiken besser verteilt und Probleme so besser
abfedern kann. Vorgänge in europäischen Nachbarländern haben gezeigt, wie wichtig es ist, eine solche Abfederung zu haben, sodass es nicht zu Panik kommt, wie es
in England teilweise der Fall war.
({4})
Gleiches gilt für die Struktur der deutschen Bankenaufsicht. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, wie
wertvoll die Zusammenarbeit von Deutscher Bundesbank und BaFin auch in diesem Bereich war. Grundsätzliche Debatten über das deutsche Bankensystem und
seine Aufsicht scheinen mir als Reaktion auf die Finanzmarktkrise unangebracht zu sein.
({5})
Wichtiger ist es, konkrete Probleme anzugehen. Wenn
wir das tun wollen, führt auf nationaler Ebene kein Weg
daran vorbei, auch über die Situation der Landesbanken
zu sprechen; darin gebe ich der FDP recht. Es ist ebenso
richtig, dass wir darüber auch im Deutschen Bundestag
diskutieren; denn es geht dabei um den Finanzstandort
Deutschland insgesamt.
({6})
Ich gebe aber zu bedenken: Sämtliche Maßnahmen,
die wir uns für die Landesbanken vorstellen könnten, liegen nicht in der Entscheidungskompetenz des Bundestages und nicht in der Entscheidungskompetenz des
Bundes.
({7})
In der Pflicht stehen allein die Eigentümer der Landesbanken, das heißt die Länder und die Sparkassenverbände.
({8})
Verehrter Kollege Zeil, alles das, was Sie hier gefordert haben, hätten Sie zumindest in Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wo Sie
als FDP an der Regierung beteiligt sind und damit auch
Miteigentümerrechte an diesen Banken wahrnehmen
können, schon umsetzen können.
({9})
Die von Ihnen gefürchtete - ich zitiere - „interventionistische Industriepolitik zur Konsolidierung von Landesbanken“ können Sie dort selber verhindern. Sie haben
der Risikoabschirmung der West-LB mit 5 Milliarden
Euro aber zugestimmt;
({10})
sonst hätte das von der Regierung gar nicht auf den Weg
gebracht werden können. Also: Setzen Sie es da um, wo
es angebracht ist, statt hier Wolkenkuckucksheime aufzubauen; denn hier können wir im Endeffekt nichts daran ändern!
({11})
Vor allen Dingen ist festzustellen, dass Sie damit schon
den Wahlkampf in Bayern eröffnet haben.
({12})
Nichtsdestotrotz verweigere ich mich nicht der Debatte über den Neustrukturierungsbedarf der Landesbanken. Die FDP macht dafür in ihrem Antrag einen
wenig überraschenden Vorschlag. Sie fordert, die Bundesregierung solle sich für eine zeitnahe Privatisierung
der Landesbanken einsetzen. Damit macht es sich die
FDP nicht nur leicht; sie geht auch den zweiten Schritt
vor dem ersten - wenn wir einmal davon absehen, dass
die Bundesregierung und damit der Bund keine Kompetenz auf diesem Gebiet haben.
Bevor wir Empfehlungen zur Art und Weise der Konsolidierung abgeben, sollten wir uns anschauen, warum
einige Landesbanken überproportional stark von der aktuellen Finanzmarktkrise betroffen sind.
Die erste Antwort ist: Einige Landesbanken waren
übermäßig in risikoreichen Finanzkonstrukten engagiert,
weil sie nach Wegfall der Gewährträgerhaftung über
keine tragfähigen Geschäftsmodelle verfügten. Risikoreichere Geschäfte sind eingegangen worden, um daraus
die entsprechenden Erträge zu generieren. In der Anfangszeit fielen sicherlich die erhofften Erträge an, aber
später war die Entwicklung aufgrund des erhöhten Risikos sehr negativ.
Die zweite Antwort lautet - da zitiere ich den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes -:
Der vorhandene Markt ist zu klein für sieben Landesbankenkonzerne mit den dahinterstehenden Kapazitäten. Das zeigt: Ja, wir brauchen eine Neustrukturierung des
Landesbankensektors. Zunächst sind aber die Landesbanken selbst gefragt. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle
und Kapazitäten an die Markterfordernisse anpassen.
Erst wenn diese Hausaufgaben gemacht sind, kann
sinnvoll die zweite Frage gestellt werden, nämlich die
Frage nach dem Partner. Dazu sind verschiedene Szenarien denkbar: erstens Fusionen zwischen Landesbanken,
zweitens der vertikale Zusammenschluss von Sparkassen und Landesbanken sowie drittens die private Beteiligung an Landesbanken. Welcher Weg dann der erfolgversprechendste ist, hängt von dem Geschäftsmodell ab,
für welches sich die jeweilige Landesbank entschieden
hat.
({13})
Insofern sind jetzt die Entscheidungsträger in den Landesbanken am Zug - und selbstverständlich die Länder
als Gesetzgeber.
Neben den Landesbanken widmet sich die FDP in ihren Anträgen der IKB, die sie erneut fälschlicherweise
als Staatsbank bezeichnet. Die FDP fordert, dass keine
neuen Haushaltsmittel mehr für die Stützung der IKB sowie anderer Finanzinstitute bereitgestellt werden. Auch
meine Fraktion hat sich mit der überplanmäßigen Ausgabe für das KfW-Darlehen an die IKB schwergetan.
Dennoch bleibt richtig, was schon im Spätsommer 2007
richtig war: Die Abwägung „Insolvenz oder Rettung der
IKB“ machte eine Rettung notwendig, um negative Kettenreaktionen und Schäden für den gesamten deutschen
Finanzmarkt zu vermeiden.
Was künftige - hoffentlich nicht zeitnah eintretende Krisen von Finanzinstituten betrifft, kann ich zur Forderung der FDP nur sagen, dass man staatliche Stützungsmaßnahmen - verantwortungsbewusst - heute weder
ausschließen noch zusagen sollte. Richtig ist: Es sollte
sich niemand darauf verlassen, dass der Staat noch einmal einspringt. Ebenso ist auch richtig, dass die KfWAnteile an der IKB verkauft werden sollten. Im Gegensatz zur FDP möchte ich die KfW im bereits laufenden
Verkaufsprozess aber nicht auf einen genauen Zeitpunkt
festnageln. Das wäre der Sache nicht förderlich.
({14})
Ich möchte noch einmal auf die Finanzmarktkrise zurückkommen, die Ausgangspunkt der Anträge von FDP
und der Linken ist. Als wir vor gut zwei Monaten zuletzt
über die Finanzmarktkrise diskutiert haben, waren wir
uns einig: Die Krise erfordert eine Reaktion der Marktteilnehmer. Sie bedarf aber auch einer Antwort der Politik. Beide Seiten haben mittlerweile erste Vorschläge
vorgelegt.
Von politischer Seite besonders wichtig ist der Maßnahmenkatalog der G-7-Staaten. Dieser Maßnahmenkatalog, der im Grunde auf dem Forum für Finanzmarktstabilität, an dem der Baseler Ausschuss für
Bankenaufsicht beteiligt ist, basiert und sozusagen das
100-Tage-Programm beinhaltet, wurde von Bundesfinanzminister Steinbrück am Mittwoch im Finanzausschuss vorgestellt. Ich begrüße die Beschlüsse der G 7
und teile die Ansicht des Ministers, dass sie auch ein Erfolg deutscher Politik sind.
({15})
Wir müssen aber auch darauf achten, dass diese Maßnahmen von angloamerikanischer Seite nachhaltig unterstützt werden. Die Zustimmung von dieser Seite darf
nicht nur aufgrund der aktuellen Ereignisse erfolgen. Es
muss vielmehr eine nachhaltige Einbeziehung in diesen
Prozess stattfinden.
Es ist wichtig, dass die G-7-Staaten alle Finanzinstitute aufgefordert haben, sehr zeitnah sämtliche Risikopositionen offenzulegen. Nur so lässt sich die notwendige Klarheit über das Ausmaß der Krise erzielen.
Ebenso wichtig ist auch, dass die Finanzminister der G 7
eindeutig aufgezeigt haben, in welchen Bereichen mittelfristig Lehren aus der Krise zu ziehen sind. Dazu gehören ohne Zweifel der Ratingprozess, die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden ebenso wie das Kapital-,
Liquiditäts- und Risikomanagement der Kreditinstitute.
Auch bei manchen Bankprodukten und Bankgeschäften
ist im Hinblick auf die Eigenkapitalunterlegung neu die
Frage zu stellen, ob da nicht mehr erforderlich ist.
Es werden jetzt auch Stimmen laut, von der Bewertung im Rahmen von IFRS abzugehen. Es wäre falsch,
jetzt in der Krise zu wechseln; denn das würde nicht zu
mehr Vertrauen, sondern zu mehr Misstrauen führen.
Man kann feststellen, dass wir mit dem, was vonseiten der Politik unternommen worden ist, auf gutem
Wege sind. Wir werden in absehbarer Zeit eine Bewertung dieser Maßnahmen vornehmen.
Vielen Dank.
({16})
Der Kollege Dr. Herbert Schui ist der nächste Redner
für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sozialisierung der Spekulationsverluste der IKB und der
Landesbanken - das fordert die FDP. Nun müssen wir
aber eines wissen: Der allergrößte Teil dieser Spekulationsverluste ist bereits sozialisiert. Er ist über das Steueraufkommen, respektive über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, finanziert worden. Jetzt „zeitnah“ und
„unverzüglich“ zu verkaufen, wie Sie fordern, bedeutet,
im allerschlechtesten Augenblick zu verkaufen, nämlich
dann, wenn die Preise für Banken gering sind. Das kann
man fordern, wenn man das Interesse von Käufern, von
deutschen Großbanken, im Auge hat.
({0})
Dann bekommt das Hand und Fuß. Aber wenn man das
Interesse des Verkäufers beachtet, dann wäre „unverzüglich“ und „zeitnah“ genau der falsche Punkt.
({1})
Die Sanierungskosten sollten, wenn man denn schon
verkauft - im Falle der Landesbanken bin ich sicherlich
nicht dafür -, möglichst hereinkommen.
Ein weiterer Punkt. Insgesamt hat die Debatte über
diese Bankenkrise einige kuriose Züge. Halten wir einmal fest: Die privaten Banken haben sich ebenso verspekuliert wie die Landesbanken. Bei den privaten Banken
trägt der Aktionär, der Eigentümer, die Kosten - und der
Steuerzahler deswegen, weil wegen der Spekulationsverluste weniger Gewinn angefallen ist und infolgedessen
weniger Steuern gezahlt werden.
Halten wir weiter fest: Die falsche Geschäftsführung
der Landesbanken ist nicht allein die Ursache der Krise
dieser Banken. Ein anderer wesentlicher Grund ist die
Abschaffung der staatlichen Gewährträgerhaftung für
die öffentlichen Institute. Das ist von der EU so gemacht
worden. Die Bundesregierung hat sich dem nicht widersetzt; allenfalls hat sie so getan, als ob sie sich widersetzte.
({2})
Weil die staatliche Haftung nun fehlt, müssen die Landesbanken bei ihrer Refinanzierung höhere Zinsen zahlen. Das vermindert den möglichen Gewinn. Wenn sie
wenig Gewinn haben, dann können sie Verluste aus
- wenngleich kritisierenswerten - Geschäften nicht so
leicht wegstecken, wie das bei den großen deutschen Geschäftsbanken der Fall ist. Das ist einfach der Dreh.
Kurios ist auch, wenn die FDP die Privatisierung der
nun mit viel Geld und Mühe sanierten öffentlichen Institute verlangt, während man an anderer Stelle - beispielsweise Sarrazin, Finanzsenator in Berlin - die Verstaatlichung gefährdeter privater Institute fordert.
({3})
Alles zusammen heißt das dann: sanierte Landesbanken
privatisieren und gefährdete private Institute verstaatlichen.
({4})
- Das weiß ich.
({5})
- Auch das weiß ich.
Überhaupt Ackermann: Der zweifelt an den Selbstheilungskräften, und das Kabinett hat das natürlich als
ordnungspolitische Irrfahrt kritisiert. Nun setzt er noch
einen drauf und spricht sich gegen die Verbriefung von
Krediten aus. Das ist absolute Ketzerei gegenüber einem Bankendogma; denn bis dahin war ein Ketzer, wer
gesagt hat, dass die Verbriefung und der Weiterverkauf
von Krediten nicht einfach eine Risikostreuung und damit eine Risikominimierung für den einzelnen Marktteilnehmer darstellen, sondern eine beschleunigte Verbreitung des Risikos. Das sagte Ackermann jetzt auch, und
Berufserfahrung darf man ihm, glaube ich, nicht absprechen.
({6})
Also, statt Ordnungspolitik und Anrufung heiliger Namen im Krisenfall: Lieber Ordnung im Finanzsektor, damit er stabil bleiben kann. Dazu gehört eine bessere Regulierung.
({7})
Es gibt noch etwas Kurioses: Im Dezember schlug
Minister Steinbrück im Verwaltungsrat der KfW die Einrichtung eines Prüfungsausschusses mit Fachleuten aus
dem Finanzdienstleistungssektor vor, die sich - Zitat auch in den Niederungen der Bilanz sehr genau bewegen
können.
({8})
Was bedeutet das zum Beispiel für den Vizevorsitzenden des Aufsichtsrates der IKB, Detlef Leinberger, der
gleichzeitig Mitglied des Vorstandes der KfW ist? Kennt
er sich mit Bilanzen nicht so genau aus? Ähnliches gilt
für die Nachfolge von Frau Matthäus-Maier. Herr
Steinbrück, Sie sagen, da brauchen wir den Sachverstand
von Profis. Profis haben nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds weltweit aber 1 000 Milliarden
Dollar Verluste gemacht.
({9})
- Nein, Sie aber auch nicht. - Heißt noch mehr Profis
noch mehr Verluste, oder was?
({10})
Das ordnungspolitische Kartell hat offenbar kein
Konzept. Was will die FDP denn unternehmen, wenn
den privaten Banken ein Serienbankrott droht? Privatisieren geht nicht, die sind nämlich schon privat. Was
wollen Sie denn dann machen?
Herr Dautzenberg, so sehr ich Ihnen im Grundsatz zustimme:
({11})
Mit dem Antrag verbreiten wir keine Panik; das wollen
wir auch gar nicht. Das Einzige, was wir wollen, ist, dass
der Staat Vorkehrungen trifft, damit wir für eine Krise
gerüstet sind. Das verhindert Panik.
({12})
Um für eine Krise gerüstet zu sein, muss der private
Finanzsektor aus eigenen Mitteln einen Sicherungsfonds gründen, der über den Einlagensicherungsfonds
hinausgeht.
({13})
- Man muss einen Schritt weiter gehen. Dieser Fonds
reicht nicht aus, weil er nur für private Anleger und bis
zu einer bestimmten Höhe greift.
({14})
- Das ist schon ganz gut.
({15})
- Na gut. - Missverstehen Sie mich nicht: Ich habe
nichts gegen den Einlagensicherungsfonds. Ich glaube
aber, dass das Volumen bei großen Gefährdungen nicht
ausreicht.
Die Bundesregierung muss die Bildung dieses Fonds
veranlassen. Dieser Fonds übernimmt nicht werthaltige
Aktiva der gefährdeten Institute und gibt ihnen im Gegenzug Liquidität, soweit sie sie brauchen, oder Wertpapiere, die der Fonds herausgegeben hat, und das mit
einem angemessenen Abschlag. Wenn die Institute nach
einer gewissen Zeit wieder Gewinne erwirtschaften,
dann kaufen sie ihre Aktiva wieder zurück. Im Grunde
genommen ist das ein Pensionsgeschäft mit allfälliger
Garantie des Staates.
Die ganze Sache hat Sinn; denn, so Bundesbankpräsident Weber, bei der Lösung der Schwierigkeiten sind zunächst die Banken gefordert. Das finde ich auch. Die
Banken sind übrigens zu gemeinschaftlichem Handeln
bereit. Ich erinnere daran, dass der Einlagensicherungsfonds die Düsseldorfer Hypothekenbank gekauft hat.
Das war eine sehr vernünftige Geschichte, weil der
Pfandbriefmarkt so in Lot und Waage blieb.
Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der
öffentliche Bankensektor. Halten wir einmal fest: Herr
Beckstein hat gestern hier gesagt, dass die kommunale
Wasserversorgung von Brüssel nicht in Gefahr gebracht
werden dürfe. Ähnlich müssen wir die Sache mit der
Versorgung mit Finanzdienstleistungen beurteilen;
({16})
denn wenn der private Sektor Finanzkrisen auslöst - die
verbrieften Hypothekenkredite stammen ja aus dem privaten Sektor - und Weltmeister im Versenken von Milliarden ist, dann ist ein stabiler öffentlicher Bankensektor, auf den stets Verlass ist, notwendig. Das ist wichtig.
Herr Kollege Schui, Sie müssten jetzt doch zum Ende
kommen.
Deswegen muss die Gewährsträgerhaftung wieder
her. Dafür sollte sich die Bundesregierung einsetzen. Ich
bin sicher, dass sie dafür in Brüssel nicht allein kämpfen
würde.
Vielen Dank.
({0})
Jörg-Otto Spiller ist der nächste Redner für die SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Schui, es ist erfrischend, zu hören,
({0})
dass Ihre Fraktion vorschlägt, den unvermeidlichen Zusammenbruch des Kapitalismus, der schon eine Weile
auf sich warten lässt,
({1})
durch einen Sicherungsfonds aufzufangen.
({2})
Das ist eine Bereicherung der politischen Debatte.
({3})
Den Kollegen von der FDP möchte ich sagen: Ich
wünschte mir, Herr Kollege Zeil, die FDP hätte mit ihrer
Analyse recht, dass es sich bei der gegenwärtigen internationalen Krise der Banken um eine Krise der öffentlich-rechtlichen Banken handelte;
({4})
denn das würde vieles wesentlich leichter machen.
({5})
Dann hätten Sie - der Kollege Dautzenberg hat schon
darauf hingewiesen - ein richtig gutes Betätigungsfeld.
Sie könnten nämlich in der Düsseldorfer Landesregierung für saubere Verhältnisse sorgen.
({6})
Wahrscheinlich wäre es sogar relativ leicht, die Probleme einiger Landesbanken - wenn das wirklich alles
wäre - zu lösen. Das Schlimme aber ist: Es handelt sich
nicht um eine Krise der öffentlich-rechtlichen Banken
- die Sparkassen beispielsweise sind so gut wie gar nicht
betroffen -,
({7})
sondern es handelt sich um eine weltweite Krise der
Bankenwelt insgesamt.
({8})
In Europa sind die Schweizer Banken am stärksten
betroffen,
({9})
obwohl sie weit entfernt sind von staatlichem Dirigismus
und von Staatskapitalismus.
({10})
Die Bank, die auf dem europäischen Kontinent die größten Wertberichtigungen angekündigt hat, ist die UBS,
die größte Schweizer Bank. Inzwischen beziffert sie ihren Wertberichtigungsbedarf auf rund 40 Milliarden
Schweizer Franken; das sind Pi mal Daumen 25 Milliarden Euro. Die UBS hat vor kurzem den Bericht, den sie
der Schweizer Bankenaufsicht vorgelegt hat, publiziert.
Er umfasst 50 Seiten, ist sehr detailliert und kritisch.
Sein Ergebnis ist, wie ich glaube, für sehr viele Banken
repräsentativ.
Wie konnte es bei der UBS zu dieser Katastrophe
kommen? Die Gründe liegen erstens in einer mangelhaften Risikoerfassung und zweitens in einem mangelhaften
Risikomanagement, einer Bevorzugung hochkomplizierter Anlageprodukte, die selbst die Geschäftsleitung der
Bank nicht verstanden hat.
({11})
Ein weiterer Grund sind unklare Verantwortungsstrukturen. Ich sage es einmal so: Für das Risiko ist immer die
Geschäftsleitung verantwortlich.
({12})
Diese Verantwortung kann man nicht an irgendwelche
Abteilungen oder an Ratingagenturen delegieren.
({13})
Vertreter von Ratingagenturen haben wir übrigens im
Finanzausschuss angehört. Wir haben sie befragt, wie sie
die jetzige Situation und ihre eigene Rolle darin einschätzen. Die Antwort war ebenso unbedarft wie kess.
Im Kern sagten sie, sie könnten nichts dafür, dass die
Bankvorstände
({14})
die Ratingnoten falsch bewertet haben; diese dürfe man
schließlich nicht so ernst nehmen.
({15})
Diese Krise ist vor allem durch unklare Verantwortungsstrukturen und mangelhaftes Risikomanagement
verursacht worden. Es stellt sich die Frage: Wie geht
man damit um? Ich glaube, am Anfang dieser Analyse
darf nicht nur die Frage stehen: Warum haben US-amerikanische Banken zu großzügig Hypothekenkredite gewährt? Vielmehr muss man sich auch fragen: Warum haben europäische Banken amerikanischen Banken
unüberschaubare Produkte und Forderungen abgekauft,
und das zu einem Preis, den sie nicht richtig bewerten
konnten? Hier muss man ansetzen.
({16})
- Auch die IKB hat das gemacht. Das war ein Fehler.
({17})
- Sie hat so gehandelt wie viele andere Banken auch.
Die staatliche Bank KfW war die Bank, die die Krise
der IKB aufgefangen hat.
({18})
Ohne das Engagement der KfW hätten wir größere Probleme.
({19})
Im Aufsichtsrat der IKB - das will ich auch sagen - saßen nicht nur Mitglieder der KfW-Geschäftsführung,
dort saßen hochangesehene Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft. Die IKB kann nicht mit den Landesbanken in einen Topf geworfen werden: Sie ist eine private Bank, und sie spiegelt wider, dass die strukturellen
Probleme mit den Produkten und mit der mangelhaften
Steuerung zu tun haben.
Die Deutsche Bundesbank gibt seit ein paar Jahren einen Bericht zur Stabilität des deutschen Finanzsystems
heraus. Die Bundesbank hat in ihrem ersten Bericht vom
Dezember 2003 mit Blick auf Kreditverbriefungen geschrieben, diese neuen Instrumente stellten
… erhöhte Anforderungen an das Risikomanagement, die etwa aus der komplexeren Beurteilung
des Kreditrisikos und von Rechtsrisiken resultieren.
Sie hat das in weiteren Berichten wiederholt. Allerdings
hatte es für die von der Bundesbank wahrgenommene
Bankenaufsicht nie Konsequenzen.
Jetzt ist - wir haben am Mittwoch im Finanzausschuss darüber gesprochen - auf internationaler Basis, in
Fortentwicklung von Basel II, maßgeblich dank des
Bundesfinanzministers folgender Ansatz gefunden worden: Solche sogenannten strukturierten Produkte sollen
höhere Beachtung bekommen, und es soll eine höhere
Eigenkapitalunterlegung verlangt werden, mit der Wirkung, dass sich die Bankvorstände genau überlegen
müssen, was sie tun.
Ich finde es positiv, dass Herr Ackermann vor kurzem
gesagt hat, dass auch er inzwischen Zweifel daran hat,
ob diese sogenannten Finanzinnovationen, strukturierte
Produkte, die niemand wirklich durchschaut, die Zukunft sein können.
Ich bin jedenfalls dankbar, dass der Bundesfinanzminister dazu beigetragen hat, dass wir bei der Bewältigung der Krise international einen Schritt vorankommen. Wir haben das im Finanzausschuss gemeinsam
begrüßt, und ich freue mich, dass wir dies im Plenum
fortsetzen.
Vielen Dank.
({20})
Der Kollege Dr. Gerhard Schick ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Uns liegen Anträge der FDP und der Linken vor, mit denen in der internationalen Finanzmarktkrise der Blick
stärker auf Deutschland gelenkt werden soll. Dafür bin
ich dankbar. Wir haben ja schon auf der Grundlage eines
Grünen-Antrags im Finanzausschuss darüber diskutiert.
Eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen: Die Regierung spricht groß über die Verhandlungen auf internationaler Ebene: Wir hören von G 7, wir
hören von OECD, wir hören vom FSF, dem Financial
Stability Forum, wir hören von allem Möglichen, was international passiert. Fragen wir aber im Plenum oder im
Ausschuss nach, was eigentlich im Geschäftsbereich des
Bundesministers der Finanzen passiert, werden die Ausführungen ausgesprochen schmallippig.
({0})
Wir müssen endlich darüber reden, was in Deutschland schiefgelaufen ist; nur wenn wir das wissen, können wir sagen, was in Deutschland zu tun ist. Von den
Rednern der Großen Koalition habe ich bisher wenig
dazu gehört; aber vielleicht kommt da noch etwas. Herr
Dautzenberg, Sie haben gesagt: Es gibt Sachen, die auf
Landesebene zu tun sind. Dazu will ich sagen: Es gibt
aber auch Sachen, die auf Bundesebene zu tun sind.
({1})
Im Vorgriff auf die weiteren Reden möchte ich ganz
klar sagen: Herr Steinbrück, für uns sind Sie nicht nur
der Finanzaußenminister, der auf der internationalen
Ebene groß verhandelt, Sie sind auch der Finanzinnenminister, der sich um die Deutschland betreffenden Fragen kümmern muss. Wir erwarten, dass wir darüber
heute etwas von Ihnen hören.
({2})
Herr Spiller, ich fand es interessant, dass Sie den Fall
UBS angesprochen haben, bei dem es eine kritische und
detaillierte Analyse gab, wie Sie das ja auch geschildert
haben. Ich finde den Fall sehr bemerkenswert, weil die
Eidgenössische Bankenkommission, das Pendant zu unserer Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht,
die Schweizer Großbank auffordert, einen wirklich detaillierten Bericht darüber vorzulegen, was schiefgelaufen ist, und Teile daraus zu veröffentlichen.
Warum geht das in Deutschland nicht? Das könnte ja
aus der Regierung heraus an die BaFin herangetragen
werden. Die Aufsicht über die BaFin liegt ja beim Hause
des Bundesfinanzministers. Warum fordern Sie die
BaFin denn nicht auf, eine klare Analyse der Probleme
der deutschen Großbanken abzugeben und zu sagen, was
bei ihnen schiefgelaufen ist, damit wir für die Zukunft
die entsprechenden Rückschlüsse ziehen können? Das
könnte man in Deutschland einmal tun. Bisher: Fehlanzeige.
({3})
Ich will hier noch einen Schritt weiter gehen. Die Eidgenössische Bankenkommission fordert die UBS auf, ihren Aktionären zu sagen, warum dort Geld verbraten
worden ist. Wir wissen, dass die Krise auch in Deutschland das Geld der Steuerzahler kosten wird. Wir wissen
aber noch nicht, wie viel. Noch ist nichts kassenwirksam
geworden. Es geht dabei um Bürgschaften usw.
Ich glaube, eine Sache sollte sich der Deutsche Bundestag einmal überlegen: Ist nicht etwas, was für die Aktionäre einer börsennotierten Großbank recht ist, für die
Bürger in einem demokratischen Staat mehr als billig?
Es geht darum, dass angesichts der Lasten in Milliardenhöhe, die auf den Fiskus zukommen, wirklich einmal offengelegt wird, was in unseren Systemen schiefgelaufen
ist.
Wir wissen nicht, wie hoch die Lasten sind, aber genau das, was die Aktionäre der Schweizer UBS erhalten
dürfen, nämlich eine, wie Sie gesagt haben, genaue und
detaillierte kritische Analyse dessen, was schiefgelaufen
ist, fordern wir auch vom Bundesminister der Finanzen.
Wir fordern einen klaren Bericht darüber, was in Ihrem
Geschäftsbereich schiefgelaufen ist und welches die
Konsequenzen sind, die Sie daraus zu ziehen gedenken.
Davon haben wir bisher nichts gehört. Auch von der Regierungskoalition haben wir in dieser Hinsicht überhaupt
noch nichts gehört.
({4})
Es ist Zeit, dies in Deutschland endlich einmal zu tun,
damit die Bürgerinnen und Bürger erfahren, was schiefgelaufen ist.
({5})
Ich spreche damit ganz gezielt auch die Regierungskoalition an. Eine unserer Aufgaben als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist es - auch aus der Regierungskoalition heraus -, nicht nur den großen Mantel
schützend um das Finanzministerium zu legen. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass in Deutschland endlich einmal die Wahrheit darüber auf den Tisch kommt,
was schiefgelaufen ist. Damit spreche ich Sie auch ganz
persönlich an.
({6})
Vertreter der BaFin und der Bundesbank saßen im
Verwaltungsrat der Sachsen LB mit am Tisch. Das heißt,
es reicht nicht aus, im Ausschuss zu sagen, die BaFin
könne ja nicht das Geschäftsmodell der Sachsen LB
kontrollieren, wie Herr Steinbrück und andere Mitglieder der Regierungskoalition das getan haben. Es gibt ja
auch noch andere Möglichkeiten, Erfahrungen, die man
aufgrund der Kontrolle gewonnen hat, einfließen zu lassen, sodass im Verwaltungsrat die entsprechenden Diskussionen geführt werden. Ich habe noch keine Antwort
darauf gefunden - nicht im Ausschuss und nicht hier im
Plenum -, warum diese Möglichkeiten nicht genutzt
worden sind.
({7})
Nächster Punkt. Wir wissen inzwischen - das hat das
Bundesfinanzministerium in einer sehr knapp gehaltenen
Antwort auf meine Fragen hin zugestanden -, dass in
Spanien die entsprechenden außerbilanziellen Zweckgesellschaften von der Finanzaufsicht untersagt worden
sind. In Deutschland war das nicht der Fall. Man könnte
sich fragen, was die Spanier besser gewusst und schlauer
gemacht haben als wir in Deutschland. Auf diese Frage
habe ich bis heute keine Antwort gefunden. Ich erwarte
aber eine Antwort auf diese Frage.
({8})
Der Vorstand der UBS wird von der Finanzaufsicht in
der Schweiz gezwungen, zuzugeben, was geschehen ist:
Es gab intern Warner, also Leute, die darauf hingewiesen
haben, dass Risiken bestanden. Wir haben aber nicht auf
sie gehört. - Genau so ist es wahrscheinlich auch in der
deutschen Finanzaufsicht - wahrscheinlich auch im
Bundesfinanzministerium - gewesen.
Da wir bei der Bankenaufsicht sind: Wir müssen uns
die Frage stellen - das ist unsere Aufgabe -, warum die
BaFin jeden Kleinunternehmerkredit, den eine Genossenschaftsbank oder Sparkasse vor Ort gewährt, en
détail, bis hin zur Unterschrift und zum Datum auf der
letzten Seite des Formulars - dieser Kleckerleskram bedeutet eine riesige bürokratische Belastung -, prüft,
während bei den großen Risiken versagt wird. Ich
glaube, eine grundlegende Veränderung der Aufsichtskultur ist notwendig. Dazu haben wir bislang nichts gehört, weder von der Regierungskoalition noch vom Finanzminister. Ich fordere Sie auf, darauf Antworten zu
geben.
({9})
Wir werden diese Liste in der Öffentlichkeit und im Ausschuss fortsetzen. So ist zu fragen, ob die Reduzierung
des Personalbestandes im Bereich des Bundesministeriums der Finanzen in den letzten Jahren zu korrigieren
ist. Es ist keine Katastrophe, Fehler einzuräumen. Es ist
doch notwendig, zu sehen, wo es Fehlentwicklungen
gibt, damit wir reagieren können.
Ich will nun auf die konkreten Punkte eingehen, die
die FDP im Zusammenhang mit den Landesbanken angesprochen hat. Ich teile die Kritik von Herrn
Dautzenberg und Herrn Spiller an der starken Betonung
der Probleme im öffentlich-rechtlichen Bankensektor.
Gerade bei der IKB hat die Verquickung von öffentlichem und privatem Bereich dafür gesorgt, dass weder
die einen noch die anderen Kontrollmechanismen funktioniert haben. Man muss in der Analyse sauber sein.
Wir brauchen aber auf jeden Fall eine Strukturveränderung bei den Landesbanken, um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Bankensektors zu sichern. Wir Grüne
machen das Spiel nicht mit und schließen uns den alten
Forderungen, die nun in der Krise aus der Schublade geholt werden, nach weiteren Verstaatlichungen und mehr
Einfluss des Staates oder den lauten Rufen nach mehr
Privatisierung nicht an. Wir wollen einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Bankensektor. Das bedeutet,
tiefgreifende Reformen voranzutreiben.
({10})
Man muss ehrlich sein und zugeben: Die Landesregierungen waren in der Vergangenheit lausige Bankeigentümer. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dass
die Landesregierungen im öffentlich-rechtlichen Bankensektor nichts zu suchen haben. Sie haben ihre Aufgabe schlecht erfüllt. Meine Damen und Herren von der
Union, vor allem Sie müssen die Konsequenzen ziehen.
Herr Dautzenberg, Sie haben zwar ganz vernünftige Vorschläge gemacht. Aber schauen Sie sich die Liste der
Verfehlungen an, die belegen, dass die Union zum Sargnagel des öffentlich-rechtlichen Bankensektors geworden ist. Landowsky und Co. haben das Bundesland Berlin auf Jahre hinaus mit Milliarden belastet. Aber Sie
haben keine Konsequenzen daraus gezogen.
({11})
Wenn man das Brecht-Zitat von Herrn Zeil ernst nimmt:
Was bedeutet das für die CDU in Sachsen, die in ihrem
Provinzmief sozusagen eine Staatsbankphilosophie vertreten hat und einen Finanzplatz vor Ort fördern musste,
was aberwitzig war? Das Gleiche gilt für den Finanzplatz Düsseldorf. Reden Sie in New York doch einmal
vom Finanzplatz Düsseldorf! Hier handelt es sich um
reine Provinzpolitik, um die eigenen Pfründe zu sichern.
Aber Sie von der Union haben bis heute keine Konsequenzen daraus gezogen.
({12})
In Nordrhein-Westfalen hat Herr Rüttgers die Reform
bei der West-LB zum richtigen Zeitpunkt verhindert.
Weiter im Süden, in Bayern, gibt es nun einen Untersuchungsausschuss zur Bayern-LB. Angesichts all dessen
hat sich die Wirtschaftskompetenz der Union im Bereich
der Landesbanken deutlich überholt. Ich glaube, Sie haben großen Bedarf, sich neu zu positionieren. Wir müssen uns in Zukunft im öffentlich-rechtlichen Bankensektor gut aufstellen und den Provinzmief hinter uns lassen.
Danke schön.
({13})
Bartholomäus Kalb ist der nächste Redner für die
CDU/CSU.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag der Linken kann man sich eigentlich nicht befassen. Er ist der Widerspruch in sich, wenn
in der Überschrift steht „Sozialisierung der Verluste verhindern - Sicherungsfonds für privaten Finanzsektor
schaffen“ und es dann unter II. Nr. 3 des Antrages heißt,
es solle ein Sicherungsfonds eingerichtet werden, den
die öffentliche Hand steuert. Dieser Sicherungsfonds soll
„auf Zeit … nicht werthaltige Aktiva“ übernehmen und
damit den Instituten Liquidität zur Verfügung stellen.
„Die Aktiva werden mit einem angemessenen Abschlag
übernommen“, soweit die betroffenen Institute die damit
verbundenen Wertberichtigungen verkraften können. Sie
schlagen den Tausch von nicht werthaltigen Papieren mit
werthaltigen Papieren aus dem Sicherungsfonds vor.
Kollege Spiller hat meines Erachtens sehr zutreffend
gesagt, auf welche Weise Sie die letzte Rettungsaktion
des von Ihnen bekämpften Systems vornehmen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Sozialisierung pur, aber die Sozialisten können das nicht anders.
({0})
Herr Kollege Kalb, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Schui?
Ja.
Ist Ihnen bekannt, dass dieser Fonds ausschließlich
von Bankengeld gebildet wird und dass, falls Probleme
zwischen den mit Abschlag gekauften nicht werthaltigen
Aktiva einerseits und der Hergabe von durch den Fonds
emittierten Wertpapieren andererseits auftreten, das eigene Kapital des Fonds, das heißt Bankengeld, haftet,
nicht aber öffentliches Geld? Da wird also nicht sozialisiert, ehrlich nicht.
({0})
Herr Kollege, ich habe Ihren Antrag und auch diese
Passage selbstverständlich ganz genau gelesen. Aber
wer würde diese Verluste dann tragen, die Sparer mit ihren Einlagen oder die Kreditnehmer? Sie sozialisieren
auch dann.
({0})
Genau so ist es. Daran führt kein Weg vorbei.
Auch die FDP, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordert in ihrem Antrag fast wortgleich wie die
Linke „Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten“
und verlangt eine „Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors.“
({1})
Ich betone: Keiner will eine Übernahme eingetretener
oder zu erwartender Verluste durch die öffentliche Hand.
({2})
Das Bundesfinanzministerium hat dies ebenso wie das
Bundeswirtschaftsministerium wiederholt kategorisch
abgelehnt.
Unberührt davon bleibt es aber Aufgabe der Politik,
dafür zu sorgen - das ist schon dargestellt worden -, dass
die Auswirkungen der globalen Krise der Finanzwirtschaft in Grenzen gehalten werden. Negative oder gar
zerstörerische Wirkungen auf das deutsche Bankenwesen mussten und müssen vermieden werden. Das war
und ist notwendig, um negative Einflüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung zu verhindern und somit auch
die soziale Stabilität im Lande nicht zu gefährden. So
gesehen, war die Rettung der IKB zumindest aus damaliger Sicht richtig, aber sie ist es wohl auch aus heutiger
Sicht. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Herr
Professor Weber, hat diese Einschätzung erst kürzlich in
einem Interview in der Welt am Sonntag bestätigt.
