Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie recht herzlich, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Änderung
des Bundeskindergeldgesetzes.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen. - Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat gestern beschlossen, dass der Kinderzuschlag
zum 1. Oktober 2008 weiterentwickelt werden soll. Dies
geschieht im Zusammenspiel mit der Reform des Wohngeldes zum 1. Januar 2009. Damit können deutlich mehr
Kinder und ihre Eltern aus dem Kreis der Arbeitslosengeld-II-Bezieher herausgeholt werden. Ab 2009 werden
rund 250 000 Kinder durch den Kinderzuschlag erreicht.
Das ist ein wichtiger familienpolitischer Schritt; denn
Familien im Niedriglohnbereich werden dadurch deutlich entlastet. Das ist aber auch ein richtiger arbeitsmarktpolitischer Schritt; denn die Erwerbsbereitschaft
der Eltern wird deutlich gestärkt. Wenn man sich anschaut, welche Gruppe insbesondere betroffen ist, stellt
man fest, dass das die Gruppe der sogenannten Aufstocker ist. Wir wissen, dass 15 Prozent der alleinstehenden Arbeitslosengeld-II-Bezieher Aufstocker sind, also
etwas dazuverdienen, während es bei den Paarhaushalten mit Kindern rund 50 Prozent sind. Das heißt, in Bedarfsgemeinschaften mit Kindern besteht eine sehr hohe
Erwerbsbereitschaft. Diese Bereitschaft wollen wir über
den Kinderzuschlag nachhaltig stützen und fördern.
Der Kinderzuschlag wies bisher zwei gravierende
Probleme auf:
Erstens. Der Einstiegskorridor war sehr eng und die
Beantragung kompliziert. Insbesondere den Antragstellern fiel es schwer, festzustellen, ob sie überhaupt für
den Kinderzuschlag in Betracht kommen. Das zeigt sich
daran, dass deutlich mehr als 80 Prozent der Anträge abgelehnt worden sind. Es gab also auch eine hohe Bürokratielast.
Das zweite Problem war die sogenannte Abschmelzrate in Höhe von 70 Prozent. Von jedem hinzuverdienten
Euro wurden bisher 70 Cent angerechnet. Dadurch
wurde der Erwerbsanreiz deutlich gemindert.
An diesen beiden Stellen wird jetzt nachgebessert.
Die bisher individuell geprüfte Mindesteinkommensgrenze wird auf einen einheitlichen Betrag festgesetzt:
600 Euro Mindesteinkommen für Alleinerziehende und
900 Euro für Paare. Die Mindesteinkommensgrenze
wird damit deutlich abgesenkt. Eltern können nun leicht
erkennen, ob sie für den Kinderzuschlag in Betracht
kommen oder nicht. Wir signalisieren, dass Arbeit sich
lohnt. Ein Paar, das 900 Euro zum Lebensunterhalt beiträgt, und eine Alleinerziehende, die 600 Euro zum
Lebensunterhalt beiträgt, die nur wegen der Kinder Arbeitslosengeld II beziehen, werden durch den
Kinderzuschlag jetzt unabhängig davon.
Die zweite Änderung betrifft die Abschmelzrate. Neben der Einkommensgrenze wird auch die Abschmelzrate für Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 70 auf
50 Prozent abgesenkt. Dadurch wird gewährleistet, dass
im Geltungsbereich des Kinderzuschlages durchgehend
ein Erwerbsanreiz besteht.
Im Zusammenspiel von Kinderzuschlag und Wohngeld entstehen ab dem Jahr 2009 für den Kinderzuschlag
zusätzliche Ausgaben in Höhe von 252 Millionen Euro
brutto. Berücksichtigt man die Minderausgaben für Unterstützung nach dem SGB II und die im Rahmen der Finanzplanung bereits veranschlagten Mittel für den Kinderzuschlag in Höhe von 150 Millionen Euro per annum,
dann ergeben sich per saldo für diese Reform Mehrkosten in Höhe von maximal 200 Millionen Euro netto für
den Bund.
Vielen Dank.
Redetext
Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Frage
stellt die Kollegin Elke Reinke.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Sie hatten einmal angekündigt, dass Sie mit 500 000 Kindern bzw. Berechtigten rechnen. Jetzt haben Sie die Zahl auf 250 000 reduziert. Ich frage mich: Ist der Bedarf geringer
geworden? Worauf stützen sich Ihre Zahlen? Woher
kommt diese Veränderung? Wieso sind es auf einmal
250 000?
Diese Veränderung setzt sich aus zwei Komponenten
zusammen.
Erste Komponente. Wir sehen, dass die deutlich bessere wirtschaftliche Entwicklung Auswirkungen hatte.
Der Kinderzuschlag erreichte im Jahr 2006 noch
124 000 Kinder und im Jahr 2007 100 000 Kinder. Es
haben also mehr Familien vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert. Es gibt mehr Arbeitsplätze und damit
Unabhängigkeit vom Arbeitslosengeld II.
Zweite Komponente. Man könnte den Kinderzuschlag sehr wohl weiterentwickeln. Ich nenne als Stichworte die Wahlmöglichkeit zwischen Arbeitslosengeld II
und Kinderzuschlag und die Höchsteinkommensgrenze.
Dies würde aber deutlich mehr kosten. Wir hatten eine
klare Vorgabe von 200 Millionen Euro per annum und
haben deshalb deutliche Prioritäten gesetzt, nämlich den
Einstieg zu erleichtern und das Plateau abzubauen. Deshalb erreichen wir eine viertel Million Kinder.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ingrid
Fischbach.
Frau Ministerin, wir haben seinerzeit die sehr niedrige
Bewilligungsquote kritisiert. Das lag unter anderem
daran, dass die Verwaltungsvereinbarung viel zu kompliziert war. Wird darüber nachgedacht, die Verwaltungswege zu vereinfachen und dadurch die Bewilligungsquote zu erhöhen?
Der entscheidende Faktor war, dass die individuelle
Berechnung des Mindesteinkommens durch die Verwaltung ein hochkomplizierter Vorgang gewesen ist. Auch
für diejenigen, die den Antrag gestellt haben, war völlig
unklar, ob sie eine Chance auf Bewilligung hatten oder
nicht. Deshalb lag die Ablehnungsquote für den Kinderzuschlag durchgehend weit über 80 Prozent. Jetzt ist
eine deutliche Mindesteinkommensgrenze vorgesehen:
600 Euro für eine Alleinerziehende und 900 Euro für ein
Paar, die als eigenes Einkommen erarbeitet oder erwirtschaftet werden müssen. Damit wird erstens für die Verwaltung und zweitens für die betroffenen Familien, die
nun sehr genau wissen, ob sie über oder unter der Grenze
liegen, Transparenz geschaffen. Wichtig ist, sich die einfache Formel zu merken, dass man bis auf Kindergeld
und Wohngeld - das bleibt außerhalb der Berechnung alles als Einkommen einbringen muss.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ina Lenke.
Frau Ministerin, grundsätzlich ist es richtig, Familien
vor Hartz IV zu bewahren. Die Regierung hat jedoch unter anderem durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer selber dazu beigetragen, dass es den Familien schlechter
geht. Richtig ist, dass die Regierung und wir von der Opposition sicher mehr in diesem Bereich machen wollen.
Es hat sich aber gezeigt, dass das Konzept des Kinderzuschlages nicht gegriffen hat, weil 88 Prozent der Anträge
abgelehnt worden sind. Da haben Sie in diesem Gesetzentwurf eine Verbesserung versprochen. Trotzdem sagen
wir: Es fehlt ein Gesamtkonzept.
Meine erste Frage lautet: Haben Sie ein Gesamtkonzept? Es geht nicht nur um den Kinderzuschlag, sondern
auch die mehr als 140 familienbezogenen Leistungen gehören auf den Prüfstand, bevor sie in ein solches Konzept einfließen.
Ich habe noch eine zweite Frage. Die Kosten für Bürokratie liegen bei 18 Prozent der Gesamtausgaben. Sie
aber haben gesagt, dass die Regelungen einfacher werden und es so zu weniger Bürokratie kommen wird. Mir
liegt der Gesetzentwurf vor. In diesem Gesetzentwurf
steht: Für den Kinderzuschlag ist ab dem Jahr 2009 mit
einem Anstieg der Verwaltungskosten um 50 Prozent zu
rechnen. Genau das verstehe ich nicht. Hier gibt es eine
Differenz zwischen dem Entwurf, den Ihr Ministerium
veröffentlicht hat, und Ihrer jetzt gemachten Aussage.
Sie fragen nach einem Gesamtkonzept für Familien,
die Arbeitslosengeld II beziehen; Stichwort Kinderarmut. Dabei müssen wir sehen, welche Familien mit
Kindern Arbeitslosengeld II beziehen. Kinderarmut setzt
sich aus zwei großen Komponenten zusammen. Das sind
vor allem die Alleinerziehenden, und zwar im Vergleich
zur Bevölkerung weit überproportional. Das sind aber
auch die kinderreichen Familien. Kinderarmut setzt sich
also vor allem aus diesen beiden Komponenten zusammen. Daher sollten Eltern befähigt sein, auf eigenen Füßen zu stehen - Stichwort: Vereinbarkeit von Beruf und
Familie - und selber das Einkommen zu verdienen. Internationale Erfahrungen haben gezeigt, dass die Kopplung Einführung des Elterngeldes mit dem Ausbau der
Kinderbetreuung ein maßgeblicher Schritt ist, um die
Kinderarmut zu senken und vor allen Dingen die Selbstständigkeit der Eltern, also die Fähigkeit, das Einkommen selber zu verdienen, zu erhöhen.
Die zweite Gruppe betrifft die kinderreichen Familien. Mit der steigenden Zahl der Kinder wird es insbesondere bei geringerer Qualifikation immer schwieriger,
das nötige Einkommen zu verdienen. Außerdem wird
das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie komplexer, wenn ich es einmal so nennen darf. Weil wir aus
Untersuchungen wissen, dass hier eine hohe Erwerbsbereitschaft vorhanden ist - die Familien möchten ihren
Lebensunterhalt selber verdienen -, brauchen gerade sie
oft eine finanzielle Unterstützung, damit sie erwerbstätig
bleiben und nicht wieder auf den Bezug von Leistungen
nach Hartz IV angewiesen sind.
Dafür sind zwei Komponenten entscheidend. Der
erste Punkt ist der Kinderzuschlag. Damit werden genau
die kinderreichen Familien erreicht. Er geht an Familien,
die im Durchschnitt 2,8 Kinder haben. Da wir die Geburtenrate und Familienverhältnisse kennen, wissen wir,
dass das weit mehr Kinder pro Familie sind als im Bevölkerungsdurchschnitt. Der zweite Punkt betrifft die
Staffelung der Höhe des Kindergeldes nach der Kinderzahl. Sie wissen, dass ich dies favorisiere, weil das nach
allen wissenschaftlichen Untersuchungen ein entscheidender Faktor dafür ist, kinderreiche Familien vor dem
Abrutschen in die Armut zu bewahren.
Sie sehen, dass der Kinderzuschlag in ein Gesamtkonzept eingebettet ist, das mit der Einführung des Elterngeldes begonnen hat, durch den Ausbau der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen fortgeführt und jetzt
mit der Weiterentwicklung des Kinderzuschlages fortgesetzt wird.
Ihre zweite Frage betraf die Verwaltungskosten. Es
wird zu einem Plus von 150 Prozent der Berechtigten
kommen. Es sinkt jedoch - Prozente müssen immer in
Relation zu der Gesamtheit gesehen werden - der Anteil
der Verwaltungskosten. Denn diese steigen deutlich geringer als die Zahl der profitierenden Menschen. Eine
Steigerung der Verwaltungskosten um 50 Prozent ist im
Vergleich zu den 150 Prozent der Berechtigten, die jetzt
zusätzlich einen Anspruch haben, nicht hoch.
Die nächste Frage stellt der Kollege Johannes
Singhammer.
Frau Ministerin, es kommt eher selten vor, dass alle
wichtigen gesellschaftlichen Gruppen ein Gesetzgebungsvorhaben begrüßen. In diesem Fall sprechen sich
sowohl die Arbeitgeber als auch die Gewerkschaften
ausdrücklich für den Kinderzuschlag aus. Ich frage Sie:
Für welche Gruppe von Familien ist der Kinderzuschlag
maßgeschneidert? Welcher speziellen Gruppe von Familien wird dadurch mehr Gerechtigkeit verschafft?
Es sind vor allem die Familien mit einer hohen Bereitschaft zur Erwerbstätigkeit - sie wollen ihren
Lebensunterhalt selber verdienen - und mehreren Kindern. Das heißt, das Einkommen, mit dem ein Paar ohne
Kinder auskommen würde, reicht nun für die Familie
mit Kindern nicht mehr aus. Unser Grundsatz ist: Menschen sollen nicht deshalb auf den Bezug von
Arbeitslosengeld II angewiesen sein, weil sie Kinder haben. Daher ist der Kinderzuschlag genau darauf die spezifische Antwort. So wie er jetzt konzipiert ist, stellt er
sicher, dass diejenigen, die ihren Unterhalt selbst verdienen können, nicht wegen ihrer Kinder ALG-II-Bezieher
bleiben müssen, sondern durch Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld aus dem ALG-II-Bezug herauskommen können.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Hirsch.
Besten Dank, Frau Ministerin. - Ich möchte auf die
Zahlen zurückkommen. Meine Kollegin Reinke hat
schon erwähnt, dass ursprünglich davon gesprochen
wurde, mit dem Kinderzuschlag eine halbe Million Kinder zu erreichen, dass jetzt aber nur noch von einer viertel Million Kinder die Rede ist. Ich frage Sie, ob Sie
tatsächlich davon ausgehen, dass dieser Umfang ausreichend ist.
Diese Frage stellt sich vor allen Dingen dann, wenn
man die Veröffentlichungen des Deutschen Kinderschutzbundes aus diesem Jahr berücksichtigt, in denen
- trotz des Aufschwungs, den Sie geltend machen festgestellt wurde, dass eigentlich 700 000 Kinder auf
dieses Geld angewiesen sind, weil sie ansonsten, obwohl
ihre Eltern arbeiten, in den ALG-II-Bezug fallen würden. Daher meine Frage: Wie können Sie ernsthaft sagen, der Aufschwung legitimiere diese drastische Reduzierung Ihrer ursprünglichen Zielvorstellung?
Das Ziel ist nach wie vor - ich glaube, das ist ein gesamtgesellschaftliches und partei- und fraktionsübergreifendes Ziel -, konsequent gegen Kinderarmut in diesem
Land vorzugehen. Einige der wesentlichen Pfeiler habe
ich schon genannt: das Elterngeld, den Ausbau der Kinderbetreuung und jetzt die Reform des Kinderzuschlags.
Ich möchte - sozusagen in Klammern - hinzufügen:
Auch die Kinderbetreuung ist ein entscheidender Faktor
zur Bekämpfung der Kinderarmut. Hierbei geht es um
den Ausbau der frühkindlichen Bildung und darum, den
Teufelskreis, dass Kinderarmut von Generation zu Generation weitergetragen wird, zu durchbrechen.
Jetzt komme ich auf den spezifischen Baustein, nach
dem Sie gerade gefragt haben, zu sprechen. Wir haben
den Kinderzuschlag in zwei Schritten weiterentwickelt:
Erstens - das habe ich bisher noch nicht erwähnt - hat
im Januar dieses Jahres eine Entfristung stattgefunden.
Zweitens wurde der Einstiegskorridor deutlich erweitert. Noch weiter darf man die Mindesteinkommensgrenze allerdings nicht senken, weil sonst das Signal
wäre, dass ein Paar mit zwei Minijobs über die Runden
kommen kann. Das darf nicht das Signal sein, das wir
aussenden. Vielmehr muss es darum gehen, dass die Eltern, die Paare oder die Alleinerziehenden durch ihre eigene Arbeit genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt
selbst bestreiten zu können. Für diejenigen, die mehr
verdienen, gibt es außerdem den Anreiz, mehr zu tun,
weil nicht so stark abgeschmolzen wird. Auch diesen
Schritt haben wir gemacht.