Wir in Deutschland sorgen uns um die mittelbaren
Wirkungen der von den USA ausgehenden Hypothekenkrise, die stoßwellenartig die Finanzwirtschaft nicht
nur in den USA, sondern auch in Europa massiv erschüttert. In den Vereinigten Staaten allerdings sind viele
Menschen ganz unmittelbar betroffen. „Ein amerikanischer Albtraum - Hunderttausende Hausbesitzer stehen
vor dem Ruin“ titelte am 20. April die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Das belegt auch, dass die
leichtfertige Kreditvergabe mit variablen Zinssätzen, wie
sie in den USA praktiziert wurde, hochgradig gefährlich
ist. Man kann und darf Kredite nicht wie auf dem Jahrmarkt feilbieten.
({3})
Solidität und Seriosität sind durch nichts zu ersetzen,
schon gar nicht auf dem Finanzsektor.
({4})
Die Krise zeigt auch, dass die in Deutschland geltenden Regeln und Maßstäbe für eine Kreditgewährung
richtig sind, und es hat sich bewährt, dass Immobilien,
aber auch Mittelstandsfinanzierungen mit mittel- und
langfristigen Krediten zu festen Zinssätzen finanziert
werden.
Zu Beginn der Verhandlungen über Basel II wollte
die angloamerikansiche Seite eine deutlich schlechtere
Bewertung langfristiger Kredite durchsetzen, was eine
erheblich höhere Eigenkapitalunterlegung und damit
natürlich auch eine erhebliche Verteuerung dieser Kredite zur Folge gehabt hätte. Dank des nachdrücklichen
Einsatzes der deutschen Delegation und der Mitstreiter
Ihres Hauses, Herr Minister Steinbrück, konnte diese
Diskriminierung abgewendet werden. Herr Kollege
Dautzenberg, ich erinnere mich noch gut an die Gespräche und Verhandlungen, die seinerzeit im Finanzausschuss des Bundestages in sehr zielgerichteter Weise mit
Herrn Sanio geführt wurden. Er und seine Mitstreiter haben es dann auch geschafft, dem Willen des Bundestages, insbesondere dem Willen des Finanzausschusses, in
der Kommission für Basel II zum Durchbruch zu verhelfen.
Eines lehrt uns die aktuelle Krise auch: Viele Finanzprodukte, die heute auf den internationalen Märkten angeboten werden, können selbst von Fachleuten nicht
ausreichend beurteilt werden. Jetzt rede ich nicht von
Leichtgläubigkeit, Leichtfertigkeit oder gar grober Fahrlässigkeit, ich rede nur davon, dass offensichtlich auch
hochqualifizierte Experten nicht immer alles durchschauen. Leider - auch das gehört zu den bitteren Erfahrungen dieser Krise - sind das Urteil und die Bewertung
der Ratingagenturen, wenn es darauf ankommt, nichts
oder zumindest nicht viel wert. Wie sonst könnte es sein,
dass sowohl Institute als auch Produkte innerhalb weniger Tage von Triple-A bis nach ganz unten durchgestellt
werden? Dass im konkreten Fall die Ratingagenturen sowohl bei der Strukturierung der Produkte als auch bei
deren Bewertung mitgewirkt haben, ist besonders pikant
und nicht akzeptabel.
({5})
Bedauerlicherweise sind wir auf diesem Gebiet vollkommen auf die amerikanischen Agenturen angewiesen.
Versuche, in Europa eine oder mehrere eigenständige
Ratingagenturen zu schaffen, waren nicht erfolgreich,
und ich fürchte, sie werden es auch in Zukunft nicht
sein.
Erschwerend kommt hinzu, dass die IFRS-Regeln
die prozyklischen Effekte, wie der Finanzminister dies
ausdrückt, noch verstärken. Es wäre aber jetzt falsch,
wieder die Abkehr von dieser IFRS-Rechnungslegung
zu fordern. Richtig ist aber auch, dass, wie Sie, Herr
Bundesfinanzminister, es im Haushaltsausschuss vorgeschlagen haben, Elemente eingebaut werden müssen, die
geeignet sind, diese extremen Ausschläge nach oben und
unten zu vermeiden. Im Übrigen sind die nach diesen
Rechnungslegungsstandards ausgewiesenen Risiken
zum Glück noch keine realisierten Verluste. Auch das
muss festgestellt werden.
({6})
Allerdings können aus Risiken bei anhaltend schlechter
Marktlage Verluste werden.
Zu dem in den Anträgen angesprochenen Thema
Landesbanken - Vorredner haben sich dazu schon breiter geäußert - will ich nicht viel sagen. Diese Debatte
gehört eigentlich in die Landtage und in die zuständigen
Gremien der Sparkassenorganisationen. Niemand hier
hat die Absicht, etwaige Risiken der Landesbanken
durch den Bund übernehmen zu lassen. Das ist wiederholt deutlich gemacht worden. Herr Kollege Zeil, da Sie
vorhin etwas plakativ dargestellt haben, was man mit
einer Milliarde alles machen könnte, darf ich in Erinnerung rufen, dass die Bayerische Landesbank in den letzten Jahren Gewinne in Höhe von einer Milliarde Euro an
die Gesellschafter, den Freistaat Bayern und die Sparkassenorganisation, ausgeschüttet hat. Die werden wohl
damit gut gewirtschaftet haben, so darf ich zumindest
unterstellen.
({7})
Die weiteren Fragen nach möglichen oder notwendigen
Fusionen müssen ebenfalls in den zuständigen Gremien
besprochen und entschieden werden. Dabei müssen natürlich auch die Aspekte der Förderkompetenz und der
Zentralinstitutsfunktion berücksichtigt werden. Dazu hat
sicherlich jeder von uns eine Meinung, aber zuständig
sind wir dafür nicht.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Sowohl die derzeitige Krise als auch die Krise der Kreditwirtschaft, die
wir im Jahr 2002 gesehen haben, zeigen uns eines: Das
Dreisäulenmodell - Kollege Dautzenberg hat es schon
dargestellt -, das wir in der deutschen Bank- und Kreditwirtschaft haben, hat sich bewährt. Es ist geeignet, die
Schockwellen und Erschütterungen abzufedern, jedenfalls besser, als wir das in anderen Ländern beobachten
können. Das ist wichtig, und zwar sowohl im Interesse
der Anleger als auch im Interesse der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, im Hinblick auf die Kreditversorgung. Das Dreisäulensystem hat sich in Deutschland also in den Krisen bewährt. Wir sollten es nicht
gefährden.
Danke schön.
({8})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank
Schäffler das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ingrid Matthäus-Maier hat ihren Rücktritt damit
begründet, sie habe nicht die Absicht, den Kopf für Fehler hinzuhalten, die andere gemacht hätten. Diese Frage
stellen wir als FDP: Wer hat neben Ingrid MatthäusMaier Fehler gemacht,
({0})
wann hat die Bankenaufsicht, wann haben die Aufsichtsräte, wann hat der Bundesfinanzminister nicht richtig
hingeschaut?
({1})
An den Kollegen Schick gerichtet, sage ich: Da müssen die Grünen springen. Wir stellen fest, dass die Bundesregierung hier im Parlament nicht zur Auskunft bereit
ist. Wir haben in verschiedenen Anhörungen im Finanzausschuss, aber auch im Plenum immer wieder um umfassende Aufklärung gebeten. Bisher ist uns der Bundesfinanzminister dies schuldig geblieben. Deshalb stellt
sich die Frage, inwieweit wir andere parlamentarische
Mittel nutzen, um die Bundesregierung zu zwingen,
Auskunft zu geben.
({2})
Ich will daran erinnern, dass die Grünen bisher verhindern, einen Untersuchungsausschuss in dieser Angelegenheit einzurichten.
Die Losung vonseiten der Regierung lautet bisher:
Wir haben nichts falsch gemacht. Dass der IKB-Aufsichtsrat einschließlich des BMF nichts falsch gemacht
habe, ergebe sich schließlich aus einem Gutachten des
Aufsichtsrates. Parallel redet der Finanzminister gerne
von Transparenz. Doch wenn es beispielsweise darum
geht, das Gutachten zu veröffentlichen, dann ist es mit
der Transparenz wieder einmal vorbei.
Nun soll es immerhin noch ein Sondergutachten geben, ganz so wie wir es hier vor ein paar Wochen beantragt haben. Außerdem wurde die Entlastung des IKBAufsichtsrates verschoben. Auch das haben wir hier im
Parlament gefordert.
({3})
Die Frage ist, warum Sie auf solche Selbstverständlichkeiten nicht selbst kommen. Warum hat das Bundesfinanzministerium nicht von Anfang an dafür gesorgt,
dass erst alle Vorwürfe aufgeklärt werden und erst
anschließend die Entlastung erfolgt? Stattdessen gab es
ein unwürdiges öffentliches Gezerre, auch zwischen den
Ministern Glos und Steinbrück, bei dem sich am Ende
der Finanzminister dem öffentlichen Druck beugen
musste.
Wir wollen den Finanzminister daran erinnern: Es
gilt, hier Ihre Hausaufgaben zu machen. Sie müssen hier
in Deutschland Ihren Laden in Ordnung bringen. Es hilft
nichts, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen, die
sich ordnungspolitisch noch schlechter verhalten als wir,
sondern es geht darum, dass wir uns selbst an unsere
Prinzipien halten.
({4})
Eines dieser Prinzipien muss sein, den staatlichen
Einfluss im Bankenmarkt ganz deutlich zu reduzieren.
Es stimmt, dass auch private Banken von der Krise betroffen sind. Aber die dort Verantwortlichen werden von
ihren Investoren zur Verantwortung gezogen.
({5})
- Nein, die IKB ist keine private Bank. Der Bundesfinanzminister hat mir gerade in einer Kleinen Anfrage
mitgeteilt, dass die Präsenz auf der Hauptversammlung
der IKB vonseiten der KfW immer mehr als 50 Prozent
betragen hat. Die IKB war zu jedem Zeitpunkt eine
staatliche Bank,
({6})
auf deren Entscheidungen der Bundesfinanzminister unmittelbar Einfluss genommen hat.
Es stimmt, dass auch private Banken von der Krise
betroffen sind; das habe ich gesagt. Bei den vielen Stützungsaktionen zugunsten der Landesbanken und der
IKB wird der Steuerzahler aber direkt in Haftung genommen. Das ist der fundamentale Unterschied. Die Lösung kann nicht sein, Landesbanken zu fusionieren. Aus
zwei Absteigern wird nicht automatisch ein Aufsteiger.
({7})
Es hilft auch nichts, aus vielen kleinen Problemen ein
großes Problem mit kumulierten Risiken zu machen,
nach dem Motto: Wenn es schiefgeht, ist wieder der
Steuerzahler an der Reihe. Deshalb halten wir es für gerechtfertigt, an diese Institute künftig höhere Eigenkapitalanforderungen zu stellen. Es hat kein Bürger Verständnis dafür, dass Sie staatliche Milliarden in die
Banken pumpen; dies muss aus unserer Sicht endlich ein
Ende haben.
({8})
Auch die IKB hat und hatte kein tragfähiges Geschäftsmodell. Das Mittelstandsgeschäft der IKB war
anscheinend nie ertragreich. Aber dank der KfW im
Rücken war die IKB nicht gezwungen, sich dem Markt
anzupassen. Stattdessen hat man über Jahre die wirkliche Situation verschleiert. Die Zeche zahlen die Steuerzahler - das akzeptieren wir als FDP nicht -,
({9})
weil Sie alle hier im Parlament für die Beteiligung der
KfW bei der IKB eingetreten sind. Sie haben - und die
Gesamtverantwortung dafür liegt beim BMF - die IKB
miserabel gemanagt. Sie haben nicht die richtigen Leute
in die IKB geschickt, Sie haben eine Salamitaktik betrieben und Sie haben den Verkauf der IKB nicht rechtzeitig
vorangebracht.
Noch im Sommer letzten Jahres wollte der Finanzminister nach dem Bekanntwerden der Schieflage die IKB
nicht sofort verkaufen. Diese Fehleinschätzung wird den
Bund noch viel Geld kosten. Das ist nicht nur die Einschätzung von uns als Opposition, sondern auch die eines Minderheitsaktionärs. Sal. Oppenheim hat nämlich
gerade in dieser Woche deutlich gemacht, dass beim
IKB-Verkauf gepennt wurde. Wenn Sie entschlossen gehandelt hätten, dann hätten Sie auch einen Käufer für die
IKB finden können.
Stehen insbesondere Sie, Herr Minister Steinbrück,
als Mitglied der Bundesregierung endlich zu Ihrer Verantwortung! Sie haben immer gesagt, man habe die
Zweckgesellschaften der IKB nicht prüfen können. Vor
einigen Wochen haben Sie auf meine Anfrage aber eingeräumt, dass die BaFin bereits im August 2005 eine
Sonderprüfung bei der IKB durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag gegeben hatte. Dabei wurde
auch das ausländische Kreditengagement der Zweckgesellschaften stichprobenartig geprüft. Hätte man hier
oder zu einem späteren Zeitpunkt richtig geprüft, dann
hätte dem Steuerzahler viel Geld erspart bleiben können.
Dass dies nicht erfolgt ist, haben Sie zu verantworten.
({10})
Die IKB-Krise schlägt nun entgegen anderen Beteuerungen auch voll auf das Fördergeschäft der KfW durch,
wie man an der aktuellen Zinserhöhung der KfW deutlich sehen kann.
Kollege Schäffler, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ich komme zum Schluss.
({0})
Sie haben sich in der IKB-Krise zu langsam, zu zögerlich und zu halbherzig verhalten. Der entstandene
Schaden ist riesig und hat katastrophale Auswirkungen
auf die Wirtschaft und den Bundeshaushalt.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich will auf den Feldzug von Herrn Schäffler
und seine Versuche, mir irgendetwas anzuhängen, nur
kursorisch eingehen.
Erstens. Ich gebe dem Hause gerne bekannt, dass dem
Ministerium inzwischen insbesondere von Herrn
Schäffler und Herrn Wissing insgesamt etwa 180 bis 200
Einzelfragen gestellt wurden.
({0})
Insofern ist der Eindruck, der hier verbreitet wird, wir
seien überhaupt nicht auskunftsfreudig, schlicht und einfach falsch. Hier wird ein Popanz aufgebaut. Inzwischen
ist eine ganze Abteilung mit der Beantwortung der Fragen beschäftigt.
({1})
Deshalb freue ich mich sehr, Herr Schick, dass Sie sich
dafür einsetzen, dass ich mehr Personal bekomme, damit
die entsprechende Abteilung auch noch ihre eigentlichen
Aufgaben erledigen kann.
({2})
Zweitens. Es ist nicht die Aufgabe des BMF, irgendjemanden zur IKB zu schicken. Sie wissen genau, dass das
überhaupt nicht unsere Aufgabe ist.
Drittens. Es ist auch nichts verschleiert worden. Ich
lehne eine solche Unterstellung schlicht ab, und zwar
vor dem Hintergrund von vier oder fünf Prüfungsberichten, die Ihnen allen geläufig sind und bis in den Juni
letzten Jahres hinein auf der Basis der vorliegenden Informationen, die nicht von den mir vorliegenden Informationen abweichen, Auskunft über die Lage der IKB
gegeben haben.
Schließlich ist festzuhalten, dass ich nicht den IKBVerkauf zu leiten habe. Das kann ich gar nicht. Dafür
sind andere Gremien zuständig.
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Nein, danke sehr. Ich habe Herrn Schäffler und Herrn
Wissing schon so viele Fragen beantwortet.
({0})
Sie können aber gerne noch einmal schriftlich nachhaken.
({1})
- Regen Sie sich nicht auf!
Wir haben es mit einer sehr ernsthaften Finanzmarktkrise zu tun, die eine Reihe von Banken buchstäblich an den Rand des Abgrundes gebracht hat. Einige
Banken standen kurz vor dem Kollaps. Es ist richtig,
dass diese Finanzmarktkrise uns das ganze Jahr weiter
beschäftigen wird. Die USA geraten darüber in eine Rezession. Es ist zu erwarten, dass es auch in Deutschland
und in den anderen europäischen Ökonomien Eintrübungen der wirtschaftlichen Entwicklung geben wird. Das
ist sehr ernst zu nehmen. Dies ist eine andere Finanzmarktkrise als das, was wir in den 90er-Jahren in Lateinamerika und Südostasien erlebt haben. Es wird uns
durchgängig beschäftigen, und es wird Eintrübungen geben.
Diese Finanzmarktkrise ist aber nicht geeignet für Panikmache, für Populismus und für Verzeichnungen. Sie
ist auch nicht dafür geeignet, den Finanzdienstleistungssektor zu dämonisieren.
({2})
Die deutsche Volkswirtschaft mit der Stärke dieser Realwirtschaft, insbesondere im deutschen Mittelstand, ist
darauf angewiesen, einen Finanzdienstleistungssektor
auf der Höhe der Zeit und wettbewerbsfähig, gemessen
an internationalen Standards, zu haben. Deshalb bitte ich
bei allen Aufbereitungen darum, Vorsicht walten zu lassen mit Blick auf die Tatsache, dass dieser Finanzdienstleistungssektor wahrscheinlich von erheblicher Bedeutung für die weitere Entwicklung der deutschen
Volkswirtschaft und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt ist.
Es gibt vier oder fünf Punkte, auf die ich gerne eingehen möchte, wobei ich darum bitte, dass wir uns nicht
nur oberflächlich in einer Analyse oder in den Konsequenzen bewegen.
Der erste Punkt - hierauf ist der Kollege Spiller bereits richtigerweise eingegangen - ist: Diese Finanzmarktkrise hat alle Banken betroffen. Es ist kein Spezifikum der öffentlich-rechtlichen Banken, wie insinuiert
wird. Das ist ein Fehler, jedenfalls eine unzureichende
Analyse.
({3})
Die vollständige Analyse, durchaus auf der Spur dessen,
was auch Redner der FDP gesagt haben, lautet, dass es
öffentlich-rechtliche Banken, vornehmlich Landesbanken, gibt, die sich aufgrund eines nicht tragfähigen Geschäftsmodells in einem Missverhältnis zu ihrer Kapitalund Ertragskraft in Produkten engagiert haben, von denen sie nichts verstehen. Da treffen wir uns.
({4})
Dies hat Rückwirkungen - da stimme ich Ihnen zu,
Herr Zeil - mit Blick auf eine Konsolidierung auf der
Ebene der Landesbanken, auf die eigentlichen Aufgaben der Landesbanken und darauf, wie ihre Geschäftsmodelle aussehen. Ich stehe auch nicht lange an, zu sagen, viele Landesbanken - nicht alle - haben es nach
dem Wegfall der beiden Staatsgarantien - Anstaltslast
und Gewährträgerhaftung - im Juli 2005 versäumt, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Aber noch einmal: Es ist kein Spezifikum. Ich rate
insbesondere mit Blick auf den Stellenwert der Sparkassen dazu, ihrer Bedeutung in den Kommunen, für den
Mittelstand und für den Wettbewerb und damit auch im
Interesse der Kunden - versuchen Sie einmal, in Großbritannien ein Girokonto zu eröffnen; versuchen Sie einmal,
in Großbritannien eine Bankfiliale innerhalb von 40 Meilen zu finden - gerecht zu werden und mit diesen Sparkassen vorsichtig umzugehen.
({5})
Zweitens. Mit Blick auf exorbitant hohe Zahlen, wo
die ganze deutsche Öffentlichkeit aufgemischt wird,
wenn sie von einer Risikoabschirmung in Höhe von
8 Milliarden Euro hört - eine unfassbare Summe -, rate
ich sehr dazu, sehr viel stärker zwischen Risiken und
Wertberichtigungen und tatsächlich eingetretenen Verlusten zu unterscheiden. Das müssten Sie als Nationalökonom, Herr Schui, nachvollziehen können. Bei diesen
Summen, die zum öffentlichen Ärgernis werden, reden
wir im Augenblick über Wertberichtigungen, über Risiken und nicht über real eingetretene Verluste. Ich habe
keine präzisen Zahlen vorliegen, aber der Bundesbankpräsident und andere schätzen, dass der Wertberichtigungsbedarf in Deutschland ungefähr 10 Prozent dessen
beträgt, was die OECD geschätzt hat, also 10 Prozent
von 350 bis 420 Milliarden Euro weltweit. Ich vermute,
dass bezogen auf diesen Wertberichtigungsbedarf in der
Größenordnung von 35 bis 42 Milliarden Euro - oder
nehmen wir vorsichtshalber 45 Milliarden - der bisher
real eingetretene Verlust unterhalb von 5 Prozent dieser
Summe liegt. Damit schließe ich nicht aus, dass weitere
Verluste eintreten. Ich rate nur, hier sehr vorsichtig und
differenziert zu argumentieren und nicht in der Weise,
wie man jemandem Kaugummi unter die Sohle klebt.
Das sind Dinge, die zur Lösung wenig beitragen.
Drittens. Insbesondere Herr Schick, aber auch Herr
Schui tun so, als ob es einen sehr spezifischen und allein
auf der nationalstaatlichen Ebene zu erfüllenden Handlungsbedarf gäbe. Dieses Haus stimmt doch über alle
Flügel hinweg darin überein, es gibt nichts Mobileres als
Kapital, es gibt keine größere Vernetzung als die im Finanzdienstleistungssektor. Und nun fragen Sie mich, was
ich auf der nationalen Ebene mache. Herr Schick, soll
ich in Deutschland die Eigenkapitalunterlegungen spezifisch verändern, wenn es alle um mich herum nicht
machen? Erwarten Sie von mir, dass ich deutschlandspezifische Liquiditätsstandards festlege, dass ich Rechnungslegungsstandards verändere? Sie wissen doch genau, welche Folgen das hätte. Es würde zu einer totalen
Schwächung des deutschen Finanzdienstleistungssektors
führen.
({6})
Ich komme hier nur weiter, wenn ich mich mit meinem
Impetus in die dafür vorgesehenen Organisationen einbringe. Da sage ich mit einem gewissen Stolz: Das ist
dieser Bundesregierung in den letzten zehn bis zwölf
Monaten gut gelungen.
({7})
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schick zu?
Bitte sehr.
({0})
- Es kommt auf die Tonlage an.
({1})
Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nicht gesagt habe - das wurde auch im
Ausschuss deutlich -, wir sollten Regelungen, die übereinstimmend auf internationaler Ebene gefunden werden
müssen, in Deutschland vorwegnehmen? Ich habe in
meinem Redebeitrag ausschließlich Punkte benannt, die
sich auf den nationalen Hoheitsbereich beziehen, beispielsweise die Organisation der Finanzaufsicht, die
internen Arbeitsabläufe der Finanzaufsicht und die Verteilung der Aufgaben bei der Überprüfung von Kleinstinstituten und Großbanken. Das von mir genannte Beispiel der Eidgenössischen Bankenkommission bezog
sich auf ein Vorgehen auf nationaler Ebene. Man kann
nicht einfach so tun, als hätte ich irrationale Forderungen
nach einer Regulierung von Hedgefonds oder nach Eigenkapitalunterlegung nur in Deutschland geäußert. Ich
stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass wir so etwas auf nationaler Ebene nicht regeln können.
Ich habe das wohl verstanden. Nur ist das bei der
Bankenaufsicht ein kleines Segment. Sie wissen, dass es
bei der BaFin gerade zu organisatorischen und strukturellen Veränderungen gekommen ist. Sie wissen, dass
eine neue Arbeitsteilung zwischen den beiden Aufsichtsbehörden, der Bundesbank und der BaFin, einmütig festgelegt wurde. Sie müssten mir also schon sehr viel konkreter sagen, was Sie darüber hinaus wünschen.
Im Übrigen geht es bei den Bemühungen, unsere
Bankenaufsicht zu stärken, darum, bei grenzüberschreitenden Versicherungsgruppen und Bankengruppen eine
stärkere Kooperation und Konvergenz herzustellen.
Dementsprechend habe ich in der slowenischen Stadt
Ljubljana gerade an der Erstellung eines Memorandum
of Understanding mitgewirkt. Darüber hinaus habe ich
im Kreis der G 7 auf Vorschlag des Financial Stability
Forum die Einrichtung von sogenannten Colleges, von
Überwachungsvertretungen, verabredet. Sie müssten mir
schon konkreter sagen, was im Augenblick darüber
hinaus bei der Bankenaufsicht zu tun ist, und nicht nur
irgendwelche Mahnungen in die Welt setzen.
Außerdem haben Sie einen Hinweis gemacht, den ich
für abwegig halte. Die BaFin ist nicht dafür da, die Geschäftsmodelle von Banken zu kontrollieren;
({0})
das haben Sie aber in Ihrem Redebeitrag gefordert. Mit
einem solchen Verständnis können Sie garantiert nichts
bewirken.
({1})
Ich komme zu einem weiteren Punkt, bei dem ich
bitte, genau zu unterscheiden. Angesichts des hohen Mobilitätsgrades bei Kapital und der hochgradigen Vernetzung im Finanzdienstleistungssektor ist die Bundesrepublik Deutschland darauf angewiesen, ihre Vorstellungen
bei der Frage, wie die Widerstandsfähigkeit des Finanzdienstleistungssektors verbessert werden kann, in der
Eurogruppe, in der Europäischen Union, im G-7-Kreis
und im Financial Stability Forum durchzusetzen. Ich
finde, wir haben aus Washington einiges mitgebracht,
das sich sehen lassen kann.
Im vierten Punkt möchte ich auf die Frage eingehen,
ob Steuergelder verbrannt werden. Der Bundesregierung ist die Entscheidung, über eine Art Zuweisungsgeschäft über die KfW der IKB 1,2 Milliarden Euro zunächst als Darlehen zur Verfügung zu stellen, nicht leicht
gefallen. Dieses Darlehen ist noch nicht verbrannt. Wir
hatten abzuwägen - das war die Entscheidung -, ob wir
die IKB - umgangssprachlich formuliert - an die Wand
fahren lassen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen,
dass die Erschütterungsdynamik - der Knall, der auf einen Bankrott dieser Bank folgen würde - andere so stark
in Mitleidenschaft ziehen könnte, dass der Schaden noch
größer wäre; Herr Dautzenberg hat das richtigerweise als
Kettenreaktion bezeichnet.
Wenn Sie mich fragen, ob dort Steuergelder verbrannt
werden, müssen Sie eigentlich ehrlicherweise hinzufügen, wie viel mehr Steuergelder im Alternativszenario,
das sehr viel größere Risiken birgt, verbrannt würden.
Das tun Sie aber nicht. Vielmehr fokussiert sich alles auf
die Forderung, so mit der IKB umzugehen, dass der
Steuerzahler nicht in eine Mithaftung gezogen wird
- bisher haftet der Steuerzahler nicht mit -, wobei Sie
die Frage nicht interessiert, was die Konsequenzen daraus wären. Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass eine
gute Gesinnung nicht reicht, um Politik zu machen; auch
Verantwortungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein sind nötig. Die Bundesregierung musste hier
Verantwortungsbereitschaft zeigen.
({2})
Der letzte Punkt. Wir befinden uns in Deutschland
keineswegs in einer Situation, in der wir den Eindruck
vermitteln sollten, die deutschen Steuerzahler würden in
großem Umfang und in nachhaltiger Form durch die
Finanzmarktkrise in Mitleidenschaft gezogen. Ja, in
allen betroffenen Ländern wird es allein durch die Eintrübung der Konjunktur zu Verlusten an Steuereinnahmen kommen; das ist schlicht und einfach ein unspezifisches Resultat der Wirtschaftsentwicklung. In welchem
Ausmaß wir wegen der Finanzmarktkrise bzw. für Stützungsmaßnahmen des Staates aufgrund von Garantiepositionen wirklich Haushaltsmittel und damit Steuergelder in Anspruch nehmen müssen, weiß zurzeit
niemand. In Deutschland hält sich das im Gegensatz zu
Großbritannien erkennbar in Maßen.
In Großbritannien ist eine Bank wie Northern Rock
verstaatlicht worden, was ordnungspolitisch beinahe unvorstellbar ist. Das wird im britischen Haushalt mit ungefähr 40 Milliarden bis 60 Milliarden Pfund zu Buche
schlagen und die britische Einhaltung der MaastrichtKriterien gefährden.
Derzeit ist der englische Staat dabei, mit 50 Milliarden Pfund Hypothekenkredite abzusichern. Er übernimmt sie als Sicherheit für Staatsanleihen. Es geht um
unvorstellbar hohe Summen.
In den USA hat die Fed mit Blick auf die Stabilisierung von Bear Stearns JP Morgan mit 30 Milliarden
Dollar abgesichert. Insofern bitte ich Sie, unsere Lage in
Deutschland auch im Vergleich dazu zu betrachten, was
andernorts durch die weltweite Finanzmarktkrise ausgelöst worden ist.
({3})
Ich will mich aus Zeitgründen nicht auf weitere
Einzelheiten kaprizieren, zumal ich mich im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss erklären durfte. Ich
halte aber an dem fest, was aufgrund maßgeblicher deutscher Initiativen im Financial Stability Forum vorgeschlagen worden ist. Ich erinnere daran, dass die deutsche G-7-Präsidentschaft im Februar 2007 in der Villa
Hügel in Essen das Thema Transparenz international auf
die Tagesordnung gesetzt hat. Ein kleiner Hinweis darauf, dass das richtig war, fällt sicherlich nicht schwer.
Ich erinnere auch daran, dass die Angloamerikaner
langsam auf diesen Kurs umgeschwenkt sind, allerdings
unter dem Druck einer Lernkurve, resultierend aus der
Finanzmarktkrise. Vor sechs oder sieben Monaten waren
sie noch nicht so weit. Es wurde zu Recht gefragt, wie
lange diese Phase anhält und ob sie noch genauso zur
Regulierung bereit sind wie jetzt, wenn die Krise langsam endet.
Für den Bundesbankpräsidenten und mich wie auch
für viele andere - insbesondere für die Europäer und
selbst für meine amerikanischen Kollegen - war es eine
bemerkenswerte Erfahrung, dass bei einem Zusammentreffen mit ungefähr zehn bis zwölf wichtigen Vorstandsvorsitzenden von internationalen Banken in Washington
diese nach mehr staatlicher Regulierung fragten. Das
hätte ich mir vor sechs Monaten nicht träumen lassen.
({4})
Das passt nicht ganz zu unserem ordnungspolitischen
Grundsatz, der dem deutschen Idealismus entsprechend
immer sehr strikt verfolgt wird nach dem Motto „Es geht
nicht um Leben und Tod, es geht um mehr als das“.
({5})
So kommen wir pragmatischen Lösungen nicht näher.
Die Amerikaner und die Briten machen das: Sie verstaatlichen eine Bank.
({6})
Das hat es seitens der Fed vorher noch nie gegeben.
Ich will darauf hinaus, dass uns bezogen auf die folgenden Kernprobleme, um die es geht, viel gelungen ist:
Erstens geht es um die Frage, wie wir die Eigenkapitalstandards verändern, damit die verbrieften hochkomplizierten Produkte in den Knalltüten - wie ich sie nennen möchte -, bei denen niemand weiß, wo die Risiken
liegen, endlich in die Bilanzen mitaufgenommen werden. Sie müssen mit Eigenkapital unterlegt werden, was
das Risikoverhalten von Managern nachhaltig beeinflussen würde.
({7})
Zweitens brauchen wir - das ist sehr wichtig - Liquiditätsstandards. Denn die mangelnde Liquidität ist derzeit eines der Hauptprobleme im Interbankenverkehr.
Wir haben es mit einem Vertrauensbruch zu tun. Die
Banken mit ausreichender Liquidität sitzen wie Glucken
darauf. Diejenigen, denen es an Liquidität mangelt, beschweren sich, weil die anderen Banken ihnen nichts abgeben.
Insofern ist die Politik der EZB und der Fed, den
Markt mit Liquidität zu versorgen, richtig. Bei einer
Bank in Großbritannien, wo das nicht so war, hat das dafür gesorgt, dass die Menschen anschließend in langen
Schlangen vor den Filialen gestanden haben. Stellen Sie
sich die Debatte vor, wenn es solche Bilder in Deutschland gegeben hätte, die stark an die 20er-Jahre erinnern!
Drittens geht es um Transparenz. Die deutschen
Institute werden von mir und dem Bundesbankpräsidenten massiv aufgefordert, offenzulegen, was sie an Risiken erkannt haben und an Wertberichtigungen vornehmen müssen, weil dies zur Vertrauensbildung beiträgt.
Das alleine reicht aber nicht. Wir müssen uns auch
über klar benannte Adressaten - ich kann sie aus Zeitgründen nicht alle auflisten - darum kümmern, dass wir
schon in einem 100-Tage-Programm vorankommen.
Viertens geht es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bzw. Konvergenz der Aufsichtsbehörden. Ich
kann derzeit keinen nationalen Handlungsbedarf erkennen, aber grenzüberschreitend muss gehandelt werden.
Die Colleges of Supervisors, wie es in den Kommuniques
heißt - also die Arbeitsgruppen aus Aufsichtsvertretern
sowohl der Ministerien als auch der Aufsichtsbehörden
und der Notenbanken -, haben in diesem Zusammenhang die ersten 25 solcher grenzüberschreitenden Banken- oder Versicherungsgruppen identifiziert.
Das fünfte Problem sind die Ratingagenturen.
Unter dem Strich: Am Anfang steht ein Versagen von
Märkten und Managern, nicht von Politik. Das ist das
Urteil, das Sie überall hören: Es war nicht die Politik.
Also drehen Sie die Debatte nicht um. Ich bin in beiden
Ausschüssen immer wieder darauf hingewiesen worden,
dass in der Öffentlichkeit ausschließlich die Politik für
diese Entwicklung verantwortlich gemacht wird, nicht
der Markt oder die beteiligten Manager. Ich meine: Ziehen wir uns den Schuh doch nicht so an, wie Sie das hier
versuchen.
({8})
Was habe ich denn mit dem operativen Geschäft der
IKB zu tun? Nichts, um das deutlich zu sagen. Versuchen wir doch nicht, uns gegenseitig selbst in die Position zu bringen, die dazu führt, dass die Menschen sagen: Die dämliche Politik hat versagt und ist für die
Finanzmarktkrise verantwortlich.
({9})
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage und damit eine Verlängerung Ihrer Redezeit zu, wenn ich das
mit Blick auf die rote Lampe bemerken darf?
Mit oder ohne?
({0})
- Dann gerne. Herr Thiele, bitte.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich glaube schon,
dass eines der Probleme darin besteht, dass auf der Anlegerseite Produkte gekauft wurden, die von unterschiedlichen Managern in unterschiedlichen Banken nicht entsprechend risikobewertet wurden und dass deshalb
sowohl in privaten Banken wie auch in öffentlich-rechtlichen Banken entsprechende Probleme entstanden sind.
Allerdings handelt es sich bei der IKB von ihrer
rechtlichen Natur her um eine Privatbank.
({0})
Unter Rot-Grün ist allerdings der Anteil der KfW als
Eigentümer so erhöht worden, dass die KfW der wesentliche Eigentümer der IKB geworden ist. Unser Ansatz
als FDP ist: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Eigentümer einer Privatbank zu werden, auch nicht über die
KfW. Das ist der Unterschied. Das werfen wir Ihnen vor.
Wir sagen: Die Banken sollen privat organisiert sein.
Wenn es zu einem Fehlverhalten kommt, können die
Eigentümer dafür die Vorstände zur Rechenschaft ziehen. Aber wenn sich der Staat an Privatbanken beteiligt
und Risiken und Verluste entstehen, schlagen sie sich im
Haushalt und bei der KfW nieder und müssen damit
letztlich vom Steuerzahler getragen werden. Das ist der
Punkt, den wir kritisieren.
Ich bitte Sie um Ihre Einschätzung dazu, ob Sie das
anders sehen. Der Erwerb ist nicht in Ihrer Zeit als
Minister erfolgt, aber als Sie das Amt angetreten haben,
haben Sie nicht dafür Sorge getragen, dass sich der Staat
über die KfW von diesen Anteilen wieder trennt.
Sie sind viel zu sehr mit der Geschichte vertraut, Herr
Thiele, um nicht zu wissen, dass sich die KfW seinerzeit
um die Anteile an der IKB nicht gerissen hat.
({0})
- Aber aufgrund des Drängens der deutschen Wirtschaft,
damit diese deutsche Mittelstandsfinanzierungsbank
nicht von der Royal Bank of Scotland übernommen
wurde. Das wissen Sie doch. Versuchen Sie doch nicht,
mich und vor allem das Publikum in die Irre zu führen.
({1})
Das war doch seinerzeit keine Strategie der KfW. Ich
weiß gar nicht, wer damals im Amt gewesen ist.
({2})
- Herr Waigel, aber das ist völlig wurscht. Es ist doch
damals nicht das Ansinnen des Bundes gewesen, sich in
einer quasi imperialistischen Armbewegung eine Aktiengesellschaft unter den Nagel zu reißen. Das stimmt
doch einfach nicht. Die Frage war, ob dieser Anteil möglicherweise in das Eigentum ganz anderer Banken geht,
deren Interessen nicht mit denen dieses Mittelstandsfinanzierers übereinstimmen.
Eine weitere Anmerkung. Die KfW hat niemals die
Mehrheit im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung
der IKB gehabt. Schauen Sie sich doch an, wie dieser
Aufsichtsrat besetzt ist! Dann kommen Sie nämlich zu
einem ganz anderen Ergebnis als diesen offenkundigen
und sehr durchsichtigen Versuchen, hier irgendwelche
Bonbons anzukleben. Das gilt nicht für Sie, aber für andere Beiträge aus Ihrer Fraktion. Noch einmal: Ich habe
damals, als ich ins Amt kam, keine Veranlassung gesehen, den IKB-Anteil zu verkaufen. Durch die Probleme
sind wir alle aufmerksamer geworden. Sie wissen, dass
die Bundesregierung ein massives Interesse daran hat,
den KfW-Anteil an der IKB zu veräußern.
Jetzt allerdings mache ich eine Bemerkung, und zwar
in Übereinstimmung mit anderen wichtigen Verwaltungsratsmitgliedern: Wir verkaufen nicht zu einem
schlechten Preis.
({3})
Für uns gilt nicht das Motto: Der Verkauf an sich ist das
Ziel. Nein, ein günstiger Verkauf ist das Ziel, sonst würden Sie mich dafür ans Brett nageln.
({4})
Herr Minister, auch die Verlängerung Ihrer Redezeit
ist nun abgelaufen. Deshalb lasse ich jetzt keine weiteren
Zwischenfragen mehr zu.
Ich halte mich gerne an die Spielregeln, Frau Präsidentin. - Ich bedanke mich sehr, dass Sie mir zugehört
haben.
({0})
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Dr. Wissing.
({0})
Herr Minister Steinbrück, Sie haben sich hier vor dem
Deutschen Bundestag darüber beschwert, dass Mitglieder des Hohen Hauses, vor allem meiner Fraktion, in besonderem Maße von ihrem parlamentarischen Fragerecht Gebrauch machen. Nun waren Sie selbst niemals
Mitglied des Deutschen Bundestages. Deswegen möchte
ich Sie darauf hinweisen, dass das parlamentarische Fragerecht ein wesentliches Instrument der verfassungsrechtlich verbürgten Regierungskontrolle durch den
Deutschen Bundestag ist.
({0})
Meine Fraktion hat bei der Ausübung des parlamentarischen Fragerechts niemals die rechtlichen und gesetzlichen Grenzen überschritten. Deswegen weise ich Ihre
Vorwürfe mit allem Nachdruck zurück. Ich bin sicher,
dass ich dabei auch die Unterstützung der Kolleginnen
und Kollegen des Hauses habe.
({1})
Ich bin ganz sicher, dass Sie, Herr Minister, angenehmer regieren könnten, wenn Ihnen insbesondere von der
Opposition nicht so viele Fragen gestellt würden. Es ist
allerdings ein Widerspruch, wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, hier Transparenz schaffen zu wollen,
sich aber gleichzeitig darüber beschweren, Fragen der
Opposition beantworten zu müssen.
({2})
Ich möchte Ihnen sagen: Wir werden auch weiterhin
von unseren parlamentarischen Rechten Gebrauch machen. Davon lassen wir uns insbesondere nicht von einem Minister einer Großen Koalition abhalten. Wäre
Ihre Finanzpolitik nicht so fragwürdig, müssten wir
nicht so viele Fragen stellen.
({3})
Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.
Sie gehen von einer falschen Lage aus. Ich habe mich
nicht beschwert.
({0})
Das bitte ich im Protokoll nachzulesen.
Der Zusammenhang, den ich hergestellt habe, war
folgender: Herr Schäffler hat sich über die mangelnde
Auskunftsfreudigkeit des Ministeriums beschwert. Danach habe ich darauf hingewiesen, dass wir nach Lage
der Dinge allein von Herrn Schäffler und Herrn Wissing
inzwischen mehr als 180 einzelne Fragen beantwortet
haben. Ich habe in meinen Darlegungen mit keiner einzigen Silbe das Fragerecht des Parlaments berührt. Das
bitte ich im Protokoll genau nachzulesen. Ich glaube, es
ist eine künstliche Aufregung, die Sie hier herbeiführen.
({1})
Nun hat der Kollege Dr. Axel Troost für die Fraktion
Die Linke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Uns liegen heute zwei Anträge der FDP vor, die sich in
gewisser Weise widersprechen. In dem einen Antrag
wird gesagt, es gehe darum, das Geschäftsmodell von
Banken mit staatlicher Beteiligung zu ändern - Konzentration auf das Kerngeschäft und Umstellung auf tragfähige Strukturen -, und in dem anderen wird gleich die
Privatisierung gefordert. Wir lehnen die Privatisierung
der Landesbanken ab. Wir als Linke meinen, dass Landesbanken notwendig sind, aber wir stimmen in vollem
Umfang dem zu, was der Kollege Schick gesagt hat:
Was an Fehlern geschehen ist, muss aufgearbeitet werden. Da ist der Hinweis auf die „CDU-Bank“ völlig richtig, weil dort erhebliche Fehler gemacht worden sind;
ich verweise auf Berlin - das war früher -, Sachsen,
Nordrhein-Westfalen und Bayern.
({0})
Landesbanken rechtfertigen sich nicht dadurch, dass
es schicke Gästehäuser gibt, in die die Ministerpräsidenten auswärtige Gäste einladen, Landesbanken rechtfertigen sich nicht dadurch, dass sie eigene Flugzeuge haben,
die sie der Landesregierung zur Verfügung stellen,
({1})
sondern sie rechtfertigen sich nur, wenn sie in strukturrelevanten Bereichen arbeiten, Kredite an Unternehmen
vergeben und das Dreisäulensystem insgesamt stärken.
Daran muss gearbeitet werden. Insoweit muss eine Veränderung stattfinden.
({2})
Sicherlich verurteilen wir alle die Vergabe der Hypothekendarlehen an einkommensschwache Kreditnehmer
in den USA. Aber ohne die Verbriefungsmöglichkeiten
hätten die amerikanischen Hypothekenbanken die Darlehen gar nicht erst vergeben können, weil sie auf den
Ausfallrisiken selbst sitzen geblieben wären. Durch
komplizierteste Verbriefungstechniken wurde es möglich, mit unverantwortlicher Kreditvergabe viel Geld zu
verdienen und die eingegangenen Risiken nicht selbst
tragen zu müssen. Hier liegt klares Marktversagen vor.
({3})
Kreditmärkte sollen helfen, Risiken zu streuen. Im
konkreten Fall wurden die Risiken aber so effektiv gestreut, dass sie bis zur Unkenntlichkeit verstreut wurden
und damit wieder neue Risiken hervorgerufen haben.
({4})
An der Verbriefung haben die Banken und Zweckgesellschaften vor der Krise gut verdient. Statt Risiken beherrschbar zu machen, hat die Verbriefung die gesamtwirtschaftliche Effektivität und Stabilität nicht befördert,
sondern ihr sogar geschadet.
In der Vergangenheit wurden Finanzinnovationen,
wie man das so schön nennt, von den Neoliberalen gern
als Beitrag zur Effizienzsteigerung der Finanzmärkte gepriesen. Aber kein Banker hat Finanzprodukte entwickelt, um Märkte effizienter zu machen. In Wirklichkeit
ging es natürlich, wie überall im Kapitalismus, ums
Geldverdienen. Nun mag es vereinzelt Finanzprodukte
gegeben haben, die gesamtwirtschaftlich effizient sind.
Das bleibt aber dem Zufall überlassen. Das muss sich
aus unserer Sicht radikal ändern.
({5})
In der Debatte wurde schon von Herrn Spiller, von
Herrn Kalb und anderen gefragt: Wie konnte es eigentlich passieren, dass die Banken solche unüberschaubaren
Produkte gekauft haben? Wie konnte es passieren, dass
die Banker und Vorstände nicht durchgeblickt haben?
Was soll man davon halten, dass selbst Herr Ackermann
inzwischen Zweifel hat? Unserer Ansicht nach muss es
in Zukunft so sein, dass riskante neue Finanzprodukte einer Zulassungspflicht unterworfen sein müssen.
({6})
Als Zulassungsstelle schlagen wir einen neu einzurichtenden Finanz-TÜV vor. Nur wenn die privaten Gewinnmöglichkeiten von Finanzprodukten nicht mit einer
Verringerung der allgemeinen Finanzstabilität erkauft
werden, dürfen solche Produkte überhaupt zugelassen
werden.
({7})
Lassen Sie mich noch ganz kurz eine letzte Bemerkung machen. Die aktuellen Turbulenzen sind nicht nur
auf eine unzureichende Regulierung, sondern auch auf
den immer stärker werdenden Anlagedruck zurückzuführen. Dieser hängt mit der internationalen Privatisierung der Altersvorsorge zusammen. Diesen Zusammenhang, den wir schon in der Debatte zuvor aufgezeigt
hatten, was Riester-Rente und Wohn-Riester angeht,
muss man herstellen. Nur wenn wir wieder zu einer vernünftigen Umlagefinanzierung der Renten kommen,
können wir auch die Anlageprobleme auf den Finanzmärkten in den Griff bekommen.
Danke schön.
({8})
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Eckhardt
Rehberg das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Trotz schwerwiegender Probleme, verursacht
durch die internationale Finanzkrise, steigender Energiepreise und einer Spreizung zwischen Dollar und Euro,
wie wir sie in diesem Ausmaß bislang nicht gekannt haben, ist die deutsche Wirtschaft stabil und robust. Hätten
wir vor fünf oder zehn Jahren auch nur eines dieser Probleme gehabt, wären die Auswirkungen damals viel gravierender gewesen. Ich glaube, dass die Struktur unseres
Finanzmarktes zur Stabilität beiträgt.
Meine Damen und Herren von der FDP, widersprüchlicher als Sie heute kann man gar nicht argumentieren.
Der Kollege Schäffler beschwert sich, dass sich für die
IKB das Mittelstandsgeschäft nicht lohnen würde. Herr
Zeil hingegen beklagt die Mittelstandsfinanzierung
durch die IKB.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP,
sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, was in der
Vertikalstruktur aus den Sparkassen vor Ort wird, die
doch ganz überwiegend Träger der Finanzierung des
Klein- und Mittelstandes sind, wenn die Landesbanken
gemäß Ihrer Forderung zügig privatisiert werden?
({1})
Sind Sie sich darüber im Klaren, wie das Kreditgeschäft
für den Klein- und Mittelstand in Deutschland aussieht,
wenn es zur der von Ihnen geforderten Privatisierung,
die Sie für das Nonplusultra halten, kommt?
Kollege Rehberg, lassen Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schäffler zu?
Ich lasse sie sehr gerne zu.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie zur
Kenntnis nehmen, dass ich mich nicht gegen das Mittelstandsgeschäft der IKB ausgesprochen habe. Ich habe
vielmehr gesagt, dass das Mittelstandsgeschäft der IKB
zu keinem Zeitpunkt ertragreich für die IKB selbst gewesen ist.
({0})
Das ist der Grund dafür, weshalb die IKB außerbilanzielle Zweckgesellschaften gegründet hat. Würden Sie zur
Kenntnis nehmen, dass ich das so gesagt habe?
Herr Kollege Schäffler, Sie haben deutlich gemacht,
dass das Mittelstandsgeschäft für die IKB nicht ertragreich ist. Ich wollte gerade - an der Stelle haben Sie
mich unterbrochen - deutlich machen, dass die Finanzierung für den Klein- und Mittelstand natürlich staatlich
unterstützt werden muss, was wir tun. Bei Ihrer Forderung nach Privatisierung der Landesbanken vergessen
Sie, auf die Konsequenzen für den Sparkassensektor hinzuweisen.
({0})
Es sind oftmals Probleme bei der Durchreichung von
KfW-Darlehen und von Krediten im ERP-Bereich im
Hinblick auf die Margen der Hausbanken beklagt worden. Wir hatten lange Jahre Debatten darüber, dass
Hausbanken Kredite der KfW und aus dem ERP-Sondervermögen nicht hinreichend durchgereicht haben. Erst
als neue Zinsstrukturen geschaffen wurden, erst als im
Rahmen des ERP-Sondervermögens, sprich: durch die
KfW, Margen mit übernommen wurden, war dieses
Thema verschwunden.
({1})
Meine feste Überzeugung ist: Wenn wir an die Thematik der Landesbanken überhastet herangehen würden, so wie Sie es vorschlagen, dann würden wir Kollateralschäden ohne Ende haben. Ich sage nicht, dass wir
bei den Landesbanken nicht das eine oder andere machen müssen. Es gibt aber Landesbanken, die sich nach
meiner Auffassung spezialisiert haben: Nehmen wir die
HSH Nordbank beim Thema Schiffsfinanzierungen;
nehmen wir aber auch die Nord-LB beim Thema Flugzeugfinanzierungen. Meine Damen und Herren von der
FDP, ich will Ihnen sagen - es ist schwer, hier über diese
Thematik zu reden; denn es geht ein Stück weit in die
Vertraulichkeit -: Meine Erfahrung gerade seit 1990 ist:
Manches heute höchst erfolgreiche Investitionsprojekt in
Mecklenburg-Vorpommern wäre ohne die Nord-LB
nicht möglich gewesen; ich könnte Ihnen zig Beispiele
nennen.
({2})
In diesem Fall haben Landesbanken die Konsortialführung und Bürgschaften in den Bereichen übernommen, aus denen sich Privatbanken lange herausgezogen
haben. Ich sage nicht, dass alle Projekte gut verlaufen
sind. Natürlich waren Risiken dabei. Aber gerade der
Aufbau der neuen Bundesländer wäre ohne den öffentlich-rechtlichen Bankensektor, wie wir ihn heute haben,
nicht möglich gewesen. Natürlich muss es hier zu Verbesserungen kommen. Das ist nicht Aufgabe der Bundespolitik, das ist Aufgabe der Länder. Zum Beispiel lassen die Sparkassengesetze der allermeisten Länder keine
gemeinsame Beteiligung von Genossenschaftsbanken
und Sparkassen an einem Geldinstitut zu. Wenn wir die
Sozialfunktion von Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Zukunft hinreichend ausfüllen wollen,
dann muss eine Beteiligung der einen zusammen mit der
anderen Seite möglich sein. Hier sind wir alle - übrigens
über die Parteigrenzen hinweg - gefordert, dass diese
Beteiligungen möglich werden.
({3})
Herr Minister Steinbrück, Sie haben darauf hingewiesen, dass seitens der Linken und der FDP der Eindruck
erweckt wird, schuld an dieser Problematik sei allein die
Politik. Was mich massiv ärgert, ist, dass die Rolle der
Ratingagenturen und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überhaupt nicht hinterfragt wird. Sie sollten
sich einmal den Konzerngeschäftsbericht der IKB vom
28. Juni 2007 und den korrigierten Bericht vom Februar
dieses Jahres zu Gemüte führen. Da hat sich eine
Ratingagentur einiges geleistet; ich lasse den Namen
einmal weg. Diese Ratingagentur hat die IKB im
Februar 2008 noch genauso gut bewertet wie im Juni
2007. Da frage ich mich ganz besorgt, wofür sie ihr Geld
bekommen hat. Nach Basel II waren wir ja an der einen
oder anderen Stelle bei einem gewissen Ratingfetischismus.
Ich will einen zweiten Aspekt nennen: Konzerngeschäftsberichte sind immer eine Anlage zur Bilanz. Sie
werden von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testiert. Ich darf jetzt einmal aus dem Konzerngeschäftsbericht der IKB vom 28. Juni 2007 zitieren - schon Ende
Mai/Anfang Juni 2007 sind in Amerika die ersten mehr
als dunklen Wolken zum Thema Subprime-Krise aufgezogen; ich betone ausdrücklich: Anlage zur Bilanz, testiert von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft -:
Unsere Investments konzentrieren sich zu zwei
Dritteln auf mindestens Investmentgrade-geratete
US-Portfolios ({4}) sowie zu einem Drittel auf
europäische Portfolios mit ähnlichen Strukturen.
Jetzt kommt es:
Wir nutzen unsere große Expertise in diesem Bereich aber auch, um auf Provisionsbasis externe Gesellschaften bei deren Investments in internationale
Kreditportfolien zu beraten. Dies bezieht sich insbesondere auf das Conduit „Rhineland Funding Capital Corporation“ in den USA. Aufgrund unserer
Beratung investiert diese Gesellschaft in vergleichbare Portfolien wie die IKB. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass für Dritte die gleichen Qualitätsstandards wie für unser Haus gelten.
({5})
- Kollege Dautzenberg, Sie bemerken zu Recht: Das
spricht für sich.
Wenn wir die Verantwortung der Politik anmahnen,
müssen wir gleichzeitig die Verantwortung derer anmahnen, die mit solchen Bilanzen, solchen Geschäftsberichten und solchen Ratings Geld verdienen. Es ist richtig,
die Rolle der Ratingagenturen zu hinterfragen. Ich hinterfrage an dieser Stelle aber auch die Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
({6})
Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland die jetzige
Situation unter anderem deswegen so gut meistern kann,
weil die Europäische Zentralbank - meines Erachtens im
Gegensatz zur Fed - eine sehr verantwortungsvolle Politik macht und weil die Europäische Zentralbank nicht
der Versuchung erlegen ist, die Zinsen abzusenken. Ich
glaube ferner, dass der stabile und starke Euro dazu beiträgt, dass wir diese Finanzkrise so gut bewältigen können.
Aus meiner Sicht wird es in Zukunft darum gehen,
mehr Transparenz bei Ratings zu gewährleisten und die
Haftung der Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu erweitern.
({7})
- Herr Kollege, ich habe im ERP-Unterausschuss und im
Wirtschaftsausschuss an Befragungen - unter anderem
von Frau Matthäus-Maier - teilgenommen. Ich habe
auch die Berichte gelesen, die uns vom BMF und vom
BMWi vorgelegt wurden. Wie Sie war auch ich in der
Opposition, und ich verstehe etwas von Oppositionsarbeit. Ich glaube, wir stehen hier an einer Stelle, an der
der kurzfristige politische Effekt hinter dem Verantwortungsbewusstsein zurücktreten sollte. Das gilt gerade für
die Finanz- und die Geldpolitik. Denken Sie bitte an den
kleinen Sparer, die kleine Sparerin, den älteren Sparer
und die ältere Sparerin.
Eine letzte Bemerkung. Überlegen Sie einmal, wo die
IKB stünde, wenn Ihre Forderungen umgesetzt worden
wären. Dann wäre die IKB gegen die Wand gefahren;
dann hätten wir die Schlangen vor den Banken, die Herr
Steinbrück beschrieben hat; dann wäre der Schaden
weitaus größer.
Danke.
({8})
Das Wort hat der Kollege Ortwin Runde für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich fand es richtig mutig, wie Herr Zeil seine Rede eröffnet hat. Ich habe mich gefragt, wo er rauskommt, wenn
er so in das Thema einsteigt. Er hat Thomas Jefferson zitiert, der sagte: Eine Bank ist, was die Gefährlichkeit angeht, nur mit einer stehenden Armee zu vergleichen.
Jefferson wusste, was eine stehende Armee ist, er
wusste, was sie tut, um sich zu versorgen, wusste, was
das für die betroffene Bevölkerung und das Wirtschaftsgeschehen bedeutet. Jeder von uns, der Wallenstein geleOrtwin Runde
sen hat, weiß auch, was solche Heere bedeuten. Ich habe
mich gefragt, ob Herr Zeil dieses Bild auf die Neuzeit
übertragen und damit sagen wollte, dass diese Bankenkrise - das wäre ein richtig kapitalismuskritischer Ansatz - Auswirkungen auf Rohstoff-, Nahrungsmittelund Energiepreise hat, also weltweit großen Schaden anrichtet, unter dem die Bevölkerung leiden muss. Das
dachte ich.
Dann merkte ich aber, dass er dieses Bild als Rammbock gegen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen benutzen und ihren Beitrag zur weltweiten Finanzkrise herausstreichen will.
({0})
Da war ich intellektuell ein bisschen enttäuscht von Ihnen, Herr Zeil.
({1})
Wenn man sich diese Krise der Finanzmärkte ansieht,
muss man sich doch fragen, worin sie ihren Ursprung
hat. Der Ursprung ist eigentlich nicht die Immobilienkrise, sondern die Erwartung, man könnte im Finanzbereich die Renditemöglichkeiten von denen der Realwirtschaft abkoppeln. Die Realwirtschaft liefert bei
langfristiger Anlage Renditemöglichkeiten von durchschnittlich 8 bis 12 Prozent.
Die Finanzwirtschaft hingegen versuchte, sich von
den Renditemöglichkeiten der Realwirtschaft abzukoppeln und ein Vielfaches dieser Rendite zu erzielen. Das
ist Renditegier. Dazu haben auch Sie, Herr Zeil, etwas
gesagt und von Kasinokapitalismus gesprochen.
({2})
Die Finanzwirtschaft hat den Mechanismus der Verbriefung nicht zur Risikostreuung, sondern zur Risikoverschleierung eingesetzt. Das hätte fast zu einer krebsartigen Wucherung der Risiken in den verschiedenen
Volkswirtschaften geführt. Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt.
Ich dache, jetzt machen Sie alle möglichen Vorschläge, wie man der Abkopplung der Finanzindustrie
von der Realwirtschaft begegnen kann. Das ist natürlich
nur auf internationaler Ebene möglich. Die Eigenkapitalunterlegung muss sich nach der Risikohöhe richten.
({3})
Die bekannten Probleme im Hinblick auf Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer usw., die bereits angesprochen
worden sind, müssen aufgedeckt und gelöst werden.
Was die Ursachen dieser Krise angeht, muss man feststellen: Diese Krise war nur unter Beteiligung von Profis
möglich, und zwar von Profis, die in großen Privatbanken und in international operierenden Banken tätig sind.
Ohne sie wäre diese Krise nicht möglich gewesen.
({4})
Wenn Banker - nicht nur Landesbanker, sondern zum
Beispiel auch die Banker der Deutschen Bank; auch ich
höre mir ab und zu an, was Herr Ackermann sagt - heute
im Schlaf an innovative und komplex strukturierte Finanzprodukte denken, dann bekommen sie Albträume
und wachen auf.
({5})
Es stellt sich die Frage: Wie können Menschen im
Hirn so krank werden, dass sie die Risiken ihrer Geschäfte nicht mehr richtig einschätzen können, sich aber
trotzdem darauf einlassen?
({6})
Eine andere zentrale Frage lautet: Wie können wir diese
Menschen von ihrer Krankheit heilen?
({7})
Solange sie hohes Fieber haben, das sie auch spüren,
gibt es ein Zeitfenster, in dem sie sagen: Wir sind bereit,
im Hinblick auf das Verhältnis von Politik und Wirtschaft mitzuwirken. - Diese Einstellung ist auf den internationalen Finanzmärkten inzwischen auch bei den
Angloamerikanern, bei den Engländern und bei den
Amerikanern, angekommen. Das ist eine Chance, die
wir ergreifen müssen.
Herr Schick, bei aller Anerkennung Ihrer Aussage,
dass man untersuchen muss, was in Deutschland in den
einzelnen Instituten schiefgegangen ist: Ein Finanzminister, der die von mir genannte Chance nicht ergreift,
erfüllt seinen Auftrag nicht.
Für mich war es nach all der Kritik und all den Forderungen im Zusammenhang mit Hedgefonds wirklich erstaunlich, welche Entwicklung wir in den letzten Monaten auf den internationalen Finanzmärkten erlebt haben.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass das FSF so
weitreichende Vorschläge entwickelt. Hier müssen wir
dranbleiben.
({8})
Jetzt gilt es, schnell zu reagieren und das Zeitfenster, das
uns zur Verfügung steht, zu nutzen, bevor es sich
schließt. Diese Gelegenheit müssen wir ergreifen.
Ausgerechnet Sie, Herr Zeil, haben diese Problematik
eben als eine Art Rammbock benutzt.
({9})
Selbst ein Juso wäre nur in seinen allerbesten Zeiten in
der Lage, eine solch antikapitalistische Rede zu halten,
wie Sie es getan haben.
({10})
Wenn Sie diesen Rammbock dazu nutzen wollen, auf die
öffentlichen Banken bzw. auf den öffentlich-rechtlichen
Sektor zu schießen, muss ich Ihnen sagen: Thema verfehlt!
({11})
Das dreigliedrige System aus öffentlich-rechtlichen
Sparkassen und Landesbanken, Genossenschaftsbanken
und privaten Geschäftsbanken ist eine wichtige Infrastruktur. Dieses System ist erhaltenswert; darüber sollten
wir uns alle einig sein. Dass Sie, damit Ihr Feindbild
passt, auch die IKB zu einer öffentlich-rechtlichen Bank
erklären, ist ein Griff der besonderen Art.
({12})
Jeder, der die Geschichte kennt, weiß, was im
Jahre 2001 geschehen ist, als die Allianz aussteigen
wollte und ausländische Investoren einsteigen wollten.
({13})
Damals hat der gesamte Mittelstand bzw. die deutsche
Wirtschaft die Auffassung vertreten:
({14})
Die KfW soll sich beteiligen, sie hat einen bestimmten
Auftrag. - Dieses Vorgehen im Nachhinein zu diskreditieren, halte ich für intellektuell nicht redlich.
({15})
Zum Schluss. Sie müssen sich über eines klar werden:
Wie stehen Sie zu den Anstrengungen zur Sanierung der
IKB? Sind Sie dafür gewesen - im Interesse sowohl der
Stabilität des Finanzsystems in Deutschland als auch der
mittelständischen Kreditnehmer -, oder sind Sie dagegen? Ich weiß nicht, was Ihr Ausgangspunkt ist. Ist das
diese Beliebigkeit, die man manchmal hat, wenn man in
der Opposition ist und Kritik übt, diese Art von Opportunismus? Welchen Standpunkt vertreten Sie? Das müssen
Sie uns einmal erklären.
({16})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/8771, 16/6998 und 16/8888 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und 28 b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur
Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 16/6543 Zweite Beschlussempfehlung und zweiter Bericht
des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({0})
- Drucksache 16/8918 Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Herlitzius
- Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/8923 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Dr. Frank Schmidt
Dr. Claudia Winterstein
Roland Claus
Anna Lührmann
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({2})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill,
Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Heizkostenzuschüsse für einkommensschwache Privathaushalte ermöglichen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina
Herlitzius, Markus Kurth, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erwerbsarmut verhindern - Einkommen stärken - Wohngeld jetzt verbessern
- Drucksachen 16/3351, 16/8053, 16/8922 Berichterstattung:
Abgeordneter Sören Bartol
Zu dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung
zur Neuregelung des Wohngeldrechts liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Wolfgang Tiefensee.
({3})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Wohnen ist eines der elementarsten Grundrechte der Bürgerinnen und
Bürger. Die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger
hängt ganz wesentlich davon ab, dass sie über Wohnraum verfügen, der sicher ist, der bezahlbar ist, der ihnen
stabil und angemessen zur Verfügung steht. Es ist insbesondere eine Aufgabe der Politik, wenn auch nicht nur
der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass das Wohnen in Deutschland für jedermann erschwinglich und sicher ist.
({0})
Der vorliegende Gesetzentwurf beschäftigt sich im
engeren Sinne mit dieser Problematik. Sie werden verstehen, dass ein Stadtentwicklungsminister kurz den
Kontext darstellt, in dem das Wohnen steht: Wohnen findet in Städten, in Gemeinden, auf dem flachen Lande
statt. Wir werden uns neben dem, worüber wir heute zu
beraten haben, immer wieder darum kümmern müssen,
dass es keine großen Unterschiede zwischen den Stadtteilen, zwischen den Städten gibt, dass man in allen
Stadtteilen sicher wohnen kann. Dabei müssen wir den
Herausforderungen des demografischen Wandels genauso gerecht werden wie den Fragen der Integration.
Unser Ziel muss sein, zu ermöglichen, dass man in
Deutschland weiterhin in lebenswerten Stadtteilen, Städten und Gemeinden wohnen kann.
Neben dem vorgesehenen Kinderzuschlag und der
Rentenerhöhung wollen wir auch eine Verbesserung des
Wohngeldes auf den Weg bringen. Wir haben dabei unterschiedlichste Gruppen von Menschen im Blick: Jung
und Alt, Singles und Familien genauso wie Erwerbstätige und Nichterwerbstätige. Das Wohngeldrecht ist zuletzt im Jahre 2001 novelliert worden. Seit dieser Zeit
sind die Kaltmieten um durchschnittlich 8 bis 10 Prozent
gestiegen, die Heizkosten sogar um etwa 50 Prozent.
Das hat dazu geführt, dass es insbesondere für diejenigen mit einem schmalen Portemonnaie schwieriger geworden ist, ihre Wohnung zu bezahlen. Deshalb richtet
sich diese Novelle zum Wohngeldrecht insbesondere an
drei Gruppen: Die erste Gruppe sind die einkommensschwachen erwerbstätigen Bürgerinnen und Bürger. Die
zweite Gruppe sind die Rentnerinnen und Rentner. Die
dritte Gruppe sind diejenigen, die aus sachfremden
Gründen von der Bundesagentur für Arbeit Mittel für die
Kosten der Unterkunft erhalten. Insbesondere diesen
drei Gruppen kommt das Gesetz zugute; hier kommt es
zu einer Leistungsverbesserung.
Mit vier Komponenten erreichen wir die Leistungsverbesserungen. Erstens wollen wir die Baualtersklassen
auf Neubauniveau zusammenfassen. Zweitens wollen
wir die Tabellenwerte um 8 Prozent erhöhen. Drittens
sollen die Miethöchstbeträge um 10 Prozent erhöht werden. Viertens führen wir erstmals eine Heizkostenkomponente von 50 Cent pro Quadratmeter ein. Aufgrund
dieser vier Komponenten ist es möglich, die durchschnittliche Auszahlungshöhe, die bisher etwa 90 Euro
pro Monat beträgt, auf etwa 140 Euro pro Monat anzuheben. Das ist ein deutlicher Zuwachs in den Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger, und zwar insbesondere der Klientel, die wir hier im Blick behalten
müssen. Das ist ein Riesenerfolg.
({1})
Wie sehen die Zahlen konkret aus? Etwa 800 000 Menschen werden bessergestellt. 300 000 davon sind Rentnerinnen und Rentner. Hier gibt es quasi eine besondere
Komponente „Aufbau Ost“, da die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner im Osten, die Wohlgeld empfangen, doppelt so hoch ist wie die in den alten Bundesländern. Wir werden also ein ganz besonderes Augenmerk
auf die neuen Bundesländer richten und dort gemeinsam
mit der Rentenerhöhung ein deutliches Zeichen setzen.
An die Linken gewandt, sage ich: Unser Vorschlag
wurde durchgerechnet. Es ist also kein Versprechen, das
nicht eingehalten werden kann; es kommt aber auch
nicht dem Gang zum Bankautomaten gleich, nach dem
Motto: Ich verspreche allen alles. - Wir wissen ganz genau, dass es den Bund und die Länder zusammen
520 Millionen Euro kosten wird. Diese 520 Millionen
Euro sind gut angelegtes Geld.
Mit diesen 520 Millionen Euro - 260 Millionen Euro
von den Ländern, 260 Millionen Euro vom Bund - wollen wir unter anderem erreichen, dass viele Haushalte
nicht mehr Kosten der Unterkunft beziehen, sondern
Wohngeld. Sie wissen, dass rund 275 000 Bedarfsgemeinschaften - allein aufgrund der Kosten der Unterkunft - aufstockendes Arbeitslosengeld II beziehen. Da
gehören sie nicht hin. Mithilfe dieses Gesetzes werden
rund 70 000 Haushalte mit rund 150 000 Kindern von
den KdU zum Wohngeld zurückgeführt.
({2})
Wir haben eine Heizkostenkomponente eingeführt,
weil uns eine Heizkostensteigerung um 50 Prozent zu
denken geben muss. Wir schließen damit an andere Programme an, die der Bund aufgelegt hat. Ich erinnere an
das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und seine segensreichen Wirkungen. Wir unterstützen die Eigentümer
von Gebäuden und Wohnungen dabei, den Mieterinnen
und Mietern Wohnraum zur Verfügung zu stellen, der
klimaverträglich und bezahlbar ist, sodass das Portemonnaie geschont wird.
Ich möchte noch ein Wort an die Länder richten.
Heute tagt der Bundesrat, und der Bundesrat wird sich in
Kürze auch mit diesem Gesetz beschäftigen. Mir ist bewusst, dass wir noch einen Punkt zu klären haben, und
zwar die Grundsicherung bei Altersarmut bzw. Erwerbsminderung. Für die Öffentlichkeit sei noch einmal deutlich gesagt: Hier besteht kein direkter Sachzusammenhang. Die Grundsicherung steht nur in diesem
Gesetzentwurf, weil sie seinerzeit im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens in das Wohngeldgesetz aufgenommen worden ist. Ich appelliere an die Länder, dass wir
uns über die Grundsicherung, die Unterstützung des
Bundes gegenüber den Ländern, verständigen. Das sollten wir aber zügig tun, damit die Regelungen zum
Wohngeld verabschiedet werden können.
({3})
Es ist ein guter Tag für all diejenigen, die nicht viel
Geld im Portemonnaie haben und einen sicheren, bezahlbaren und angemessenen Wohnraum haben wollen.
Die Bundesregierung unterstützt mit den deutlich
verbesserten Wohngeldleistungen, dem erhöhten Kinderzuschlag und der Rentenerhöhung gerade diese Bürgerinnen und Bürger und betreibt mit ihrer Wohnungspolitik Sozialpolitik erster Güte. Ich bitte um Unterstützung.
Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich für die
FDP-Fraktion.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Minister, wer Sie so reden hört und die
Hintergründe nicht kennt, der meint tatsächlich, dass Sie
aufgrund der Erkenntnisse, die in Ihrem Hause gewonnen werden, an der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs mannhaft, stark und intensiv mitgewirkt
haben. Die Realität sieht leider ein bisschen anders aus,
Herr Minister. Es ist richtig: Seit 2001 wurde das Wohngeld nicht mehr erhöht. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass das zwei Probleme verursacht. Sie stellen
zunehmend mehr Wohngeldempfänger aus den unteren
Einkommensgruppen vor den Zwiespalt, weiterhin
Wohngeld zu beziehen und damit einen zu geringen Zuschuss zu den warmen Nebenkosten zu bekommen oder
zu Aufstockern nach dem SGB II zu werden, weil das
unter dem Strich finanziell interessanter ist.
Ihr Ministerium hat im Juni 2007 einen Wohngeldbericht vorgelegt. Wer nun geglaubt hat, dass Ihr erster Gesetzentwurf, der im August 2007 vorgelegt wurde, eine
Antwort auf die Fragen betreffend das Wohngeld geben
wird, muss sich auf den Arm genommen vorgekommen
sein, wenn er gelesen hat, was Regierungssprecher
Thomas Steg damals zum Gesetzentwurf erklärt hat. Er
hat gesagt, das Gesetz sei in Zusammenarbeit mit der
Gesellschaft für deutsche Sprache in einen verständlicheren Duktus gebracht worden; hinzu kämen noch einige verwaltungstechnische Vereinfachungen. Von einer
Wohngelderhöhung war im August 2007 noch gar keine
Rede. Sie haben weder die Anregungen der Opposition
noch die Vorschläge des GdW, des BFW, der Sozialverbände und anderer aufgegriffen. Die Opposition musste
mit vereinten Kräften eine Anhörung durchsetzen.
({0})
- Lieber Herr Kollege Bartol, wenn es die Anhörung im
Dezember 2007 nicht gegeben hätte, dann gäbe es wahrscheinlich noch immer keine Wohngelderhöhung. Darüber hätten Sie nachdenken sollen, bevor Sie solche wenig sensiblen Zurufe machen. Darüber kann man sich
schon aufregen.
({1})
Sie sind erst im Dezember 2007 aufgewacht und haben dann einen Gesetzentwurf vorgelegt. Angesichts der
Fakten, die der Minister genannt hat, müssen Sie sich
aber fragen lassen, ob das Gesetz geeignet ist, das Problem - um es mit den Grünen zu sagen - nachhaltig zu
lösen; denn Sie schaffen es mit der nun geplanten Erhöhung nicht, die Löcher, die von 2001 bis heute bei den
kalten und warmen Nebenkosten entstanden sind, auf
Dauer zu schließen. Das heißt, dass Sie spätestens im
nächsten Jahr wieder vor der Frage stehen, ob Sie das
Wohngeld erhöhen und, wenn ja, um wie viel. Sie geben
aber auf die Frage nach dem Zielkonflikt der Wohngeldempfänger aus unteren Einkommensgruppen nach wie
vor keine Antwort. Der Zuschuss zu den Heizkosten
wird zwar erhöht, ist aber gedeckelt. Ein Aufstocker
nach dem SGB II bekommt dagegen seine Heizkosten zu
100 Prozent vergütet. Auf diesen Konflikt gehen Sie mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf in keiner Weise ein.