Ich nannte noch zwei weitere wünschenswerte
Schritte, die im Augenblick aber nicht finanzierbar sind:
die sogenannte Wahlmöglichkeit und die Höchsteinkommensgrenze. Auch dazu möchte ich noch eine Bemerkung machen. Bei den Überlegungen, die Höchsteinkommensgrenze noch weiter zu senken - das würde
Geld kosten -, beschreitet man einen sehr schmalen
Grat. Denn es darf nicht sein, dass man mit dem Kinderzuschlag bis weit in die mittleren Einkommensschichten
hinein subventioniert, während andere Familien mit Kindern den Lebensunterhalt auf dem gleichem Niveau für
sich und ihre Kinder aus eigener Kraft verdienen müssen. Solche Entscheidungen sind für die Sozialpolitik
immer Gratwanderungen. Vor diesem Hintergrund haben
wir den Beschluss gefasst, mit den 200 Millionen Euro,
die uns netto zur Verfügung stehen, die wichtigsten
Schritte zuerst zu machen: den Einstieg zu verbessern
und das Plateau abzuschmelzen.
Das Wort hat die Kollegin Deligöz.
Frau Ministerin, was Ihre letzte Bemerkung betrifft,
bin ich nicht ganz einsichtig. Denn wer in Deutschland
gut verdient und dementsprechend hohe Steuern zahlt,
der bekommt für Unterhalt und Erziehung seiner Kinder
auch eine größere absolute steuerliche Entlastung als
derjenige, der wenig Steuern zahlt, weil er nicht so viel
verdient, obwohl er erwerbstätig ist. Von daher lasse ich
Ihre letzte Aussage nicht gelten.
Ich würde gerne auf die Mindesteinkommensgrenze
zu sprechen kommen. Sie haben gesagt, dass Sie die Minijobs nicht fördern möchten. Wenn man den Betrag von
900 Euro durch zwei Personen, durch Mutter und Vater,
teilt, dann hat man schon das Niveau der Minijobs erreicht. Daher finde ich auch dieses Argument nicht befriedigend. Können Sie uns erläutern, warum Sie festgelegt haben, dass die Mindesteinkommensgrenze für
Paare bei 900 Euro und für Alleinerziehende bei
600 Euro liegen soll? Denn dazu hätte es durchaus Alternativen gegeben.
Die Grenze zum Minijob liegt bei 400 Euro; das ist
die gesetzliche Definition eines Minijobs. Wenn das Einkommen diese Grenze übersteigt, kommt das Thema Sozialversicherung zum Tragen, und man befindet sich im
Bereich eines Midijobs. Im Rahmen der Ressortabstimmung haben wir gemeinsam den Entschluss gefasst, dass
wir das ganz klare Signal aussenden müssen: Ein Minijob reicht für eine Person nicht aus, sondern der Betrag
muss höher sein. Deshalb haben wir die Entscheidung
getroffen, die beiden Grenzen zu erhöhen. Für ein Paar
liegt die Mindesteinkommensgrenze also bei 900 Euro,
für einen Alleinerziehenden bei 600 Euro. Ich glaube,
diese Entscheidung ist richtig. Das Bestreben, den eigenen Unterhalt zu verdienen, ist - es liegt uns daran, dies
deutlich zu machen - die Conditio sine qua non, die
Grundvoraussetzung, um den Kinderzuschlag zu bekommen; denn er soll ja aus dem Arbeitslosengeld II, aus
Hartz IV herausführen.
Ich habe mich, was die Höchsteinkommensgrenze angeht, vielleicht missverständlich ausgedrückt. Der Punkt
ist der: Es darf nicht passieren, dass Eltern, die genug für
sich und für den Lebensunterhalt ihrer Kinder verdienen,
zusätzlich den Kinderzuschlag bekämen. Deshalb ist das
mit der Höchsteinkommensgrenze diffizil. Ich will nicht
ausschließen, dass man in der Frage der Höchsteinkommensgrenze eines Tages etwas machen kann. Man muss
aber, wie gesagt, vorsichtig vorgehen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Markus Grübel.
Frau Ministerin, ist erwogen worden, den Kinderzuschlag zu erhöhen oder ihn zu staffeln, zum Beispiel indem für ältere Kinder ein höherer Kinderzuschlag gezahlt wird?
Dies ist nicht erwogen worden. Der Kinderzuschlag
beträgt maximal 140 Euro. Denn man muss sich immer
vor Augen führen: Der Kinderzuschlag soll gemeinsam
mit dem Kindergeld und dem anteiligen Wohngeld den
Bedarf des Kindes decken. Diese Funktion erfüllt er mit
140 Euro.
Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich.
Frau Ministerin, schönen Dank für Ihre einführenden
Worte! Im Sommer letzten Jahres haben Sie angekündigt, mit dem Kinderzuschlag 500 000 Kinder aus der
Armut herauszuholen. Im November hat die Kanzlerin
hier im Plenum erklärt: Deshalb wollen wir den Kinderzuschlag erhöhen und vereinfachen. - Gerade einmal
16 Tage später hat Ihr Ministerium geschrieben: Von einer Erhöhung des Kinderzuschlags geht die Bundesregierung nicht aus. 40 Tage später haben Sie im Ausschuss mir gegenüber erklärt, dass es da keinen
Widerspruch gebe, und hier im Plenum hat Staatssekretär Thönnes gesagt: Von einer Erhöhung des Kinderzuschlags war nie die Rede.
Inzwischen sind es nicht mehr 500 000 Kinder, inzwischen ist nur noch von 250 000 Kindern, die mit dem
Kinderzuschlag aus der Armut geführt werden sollen,
die Rede. Die Frage ist: Welche Kinder werden erreicht,
was kommt als Nächstes, wem kann man noch vertrauen? - Nein, von vertrauen kann man nicht mehr reden. Sagen wir lieber: Wem kann man am ehesten glauben?
({0})
- Das musste einmal gesagt werden, und ich bin noch ruhig geblieben.
44,5 Prozent der bedürftigen Kinder, der Kinder, die
Anspruch auf den Kinderzuschlag haben, leben in Alleinverdienerhaushalten. Auf den Kinderzuschlag werden Unterhaltsleistungen voll angerechnet. Herr
Singhammer, Sie haben gesagt, alle Verbände seien damit einverstanden. Ich muss Ihnen widersprechen: Der
Familienbund der Katholiken, die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen usw. sind nicht
einverstanden.
Kollege Wunderlich, formulieren Sie jetzt bitte die
Frage, damit die Frau Ministerin antworten kann.
Warum wird an dieser Mindesteinkommensgrenze
festgehalten? Warum werden die Kinder von Alleinerziehenden faktisch von der Leistung ausgeschlossen,
und warum wird es jetzt reduziert? Wieso begründen Sie
es mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, wenn die Zahl
der bewilligten Anträge sinkt? Die Zahl der in Armut lebenden Kinder steigt weiter.
Ich filtere aus Ihrem Plädoyer, Herr Wunderlich, zwei
Fragen heraus: Ihre erste Frage betrifft die Erhöhung des
Kinderzuschlags. Sie haben hier zwei Dinge vermischt:
Wie ich Ihnen im Ausschuss bereits sagte, ist mit der Erhöhung des Kinderzuschlags gemeint, dass das Volumen
des Kinderzuschlags von bisher 150 Millionen Euro um
200 Millionen Euro erhöht wird. Diese Erhöhung findet
statt. Ihre Frage ist Ihnen also beantwortet worden.
Auf die Frage, ob der Betrag des Kinderzuschlags
- 140 Euro pro Kind und Monat - erhöht wird, haben
Sie von der Bundesregierung nie eine andere Antwort als
Nein bekommen, aus den genannten Gründen. 140 Euro
Kinderzuschlag plus - gehen wir vom ersten Kind aus 154 Euro Kindergeld plus anteilig Wohngeld decken den
Bedarf eines Kindes.
Ihre zweite Frage betrifft die Alleinerziehenden; auch
hier haben Sie eine relativ ungenaue Frage gestellt. Sie
haben behauptet, der Unterhalt werde voll angerechnet.
Hierbei muss man unterscheiden zwischen Unterhalt für
die Mutter und Unterhalt für das Kind. Das Prinzip ist
immer dasselbe: Wenn die Mutter Unterhalt bekommt,
kann sie diesen zu ihrem eigenen Einkommen rechnen,
um auf die 600 Euro zu kommen, ab denen sie Anspruch
auf den Kinderzuschlag hat.
Aber Einkommen des Kindes, zum Beispiel Unterhaltsvorschuss, kann von den Eltern nicht als ihr Einkommen angesehen werden. Es ist Einkommen des Kindes; deshalb bleibt es außen vor. Gerade der
Unterhaltsvorschuss, der höchstens sechs Jahre lang und
maximal bis zum 12. Lebensjahr gezahlt wird, ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, wie passgenau der Kinderzuschlag wirkt. Es gibt immer wieder Alleinerziehende,
die, wenn sie vom dritten bis zum neunten Lebensjahr
des Kindes sechs Jahre lang den Unterhaltsvorschuss bekommen haben, anschließend einen Einbruch erleben.
Dieser Alleinerziehenden wird künftig der Kinderzuschlag passgenau helfen, weiterhin aus dem
Arbeitslosengeld II herauszubleiben. Man sollte also das
Einkommen der Eltern und das Einkommen des Kindes
sauber trennen.
Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder.
Frau Ministerin, bereits nach jetzigem Recht gelangt
über die Bemessungsgrenze hinaus verdientes eigenes
Einkommen der Kindeseltern zum Teil zur Anrechnung.
Wie ist es bei der Neuregelung vorgesehen? Bleibt es bei
den 70 Cent pro Euro, die bei eigenem Einkommen derzeit angerechnet werden, oder wie wird die neue Einkommensanrechnung funktionieren?
In Zukunft werden von jedem hinzuverdienten Euro
nur 50 Cent und nicht, wie bisher, 70 Cent angerechnet.
Umgekehrt gesprochen: Von jedem Euro, der über die
Bemessungsgrenze hinaus von den Eltern selbst verdient
wird, bleiben ihnen 50 Cent sowie der daraus zu errechnende Anteil des Kinderzuschlags.
Das Wort hat die Kollegin Elisabeth WinkelmeierBecker.
Frau Ministerin, ich habe eine Nachfrage zu der
Höchsteinkommensgrenze. Sie haben dazu gerade einige
Ausführungen gemacht; ich wünsche mir, noch ein paar
Kriterien zur Berechnung zu hören. Wonach richtet sich
das ungefähr, und wie soll an dieser Stelle die Abschmelzrate verlaufen? Welches sind hier die tragenden
Gedanken?
An der Höchsteinkommensgrenze ändert sich gegenüber dem bisherigen Recht nichts. Es ändern sich allerdings zwei Kriterien. Zum einen ist dies die Mindesteinkommensgrenze. Der Einstieg wird auf einer Ebene
festgesetzt und abgesenkt. Was zum anderen die Abschmelzung anbelangt, so mache ich dies an einem Beispiel deutlich: Wenn ein Paar mit einem Kind oder zwei
Kindern 1 200 Euro verdient - die Bemessungsgrenze,
die besagt, was diese Gemeinschaft zum Leben braucht,
liegt bei 1 100 Euro -, dann bekommt es den Kinderzuschlag, aber weniger als die 140 Euro. Er wird also abgeschmolzen: Von jedem Euro, den das Paar über der Bemessungsgrenze liegt, wird ihm 50 Cent gelassen, und
die anderen 50 Cent werden auf den Kinderzuschlag angerechnet.
Die nächste Frage stellt der Kollege Carl-Ludwig
Thiele.
Sehr geehrte Frau Ministerin, zu Beginn dieser Wahlperiode richteten wir seitens der FDP eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, die Sie beantwortet haben. Dort wie auch später haben Sie aufgelistet, dass es
etwa 145 unterschiedliche familienbezogene Leistungen
gebe. In der Aufstellung Ihres Ministeriums sind Sie auf
Leistungen des Staates in Höhe von etwa 180 Milliarden
Euro gekommen, wobei man darüber diskutieren kann,
ob es Leistungen des Staates oder Ansprüche des Bürgers sind. Beim Existenzminimum handelt es sich meiner Ansicht nach nicht um eine Leistung des Staates,
sondern um einen Anspruch des Bürgers.
Sie haben seinerzeit gesagt, Sie wollten ein Gesamtkonzept erstellen. Ein solches Gesamtkonzept liegt aber
immer noch nicht vor. Daher frage ich Sie: Ist es sinnvoll, die jetzt in Rede stehende Maßnahme vor das Gesetz zu ziehen, oder wäre es nicht sinnvoller, sie in ein
Gesamtkonzept einzubinden? Wir fragten danach zu Beginn dieser Wahlperiode und befinden uns inzwischen in
der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Möglicherweise kommt es nicht mehr zu einer grundsätzlichen
Überarbeitung der familienpolitischen Leistungen, was
wir sehr bedauerten. Halten Sie es nicht für richtig, endlich das grundlegende Konzept vorzulegen?
Auf die erste Frage von Frau Lenke hin habe ich
schon das grundlegende Konzept für die Bekämpfung
von Kinderarmut innerhalb der Familienleistungen dargelegt. Am Beispiel Ausbau der Kinderbetreuung kann
ich Ihnen verdeutlichen, dass sich eine Leistung nicht
immer nur auf ein Thema bzw. ein Problem bezieht.
Der Ausbau der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen ist ein Posten innerhalb der familienpolitischen
Leistungen. Dadurch wird sowohl die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie für alle Familien als auch die frühkindliche Bildung für alle Kinder - insbesondere aber
für die Kinder aus benachteiligten Schichten - deutlich
verbessert. Dies ist aber eben nicht nur spezifisch für Familien im mittleren Einkommensbereich oder für Alleinerziehende, die aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II
herausfallen möchten und das dank einer guten Kinderbetreuung auch können.
Genauso ist der Kinderzuschlag ein Teil des Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung der Kinderarmut. Er ist auch
ein Teil der familienpolitischen Leistungen, die Sie eben
angesprochen haben, zu denen zum Beispiel - ich darf
einmal etwas ganz anderes nennen - die Witwenrente
gehört.
Sie sehen also, dass der Kinderzuschlag ein Instrument ist, das von allen gesellschaftlichen Gruppen und
Fraktionen als sinnvolle und richtige arbeitsmarkt- und
familienpolitische Maßnahme angesehen wird und es
verdient, weiterentwickelt und verbessert zu werden. In
dem großen Kontext der familienpolitischen Leistung
darf diesbezüglich nicht gesagt werden: Wir tun gar
nichts, solange wir von der Witwenrente bis zur Jugendhilfe - um einmal alle Themen zu nennen - nicht alles
analysiert haben.
Ich glaube, dies ist ein absolut richtiger und wichtiger
Schritt. Es gibt im öffentlichen Raum niemanden, der
das bestreitet.
Ich kann Ihnen dazu sagen - das ist auch wichtig -:
Der Kinderzuschlag wird von der Geltung des Gesetzes
an evaluiert werden, so, wie wir das beim Elterngeldgesetz auch getan haben. Das ist bei Gesetzen nicht selbstverständlich. Ich halte dies aufgrund der Entwicklung
der Gesetze in einer sich verändernden Welt für ein
wichtiges politisches Vorgehen, damit ein Feinmonitoring vorliegt, aus dem hervorgeht, wie das Gesetz wirkt
und wie effizient es ist.
Was sind die Daten, die wir aus der dauernden Evaluation ablesen können? An welchem Punkt müssen wir etwas verbessern oder verändern? Dies werden wir beim
Kinderzuschlag von Tag eins an betrachten, was keine
Selbstverständlichkeit ist.
Das Wort hat die Kollegin Eva Möllring.
Frau Ministerin, ich denke, dass der Kinderzuschlag
besonders für viele Alleinerziehende wichtig ist, die
zwar eine Arbeitsstelle haben, aber damit aus zeitlichen
und fachlichen Gründen kein besonders hohes Einkommen erwirtschaften können, und die häufig keinen Unterhalt erhalten.
Können Sie sagen oder gibt es irgendwelche Schätzungen darüber, wie hoch der Anteil der Alleinerziehenden ist, die von dem Kindergeld profitieren und es nutzen können, und wie sich der Anteil gegenüber dem
heutigen Anteil steigert?
Diese Schätzungen liegen nicht vor. Oder sagen mir
die Fachleute des Ministeriums etwas anderes? - Nein.
Schätzungen darüber liegen nicht vor.
Aus der Evaluation des Kinderzuschlages im vergangenen Jahr weiß ich aber, dass der Anteil der Alleinerziehenden relativ gering war - er lag bei rund 7 Prozent -, weil es so hoch komplex war, die Mindesteinkommensgrenze zu berechnen. Man muss dazu sagen:
Dieser Anteil bezieht sich auf die wenigen, die den Kinderzuschlag erhalten haben. Die Zahl derer, die Anträge
gestellt haben, war sehr viel höher.
Das zeigt schon, dass diese sehr schwierig zu beantwortende Frage, wer überhaupt den Kinderzuschlag bekommt, für viele aus der Zielgruppe sicherlich eine hohe
Hemmschwelle bedeutete, den Kinderzuschlag zu beantragen und dann auch zu erhalten. Ich bin der festen
Überzeugung, dass die Zahl steigen wird, weil die Zahl
der Alleinerziehenden in Relation zur Gesamtbevölkerung steigen wird.
Ich mache darauf aufmerksam, dass mir noch drei
Wortmeldungen zur Regierungsbefragung vorliegen und
ich alle drei zulassen möchte. Das setzt voraus, dass sich
die Fragestellerinnen und Fragesteller bitte auf die Fragen konzentrieren und es dadurch ermöglichen, dass
kurz geantwortet werden kann.
Das Wort hat die Kollegin Elke Reinke.
Vielen Dank. - Ich möchte noch einmal auf das Problem der Absenkung der Zahl der berechtigten Kinder
von 500 000 auf 250 000 eingehen. Sie sagten vorhin, es
sei der guten Arbeitsmarktsituation oder dem Aufschwung geschuldet, dass so viele Eltern wieder in Arbeit gekommen sind. Es ist uns allen bekannt, dass der
Niedriglohnsektor boomt und dass eine halbe Million
Menschen ergänzend Arbeitslosengeld II beantragen
müssen. Ich weiß nicht, woher Sie Ihr Zahlenmaterial
haben. Wenn Ihnen entsprechende Zahlen vorliegen,
dann wäre es nett, wenn Sie sie uns zur Verfügung stellen oder erläutern könnten. Ich kann Ihre Angaben nicht
nachvollziehen. Denn die Zahl der armen Kinder hat
sich seit der Einführung der Hartz-IV-Regelungen verdoppelt. Das ist die Realität.
Ihre Aussage, die Zahl der armen Kinder habe sich
seit der Einführung der Hartz-IV-Regelungen verdoppelt, ist völlig irreführend. Denn das Arbeitslosengeld II
ist aus der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und
Sozialhilfe hervorgegangen.
({0})
Es versteht sich von selbst, dass bei der Zusammenlegung dieser zwei Systeme, die vorher getrennt betrachtet
worden sind, die Zahl der Leistungsbezieher rein statistisch steigt. Ich will damit nicht suggerieren, dass ich
nicht meine, was ich in diesem Parlament schon mehrfach gesagt habe, nämlich dass es unser vorrangiges Ziel
ist, die Kinderarmut in diesem Land konsequent zu bekämpfen.
Zu Ihrer Eingangsfrage, woher die Zahlen stammen:
Die Zahlen liegen auch Ihnen vor. Was die Entwicklung
des Kinderzuschlags in den Jahren 2006 und 2007 angeht - in diesem Zeitraum sind keine Gesetzesänderungen erfolgt; die Grundvoraussetzung ist also unverändert
geblieben -, sind im Jahr 2006 durch den Kinderzuschlag 124 000 Kinder erreicht worden und im Jahr
2007 rund 100 000. Das heißt, mehr Kinder - das entspricht dem Ziel des Kinderzuschlags - und ihre Familien sind aus dem Transferbezug heraus in Arbeit gegangen. Das ist die Grundlage dessen, was ich eben
ausgeführt habe.
Es muss unser Grundanliegen bleiben - ich glaube, in
diesem Bestreben sind wir uns alle einig -, Familien auf
Dauer zu befähigen, unabhängig von den Transfersystemen auf eigenen Füßen zu stehen. Ein weiterer Schritt
besteht darin, durch das Absenken der Mindesteinkommensgrenze weitere Familien zu erreichen, die vorher
keine Chance gehabt hätten, den Kinderzuschlag zu bekommen.
Das Wort hat die Kollegin Ina Lenke.
Frau Ministerin, die Wohlfahrtsverbände kritisieren
den Gesetzentwurf zum Kinderzuschlag, den Sie uns
heute in Teilen vorstellen. Sie kritisieren, dass trotz des
neuen Kinderzuschlages rund zwei Millionen Kinder
und Jugendliche weiterhin Sozialleistungen beziehen.
Insofern frage ich Sie, ob Sie die Notwendigkeit sehen,
etwas für diese zwei Millionen Kinder zu tun.
Meine Anschlussfrage knüpft an Carl-Ludwig Thiele
an: Inwieweit ist beabsichtigt, zunächst einmal auszuwerten, welche der 145 familien- und ehebezogenen
Leistungen in die falsche bzw. in die richtige Richtung
gehen, und dann ein Gesamtkonzept zu erstellen? Insofern haben auch die Wohlfahrtsverbände Fragen an Sie.
Was die Kritik der Wohlfahrtsverbände angeht, begrüßen sie - übrigens wie die Gewerkschaften - den Kinderzuschlag an sich. Sie halten die von uns vorgesehenen Verbesserungen beim Kinderzuschlag für absolut
richtig, aber sie wünschen sich mehr. Das betrifft die
eben bereits genannten Komponenten, nämlich entweder
Wahlmöglichkeit - also die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit - oder Höchstgrenzen.
Ihre Aussage, dass deutlich mehr Kinder in Familien
leben, die Arbeitslosengeld II beziehen, ist richtig. Das
bezieht sich zum Beispiel auch auf Kinder in Familien,
in denen niemand ein Einkommen erwirtschaftet. Bei ihnen greift der Kinderzuschlag naturgemäß nicht. Der
Kinderzuschlag ist für die Eltern definiert, die aus eigener Kraft ihr Einkommen verdienen können. Deshalb
bleibt er das richtige arbeitsmarktpolitische Instrument.
Unser Ziel muss grundsätzlich sein, dass Eltern ein eigenes Einkommen beziehen, für das der Kinderzuschlag
gewährt wird. Es kann nicht sein, dass der Kinderzuschlag bei den Hartz-IV-Beziehern greift. Denn die
Familien, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, erhalten
diese, wenn sie keine Arbeit haben. Der Kinderzuschlag
betrifft vor allem die Aufstocker. Dabei ist unser Ansinnen, dass niemand nur deshalb Arbeitlosengeld II bezieht, weil er Kinder hat, obwohl er auf eigenen Füßen
stehen könnte.
Vielen Dank, Frau Ministerin.
Die letzte Frage bezieht sich auf andere Themen der
gestrigen Kabinettssitzung. Das Wort hat die Kollegin
Gesine Lötzsch.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Frage
an die Bundesregierung zu folgendem Sachverhalt - das
Thema hat schon häufig eine Rolle gespielt -: Es geht
um das Verhalten von Bahnchef Mehdorn. Wie in der
vergangenen Woche in der Presse bekannt wurde, hat
Bahnchef Mehdorn in einem Papier mit offiziellem
Briefkopf der Deutschen Bahn die 74 einflussreichsten
deutschen Unternehmer aufgefordert, beim Volksbegehren zu Tempelhof zugunsten des Flughafens Stellung zu
beziehen. Ich möchte von der Bundesregierung gerne
wissen, wie sie bewertet, dass der Bahnchef die logistischen Möglichkeiten des Unternehmens missbraucht,
um in ein Volksbegehren in seinem Sinne einzugreifen.
Frau Staatsministerin Müller.
Frau Kollegin Lötzsch, Ihre Frage fällt sicherlich in
die Zuständigkeit des Verkehrsministeriums, das hier
vertreten ist. Es geht hier um die gestrige Kabinettssitzung, an der ich teilgenommen habe. Aber da das
Thema, das Sie ansprechen, nicht Gegenstand dieser Sitzung war, möchte ich Ihre Ausführungen zu diesem
Punkt nicht kommentieren.
Danke, Frau Staatsministerin. - Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 16/8714, 16/8739 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 16/8739 auf. Diese beziehen sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der dringlichen
Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Nicolette Kressl zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Frank
Schäffler auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Konzernverlust der
Kreditanstalt für Wiederaufbau Bankengruppe, KfW, von
rund 6,2 Milliarden Euro für das Jahr 2007, und welche Auswirkungen auf das Fördergeschäft der KfW ergeben sich nach
Ansicht der Bundesregierung daraus?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege
Schäffler, der Verlustausweis der KfW nach HGB beträgt für das Geschäftsjahr 2007 1,4 Milliarden Euro und
nach IFRS - dazu ist die KfW nun verpflichtet 6,2 Milliarden Euro. Diese Tatsache beeinflusst natürlich die Fördertätigkeit im Zusammenhang mit dem
ERP, da die Erträge der KfW dazu beitragen. Allerdings
wird die ERP-Förderung an sich dadurch nicht beeinflusst - das ist ein Unterschied -, da der Bund die im
Rahmen der Neuordnung des ERP-Sondervermögens
zugesagte Förderung und den Substanzerhalt garantiert.
Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern,
dass es eine schriftliche Zusage von Herrn Mirow und
Herrn Gatzer, die dem Haushaltsausschuss vorliegt, gibt,
dass von Bundesseite für eine entsprechende Sicherung
gesorgt wird.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich habe nicht nur nach dem
ERP-Sondervermögen gefragt, sondern auch danach,
wie das Fördergeschäft der KfW im Allgemeinen aussieht. Wie Sie wissen, gibt es einen Feuerwehrfonds, der
im Zusammenhang mit den Rettungsmaßnahmen für die
IKB aufgezehrt wurde. Die Zinserträge aus diesem
Fonds kamen ebenfalls dem Fördergeschäft zugute. Wie
hoch ist der Ausfall für die KfW an dieser Stelle?
Herr Kollege Schäffler, ich will bei der Beantwortung
der Frage nach der Beeinträchtigung der Förderung
durch die KfW auf die Aussage des Ministers verweisen,
dass auch das allgemeine Fördergeschäft der KfW auf
dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen Jahre
fortgesetzt werden kann. Eine konkrete Ausfallzahl kann
ich Ihnen nicht nennen, weil die Bundesregierung noch
keine Möglichkeit hat, solche Zahlen vorzulegen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ursache für die Verluste ist das Engagement der KfW
bei der IKB. Es kommt nun im Wesentlichen auf den
Verkaufsprozess an. Wir haben in Deutschland mehrere
Banken, im Wesentlichen im öffentlichen Bereich, die
Schwierigkeiten haben, die aber diesen Verkaufsprozess
und insbesondere das, was das notleidende Geschäft betrifft, sehr unterschiedlich regeln. Deshalb meine Frage:
Wieso hat die KfW nicht darauf gedrungen, dass das risikobehaftete Geschäft bei der IKB in eine sogenannte
„bad bank“ ausgegliedert wird und man nur das positive
Geschäft zu verkaufen versucht? Denn wir stellen aktuell fest, dass dann, wenn man versucht, das zusammen
zu verkaufen, es niemand haben will.
Herr Kollege Schäffler, Sie beschreiben richtig die öffentlich geführte Debatte darüber, inwieweit risikobehaftetes Geschäft und „sicheres“ Geschäft getrennt werden
können. Ich als Vertreterin der Bundesregierung bin allerdings keineswegs befugt, Ihnen zu sagen, wieso die
Geschäftsentscheidung der KfW in der vorliegenden
Form getroffen worden ist.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Hermann Otto Solms.
Frau Staatssekretärin, wenn ich die Informationen
richtig verstanden habe, kann die Bundesregierung nicht
garantieren, dass der Schaden in Höhe von 6,2 Milliarden Euro, der eingetreten ist, tatsächlich das Ende der
Fahnenstange ist, sondern es können durchaus im Laufe
der Zeit weitere Schäden eintreten. Vor diesem Hintergrund: Wie können Sie garantieren, wenn auf die KfW
möglicherweise weitere Belastungen zukommen, der
Reservefonds aber aufgezehrt ist, dass das nicht zulasten
der Förderpolitik der Kreditanstalt für Wiederaufbau
geht bzw. sich das nicht auf das ERP-Sondervermögen
auswirken wird?
Herr Kollege Solms, es ist völlig richtig, dass die
letztendliche Bewertung der Risiken und der Verluste
der IKB nicht möglich ist. Darauf hat die Bundesregierung mehrfach hingewiesen. Ich will Ihre Frage in zwei
Bereiche aufteilen. Zuerst zur Frage nach der Fördertätigkeit im Zusammenhang mit dem ERP-Sondervermögen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Förderung zum
Teil unabhängig von der derzeitigen Situation der KfW
finanziert werden kann, weil Eigenkapital und Nachrangkapital eingebracht worden sind. Allein daraus ergeben sich ungefähr 470 Millionen Euro pro Jahr an Eingängen, die für die Förderung verwendet werden
können. Eventuell anstehende weitere Notwendigkeiten
werden durch eine Garantie - ich erinnere an das Schreiben an den Haushaltsausschuss, das ich vorhin erwähnt
hatte - durch den Bund abgesichert.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, was die sonstige Förderung angeht, muss ich darauf hinweisen - ich hatte vorhin schon Herrn Schäffler diesbezüglich geantwortet -,
dass wir die Lücken, die sich bisher ergeben, nicht beziffern können, dass es aber notwendig sein wird, gemeinsam - Bundesregierung und KfW - entsprechende Lösungen zu finden, weil es wichtig ist, dass die
Geschäftstätigkeit der KfW erhalten bleibt. Ich wiederhole die Aussage des Ministers, dass die durchschnittliche Fördertätigkeit der KfW auch im Geschäft außerhalb
des ERP-Sondervermögens erhalten bleiben muss.
Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Hirsch.
Besten Dank. - Mich würde interessieren, warum in
der Bundesregierung bisher noch nicht über Konsequenzen auch für den Bundesfinanzminister, beispielsweise
in Form eines Rücktritts, nachgedacht wird, da er sich
persönlich noch vor einigen Monaten in diversen Veröffentlichungen dafür gelobt hat, dass er solche Geschäfte,
die sich jetzt als Verlustgeschäfte herausstellen, maßgeblich vereinfacht hat.
Frau Kollegin Hirsch, ich bezweifle ausdrücklich,
dass die Öffentlichkeitsarbeit des Ministers so stattgefunden hat, wie Sie sie beschreiben, und weise darauf
hin, dass die vorrangige Aufgabe des Finanzministers
unter anderem darin besteht, sich über Strukturfragen
des Finanzmarkts Gedanken zu machen. Er hat auch entsprechende Initiativen auf europäischer und internationaler Ebene auf den Weg gebracht. Insofern besteht
überhaupt kein Anlass für den Minister, über das nachzudenken, was Sie mit Ihrer Frage nahelegen.
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Martin
Zeil.
Frau Staatssekretärin, Sie sind schon vorhin auf die
Zahlen eingegangen, die die Verluste des Konzerns beschreiben. Die Garantien der KfW belaufen sich auf über
8 Milliarden Euro. Wir sollten einmal das maximale
Risiko sehen. Sie haben gesagt, man sei bestrebt - Sie
haben auf einen Brief des Finanzministeriums hingewiesen -, Defizite auszugleichen. In welcher Höhe wird der
Steuerzahler aus jetziger Sicht in Mithaftung genommen?