({2})
Herr Minister, Ihr Haus hat sensationelle Arbeit geleistet. Wir haben während der Ausschussberatungen am
Mittwoch über einen Punkt diskutiert, der zwar ein Detail sein mag, der aber sehr bezeichnend ist. Bislang hatten wohngeldzahlende Institutionen das Recht, beim
Versterben des Mieters vom Vermieter Wohngeld zurückzufordern. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein Vermieter, der berechtigterweise Miete
bekommt, wird in Haftung genommen, wenn ein Mieter
stirbt, wofür er nichts kann. Gestern Abend um
19.38 Uhr hatten wir dann einen Gesetzentwurf vorliegen, in dem diese Passage gestrichen war.
({3})
Als wir dies im Ausschuss beantragt haben, sind wir
noch milde belächelt worden. Das zeigt auch die Handwerkskunst, die hinter diesem Gesetz steht.
({4})
Deswegen ist es ja verständlich, Herr Kollege Fischer,
dass sich der Herr Minister heute nicht über das Wohngeld auslässt, sondern über andere Themen, die sicherlich wichtig sind, das eigentliche Problem aber nicht lösen.
Mit keiner dieser noch so intelligenten Lösungen - auch
nicht über das notwendige CO2-Gebäudesanierungsprogramm - werden wir es erreichen, diesen Zielkonflikt
- Wohngeld oder aufstockendes ALG II? - zu lösen.
Dies betrifft insbesondere junge Paare, die noch nicht
verheiratet sind und am Anfang der Berufstätigkeit stehen. Im Jahr 2005 waren es immerhin 127 000 Vollzeitbeschäftigte, die länger als neun Monate im Jahr aufstocken mussten, um die warmen Nebenkosten finanzieren
zu können.
All das, Herr Minister, wird in diesem Gesetzentwurf
nicht geregelt. Da wir allerdings sehen, dass die Erhöhung des Wohngeldes zumindest ein Schritt in die richtige Richtung ist, werden wir uns bei der Abstimmung
über diesen Gesetzentwurf enthalten.
Danke schön.
({5})
Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die
Unionsfraktion.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wir beraten heute hinsichtlich des
Wohngeldes über eine Vereinfachungsnovelle und über
eine Leistungsnovelle. Herr Minister Tiefensee hat dies
hier schon sehr kompetent vorgestellt. Selbstverständlich
hätte ich mir gewünscht, dass die Opposition mit Herrn
Friedrich ein bisschen mehr Optimismus in die Sache hineingebracht hätte.
({0})
Er hat seine Ausführungen mit einer solchen Leidensmiene vorgetragen, dass man sich schon langsam Sorgen
macht.
({1})
Gemeinsam haben die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen hier im Deutschen Bundestag beim
Wohngeld eine echte Leistungsverbesserung auf den
Weg gebracht, insbesondere für Geringverdiener und Senioren mit niedrigen Renten. Herr Friedrich hat es schon
angesprochen: Es gab auch eine Initiative aus dem Parlament heraus. Die Initiative der Regierung bezog sich auf
die Vereinfachungen; wir als Parlament haben uns das
Ergebnis der Anhörung zu eigen gemacht, dass nach
2001 eine Leistungsverbesserung beim Wohngeld dringend erforderlich sei. Diesbezüglich waren unisono alle
Fraktionen gleicher Meinung. Meines Erachtens können
wir auch ein bisschen stolz sein, dass wir als Parlament
dies aufgegriffen und durchgesetzt haben.
({2})
Auch vor dem Hintergrund der Finanzdebatte der
letzten zwei, drei Wochen ist es uns gelungen, das erforderliche Finanzvolumen von 520 Millionen Euro haushaltsmäßig darzustellen und abzusichern. Wir sind hier
also auf einem guten Weg.
40 Prozent der Wohngeldberechtigten sind Arbeitnehmer mit geringem Einkommen, Menschen, die morgens
aufstehen, ihren Beruf ausüben und eine starke Stütze
für unser Staatswesen sind. Weitere 40 Prozent sind
Rentner, die diese Unterstützung nachweislich brauchen.
Bei diesen Menschen geht es um mehr als um reine Kostenerstattung. Das Wohngeld hilft ihnen bei der Erfüllung des Wunsches, ein eigenständiges Leben zu führen.
Die steigenden Energiekosten, die in allen Haushalten
festzustellen sind, und die allgemeine Teuerungsrate haben jedoch in der Vergangenheit zu einer schleichenden
Entwertung von Wohngeldleistungen geführt. Deswegen
ist es regelmäßige Aufgabe von uns Abgeordneten, die
Wohngeldleistungen zu überprüfen. Wir wirken der angesprochenen Entwertung entgegen. Die Wohngeldleistungen können nun um bis zu 60 Prozent steigen. In
absoluten Zahlen bedeutet dies im Durchschnitt eine Erhöhung von 90 Euro auf 140 bzw. 150 Euro. In der heutigen Zeit ist das schon ein effektiver Schritt nach vorn.
Die Verbesserungen im Einzelnen: Die Heizkosten
werden mit 50 Cent pro Quadratmeter in pauschalierter
Form erstmals in die Berechnung einbezogen werden.
Damit werden Heizkosten im gleichen Umfang bezuschusst wie die Bruttokaltmiete, nämlich mit einem Drittel. Wir nehmen also keine Vollkostenbezuschussung
vor; vielmehr ist auch weiterhin ein Anreiz gegeben,
sparsam mit Energie umzugehen.
Wir hatten uns auch damit zu beschäftigen, den Haushaltsbegriff abzugrenzen; denn es ist uns von den Verbänden klargemacht worden, dass Wohngeldleistungen
für Wohngemeinschaften oder für Pflegebedürftige, die
in gemeinsam betreuten Wohneinheiten leben, notwendig sind und wir hier ganz gezielt fördern müssen. Deswegen haben wir den Haushaltsbegriff so definiert, dass
Wohngemeinschaften zulässig sind und somit solche
Personengruppen nicht benachteiligt werden. Ich glaube,
da haben wir gute Gespräche geführt, auch mit dem
Ministerium. Herr Minister, dafür danken wir Ihnen. Ich
glaube, wir haben hier etwas Gutes auf den Weg gebracht.
({3})
Selbst Kritiker müssen anerkennen, dass der Gesetzentwurf deutliche Vereinfachungstendenzen aufweist. Insoweit wird er dem Entbürokratisierungsgedanken im
Allgemeinen und der besseren verwaltungsmäßigen
Handhabbarkeit des Wohngeldrechts im Besonderen
durchaus gerecht.
Es gibt einen weiteren wichtigen Punkt, der zu nennen ist: Die Kommunen werden entlastet, und wir helfen
Familien mit Kindern. Etwa 70 000 Bedarfsgemeinschaften mit bis zu 150 000 Kindern wollen wir mit dem
Kinderzuschlag erreichen. Dadurch erzielen wir weitere
Minderausgaben beim Arbeitslosengeld II. Die Kommunen profitieren davon in einer Größenordnung von
200 Millionen Euro. Auch der Bund hat Möglichkeiten
zur Umschichtung in Höhe von 110 Millionen Euro. Zudem konnten wir sicherstellen, dass der Staat das Risiko
fälschlich gezahlter Leistungen, beispielsweise im Todesfall, nicht einfach an den Vermieter weiterreicht. Wir
haben uns innerhalb der Koalition darauf geeinigt, dass
das ein Fall ist, der sehr selten vorkommt, und dass wir
ihn deshalb auch nicht neu zu regeln brauchen. Ein weiterer Punkt sind die Baualtersklassen. Hier entfällt die
Recherche. Wir haben eine Vereinfachung und somit
eine Verbesserung für die Verwaltung erreicht. Die Miethöchstbeträge werden um 10 Prozent ausgebaut, und die
für die Auszahlung entscheidenden Tabellenwerte werden der Mietenentwicklung angepasst. - Für all diese
Verbesserungen hat sich der Einsatz gelohnt.
Nun haben uns die Grünen und die Linken Anträge
vorgelegt. Ich glaube, dass die Linken einen falschen
Ansatz gewählt haben. Wenn wir die Kosten für Heizung
und Warmwasser dauerhaft erstatten würden, dann
hätten wir den gleichen Fall wie bei Hartz IV. Hier geht
es aber darum, den Fehler, den wir bei Hartz IV gemacht
haben, nicht ein zweites Mal zu machen. Wir müssen vor
dem Hintergrund der Klimadebatte, die wir zurzeit führen, dafür sorgen, dass kostenbewusstes Handeln beim
Wohnen bei allen Mietern und Eigentümern einzieht.
({4})
Deswegen können wir im Rahmen des Wohngeldes eine
Vollkostenerstattung für Mietnebenkosten nicht einführen. Hingegen tragen wir den gestiegenen Energiekosten
durch die pauschalierte Heizkostenkomponente Rechnung. Damit gelingt beides: Wir helfen den Menschen,
und der Anreiz zum Energiesparen bleibt erhalten.
Die meisten Forderungen, die die Grünen in ihrem
Antrag erheben, haben wir aufgenommen. Das, was
noch übrig bleibt, können wir nicht mittragen.
Ich fasse zusammen: Wir haben eine starke Leistungsverbesserung festzustellen, und zwar im richtigen
Maße und an der richtigen Stelle. Der Verwaltungsvollzug wird vereinfacht. Wir sind froh, dass wir als Koalition Ihnen heute ein Gesetz empfehlen können, bei dem
wir gut zusammengearbeitet haben und das eine neue
Komponente hat. Wir als Wohnungspolitiker sind froh,
dass das so einvernehmlich geklappt hat. Wir bitten um
Zustimmung zu diesem Gesetz.
({5})
Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm, Fraktion
Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister
Tiefensee, ich beneide Sie um Ihr Selbstbewusstsein und
bewundere Sie, wie Sie uns die Zahlen auch ohne Zettel
vorgetragen haben. Sie stimmen im Übrigen mit den
Zahlen überein, die auch wir recherchiert haben. Sie vermitteln den Eindruck, als ob Sie nach dem Mietenbericht, den uns Ihr Ministerium im Sommer letzten Jahres
vorgelegt hat, schon immer gewusst hätten, was zu tun
sei.
Im Oktober letzten Jahres haben wir hier über die
erste Fassung der Wohngeldnovelle debattiert. Diese Novelle sah weder eine Wohngelderhöhung noch die Einbeziehung von Heiz- und Warmwasserkosten vor. Lediglich die Verwaltungsvereinfachung und die Mithaftung
für Mitglieder einer Wohngemeinschaft wollte die Bundesregierung neu einführen, und dies vor dem Hintergrund des eben erwähnten Berichts. Dort konnte jeder
nachlesen, welche enorme Kostenexplosion die Menschen bei den Wohnkosten in den letzten Jahren tragen
mussten. Angesichts dieser Zahlen - die Nettokaltmieten
sind seit 2001 um 10 Prozent gestiegen und die Heizund Warmwasserkosten um bis zu 50 Prozent - eine
Wohngeldnovelle vorzulegen, die vor allem auf eine
Verwaltungsvereinfachung abzielt, das war ein Schlag
ins Gesicht der 700 000 bis 800 000 Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger.
({0})
Meiner Fraktion liegt diese Problematik auch deshalb
besonders am Herzen, weil - der Minister hat es bereits
gesagt -, wenn es um Armutsthemen geht, die Menschen
in den neuen Bundesländern überproportional betroffen
sind.
Erst der massive Protest der Mietervereine und Wohnungsverbände und eine von der Opposition initiierte
Anhörung zur Wohngeldnovelle führten dazu, dass die
Bundesregierung einen grundlegend überarbeiteten
zweiten Entwurf der Novelle eingebracht hat, übrigens
erst vor drei Tagen.
({1})
Diese Regelungen bringen nicht einen Cent Verbesserung der Situation der Betroffenen.
Zurück zur vorgelegten Wohngeldnovelle.
Deutschland läuft ungebremst auf eine neue Wohnarmut zu. Einkommensschwache Haushalte, egal
ob selbstnutzende Eigentümer oder Mieter, können
die Explosion der Wohnkosten nicht mehr schultern. Die Politik ist gefordert, sofort ein wirksames
Programm gegen drohende Wohnarmut zu entwickeln.
So die Einschätzung des Mieterbundes bereits im Sommer des letzten Jahres. Die nun vorgelegte überarbeitete
Novelle ist in diesem Sinne ein kleiner Schritt in die
richtige Richtung.
Die Linke fordert seit langem, dass das Wohngeld
wieder einen verlässlichen und wirksamen Beitrag zur
Entlastung einkommensschwacher Haushalte leisten
muss. Wir sollten uns darüber klar sein: Menschen, die
einen überproportionalen Anteil ihres Einkommens für
das Wohnen ausgeben müssen, sind von der sozialen
Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen. Haushalte,
die nur knapp oberhalb der zulässigen Einkommensgrenze für den Wohngeldbezug liegen, zahlen heute bereits bis zu 50 Prozent ihres Gesamteinkommens für
Miete und Nebenkosten. Deshalb stellt sich auch die
Frage, warum die Erhöhung des Wohngeldes erst am
1. Januar 2009 wirksam werden soll. Eine schnellere
Entlastung ist dringend geboten, zumal es gerade im
Sinne von Familien mit geringem Einkommen erforderlich ist, die Wohngelderhöhung zeitgleich mit der Einführung des Kinderzuschlags, was für den 1. Oktober
2008 angekündigt wurde, einzuführen. Wir haben den
Verdacht, dass mit dieser Wohngeldnovelle Geschenke
für die Wahlkämpfe im Jahr 2009 vorbereitet werden
sollen.
Minister Tiefensee hat rechtzeitig vor der Landtagswahl in Hamburg die Wohngelderhöhung mit beeindruckenden Zahlen angekündigt: Der durchschnittliche Betrag soll von 90 auf 150 Euro steigen. Wenn man sich
dies aber genauer anschaut, muss man feststellen, dass
das im Einzelfall häufig nicht zutreffen wird. Mit dieser
Erhöhung will man die Zahl der sogenannten Aufstocker, die innerhalb des SGB II Leistungen für Miete und
Heizkosten beziehen, reduzieren und das Wohngeld als
eine Alternative zum Arbeitslosengeld II attraktiver machen. Die Zielrichtung ist richtig. Herr Storjohann, Sie
haben hier gesagt, Sie wollten damit einen Fehler in
Hartz IV wiedergutmachen. Es ist schön, dass Sie einen
Fehler bei Hartz IV zugegeben haben.
({2})
Es ist aus unserer Sicht aber absolut kein Fehler, hier die
Position, die im SGB II verankert ist, zu übernehmen
und Wohn- und Heizkosten komplett zu ersetzen.
Wenn wir uns den seit drei Tagen vorliegenden Gesetzentwurf genau schauen, erkennen wir, dass dort die
alte Formel zur Wohngeldberechnung angewandt wird,
mithilfe derer sich das Wohngeld um 8 Prozent erhöht.
Danach erhält zum Beispiel ein Fünfpersonenhaushalt
einen Zuschuss von 49 Euro. Insgesamt werden die
staatlichen Leistungen zur Deckung der Wohnkosten
nicht um 60 oder 70 Prozent erhöht, sondern maximal
um 49 Prozent. Das ist schon ein kleiner Unterschied.
Wir fordern mit unserem Antrag die Erstattung der
tatsächlichen Kosten für Heizung und Warmwasser, sodass der Preisentwicklung in diesem Bereich auch zukünftig Rechnung getragen werden kann.
({3})
Gerade Geringverdiener müssen oftmals in schlecht sanierten Wohnungen wohnen und überproportional viel
für Heizung und Warmwasser ausgeben. Ein Umzug in
gut sanierte Wohnungen kann sich diese Personengruppe
finanziell nicht leisten.
Die Einkommensgrenzen der Wohngeldberechtigten
zu erhöhen, findet unsere Zustimmung und war überfällig. Damit wird sich die Zahl der sogenannten Aufstockerhaushalte reduzieren; das begrüßen wir. Die Linke
will Hartz IV nicht zuletzt durch den Ausbau vorgelagerter Sozialsysteme überwinden.
Kollegin Bluhm, achten Sie bitte auf die Zeit.
Danke. - Darüber hinaus fordert die Linke eine Dynamisierung des Wohngeldes. Wir wollen eine jährliche
Anpassung des Wohngeldes an die allgemeine Preisentwicklung. Das würde ganz sicherlich auch zu etwas
mehr Entbürokratisierung beitragen.
Wir als Opposition hätten zwar noch viel mehr zu sagen, aber da meine Redezeit um ist, muss ich leider an
dieser Stelle abbrechen.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Bettina Herlitzius für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2001 hat die
letzte Wohngeldreform, die mit finanziellen Verbesserungen für Wohngeldempfänger verbunden war, stattgefunden. Seitdem sind Mieten und Nebenkosten zum Teil
drastisch gestiegen. Immer mehr Menschen können ihren Lebensunterhalt trotz Arbeit nicht mehr finanzieren.
Sie rutschen in Hartz-IV-Leistungen ab. Über den Haushaltstitel „Kosten der Unterkunft“ werden die Kalt- und
auch große Teile der Warmmiete von den Kommunen
übernommen. Über 9 Milliarden Euro laufen so jedes
Jahr bei den kommunalen Haushalten auf. Wir freuen
uns, dass Sie nun die vorgelagerte Rolle des Wohngeldes
wieder stärken und endlich höhere Wohngeldleistungen
für einkommensschwache Haushalte vorsehen.
({0})
Als Opposition sind wir stolz, hier die Regierung auf
das richtige Pferd gesetzt zu haben.
({1})
Aber das Pferd ist noch ein bisschen lahm, Herr Minister. Sie könnten da ruhig noch ein wenig anschieben.
Erst nach der von uns beantragten Anhörung wurde der
Gesetzentwurf nämlich entsprechend verändert. So
möchte ich darauf hinweisen, dass die Koalition ohne
den Druck der Opposition eine Wohngeldreform ohne
Leistungsverbesserungen und mit einer deutlichen rechtlichen Schlechterstellung moderner Wohnformen verabschiedet hätte.
({2})
Man muss es einfach noch einmal deutlich sagen: Die
Brisanz war offensichtlich allen Beteiligten, vor allem
dem Ministerium, nicht klar.
Trotz aller Verbesserungen ist aber das neue Wohngeldrecht noch kein sozialpolitisches Glanzstück. Mal
ganz davon abgesehen, dass die Leistungserhöhungen
generell noch deutlicher hätten ausfallen können, gibt es
keine Festlegung, wann die Wohngeldanpassung erfolgt.
Die Kollegin Bluhm hat das sehr deutlich ausgeführt.
Meine Damen und Herren, wir werden in Deutschland auch zukünftig deutliche Preissteigerungen, insbesondere im Energiebereich, haben. Dadurch werden die
Kalt- und besonders die Warmmieten weiterhin steigen.
In Ihrem Vorschlag zum Wohngeldgesetz findet sich
aber weder eine Koppelung der Wohngeldhöhe an die
Mietentwicklung noch an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Das heißt, schon bald wird die Anpassung des Wohngeldes wieder hinter der Preissteigerungsrate zurückbleiben. Die Gefahr bleibt, dass immer
mehr arbeitende Menschen in Hartz-IV-Leistungen rutschen.
Verschärfend - lassen Sie mich diese Bemerkung an
dieser Stelle machen - kommt natürlich noch der Rückzug der Kommunen und damit von Unternehmen in öffentlicher Hand aus dem kommunalem Wohnungsbau
hinzu. Auch das führt zu eklatanten Verschlechterungen;
denn der Markt an preisgünstigen, sanierten Wohnungen
ist äußerst eng geworden. Die Aktivitäten der Länder
und der Kommunen im sozialen Wohnungsbau sind
nämlich seit Jahren rückläufig.
Dem Wohngeld kann nur dauerhaft eine Entlastungsfunktion zukommen, wenn es dynamisch angepasst
wird.
({3})
Leider enthält der Gesetzesvorschlag dazu nichts.
Auch gelingt es der Bundesregierung nicht, endlich
ein Gesamtkonzept zur Vermeidung von Erwerbsarmut
vorzulegen. Das ist deswegen der zentrale Punkt in unserem Antrag. Nur wenn es uns gelingt, dafür zu sorgen,
dass möglichst viele Menschen von ihrem eigenen Einkommen leben können, erreichen wir mehr soziale Gerechtigkeit und entlasten gleichzeitig den Staatshaushalt.
({4})
Dazu brauchen wir, Herr Minister, flächendeckende
Mindestlöhne und progressiv gestaffelte Sozialabgaben
bei geringen Einkommen.
Was Sie hier machen, ist politisches Stückwerk. Anstatt wenigstens die wenigen sozialpolitischen Gesetzesinitiativen aufeinander abzustimmen, werden Reformen,
die eigentlich zusammenwirken müssten, wie die Erhöhung des Wohngelds und die des Kinderzuschlags aus
wahltaktischen Gründen zeitlich auseinandergezogen.
({5})
Herr Minister Tiefensee, warum soll der erhöhte Kinderzuschlag bereits im Herbst 2008, aber die Wohngeldreform erst 2009 in Kraft treten?
({6})
Es sollte doch ein Regierungsziel sein, die Situation der
einkommensschwachen Menschen möglichst schnell zu
verbessern.
Meine Damen und Herren, wir werden uns in der Abstimmung über den Regierungsentwurf mit den Änderungen der Koalition der Stimme enthalten. Wir begrüßen die vorgesehenen Änderungen und sind froh, dass
Sie sich durch Learning by Doing weiterentwickelt haben. Wir sehen aber noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Von daher bitten wir um Unterstützung für unseren
eigenen Antrag, der wesentlich bessere und weitergehende Vorschläge enthält.
Danke schön.
({7})
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Sören
Bartol das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Mit der Novelle des Wohngeldrechts ist ein
großer sozial- und wohnungspolitischer Schritt in dieser
Legislatur getan. Liebe Frau Kollegin Bluhm und lieber
Kollege Friedrich, auch wenn Sie farblich und leider
auch inhaltlich so wunderbar harmonieren, haben Sie
trotzdem nicht recht. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, war einfach nicht richtig. Beispielsweise haben wir
den Bereich der Vermietung vorher geregelt. Das sollte
man an dieser Stelle auch einmal sagen.
({0})
Die Erhöhung des Wohngeldes um rund 60 Prozent
wird zusammen mit der Weiterentwicklung des Kinderzuschlags dazu beitragen, dass gerade Familien und auch
viele ältere Menschen keine ergänzenden Sozialleistungen mehr beantragen müssen. Diesem erklärten Ziel der
Politik der Bundesregierung sind wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein ganzes Stück näher gekommen.
Wohngeld ist eines der zielgenauesten sozialpolitischen Instrumente, die wir haben. Auch für die Stadtentwicklung hat es eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
({1})
- Danke, Kollege Storjohann.
({2})
Indem es dazu beiträgt, dass Menschen nicht ihre Wohnung aufgeben und in günstigere Viertel umziehen müssen, hilft es mit, eine Abwärtsspirale einzelner Stadtteile
zu verhindern. Die Wirksamkeit des Wohngeldes aber
hängt von seiner Höhe ab. Anders als viele Sozialleistungen ist es nicht dynamisch ausgestaltet. Steigende
Mieten führen hier also nicht zu einer Erhöhung.
({3})
Die letzte Erhöhung - das ist bereits gesagt worden liegt sieben Jahre zurück. In diesem Zeitraum - auch das
ist gesagt worden - sind die Mieten und auch die Energiekosten stark gestiegen. Viele einkommensschwache
Haushalte sind angesichts dieser Belastung an ihre
Grenze gestoßen.
({4})
Wir reden von 550 000 erwerbstätigen Menschen, die
sich gezwungen sehen, zu ihrem Einkommen ergänzende Leistungen nach SGB II zu beantragen, ausschließlich oder überwiegend zur Deckung ihrer Unterhaltskosten. Dies unterstreicht für uns alle noch einmal
den Handlungsbedarf beim Wohngeld.
Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD festgelegt, das Wohngeld zeitnah und mit dem Ziel einer
deutlichen Vereinfachung zu überarbeiten.
({5})
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklung ist
seine Stärkung ebenso erforderlich wie sinnvoll. Die
Wohnungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion hatten
daher schon während der Anhörung gefordert, neben der
Vereinfachung eine Leistungsverbesserung vorzusehen.
Das haben also nicht Sie gemacht, sondern das haben
wir in der Koalition zusammen mit unserem Minister
durchgesetzt.
({6})
Nicht zuletzt die hohe Zahl der Aufstocker macht
deutlich, dass wir dem SGB II vorgelagerte Leistungen
brauchen, die verhindern, dass Menschen in die untersten Netze unseres Sozialsystems fallen. Das Wohngeld
ist eine solche Leistung. Diese wird mit diesem Gesetz
erheblich gestärkt.
Mit der Einführung einer Heizkostenpauschale von
50 Cent pro Quadratmeter stellen wir uns dem Problem
der sogenannten zweiten Miete. Dabei verfolgen wir
zwei Ziele: Wir lassen die Menschen mit den Heizkosten
nicht alleine und bieten dennoch einen Anreiz, mit Energie sparsam umzugehen.
Von der Novelle des Wohngeldrechts werden rund
800 000 Haushalte profitieren. Darunter sind allein
300 000 Rentnerhaushalte. Dazu kommt noch der weiterentwickelte Kinderzuschlag. Damit entspricht unser
Gesetzentwurf in weiten Teilen den Forderungen Ihres
Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen; von dem weniger schlüssigen Antrag der Partei Die
Linke kann man das leider nicht sagen. Insofern wäre es
richtig, wenn Sie, anstatt sich der Stimme zu enthalten,
unserem Gesetzentwurf zustimmen würden.
({7})
Mit der auf dem überzeugenden Konzept von
Wolfgang Tiefensee basierenden Novelle wird das
Wohngeld seinem Anspruch auch in Zukunft gerecht.
Menschen, die ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft
bestreiten, aber angesichts hoher Mietbelastung finanziell überfordert sind, ermöglichen wir ein angemessenes und familiengerechtes Wohnen. Dies ist ein großer
Erfolg und damit ein guter Tag für die Koalition.
Bei aller Freude über diesen Gesetzentwurf möchte
ich dennoch klar sagen: Den Skandal, dass es Menschen
in Deutschland gibt, die nicht von ihrer Arbeit leben
können, obwohl wir uns wohlgemerkt in einem der
reichsten Länder der Welt befinden, wird dieses Gesetz
nicht lösen.
({8})
Deshalb bleibt die Forderung nach Mindestlöhnen zur
Verhinderung von Erwerbsarmut und Altersarmut in
Deutschland ein zentrales Element sozialdemokratischer
Politik.
({9})
Anders als bei der Novelle des Wohngeldrechts ist in
diesem Punkt im Moment leider noch keine Einigung
mit unserem Koalitionspartner möglich. Wir arbeiten daran; irgendwann wird die Union mitmachen.
Jetzt aber von den im Moment noch unüberbrückbaren Gegensätzen zu dem, was uns in der Koalition verbindet. Mit der Anhebung des Wohngelds gelingt uns ein
großer Schritt hin zu mehr sozialer Sicherheit. Lieber
Herr Kollege Storjohann, ich möchte Ihnen und allen anderen Kollegen, die daran mitgearbeitet haben, für die
gute Zusammenarbeit danken. Ich glaube, wir haben ein
wichtiges Gesetz auf den Weg gebracht.
Wohnen darf nicht zum Luxus werden. Deshalb müssen die staatlichen Hilfen für bedürftige Menschen passgenau und auf der Höhe der Zeit sein. Genau das haben
wir mit dem vorliegenden Gesetz erreicht.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Renate Blank für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich zum Schluss der Debatte mit einem Zitat beginnen:
Staatliches Handeln, das den Sozialstaatsauftrag
ernst nimmt, muss das Ziel haben, dass es möglichst wenig Arbeitslose gibt und nicht möglichst
viel Arbeitslosengeld, dass es möglichst wenig Sozialhilfeempfänger gibt und nicht möglichst viel
Sozialhilfe, dass es möglichst wenige gibt, die
Wohngeld nötig haben und nicht möglichst viel
Wohngeld.
Dieses Zitat stammt aus der Rede von Bundespräsident Johannes Rau anlässlich der Verleihung des HansBöckler-Preises 2000; er hat recht.
Der entsprechende Maßstab findet sich im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wieder:
Bund und Länder werden das Wohngeld gerecht
und zügig mit dem Ziel einer deutlichen Vereinfachung überprüfen.
Alle Kritik daran, dass wir das Thema Wohngeld
nicht anpacken, läuft ins Leere; denn wir haben es angepackt. Das Ergebnis haben wir heute diskutiert.
({0})
Der Gesetzentwurf hat das Ziel, das Wohngeldrecht
fortzuentwickeln und seinen Vollzug zu vereinfachen.
Seit über 40 Jahren werden die Wohnkosten einkom16700
mensschwacher Mieter mit dem Wohngeld bezuschusst.
Diese Leistung unseres Sozialstaats hat sich bewährt; sie
ist für sozial schwache Bürger und Familien unverzichtbar. Die Wohngeldberichte der Bundesregierung belegen
das. Teilweise wurden darin erhebliche Vollzugsprobleme bei der Bewilligung von Wohngeldleistungen offenbart. Die Betroffenen sowohl aufseiten der Wohngeldempfänger als auch aufseiten der Mitarbeiter der
Bewilligungsstellen haben sich über lange Bearbeitungszeiten und komplizierte Berechnungsverfahren beklagt.
Hinsichtlich der Struktur der Wohngeldempfänger ist
vor allem ein starker Rückgang der Erwerbstätigen um
fast 40 Prozent zu verzeichnen; die Zahl der kleinen
Haushalte unter den Empfängern hat sich fast halbiert.
Ursache hierfür - darauf wurde schon hingewiesen - ist
die unterschiedliche Ausgestaltung des ALG II und des
Wohngeldes. Es bestand die Gefahr, dass das Wohngeld
seine Rolle als zielgenaues und gerechtes Instrument der
einkommensbezogenen Förderung des Wohnens verliert.
Für uns war es wichtig, ein Konzept zu entwickeln, das
auf das Gesamtgefüge staatlicher Sozialleistungen, die
Haushaltslage und die klimapolitischen Zielsetzungen
der Bundesregierung abgestimmt ist.
Dieser Gesetzentwurf wird den Entwicklungen auch
insoweit gerecht, als durch den Wegfall der Baualtersklassen materielle Verbesserungen eintreten; das ist
schon ausgeführt worden, darauf brauche ich nicht mehr
einzugehen. Zudem bewirkt die neue Regelung, dass
keine verwaltungsaufwendigen Prüfungen der verwandtschaftlichen Verhältnisse vorgenommen werden müssen.
Das ist besonders wichtig; denn zuletzt gab es das Problem, dass verstärkt Missbrauch betrieben wurde. Durch
die Neuregelung können Missbrauchstatbestände besser
aufgedeckt werden. Das könnte dazu führen, dass der
Aufwand für Wohngeld insgesamt reduziert wird, wodurch der Spielraum für Leistungsverbesserungen ausgeweitet würde. Die verstärkte Bekämpfung des Missbrauchs ist also ein durchaus legitimes Argument für die
Neuregelung. Ich halte es für richtig, dass Länder und
Kommunen die Angaben derjenigen Menschen überprüfen, die Geld vom Staat beziehen.
Es bestand Handlungsbedarf; aber wir wollten nicht
blindlings weiter Leistungen ausbauen. Wir müssen vielmehr berücksichtigen, dass ein materieller Anreiz zum
Arbeiten gewahrt bleiben muss. Das sind wir den vielen
Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die kein Wohngeld
beziehen, weil sie mit ihren Einkommen vielleicht nur
knapp über der Wohngeldgrenze liegen, und die über die
Steuern diese Leistungen mitfinanzieren. Der Abstand
von sozialen Hilfen zu einem Einkommen aus Arbeit
darf nicht noch stärker schrumpfen.
Über 800 000 Haushalte in Deutschland werden vom
neuen Wohngeld profitieren, darunter circa 300 000 Rentnerhaushalte. Das ist aus unserer Sicht dringend notwendig.
Lassen Sie mich noch eine kurze Anmerkung zum
sozialen Wohnungsbau bzw. der sozialen Wohnraumförderung machen. Die Verantwortung dafür wurde den
Ländern übertragen, der Bund gibt aber dafür 518 Millionen Euro aus. In diesem Zusammenhang stellt sich die
Frage, was die Länder mit den Finanzmitteln machen,
die ihnen zugewiesen werden.
({1})
Bayern zum Beispiel fördert seit dem vergangenen
Jahr mit einem eigenen Gesetz den sozialen Wohnraum
und setzt dafür sowohl Bundesmittel als auch eigene
Landesmittel ein. Das empfiehlt sich zur Nachahmung.
({2})
Meines Wissens haben Hamburg und Baden-Württemberg salopp gesagt von Bayern abgeschrieben. Es könnten sich aber auch noch weitere Länder, zum Beispiel
Rheinland-Pfalz, anschließen.
({3})
- Auch Berlin. Vielen Dank für den Hinweis!
Der Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke ist
aus unserer Sicht wirklichkeitsfremd. Man kann den
Leuten nicht nach dem Mund reden und Wohltaten verteilen, sondern man muss auch Missbrauch verhindern.
Das gilt vor allen Dingen für den Missbrauch im Bereich
von Energie. Mit dem Entschließungsantrag der Linken
wird dieser Missbrauch keinesfalls verhindert.
Die neue Formulierung „Haushaltsmitglied“ statt
„Familienmitglied“ ist völlig richtig. Wir wissen, dass
ein Zusammenleben nicht unbedingt mit Familie verbunden ist. Um Missbrauch zu vermeiden, ist die Pflicht von
Mitgliedern einer Wohngemeinschaft gegenüber der Behörde, über ihre Lebensverhältnisse und die gesamtschuldnerische Haftung Auskunft zu geben, notwendig.
Die vorgesehene Neuregelung des Wohngeldrechts
stärkt die Familie und verhindert Missbrauch. Ich verstehe die Linken nicht, die meinen, dem Missbrauch Tür
und Tor öffnen zu müssen.
({4})
- Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, weil sich die
Debatte ihrem Ende nähert.
Für die CDU/CSU-Fraktion ist das Wohngeld ein unverzichtbarer Bestandteil einer familienorientierten
Wohnungs- und Baupolitik in Deutschland. Wir begrüßen deshalb die vorgesehenen Neuregelungen, insbesondere die deutliche Wohngelderhöhung. Sie hilft Haushalten mit geringen Einkommen.
Ich danke auch den Experten, die im Rahmen der von
der Opposition beantragten Anhörung - warum sollte
nicht auch einmal die Opposition gute Anregungen einbringen? ({5})
ausführlich, geduldig und gut Rede und Antwort gestanden haben. Ich danke aber auch allen Beratungsstellen
und Wohlfahrtsverbänden im Land, die die Bürger über
das neue Wohngeld aufklären und informieren. Denn das
Wichtigste ist, dass es bei denen ankommt, die es brauRenate Blank
chen, denen es zusteht und die es zu Recht in Anspruch
nehmen. Der Mensch und nicht die Rendite steht für uns
im Mittelpunkt einer verantwortungsbewussten Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik.
({6})
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Hans-Kurt
Hill das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin
Blank, ich fand alle heutigen Redebeiträge sehr konstruktiv, wenn wir auch inhaltlich nicht in allen Punkten
übereinstimmen. Ich finde es aber unmöglich, dass gerade Sie von der CDU/CSU den Missbrauch so in den
Vordergrund stellen. Betrachten Sie einmal die Verhältnisse derjenigen, die Wohngeld beantragen! Sie verfügen
nicht über ausreichende Mittel, um sich wie wir, die wir
uns eine 10-prozentige Diätenerhöhung angeeignet haben, den Kauf hocheffizienter Geräte leisten zu können.
Ich sage das ganz einfach im Sinne dieser Menschen.
Ich finde es unmöglich, dass Sie in Ihrer Rede den
Missbrauch so sehr in den Vordergrund gestellt haben.
Das ist ein Mit-dem-Finger-Zeigen auf diejenigen, die
Wohngeld beantragen. Schließlich muss dieses Geld erst
beantragt werden. Dann heißt es sofort: Wie sieht es
denn mit Missbrauch aus? Ich glaube, es war das Ziel Ihrer Rede, dass viele Menschen das Wohngeld erst gar
nicht beantragen. Das finde ich einfach unmöglich.
Danke.
({0})
Frau Blank, Sie haben das Wort.
Herr Kollege, eigentlich wollte ich Ihnen nicht antworten. Aber beim Thema Missbrauch muss ich Ihnen
doch sagen: Wenn jemand zu Recht Wohngeld bezieht,
dann ist dies kein Missbrauch, damit ich richtig verstanden werde.
({0})
Das Wohngeld als einen sozialen Anspruch haben wir
erhöht, weil seit 2001 keine Erhöhung mehr stattgefunden hat.
Sie wollten mir unterstellen, dass ich einen Wohngeldempfänger als Missbrauchstäter bezeichne. Das ist
nicht der Fall. Wir wollen, dass das Wohngeld sozial gerecht ausgezahlt wird. Uns ist wichtig, dass mit Heizung
und Energie sparsam umgegangen wird. Deswegen habe
ich einen Unterschied zwischen Einzelpersonen und Familien in einem Haushalt gemacht. Auch derjenige, der
in einem Haushalt ohne Familie wohnt, hat Anspruch
auf Wohngeld. Aber die Vermögensverhältnisse müssen
gegenüber den Gemeinden und Kommunen offengelegt
werden. Das ist unsere Haltung.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Tagesordnungspunkt 28 a. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten
Gesetzentwurf zur Neuregelung des Wohngeldrechts
und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/8918, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/6543 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion bei
Enthaltung der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
({0})
- Ich korrigiere mich: Der Gesetzentwurf ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der
Oppositionsfraktionen angenommen.