Herr Kollege, dieser Brief ist eine Antwort auf die
Frage nach der Fördertätigkeit aus dem ERP-Sondervermögen. Um es aufrechtzuerhalten, gibt es einen Benchmark von ungefähr 590 Millionen Euro pro Jahr. Ich
habe Ihnen schon vorhin dargestellt, in welcher Höhe die
von der momentanen Situation unabhängigen Erträge
eingehen. Insofern können wir von einer Lücke von maximal etwas mehr als 100 Millionen Euro ausgehen.
Ich will auch die sich dahinter verbergende Frage aufgreifen. Im Moment ist noch nicht geklärt, in welcher
Form diese Garantien eingelöst werden. Die Aussage,
der Steuerzahler werde automatisch belastet, kann so
nicht stimmen.
Wir kommen damit zur dringlichen Frage 2 des Kollegen Frank Schäffler:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der
Rettungsmaßnahmen zugunsten der Deutschen Industriebank
AG, IKB, auf die KfW und den Bundeshaushalt vor dem Hintergrund der am 7. April 2008 bekannt gewordenen neuen Belastungen für die KfW?
Herr Kollege Schäffler, um Ihre Frage zu beantworten, will ich einen Teil der Antworten von vorhin aufgreifen. Wie ich schon beschrieben habe, werden wir
darauf achten, dass die Fördertätigkeit aus dem ERPSondervermögen in entsprechender Höhe fortgesetzt
werden kann. Wir werden darauf achten müssen, dass
auch die Fördertätigkeit der KfW im anderen Geschäft
erhalten bleibt. Konkrete Auswirkungen können natürlich erst benannt werden, wenn konkrete Zahlen vorliegen.
Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, das jüngste Rettungspaket für
die IKB sieht vor, dass 2,3 Milliarden Euro über verschiedene Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden:
1,2 Milliarden Euro sollen direkt über den Bundeshaushalt als außerplanmäßige Ausgabe bereitgestellt werden;
hinzukommen 300 Millionen Euro des Bankenverbandes; außerdem ist ein fiktiver Verkaufspreis von
800 Millionen Euro eingeplant worden. Ist die Zahl von
800 Millionen Euro Ihrer Ansicht nach aus heutiger
Sicht realistisch, und war sie zum damaligen Zeitpunkt
realistisch?
Die Bewertung der Zahlen ist nicht allein von der
Bundesregierung auf den Weg gebracht worden; das ist
auch Ihnen bekannt. Nach unserer Einschätzung ist der
Wert 800 Millionen Euro, so die damalige Bewertung,
am unteren Rand anzusiedeln. Das heißt, wir halten
diese Schätzung der Einnahmen durch den Verkauf der
IKB für sehr konservativ.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Der Finanzminister hat diese Zahl in seiner Regierungserklärung am 15. Februar genannt, wissend, dass
der Börsenkurs der IKB zum damaligen Zeitpunkt in der
Summe bei 648 Millionen Euro lag. Mit anderen Worten: Die Kapitalisierung der IKB betrug am 15. Februar 2008 648 Millionen Euro. Der Anteil des Bundes
betrug zum damaligen Zeitpunkt 37 Prozent bzw. knapp
240 Millionen Euro. Hat der Bundesfinanzminister zum
damaligen Zeitpunkt das Parlament wissentlich falsch
über die Erwartungen, was den Verkaufserlös betrifft, informiert? Ich finde schon, dass eine Differenz der
Marktkapitalisierung von 561 Millionen Euro zum damaligen Zeitpunkt etwas ist, was dem Parlament erklärt
werden muss.
Herr Kollege Schäffler, Sie unterstellen in Ihrer
Frage, es sei die alleinige Entscheidung und Bewertung
des Bundesfinanzministers gewesen. Dies war nicht so.
Wie Sie wissen, kam die Aufteilung der entsprechenden
Kosten in einer gemeinsamen Bewertung durch verschiedene Ministerien und den KfW-Verwaltungsrat zustande. Insofern bitte ich Sie ausdrücklich, dies zur
Kenntnis zu nehmen. Die Summe von 800 Millionen
Euro, die der Finanzminister im Übrigen im Ausschuss
noch einmal erläutert hat, war nicht vom Finanzminister
allein gegriffen.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Kollege
Hermann Otto Solms.
Frau Staatssekretärin, ich habe die Pressemeldungen
so verstanden, dass die Rücklagen der KfW nicht ausgereicht haben, um die eingetretenen Verluste abzudecken,
und dass Sie deshalb nicht nur einen möglichen Verkaufserlös gegengerechnet haben, sondern auch zukünftige Gewinne - mögliche Gewinne - gegen eingetretene
Verluste gerechnet haben.
Ich möchte Sie fragen: Entspricht das den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung und Buchführung?
Entspricht es insbesondere dem in Deutschland üblichen
Vorsichtsprinzip im Rahmen der Bilanzierung, dass Sie
mögliche zukünftige Gewinne gegen faktisch bereits
eingetretene Verluste rechnen? In der Privatwirtschaft
wäre das undenkbar, und jeder Wirtschaftsprüfer würde
es verwerfen.
Herr Kollege Solms, unabhängig davon, dass Sie die
Antwort in Ihrer Frage eigentlich schon gegeben haben,
möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Ich gehe davon aus,
dass die Verfahrensweise den notwendigen Sorgfaltspflichten entsprochen hat.
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Martin
Zeil das Wort.
Frau Staatssekretärin, eine der angedachten Maßnamen ist eine Kapitalerhöhung der IKB. Halten Sie diese
Maßnahme vor dem Hintergrund, dass die KfW eine beherrschende Stellung damit nicht nur erhalten, sondern
auch ausbauen würde und damit andere Gesellschafter
aus dem Obligo wären, nach wie vor für richtig?
Herr Kollege, Sie wissen, dass es dazu eine Grundsatzentscheidung der Hauptversammlung gegeben hat.
Insofern halte ich die Entscheidung für richtig.
Eine weitere Zusatzfrage stellt nun der Kollege CarlLudwig Thiele.
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, reichen der
Schirm und die Mittel, die jetzt zur Verfügung gestellt
worden sind, Ihrer Auffassung nach aus, oder können
noch weitere Belastungen entstehen?
Herr Kollege Thiele, wie gerade auch in dieser Fragestunde schon klar geworden ist, wird es nicht möglich
sein, alle Risiken endgültig zu bewerten. Ich halte es
aber für völlig falsch, jetzt Anlass zu weiteren Spekulationen zu geben. Wir haben deutlich gemacht, dass wir
in dem aufgezeigten Rahmen abschirmen, dass wir das
Ganze aber nicht endgültig bewerten können - das hat
sich in den Wochen zuvor gezeigt -, ehe beispielsweise
der Verkauf der IKB abgeschlossen ist.
Wir kommen damit zur dringlichen Frage 3 des Kollegen Carl-Ludwig Thiele:
Ist die Bundesregierung angesichts des Rücktritts von
Ingrid Matthäus-Maier als Vorstandsvorsitzende der KfW der
Ansicht, dass die Übernahme der IKB-Anteile durch den
Bund richtig war?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Thiele, zu Ihrer Frage
ist Folgendes zu bemerken: Für mich ist nicht erkennbar,
dass die Bewertung der Entscheidung, die IKB-Anteile
zu übernehmen, durch den Rücktritt von Frau MatthäusMaier in irgendeiner Weise beeinflusst wird. Dass ein
Zusammenhang aufgezeigt wird, hat womöglich damit
zu tun, dass nur auf diese Art und Weise eine dringliche
Frage gestellt werden konnte.
Sie haben das Wort zur ersten Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie mir dann
die Frage beantworten, ob Sie der Auffassung sind, dass
die Übernahme der IKB-Anteile sinnvoll war.
Herr Kollege Thiele, Sie wissen, dass diese Entscheidung im Jahr 2001 getroffen worden ist. Sie wissen
auch, dass es im Kern nicht Aufgabe der jetzigen Bundesregierung ist, diese Entscheidung nachträglich zu bewerten. Ich will aber darauf hinweisen, dass inzwischen
sehr häufig der Eindruck erweckt wird, als sei es eine
alleinige politische Entscheidung der Regierung - oder
des Finanzministers - gewesen. Ich glaube, es macht
Sinn, eventuell auch durch Presseartikel aus der damaligen Zeit deutlich zu machen, dass es dem wirtschaftlichen Umfeld und ganz besonders auch den Mittelstandskunden der IKB ein dringendes Anliegen war, dass diese
Anteile übernommen werden, weil damals mit der Gefahr einer Zerschlagung der IKB gerechnet werden
musste.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, der zuständige Minister war
seinerzeit ein SPD-Minister, Hans Eichel. Die gerade zurückgetretene Vorstandssprecherin hat in ihrer Funktion
als Vorstandssprecherin, aber auch schon als Vorstand
der KfW immer erklärt, die IKB sei für die KfW zwingend erforderlich, um - Zitat -„das Ohr am Markt zu
halten.“ Das ist nicht nur mir gegenüber von ihr erklärt
worden, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit.
Jetzt kann man erkennen, an welchem Markt die KfW
über die IKB tatsächlich das Ohr hatte. Ich muss schon
sagen, hier ist im Nachhinein durchaus eine gewisse
Schwerhörigkeit festzustellen; denn das, was dort
knirschte, führt nicht nur zu Problemen bei der IKB, sondern auch zu Problemen bei der KfW und über die Probleme bei der KfW zu Problemen des Bundes und des
Bundeshaushalts.
Deshalb stelle ich noch einmal meine Frage; denn es
wäre aus meiner Sicht das erste Mal, dass die Regierung
sagt: Die Wirtschaft äußert einen Wunsch, wir kommen
ihm nach. - Der Wunsch ist von der Wirtschaft geäußert
worden. Daher möchte ich Sie in diesem Zusammenhang noch einmal fragen, ob auch rückblickend, aus der
Sicht der derzeitigen Bundesregierung, die Entscheidung, Anteile an der IKB zu erwerben, richtig war.
Herr Kollege Thiele, zuerst will ich noch einmal deutlich machen, dass ich in der Antwort auf Ihre Frage vorhin nicht beschrieben habe, dass der Wunsch von der
Wirtschaft geäußert worden sei und dass die Bundesregierung dem sozusagen gefolgt sei. Ich wollte nur der in
der Frage mitklingenden Unterstellung, es sei ausschließlich eine politisch geprägte Entscheidung gewesen, ein anderes und, wie ich finde, nicht unwichtiges
Argument entgegensetzen.
Zweitens. Es ist so - wir haben im Ausschuss schon
häufiger miteinander darüber diskutieren können -, dass
diese falsche Geschäftspolitik im Nachhinein und nachdem sie als solche erkannt werden konnte, nicht akzeptiert werden kann. Daraus aber im Nachhinein die
Entscheidung hinsichtlich der Frage der IKB-Übernahme - die damals aus anderen Gründen, die ich auch
beschrieben habe, getroffen wurde - zu hinterfragen,
halte ich für logisch nicht konsequent, weil dies unterstellen würde, dass die Problematik der Bundesregierung
damals bekannt gewesen sei.
Zu einer Zusatzfrage hat Herr Kollege Solms das
Wort.
Frau Staatssekretärin, im Gegensatz zu dem, was Sie
eben sagten, ist meine Erkenntnis die, dass die Übernahme des Anteils an der IKB durch die KfW im Jahr
2001 ursächlich damit begründet worden war, dass man
verhindern wollte, dass eine ausländische Bank - insbesondere in Rede stand die Royal Bank of Scotland 16068
diese Anteile übernimmt. Vor dem Hintergrund dieser
Tatsache, die auch der Herr Bundesfinanzminister im
Finanzausschuss bestätigt und nicht dementiert hat,
frage ich Sie: Würden Sie bzw. die Bundesregierung
heute nicht der Meinung sein, dass es sehr viel klüger
gewesen wäre, man hätte diese Übernahme durch die
Royal Bank of Scotland durchführen lassen? Das ist eine
Bank, die in der Europäischen Union angesiedelt ist. Insofern spräche kein Grund dagegen. Fremdenfeindlichkeit sollte für uns auch kein Argument sein.
Meine Frage ist also: Sind Sie vor diesem Hintergrund nicht auch der Meinung, dass es sehr viel klüger
gewesen wäre, man hätte diese Übernahme stattfinden
lassen, weil der deutsche Steuerzahler so vor einem riesigen Milliardenschaden bewahrt worden wäre?
Herr Kollege Solms, zum einen lässt sich im Nachhinein natürlich nicht bewerten, welche Konsequenzen
zum Beispiel für die Mittelstandsfinanzierung eine derartige Übernahme gehabt hätte. Diese hätte ja durchaus
auch realwirtschaftliche Konsequenzen haben können.
Wir beide betreiben ja jetzt einen Rückblick und bewegen uns in einem spekulativen Bereich. Insofern muss
ich Sie um Verständnis bitten, dass es mir nicht möglich
ist, die Frage, die Sie gestellt haben, anders als mit Nein
zu beantworten. Es ist nämlich tatsächlich so.
Ich habe zum anderen den Widerspruch, den Sie angesprochen haben, nicht erkennen können. Das, was Sie
beschrieben haben, und die Aussage, es seien durchaus
Sorgen auch vonseiten der Wirtschaft formuliert worden,
hängen ja mit der möglichen Entwicklung der IKB zusammen. Das ist kein Widerspruch, sondern beides ergänzt sich eher.
Die nächste Frage stellt der Kollege Zeil.
Frau Staatssekretärin, würden Sie denn, wenn Sie
rückblickend keine klare Bewertung vornehmen können,
mir für die Zukunft zustimmen, dass das Geschäftsmodell der öffentlichen Banken aufgrund der gemachten
Erfahrungen dringend der Überprüfung bedarf und es
auf ihre eigentliche Tätigkeit zurückgeführt werden
sollte, damit künftig ausgeschlossen werden kann, dass
solche Spekulationsgeschäfte auf dem Rücken der Steuerzahler stattfinden?
Herr Kollege, erstens möchte ich feststellen, dass es
nicht darum geht, dass ich keine klare Bewertung vornehmen kann, sondern vielmehr darum, dass es nicht
Aufgabe der jetzigen Bundesregierung ist, eine Entscheidung der damaligen Bundesregierung zu bewerten.
Zweitens stelle ich fest: Ja, es ist durchaus sinnvoll,
eine Debatte, aber in einem etwas breiteren Rahmen als
den, den Sie aufgezeigt haben, über die Frage der Aufgaben und im Übrigen auch der Struktur der öffentlichen
Banken zu führen.
Das Wort hat der Kollege Schäffler.
Frau Staatssekretärin, ist zum einen zum damaligen
Zeitpunkt, also 2001, vonseiten der KfW oder der Bundesregierung geprüft worden, ob das damalige Geschäftsmodell der KfW, also das klassische Mittelstandsgeschäft, ertragreich war?
Sind Sie zum anderen der Meinung, dass das Mittelstandsgeschäft der KfW heute immer noch ertragreich
ist?
Herr Kollege Schäffler, als jemand, der der Bundesregierung im Jahre 2001 nicht angehört hat, kann ich
Ihre erste Frage nicht beantworten. Ich müsste ansonsten
vage um den Sachverhalt herumreden.
Bezüglich Ihrer zweiten Frage möchte ich darauf hinweisen, dass die Verluste bei der KfW, von denen wir gerade gesprochen haben, nachweisbar durch die Problematik IKB entstanden sind und ansonsten durchaus ein
Ertrag erzielt worden wäre.
({0})
- Entschuldigung, dann habe ich Sie missverstanden.
Wir kommen damit zur dringlichen Frage 4 des Kollegen Carl-Ludwig Thiele:
Wie will die Bundesregierung angesichts des Rücktritts
von Ingrid Matthäus-Maier als Vorstandsvorsitzende die weiteren Belastungen bei der KfW ausgleichen, ohne dass es zu
Einschränkungen bei der Fördertätigkeit der Bank kommt und
es zu weiteren Belastungen des Bundeshaushalts führt?
Frau Präsidentin, bezüglich der Frage von Herrn
Thiele verweise ich auf die vorhin gegebenen Antworten
und darauf, dass es eine Zusage der Bundesregierung bezüglich des ERP-Sondervermögens und die Aussage des
Finanzministers gibt, dass bei der regulären Fördertätigkeit das durchschnittliche Fördervolumen erhalten bleiben soll. Für die technische Ausgestaltung - das betrifft
ja auch die Frage des Haushalts - müssen allerdings tatsächlich noch gemeinsam mit der KfW Lösungen gefunden werden.
Sie haben das Wort zur ersten Zusatzfrage.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, haben Sie vor dem Hintergrund dessen, dass
inzwischen viele Milliarden dorthin geflossen sind, dass
Rücklagen aufgebraucht wurden und dass die KfW im
letzten Jahr aufgrund des gerade und auch vorher schon
geschilderten Vorganges einen Verlust ausgewiesen hat,
nicht auch den Eindruck, dass diese Art der Fördertätigkeit - die KfW ist eine Förderbank; das ist ihre Aufgabe -, die über die Parteigrenzen hinweg begrüßt und
auch von vergangenen Regierungen entsprechend getragen wurde, erheblich dadurch beeinträchtigt wurde, dass
eine private Beteiligung an einem normalen Marktteilnehmer eingegangen wurde, der entsprechende Probleme birgt? Insofern noch einmal die Frage: Haben Sie
nicht die Sorge, dass Fördermaßnahmen durch ein Fehlverhalten zukünftig nicht erfolgen können, die eigentlich
sehr wohl erfolgen sollten oder sogar müssten?
Herr Kollege Thiele, Ihre Formulierung der Frage widerspricht den von mir gerade mehrfach wiederholten
Aussagen, dass bei dem ERP-Sondervermögen das Fördervolumen garantiert wird und dass das durchschnittliche sonstige Fördervolumen sichergestellt werden wird.
Ich bitte sehr um Nachsicht, Frau Staatssekretärin,
dass ich nicht zwingend Ihre Bewertung übernehmen
muss und auch nicht übernommen habe. Mich treibt um,
dass bei einem über die Parteigrenzen hinweg unterstützten Förderinstitut, welches in vergangener Zeit sogar
erheblich ausgebaut wurde, durch die erfolgten finanziellen Transaktionen, insbesondere durch die Beteiligung und durch die Verluste aus der Beteiligung, das
Fördervolumen über das ERP-Sondervermögen hinaus
massiv gefährdet ist und zumindest vonseiten der Regierung auch nicht mehr ausgeweitet werden kann - wenn
es überhaupt in diesem Umfang aufrechterhalten werden
kann. Insofern habe ich die Frage: Können Sie das tatsächlich sicherstellen? Diese Sorge treibt nicht nur mich
um, sie treibt viele um.
Herr Kollege Thiele, ich verstehe, dass diese Sorge
formuliert wird, weil es richtig ist, dass die Fördertätigkeit der KfW wichtig ist. Es freut mich übrigens, dass
Sie noch einmal bestätigen, dass das über alle Parteigrenzen hinweg so gesehen wird; manchmal hatte
man in der Debatte in den letzten Wochen den Eindruck,
dass dem nicht ganz so sei. Ich kann aber nur noch einmal wiederholen: Beim ERP-Sondervermögen ist das
Fördervolumen schriftlich garantiert; bei der allgemeinen Fördertätigkeit müssen wir noch die Zahlen abwarten. Ich gehe aber davon aus, dass es gelingen wird, die
durchschnittliche Fördertätigkeit der letzten Jahre aufrechtzuerhalten. Ich weise noch einmal auf die Aussage
von Minister Steinbrück in dem Zusammenhang hin.
Zu einer Zusatzfrage hat der Kollege Hermann Otto
Solms das Wort.
Frau Staatssekretärin, ich habe in Erinnerung, dass die
bisherige Vorstandsvorsitzende der KfW, Frau MatthäusMaier, schon nach der zweiten Schadensrunde im letzten
Jahr gesagt hat, hätte sie das Ausmaß des Schadens geahnt, dann hätte sie dieser Sanierung nicht zugestimmt.
Es ist ja ihre Aufgabe, die KfW vor Schaden zu schützen. Ist, nachdem sie jetzt nach der vierten Schadensrunde zurückgetreten ist, meine Schlussfolgerung richtig, dass sie in der aufsichtsführenden Behörde, nämlich
dem Bundesfinanzministerium, nicht den notwendigen
Rückhalt dafür gefunden hat, die KfW vor weiteren
Schäden zu schützen, sie stattdessen gezwungen war,
sämtliche Reserven der KfW aufzugeben und sie auch in
die Zukunft hinein zu verschulden, und dass das tatsächlich ihren Rücktritt ausgelöst hat?
Herr Kollege Solms, diese Schlussfolgerung kann ich
aus dem Rücktritt von Frau Matthäus-Maier, die diesen
ja auch mit persönlichen und gesundheitlichen Gründen
erklärt hat, nicht ziehen.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Zeil.
Frau Staatssekretärin, Frau Matthäus-Maier hat ja als
Grund unter anderem das Hin und Her zwischen zwei
Ministerien angegeben und dass sie es leid sei, den Kopf
für Fehler hinzuhalten, die andere gemacht haben. Haben Sie eine Interpretation dafür, was und wen sie damit
gemeint haben könnte?
Herr Kollege, zum einen stehen mir in der Funktion,
in der ich hier stehe, Interpretationen von Aussagen von
wem auch immer - in diesem Fall von Frau MatthäusMaier - nicht zu. Zum anderen ist unabhängig davon
festzustellen gewesen, dass beispielsweise in den Fraktionen, in den Ministerien und auch in der Debatte hier
im Plenum bei der Frage der Entlastung des IKB-Aufsichtsrats in Details und in Nuancen unterschiedliche
Auffassungen bestanden. Ich wiederhole: Mir steht eine
Interpretation hier nicht zu.
Die nächste Frage geht an die Kollegin Hirsch.
Besten Dank. - Ich hatte vorhin die Verantwortung
des Bundesfinanzministers angesprochen, was Sie lediglich mit einem leichten Lächeln quittiert haben. Ich
möchte daher auf diesen Punkt zurückkommen.
In dem Monatsbericht des BMF für März 2006
schreibt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück unter der
Überschrift „Was darf die deutsche Kreditwirtschaft von
der neuen Bundesregierung erwarten?“, dass das Kapitel
„Finanzmarktpolitik“ ein Eckpfeiler des Koalitionsvertrages ist. Der Minister lobt sich in diesem Artikel selbst,
indem er weiterhin schreibt:
Wie wichtig schnelles und unbürokratisches Handeln sein kann, zeigt sich bei unseren Anstrengungen zum Ausbau des deutschen Verbriefungsmarktes.
Ich möchte Sie deshalb fragen, ob Sie an Ihrer vorherigen Aussage, dass der Bundesfinanzminister an dieser
Stelle keine Verantwortung trägt, festhalten wollen.
Selbstverständlich, sehr geehrte Frau Kollegin
Hirsch. Ich halte die Verknüpfung, die Sie vorgenommen
haben, für absolut unzulässig. In Ihrer vorherigen Frage
haben Sie eine direkte und persönliche Verantwortung
des Bundesfinanzministers für die Situation bei der IKB
unterstellt. Was Sie hier gerade vorgelesen haben - Sie
haben im Übrigen nicht, wie Sie behauptet haben, wörtlich zitiert ({0})
- ist ja auch egal -, zeigt, dass es hier um die Grundsätze
des Verbriefungsmarktes geht. Das ist ein völlig anderer
Aspekt.
Auch heute gibt es keinen Anlass, zu sagen, es dürfe
keinen Verbriefungsmarkt geben. Es geht vielmehr um
die Bewertung der Risiken, um eine effektive Aufsicht
und um sachgerechtes Handeln der Banken. Ich bitte Sie
ausdrücklich - ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass sie
es absichtlich in einen unzulässigen Zusammenhang
bringen wollen, oder an fachlicher Unkenntnis ({1})
und fordere Sie auf, diesen Zusammenhang so nicht herzustellen.
Die letzte Frage geht an den Kollegen Schäffler.
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf die
Ursprungsfrage von Herrn Thiele bezüglich des Fördergeschäftes zurückkommen. Der Fonds für allgemeine
Bankrisiken bei der KfW - das haben wir schon festgestellt - ist aufgebraucht. Bei der Zugrundelegung einer
Verzinsung von 5 Prozent hat der Fonds einen Ertrag
von 250 Millionen Euro pro Jahr erbracht. Dieser Betrag
wurde in der Vergangenheit für das Fördergeschäft genutzt. Wenn dieses Geld nun fehlt, wie können Sie dann
vor dem Parlament die Aussage treffen, dass das Fördergeschäft davon künftig nicht beeinflusst ist?
Herr Kollege Schäffler, in Bezug auf das ERP-Sondervermögen gibt es die definitive Aussage der Garantie.
Hinsichtlich des allgemeinen Fördergeschäfts gibt es die
Aussage des Finanzministers, dass dieses Geschäft auf
der durchschnittlichen Höhe erhalten bleiben soll. In diesem Zusammenhang habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir aufgrund der noch nicht vorliegenden
Zahlen zurzeit keine Lösung formulieren können.
Ich weise ebenfalls darauf hin, dass es unterschiedliche Volumina bei der Förderung durch die KfW mit
Peaks in einzelnen Jahren gegeben hat. Es gibt, wie gesagt, die Aussage, dass dieses Geschäft auf der durchschnittlichen Höhe weitergeführt werden soll.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Fragen auf
Drucksache 16/8714.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 1 und 2
der Kollegin Bender sollen schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas
Storm zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 3 der Kollegin Cornelia
Hirsch auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
den Ergebnissen der Studie „Studienberechtigte 2006 ein halbes Jahr nach Schulabschluss“, die bereits im Februar 2008
der Öffentlichkeit präsentiert werden sollten, und warum wurden die Ergebnisse noch nicht publiziert?
Die Frage der Abgeordneten Hirsch beantworte ich
wie folgt: Die Studie „Studienberechtigte 2006 ein halbes Jahr nach Schulabschluss“ wurde am 4. April 2008
als HIS-Publikation - HIS ist das Hochschul-Informations-System - „Forum Hochschule“, 4/2008, veröffentlicht und ist über die Homepage der HIS abrufbar.
Die Studie zeigt beispielsweise, dass die Attraktivität
von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen
zunimmt. Der Anteil der Studienberechtigten, die sich
für Maschinenbau entscheiden, vergrößerte sich um
knapp ein Viertel, von 7 auf 9 Prozent. Maschinenbau
gehört jetzt zu den drei beliebtesten Studienfächern. Der
Anteil der Bereiche Elektrotechnik - 3 Prozent - und
Mathematik/Informatik - 5 Prozent - erhöhte sich im
Vergleich zum Vorjahr um jeweils 1 Prozentpunkt. Diese
Entwicklung zeigt, dass die Aktivitäten der Bundesregierung und der Länder, die Attraktivität von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen zu steigern,
Früchte tragen.
Der in der Studie konstatierte leichte Rückgang der
Studierquote - das ist der Anteil der StudienberechtigParl. Staatssekretär Andreas Storm
ten, die sich für ein Studium entscheiden - ist für die
Bundesregierung ein Hinweis darauf, dass die Bemühungen um eine deutliche Erhöhung des Akademikeranteils nicht nachlassen dürfen. Der Hochschulpakt 2020
zwischen der Bundesregierung und den Ländern, dessen
Zwischenziel es ist, die Zahl der Studienanfängerinnen
und Studienanfänger an deutschen Hochschulen bis zum
Jahr 2010 um über 90 000 zu steigern, setzt sehr positive
und wirkungsvolle Anreize.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
In dieser Studie wurde sehr viel über Studienfinanzierung geschrieben. Dort steht unter anderem, dass ein
Viertel der Befragten, die auf ein Studium verzichten,
angeben, dies aufgrund finanzieller Schwierigkeiten zu
tun. Sie verzichten auf ein Studium, weil sie fürchten,
sich ein Studium nicht leisten zu können. Hat die Bundesregierung über diesen Punkt diskutiert, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie aus diesen Aussagen der
Studie?
Frau Abgeordnete Hirsch, die Bundesregierung hat
diesen Punkt zur Kenntnis genommen. Im vergangenen
Jahr wurde mit der BAföG-Novelle - Erhöhung des
BAföG zum Wintersemester 2008/2009, Anhebung der
Bedarfssätze um 10 Prozent sowie Anhebung der Einkommensgrenzen um 8 Prozent - dafür Sorge getragen,
dass insbesondere Studierende mit einer schwächeren
finanziellen Basis eine erhebliche Besserstellung erfuhren.
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Besten Dank. - Über diese BAföG-Novelle haben wir
uns schon einige Male unterhalten. Wir von der Linken
haben sie als unzureichend kritisiert. Nichtsdestotrotz
möchte ich in meiner zweiten Nachfrage auf den zweiten
Aspekt eingehen. Es geht ja nicht nur um die Finanzierung des individuellen Lebensunterhalts, sondern auch
um die Frage, ob der Zugang zur Hochschule durch Gebühren verschlossen wird. Wir haben schon mehrere
Male nachgefragt, wie die Bundesregierung zum UNSozialpakt steht, der von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde. Er enthält die Forderung, dass ein
Hochschulstudium gebührenfrei sein soll. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie die Bundesregierung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einschätzt, die Revision einer Studentin aus NRW
zuzulassen, die gegen die Einführung von Studiengebühren mit der Begründung geklagt hat, dass Studiengebühren gegen Völkerrecht verstoßen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine abschließende Beurteilung dieses rechtlichen Verfahrens noch nicht möglich. Die Bundesregierung ist generell der Auffassung,
dass die von Ihnen angesprochene internationale Vorgabe von den Bundesländern, die in Deutschland Studienbeiträge eingeführt haben, in vollem Umfang erfüllt
wird, weil die eingeführten Studienbeitragssysteme alle
von sozialen Ausgleichssystemen in Form von sehr
günstigen Darlehen mit sozial abgefederten Konditionen
hinsichtlich der Rückzahlung flankiert werden. So wird
sichergestellt, dass niemand durch die Studienbeitragssysteme und damit aus finanziellen Gründen vom Studium abgehalten wird.
Damit kommen wir zur Frage 4 der Kollegin Hirsch:
Wann gedenkt die Bundesregierung ihre offizielle Antwort
zum Bericht des UN-Menschenrechtsinspektors Vernor
Muñoz über das Recht auf Bildung vom 21. März 2007 zu
veröffentlichen, da der Sonderberichterstatter der Vereinten
Nationen offensichtlich eine umfangreichere Stellungnahme
erwartet ({0}) als die gemeinsame Stellungnahme mit der Kultusministerkonferenz in
der vierten Sitzung des UN-Menschenrechtsrats ({1}), bzw. wie wird sie gegebenenfalls erklären, dass sie keine offizielle Antwort verfassen wird?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung hat in
zweifacher Weise zu dem Bericht Stellung genommen.
Vorab hatte der Sonderberichterstatter einen Entwurf an
die Bundesregierung mit der Bitte übermittelt, sachliche
Richtigstellungen vorzunehmen. Da der Bericht hauptsächlich die vorschulische und schulische Bildung, die
in die Zuständigkeit der Länder fällt, thematisiert, ist die
Bundesregierung dieser Bitte gemeinsam mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister, KMK, nachgekommen. Im Zusammenhang mit der Präsentation des Berichtes vor dem VN-Menschenrechtsrat hat die deutsche
Delegation in Genf zudem eine Erklärung der Bundesregierung und der KMK vorgetragen.
Deutschland hat sich damit im gesamten Verfahren so
verhalten, wie es die internationalen Vereinbarungen
vorsehen. Weder sieht das reguläre Verfahren eine Verpflichtung für Staaten zur Stellungnahme vor, noch ist
eine offizielle Anforderung zu einer Stellungnahme an
Regierungsvertreter ergangen. Schriftliche Stellungnahmen in Form eines Letters oder einer Note Verbale, wie
sie von einigen Staaten, zum Beispiel den USA 2001,
der Türkei 2002 oder China 2003, zu Berichten der damaligen VN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf
Bildung abgegeben wurden, erfolgten auf freiwilliger
Basis. Verschiedentlich in der Presse zitierte Erwartungen des VN-Sonderberichterstatters Professor Muñoz in
Richtung einer Stellungnahme konnten durch das Büro
der Hochkommissarin für Menschenrechte nicht bestätigt werden.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Danke schön. - Wie erklärt sich die Bundesregierung,
dass Vernor Muñoz in der Anhörung des Bildungsausschusses in der letzten Sitzungswoche deutlich gemacht
hat, dass er sich eine deutlich ausführlichere Stellungnahme gewünscht hätte, die ganz klar darauf zielt, dass
in Deutschland entsprechende Konsequenzen gezogen
werden?