({1})
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/8955.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer
stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht
der Fall. Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktion abgelehnt.
Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 28 b,
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung auf Drucksache 16/8922. Der
Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 16/3351 mit dem Titel „Heizkostenzuschüsse für einkommensschwache Privathaushalte
ermöglichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8053 mit
Vizepräsidentin Petra Pau
dem Titel „Erwerbsarmut verhindern - Einkommen stärken - Wohngeld jetzt verbessern“. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren
- Drucksache 16/8384 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({2})
- Drucksache 16/8916 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jürgen Gehb
Joachim Stünker
Wolfgang Nešković
Wolfgang Wieland
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.
Frau Präsidentin, ich bedanke mich für die Worterteilung. - Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eigentlich
müsste das Gesetz heißen: Gesetz zur Ermöglichung eines Erfolgshonorars. Warum es anders heißt, wird Herr
Gehb nachher erläutern; er hat mehr Redezeit als ich.
Wir eröffnen mit diesem Gesetz für die Angehörigen
der rechtsberatenden Berufe in Deutschland und auch für
die Rechtsuchenden neue Gestaltungsmöglichkeiten bei
der Vereinbarung der Vergütung. Anlass für die Neuregelung war, wie immer mal wieder, eine Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Diese Entscheidung von Ende 2006 hat uns aufgegeben, bis Mitte
dieses Jahres eine Neuregelung zu schaffen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass
das ausnahmslose Verbot - deswegen der Name - anwaltlicher Erfolgshonorare gegen die im Grundgesetz
verankerte Berufsfreiheit verstößt. Es lässt nämlich eine
Ausnahme noch nicht einmal für den Fall zu, dass besondere Umstände in der Person des Mandanten vorliegen, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Umstände
dazu führen, dass der Mandant ohne die Vereinbarung
eines Erfolgshonorars davon abgehalten wird, seine
Rechte zu verfolgen.
Zugleich haben die Verfassungsrichter den Spielraum
des Gesetzgebers deutlich gemacht. Zu der schwierigen
Entscheidung, ob wir es bei einem weitgehenden Verbot
von Erfolgshonoraren - mit der genannten Ausnahme belassen, ob wir das Verbot völlig aufheben oder ob wir
einen Mittelweg beschreiten, mussten wir uns zusammenfinden. Ich darf mich an dieser Stelle sehr herzlich
bedanken, auch wenn ich es nachher vielleicht noch ein
bisschen einschränke, für die sehr gute und konstruktive
Zusammenarbeit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechtsausschuss.
Innerhalb der Anwaltschaft ist die Frage, ob Erfolgshonorare künftig in engem oder größerem Umfang oder
völlig freigegeben werden sollten, hoch umstritten. Das
wissen wir nicht nur aus einer Untersuchung des SoldanInstituts, sondern auch aus vielen Gesprächen mit
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.
Eine erfolgsbasierte Vergütung weckt bei vielen
Ängste. „Kann ich meine berufliche Unabhängigkeit sichern?“, fragt sich mancher Anwalt, manche Anwältin.
„Wie schütze ich mich vor überhöhten Vergütungen?“,
fragen sich Rechtsuchende. Es gibt bisher in Deutschland keine - legalen - Erfahrungen mit Erfolgshonoraren. Deswegen sind diese Fragen verständlich.
Andererseits eröffnet die Zulassung von Erfolgshonoraren Chancen. Die Erfahrungen im Ausland zeigen,
dass die Möglichkeit, eine erfolgsbasierte Vergütung zu
vereinbaren, im Interesse sowohl der Rechtsuchenden
als auch der Berufsangehörigen liegt. Die in der Diskussion immer wieder beschworenen sogenannten amerikanischen Verhältnisse, Herr Montag, werden bei uns nicht
entstehen; nach dem, wie wir das jetzt regeln, bin ich mir
da ziemlich sicher.
({0})
Die Gefahr, dass Prozesse provoziert und Gerichte
unnötig belastet werden, besteht meines Erachtens nicht.
({1})
Außerdem ist das auch die ausdrückliche Feststellung
des Bundesverfassungsgerichts. Ich glaube, wir können
das Vorhandensein einer Gefahr vor allem unter Hinweis
auf die Unterschiede in den Rechtsordnungen verneinen.
Ich hätte mir vor dem Hintergrund der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts allerdings schon gewünscht - ich sage „ich“ und nicht „das Justizministerium“ ({2})
- ja, es ist so -,
({3})
dass wir das ein bisschen weiter öffnen. Die Diskussion
um die Neuregelung hat gezeigt, dass es Konstellationen
gibt, in denen der Bedarf für die Vereinbarung von Erfolgshonoraren weit über das hinausgeht, was wir jetzt
regeln.
({4})
Das gilt vor allen Dingen für international tätige deutsche Rechtsanwälte, die mit ausländischen Anwälten um
ein Mandat konkurrieren, etwa im Bereich des Gesellschaftsrechts, und die anders als ihre ausländischen Kollegen daran gehindert sind, eine erfolgsbasierte Vergütung zu vereinbaren, wenn nicht die enge Ausnahme
vorliegt. Die Law Society of England and Wales wirbt
zum Beispiel ganz ausführlich damit, dass es möglich
ist, Rechtsstreitigkeiten aus aller Welt dort zu regeln.
({5})
Obwohl wir heute nur eine kleine Lösung beschließen, ist es gleichwohl ein guter Weg. Wir alle sind aufgerufen, in der Zukunft zu beobachten - wir werden das sicherlich tun -, wie es weitergeht. Es kann also sein, liebe
Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns vielleicht in ein
paar Jahren wieder zusammensetzen und eine andere Lösung finden.
Mir verbleiben noch 18 Sekunden Redezeit, die ich
nutzen möchte, mich noch einmal sehr herzlich für die
Zusammenarbeit zu bedanken. Ich glaube, die Beratungen sind sehr gut und fair gelaufen. Die Rechtsuchenden
werden große Vorteile von diesem Gesetz haben.
Vielen Dank und ein schönes Wochenende.
({6})
Jetzt hat die Kollegin Mechthild Dyckmans von der
FDP-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ganze 30 Werktage dauerte die parlamentarische
Beratung zu diesem Gesetzentwurf; davon fielen nur
12 Werktage in die Sitzungswochen. Im Gegensatz
hierzu steht ein Jahr, also etwa 250 Werktage, regierungsinterne Beratungen seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die der Herr Staatssekretär
schon erwähnt hat.
({0})
- Ja, wir waren noch besser. Aber eben hat der Herr
Staatssekretär ein paar Sekunden eingespart, weil er
seine Redezeit nicht ganz ausgenutzt hat.
({1})
Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen sowohl
von der Opposition als auch von der Koalition für diese
notwendigerweise schnellen, zielgerichteten und erfolgreichen Beratungen. Die fachlich tiefgehenden Diskussionen haben mir Spaß gemacht. Es wurde über die
Fraktionsgrenzen hinweg diskutiert, sodass wir schließlich zu einem, wie ich meine, erfolgreichen Ergebnis gekommen sind. Wir sollten diese Art von Beratungen
auch in Zukunft öfter nutzen; denn ich glaube, das ist
eine Chance für eine bessere Rechtsetzung in Deutschland.
({2})
Auch den Damen und Herren aus dem Ministerium
spreche ich unseren Dank aus. Sie haben unsere Änderungswünsche zügig umgesetzt, sodass wir heute einen
guten Gesetzentwurf verabschieden können.
Der Anwaltschaft, die ja in besonderer Weise von diesem Gesetz betroffen ist, ist es ebenfalls gelungen, eine
gemeinsame Stellungnahme abzugeben. Man muss aber
sehen, dass es viele Anwälte gibt, die sich für Erfolgshonorare aussprechen und daher auch die Möglichkeit zur
Vereinbarung solcher Honorare haben wollen. Auf der
anderen Seite gibt es natürlich Anwälte, die - ebenso
wie wir im Rechtsausschuss - grundsätzlich eine Gefahr
in der Zulassung von Erfolgshonoraren sehen.
Nun zum Inhalt des Entwurfs. Der Kollege
Hartenbach hat ihn schon vorgestellt. Ich sage ganz klar:
Dem Entwurf in der jetzt vorliegenden Form stimme ich
lieber zu als dem in der ursprünglich vorgelegten Fassung.
({3})
Für uns Liberale - das habe ich schon in der Debatte im
Rahmen der ersten Lesung deutlich gemacht - kommt
angesichts der Auswüchse der US-amerikanischen Klageindustrie eine vollständige Freigabe von Erfolgshonoraren in Deutschland nicht in Betracht. Zwar hätte das
Bundesverfassungsgericht eine solche Möglichkeit
durchaus zugelassen. Aber es hat auf der anderen Seite
auch deutlich gemacht, wo das verfassungsrechtlich gebotene Minimum liegt. Ich bin froh, dass wir uns schlussendlich für diese kleine Lösung entschieden haben.
Machen wir uns nichts vor: Amerikanische Rechtsverhältnisse drohen uns auch weiterhin. Die EU-Kommission ist gerade dabei, uns auch in Deutschland die
von mir strikt abgelehnte Sammelklage zu bescheren.
Ich bin mir sicher, weitere amerikanisierende Schritte in
anderen Bereichen stehen vor der Tür.
Parallel hierzu wird - dessen bin ich mir ebenfalls sicher - die Debatte um eine weitere Freigabe von Erfolgshonoraren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht
beendet sein. Der Trend in Europa geht nun einmal in
Richtung Erfolgshonorare. Beispielsweise sind in
21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union Erfolgshonorare mehr oder weniger erlaubt. Daher wird die Diskussion darüber in Deutschland weitergehen.
Es gibt bereits heute renommierte Juristen - ich erinnere nur an Professor Henssler -, die diese Freigabe fordern. Umso wichtiger ist es, dass wir uns im Bundestag
fraktionsübergreifend ganz klar für die kleine Lösung
ausgesprochen haben und deutlich machen, wo wir Gefahren für eine Freigabe von Erfolgshonoraren sehen.
({4})
Positiv werte ich inhaltlich den Verzicht auf die
Schriftform. Es ist gut, dass die Voraussetzung der Unterschrift beider Vertragspartner weggefallen ist und wir
nun zur Textform übergegangen sind. Das Erfolgshonorar kann jetzt auch per Telefax oder in elektronischer
Form vereinbart werden.
Wichtig ist auch - darauf habe ich schon in den Beratungen im Rechtsausschuss hingewiesen - die Abkehr
von der Darstellung der tatsächlichen und rechtlichen
Erwägungen. In der Vereinbarung müssen also nur noch
die wesentlichen Gründe dargestellt werden. Das ermöglicht gerade bei der Erfolgshonorarvereinbarung im Zusammenhang mit strafrechtlichen Mandaten eine praktikable Lösung. Denn wenn wir gefordert hätten, dass die
tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen dargestellt
würden, dann hätten wir das Schweigerecht des Angeklagten mehr oder weniger ausgehöhlt.
Obwohl uns das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit gegeben hätte, gerade in familienrechtlichen
oder auch in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten auf die
Zulassung von Erfolgshonoraren zu verzichten, glaube
ich, dass wir mit Recht davon ausgegangen sind, dass
auch hier in einem engen Rahmen ein Bedürfnis für die
Vereinbarung von Erfolgshonoraren besteht.
Die FDP stimmt diesem Gesetzentwurf zu. Aber
ebenso, wie der Kollege Hartenbach schon gesagt hat,
sind wir der Meinung, dass wir die Folgen des Gesetzes
sorgfältig zu beobachten haben werden. Ich bin sicher:
Das werden wir tun.
Schönen Dank.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Jürgen Gehb von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als das
Bundesverfassungsgericht am 12. Dezember 2006 uns,
dem Gesetzgeber, aufgegeben hat, dass wir von Verfassung wegen von dem rigorosen Verbot der Vereinbarung
von Erfolgshonoraren absehen müssten, habe ich gleich
am ersten Tag, als mich die Presse anrief, gesagt: Damit
müssen wir behutsam, mit Augenmaß, eng und restriktiv
umgehen, weil wir in Deutschland weder auf dem
Rechtsgebiet noch sonst wo amerikanische Verhältnisse
haben wollen.
({0})
Was heißt amerikanische Verhältnisse? Verehrte Frau
Kollegin Dyckmans, liebe Mechthild, wir waren vor gut
einem Jahr in Frankfurt auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer mit dem schmissigen
Thema „German and european law goes Hollywood“.
({1})
- Sie auch, Herr Montag. Ich hatte eigentlich gedacht, es
sei eine schöne Veranstaltung gewesen. Aber Sie waren
auch mit.
({2})
Was ist mit den Erfolgshonoraren in Amerika? Die
sind nicht zu verwechseln mit dem, was wir hier wollen.
Das amerikanische Recht ist durch das sogenannte Private Law Enforcement geprägt. Das heißt, es gibt keine
öffentlich-rechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten gegen
Obrigkeiten, sondern man muss sich alles über Anwälte
erstreiten. Da gibt es Contingency Fees; das sind Erfolgshonorare, die bis zu 60 Prozent der erstrittenen
Summen ausmachen.
In Amerika suchen die Anwälte zunächst nach haftungsrelevanten und lukrativen Schadensfällen. Erst im
zweiten und dritten Schritt suchen sie sich die dazu passenden Kläger. Sie fliegen mit Privathubschraubern und
Flugzeugen, auf deren Tragflächen „Wings of Justice“
steht, durch die Gegend und sagen: Hier ist ein Fall; da
springen Millionen heraus.
Das ist bei uns nicht zu erwarten, weil wir auch die
übrigen Voraussetzungen nicht haben, nämlich die American Rule, bei der nicht wie bei uns derjenige die Kosten trägt, der verliert, sondern derjenige, der als Beklagter in Anspruch genommen wird. Er bleibt auf seinen
Kosten sitzen, selbst wenn die Klage abgewiesen wird.
Dort haben wir das Phänomen der Punitive Damages.
Das heißt, der Strafschadensersatz wird nicht wie bei uns
geregelt. Man wird nicht so gestellt, wie man vorher im
Verhältnis zu nachher stand; dies bezieht sich auf die berühmte Differenzhypothese. Allerdings haben wir bereits
angefangen, da Mist zu machen. Ich nenne nur allgemein
das Gleichbehandlungsgesetz.
({3})
Auch da haben wir erste Punitive Damages. Oder bedenken Sie, was Frau Dyckmans gerade zu den Sammelklagen gesagt hat. Diese berühmten Class Actions gibt es
ansatzweise auch bei uns im Verbraucherrecht. Also
sage ich: Wehret den Anfängen!
({4})
Dennoch muss ich sagen: Unsere Erfolgshonorare sind
etwas anders ausgestattet.
Wie sind sie ausgestattet? Ich will das nicht in einem
Klippklappschema abhandeln. Es ist schon gesagt worden: Wir haben eine moderne Form gewählt. Es gilt
nicht mehr die klassische Schriftform, sondern E-Mail
und Telefax, also die Textform. Wir haben auch die Fälle
berücksichtigt, in denen man bei vernünftiger Betrachtungsweise einen Prozess nicht führen würde, weil er einen in den wirtschaftlichen Ruin treiben könnte. Das
Bundesverfassungsgericht hatte noch den Fall im Auge,
dass der völlig Mittellose seine Anwaltskosten nur dann
bezahlen kann, wenn ihm das, was er will, erstritten
wird. Wir haben gesagt: Es geht nicht nur um den völlig
Mittellosen, sondern auch um den sogenannten Stino.
Der Stino - diesen Begriff habe ich kennengelernt ({5})
ist der Stinknormale. Herr Kollege Stünker, das sind
Menschen wie Sie und ich, die wir uns unser Einfamilienhaus lange vom Mund abgespart haben.
({6})
Viele von uns Stinos sehen nur deshalb von einem Prozess ab, weil wir am Ende möglicherweise unser schönes
Häuschen verspielen und die Kinder nicht mehr studieren lassen könnten.
Die Frage des finanziellen Prozessrisikos ist immer
eine Frage der Verhältnismäßigkeit; denn jeder überlegt,
was ihm im Falle der Niederlage blüht. Das gilt nicht nur
für den völlig Mittellosen. Wir wenden uns auch denjenigen zu, die sich mit eigener Kopf- oder Handarbeit etwas geschaffen haben und nicht das Risiko eingehen
wollen, dessen verlustig zu gehen.
Wir haben dafür gesorgt, dass die Anwälte nicht mehr
wie früher sagen können: Wir vereinbaren ein Honorar
in Höhe von 1 000 Euro - dahinter steckt natürlich eine
gewisse Erfolgsabhängigkeit -, deklarieren das aber
nicht als Vorschuss, sondern lassen uns den Betrag vorab
zahlen. - Am Ende wurde die Erfolgshonorarvereinbarung zwar nichtig, aber der Mandant hat sein Geld nicht
wiederbekommen; wir alle kennen die Vorschrift des
§ 814 BGB. Das ist für sich genommen schon schlimm.
({7})
Besonders schlimm ist es aber, wenn der Vorsitzende des
Berufsrechtsausschusses im Deutschen Anwaltsverein
auf Seite 34 im Anwaltsblatt 1/2008 diesen Tipp gibt
und sagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diese Art
und Weise haben wir es in der Hand, ob wir die Erfolgshonorare behalten oder nicht. Es ist zwar nicht in Ordnung, das zu verlangen, aber derjenige, der freiwillig
und vorbehaltlos bezahlt hat, bekommt das Geld nicht
zurück.
Nun müssen sich die Anwälte nicht wundern, dass die
Regierung das bemerkt hat; obwohl man sich darüber
vielleicht sogar noch wundern könnte. Aber die Abgeordneten haben es schließlich auch bemerkt.
({8})
Sie haben gesagt: Nein, alter Freund, so nicht.
Entsprechend einem früheren Gesetzentwurf sollte alles zurückgegeben werden. Herr Strässer, da haben wir
Abgeordneten gesagt - morgens um 7 Uhr -: So geht das
auch nicht. Die Anwälte sollen zwar nicht bessergestellt
werden als alle anderen Leistungserbringer, aber auch
nicht schlechter als jeder Bürger, dem man den Einwand
des § 814 BGB entgegenhalten kann, wenn er in Kenntnis der Nichtleistungspflicht etwas leistet, wie beim
Mäklerlohn. Wir haben gesagt: Wenn der Mandant aufgeklärt wurde und in Kenntnis der Tatsache, dass er eigentlich nicht zahlen muss, gezahlt hat, nehmen wir den
Anwalt in den Schutz des § 814 BGB. Wir haben die folgende Formulierung gewählt: Im Übrigen bleiben die
Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung
- § 814 BGB - unberührt.
Das sind die Essentialien, die wir herausgearbeitet haben. Eine Sache haben wir sogar morgens um 7 Uhr herausgearbeitet. Herr Strässer, es hat richtig Spaß gemacht, das mit Ihnen zu verhackstücken.
Wie ich gehört habe, sind alle damit einverstanden.
Manch einer meint sogar, dass dieser Gesetzentwurf
kausal auf die Mitwirkung der Opposition zurückzuführen ist.
({9})
Wer das meint, irrt freilich. Sie ist nicht darauf zurückzuführen. Sie haben vielmehr klaglos zugestimmt. Nur einer wird gleich wahrscheinlich vorlesen, dass es doch
ein Haar in der Suppe gibt - cum grano salis; für die
Oberrealschüler: mit einem Fünkchen Wahrheit.
({10})
Sinn der Erfolgshonorare ist natürlich - das ist eigentliche Ratio legis -, dass das Risiko beim Anwalt liegt.
Wenn der Erfolg nicht eintritt, hat er umsonst gearbeitet,
umsonst und kostenlos - das ist ja ein großer Unterschied. Manche gehen, wie ich, kostenlos in die Schule,
aber nicht umsonst. Andere sind umsonst in die Schule
gegangen.
({11})
Der Sinn dieser Regelung ist, dass man gar nichts bezahlen muss, wenn der Erfolg nicht eintritt.
Es gibt eine versteckte Regelung, bei der man auf die
Idee kommen könnte, dass, wenn die Erfolgsvereinbarung nichtig ist - wir haben gesagt, dass es dann bei der
gesetzlichen Vergütung bleibt -, die eigentlich beabsichtigte Risikoaustarierung konterkariert und auf den Kopf
gestellt wird. Das wird Herr Nešković, wie gesagt, nachher vorlesen. Aber es ist natürlich nicht so, weil in der
eigentlichen Überschrift und auch in den tragenden Paragrafen dieses Gesetzes ganz klipp und klar geregelt ist,
wie es sein soll.
Ein anderer Aspekt ist: Beim Erfolg geht es nicht
nach dem Prinzip „alles oder nichts“. Es kann auch passieren, dass der Anwalt, zu dem man geht, einem sagt:
Das ist ein schwieriger Fall. - Dann ist es durchaus
möglich, dass man auf die gesetzliche Gebühr noch ein
Sahnehäubchen drauflegen muss. Wenn dann die Erfolgsvereinbarung nicht in Ordnung ist, bleibt es auf jeden Fall bei der gesetzlichen Gebühr; denn der Anwalt
soll nicht für die Katz gearbeitet haben. Das ist übrigens
ständige Rechtsprechung. Lieber Alfred, dass man allerdings in einem Gesetzentwurf eine Entscheidung anführt, die aus einem Jahrgang stammt, der schon fast als
prähistorisch zu bezeichnen ist, das hätte nicht sein müssen.
Noch eine Bemerkung. Frau Kollegin Dyckmans, Sie
haben unterschwellig kritisiert, dass das alles sehr lange
gedauert hat. Sie wissen selbst, dass wir Rechtspolitiker
uns nicht von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit
nur einer einzigen Materie beschäftigen, sondern dass
wir viel zu tun haben.
Ich möchte Ihnen am heutigen Freitagnachmittag nur
noch sagen:
({12})
- Na ja. - Ich freue mich, dass wir das jetzt gewuppt haben. Du hast gesagt, ich würde etwas anderes erklären
als du; denn du wärst gerne weitergegangen, sogar noch
weiter als die Anwälte. Ich finde es immer schön, wenn
sich jemand zum Sachwalter von Forderungen macht,
die noch nicht einmal von den Interessenvertretern selbst
erhoben werden.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Freitagnachmittag und ein schönes Wochenende. Wir sehen uns in
der übernächsten Sitzungswoche wieder.
({13})
Dann werden wir sicherlich ein anderes sehr wichtiges
rechtspolitisches Thema behandeln. Ich würde mich
übrigens freuen, wenn die rechtspolitischen Themen
nicht immer erst nach 18 oder 20 Uhr debattiert würden,
({14})
sondern auch einmal zu einer Zeit, zu der die Bürger und
erst recht die Betroffenen die Gelegenheit haben, diese
Debatte im Fernsehen zu verfolgen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({15})
Da bleibt mir nur noch, zu erwähnen, dass es jetzt
13.16 Uhr ist. Es ist also mitten am Tage, Herr Kollege
Gehb.
({0})
Jetzt wollen wir einmal schauen, ob der Kollege
Wolfgang Nešković auch das sagen wird, was Sie angekündigt haben.
({1})
Er hat jetzt nämlich das Wort.
({2})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Den Kollegen Gehb enttäusche ich
selten. Insofern versuche ich auch heute, dieses Gefühl
nicht bei ihm aufkommen zu lassen.
({0})
Gäbe es ein Erfolgshonorar für besonders gelungene
Gesetzentwürfe, dann hätte der vorgelegte Gesetzentwurf das Prämienziel ganz knapp verfehlt.
({1})
Dabei ließ sein Werdegang zunächst erwarten, dass er
ein voller Erfolg würde. Es begann damit, dass man im
Justizministerium die Ausgangsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Anlass genommen
hat, die vom Gericht leicht geöffnete Tür für die Einführung eines Erfolgshonorars voll aufzustoßen. Der Werdegang dieses Erfolges setzte sich in den Berichterstattergesprächen und im Rechtsausschuss in konstruktiver
Weise fort. Herr Strässer und Herr Dr. Gehb, dafür bin
ich Ihnen ausgesprochen dankbar.
Viele kleine und auch einige große Unstimmigkeiten
im Entwurf konnten gemeinsam ausgeräumt werden.
Gemeinsam mit dem Justizministerium gelang es uns
vor allem - wenn auch mit einem gewissen Widerstand,
wie wir heute gehört haben -, die Einführung von Erfolgshonoraren auf das verfassungsrechtlich unausweichliche Mindestmaß zu beschränken. Die Etablierung amerikanischer Verhältnisse bei der anwaltlichen
Rechtspflege konnten wir also - das ist wichtig - gemeinsam abwenden.
({2})
Der Gesetzentwurf, über den wir heute abstimmen,
lässt Erfolgshonorare ausschließlich dann zu, wenn dies
die wirtschaftliche Lage des Rechtsuchenden erfordert.
Das hat die Linke von Anfang an gefordert. Der Entwurf
schien wie ein Haus zu sein, an dem alle Handwerker
gute Arbeit geleistet haben. Aber, Herr Dr. Gehb, ein
einziges Loch im Dach schmälert bekanntlich den Wert
des ganzen Hauses.
Ein Kümmernis - Sie haben es angesprochen - bleibt
§ 4 b des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Bei dieser
Vorschrift geht es um die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Vergütungsvereinbarung. Ein Rechtsanwalt schließt
mit einem wirtschaftlich schlechtgestellten Mandanten
eine fehlerhafte Erfolgshonorarvereinbarung. Die Sache
geht jedoch ungünstig aus, und der Prozess geht verloren. Der Mandant schuldet seinem Anwalt nun eigentlich nichts bzw. zumindest weniger als die gesetzliche
Gebühr. Dieser macht aber plötzlich die Fehlerhaftigkeit
der Erfolgshonorarvereinbarung geltend, die er, der
Rechtskundige, selbst aufgesetzt hatte, und verlangt von
seinem rechtsunkundigen Mandanten die übliche gesetzliche Gebühr. Der Mandant trägt also genau das Risiko,
das er vermeiden wollte und das wir ihm mit diesem Gesetz abnehmen wollten. Wie befremdlich! Das ist das
Loch im Dach, von dem ich eingangs gesprochen habe.
In der Begründung zu § 4 b des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wird einem erläutert, dass hier der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB Abhilfe
schaffen kann. Herr Dr. Gehb, wir wissen, dass es sich
bei diesem Grundsatz um die juristische Notbremse, um
die Ultima Ratio unserer Rechtsordnung handelt, deren
Anwendung von einer Vielzahl einzelfallbezogener, sehr
unterschiedlicher Umstände abhängig ist. Ob und wie
die Gerichte in einer Konstellation wie der eben geschilderten diese Vorschrift anwenden, ist für die Parteien
nicht absehbar.
Wünschen würden sich die Gerichte und die Beteiligten, dass ein Rückgriff auf diese Vorschrift nicht erforderlich wird, weil der Gesetzgeber für die erforderliche
Klarheit sorgt; das ist die originäre Aufgabe, die wir haben. Die haben wir nicht wahrgenommen.
Herr Dr. Gehb hat die im Entwurf zitierte BGH-Entscheidung angesprochen. Diese Entscheidung hilft uns
nicht weiter. Sie ist prähistorisch, wie Herr Dr. Gehb es
genannt hat: Die Rechtslage war damals eine ganz andere.
Für ein Haus mit einem Loch im Dach gibt es keine
Erfolgsprämie, gibt es nicht die Zustimmung des ganzen
Hauses: Meine Fraktion wird sich der Stimme enthalten.
Wenn Sie in dieses Haus einziehen möchten, dann tun
Sie das! Wir haben Sie auf das Loch im Dach hingewiesen.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat jetzt der Kollege Jerzy Montag von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte
mich Ihnen eigentlich anschließen, Herr Kollege Gehb,
dachte, diesmal könnte ich das tun.
({0})
Doch schon wieder sind Sie beim Antidiskriminierungsgesetz ausgeglitten. Deswegen geht es schon wieder
nicht.
({1})
Bei den beklagenswerten und von uns allen nicht gewollten amerikanischen Verhältnissen geht es im Wesentlichen um fünf Elemente, die zusammengemischt einen
giftigen Cocktail ergeben: Massenklagen mit Opt-out-Regelungen - das ist für mich hunderttausendfache Geschäftsführung ohne Auftrag und Mandat -, Pretrial Discovery - das sind völlig unschlüssige Klagen, die im
Nachhinein im Wege des bei uns unzulässigen Ausforschungsbeweises schlüssig gemacht werden -, Strafschadenersatz - der bei uns im Gesetz nicht vorgesehen
ist -, American Rule of Costs - man trägt nicht das Risiko für den verlorengehenden Prozess - und schließlich
als fünftes Element die völlig freien Erfolgshonorare.
Wenn man diese fünf Elemente zusammenmischt,
kommt eine Rechtskultur heraus, bei der sozial schwach
gestellte Personen, Menschen mit geringem Einkommen, praktisch keinen Rechtsschutz haben und bei der
unter dem Strich diejenigen am Rechtsstreit gewinnen,
die die Prozesse als Anwälte führen.
Es ist gut und richtig, dass alle Seiten dieses Hauses
bekräftigt haben, dass wir solche Verhältnisse nicht wollen. Wir werden um eine Diskussion in Europa allerdings nicht herumkommen. Bestimmte notwendige Änderungen werden am deutschen System vorgenommen
werden müssen. Wenn wir uns dieser Debatte nicht verweigern, sondern sie aktiv führen, wird es uns gelingen,
diese amerikanischen Elemente aus dem deutschen
Recht möglichst herauszuhalten.
({2})
Aus unserer Sicht ist eine Stärkung des Verbraucherschutzes notwendig, durch ein effektives Lauterkeitsrecht und durch eine kollektive Rechtsdurchsetzung.
Dazu brauchen wir eine Verbesserung der Abschöpfung
von Unrechtsgewinnen und eine Verbesserung und Ausweitung von Musterverfahren. Wir brauchen auch eine
Verbesserung der Möglichkeiten gemeinsamer Klage in
Gruppenklagen, aber nach einem Opt-in-Verfahren,
nicht nach einem Opt-out-Verfahren.
Grundsätzlich wollen wir keine Erfolgshonorare - damit kommen wir zum Thema des Gesetzentwurfes, um
den es heute geht -; denn wir wollen nicht, dass in
Deutschland der Rechtsanwalt ein Gewerbetreibender
wie jeder andere wird.
({3})
Wir sind der Auffassung, dass der Rechtsanwalt als Vertreter der Interessen seiner Mandanten ein Teil gelebter
Rechtsstaatlichkeit ist und ein Vollmitglied in dem Konzert, das die rechtsstaatliche Kultur ausmacht. Wir wollen nicht, dass Rechtsanwälte in Zukunft einzig und allein dem Gewinnstreben verpflichtet sind. Sie sollen an
erster Stelle den Interessen ihrer Mandanten verpflichtet
sein.
({4})
Wolfgang NeškoviæWolfgang Nešković
In der Debatte über eine große Lösung - das heißt: völlige Freigabe - und eine kleine Lösung - entsprechend
dem Vorschlag des Bundesjustizministeriums - haben
wir deswegen weder die eine noch die andere, sondern
die kleinstmögliche Lösung gewählt. Ich finde, das ist
auch richtig so.
Auch bei den anderen Punkten haben wir eine enge,
rechtstaatliche und klare Formulierung gefunden. Nur
dann, wenn es uns gelingt, die Wege zum Recht auch in
Zukunft für möglichst alle Menschen in unserem Land
optimal offenzuhalten, werden wir vermeiden, dass uns
das Bundesverfassungsgericht in Zukunft eine neue Entscheidung vorlegt, sodass dann Herr Staatssekretär
Hartenbach recht bekäme. Ich hoffe, in diesem Falle bekommt er nicht recht.
Die Grünen stimmen dem Gesetzentwurf zu und werden die paar Tropfen, die durch das kleine Loch in diesem Dach fallen, durchaus ertragen können, Herr Kollege Nešković.
({5})
Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Gehb, auch ich wollte Ihnen eigentlich
vollumfänglich zustimmen. Ich relativiere das an einer
Stelle, die aber nicht kriegsentscheidend war. Es waren
gute Beratungen morgens um 7 Uhr, aber ich sage Ihnen
ganz offen: Es muss nicht jedes Mal morgens um 7 Uhr
sein. Zu anderen Tageszeiten können wir auch vernünftige Ergebnisse finden. Vielleicht sollten wir uns darauf
demnächst verständigen.
({0})
In der Tradition unserer rechtspolitischen Debatten
habe ich natürlich wieder versucht, einen humanistischen Bezug herzustellen. Mein Gang in die Römerzeit
ist leider ohne Ergebnis geblieben. Ich bin aber auf
Wilhelm Busch gestoßen. Er hat das, worüber wir heute
diskutieren, eigentlich auch ganz gut auf den Punkt gebracht:
Der Rechtsanwalt ist hochverehrlich, obwohl die
Kosten oft beschwerlich.
({1})
Ich glaube, das ist eine Erkenntnis, die die ganzen Diskussionen, die wir geführt haben, ein Stück weit begleitet.
Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich: Ich
glaube, das Ergebnis dessen, was hier gemacht worden
ist und wozu wir durch das Bundesverfassungsgericht
verpflichtet worden sind, ist eine Verbesserung und
keine Verschlechterung des Kosten- und Vergütungssystems im Bereich der Rechtsbesorgung.
({2})
Ich will das beispielhaft an dem zeigen, über das wir
bei unserer Debatte über die kleine bzw. große Lösung
immer ansatzweise diskutiert haben. Ich glaube, dass
das, was wir hier nachgeholt haben, großen Sinn macht
und aufgrund der Erkenntnisse in der Forschung eigentlich auch geboten war. Sie haben das nämlich völlig zu
Recht gesagt: Es geht eben nicht nur um die Rechtsuchenden, die keine Prozesskostenhilfe erhalten, weil
ihre Vermögensverhältnisse zu gut sind, sondern es geht
gerade darum, dass meist aussichtsreiche, aber mit einem hohen Gegenstandswert versehene Rechtsstreitigkeiten alleine deshalb nicht geführt werden können, weil
der Rechtsuchende im Fall des Unterliegens verpflichtet
wäre, die anfallenden Gebühren zu bezahlen, was ihn in
vielen Fällen offenbar in den Ruin treiben würde.
Ich glaube, hier hat uns das Bundesverfassungsgericht
sehr wohl auf den richtigen Weg gebracht. Die Umsetzung in diesem Gesetzentwurf ist so erfolgt, dass dies allen Rechtsuchenden nutzt.
Herr Kollege Montag, Ihnen sage ich noch einmal,
dass Sie sich ganz sicher sein können - ich vermute einmal, dass Sie den Bereich Prozesskostenhilfe angesprochen haben; es ist völlig klar, dass das alles nichts
miteinander zu tun hat -, dass mit uns eine Verschlechterung hinsichtlich der Prozesskostenhilfe im deutschen
Rechtssystem nicht möglich sein wird. Das sage ich Ihnen ganz offen. Ich denke, hierüber sollten wir auch Einigkeit erzielen.
({3})
Ich möchte noch einmal das Loch im Dach von Herrn
Nešković ansprechen, weil ich glaube, dass das kein
wirklich objektiv vorhandener Schaden am Gesetzentwurf ist.
({4})
Man kann ja auch so vorgehen und sagen: Ich schaue
einmal. Ich nehme den Bohrer mit und bohre von unten
ein Stück ins Dach hinein. Dann warte ich, ob irgendwann ein Loch entsteht, durch das es hineinregnet. - Es
tut mir leid, aber ich habe das jetzt etwas platt gesagt.
Diesen Eindruck habe ich aber bei Ihrer Argumentation.
Ich will auch begründen, warum ich glaube, dass das,
was Sie sagen, nicht richtig ist.
Ich glaube, wenn Sie sich § 4 unseres Gesetzentwurfes anschauen, dann wird sehr deutlich, dass darin klare,
klar definierte Voraussetzungen für die wirksame Vereinbarung eines Erfolgshonorars enthalten sind. Als Anwalt sage ich Ihnen ganz offen: Bei den Gesprächen, die
dort zu führen sind - das kann man ja auch dokumentieren,
was wir zum Glück auch in den Gesetzentwurf aufgenommen haben -, muss durch eine vernünftige Gesprächsführung vor der Schließung solcher Vereinbarungen klar werden, dass es, wenn eine entsprechende
Vereinbarung tatsächlich nicht wirksam sein sollte, sehr
wohl darauf ankommt, dass der Anwalt richtig beraten
hat. Ich bin der Auffassung: Wenn er richtig beraten hat,
soll er nicht schlechter gestellt werden als andere Dienstleister in dieser Gesellschaft. Deshalb ist die Bezugnahme auf das Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung an dieser Stelle vollkommen richtig. Im Übrigen
wird dadurch die bisher in § 4 Abs. 5 vorhandene Besserstellung der Anwälte gegenüber anderen Dienstleistern beseitigt.
Ich glaube, dass das Gesetz für einen guten und vernünftigen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten
sorgt. Es verbessert die Situation der Rechtsuchenden in
dieser Gesellschaft. Deshalb sollten wir alle dem Gesetzentwurf zustimmen.