Frau Abgeordnete Hirsch, mir ist eine solche Stellungnahme von Professor Muñoz nicht erinnerlich. Ich
hatte bei seinem letzten Besuch in Deutschland vor einigen Wochen die Gelegenheit zu einem mehr als einstündigen Gespräch mit ihm, bei dem wir über eine Reihe
der von ihm angesprochenen inhaltlichen Fragen diskutiert haben. Dabei hat die Frage einer weitergehenden
Stellungnahme keine Rolle gespielt.
Haben Sie eine zweite Nachfrage, Frau Kollegin? Bitte sehr.
Meine zweite Nachfrage bezieht sich darauf, dass
heute von der OECD eine Empfehlung an Deutschland
gerichtet worden ist, die unter anderem beinhaltet, das
gegliederte Schulsystem abzuschaffen. Da es bisher vonseiten der Bundesregierung immer sehr positive und unterstützende Ausführungen hinsichtlich des gegliederten
Schulsystems gab, wollte ich mich erkundigen, ob im
Zuge dieser Empfehlung der OECD jetzt darüber nachgedacht wird, diese Position zu überdenken und auf die
Länder einzuwirken, das gegliederte Schulsystem zu ändern.
Frau Abgeordnete Hirsch, die Bundesregierung sieht
hierzu keinerlei Veranlassung. Es ist in den Stellungnahmen, die die KMK gemeinsam mit dem Bundesbildungsministerium und bei anderer Gelegenheit selber
abgegeben hat, immer deutlich gemacht worden, dass
der Schlüssel für eine Verbesserung der Qualität des Bildungssystems nicht in der Frage der Organisation des
Schulsystems liegt.
Im Übrigen gibt es hierzu empirische Befunde, die alles andere als eindeutig sind. Ich darf zum Beispiel auf
die auf umfangreichen Vorläuferuntersuchungen basierende Längsschnittstudie Lebensverläufe von der späten
Kindheit ins frühe Erwachsenenalter - LIFE verweisen,
die nach ersten Verlautbarungen des Bildungsforschers
Helmut Fend zu dem Ergebnis kommt, dass die Gesamtschulen nicht mehr Bildungsgerechtigkeit als die Schulen des gegliederten Schulsystems schaffen. Die empirischen Befunde machen also deutlich, dass hier
keineswegs eine eindeutige Situation besteht. Im Hinblick auf die Instrumente zur Verbesserung der Qualität
des deutschen Bildungssystems halten wir andere Aspekte für zielführend, nicht die Organisation des Schulsystems.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich bei Ihnen für die
Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 5 und 6
der Kollegin Cornelia Behm werden schriftlich beantwortet.
Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Für die Beantwortung der Fragen steht zur
Verfügung Herr Staatsminister Dr. Gernot Erler.
Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Inge Höger auf:
Welche Position bezieht die Bundesregierung, insbesondere angesichts der restriktiven Vorgaben durch die UN-Resolution 1244, zu der am 19. März 2008 getroffenen Entscheidung der US-amerikanischen Administration, zukünftig
Waffenlieferungen an das Kosovo zu genehmigen?
Frau Kollegin Höger, die Antwort der Bundesregierung lautet: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
hat das mit seiner Resolution 1160 vom 31. März 1998
gegenüber der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien
einschließlich Kosovo verhängte Waffenembargo, auf
das die Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 in ihrer
Ziffer 16 Bezug nimmt, mit seiner Resolution 1367 vom
10. September 2001 aufgehoben.
Nach Kenntnis der Bundesregierung handelt es sich
bei der in der Frage genannten Entscheidung der US-Regierung um einen formellen, nach der völkerrechtlichen
Anerkennung durch die USA für erforderlich gehaltenen
Akt, der zwischen den USA und Kosovo eine grundsätzliche Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet ermöglichen soll. Von konkreten Vorhaben zur Ausfuhr von
Rüstungsgütern in diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung keine Kenntnis.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? - Bitte
sehr.
Herr Erler, unabhängig davon, dass auch ich nicht von
konkreten Waffenlieferungen weiß, ist damit zumindest
die Möglichkeit eröffnet. Außerdem gibt es Untersuchungen des Bundesnachrichtendienstes, wonach die
Regierung Kosovos von der Mafia unterwandert ist.
Meines Erachtens besteht die Gefahr, dass die Waffen
dann bei der Mafia landen. Sehen nicht auch Sie diese
Gefahr im Falle einer Waffenlieferung?
Ich will noch einmal betonen, dass sich diese Entscheidung der USA nicht auf eine konkrete Waffenlieferung bezieht. Die Amerikaner haben in Bezug auf Serbien einen ähnlichen Beschluss gefasst. In dem
amerikanischen Text ist von „Eligibility“ die Rede. Das
heißt, es gibt eine grundsätzliche Entscheidung darüber,
dass Waffen geliefert werden könnten. Insofern gibt es
keinen direkten Anlass zur Sorge.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön.
Präsident Bush hat die Möglichkeit der Waffenlieferung damit begründet, dass dies zum Weltfrieden beitrage. Sind auch Sie der Ansicht, dass Waffenlieferungen
zum Frieden beitragen?
Nein, eine solch grundsätzliche Aussage kann man sicherlich nicht treffen. Aber es ist klar, dass Sicherheitskräfte entsprechende Waffen haben müssen. Sie wissen,
dass es in Kosovo nach den Vorschlägen von Ahtisaari
eine Kosovo Security Force geben wird, die sozusagen
mit beschränkter Haftung für einige Sicherheitsbereiche
zuständig sein wird. Dass sie eine entsprechende Ausrüstung haben muss, ist selbstverständlich.
Ich rufe nun die Frage 8 der Kollegin Marieluise Beck
auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das
jüngste Vorgehen der russischen Behörden gegen das russisch-britische Unternehmen TNK-BP, dessen Büroräume wie
auch die Räume von BP selbst am 19. März 2008 von Mitarbeitern des Inlandsgeheimdienstes FSB und des Innenministeriums durchsucht wurden, dessen 148 ausländische Mitarbeiter zwischenzeitlich aufgrund von angeblichen
Visaproblemen aus den Büros abgezogen wurden und dem
gleichzeitig eine Inspektion seines größten Ölfeldes durch die
russische Umweltbehörde bevorsteht, im Zusammenhang zu
sehen ist mit dem am 2. April 2008 von der russischen Duma
verabschiedeten Gesetz zur Beschränkung ausländischer Investitionen in 42 „strategischen Bereichen“, darunter auch
dem Energiebereich, und dass beides Anzeichen einer zunehmenden Verschlechterung des Investitionsklimas in Russland
sind?
Frau Kollegin Beck, Sie haben der Bundesregierung
praktisch drei Fragen gestellt. Meine Antwort für die
Bundesregierung lautet folgendermaßen: Für einen direkten Zusammenhang zwischen dem zitierten Vorgehen
der Behörden der Russischen Föderation gegenüber dem
russisch-britischen Unternehmen TNK-BP und dem von
der Staatsduma der Russischen Föderation am 2. April
2008 in dritter Lesung verabschiedeten Gesetz zum
„Verfahren der Durchführung von ausländischen Kapitalanlagen und Wirtschaftsgesellschaften, die strategische Bedeutung für die nationale Sicherheit der Russischen Föderation haben“ hat die Bundesregierung keine
Anhaltspunkte.
Die Bundesregierung beobachtet - auch im Zusammenhang mit dem zitierten Vorgehen der Behörden der
Russischen Föderation - die Entwicklung des allgemeinen Investitionsklimas in der Russischen Föderation mit
großer Wachsamkeit. Von einer „Verschlechterung des
Investitionsklimas“ wäre auszugehen, wenn sich Vorgänge wie im Fall TNK-BP häufen würden und sich
deshalb eine relevante Anzahl von Investoren aus der
Russischen Föderation zurückziehen müsste. Die ausländischen Investitionen in Russland haben sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Minister, wie schön, dass das Auswärtige Amt
bis drei zählen kann. - Wann würden Sie denn von einer
relevanten Anzahl ausgehen? Wie würden Sie das definieren? Ist es nicht so, dass dieses Vorgehen gegenüber
TNK-BP quasi wie eine Blaupause dem entspricht, was
bei Shell gemacht worden ist, was letztlich dazu führte,
dass Gasprom Mehrheitsanteile übernehmen konnte? Ist
es nicht ein Vorzeichen dafür, dass die avisierte Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, die auch für die Einhaltung der Menschenrechte notwendig ist - und die wir
von Medwedew erwarten -, durch das reale Handeln der
russischen Regierung und Behörden im Augenblick
nicht gedeckt ist?
Auch das waren mehrere Teile. - Zunächst einmal
geht es um die Frage: Ab wann sind tatsächlich Auswirkungen auf das allgemeine Investitionsklima zu spüren?
Frau Beck, ich glaube, Sie kennen die Entwicklung sehr
gut. Allein im Jahr 2007 kam es zu einer Zunahme der
deutschen Direktinvestitionen in Russland in Höhe von
1,17 Milliarden US-Dollar, und die Gesamtsumme ist
bis zum Jahr 2007 auf 4,5 Milliarden US-Dollar gestiegen. Es gibt also überhaupt keine Anzeichen dafür, dass,
was die Direktinvestitionen in Russland angeht, Zurückhaltung geübt wird; im Gegenteil. Insofern kann man
nicht sagen, dass dieser Fall bisher eine besondere Wirkung im negativen Sinne hatte. Das erwarten wir auch
nicht.
Wer genau beobachtet hat, wie BP reagiert hat, konnte
feststellen, dass auch von dieser Seite der Versuch unternommen wurde, die Vorfälle nicht zu dramatisieren. Sie
wurden eher als unglücklicher Umstand bezeichnet. Wie
Sie wissen, stehen auch Vorwürfe gegen Einzelpersonen
im Raum, die noch geprüft werden; dabei geht es unter
anderem um den Vorwurf der Spionage. Auch BP hat
kein Interesse daran, dass diese Vorfälle zu einer nachhaltigen Schädigung des Russlandgeschäfts führen, sondern setzt auf eine konstruktive Zukunft.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja. - Wir haben heute Morgen darüber diskutiert, dass
die Europäische Union gerade mit Russland über ein
neues PKA verhandelt, das bald verabschiedet wird. In
diesem PKA werden die Bedingungen der Transparenz
und der Rechtssicherheit in Russland festgeschrieben.
Insofern bin ich etwas erstaunt, dass Sie die Vorgänge
bei TNK-BP als unglücklichen Umständen geschuldet
ansehen. Es ist doch wohl nicht durch einen unglücklichen Umstand zu erklären, dass auf einmal sonderbarerweise bei 148 ausländischen Mitarbeitern einer Firma
Visaprobleme auftreten. Ich bin etwas verwundert, mit
welcher Harmlosigkeit - wenn ich das einmal so ausdrücken darf - das Auswärtige Amt mit diesem Vorfall umgeht.
Frau Beck, ich fürchte, ich habe mich vielleicht nicht
genau genug ausgedrückt. Ich habe die Reaktion der
Führung von BP geschildert, nicht die Reaktion der Bundesregierung. Ich habe darauf hingewiesen, dass BP sich
auf eine Art und Weise äußert, die beruhigend und nicht
dramatisierend wirkt. Das war der Punkt, den ich deutlich machen wollte. Ich habe mir diese Auffassung nicht
zu eigen gemacht.
Zu einer Zusatzfrage Herr Beck, bitte.
Sie haben gerade betont, dass Sie nicht die Reaktion
der Bundesregierung geschildert haben. Wie ist denn die
Reaktion der Bundesregierung auf diese Vorfälle?
Herr Kollege Beck, wir haben uns natürlich sehr intensiv mit dem Inhalt des Gesetzes vom 2. April dieses
Jahres beschäftigt. Mit diesem Gesetz wird ganz eindeutig der Versuch unternommen, im Hinblick auf ausländische Direktinvestitionen in Russland klare Grenzen einzuziehen. So wurde unter anderem eine generelle
Genehmigungsschwelle bei 50 Prozent beschlossen.
Wenn es um Bodenschätze geht, liegt diese Schwelle für
Privatunternehmer sogar bei nur 10 Prozent. Das ist ein
Punkt, der uns durchaus Sorgen macht und dazu führen
wird, dass wir unseren russischen Kollegen die eine oder
andere Frage stellen müssen.
Wir alle wissen, dass in Russland insbesondere im
Energiebereich bzw. bei den Bodenschätzen enormer Investitionsbedarf besteht. Dass in 42 Bereichen, die als
strategisch eingeschätzt werden, für ausländische Direktinvestitionen, die dringend gebraucht werden, solche
Grenzen gezogen werden, ist eigentlich ein Widerspruch
zu den Interessen Russlands. Wir werden noch viele Gelegenheiten haben, mit unseren russischen Kollegen über
dieses Thema zu diskutieren.
Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Kasparick zur Verfügung.
Die Frage 9 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wird schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 10 der Kollegin Rita
Schwarzelühr-Sutter auf:
Ist es zutreffend, dass die Schweiz in ihrem Bemühen, die
Deutsche Verordnung, DVO, die die Anflüge zum Züricher
Flughafen über deutsches Gebiet begrenzt, aufzulockern, ein
Angebot an das Auswärtige Amt geschickt hat mit dem Ziel,
die Nutzung des deutschen Luftraumes auszuweiten, und,
wenn ja, welchen konkreten Inhalt umfasst dieser Brief?
Frau Kollegin, ich kann Ihnen dazu sagen: Es hat am
25. März in Berlin ein Gespräch der Außenämter auf
Staatssekretärsebene gegeben. Dabei hat die Schweizer
Seite Unterlagen vorgelegt, mit denen sie eine „umfassende Partnerschaft für die Region Südbaden/Nordschweiz“ angeboten hat. Diese Unterlagen wurden von
der Schweiz als das Ergebnis langwieriger nationaler
Abstimmungen zwischen Verwaltung und Wirtschaft
vorgestellt, mit großzügigen jährlichen Investitionen.
Aus Schweizer Sicht sollte das Thema „Flughafen Zürich“ nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit den Fragen des Wirtschaftsraumes
Nordschweiz/Südbaden.
Die deutsche Seite hat diese Vorschläge mit Zurückhaltung entgegengenommen und noch einmal daran erinnert, dass die Regelung für das Anflugsregime des Flughafens Zürich von den Verkehrsministerien, die hier
federführend sind, vorgenommen wird. Sie wissen, dass
wir mit den Kollegen in der Schweiz darüber Gespräche
führen.
Eine Nachfrage? - Bitte.
Hat die Bundesregierung Kenntnis von Paketlösungen, die seit längerem zwischen der Schweiz und der
Landesregierung Baden-Württembergs verhandelt werden?
Sie wissen, dass wir uns mit der Schweizer Seite in
ständigem Gespräch befinden. Wir haben uns darauf verständigt, eine gemeinsame Arbeitsgruppe einzurichten.
Wir warten allerdings auf konkrete Vorschläge der
schweizerischen Seite. Die Bereitschaft der deutschen
Seite, die Gespräche fortzusetzen, sobald konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, besteht unbenommen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage dazu? - Nein.
Dann kommen wir zur Frage 11 der Kollegin
Schwarzelühr-Sutter:
Wie wird die Bundesregierung auf das Ansinnen der
Schweiz, die Deutsche Verordnung, DVO, zu lockern, reagieren?
Für uns ist Grundlage der runde Tisch auf Ministerebene vom 31. Oktober 2006, bei dem wir uns mit den
Schweizern einvernehmlich darauf verständigt haben, in
einer Arbeitsgruppe Lösungen entwickeln zu lassen
- ich habe eben schon kurz darauf Bezug genommen -,
die für alle Betroffenen, für die Betroffenen beider Seiten, Verbesserungen bewirken. Bauliche Veränderungen
am Flughafen Zürich sind als eine Lösungsmöglichkeit
in die Gespräche einbezogen worden.
Für uns - das bezieht sich jetzt direkt auf Ihre Frage gibt es keine Veranlassung, von dieser Vereinbarung abzuweichen. Das heißt, konkrete Lösungsansätze seitens
der Schweiz mit erkennbaren Verbesserungen für die
süddeutsche Grenzregion bleiben - das ist unverändert
unsere Auffassung - der Schlüssel für eine erfolgversprechende Fortsetzung der Arbeiten.
Eine Zusatzfrage?
Nein, danke.
Die Frage 12 der Kollegin Sevim Dağdelen wird
schriftlich beantwortet. Ebenso werden die Fragen 13
und 14 des Kollegen Rainder Steenblock und die Fragen 15 und 16 des Kollegen Peter Hettlich schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Undine Kurth werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 19 und 20
der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Fragen 21 und
22 des Kollegen Hans-Josef Fell sowie die Frage 23 der
Kollegin Bärbel Höhn und die Frage 24 der Kollegin
Ulrike Höfken.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Für die Beantwortung steht
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Peter Altmaier zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 25 der Kollegin Veronika Bellmann
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Kollision von Beförderungspflicht nach den Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes, PBefG, im Zusammenhang mit dem Verbot der Diskriminierung von Ausländern und der fehlenden
Pflicht zur Vorlage von Ausweis- bzw. Passdokumenten vor
Aufnahme des Fahrgastes in Taxis innerhalb der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die anschließende strafrechtliche Verfolgung dieser Taxifahrer wegen Transportes illegal Eingereister?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin, ich
habe Ihre Frage so verstanden, dass sie sich vor allen
Dingen auf den Transport im Inland bezieht. Es gab eine
Reihe von Äußerungen der Bundesregierung auch zum
Transport im Grenzbereich. Im Inland besteht grundsätzlich die Beförderungspflicht nach § 22 des Personenbeförderungsgesetzes, und zwar innerhalb des sogenannten
Pflichtfahrbereichs. Eine etwaige Strafbarkeit ist anhand
der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Allerdings gehen wir davon aus, dass es sich vor allen Dingen um solche Fälle handelt, die sich im grenzüberschreitenden Verkehr zutragen.
Darüber hinaus stellt die Kontrolle von Ausweispapieren von Fahrgästen durch Taxifahrer keinen Verstoß
gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar. Die
Taxifahrer sind nicht dazu verpflichtet; sie sind aber
auch nicht gehindert, sich Ausweispapiere vorlegen zu
lassen.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?
Ja. - Ich kenne das Personenbeförderungsgesetz nicht
so detailliert, als dass ich wüsste, ob in diesem Gesetz
eine Berechtigung verankert ist, die Taxifahrer berechtigt, sich Ausweispapiere vorlegen zu lassen. Sie können
ja Beförderungen ablehnen, wenn offensichtliche Beeinträchtigungen des Fahrgastes den Transport erschweren.
Könnten sie dies auch, sofern im Personenbeförderungsgesetz die Berechtigung enthalten wäre, sich Ausweispapiere vorlegen zu lassen, wenn sie den Verdacht oder die
Vermutung hätten, dass der zu befördernde Fahrgast illegal eingereist sei?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Nach
Auffassung unseres Hauses ist es jedenfalls durchaus zulässig, dass sich der Taxifahrer auch heute schon diese
Papiere vorlegen lässt.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Nein.
Herr Beck, bitte sehr.
Dieser Austausch von Fragen und Antworten irritiert
mich schon etwas. Wie will denn die Bundesregierung
vermeiden und verhindern, dass es zur Diskriminierung
kommt, wenn von Berlin das Signal ausgeht, dass man
sich im Taxi von Menschen, die illegal eingereist sein
könnten, in Zukunft die Ausweise vorzeigen lässt? Was
heißt denn dies anderes, als dass jeder, der von seiner
Haut- oder Haarfarbe her irgendwie fremdländisch aussieht, nach seinen Papieren gefragt wird? Dies hielte ich
für eine erhebliche Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Die Bundesrepublik hat sich durch Zustimmung zu der entsprechenden Antidiskriminierungsrichtlinie der EU dazu verpflichtet, so etwas bekämpfen
und nicht noch fördern zu wollen. Wie sieht man jemandem an der Nasenspitze an, dass er illegal ist? Man kann
ihm allenfalls ansehen, dass seine Eltern vielleicht nicht
in Hannover oder Hamburg geboren sind. Viel mehr
kann man dem Menschen nicht ansehen.
Herr Kollege Beck, nach Auffassung der Bundesregierung wäre es durchaus auch in Ordnung, wenn der
Taxifahrer von Ihnen die Vorlage von Ausweispapieren
verlangte, wenn er einen konkreten Verdacht oder Hinweise darauf hätte, dass Sie versuchten, illegal ins Bundesgebiet einzureisen. Dies ist in erster Linie keine
Frage der Hautfarbe. Wie Sie wissen, sind viele derer,
die aus den uns umgebenden Ländern illegal einreisen,
anhand der Hautfarbe jedenfalls nicht als illegal Einreisende zu erkennen.
Es gibt aber ein Problem, das Ihnen aufgrund Ihrer
Erfahrung sicherlich auch bekannt ist: Wenn es den betreffenden Personen gelungen ist, die Grenze illegal zu
überschreiten, kann man in dem Schleier, dem 20-Kilometer-Raum entlang der Grenze, durchaus verschärfte
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines solchen
Transports haben. Uns geht es insbesondere darum, zu
vermeiden, dass sich Taxifahrer wissentlich und willentlich an der Schleusung illegal Eingereister beteiligen.
Frau Bellmann, bitte sehr.
Jetzt muss ich doch noch einmal eine Nachfrage stellen. Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben von dem
Schleier, also dem Grenzraum. Genau darauf habe ich
mit meiner Frage abgezielt, weil in meiner Bürgersprechstunde gehäuft Bürger vorsprechen, die Taxiunternehmer oder deren Angestellte sind und im Grenzraum,
also innerhalb dieser 35-Kilometer-Zone, Fahrgäste aufgenommen und nach einer Stichprobe einen Strafbefehl
erhalten haben. Sie haben bemängelt, dass sie nicht die
Pflicht haben, sich die Ausweise vorlegen zu lassen,
während sie im Inland gleichzeitig der Beförderungspflicht unterliegen. Wie eben angeklungen, haben sie
Angst, gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
zu verstoßen, wenn sie die Fahrgäste nach den Ausweispapieren fragen. Deswegen meine Frage: Gibt es Bestrebungen der Bundesregierung, diese kleine Lücke im Gesetz zu schließen und zumindest für den grenznahen
Raum die Berechtigung einzuführen, sich die Ausweispapiere vorlegen zu lassen? Die Taxifahrer befinden sich
hier in einer Grauzone.
Ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, dass es sich hier
um schwierige Einzelfallfragen handelt, denen sich ein
betreffender Taxifahrer gegenübersieht. Aus diesem
Grund ist die Aussage der Bundesregierung heute sehr
eindeutig: Es ist kein Verstoß gegen das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz, wenn sich der Taxifahrer die
Ausweispapiere vorlegen lässt. Der Kollege Beck ist anderer Auffassung, aber er spricht insoweit nicht für die
Bundesregierung.
({0})
Sollte sich in der nächsten Zeit herausstellen, dass
diese Auffassung der Bundesregierung nicht von allen
relevanten Stellen - insbesondere von den Rechtspflegeorganen nicht - geteilt wird, müsste man in der Tat über
entsprechende Klarstellungen nachdenken.
Die Frage 26 der Kollegin Sevim Dağdelen wird
schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 27 der Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem Bericht des Bundesrechnungshofes über die Mitarbeit
von Beschäftigten aus Verbänden und Unternehmen in obersten Bundesbehörden, und was hat die Bundesregierung unternommen, um auszuschließen, dass Partikularinteressen von
Verbänden und Unternehmen in Gesetzentwürfe der Regierung einfließen?
Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die Bundesregierung nimmt diesen Bericht sehr
ernst. Der Bundesrechnungshof erkennt in seinem
Bericht das Instrument des Personalaustausches mit
Wirtschaftsunternehmen und -verbänden und die Einbeziehung von verwaltungsfremdem Sachverstand im Übrigen grundsätzlich an. Durch den Personalaustausch
sollen den Beschäftigten Einblicke in die Entscheidungsabläufe der jeweils anderen Stelle vermittelt werden; so soll ein gegenseitiges Verständnis zwischen privater Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung gefördert
werden. Das war der Grund, warum diese Praktiken unter der Vorgängerregierung initiiert worden sind. Es ist
dann Sache jeder obersten Bundesbehörde, durch
geeignete Regelungen sicherzustellen, dass Partikularinteressen von Verbänden und Unternehmen nicht in GeParl. Staatssekretär Peter Altmaier
setzentwürfe einfließen. Dem Bericht des Bundesrechnungshofes ist zu entnehmen, dass die Prüfung keine
Anhaltspunkte für einen konkreten Verdacht auf Missbrauch und Schaden für den Bund und das von ihm zu
vertretende Gemeinwohl ergeben hat.
Im Interesse des Vertrauens in die Integrität und die
Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung unterstützt die
Bundesregierung allerdings das Anliegen des Bundesrechnungshofes, den Einsatz dieser Personen einheitlich
auszugestalten. Deshalb hat das Bundesinnenministerium einen Vorschlag entwickelt, mit dem die Anmerkungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen werden.
Dieser Entwurf wird derzeit innerhalb der Bundesregierung erörtert.
Eine Nachfrage, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Herr
Staatssekretär. Vor meiner ersten Nachfrage möchte ich
Sie erst einmal dafür loben, dass Sie den Bericht sehr
ernst nehmen.
Der Bericht wurde ja durch Fragen unserer Fraktion
und auch Fragen anderer Fraktionen sowie durch Recherchen von Journalisten angeregt. Quasi zeitgleich ist
ein Buch der Autoren Kim Otto und Sascha Adamek mit
dem Titel Der gekaufte Staat vorgestellt worden, das
beim renommierten Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen ist.
({0})
Jetzt komme ich zu meiner ersten Frage. Ein Vertreter
des Bundesgesundheitsministeriums hat das Buch als
„spätpubertäres Geschreibsel“ bezeichnet. Darf ich davon ausgehen, dass diese Aussage von der Bundesregierung insgesamt nicht geteilt wird und dass diese Dinge
auch in Ihrem Sinne, Herr Staatssekretär, sehr ernst genommen werden?
Frau Kollegin Lötzsch, da ich diese Aussage im Moment nicht verifizieren kann, möchte ich mir auch eine
Kommentierung verkneifen.
Sie haben noch eine zweite Frage, die aber hoffentlich
nicht wieder mit Schleichwerbung verbunden ist.
({0})
Nein, ich glaube, das haben jetzt alle gut verstanden. Herr Staatssekretär, meine zweite Frage bezieht sich
konkret auf den Bericht des Rechnungshofes, der in den
verschiedenen Gremien diskutiert werden wird. In dem
Bericht wird zum Ausdruck gebracht, dass es der Rechnungshof für problematisch hält, Unternehmensinteressen oder Interessen einzelner Wirtschaftsbranchen mit
staatlichen Zielen gleichzusetzen. Ich gehe davon aus,
dass Sie diese Auffassung teilen.
In diesem Zusammenhang frage ich Sie, wie die Bundesregierung die Tatsache bewertet, dass im Rahmen eines Austauschprogrammes eine Mitarbeiterin des DAXUnternehmens SAP im Auswärtigen Amt hoheitliche
Aufgaben übernommen hat - das wird auf Seite 42 des
Berichts festgestellt -, und welche Aufträge der Bundesregierung das Unternehmen SAP in den letzten fünf Jahren einwerben konnte.
Frau Kollegin Lötzsch, wie Sie wissen, handelt es
sich ressortweit um insgesamt rund 100 Personen pro
Jahr. Insoweit bitte ich Sie um Verständnis, dass ich an
dieser Stelle nicht zu jeder einzelnen dieser Personen
umfängliche Detailaussagen machen kann. Wir werden
Sie aber gerne schriftlich informieren.
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Volker
Beck das Wort.
In gewisser Weise handelt es sich um ein freundliches
Wiedersehen mit diesem Thema; denn im Oktober 2006
haben wir uns zum ersten Mal damit befasst. Seinerzeit
haben Sie uns noch darüber informiert, dass es keine solchen Mitarbeiter gibt und dass alle externen Mitarbeiter
von der Bundesregierung bezahlt werden. Als ihre Existenz nicht mehr zu leugnen war, haben Sie auf unsere
Kleine Anfrage geantwortet, dass keine externen Mitarbeiter an Gesetzen und Rechtsverordnungen mitgewirkt haben. All dies hat sich nach dem Bericht des Bundesrechnungshofes als falsch erwiesen.
Wenn Sie sagen, es sei kein Schaden entstanden, frage
ich Sie, welche Auffassung des Begriffs Schaden die
Bundesregierung in diesem Fall hat. Zumindest in einem
Fall - insofern frage ich Sie, ob Sie das bestätigen können - hat ein entsandter Mitarbeiter im Interesse des entsendenden Unternehmens vorgeschlagen, eine EURichtlinie in Brüssel zu Fall zu bringen, die zum Ziel gehabt hätte, dass das Geschäftsmodell des entsendenden
Unternehmens künftig nicht mehr zulässig ist. Meinen
Sie nicht, dass es - selbst wenn es keinen ökonomischen
Schaden für Mitbewerber bedeuten sollte, was ich im
Einzelfall nicht beurteilen kann, weil ich die Richtlinien
nicht kenne - zumindest ein Schaden für die Rechtskultur ist, wenn Unternehmen ihre Interessen unmittelbar in
Regierungshandeln umsetzen können und Deutschland
in Brüssel im Interesse von Unternehmen statt der gesamten deutschen Wirtschaft handelt?
Herr Kollege Beck, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie haben davon gesprochen, dass der betreffende
Mitarbeiter - ich kenne den Fall im Einzelnen nicht - ei16078
nen Vorschlag gemacht hat. Sie haben nicht gesagt, dass
diesem Vorschlag entsprochen und dass er umgesetzt
worden ist.
({0})
Ich glaube, dass der Umstand, dass Vorschläge gemacht
worden sind, als solcher keinen Schaden konstituieren
kann.
Ich will Ihnen aber in einem Punkt ausdrücklich recht
geben. Es muss in der Verantwortung eines jeden Ressorts darauf geachtet werden, dass Externe, soweit sie
zum Einsatz kommen, so eingesetzt werden, dass beispielsweise die Gefahr einer Interessenkollision und Interessenvermengung bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und der Mitwirkung an Rechtsetzungsprozessen
auf europäischer Ebene oder im internationalen Bereich
ausgeschlossen ist.
({1})
Frau Kollegin Hänsel, bitte.
Danke, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Nachfrage,
Herr Staatssekretär. Sie haben ausgeführt, dass ein Entwurf vorliegt, um den Einsatz von Leiharbeitern und
Leiharbeiterinnen aus Unternehmen, wie ich sie einmal
nennen möchte, einheitlich zu regeln. Was heißt für Sie
„einheitlich“, und können Sie persönlich garantieren,
dass an diesem Entwurf kein Vertreter der Konzerne mitgewirkt hat?
Frau Kollegin, „einheitlich“ heißt, dass wir in einer
Verwaltungsvorschrift oder Empfehlung - je nachdem,
wie wir die Bestimmung ausgestalten werden - bestimmte Regelungen für alle Ressorts gemeinsam und
einheitlich vornehmen, insbesondere bezogen auf die
Einsatzdauer und den Einsatzbereich der Externen, die
Offenlegung ihres Status - das entspricht dem Ziel einer
verbesserten Transparenz - und schließlich auch in Bezug auf die Übernahme der Bezahlung der Externen
durch die Verwaltung.