Herzlichen Dank.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgs-
honoraren. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 16/8916, den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/8384 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der
FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor ange-
nommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 q auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes ({0})
- Drucksache 16/7035 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({1})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Keine Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten gegenüber Älteren in den neuen Bundesländern bei der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in bundesdeutsches Recht
- Drucksache 16/7019 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({2})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte im
Gesundheits- und Sozialwesen der DDR
- Drucksache 16/7020 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({3})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Gerechte Lösung für die rentenrechtliche Situation von in der DDR Geschiedenen
- Drucksache 16/7021 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({4})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Schaffung einer gerechten Versorgungslösung
für die vormalige berufsbezogene Zuwendung
für Ballettmitglieder in der DDR
- Drucksache 16/7022 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({5})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Regelung der Ansprüche der Bergleute der
Braunkohleveredlung
- Drucksache 16/7023 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({6})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Beseitigung von Rentennachteilen für Zeiten
der Pflege von Angehörigen in der DDR
- Drucksache 16/7024 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({7})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Rentenrechtliche Anerkennung für fehlende
Zeiten von Land- und Forstwirten, Handwerkern und anderen Selbständigen sowie deren
mithelfenden Familienangehörigen aus der
DDR
- Drucksache 16/7025 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({8})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
i) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten
Bildungswegen und Aspiranturen in der DDR
- Drucksache 16/7026 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({9})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
j) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Rentenrechtliche Anerkennung von DDR-Sozialversicherungsregelungen für ins Ausland
mitreisende Ehepartnerinnen und Ehepartner
sowie von im Ausland erworbenen rentenrechtlichen Zeiten
- Drucksache 16/7027 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({10})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
k) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilligen Beiträge aus DDR-Zeiten
- Drucksache 16/7028 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({11})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
l) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Kein Versorgungsunrecht bei den Zusatz- und
Sonderversorgungen der DDR
- Drucksache 16/7029 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({12})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
m) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Regelung der Ansprüche und Anwartschaften
auf Alterssicherung für Angehörige der Deutschen Reichsbahn
- Drucksache 16/7030 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({13})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
n) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Angemessene Altersversorgung für Professorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst,
Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer,
Beschäftigte universitärer und anderer wissenschaftlicher außeruniversitärer Einrichtungen in den neuen Bundesländern
- Drucksache 16/7031 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({14})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
o) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Schaffung einer angemessenen Altersversorgung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben
- Drucksache 16/7032 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({15})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
p) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Schaffung einer angemessenen Altersversorgung für Angehörige von Bundeswehr, Zoll
und Polizei, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben
- Drucksache 16/7033 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({16})
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
q) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Einheitliche Regelung der Altersversorgung
für Angehörige der technischen Intelligenz der
DDR
- Drucksache 16/7034 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({17})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. Gibt es
Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren
wir so.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Gregor Gysi von der Fraktion Die
Linke das Wort.
({18})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der
Überleitung der Anwartschaften und der Renten in Ostdeutschland auf die Bundesrepublik Deutschland ist viel
geleistet worden. Sehr viele Menschen in den neuen
Bundesländern bekommen aufgrund der gesetzlichen
Bestimmungen eine durchaus angemessene Rente und
können davon in Würde leben.
({0})
Es gab allerdings beachtliche Ausnahmen im Strafrecht, Ungerechtigkeiten und Lücken im Rentenrecht.
Mich stört besonders die Tatsache, dass der Bundestag
immer nur auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Korrekturen vorgenommen hat.
({1})
Die Mehrheit des Bundestages war nie der Meinung,
dass an der einen oder anderen Stelle Korrekturen notwendig sind. Das wäre aber dringend erforderlich gewesen.
({2})
Herr Kollege Gysi, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Grund?
Ja.
Herr Kollege Gysi, es ist nicht wahr, dass der Bundestag nicht aus eigenem Ermessen gehandelt hat. Er hat in
mindestens zwei Fällen gehandelt, zum einen bei der
Anhebung der Kappungsgrenze auf E 3, wodurch viele
ehemalige Angehörige der bewaffneten Streitkräfte der
DDR in die Rentenversicherung aufgenommen wurden,
und zum anderen bei der Eisenbahnerversorgung. Das
sind mindestens zwei Fälle, die Ihrer Aussage widersprechen. Bestätigen Sie, dass der Bundestag nicht nur
auf Druck des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch
aus eigenem Ermessen gehandelt hat?
Nein, das bestätige ich nicht; denn das alles geschah
im Zusammenhang damit, dass das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass etwas korrigiert werden
muss. Sie sind dabei sicherlich noch ein, zwei Schritte
weitergegangen. Aber eine Eigeninitiative seitens der
Mehrheit des Bundestages hat es nicht gegeben.
({0})
Jetzt kommen wir zur Frage des Strafrechts; dabei
geht es um die Staatsnahen. Sie wissen, wie viele Jahre
dies das Parlament beschäftigt hat. Ich kenne alle diesbezüglichen Angriffe aus der CDU/CSU, die ich übrigens
deshalb für so falsch halte, weil sie nach unvergleichlich
schlimmeren Verbrechen nach 1945 nicht eine einzige
Rentenkürzung vorgenommen, hier aber plötzlich ganz
anderes gespielt hat.
Im Übrigen ist das Rentenrecht dafür überhaupt nicht
geeignet. Man kann Biographien unterschiedlich beurteilen und kann Menschen auch strafrechtlich zur Verantwortung ziehen; das kann man alles machen, aber das
hat mit der Höhe der Rente, auf die jemand Anspruch
hat, nichts zu tun.
({1})
Im Übrigen erwarte ich von der SPD, dass sie zu ihrem Antrag steht, den sie in der Opposition gestellt hat.
Darin haben Sie verlangt, dass alle entsprechend ihrem
Einkommen eine Rente beziehen sollten. Es darf doch
nicht wieder das passieren, was wir aus Wahlkämpfen
kennen: Die SPD verspricht das eine, und wenn sie dann
regiert, macht sie das Gegenteil. Hier beantragen Sie das
eine in der Opposition, und wenn Sie in der Regierung
sitzen, setzen Sie davon nichts um. Auch das darf nicht
passieren.
({2})
- Geben Sie mir eine Viertelminute Redezeitverlängerung;
({3})
dann sage ich euch gern etwas zu Tempelhof. Sie haben
unterschrieben, dass Tempelhof geschlossen wird, Ihre
Regierung, getragen von CDU und FDP, Ihr Regierender
Bürgermeister, Herr Diepgen.
({4})
Sie haben die Tatsachen geschaffen, und heute wollen
Sie das Volk vorführen, indem Sie einen Volksentscheid
organisieren,
({5})
von dem Sie wissen, dass er gar nicht funktionieren
kann. Nein, Sie sind in diesem Punkt am unglaubwürdigsten, um das ganz klar zu sagen.
({6})
Herr Kollege Gysi, Ihre Redezeit würde verlängert,
wenn Sie dem Kollegen Niebel die Chance gäben, eine
Zwischenfrage zu stellen.
Na gut, dann machen wir das so. Aber die Uhr läuft ja
noch, Herr Präsident. - Nein, jetzt steht sie.
({0})
Bitte schön, Herr Niebel.
Sehr geehrter Kollege Gysi, ich freue mich, Ihre Redezeit ein Stück weit verlängern zu dürfen, denn das
könnte ja Erhellung für die Menschen in diesem Land
mit sich bringen.
Sie haben den Sozialdemokraten gerade vorgeworfen,
dass sie in der Opposition Dinge sagen, die sie in der Regierung nicht machen. Nun haben Sie sich persönlich
medienöffentlich und hat sich Ihr Parteivorsitzender gestern in diesem Hause hinsichtlich der Bewertung von
Volksentscheiden geäußert; Ihr Parteivorsitzender sehr
klar, Sie eher unklar. Deswegen gebe ich Ihnen gern die
Gelegenheit, uns allen zu sagen, was denn Ihre Position
ist.
Sie haben hier in der Opposition mehrfach - meines
Erachtens völlig zu Recht - mehr plebiszitäre Elemente
gefordert, also mehr Möglichkeiten der Menschen in
diesem Land, an Entscheidungen teilhaben zu können.
Sie sind im Land Berlin Mitglied der Landesregierung.
Nun gibt es am Sonntag in Berlin einen Volksentscheid,
der weit über die Stadtgrenzen Berlins hinaus für Interesse gesorgt hat, denn es geht um ein Symbol und um
einen Wirtschaftsfaktor.
Wenn das Volk entschiede, dass Tempelhof offen bleiben soll - anders, als Sie es inhaltlich für richtig halten -, und Sie hier als Oppositionspolitiker fordern,
Volksentscheide durchzuführen und sich selbstverständlich daran zu halten, weil es ein Volksentscheid und kein
Volksvorschlag ist, wie werden Sie sich dann als Regierungspartei in Berlin verhalten?
({0})
Herr Niebel, wenn wir jetzt den Gegenstand der Debatte verändern, wogegen ich gar nichts habe, dann unterhalten wir uns darüber.
Erstens. Dass es in Berlin Volksentscheide gibt, liegt
an der Linken. Sie hat das durchgesetzt, und wir mussten
auch die SPD davon erst überzeugen.
({0})
Das darf man doch einmal erwähnen.
Zweitens stimme ich Ihnen völlig zu, dass die Ergebnisse von Volksentscheiden selbstverständlich bindend
sein müssen; anderenfalls muss man sie nicht durchführen.
({1})
Nun gibt es zwei Arten von Volksentscheiden: Es gibt
solche, die empfehlenden Charakter haben, und solche,
die Gesetzgebungscharakter haben.
({2})
- Ja, die evangelische Kirche mit Bischof Huber macht
das in Berlin jetzt klüger: Sie unterbreitet gleich einen
Gesetzentwurf, und deswegen wäre das Ergebnis dann
auch verbindlich.
({3})
Das Problem ist, dass ich auch bei den anderen dafür
bin, dass man sich danach richtet, es sei denn, dass zwingende rechtliche Gründe dagegen sprechen. Dies sind
hier ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, eine Unterschrift der Bundesregierung von CDU/CSU und FDP
({4})
sowie eine Unterschrift des ehemaligen Regierenden
Bürgermeisters Eberhard Diepgen. Dies alles spricht dagegen.
Was Herr Pflüger hier macht, ist wirklich übel. Herr
Pflüger weiß, dass Herr Diepgen das Gegenteil beschlossen hat, und sagt, jetzt sei die Situation ein bisschen anDr. Gregor Gysi
ders, und führt einen Volksentscheid durch, bei dem er
weiß, dass das Ergebnis rechtlich gar nicht umsetzbar ist.
Das ist ein Betrug am Volk, den nicht der Senat begeht.
Das ist meine Antwort.
({5})
Jetzt möchte ich aber zu den Renten zurückkommen,
weil es ja eigentlich um sie geht.
Herr Kollege Gysi, würden Sie noch eine Zwischenfrage erlauben, und zwar des Kollegen Mücke?
({0})
Herr Präsident, Sie müssen das entscheiden. Ich antworte gern noch einmal zu Tempelhof, aber eigentlich
sind wir in einer anderen Debatte.
Ich gebe Ihnen die Gelegenheit dazu.
Gut.
Bitte, Herr Mücke.
({0})
Die Frage sollte durch einen Volksentscheid entschieden werden, meint Herr Benneter. Das wäre spannend.
({0})
Herr Kollege Gysi, Sie haben gerade freundlicherweise festgestellt, dass Sie selbstverständlich Bürgerentscheide und Volksentscheide für rechtlich bindend ansehen und sich die Linke entsprechend verhalten werde.
Wie erklären Sie sich dann, dass sich Ihre Partei in der
sächsischen Landeshauptstadt Dresden bei der Frage der
Waldschlösschenbrücke anders verhalten
({0})
und drei Jahre lang einen rechtlich bindenden Bürgerentscheid nach Strich und Faden hintertrieben und ausgehebelt hat?
Da hätten Sie sagen müssen: die Hälfte der Fraktion;
denn die andere Hälfte der Fraktion hat eine gänzlich andere Auffassung.
({0})
- Das kennen Sie nicht, dass man in einer Partei unterschiedliche Auffassungen haben kann. Aber in unserer
gibt es das, während es bei Ihnen so ist, dass Sie immer
im Nachhinein Ihre Auffassungen ändern. Das finde ich
viel übler.
Im Übrigen sage ich Ihnen ganz klar: Ich hätte immer
respektiert, was durch den Volksentscheid entschieden
worden war. Das ist völlig richtig.
({1})
- Da müssen wir noch bestimmte Prozesse durchmachen. Aber in Berlin ist die Situation eine andere. In
Dresden hätte man so verfahren können.
In Berlin ist die Sache eine andere, weil hier Bedingungen durch die CDU, die FDP und vor allen Dingen
die Landesregierung unter der CDU geschaffen worden
sind, an denen wir nicht vorbeikommen. Ich bin dafür,
dass wir Dresden als Kulturstadt erhalten. Man muss die
Drohungen, die von den entsprechenden Institutionen
aus Europa kommen, ernst nehmen. Deshalb bin ich dafür, dass sich alle Politikerinnen und Politiker in Dresden
Gedanken darüber machen, wie man vielleicht beides
hinbekommt, also die Verkehrsprobleme löst und gleichzeitig Dresden als Kulturstadt erhält.
({2})
Mir greift die Aussage „Entweder das eine oder das andere“, diese Kompromisslosigkeit einfach zu kurz.
({3})
- Ich bin gerne bereit, Ihnen weiter zu antworten, wenn
der Herr Präsident es mir erlaubt.
Ich war sehr großzügig, Herr Gysi, das müssen Sie
zugeben.
Sie müssen zugeben, dass ich daran unschuldig war
oder höchstens halbschuldig.
Jetzt lasse ich keine Zwischenfragen mehr zu.
Das ist sehr freundlich.
Dann komme ich jetzt auf die Renten zurück. Ich
möchte Ihnen sagen, welche Gruppen vor allem benachteiligt sind. Es sind die Frauen, zum Beispiel die geschiedenen Frauen, weil es in der DDR ein ganz anderes
Recht als das gab, das heute gilt. Dadurch haben sie
keine Ansprüche auf Rentenanteile. Damit muss man
sich einmal beschäftigen. Es gibt aber noch weitere
Sachverhalte, die es in der DDR gab und die es heute
nicht gibt. Die Bundesregierung reagierte darauf nur dadurch, dass sie sagte: Sachverhalte, die wir nicht kennen,
können wir nicht akzeptieren. Ich nenne Ihnen nur zwei
Beispiele.
Die privaten Handwerker, Selbstständige, hatten mithelfende Familienmitglieder. So etwas gab es in dieser
Form im Bundesrecht nicht. Diese mithelfenden Familienmitglieder waren nicht selbst versichert, aber sie
waren automatisch mitversichert und erwarben einen
Rentenanspruch. Diese Zeiten werden einfach nicht anerkannt. Vorwiegend Frauen haben dadurch keine Rentenanwartschaft erworben. Das können wir doch nicht so
belassen. Das ist einfach nicht hinnehmbar.
({0})
Ein zweites Beispiel: Es gab bei uns in der DDR die
Möglichkeit, freiwillig Beiträge zu leisten. Die waren
gering und betrugen etwa 2, 3 Mark. Aber die Höhe der
Beiträge war für die Höhe der Renten nicht entscheidend, sondern die Jahre der Beitragszahlungen waren
entscheidend. Diese Jahre werden jetzt nicht anerkannt.
Dadurch sind wiederum überwiegend Frauen ganz erheblich benachteiligt. Das ist nicht hinnehmbar.
({1})
Deshalb haben wir hier Anträge auch zu Gruppen gestellt, bei denen man sich das am wenigsten vorstellen
kann. Ich meine die Polizisten und die NVA-Angehörigen, an deren Biografie man gar nichts auszusetzen hatte
und die man deshalb in die Polizei und die Bundeswehr
übernommen hat. Auch die sind rentenrechtlich benachteiligt, weil ihre Zeiten nicht anerkannt werden. Auch
die, die ausgeschieden sind, sind benachteiligt. Somit
sind beide Gruppen benachteiligt. Deshalb mussten wir
16 Anträge stellen und einen Gesetzentwurf einbringen.
Ich wollte jetzt eigentlich alle Gruppen nennen, aber
Sie haben mir ja die Zeit restlos versaut. Deshalb sage
ich nur noch Folgendes zum Schluss: Es wäre schon
wichtig gewesen, aufzuzählen, um welche Gruppen es
geht. Es geht um private Handwerker und Selbstständige. Nie haben Sie von der FDP einen Antrag zu diesen
Gruppen gestellt. Sie behaupten immer, Sie würden
diese Leute vertreten, aber nur wir haben Anträge gestellt, damit deren Rentenansprüche endlich anerkannt
werden.
({2})
- Ich weiß, das ist Ihr Lieblingsthema. Sie werden gleich
dazu kommen.
Lassen Sie mich noch etwas zu Ost-West sagen. Denn
in einer großen, sehr bebilderten Zeitung steht immer,
dass die Ostrentnerinnen und Ostrentner mehr Geld als
die Westrentnerinnen und Westrentner bekämen. Diese
Zeitung vergleicht jedoch Ehepaare miteinander. Das ist
höchst ungerecht, weil bei Ehepaaren im Osten beide
Partner Renten beziehen und bei Ehepaaren im Westen
nur der Mann und nicht die Frau. Das ist völlig indiskutabel. Das kann man nicht miteinander vergleichen.
Zweitens vergessen Sie zwei Dinge, die ich durchaus
zum Nachteil der DDR anführe. Es gab dort so gut wie
keine Betriebsrenten, und es gab so gut wie keine Vermögensbildung.
({3})
Das heißt, die Altersversorgung im Westen steht auf drei
Füßen, aber die Leute aus den neuen Bundesländern bekommen nur die gesetzliche Rente.
Deshalb müssen wir eines endlich erreichen: dass
man für die gleiche Lebensleistung auch die gleiche
Rente bezieht. Sie sollten sich dem nicht länger verschließen.
({4})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Maria Michalk von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Gysi, mit Ihren wortgewaltigen und gestikulierenden Darlegungen werden Sie die Probleme, die wir besprechen, nicht lösen. Ich will an Folgendes erinnern:
Seit 115 Jahren steht die gesetzliche Rentenversicherung
für die soziale Sicherheit in Deutschland. Sie hat viele
Höhen und Tiefen erlebt. Sie ist und bleibt die stärkste
Säule der Alterssicherung.
({0})
1990 ist die Volkskammer angetreten - Herr Gysi, Sie
waren damals dabei -, die deutsche Einheit zu vollziehen; das hat Sie nicht gefreut. Man wusste, dass es gerade im sozialen Bereich, vor allem in der Alterssicherung, große Herausforderungen zu meistern galt. Schon
damals war es unstrittig, zuerst an diejenigen Frauen und
Männer zu denken, die unser Land nach dem Zweiten
Weltkrieg unter schwierigen Bedingungen aufgebaut haben, die vieles auf sich genommen haben und die das
Ziel hatten, dass es ihren Kindern, also uns, besser gehen
sollte als ihnen.
Wer vergessen hat, wie viele Rentner damals freiwillig über das Renteneintrittsalter hinaus gearbeitet haben
- ich verweise auf die aktuelle Diskussion -, weil der
Verdienst dann nicht versteuert werden musste - das war
DDR-Recht - und so ein paar Mark mehr in der Haushaltskasse oder auf dem Konto waren, der darf keinen
Vergleich zur heutigen Situation der Rentner anstellen.
({1})
Viele mussten feststellen, dass sie um die Früchte ihrer Arbeit betrogen wurden und im Alter mit sehr wenig
Rente auskommen mussten. Zum Beispiel bekam meine
Nachbarin, die 45 Jahre schwer gearbeitet hatte - sie lebt
heute leider nicht mehr -, eine DDR-Rente in Höhe von
genau 300 Mark.
({2})
Das wären heute unter 100 Euro.
Die Rentenausgaben haben vor der Einführung der
Sozialunion, also am 30. Juni 1990, für dieses Gebiet in
der Summe 16,7 Milliarden DDR-Mark betragen. Schon
zweieinhalb Jahre später, nach Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, nach Wiederherstellung der deutschen Einheit und nach den ersten Anpassungen, waren für den gleichen Personenkreis nicht
etwa 16,7 Milliarden West-Mark, im Wert also etwa das
Doppelte, für die Rentenzahlung gebucht, sondern
53,5 Milliarden DM.
({3})
Allein das verdeutlicht die gewaltige Leistung, die im
Rahmen der Rentenüberleitungsgesetze vollbracht
wurde.
({4})
Man muss heute sagen: Selbstverständlich war das
nicht. Es ist Ausdruck des gemeinsamen Willens des gesamtdeutschen Parlaments gewesen. Man wusste, dass
diese Generation nicht die Zeit hat, auf Ergebnisse des
Aufschwungs und der endgültigen Angleichung zu warten. Die meisten Rentnerinnen und Rentner haben sich
selbst als Gewinner der deutschen Einheit bezeichnet.
Eine japanische Weisheit besagt, dass die größte Kulturleistung eines Volkes die zufriedenen Alten sind.
Wenn wir dieser Weisheit folgen, dann müssen wir feststellen, dass wir in dieser Zeit gemeinsam eine großartige kulturelle Leistung vollbracht haben. Das ist auch
ein Grund zur Dankbarkeit.
({5})
Das äußerst zergliederte, zum Teil in Berufsbranchen
aufgeteilte und mit Sonderversorgungssystemen angereicherte Rentenrecht der DDR in das bundesdeutsche Rentenversicherungssystem zu überführen, das sich an Arbeitsjahren und tatsächlichem persönlichen Einkommen
orientiert, das ist ein komplizierter Vorgang - das leugnet niemand -, und an vielen Stellen war die Kompromissfähigkeit entscheidend. Auch das verschweigen wir
heute nicht.
Das deutsche Rentensystem setzt auf den Gleichheitsgrundsatz: Derjenige, der viel einzahlt, bekommt mehr
als derjenige, der wenig einzahlt. Das ist die eigentliche
Logik unseres Generationenvertrages. Wir wollen daran
festhalten. Auch die Bürgerinnen und Bürger in der
DDR haben adäquat zu ihrem Einkommen in die Rentenkassen eingezahlt; das ist unstrittig. Klar gab es da
auch wieder Ausnahmen. Doch die damaligen Einzahlbeträge stehen in keinem Verhältnis zur Höhe der Auszahlungen, die heute vorgenommen werden. Für diese
Umbewertung gab es auf der ganzen Welt kein Patentrezept.
Ich nenne beispielhaft eine Leistung im bundesdeutschen Rentenrecht, die heute zur Selbstverständlichkeit
geworden ist. Wer erinnert sich denn noch daran, dass
wir Regelungen gefunden haben, gemäß denen
150 000 Witwen in den neuen Bundesländern erstmals
überhaupt Witwenrente erhielten und die Monatsrente
von 760 000 Witwen um 240 D-Mark erhöht wurde?
Dies muss man nun auch in Bezug setzen zu einer Rentnerin, die 45 Jahre gearbeitet hat. Das war eine gewaltige Leistung.
({6})
Frau Kollegin Michalk, Frau Kollegin Dr. Bunge
würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
({0})
Bitte schön.
Frau Michalk, Sie insistieren ja so sehr darauf, dass es
Rentenzahlungen nur für die geben dürfe, die Beiträge
gezahlt haben. Gibt es nicht auch in der Bundesrepublik
Systeme, wo man keine Beiträge bezahlt, aber doch
Leistungen erhält? Das gilt ja zum Beispiel für uns Bundestagsabgeordnete. Könnte man da nicht berücksichtigen, dass es sich auch in der DDR in manchen Bereichen
so verhielt? Das Leben ist ja nicht nachholbar.
({0})
So haben eben viele keine Beiträge gezahlt. Könnte man
nun nicht sagen: Okay, das war damals so geregelt, und
wir suchen nun für die Betroffenen eine gerechte Regelung?
({1})
Ich gebe Ihnen recht, dass verlorene Jahre niemand
nachholen kann. Das ist ja gerade die Krux für die Rentner, über die ich gerade gesprochen habe.
({0})
Es stimmt auch, dass es bestimmte Möglichkeiten außerhalb der Rentenkassen in der Bundesrepublik gibt:
berufsständische Versorgungssysteme und andere. Wir
reden hier aber von der gesetzlichen Rentenversicherung.
Auf den weiteren Aspekt, den Sie angesprochen haben, dass nämlich eine Einzelbetrachtung sinnvoll sei,
werde ich noch eingehen. Zunächst geht es jetzt aber
nicht um Bundestagsabgeordnete, sondern um die Überführung des Rentenrechts Ost in das Rentenrecht West.
Darauf möchte ich jetzt eingehen.
({1})
Es bestreitet niemand, dass die Statistik, die auch ich
etwas bemüht habe - das gebe ich zu -, immer etwas
Kaltes an sich hat. Durchschnittszahlen treffen niemals
Einzelschicksale. Es gab schon viele Termine, an denen
die Ostrenten immer mehr den Westrenten angepasst
wurden. Wir werden auf diesem Weg in geordneten
Schritten weitergehen.
Das Grundsystem stellt nun niemand außer den Linken infrage, die mit ihren heute vorliegenden 16 populistischen Anträgen und ihrem Gesetzentwurf versuchen,
Dinge auf den Weg zu bringen, von denen sie selber wissen, dass sie so niemals eintreten werden.
({2})
- Ich komme noch darauf, Herr Gysi.
In den meisten Punkten hat das Bundessozialgericht
bzw. das Bundesverfassungsgericht die Grundlagen unserer Gesetzgebung zur Rentenüberführung ja auch bestätigt. Ich bestätige aber auch, dass uns bestimmte Einzelschicksale immer und immer wieder beschäftigen,
weil hierbei das Gerechtigkeitsempfinden angesprochen
wird.
Weil unsere sozialrechtlichen Regelungen im Rechtsstaat nicht so einfach über Bord geworfen werden können, wie das im sozialistischen Kollektivismus möglich
war, haben wir selbstverständlich akzeptiert, wenn gerade zum Bereich der systemnahen Versorgungsregelungen Urteile ergangen sind, die unter den nicht betroffenen Rentnergruppen Unverständnis, manchmal sogar
Frust hervorriefen und bestimmte materielle Verwerfungen mit sich brachten. Viele wissen, dass wir erhebliche
Nachzahlungssummen im Rahmen unserer Haushaltsführung aufbringen mussten. Gerade im letzten Jahr
haben wir so 23 Millionen Euro zusätzlich für die Überführung von Zusatzversorgungssystemen in die Rentenversicherung im Nachhinein bereitstellen müssen. Dieses Geld fällt ja auch nicht vom Himmel.
Grundlage für eine vertrauenserhaltende Rentenpolitik ist nach unserer Auffassung in jedem Fall, das Rentengerechtigkeit und Rentenstabilität nicht an statistischen Durchschnittszahlen festgemacht werden, sondern
daran, inwieweit ein System in der Lage ist, Verwerfungen zu korrigieren und neu entstandene Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Mehrfach hat das Parlament dies getan. Herr Grund hat das noch einmal in eindrucksvoller
Weise in Erinnerung gerufen. Gerade der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ist ein Sensor, der
uns hier im Hohen Haus durch seine Berichterstattung
immer wieder aufs Neue anzeigt, wo möglicherweise
Handlungsbedarf besteht.
Die permanente Diskussion zu unterschiedlichen Fragen des Rentenrechts ist für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion selbstverständlich ein ständiger Begleiter. Auch
das möchte ich noch einmal sagen.
Komischerweise just zu dem Zeitpunkt, als öffentlich
wurde, dass wir Kollegen aus den neuen Bundesländern
mit unserer Bundeskanzlerin zu diesem Themenkomplex
eine Meinungsbildung verabredet haben und uns mit den
Detailfragen befassten, setzte sich die Fraktion Die
Linke auf den fahrenden Zug
({3})
und brachte diese 16 Anträge und den Gesetzentwurf,
über die wir heute diskutieren, ein. Die populistischen
Züge dieses Vorgehens sind den meisten Gott sei Dank
nicht verborgen geblieben.
({4})
Sie haben - das muss ich Ihnen vorwerfen - nur die
Absicht, die positive Wirkung unserer Initiative zu zerstören. Das werden wir nicht zulassen.
({5})
Wir werden sachgerecht an diesem Thema weiterarbeiten. Wir wollen nicht die Erwartungshaltungen einzelner Rentnergruppen gegeneinander ausspielen. Das
wäre nicht richtig.
({6})
Ich denke hier zum Beispiel an die Forscher, die nach
der friedlichen Revolution in den weltweit anerkannten
Forschungszentren große Aufbauarbeit geleistet haben
und nach 1995 in den Ruhestand getreten sind. Diese beklagen sich, wenn sie den Vergleich sehen.
({7})
Ich sehe auch die Situation von geschiedenen Frauen.
Viele weitere Beispiele könnte ich noch anführen.
({8})
Das ist aber keine Aufzählung und auch keine Auswahl,
weder eine Zusage noch eine Absage. Ich möchte nur
verdeutlichen, dass wir uns mit dem Thema intensiv beschäftigen und von daher auf Ihre Initiative nicht angewiesen sind.
Wahre Demokraten suchen, wenn es unterschiedliche
Meinungen in einer so wichtigen Sache gibt, nach einem
Konsens, und sie werben dann auch gemeinsam für diesen Konsens. Ich wünsche mir, dass wir dies in den
nächsten Monaten schaffen.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
den wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen,
kann ich nicht alle Einzelfragen besprechen, die in den
vorgelegten Anträgen behandelt werden. Alleine die
Wiederholung der Überschriften der Anträge, die Sie
vorgelegt haben, Herr Gysi, würde meine Redezeit voll
in Anspruch nehmen. Ich hatte kurz erwogen, das zu tun,
will mich aber auf die systematischen Grundfragen des
Themenkomplexes konzentrieren, den Sie heute hier
präsentieren.
Es geht im Kern um 16 Anträge betreffend 16 verschiedene Berufs- und Bevölkerungsgruppen in den
neuen Bundesländern. Sie wollen für die Beitragszeiten
in der ehemaligen DDR zusätzliche Rentenansprüche eröffnen. Die mit den meisten dieser Anträge aufgeworfene Grundfrage lässt sich so zusammenfassen: Sollen
und können Besonderheiten des DDR-Rentenrechts auch
im SGB VI, also dem gesamtdeutschen Rentenrecht,
explizit Berücksichtigung finden, oder bleibt der 1991
gewählte Weg der Rentenüberleitung richtig, wonach in
der DDR erworbene Anwartschaften in das einheitliche
gesamtdeutsche System des SGB VI mit all seinen Vorteilen überführt wurden, bestimmte Einzelregelungen
des DDR-Rechts, die dem SGB VI fremd waren, aber
nicht übertragen wurden?
Das ist eine Frage der Abwägung, die man auch heute
wieder vornehmen kann und darf. Denn einerseits führt
der mit dem Rentenüberleitungsgesetz gewählte Weg
dazu, dass Besonderheiten, zum Beispiel besondere Steigerungssätze betreffend Beschäftigte im Gesundheitsund Sozialwesen der DDR oder Sonderansprüche auf
frühe Rente für Mitglieder des Balletts der ehemaligen
DDR, nicht übernommen wurden. Andererseits kamen
mit dem Konzept der Rentenüberleitung den Bürgern in
den neuen Bundesländern alle Vorteile des SGB VI voll
zugute, auch solche - das muss man auch einmal sagen -,
die es nach DDR-Recht nicht gab, zum Beispiel Anrechnungs- und Zurechnungszeiten für Ausbildung und Kindererziehung, weitgehende Frühverrentungsmöglichkeiten, teilweise ohne Abschläge, wovon in den neuen
Bundesländern zu Beginn der 90er-Jahre vielfach Gebrauch gemacht wurde.
Zusätzlich - das ist auch ein wichtiger Punkt - wurde
für Versicherte mit Entgeltpunkten Ost über die Hochwertung von Entgeltpunkten ein System geschaffen, das
bis heute dazu führt, dass man für jeden Euro, den man
in den neuen Bundesländern einzahlt, einen höheren
Rentenanspruch erhält als für den gleichen Eurobetrag,
den man in den alten Ländern einzahlt. Von dieser Höherbewertung profitieren auch alle Bestandsrentner.
Nicht zu vergessen ist auch, dass die Bürger der ehemaligen DDR ihre Rentenansprüche in einem Gesellschaftsund Wirtschaftssystem erworben haben, das am Rande
der Insolvenz stand. Frau Bunge, auch daran muss man
erinnern.
({0})
- Ja, ich habe es nur ein bisschen vornehmer ausgedrückt.
({1})
Die DDR-Rentenansprüche werden nun von einem finanziell starken und verlässlichen System, nämlich der
gesamtdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung, eingelöst.
Herr Kollege Kolb, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Frau Kollegin Dr. Bunge?
Selbstverständlich.
Bitte schön.
Kollege Kolb, ich habe mich gemeldet, als Sie von
der Höherbewertung sprachen. Ich möchte Ihnen eine
Frage stellen, weil sehr oft behauptet wird, dies sei eine
besondere, zusätzliche Leistung. Wenn man das Einkommen, das in den neuen Ländern erzielt wird, zum
dortigen Durchschnitt ins Verhältnis setzen würde,
bräuchte man den Höherbewertungsfaktor nicht. Wenn
der ostdeutsche Durchschnitt bei 800 Euro läge und man
ein Einkommen dieser Höhe hätte, erhielte man einen
Punkt. Da man aber vom gesamtdeutschen Durchschnitt
ausgeht, der - um es einfach zu machen; das sind fiktive
Zahlen - 900 Euro beträgt, werden die 800 Euro im Hinblick auf die Rentenansprüche entwertet. Deshalb muss
das ostdeutsche Einkommen höher bewertet werden, um
auf einen Entgeltpunkt zu kommen. Das ist doch angesichts der höheren Einkommen im Westen gegenüber
dem Osten nur gerecht.
({0})
Geben Sie mir recht, dass eine Höherbewertung gar
nicht nötig wäre, wenn man vom ostdeutschen Durchschnitt ausginge, dass es sich dabei also nicht um ein Geschenk handelt?
Frau Kollegin Bunge, wir führen diese Diskussion im
Jahre 18 nach der deutschen Einheit. Deswegen kann
man Entwicklungen rückblickend bewerten, die bei der
Beantwortung Ihrer Frage berücksichtigt werden müssen. In der Tat gibt es Einkommensunterschiede
zwischen den alten Bundesländern und den neuen Bundesländern. Natürlich gibt es auch in den alten Bundesländern erhebliche Einkommensunterschiede, etwa zwischen dem Rhein-Main-Gebiet und Ostfriesland oder
dem Bayerischen Wald. Daraus ergibt sich immer eine
Problematik bei der Betrachtung des Durchschnittseinkommens, wie Sie sie hier angestellt haben. Man kann
aber heute sagen: Es gibt in den neuen Bundesländern
durchaus sehr einkommensstarke Gebiete, die sich jedenfalls mit schwächeren Gebieten in den alten Bundesländern mehr als nur messen können; ich denke dabei
zum Beispiel an den Raum Leipzig/Halle.
({0})
Frau Kollegin Bunge, man kann sagen, dass die Kombination aus Höherbewertung bei den Entgeltpunkten
und einem niedrigeren Rentenwert im Osten im Saldo
gleichwohl zu einem Vorteil für die Rentner in den
neuen Bundesländern, zu etwa 4 Prozent mehr Rente,
führt. Das ist ein Fakt, der heute mehr denn je gilt. Deswegen glaube ich, dass man zu Recht darauf hinweisen
darf, dass die Höherbewertung im Osten ein Vorteil für
die Rentner, auch für die Bestandsrentner, in den neuen
Bundesländern darstellt.
({1})
Ich habe gesagt, dass die Rentenansprüche heute von
einem sehr starken, verlässlichen Rentensystem eingelöst werden. Man darf auch nicht vergessen, dass es in
der DDR offiziell keine Arbeitslosigkeit gab. Die Bestandsrentner in den neuen Bundesländern profitieren
seit 1991 bis heute von diesem Vorteil scheinbarer Vollbeschäftigung im System der Planwirtschaft über die
daraus resultierenden langen Versicherungszeiten. Im
Ergebnis führt all das dazu, dass heute die gesetzlichen
Renten in den neuen Bundesländern - das gilt besonders
für Frauen - höher als in den alten Bundesländern liegen.
({2})
Es spricht also einiges dafür, dass die Kombination von
langer Beitragszahlungsdauer und Finanzierungsstärke
des gesamtdeutschen Systems eventuell entstehende
Nachteile auszugleichen vermag.
({3})
Herr Gysi, man kann bei einer Systemvereinigung
nicht erwarten, dass man die Vorteile aus zwei Systemen
mitnehmen kann. Eine solche Rosinenpickerei kann
nicht die Grundlage eines Gesetzes zur Vereinigung von
Sozialsystemen sein. Genau das macht aber die Essenz
der Anträge der Linken aus: Sie fokussieren sich auf die
Besonderheiten, die weggefallen sind, unterschlagen
aber die Vorteile, die den Menschen durch das gesamtdeutsche System zugute kommen.
({4})
Sie schaffen ein Zerrbild, das - es ist hier schon erwähnt
worden - auch vor der Gerichtsbarkeit keinen Bestand
hat. Trotzdem muss man die einzelnen Fälle genau prüfen. Das wollen wir mit Ihnen gemeinsam tun: jeden der
16 Fälle, einen nach dem anderen.
Es stimmt nicht, Herr Gysi, dass die FDP hier nicht
initiativ geworden wäre. Ich verweise nur auf unseren
Antrag aus der letzten Legislaturperiode - Bundestagsdrucksache 15/842 - zugunsten einer Versorgungsregelung für das mittlere medizinische Personal.
({5})
Wir sind sehr daran interessiert, durch parlamentarische
Initiativen problematische Sachverhalte aufzuklären und
notfalls auch sozialpolitisch nicht erwünschte Lücken zu
schließen. In diesem Sinne werden wir uns ganz objektiv
mit Ihren Anträgen befassen. Falsch ist aber der von den
Linken vorgeschlagene Weg, generell alle Vorteile aus
dem DDR-System und dem gesamtdeutschen System zu
kombinieren.
Abschließend sei angemerkt, dass die Linke - bisher
jedenfalls - keinen einzigen Finanzierungsvorschlag
vorgelegt hat. Das machen Sie wahrscheinlich im Ausschuss. Die Finanzierungsvorstellungen der Linken
kommen am besten im Antrag auf Drucksache 16/7021
zum Ausdruck:
Zur Lösung des Problems ist einzig der politische
Wille gefragt.
Daran hält sich die Wirklichkeit leider nicht immer,
Herr Gysi. Wenn wir uns ernsthaft mit diesen Fragen befassen wollen, dann müssen wir sie im Ausschuss schon
ein bisschen differenzierter betrachten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf von der SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gysi, ich bin Ihnen zunächst einmal dankbar, dass
Sie darauf hingewiesen haben - das ist besonders bemerkenswert -, welche herausragend große gesellschaftliche
Leistung es war, das Rentensystem West auf das Rentensystem Ost zu übertragen.
Dass das eine enorme gesellschaftliche Leistung war,
wird besonders deutlich, wenn man sich die Grundlagen
des Rentensystems der DDR in Erinnerung ruft. Beispielsweise betrug die Beitragsbemessungsgrenze damals 600 Ostmark, obwohl die Menschen Anfang/Mitte
der 80er-Jahre schon das Doppelte verdient haben. Daraus ergab sich ein durchschnittlicher Anspruch von
450 Ostmark Rente. Wenn wir diesen Anspruch eins zu
eins übertragen hätten, dann lebten heute im Osten der
Republik Millionen von Rentnerinnen und Rentnern in
Armut.
({0})
Wir haben es geschafft, das zu verhindern. Das ist
eine herausragende gesellschaftliche Leistung, wie ich
finde. Jenseits der Frage, wie das finanziert worden ist,
darf man festhalten, dass das eine riesige Leistung ist,
die von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusammen mit den Arbeitgebern als Beitragszahler und
Steuerzahler in diesem Land gemeinschaftlich vollbracht
worden ist.
({1})
Den Ost-West-Vergleich, der immer wieder gerne angestellt wird, Herr Gysi, um eine bestimmte Klientel
- eventuell auch als Wählerpotenzial - im Osten zu bedienen, halte ich für falsch.
({2})
Sie sind auf die Rentenhöhe in Ost und West eingegangen. Man darf das durchaus differenziert betrachten. Ich
argumentiere nicht mit den Familienrenteneinkommen
im Osten und im Westen. Es gibt sicherlich einen Unterschied bei den Alterseinkünften - also den gesamten
Einkünften - und den Renten. Er beruht darauf, dass es
in der ehemaligen DDR und in der früheren Bundesrepublik verschiedene Vorsorgesysteme gab. Das ist in der
Tat richtig.
Aber wenn man die Rente isoliert betrachtet, dann
wird deutlich, dass die Renten bei Männern und Frauen
im Osten der Republik im Durchschnitt höher sind als
im Westen, was vor dem Hintergrund der Erwerbsbiografien berechtigt ist. Das hat zunächst einmal nichts mit
den Familieneinkommen und den Alterseinkünften zu
tun, Herr Gysi.
Wenn man das differenziert betrachtet, dann muss
man schon genau sein und nicht das Familieneinkommen, sondern den Anspruch des Einzelnen zugrunde legen.
({3})
Die Berechnungsgrundlage ist die Erwerbstätigkeit.
Frauen waren in der DDR im Durchschnitt wesentlich
häufiger und länger erwerbstätig als im Westen. Das ist
eine Tatsache. Deswegen ist Altersarmut ein Problem,
das wir zurzeit im Wesentlichen im Westen konstatieren.
Altersarmut ist in der Tat überwiegend westlich und
weiblich, weil die Frauen im Westen andere Erwerbsbiografien haben, als es früher bei den Frauen im Osten der
Fall war.
Herr Kollege Schaaf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gysi?
Gerne, bitte. Aber nicht zum Flughafen, Herr Gysi.
- Nein, ich bleibe beim Thema. - Ich begrüße Ihre
Feststellung, dass man nicht das Familienrenteneinkommen zugrunde legen kann, sondern vom Einkommen des
Einzelnen ausgehen muss. Ich weise Sie aber über den
von mir erwähnten Unterschied zwischen Betriebsrenten
und Vermögen hinaus noch auf einen weiteren Unterschied hin: Im Osten gibt es nur die gesetzliche Rente.
Es sind ja keine Pensionsansprüche entstanden.
({0})
- Nun warten Sie doch mal! - Dadurch geschieht bei der
Ermittlung des Durchschnitts etwas, was an folgendem
Beispiel deutlich wird: Ein berühmter Gerichtsmediziner
der DDR von der Charité, ein Österreicher, Herr Prokop,
hat bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt und bekam dann eine deutlich höhere Rente zugebilligt. Diese
höhere Rente geht in den Durchschnitt der Rente Ost ein.
Ein solcher Professor für Gerichtsmedizin bekäme in
den alten Bundesländern immer eine Pension, die nicht
in den Durchschnitt der gesetzlichen Rente eingerechnet
wird.
Auf dieses Moment muss man hinweisen. Deshalb ist
der Vergleich mit der Durchschnittshöhe falsch, weil im
Westen eine Reihe von Leuten nicht in die Ermittlung
des Durchschnitts einbezogen werden, während im Osten Leute mit ähnlich hohen Renten eingerechnet werden. Verstehen Sie, was ich meine?
({1})
Sie haben eben in Ihrer Rede darauf hingewiesen,
dass Politik nicht immer - dazu hat der Kollege Kolb
schon etwas gesagt - allen gerecht werden kann, dass die
Politik aber, was die Privilegien besonderer Gruppen in
der DDR angeht, sozusagen gerichtlich gezwungen war,
diese nachzuvollziehen. An dieser Stelle gebe ich Ihnen
ausdrücklich recht: Diejenigen, die sich in der DDR
selbst die Pfründe zugestanden haben, wollten diese in
die Bundesrepublik Deutschland hinüberretten und haben dann oft erfolgreich geklagt. Das führt natürlich
dazu, dass der Rentenschnitt insgesamt angehoben wird.
Eine Forderung, die Sie gestellt haben, ist völlig
falsch. Es geht um Hochschulprofessoren aus der DDR,
deren Rente so berechnet werden soll, als hätten sie ihr
Leben lang auf Westniveau gearbeitet, also eine Höherbewertung ihrer Tätigkeit. Das halte ich für falsch. Die
Anträge zu diesem Thema würde ich ablehnen, weil sie
bedeuten würden, alte Privilegien, die man sich in der
DDR selber zugestanden hat, nach neuem Recht fortzuführen.
({0})
Lassen Sie mich das aufgreifen, worauf Frau Michalk
zu Recht hingewiesen hat. Man muss Ihre Anträge differenziert betrachten. Es geht um die Menschen, die zu
DDR-Zeiten hart und schwer gearbeitet haben und denen
Versprechungen gemacht worden sind. Ihnen wurden
ungedeckte Schecks auf die Zukunft ausgestellt, die natürlich nicht eingelöst werden konnten. Diese Menschen
fühlen sich jetzt, wie ich finde, zu Recht benachteiligt.
Aber diese Schecks sind nicht vom jetzt gültigen Rentensystem ausgestellt worden, sondern sie wurden von
dem System ausgestellt, das kaputt gegangen ist. Diese
Schecks sollen jetzt eingelöst werden.
({1})
In einzelnen Bereichen müssen, sollten und werden
wir uns sicherlich ganz genau anschauen, wo es Ungerechtigkeiten gibt, die man beseitigen muss. Da bin ich
durchaus bei Ihnen. Das gilt aber nicht für alle Punkte.
In Ihren Anträgen geht es auch um die alten Parteikader,
die den Menschen in der DDR diese Schecks ausgestellt
haben, wohl wissend, dass sie diese nie einlösen können.
Diese Parteikader wollen nun ihre Pfründe und Privilegien, die sie in der DDR hatten, einklagen und haben
über Sie einen Anwalt dafür gefunden, diese in die
Neuzeit zu retten. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass
wir hier sicher nicht mitmachen werden.
({2})
- Nein, ich lasse keine Zwischenfragen mehr zu.
Also keine Zwischenfrage.
Lassen Sie mich vor dem Hintergrund der aktuellen
Diskussion noch ein paar andere Dinge ansprechen. Zum
Thema ungedeckte Schecks aus alten Zeiten habe ich
eben ein paar Sätze verloren. Schauen wir uns an, was
Sie - das ist hoch spannend - zum Thema Renten und
Ostrenten fordern, gerade in den letzten Tagen - man
kann sich das ja jenseits der Frage von einzelnen Berechtigungen einfach mal nüchtern ansehen -: Sie fordern
eine Angleichung der Ostrenten. Die Höherbewertung,
die Herr Kolb angesprochen hat, wird dabei aber nicht
infrage gestellt, sondern bleibt schlichtweg bestehen. Sie
fordern darüber hinaus, dass das, was Sie mit Ihren
16 Anträgen und einem Gesetzentwurf vorgelegt haben,
für die ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der DDR
verwirklicht wird. Sie fordern eine Rentenerhöhung
- das werden wir in der nächsten Sitzungswoche diskutieren - von 4 Prozent.
Das, was Sie da machen, ist schon einmal gescheitert,
und darüber beklagen sich die Menschen im Osten: Sie
wollen den Menschen ungedeckte Schecks ausstellen.
Diese Schecks müssen ausgezahlt werden; aber Sie bleiben jede Antwort schuldig, wer diese Schecks bezahlt.
Sie formulieren sogar selber, dass die finanziellen Fragen, die sich aus Ihren Anträgen ergeben, nachrangig
sind.
({0})
- Nein, so kann man nicht ernsthaft Politik machen!
Ernsthaft kann man Politik nur machen, indem man seriöse Angebote unterbreitet und sagt, wer diese Angebote finanziert. Das haben Sie aber nicht getan.
({1})
Zu den wichtigen Punkten in dieser Debatte gehört
noch etwas. Es gibt nach wie vor Bereiche, die man sich
genau anschauen sollte. Es geht beispielsweise um die
Menschen, die im Gesundheitswesen gearbeitet haben.
({2})
Es geht beispielsweise um den Bereich Tagebau. Das ist
aber immer mit der Frage zu verbinden, welche Wechselwirkungen bestehen. Herr Gysi, Sie haben die Geschiedenen angesprochen. Das hätte, wenn man es konsequent
durchzieht, durchaus Wechselwirkungen; es käme zu
Auswirkungen auf die Westrentnerinnen und -rentner.
Man muss aufpassen, was man da im Einzelnen macht,
und muss solche Wechselwirkungen im Auge behalten.
Das hat nämlich finanzielle Auswirkungen, die besonders dramatisch werden können.
Ich komme dann auch zum Schluss und spreche nur
noch zwei Sachen an, weil sie mir sehr wichtig sind:
Zum ersten Punkt. Weil die Debatte um die Grundsicherung und die Grundrente so aktuell ist, sage ich einmal: Wer eine Grundrente oder Mindestrente will - das
sage ich nicht in Richtung der Linken, sondern in die andere Richtung des Hauses -, kommt an Mindestlöhnen
nicht vorbei; denn anders funktioniert das System nicht.
Das eine gehört mit dem anderen zusammen. Alle, die
über eine Mindestrente spekulieren und philosophieren,
sollten vor Mindestlöhnen nicht haltmachen.
Zum zweiten Punkt. Herr Gysi, wir könnten uns das
ein bisschen aufteilen. Das wäre vielleicht eine ganz
spannende Geschichte. Was die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in der DDR angeht, die jeden Tag schwer
gearbeitet haben und sich erhoffen, dass ihre Ansprüche
jetzt endlich verwirklicht werden, können wir gern miteinander reden. Was die Parteikader und die Staatskader
angeht, die das Chaos mit verursacht haben, wäre es
schön, wenn man sagen könnte: Helfen Sie bei dem
SED-Vermögen, das zwischenzeitlich verlorengegangen
ist,
({3})
durch Ihre Aussage mit, dass es wiedergefunden wird!
Die Erfolgsprämie für die SED-Kader bezahlen dann
Sie, und wir kümmern uns um die Menschen, die in der
DDR gearbeitet haben. Das wäre doch eine vernünftige
Aufteilung. Dann kämen wir einen Schritt weiter.
Lassen Sie mich noch einen letzten Aspekt ansprechen. Heute Morgen hat es eine Debatte um WohnRiester gegeben. In dieser Debatte hat der Kollege
Schneider von Ihrer Fraktion mehrere Beispiele dafür
genannt, dass Wohn-Riester den Menschen nicht helfen
würde. Ich gebe ihm ausdrücklich recht: Wohn-Riester
ist ein Angebot; selbstverständlich.
Dann hat er den Solo-Selbstständigen aus dem Saarland erwähnt. Natürlich kenne ich Solo-Selbstständige
und ihre Probleme, auch die Probleme, die mit der Altersversorgung zusammenhängen. Den besonderen SoloSelbstständigen aus dem Saarland, den er meinte, kannte
ich nicht. Aber ich kenne einen Solo-Selbstständigen aus
dem Saarland. Der ist deshalb solo-selbstständig, weil er
machen kann, was er will - in einer Beliebigkeit, die
schon unglaublich ist; von Woche zu Woche ein anderes
Thema. Der braucht den Wohn-Riester nicht. Aber er
sollte vielleicht zugestehen, dass dieses Instrument anderen helfen würde, auch so ein wunderschönes Anwesen
zu bekommen, wie er es im Saarland hat.
In dem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.
({4})
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der
Kollegin Dr. Martina Bunge.
({0})
Ich wollte eigentlich eine Frage stellen; aber das war
nicht möglich. Ich möchte nicht zu Tempelhof sprechen,
dadurch aber vielleicht ein bisschen Zeit für das Thema
Rente gewinnen.
Mit Wohlwollen nehme ich auf, dass fast alle Fraktionen - eine Fraktion haben wir noch nicht gehört - nachdenken wollen. Damit wir im Ausschuss konstruktiv
nachdenken können, rate ich, schon einmal zu überlegen, was man hier als Pfründe und als Privilegien einordnet, und nachzulesen, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Wenn Sie in Bezug auf alle Ärztinnen und Ärzte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, überhaupt alle
Akademikerinnen und Akademiker - Herr Dr. Gysi hat
das Beispiel von Professor Prokop genannt - sagen, dass
sie vor Gericht gehen, um ihre alten Pfründe zu sichern,
dann müssen Sie doch einmal überlegen, auf welcher
Grundlage das geschieht. Die Grundlage ist: Da war jemand in einem Zusatzversorgungsystem, das den Systemen der Beamtenversorgung in der Bundesrepublik
nachgebildet war, und hat dafür Beiträge gezahlt. Die
Beiträge sind jetzt null und nichtig, weil er, brutal gesagt, in die Rente gestopft wurde.
Ist es denn ein Privileg, wenn eine Frau mit freiwilligen Beiträgen ihre Anwartschaften sichert, damit bei
Pflege von Angehörigen ihre Rentenanwartschaft gewahrt wird? Das ist für mich eine sehr eigentümliche
Einschätzung.
Ich bitte Sie, das noch einmal nachzulesen, bevor wir
in eine - hoffentlich konstruktive - Debatte einsteigen.
Danke.
({0})
Herr Kollege Schaaf zur Erwiderung.
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich bleibe bei dem, was
ich eben gesagt habe. Wenn man so vorgeht, wie Sie das
tun, vernachlässigt man die Differenzierung. Ich halte es
bei der Masse Ihrer Anträge aus Gründen der Differenzierung für angemessen, darauf hinzuweisen, dass sich
hinter denen, die vielleicht berechtigterweise Ansprüche
geltend machen, auch die alten Kader der SED und die
alten Kader aus dem Staatsapparat verstecken.
({0})
- Ja, deswegen stellen Sie Einzelanträge. Aber in der
Masse der Anträge geht das letzten Endes unter; deshalb
sind ja so massenhaft Anträge gestellt worden. Aus diesem Grund habe ich noch einmal darauf hingewiesen.
Man sollte mit der Frage, ob Ansprüche jenseits von
Einzelinteressen berechtigt sind, sensibel umgehen. Da
Sie sich in der Rentenpolitik in letzter Zeit in der Form
engagieren, dass Sie viele Anträge stellen, möchte ich
noch auf folgenden Punkt hinweisen. Ich habe einmal
nachgeschaut, was die Linke zum Thema Rente auf ihrer
Internetseite aussagt. Man muss sich ja, was die politische Konkurrenz angeht, auf dem Laufenden halten.
Was ich dort gefunden habe, passt auf eine DIN-A4Seite und umfasst sieben Sätze.
Frau Kipping hat beim letzten Mal zu Recht davon
gesprochen - ich würde Ihnen empfehlen, Frau Kipping
in diesem Punkt beizuspringen -, dass Sie kein rentenpolitisches Konzept haben. Es gibt eine Menge von Einzelforderungen, aber keine Stringenz in Ihren Vorschlägen.
({1})
Stellen Sie uns einmal Ihr differenziertes Rentenkonzept vor! Wir werden diese Differenziertheit dann mit
Sicherheit bei der Beurteilung Ihrer Vorschläge ebenfalls
an den Tag legen.
({2})
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
weiß nicht, ob es an den Landtagswahlen im kommenden Jahr in einigen neuen Bundesländern liegt, dass die
Linke heute knapp 18 Jahre nach dem Einigungsvertrag
und mehr als 16 Jahre nach Inkrafttreten des Rentenüberleitungsgesetzes 17 Anträge präsentiert, bei denen
es ausschließlich um Ostrenten geht.
({0})
Ich habe mir die Mühe gemacht, das Ergebnis Ihrer
Fleißarbeit einmal genauer zu studieren. Ich muss sagen,
dass Sie den Menschen Sand in die Augen streuen.
({1})
Sie machen eine Reihe von Vorschlägen, die schon
durch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts
bzw. der Bundessozialgerichte und durch die UN-Menschenrechtskonvention abgelehnt wurden. Allein in
zwölf Anträgen wollen Sie überwiegend eine Weiteranwendung des DDR-Rentenrechts. Man muss sich schon
entscheiden, ob man das alte oder das neue System
möchte. Denn beides zusammen geht nicht.
({2})
In einem Antrag wollen Sie Defizite im DDR-Recht aus
den 50er-Jahren zugunsten der ehemals Selbstständigen
in der DDR im Nachhinein korrigieren - mehr als ein
halbes Jahrhundert später. Wer soll das eigentlich ernst
nehmen? Bei sechs Anträgen ist der Bundestag der völlig falsche Adressat. Mindestens in zwei Anträgen wollen Sie bei vergleichbaren Sachverhalten die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern besser stellen, als
das nach dem geltenden Recht überhaupt möglich ist.
Außer bei den in der DDR Geschiedenen wären die Begünstigten ausschließlich Menschen, die nicht gerade zu
den Verlierern und Verliererinnen der deutschen Einheit
zählen.
Bei den vor 1992 Geschiedenen gibt es in der Tat sicherlich viele, zumeist Frauen, bei denen die Zusammenführung der beiden Rechtssysteme zu sozialen Härten geführt hat, die bis heute, auch trotz Versuchen der
Grünen, nicht aufgelöst werden konnten. Aber da steht
die Verfassung wegen der nicht möglichen Anwendung
des Versorgungsrechts im Nachhinein davor. Eine Härtefallregelung wäre das Einzige, was man hier machen
könnte, um das Problem zu lösen.
Meine Damen und Herren von der Linken, Sie setzen
die Prioritäten falsch. Wer heute in den neuen Ländern
bereits eine Rente bezieht oder aber im öffentlichen
Dienst einen sicheren Arbeitsplatz hat, braucht keine
Nachbesserung. Ich will Ihnen eine Zahl nennen: Ein
Versicherter hat nach 18 Jahren im Westen eine Rente
von 473 Euro und im Osten von 555 Euro; also 82 Euro
mehr für den Ostrentner.
({3})
Dies ist nachzulesen in einer Antwort der Bundesregierung. Das verschweigen Sie den Menschen. Sie wiegeln
die Menschen im Osten gegen die im Westen auf. Das ist
Klientelpolitik pur.
({4})
Wir Grüne stehen zu einer Gesamtverantwortung. Da
verläuft die Grenze nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen Arm und Reich. Darum sehen wir als
Grüne einen erheblichen Nachbesserungsbedarf zur Vermeidung von Armutsrisiken bei den kommenden Generationen in Ost und in West; denn die massive Ausweitung des Niedriglohnbereichs und die Freisetzung von
Arbeitskräften fanden ja in großem Ausmaß auch in den
neuen Ländern statt.
({5})
Das bedeutet aber auch: Wir müssen die begrenzten
finanziellen Möglichkeiten zielgenau auf Maßnahmen
der Rentenpolitik konzentrieren, die Geringverdienende
individuell vor Armut im Alter schützen. Wir brauchen
Lösungen, die verhindern, dass derjenige, der wenig verdient, aber Beiträge zahlt, zu den Armen von morgen
zählt. Das ist aber unabhängig vom Wohnort notwendig.
Auch in den alten Ländern wird das Armutsrisiko im
Alter steigen. Darum freue ich mich, dass die Bundeskanzlerin heute erstmalig dieses Problem erkennt, die
Stärkung der Grundsicherung im Alter - ein Vorschlag
der Grünen - fordert und eine steuerfinanzierte Aufwertung für Geringverdienende nicht mehr ausschließt. Gratulation!
Ich fasse zusammen: Die Anträge der Linksfraktion
setzen mehrheitlich auf die Begünstigung von Rentnerinnen und Rentnern im Osten Deutschlands. Sie setzen
auf die falschen Prioritäten. Wir müssen die kommenden
Armutsrisiken im Alter in Ost und West bekämpfen.
Dazu gehört Ehrlichkeit und nicht das Vorgaukeln falscher Tatsachen. Ich freue mich auf die Debatte, die wir
im Ausschuss dazu führen werden.
Ein Wort möchte ich aber noch sagen: Ich finde es
wirklich unbegreiflich, wie man die Situation von Menschen, denen es zum Teil schlecht geht, in der Weise ausnutzen kann, dass man dazu Anträge in den Bundestag
einbringt - wohl wissend, dass daran nichts zu ändern
ist.
({6})
Ich finde, das ist eine Politik, die mit Verantwortung
nichts zu tun hat.
Ich danke Ihnen.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/7035 und 16/7019 bis 16/7034 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b so-
wie Zusatzpunkt 8 auf:
31 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Fakultativprotokoll vom 18. Dezember 2002
zum Übereinkommen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Strafe
- Drucksache 16/8249 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({0})
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck ({1}), Marieluise Beck ({2}),
Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine effektive Umsetzung des Zusatzprotokolls zur VN-Anti-Folter-Konvention
- Drucksache 16/8760 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({3})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe ({4})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Florian
Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner
Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Für eine zügige Zeichnung, Ratifizierung
und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur
Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck
({5}), Marieluise Beck ({6}), Dr. Uschi
Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine unverzügliche Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/455, 16/360, 16/8790 Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Florian Toncar
Michael Leutert
Volker Beck ({7})
Es ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kolle-
gin und Kollegen zu Protokoll gegeben werden: Ute
Granold, CDU/CSU, Christoph Strässer, SPD, Florian
Toncar, FDP, Dr. Hakki Keskin, Die Linke, Volker Beck,
Bündnis 90/Die Grünen, und für die Bundesregierung
der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.1)
Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b. Interfraktionell
wird Überweisung der Vorlagen auf den Druck-
sachen 16/8249 und 16/8760 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen.
Zusatzpunkt 8. Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf Druck-
sache 16/8790. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch-
stabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/455
mit dem Titel: „Für eine zügige Zeichnung, Ratifizie-
1) Anlage 2
rung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen“. Wer stimmt für
die Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Oppositionsfraktionen angenommen.
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/360 mit dem Titel: „Für eine
unverzügliche Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der FDP-Fraktion
angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck ({8}), Irmingard Schewe-Gerigk, Markus
Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Das europäische Antidiskriminierungsrecht weiterentwickeln
- Drucksache 16/8198 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({9})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann
ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden
hier über einen Antrag, mit dem wir vorschlagen, dass
sich die Bundesregierung in Brüssel für eine Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzt. Diese Antidiskriminierungsrichtlinie soll den Diskriminierungsschutz im Hinblick auf alle Kriterien, also Rasse und ethnische
Herkunft - hier haben wir ihn schon -, Geschlecht auch hier haben wir ihn schon -, aber auch für die Kriterien Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter
und sexuelle Identität im Bereich des Zivilrechts auf ein
einheitliches Niveau bringen.
Das ist ein Grundgedanke, über den wir in Deutschland etwa sechs Jahre lang gestritten haben. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben wir uns schließlich darauf verständigt, hinsichtlich des freien Zugangs
zu Waren und Dienstleistungen einen für alle Kriterien
Volker Beck ({0})
gleichen Diskriminierungsschutz zu schaffen, obwohl
uns die Europäische Union dazu bislang nicht zwingt.
Die Europäische Kommission hat in ihr Arbeitsprogramm 2008 eine solche Antidiskriminierungsrichtlinie
aufgenommen. Gleichwohl hat Herr Spidla am letzten
Donnerstag im Rahmen einer Anhörung der liberalen
Fraktion im Europäischen Parlament, bei der auch ich
eingeladen und zugegen war,
({1})
gesagt, dass man an diesem Projekt nicht mehr festhalte,
weil die Bundesregierung eine Blockadepolitik betreibe.
Die Kommission hat das Verfahren fallen gelassen. Sie
wird allenfalls noch eine Richtlinie zum Kriterium Behinderung machen - das erinnert sehr an die deutsche
Debatte -, weil die Bundesregierung blockiert. Das, was
die Bundesregierung gegenwärtig in Brüssel betreibt, ist
Kaczyński-Politik.
({2})
- Frau Kollegin, Sie müssten es eigentlich besser wissen
und eigentlich auch etwas Besseres wollen. Herr
Müntefering, Ihr ehemaliger Minister, hat noch vor zwei
Jahren in Köln bei der Entgegennahme eines Preises angekündigt, er wolle sich als Arbeits- und Sozialminister
der Bundesrepublik Deutschland für einen gleichen Diskriminierungsschutz bei allen Kriterien einsetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die
Sie offensichtlich die Verantwortung für diese Politik
tragen - ich glaube, die SPD trägt sie allenfalls grummelnd mit -, Sie behaupten, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei eine Belastung für die deutsche
Wirtschaft. Wenn das wahr wäre, müssten wir im Rahmen unseres Engagements für die deutsche Wirtschaft
doch dafür sorgen, dass der Schutz, den wir in Deutschland, also auf nationaler Ebene, schon erreicht und implantiert haben, europaweit gilt, damit die anderen
Volkswirtschaften nicht besser dastehen als die unsere.
({3})
Sie machen eine irrationale und ideologische Politik.
Wie wollen Sie es rechtfertigen, dass man aufgrund von
Rasse und ethnischer Herkunft zwar nicht benachteiligt
werden darf, es in Europa aber weiterhin möglich sein
soll, beispielsweise Indien aufgrund der Religionszugehörigkeit zivilrechtlich zu diskriminieren? Diese Antidiskriminierungspolitik kann sich nicht sehen lassen!
Dafür muss man sich doch schämen - insbesondere angesichts des Problems, das wir in Deutschland und
Europa mit dem Antisemitismus leider haben.
({4})
Ich bin sehr froh über das große Engagement der Liberalen in Europa. Ich war, wie gesagt, bei dieser Konferenz.
({5})
Die Kollegin Liz Lynne, eine britische Liberale, hat zur
Unterstützung dieser Antidiskriminierungsrichtlinie im
Europäischen Parlament eine Kampagne mit dem Titel
„signtostopdiscrimination.org“ gestartet. Ich habe den
Link der Kampagne gestern allen Abgeordneten mit der
Bitte um Unterzeichnung geschickt. Ich finde, dieses liberale Engagement für die freie Marktwirtschaft, für
freien und vor allem diskriminierungsfreien Zugang für
alle Bürgerinnen und Bürger zum Markt von Waren und
Dienstleistungen verdient unser aller Unterstützung. Leider können die Liberalen in Brüssel und in allen europäischen Ländern über die deutsche FDP nur den Kopf
schütteln.
({6})
Denn die FDP ist die einzige Gruppe innerhalb der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, die diese Politik nicht mitmacht. Wenn Sie Ihre ideologisch bornierte
Haltung in diesen Fragen aufgeben
({7})
und für einen gleichen und allgemeinen Diskriminierungsschutz eintreten würden, dann würde vielleicht
auch die Union weniger ängstlich sein und endlich eine
konsequente und vernünftige Politik machen.
Die Menschen in Europa haben es nicht nur verdient,
dass sich Arbeit und Kapital diskriminierungsfrei in
Europa bewegen können, sondern die Bürgerinnen und
Bürger haben es auch verdient, dass wir dafür sorgen,
dass derjenige, der einer benachteiligten Gruppe angehört, beim Abschluss von Versicherungen, bei der Wohnungssuche und beim Kauf von Gütern nicht entweder
mehr bezahlen muss oder dass ihm ein entsprechender
Vertragsabschluss sogar verweigert wird.
({8})
Eine moderne Gesellschaft ist darauf angewiesen,
dass alle Menschen freien Marktzugang haben. Das ist
wahre Liberalität! Dafür wollen wir heute einen Aufschlag machen. Ich hoffe, dass diejenigen, die in diesem
Hause und damit indirekt auch auf europäischer Ebene
noch blockieren, zu einer besseren Erkenntnis kommen,
sodass wir sagen können: Deutschland ist dabei, und wir
machen keine Kaczyński-Politik.
({9})
Das Wort hat die Kollegin Christine Lambrecht von
der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Volker Beck, wie wichtig der SPD dieses
Anliegen ist, können Sie daran erkennen, dass wir selbst
zu dieser fortgeschrittenen Stunde selbstverständlich
noch zu diesem Thema sprechen.
Bevor ich auf Ihren Antrag eingehe, möchte ich noch
ganz kurz zwei Bemerkungen zu der Rede machen, die
Sie gerade gehaltenen haben:
Erstens. Es hat mich ein bisschen überrascht, dass die
Grünen offensichtlich nur noch für die freie Marktwirtschaft eintreten; auch das lässt tief blicken. Für uns allerdings ist immer noch die soziale Marktwirtschaft das,
wofür wir kämpfen.
({0})
Vielleicht hat das aber auch etwas mit gewissen Koalitionsgelüsten oder -formierungen zu tun.
({1})
Zweitens - jetzt wird es spannend; denn mit diesem
Thema beschäftigen wir uns schon seit vielen Jahren -:
Ich bin auf den Antrag zum Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz gespannt, der uns demnächst wahrscheinlich aus Hamburg über den Bundesrat erreichen wird.
Mit diesem Gesetz wollen Sie die Gleichstellung an vielen Stellen verbessern.
({2})
Wir sind gespannt, wie offensiv Sie das vertreten werden
und wie die Koalition damit umgehen wird.
Jetzt möchte ich kurz auf Ihren Antrag zu sprechen
kommen. Dieser Antrag hat nicht nur eine europäische
Komponente. In seinem ersten Teil fordern die Grünen
den Deutschen Bundestag auf, festzustellen, dass niemand aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft,
des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
benachteiligt werden darf.
Das ist für mich an und für sich eine Selbstverständlichkeit, die man im Deutschen Bundestag nicht betonen
muss. Das ist nämlich im Grundgesetz geregelt. Manchmal hilft der Blick ins Gesetz tatsächlich. In diesem Fall
müsste man Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes lesen. Dort
ist das normiert.
Da wir alle wissen, dass das keine Drittwirkung hat,
haben wir in mühsamen, schleppenden, langen und zähen Verhandlungen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf den Weg gebracht. Jetzt steht das nicht nur im
Grundgesetz, sondern jetzt kann auch tatsächlich durchgesetzt werden, dass beispielsweise niemand wegen seines behinderten Kindes aus einem Lokal verwiesen werden darf, weil sich andere Gäste angeblich gestört
fühlen. Es hat uns wirklich belastet, dass so etwas in
Deutschland möglich war.
({3})
Mittlerweile gibt es sowohl eine grundgesetzliche Regelung als auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Deswegen ist es eigentlich nicht mehr notwendig,
diese Feststellung zu treffen. Wenn Sie aber meinen,
man müsse das immer wieder tun, bitte schön. Wir werden Ihren Antrag beraten.
Außerdem fordern Sie die Bundesregierung auf, sich
in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass der
hohe Level, den wir in Deutschland hinsichtlich des Diskriminierungsverbots erreicht haben, auch auf europäischer Ebene zum Standard wird. Ich muss Ihnen sagen:
Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich würde mir
wünschen, Europa würde in diesem Bereich von
Deutschland lernen. Denn all die Befürchtungen, die im
Vorfeld des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
geäußert wurden, wurden mittlerweile ad absurdum geführt.
Jetzt, ein Jahr nach Inkrafttreten des AGG, gibt es einen Bericht, und es gab eine Pressekonferenz, auf der die
Verantwortliche der Kommission, die eingerichtet worden ist, festgestellt hat, dass die Klageflut, die befürchtet
wurde, nicht gekommen ist und dass Missbrauch des Gesetzes eine absolute Randerscheinung ist. Von daher
kann ich mir nicht vorstellen, warum ein Gesetz mit so
guten Inhalten nicht auch auf der europäischen Ebene
durchgesetzt werden könnte.
({4})
Zumindest ein Teil der Bundesregierung wird sich dafür
einsetzen; ich glaube, da erwarte ich nicht zu viel.
Frau Kollegin Lambrecht, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?
Ja.
Bitte schön.
Frau Kollegin, ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie unser Anliegen teilen. Was hindert Sie
persönlich, was hindert Ihre Fraktion, was hindert die
Koalition, der Sie angehören, daran, in nächster Zeit
einen Antrag einzubringen, mit dem Sie dieses
gemeinsame Anliegen unterstützen und die Bemühungen endlich zu einem Erfolg führen?
({0})
Herr Ströbele, uns liegt der von Ihnen eingebrachte
Antrag vor. Er wird heute wohlwollend in die Ausschüsse überwiesen. Man muss nun die Beratung abwarten. Als wir zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung zusammengearbeitet haben, waren wir uns doch einig, dass
in dieser Frage dicke Bretter zu bohren sind, dass es
keine Schnellschüsse geben darf.
Ein Antrag reicht jedoch; es muss nicht sein, dass andere Fraktionen einen nahezu wortgleichen Antrag einbringen.
({0})
- Was ist in diesem Hohen Hause schon sicher, Herr
Beck?
Ich verwehre mich allerdings dagegen, dass behauptet
wird, die Bundesregierung oder Teile der Bundesregierung, insbesondere die Justizministerin, trete in
Kaczyński-Manier auf; ich glaube, das ist nicht angebracht.
Vielen Dank.
({1})
Die Reden der Kolleginnen Mechthild Dyckmans von
der FDP und Daniela Raab von der CDU/CSU nehmen
wir zu Protokoll.1)
Jetzt hat der Kollege Dr. Ilja Seifert von der Fraktion
Die Linke das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Wir
können feststellen, dass sich alle in diesem Hause darüber einig sind, dass Benachteiligungen aufgrund irgendeines der Merkmale, über die wir hier reden, indiskutabel sind. Das ist immerhin mehr als nichts.
Dennoch bleibt die Frage, wie das rechtlich ausgestaltet wird. Herr Beck, ich bin wirklich kein Vertreter der
freien Marktwirtschaft; aber ich unterstütze Ihren Vorstoß. Sie können mich gerne in die Liste aufnehmen. Ich
finde, dass man so etwas international verankern muss,
insbesondere auf der europäischen Ebene.
({0})
- Ich unterstütze den Antrag, der damit verbunden ist,
nicht den ganzen Kontext. Ich kann ja nicht immer
1) Anlage 3
gleich alles wegstreichen lassen wollen. Wenn man
Kompromisse machen will, muss man sie richtig machen.
Lassen Sie uns noch einmal darüber reden, wo die
Probleme liegen. Ich sehe nämlich die Gefahr, dass auf
dem Wege zur Ächtung jeder Diskriminierung aufgrund
eines dieser Merkmale die Diskriminierten wieder einmal gegeneinander ausgespielt werden sollen. Wenn es
jetzt heißt, dass man Menschen mit Behinderung nicht
diskriminieren darf, was ist dann mit Lesben und
Schwulen und mit denen, die aufgrund ihrer Religion
diskriminiert werden? Soll man diese Menschen nicht
schützen? Das wäre infam. Man kann nicht Diskriminierung bekämpfen wollen und dann verschiedene Gruppen
von Diskriminierten gegeneinander ausspielen. So etwas
können wir nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit würden wir uns zu Helfershelfern derjenigen
machen, die Diskriminierung betreiben.
Jeder von Ihnen weiß, dass ich mich seit Jahr und Tag
dafür einsetze und dafür kämpfe, dass Diskriminierung
aufgrund von Behinderung geächtet wird. Das ist doch
gar keine Frage. Natürlich kämpfe ich auch dafür, dass
die UN-Konvention - es muss eine vernünftige deutsche
Übersetzung erstellt werden, in der nicht wieder glattgebügelt wurde, was eigentlich gar nicht glattzubügeln ist so schnell wie möglich und so gründlich wie nötig umgesetzt wird.
Wenn das aber der Vorwand wäre, andere Diskriminierungsmerkmale sozusagen als etwas weniger wichtig
darzustellen, dann wäre ich dagegen, weil ich weiß - das
weiß jeder, der sich ein bisschen damit beschäftigt -,
dass Diskriminierung, wenn sie auch nur an einer einzigen Stelle zugelassen wird, die Gefahr in sich birgt, dass
sie überall akzeptabel ist. Das kann nicht sein.
({1})
Wenn wir dieses Gegeneinanderausspielen zulassen
- egal, ob es von der Bundesregierung, der Europäischen
Union oder auch nur von einem einzigen Menschen betrieben wird -, dann werden wir immer verlieren.
Deshalb kann ich Ihren Antrag nur unterstützen. Ich
denke, er muss noch ein bisschen ausgebaut werden. Dafür arbeiten wir in den Ausschüssen zusammen. Der
Grundtenor dessen, was Sie beantragen, ist aber so wichtig, dass wir uns hier nicht gegeneinanderstellen dürfen
und dass wir die Regierung drängen sollten, in Brüssel
nicht die Bremser zu sein.
Herzlichen Dank.
({2})
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat jetzt die Kollegin Angelika Graf von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Dr. Seifert, ich denke, niemand hier im Hause will
Diskriminierungen gegeneinander ausspielen. Auch in
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz der Bundesregierung, das wir ja schon verabschiedet haben, werden
Diskriminierungen in keiner Form gegeneinander ausgespielt. Im Gegenteil: Wir haben uns bemüht, alle Diskriminierungsmerkmale in dieses Gesetz aufzunehmen, um
sowohl im arbeitsrechtlichen als auch im zivilrechtlichen
Teil die Bekämpfung von Diskriminierung in allen Bereichen voranzubringen.
Sie wissen, dass die SPD lange für dieses Gesetz gekämpft hat. Es gab sehr unterschiedliche und langwierige Entwicklungen, insbesondere auch deshalb, weil wir
mit dem Gesetz bewusst über die Vorgaben der EU hinausgegangen sind. Wir haben zum Beispiel sehr wohl
dafür gesorgt, dass Ältere, Menschen mit Behinderungen
sowie Schwule und Lesben nicht nur im arbeitsrechtlichen, sondern eben auch im zivilrechtlichen Bereich geschützt werden.
Ich denke, der Abbau der Benachteiligungen ist gut
für Deutschland und für Europa; denn obwohl wir europaweit in einer älter werdenden Gesellschaft leben, werden gerade Ältere bei Stellenausschreibungen oft grundlos ausgeschlossen und bei Vertragsabschlüssen mit
Hinweis auf das Alter ausgegrenzt. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz werden Diskriminierungen nach und nach beseitigt.
Inzwischen dürfen die Hotels eine Reisegruppe von
Menschen mit Behinderungen eben nicht mehr abweisen, weil andere Gäste sich gestört fühlen könnten. Auch
das bisherige Recht - in Anführungszeichen gesprochen von Versicherungen, schwul mit aidsinfiziert gleichzusetzen und schwulen Männern eine Lebens- bzw. eine
Krankenversicherung zu versagen, wurde beseitigt.
Ich denke, der Abbau von Benachteiligungen ist nicht
nur gut für die Gesellschaft und die Chancengleichheit in
der Gesellschaft, er ist - das sage ich auch ganz klar in
Richtung der FDP und der CDU/CSU - auch gut für die
Wirtschaft; denn gerade größere Unternehmen haben ja
schon lange vor dem Gesetz mit dem Diversity-Ansatz
gearbeitet, weil sie sich davon wirtschaftliche Vorteile
versprochen haben. Dabei hatten sie immer im Hinterkopf, dass zufriedene Beschäftigte, die so akzeptiert
werden, wie sie sind - mit all den Fehlern, aber auch all
den Möglichkeiten, die sie haben -, bessere Leistungen
erbringen, seltener krank werden und sich besser mit
dem Unternehmen identifizieren. Diesen klugen Ansatz
der Unternehmen müssen wir bei der Diskussion, die wir
auch innerhalb Europas führen, weiter befördern.
Nun befassen wir uns zurzeit auch mit der Frage, in
welchen Punkten das Gleichbehandlungsrecht in Europa
und insbesondere in Deutschland ausgebaut bzw. nachgebessert werden muss. Was Deutschland betrifft, müssen wir eine Stellungnahme der Bundesregierung abwarten. Mein Kollege Siegmund Ehrmann hat schon in der
ersten Lesung des Entwurfs eines Dienstrechtsneuordnungsgesetzes gefordert, dass Bundesbeamte finanziell
nicht schlechter behandelt werden dürfen, nur weil sie
schwul oder lesbisch sind. Dazu muss ich nichts weiter
sagen. Nur so viel: Es ist wichtig, dass wir weiterhin
über diese Themen diskutieren und nicht glauben, dass
die Diskussion beendet ist, weil wir ein Gesetz verabschiedet haben.
Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf
europäischer Ebene ist ein Thema für die Zukunft. Allerdings hat die EU-Kommission darauf hingewiesen, dass
es für Änderungsvorschläge derzeit an Erfahrung mit der
Anwendung der besagten Richtlinie vom 29. Juni 2000,
an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
und an statistischen Grundlagen fehlt. Dieser Bewertung
hat sich die Bundesregierung angeschlossen. Das heißt
nicht, dass wir nicht weiterhin in die Richtung gehen, die
Sie anmahnen. Grundsätzlich gilt jedoch: Benachteiligung darf in Europa nicht nur im arbeitsrechtlichen, sondern muss auch im zivilrechtlichen Bereich untersagt
werden, und zwar für alle Diskriminierungsmerkmale.
Der Vertrag von Lissabon, den wir gestern beschlossen haben, beinhaltet den Kampf gegen Diskriminierung. Es wäre schön gewesen, wenn sich nicht eine
Gruppierung diesem Beschluss entzogen hätte, sondern
das ganze Haus ihm zugestimmt hätte.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/8198 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Müller ({0}), Dr. Uschi Eid, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kenia stabilisieren - Entwicklung in Frieden
unterstützen
- Drucksache 16/8403 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({1})
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der
Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Kerstin Müller von Bündnis 90/Die
Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit
dem 17. April hat Kenia endlich eine neue Regierung.
Kerstin Müller ({0})
Leider erst vier Monate nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, bei denen Kenias Bevölkerung in beeindruckender Weise Disziplin und Willen nach Demokratie unter Beweis gestellt hat, konnte die erste große
Koalitionsregierung vereidigt werden. Sie wird von den
einst erbitterten Widersachern Präsident Kibaki und dem
neuen Premierminister Odinga angeführt. Kenia versucht damit, einen Schlusspunkt unter die jüngste politische Krise zu setzen, die im Nachgang der Wahlen ausgebrochen und leider von massiven Gewaltexzessen
begleitet war. Die Bilanz ist ziemlich düster: 1 500 Tote
und über 300 000 Vertriebene, die Wirtschaft nachhaltig
beschädigt. Misstrauen wurde von verantwortungslosen
Politikern zwischen den verschiedenen Volksgruppen
gesät, um sie für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren. Dennoch markiert diese Regierungsbildung ein
neues Kapitel in Kenias Geschichte. Die einstigen politischen Gegner wollen künftig nicht mehr gegeneinander,
sondern miteinander arbeiten. Das ist eine Pionierleistung, die hoffentlich Vorbild für ganz Afrika wird.
({1})
Für Kenia eröffnet sich damit die Chance auf eine
friedliche Zukunft, wenn, ja wenn die neue Regierungskoalition tatsächlich halten kann, was sie verspricht, und
vor allem wenn die tiefer liegenden Ursachen der Krise
wirklich angegangen werden. Das heißt aus meiner
Sicht: Erstens muss sich die Regierung nach den Gewaltexzessen und der ethnischen Polarisierung entschieden
für einen Versöhnungsprozess im Land einsetzen. Ich
bin der festen Überzeugung: Ohne Versöhnung wird es
keinen dauerhaften Frieden geben. Die Schlägertrupps
auf beiden Seiten versuchen immer noch, den Konflikt
anzuheizen.
Zweitens muss sie endlich die überbordende Korruption und den jahrelangen Klientelismus ernsthaft bekämpfen, und zwar auf allen Ebenen: Verwaltung, Polizei und Justiz, aber auch auf Regierungsebene selbst.
Kibaki hat einmal eine „Null-Toleranz-Politik“ zum Abbau der Korruption proklamiert. Das ist eine leere Phrase
geblieben. Unter anderem deshalb hat er die Wahlen verloren. Szenen wie einst die Vertreibung des eigenen
staatlichen Korruptionsbeauftragten John Githongo, dem
wir hier einmal genau deshalb den Afrikapreis verliehen
haben, dürfen sich nicht wiederholen.
({2})
Man kann jedoch sehr große Zweifel bekommen, ob
es sich wirklich nicht wiederholt, wenn man sich beispielsweise das Kabinett aus mehr als 90 Ministern und
Vizeministern anschaut. Fast die Hälfte der über
200 Abgeordneten ist Teil der Regierung. Man schätzt,
dass allein dieses Mammutkabinett mehr als 1 Milliarde
Dollar verschlingen wird, das heißt ein Achtel der
Staatseinnahmen. Das ist natürlich nicht gerade ein Zeichen dafür, dass man dieses Problem anpacken will.
Gerade deshalb, weil es jetzt im Parlament keine Opposition mehr gibt, bin ich der festen Überzeugung: Es
wird eine Hauptaufgabe der internationalen Gebergemeinschaft sein, darüber zu wachen, dass die Korruption
auf allen Ebenen bekämpft wird. Ich meine, die internationale Entwicklungszusammenarbeit, auch die deutsche, muss ganz klar an Fortschritte in genau diesem Bereich der Korruptionsbekämpfung geknüpft werden.
({3})
Drittens. Die Ursachen anzugehen, bedeutet auch, die
ungerechte Ressourcen- und Landverteilung, die enorme
Jugendarbeitslosigkeit und die Massenarmut durch
schwierige Reformen anzupacken.
Viertens. Unklar und schwierig ist auch die Machtverteilung zwischen dem neuen Premier und dem Präsidenten; auch dies birgt Unsicherheiten.
Dieser Friedensprozess steht also auf tönernen Füßen.
Kofi Annan hat das mehrfach beanstandet. Die Krise ist
bei weitem noch nicht ausgestanden, und ich glaube
nicht, dass bereits der Zeitpunkt gekommen ist, um die
Hände in den Schoß zu legen.
Wenn man „Kibaki und die 40 Räuber“ - das ist nicht
von mir, sondern so wird diese neue Regierung wegen
der Zahl der Minister im kenianischen Volksmund genannt - einfach machen lässt, dann wird dieses ganze
Projekt sehr schnell scheitern. Das darf nicht noch einmal passieren. Deshalb muss die internationale Gemeinschaft wachsam bleiben und den Prozess dort weiterhin
überwachen, damit es wirklich zur Bekämpfung unter
anderem der Korruption kommt.
({4})
Genau darum geht es in unserem Antrag. Wir wollen,
dass die jüngste Krise nicht einfach von der außenpolitischen Bühne verdrängt wird. Wir wollen aber auch, dass
offenkundig gewordene Versäumnisse und Schwachstellen auf unserer Ebene angegangen werden. So kritisieren
wir und sagen ganz klar, dass es völlig falsch und kontraproduktiv war, dass Entwicklungsgelder der EU aus dem
EEF nur einen Tag nach der jüngsten Wahl ausgezahlt
wurden. Das darf nicht wieder passieren.
({5})
Hier haben offensichtlich die Kontrollmechanismen
nicht funktioniert.
Zum Schluss spreche ich einen Aspekt an, den ich an
all den Vorgängen in Kenia als positiv bewerte: Die internationale Gemeinschaft hat hierbei an einem Strang
gezogen: die Europäische Union, die Afrikanische
Union, die UNO. Es gab einen international angesehenen, erfahrenen Krisenmanager. Es wurde rechtzeitig
eingegriffen. Das lehrt: Multilaterales Krisenmanagement kann funktionieren, wenn die internationale Gemeinschaft es wirklich will. Ich wünschte mir das auch
für andere Krisenherde in Afrika wie Ostkongo oder
Darfur. Wenn wir dort auch so rechtzeitig eingegriffen
hätten, dann ginge es den Menschen dort nicht so
schlecht wie zurzeit. Ich hoffe, dass das Beispiel Kenias
insofern Schule macht.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat die Kollegin Anke Eymer von der CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Die Ereignisse nach der Präsidentschaftswahl in Kenia trafen die internationale Gemeinschaft weitestgehend unerwartet. Kenia zählte - dies betone ich - zu jenen afrikanischen Staaten, in denen sich
demokratische und rechtstaatliche Strukturen entwickeln. Kenia ist ein Transformationsland, eines, das - für
viele Beobachter beispielhaft - nach der Diktatur unter
arap Moi eine unglaubliche Entwicklung vollbracht hat.
Dies gilt es nicht zu vergessen. Jene, die meinen, Kenia
sei nun schon fast so etwas wie ein Failing State, gewissermaßen ein Sumpf aus Gewalt, Korruption und Rechtlosigkeit, sollten auch daran erinnert werden; denn so
einseitig ist es nicht.
Aber Kenia ist auch nicht die herrliche Idylle, die
viele Deutsche oder andere Europäer - braungebrannt
während ihres isolierten Hotelurlaubs - in Erinnerung
haben. Alles andere als eine Idylle sind die bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen und die schweren Spannungen zwischen den einzelnen Stämmen. Wie ein Riss
ziehen sich die ethnischen Spannungen durch die Bevölkerung und drohen Kenia zu teilen. Korruption, immense soziale Unterschiede, Armut, Gewalt, Tribalismus und Klientelismus waren vor den Wahlen und sind
immer noch eine Bedrohung des zivilen Friedens im
Land. Kenia ist ein Vielvölkerstaat und seit vielen Jahren
ein Einwanderungsland. Mehr als 40 verschiedene
Ethnien leben in Kenia und sprechen mehr als 50 verschiedene Sprachen. Auch danach muss sich die Weiterentwicklung eines demokratischen Gesellschaftsgefüges
ausrichten. Das ist eine Situation wie nirgends in
Europa, wie sie aber in Afrika nicht selten vorkommt.
Kenia gehört zu den Staaten mit einer sogenannten
defekten Demokratie. Davon gibt es in Afrika viele. Das
heißt aber vor allem, dass der demokratische Aufbruch
noch nicht vollendet ist. Die demokratischen Aufbrüche
in Afrika sind - und dazu zählt auch der in Kenia - Hoffnungszeichen für den gesamten Kontinent. Daran knüpfen sich auch viele Erwartungen der Nachbarn und der
gesamten Region. Die massiven Manipulationen bei den
Präsidentschaftswahlen, das Verhalten vieler Verantwortlicher in Kenia und die Gewalt, die wie ein Buschfeuer aufflammte, waren für viele, auch und gerade für
internationale und afrikanische Beobachter, ein Schock.
Was dort in wenigen Wochen geschehen ist, war in dieser Härte nicht vorauszusehen. Hier hat sich ein Krisenpotenzial gezeigt, das weit über Kenia hinaus die ganze
Region politisch und auch wirtschaftlich bedroht hat.
Nun aber hier im Hause mangelnde Frühwarnsysteme
anzumahnen oder eine Nachlässigkeit auch auf der Seite
einer europäischen oder deutschen Afrikapolitik ableiten
zu wollen, ist überzogen. Das wäre auch der falsche Ansatz. Der vorliegende Antrag geht hier teilweise deutlich
zu weit. Aus dieser Krise aber Erkenntnisse für die Zukunft und unsere weitere Zusammenarbeit mit Kenia zu
ziehen, ist natürlich wichtig und unverzichtbar. Es geht
darum, das bisher Erreichte nicht leichtfertig zu riskieren
und den demokratischen Prozess in Kenia fortzusetzen.
Auch die internationalen Partner Kenias, vor allem die
Länder der Afrikanischen Union, die Partner der
NEPAD, die Europäische Union und auch wir in
Deutschland, müssen auf der Einhaltung getroffener Verpflichtungen für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beharren. Sie sind die conditio sine qua non für die
zukünftige Zusammenarbeit mit Kenia.
Demokratie hat viele Fassetten. Wir müssen davon
abkommen, allzu leichtfertig daran zu glauben, ein Demokratieverständnis und Demokratie- und Gesellschaftsmodelle, wie sie in Jahrhunderten in Europa gewachsen sind, ließen sich einfach auf andere Kontinente
oder andere Länder und Kulturen übertragen. Auch die
Annahme, mit freien Wahlen sei schon ein unwiderruflicher Prozess in Gang gebracht, ist einfach zu kurzsichtig. Die afrikanische Lösung, für die sich Kofi Annan in
Kenia eingesetzt hat, also die Koalition zwischen den
beiden Machtlagern, sollte beispielhaft auch für andere
Probleme sein. Die jeweiligen regionalen, kulturellen
und länderspezifischen Eigenheiten müssen nicht nur
wahrgenommen werden, sondern auch als Elemente mit
einbezogen werden. Die europäische Sicht auf Afrika erfolgt oft nur durch die europäische Brille und mit einem
europäischen Maßband in der Hand.
Afrika darf nicht nur zu einem Produkt der Afrikaner
werden; auch unsere europäische Zusammenarbeit muss
dem gerecht werden, damit für die afrikanischen Probleme afrikanische Lösungen gesucht werden. Das wird
nur Erfolg haben, wenn die Zivilbevölkerung gestärkt
und in den Demokratisierungsprozess einbezogen wird.
Das wird nur ein Erfolg werden, wenn nicht nur privilegierte Bevölkerungsschichten Demokratie leben, sondern sich dadurch auch die Verhältnisse der Ärmsten
spürbar verbessern. Das wird nur ein Erfolg bleiben,
wenn es gelingt, politische Prozesse übergreifend über
jene traditionellen und ethnischen Strukturen zu spannen.
Parteien als bloße moderne Gestalt des traditionellen
Tribalismus sind ein ernst zu nehmendes Problem. Kofi
Annan nannte es, wie schon gesagt, eine afrikanische
Lösung. Es scheint sich zu bewahrheiten, dass nach intensiven Gesprächen nun die beiden Hauptkontrahenten
nach diesem desaströsen Wahlgeschehen, Kibaki und
Odinga, als Staatspräsident und als Premier sich zur Zusammenarbeit verpflichtet haben. Ebenso ist es zu begrüßen, dass mit Kenneth Marende - er ist heute mit einer Delegation in Berlin - ein weiterer Vertreter der
Opposition zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde.
Dass die Spirale der Gewalt noch einmal durchbrochen werden konnte und Kenia nicht vollends in Brand
geraten ist, ist auch dem intensiven internationalen
Druck und Einsatz zu verdanken. Dazu zählt vor allem
der Einsatz der Afrikanischen Union, der Europäischen
Union, auch Deutschlands, und einzelner Persönlichkeiten. Den vielen Toten und Verletzten, die diese dramatische Krise dennoch gefordert hat, gilt unser stilles Gedenken.
Anke Eymer ({0})
Mehr noch mahnt uns deren Opfer, aus dieser Krise
für die Zukunft zu lernen. Im Gegensatz zu den schnellen Schuldzuweisungen oder hastigen und rigiden Handlungsanweisungen - leider bestimmen sie auch im vorliegenden Antrag teilweise die Melodie -, plädiere ich
dafür, an dem Kurs unserer deutschen Politik festzuhalten und ihn nicht schlechtzureden. Die Zusammenarbeit
mit Kenia als Schwerpunktland für das östliche Afrika
ist für das deutsche Engagement unverzichtbar und muss
auf hohem Niveau gehalten werden. Der vorliegende
Antrag bietet mir dafür nicht die notwendige ausgewogene Grundlage.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Das Wort hat nun Kollegin Herta Däubler-Gmelin,
SPD-Fraktion.
({0})
- Entschuldigung, ich bin durch den Auftritt der beiden
Kollegen hier oben abgelenkt worden. Marina Schuster,
FDP-Fraktion, ist zunächst an der Reihe.
({1})
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! - Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Vorrednerinnen haben es
bereits angesprochen: Kenia galt lange als stabiles afrikanisches Land. Die Ereignisse vom Wahltag am 27. Dezember 2007 und den folgenden Tagen haben uns jedoch
gezeigt, wie fragil und wie trügerisch die Lage dort war.
Ich finde es gut, dass wir die Lage in Kenia endlich
heute hier im Plenum debattieren.
Die Ereignisse nach der Wahl waren für uns alle ein
Weckruf: Mehr als 1 000 Menschen sind bei den Kämpfen umgekommen; mehr als 300 000 wurden vertrieben.
Die Wirtschaft des Landes ist in der Tat schwer angeschlagen, vor allem der so wichtige Tourismussektor. Es
zeigt sich: Der eigentliche Wahlverlierer ist das kenianische Volk selbst,
({0})
nämlich die vielen Menschen, die sich geduldig stundenlang in langen Schlangen vor die Wahllokale gestellt und
auf eine faire und freie Wahl gehofft haben.
Der vorliegende Antrag beschreibt die Entwicklungen
treffend; denn der Wahlbetrug Kibakis war nur der entscheidende Funke, der diese schwere Krise ausgelöst
hat. Die eigentlichen Ursachen liegen in der Tat viel tiefer: Korruption, ungerechte Verteilung von Land und
Ressourcen, hohe Jugendarbeitslosigkeit und auch die
ethnische Vielfalt, die in Kibakis Staatsapparat nur sehr
ungleich repräsentiert wurde.
({1})
Ich muss an dieser Stelle auf den Antrag der FDPFraktion hinweisen, den wir bereits vor zwei Jahren eingebracht haben. Schon darin haben wir die Missstände
klar benannt. Bereits damals hat es nämlich gravierende
Korruptionsskandale und vor allem massive Einschränkungen der Pressefreiheit gegeben. Es war also schon
länger bekannt, in welche Richtung sich Kenia anscheinend entwickelt. Schon im Vorfeld gab es Spekulationen
über geplante Manipulationen der Wahl. Die Bundesregierung scheint trotzdem komplett überrascht worden
zu sein. Noch viel schlimmer ist - meine Vorrednerin hat
es schon angesprochen -: Es ist wirklich ein Skandal,
dass aus dem neunten Europäischen Entwicklungsfonds
nur zwei Tage nach der Wahl 40 Millionen Euro an den
kenianischen Staat überwiesen worden sind.
({2})
Es kann nicht sein, dass Geld kurz nach der Wahl überwiesen wird und damit so getan wird, als wäre überhaupt
nichts passiert. Ich frage deswegen die Bundesregierung,
welche Konsequenzen sie daraus gezogen hat und über
welche Kontrollmechanismen sie sicherstellen will, dass
so etwas zukünftig nicht wieder vorkommt.
({3})
Eines ist klar: Es darf kein Business as usual geben. Das
hätte es im Dezember nicht geben dürfen und das darf es
auch heute nicht geben; wir müssen jetzt darauf achten,
dass entsprechende Kontrollmechanismen greifen.
Wichtig ist auch, dass wir uns jetzt genau anschauen,
wie die neue Regierung mit 42 Ministern und über
90 Kabinettsmitgliedern ihre Arbeit macht. Ich habe
Quellen gefunden, die die Kosten für dieses Mammutkabinett auf 5 Milliarden Dollar schätzen, bezahlt von Kenias Steuerzahlern und westlichen Gebernationen. Die
kenianische Regierung ist daher aufgefordert, sich zum
Wohle Kenias mehr am Geiste als am Wortlaut des von
Kofi Annan vermittelten Kompromisses zu orientieren.
Wir sind froh, dass Kofi Annan diesen Kompromiss erreicht hat, aber die Lage ist nach wie vor sehr angespannt. Mir ist es daher besonders wichtig, dass die internationale Gemeinschaft, allen voran AU und EU,
weiter an einem Strang zieht und damit diese friedliche
Entwicklung hin zu mehr Stabilität unterstützt.
Eines ist auch klar: Die Verantwortlichen für die Ausschreitungen und für die vielen Toten müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
({4})
Wir setzen dabei auf die Arbeit der kürzlich eingesetzten
Untersuchungskommission, die vom südafrikanischen
Richter Johann Kriegler geleitet wird. Diese Kommission hat sich auch zum Ziel gesetzt, die Gewalt und die
Verbrechen an der Bevölkerung aufzuklären. Ich denke,
dass es auch in Ihrem Sinne ist, wenn ich sage: Johann
Kriegler hat unsere Unterstützung für diese verantwortungsvolle Aufgabe.
Keinesfalls darf es passieren, dass Kenia die internationale Gemeinschaft spaltet. Sollte die neue Regierung
gemachte Zusagen und Vereinbarungen brechen, müssen
wir entschlossen reagieren und geeignete Maßnahmen
prüfen. Einerseits ist es ja erforderlich, dass die Afrikaner mehr und mehr die Lösung ihrer eigenen Probleme
in die Hand nehmen, ihre in der Gründungscharta der
AU verbrieften Rechte wahrnehmen, ihre Stimme erheben und sich einmischen. Andererseits sind wir gefordert, unsere Zusagen, die wir im EU-Afrika-Aktionsplan
gegeben haben, einzuhalten und weiterhin beim Aufund Ausbau der Afrikanischen Union und ihrer Institutionen mitzuwirken.
({5})
Das gilt vor allem für die afrikanische Sicherheitsarchitektur.
Eines ist aber klar: Wahlbetrug, rechtsfreie Räume
oder auch Diktatoren wie Robert Mugabe in Simbabwe
müssen endlich der Vergangenheit angehören!
({6})
Nun hat Kollegin Herta Däubler-Gmelin, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,
jetzt komme ich dran, und ich finde es, auch wenn es
jetzt schon etwas später ist, sehr gut, dass wir über Kenia
reden. Es handelt sich um ein wunderschönes Land. Es
hat, wie Hunderttausende von Touristen, darunter auch
viele deutsche, wissen, eine ausgesprochen freundliche,
liebenswürdige und sehr fleißige Bevölkerung. In
Deutschland lebt - lassen Sie mich das auch noch einmal
erwähnen - eine große Zahl von kenianischen Staatsbürgern, die zum einen mit ihren Überweisungen zur Entwicklung Kenias beitragen, zum anderen aber mit ihrer
Tätigkeit hier dafür sorgen, dass das Verständnis für Kenia, sowohl für seine Schönheiten als auch für seine Probleme, zunimmt. Das sollten wir einfach einmal anerkennen.
Kenia unterscheidet sich in vielfältiger Weise von anderen Staaten Afrikas. Bewunderungswürdig ist, dass es
dort eine sehr lebendige Zivilgesellschaft gibt. Das heißt,
die Kirchen und die bürgerschaftlichen Institutionen dort
kritisieren all die Missstände, die hier zu Recht angeführt worden sind, zum Beispiel die schreckliche Armut
und die Korruption in diesem Land sowie die Diskrepanz zwischen dem armen Norden und dem starken Süden. Wir sollten also - da sehe ich eine der Schwächen
dieses Antrages; lassen Sie mich das so deutlich sagen nicht meinen, wir müssten nun mit dem erhobenen Zeigefinger Kenia sagen, was es zu tun habe. Wir sollten
- da wende ich mich auch an die Kollegin Müller, weil
ich hoffe, dass wir diese Diskussion im Ausschuss fortsetzen können - die Zivilgesellschaft bei dem, was sie
schon lange fordert, unterstützen. Dann kommt Kenia
und dann kommen natürlich auch wir sehr viel weiter.
Es ist insgesamt ein Land, das zum großen Teil sehr
erfolgreich versucht, voranzukommen. Ich möchte nur
eine Zahl in den Raum werfen, damit wir wissen, womit
wir es hier zu tun haben: Mehr als 40 Prozent der Menschen, die dort leben, sind unter 18 Jahre. Das heißt, sie
haben zusätzlich zu den Entwicklungsproblemen ganz
andere Bildungsprobleme, Ausbildungsprobleme und
Arbeitsprobleme, als wir es uns hier vorstellen können.
Auch da ist sehr viel Engagement möglich und gefragt.
Insgesamt kann man aber in keiner Weise bestreiten,
dass Kenia seine Bedeutung auch aus der Tatsache bezieht, dass es ein stabiler Staat war und jetzt hoffentlich
wieder wird und dass es eine unglaublich starke Ausstrahlung in die gesamte Region hat, und zwar in die Region der East African Community genauso wie in Richtung Zentralafrika.
Dass dieses Land Probleme hat, ist bereits gesagt
worden. Ich möchte nur noch eines hinzufügen: Es leidet
unter anderem an der Betonung der ethnischen Grenzen,
die in der Kolonialzeit unter dem Aspekt „Teile und
herrsche“ eingebaut wurden. Es ist nicht das einzige Problem, aber es ist ein Problem, das überwunden werden
muss. Die unglaublich schwierige Situation der Sozialstruktur mit den furchtbar vielen Armen, die sich in besonderer Weise auf den Norden konzentrieren, ist auch
ein Riesenproblem. Ich stimme Ihnen allen zu: Es war
nicht nur schrecklich, sondern auch tragisch, dass die
afrikanische Staatspräsidentenkrankheit - so will ich es
einmal nennen - nach den Wahlen oder bei der Auszählung der Stimmen voll zugeschlagen hat, das heißt, das
Nichtanerkennen von Wahlergebnissen, das Unterdrucksetzen der Wahlkommission bis hin zur Manipulation
von Wahlergebnissen. Und dann wird noch - auch hier
sollten wir allerdings ein bisschen weniger mit dem erhobenen Zeigefinger auftauchen, weil es leider bei uns
vergleichbare Versuche von Politikern gibt - die ethnische Karte gezogen und es werden die einen gegen die
anderen aufgehetzt. Herauskommen dann die schrecklichen Zustände, von denen wir geredet haben, nämlich
mehr als 1000 Tote, viele zerstörte Einrichtungen, ein
vollständig in sich zusammengefallener Tourismus, was
ja wirklich das Ergebnis ist, und eine unglaubliche
Schwächung des gesamten Landes.
Übrigens hat das bei uns nicht nur allgemeine Betroffenheit ausgelöst, sondern auch eine ganz konkrete Betroffenheit, weil sicherlich viele Menschen bei uns im
Land über die Kirchen, aber auch über andere Einrichtungen konkrete Institutionen in Kenia unterstützen. Ich
kenne zum Beispiel eine sehr gute Einrichtung für Kinder
und Jugendliche in Eldoret, die von der evangelischen
Kirchengemeinde und ihren Freunden in Münsingen in
Baden-Württemberg unterstützt wurde und die jetzt ausgebrannt ist, sodass die Kinder auf der Straße stehen.
Wenn wir da helfen, verbindet uns das.
Ich komme nun auf den Bereich der Politik zu sprechen. Das ist ein ausgesprochen guter Grund für Zusammenarbeit und Hilfe ohne Beckmesserei. Es geht um die
Frage, was wir tun können, um den Menschen in Kenia
durch Unterstützung mehr Möglichkeiten zu geben, damit sie ihr Leben und ihre Gesellschaft durch Koalitionen und nach den Grundsätzen von Menschenrechten
und Rechtsstaatlichkeit gerechter organisieren können.
In der Frage der EU-Überweisung, Frau Schuster,
habe ich viel Sympathie für Sie. Ich hätte es allerdings
noch netter gefunden, wenn Sie darauf hingewiesen hätten, dass dies ein Vorratsbeschluss der EU war, der kaum
gestoppt werden konnte,
({0})
dass aber die Bundesregierung versucht hat, es zu tun.
Dies gehört genauso zur Ehrlichkeit wie die Tatsache,
dass es nicht wir waren, die dort eingegriffen haben, sondern dass die Hilfe aus dem Land, nämlich von der Zivilgesellschaft, von der Afrikanischen Union und von Kofi
Annan kam.
Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Ja.
Frau Kollegin, Sie kennen sicher unsere Anfrage an
die Bundesregierung auf Drucksache 16/7976. Ich
möchte gerne von Ihnen wissen, ob Sie auch der Meinung sind, dass die Mitwirkungs- und Kontrollrechte zu
solchen Auszahlungen zum EEF ausreichend sind.
Sie haben all das schon im AWZ besprochen;
({0})
auch die Staatssekretärin hat das bestätigt. Frau Schuster,
Sie könnten wissen, dass die Bundesregierung bereits
veranlasst hat, dass solche Vorratsbeschlüsse nicht mehr
auf diese Weise umgesetzt werden. Ich finde es lieb, dass
Sie gefragt haben; wenn Sie das nächste Mal auch meinen Zusatz erwähnten, entspräche das vielleicht weniger
der Oppositionsrolle, wäre aber der Sache angemessener.
Die AU und Kofi Annan, aber auch das Auswärtige Amt
haben Hilfe geleistet; das kann auch die Opposition
durchaus anerkennen. Wir werden weiterhin bei der Stabilisierung Hilfe leisten.
Die Kollegin Eymer hat schon darauf hingewiesen,
dass der kenianische Parlamentspräsident im Moment
hier zu Besuch ist. Heute Morgen waren wir mit ihm zusammen. Ich habe die letzten fünf Stunden mit ihm darüber gesprochen, welche Hilfe dieses Haus in seiner
unterschiedlichen Zusammensetzung tatsächlich leisten
könnte. Daraufhin wurde eine ganze Menge genannt.
Zunächst einmal wurde darauf hingewiesen, dass die
Entscheidung, gemeinsam einen neuen Anfang zu machen, in den verschiedenen Parteien, die sich dort jetzt
zusammenfinden, auf viel Unterstützung stößt.
Dass die Parteien sichtbar zusammenfinden, sieht
man daran, dass der Staatspräsident Kibaki und der Premierminister Odinga, die vor einigen Monaten, als der
vorliegende Antrag geschrieben wurde, noch spinnefeind waren, nun gemeinsam ein Flüchtlingslager besucht haben. Damit wollten sie deutlich machen: Wir
machen einen neuen Anfang.
Natürlich haben die beiden eine Menge Probleme. Sie
brauchen Hilfe, gerade die Hilfe des Bundestages. Die
Opposition im Bundestag meint, sie habe es schwer, weil
die Große Koalition über etwa 70 Prozent der Sitze verfügt; in Kenia verfügen die beiden großen Parteien über
92 Prozent der Sitze. Man muss die Rechte der einzelnen
kenianischen Abgeordneten und der Opposition in den
täglichen Abläufen garantieren. Nehmen Sie es mir nicht
übel; aber das ist eine Aufgabe, welche die Koalition
und die Opposition mit ihren jeweiligen Partnern im kenianischen Parlament sehr gut erledigen könnte. Dann
müsste man nicht übereinander reden, sondern könnte
sich gegenseitig helfen.
Weil wir alle Erfahrungen mit verschiedenen Koalitionen gesammelt haben, könnte sich dieses Parlament
zum Beispiel dazu verpflichten, die Assistenten des
kenianischen Parlaments zu uns einzuladen, um sie zu
trainieren, zu schulen und ihnen zu helfen, die Abläufe
besser kennenzulernen, damit ein stabiler Neuanfang
möglich ist. All das gehört zusammen.
Es versteht sich von selbst, dass die Entwicklungszusammenarbeit sowohl seitens der Bundesregierung als
auch seitens der Europäischen Union verstärkt werden
muss und dass wir im Rahmen dessen, was wir sowieso
tun, kontrollieren müssen, ob andere Länder ihre Aufgaben wahrnehmen. Es scheint mir aber festzustehen, dass
die kenianischen Politiker, die jetzt einen Neuanfang
machen, zunächst einmal unsere Hilfe und weniger unsere Besserwisserei brauchen. Deshalb finde ich, dass
wir den jetzt vorliegenden Antrag durch einen neuen
bzw. einen gemeinsamen Antrag ersetzen sollten, der
eine tragfähige Grundlage darstellen kann.
Danke schön.
({1})
Der Kollege Hüseyin-Kenan Aydin von der Fraktion
Die Linke hat seine Rede zu Protokoll gegeben1). Damit
schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/8403 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
1) Anlage 4
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck ({0}), Birgitt Bender, Alexander Bonde,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Transparenz herstellen - Empfehlungen des
Bundesrechnungshofes zur Mitarbeit von Beschäftigten aus Verbänden und Unternehmen
in obersten Bundesbehörden zügig umsetzen
- Drucksache 16/8762 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
Es ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kolleginnen und Kollegen zu Protokoll gegeben werden:
Dr. Hans-Peter Uhl ({2}), Michael Hartmann
({3}) ({4}), Gisela Piltz ({5}), Dr. Gesine
Lötzsch ({6}), Volker Beck ({7}) ({8})1).
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/8762 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist so. Dann ist die Überweisung so
beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. Mai 2008, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eine
angenehme Heimfahrt und ein freundliches Wochenende.