Wir befinden uns bei der Erarbeitung dieser Verwaltungsvorschrift in der Ressortabstimmung. Wir haben
für den 24. April zu einer weiteren Ressortabstimmung
eingeladen. Wir hoffen, dass die Abstimmung bis Ende
Mai 2008 abgeschlossen ist. Es kann sicherlich zu einer
Verschiebung von ein bis zwei Wochen kommen. Aber
wie Sie sehen, werden wir zügig zu einem Ergebnis
kommen. Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen,
wer an der Erarbeitung dieser Vorschrift mitgewirkt hat.
Wir werden aber überprüfen und sicherstellen, dass
keine Externen daran beteiligt waren.
({0})
Eine weitere Frage hat Frau Kollegin Dr. Höll.
Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Antwort gesagt, dass die Bundesregierung den Bericht des
Bundesrechnungshofes sehr ernst nimmt. Ich gehe davon aus, dass jede Bundesregierung auch Anfragen von
Abgeordneten ernst nimmt. Ich möchte darauf hinweisen, dass im Jahre 2003 meine Kollegin Gesine Lötzsch
nach einem Fall gefragt hatte, in dem eine Juristin des
Bundesverbandes Investment und Asset Management
maßgeblich bzw. federführend an der Erarbeitung eines
Gesetzentwurfs des Finanzministeriums zu den Hedgefonds beteiligt war. Das spielte damals im Bundestag
eine Rolle. Das war noch unter Rot-Grün. Angesichts
solcher Erfahrungen wäre es sinnvoll gewesen, bei der
Regierungsübernahme darauf hinzuwirken, dass solche
Praktiken eingedämmt werden. Stattdessen müssen wir
- auch anhand des Berichtes des Bundesrechnungshofes leider konstatieren, dass die Zahl solcher Fälle explosionsartig angestiegen ist. Vor diesem Hintergrund interessieren mich die Beweggründe, warum man bislang
nicht tätig geworden ist. Wie können wir sicher sein,
dass der Sinneswandel, den Sie hier ausgedrückt haben,
tatsächlich fundamental sein wird?
Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis, dass sich die
jetzige Bundesregierung ungern für Entscheidungen in
Haftung nehmen lässt, die die Vorgängerregierung getroffen hat, zumal ich selbst damals noch nicht die Ehre
hatte, für die Bundesregierung zu sprechen. Ich möchte
allerdings darauf hinweisen, dass wir uns, unmittelbar
nachdem dieses Thema wieder an uns herangetragen
wurde - auch durch die Medien, was ich ausdrücklich
anerkenne -, dieser Sache angenommen haben. Wir haben nicht gewartet, bis der Bericht des Bundesrechnungshofes vorliegt, sondern sind aus eigenem Antrieb
aktiv geworden und haben als zuständiges Bundesinnenministerium die Erarbeitung dieser Verwaltungsvorschrift auf den Weg gebracht.
Eine weitere Frage hat nun Herr Kollege Schneider.
Herr Staatssekretär, Sie haben einleitend gesagt, dass
Sie solche Praktika in einem gewissen Umfang für unproblematisch hielten, weil man die Verfahrensabläufe
kennenlernen müsse. Nun diskutieren wir im Bereich
von Forschung und Bildung ebenfalls über Praktika;
auch Ihr Kollege Scholz befasst sich damit. In diesem
Zusammenhang höre ich immer wieder, dass Praktika
zeitlich befristet sein sollen. Stimmen Sie mir daher zu,
dass in dem Bericht eine Reihe von Praktika genannt
Volker Schneider ({0})
sind, die von ihrer Dauer her über das Kennenlernen von
Verfahrensabläufen hinausgehen?
Das Thema der zeitlichen Befristung spielt eine gewisse Rolle im Bericht des Bundesrechnungshofes. Es
gibt dazu konkrete Empfehlungen. Die Bundesregierung
prüft derzeit, inwieweit sie diese Empfehlungen aufgreift.
Wir kommen nun zu Frage 28 der Kollegin Dr.
Dagmar Enkelmann:
Wie bewertet die Bundesregierung die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes in Bezug auf die Beteiligung von Lobbyisten an der Gesetzgebung des Bundes?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Enkelmann, ich kann nur das wiederholen, was ich auf die vorherige Frage geantwortet habe:
Wir nehmen den Bericht des Bundesrechnungshofes
sehr ernst. Wir bemühen uns, daraus Schlussfolgerungen
zu ziehen. Aus diesem Grunde erarbeiten wir derzeit
eine Verwaltungsvorschrift, die für eine einheitliche Praxis der obersten Bundesbehörden Sorge tragen soll.
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat nun inzwischen erklärt, dass einer der Gründe für die Beschäftigung von Lobbyisten, zum Beispiel bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen, ist, dass es offenkundig zu
wenig Kompetenz in den Ministerien selbst gibt. Was
will die Bundesregierung tun, um die Kompetenz in den
Ministerien zu stärken und damit den Einsatz von Lobbyisten bei Gesetzgebungsverfahren zu minimieren?
Das haben Sie, Frau Kollegin, wahrscheinlich falsch
verstanden. Die Bundesregierung würde nie behaupten,
dass es zu wenig Kompetenz in den Ministerien selbst
gibt. Es gibt allerdings auch in der öffentlichen Debatte
seit vielen Jahren einen Konsens darüber, dass es gerade
für die öffentliche Verwaltung sinnvoll sein kann, externen Sachverstand mit heranzuziehen, zumal dann, wenn
die Sachverhalte, die zu klären sind, solche sind, mit denen die Verwaltung nicht jeden Tag beschäftigt ist. Insofern hat der Bundesrechnungshof ausdrücklich anerkannt, dass dieses Instrument des Austausches seine
Berechtigung hat. Man muss allerdings immer darauf
achten, dass keine Interessenkonflikte entstehen, und
deshalb muss ausgeschlossen sein, und zwar zu jeder
Zeit, dass solche externen Mitarbeiter beispielsweise federführend an der Erarbeitung von Gesetzentwürfen beteiligt sind. Das ist nach meiner Kenntnis - es gibt noch
eine Frage des Kollegen Beck zu diesem Komplex - bislang auch nicht vorgekommen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Ein uns bekannter Haushaltsexperte der CDU hat gegenüber der Berliner Zeitung Folgendes geäußert:
Wir brauchen eine klare Grenzziehung zwischen
der notwendigen Beratung durch Private und nicht
erwünschten Kumpanei.
Wie viel nicht erwünschte Kumpanei war denn tatsächlich bei der Beschäftigung von Lobbyisten in den Ministerien vorhanden?
Ich kann der Aussage des Kollegen aus dem Haushaltsausschuss überhaupt nichts hinzufügen. Sie ist in
vollem Umfang berechtigt. Mir ist von Kumpanei nichts
bekannt. Für das Bundesinnenministerium und seinen
Geschäftsbereich kann ich dies ausdrücklich ausschließen.
({0})
Eine Nachfrage hat nun die Kollegin Dr. Lötzsch.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
stimmen Sie mir zu, dass dann, wenn Lobbyisten an Gesetzen oder wesentlichen Bestandteilen von Gesetzen federführend oder wesentlich mitarbeiten, die demokratischen Rechte der Abgeordneten eingeschränkt werden,
solange es keine Kennzeichnungspflicht für die von den
Lobbyisten formulierten Passagen in den Gesetzen gibt?
Frau Kollegin Lötzsch, die Bundesregierung legt
Wert darauf, dass man ihr nicht das Wort im Munde umdreht. Wenn Sie mir zugehört haben, dann wissen Sie,
dass ich darauf hingewiesen habe, dass uns keine Anhaltspunkte vorliegen, dass solche externen Beschäftigten federführend an Gesetzentwürfen der Bundesregierung mitgearbeitet haben. Deshalb erübrigt sich Ihre
Frage.
Eine weitere Nachfrage hat die Kollegin Dr. Höll.
Herr Staatssekretär, ich bin jetzt ein kleines bisschen
verwirrt. Auf meine vorige Nachfrage haben Sie mir versichert, dass Sie sofort aktiv geworden sind, als Sie von
der Presse informiert wurden. Also, Ihnen ist nichts von
Kumpanei bekannt. Ihnen war vorher nicht aufgefallen,
dass das vielleicht ein sensibler Bereich ist, obwohl es
nach meinem Wissen, das ich hier im Parlament erworben habe, beim Gesetzgebungsverfahren so ist, dass Entwürfe der Regierung vorgestellt und mit offiziellen
Sachverständigen beraten werden - die Listen sind bekannt - und das Parlament sich dann das Recht nimmt,
selbst mit den Sachverständigen zu diskutieren. Diese
praktischen Dinge werden also sehr intensiv beraten.
Mir leuchtet Ihr Argument des Praxisaustauschs nicht
ganz ein, weil, wie ich glaube, dort große Gefahren liegen. Warum denn nun trotzdem eine Aktivität? Alles ist
paletti, und nun werden Sie auf einmal aktiv. In welche
Richtung werden Sie denn aktiv, und warum denken Sie,
doch aktiv werden zu müssen? Das hat sich mir noch
nicht ganz erschlossen.
Frau Kollegin Höll, ich habe vorhin gesagt, dass es
Sache jedes einzelnen Ressorts, jeder einzelnen obersten
Bundesbehörde ist, sicherzustellen, dass diese Praktika
gemäß den gesetzlichen Vorschriften und ohne unzulässige Interessenkollisionen durchgeführt werden. Der
Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht - das werden
Sie wissen, wenn Sie ihn gelesen haben - darauf hingewiesen, dass es gewisse einheitliche Regelungen geben
soll. Das ist auch nachvollziehbar und macht Sinn. Deshalb hat sich die Bundesregierung dem geöffnet, indem
sie in Gestalt des Bundesinnenministeriums eine entsprechende Verwaltungsvorschrift erarbeitet hat, die im
Augenblick im Ressortkreis abgestimmt wird.
Eine weitere Zusatzfrage hat der Kollege Beck
({0}).
Ich möchte noch einmal auf die Schadensthematik zu
sprechen kommen. Sie haben vorhin ausgeschlossen,
dass es Schäden für andere oder für den Bund gegeben
hat. Im Bericht des Bundesrechnungshofs wird ein Unternehmen erwähnt, das sich bei der Bundesregierung
beschwert, dass die Konkurrenz einen Mitarbeiter im
Ministerium hat. Das ist verständlich, wenn man in
Rechnung stellt, dass offensichtlich auch bei Genehmigungsverfahren und dergleichen solche externen Mitarbeiter - zumindest nach Ausweis des Bundesrechnungshofs, dessen Glaubwürdigkeit wir alle wohl nicht
anzweifeln werden - beteiligt waren. Wie beurteilen Sie
Ihre Aussage von vorhin, dass es keinen Schaden gegeben hat, wenn sich Unternehmen darüber beschweren,
dass die Konkurrenz im Ministerium einen Mitarbeiter
implantieren konnte, obwohl es einem selber nicht gelungen war?
Der Umstand, dass ein Unternehmen einen Mitarbeiter für die Mitarbeit im Ministerium abgestellt hat, bedeutet nicht, dass es zu einem Schaden gekommen ist.
Das wäre nur dann der Fall, wenn dieser Mitarbeiter in
Verletzung seiner Pflichten beispielsweise internes Wissen an sein entsendendes Unternehmen weitergegeben
hätte.
({0})
Das sind theoretische Konstellationen. Sofern das im
Einzelfall vorgekommen sein sollte, müsste es entsprechend verfolgt, abgestellt und geahndet werden. Mir ist
dies zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht bekannt. Wenn
Sie einen solchen Fall kennen, sind wir gerne bereit, dem
nachzugehen.
({1})
Herr Kollege Beck, Sie können stehen bleiben.
Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Beck ({0}):
An welchen Gesetz- und Verordnungsentwürfen der Bundesregierung oder anderer oberster Bundesbehörden waren
externe Mitarbeiter von Unternehmen und Verbänden bei der
Erarbeitung in den letzten fünf Jahren beteiligt ({1}), und wie - beispielsweise Zeitpunkt, Rechtsform, Übernahme welcher Vorschläge - wird die Bundesregierung die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes in diesem Bericht aufgreifen und umsetzen?
Die Frage, wie die Bundesregierung die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes aufgreifen und umsetzen
wird, habe ich bereits beantwortet.
Was die Frage nach den Gesetz- und Verordnungsentwürfen angeht: Es war in der Kürze der Zeit nicht möglich, sämtliche Gesetz- und Verordnungsentwürfe der
Bundesregierung aus den letzten fünf Jahren zu erheben.
Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen ist allerdings nur eine relativ geringe Anzahl von Gesetz- oder
Verordnungsentwürfen betroffen. Externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiteten in der Regel an aktuellen
Themenstellungen rein beratend mit. Sie waren weisungsgebunden in die Hierarchie der Fachabteilung eingegliedert und übernahmen, wie ich eben schon gesagt
habe, keine eigenverantwortliche oder federführende
Bearbeitung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege?
Ja. Meine Nachfrage besteht in meiner eigentlichen
Frage. Ich habe nicht „Wie viele?“ oder „Waren es viele
oder wenige?“ gefragt, sondern „Welche?“. Ist die Bundesregierung bereit, uns, dem Parlament, eine genaue
Volker Beck ({0})
Liste der Gesetze und Verordnungen zu übermitteln, an
denen externe Mitarbeiter beteiligt waren? Wenn nein,
warum ist die Bundesregierung nicht bereit, uns diese
Liste zu übermitteln, obwohl sie Besserung aufgrund des
Bundesrechnungshofberichts gelobt hat, der eine solche
Transparenz nicht nur empfiehlt, sondern ausdrücklich
fordert?
Ich habe vorhin gesagt, dass eine vollständige Erhebung der Daten innerhalb der Kürze der Zeit bislang
nicht möglich war. Wir haben uns bemüht, diese Daten
zu erheben. Ich denke, dass, wenn Daten übermittelt
werden, der Anspruch auf Vollständigkeit gegeben sein
muss. Das heißt, sobald wir über die entsprechenden Daten verfügen, werden wir darüber entscheiden, ob wir sie
dem Parlament mitteilen können.
Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.
Von welchen Umständen hängt die Entscheidung ab,
ob Sie uns, dem Parlament, die entsprechenden Informationen zuleiten oder nicht? Ich gehe einmal davon aus,
dass beim Bundesnachrichtendienst, wo Geheimschutzbelange gegeben sind, keine externen Mitarbeiter beschäftigt
werden. Deshalb kann es eigentlich keine verfassungsrechtlich zulässige Begründung für das Zurückhalten
dieser Informationen geben. Wovon hängt ab, ob Sie uns
diese Liste unverzüglich zugänglich machen oder uns
verweigern?
Herr Kollege Beck, ich möchte bitten, dass wir dieses
Thema nicht unnötig dramatisieren. Ich habe Ihnen doch
gesagt: Wir haben mit der Erhebung begonnen. Wir werden diese Erhebung in einem absehbaren Zeitraum abschließen und werden dann zügig entscheiden. Allerdings bitte ich um Verständnis, dass ich einer solchen
Entscheidung an dieser Stelle nicht vorgreifen kann.
Eine weitere Nachfrage hat nun die Kollegin Frau
Dr. Höll.
Herr Staatssekretär, mich interessiert noch, nach welchen Kriterien Sie bewerten, wenn Sie daran weiterarbeiten. Sie haben hier einen Negativausschluss vorgenommen und behauptet, es sei niemand zu Schaden
gekommen, das Allgemeinwohl sei sichergestellt worden. Nicht nur das interessiert uns. Uns interessiert auch
die andere Seite - ich möchte explizit vorschlagen, dass
Sie das entsprechend in die Bewertung einbeziehen -:
Wo gab es Vorteilsnahmen? Nach welchen Kriterien
werden Sie vorgehen?
Ehrlich gesagt habe ich Ihre Frage nicht ganz verstanden. „Vorteilsnahme“ ist ein Begriff aus dem Strafrecht.
Wenn irgendwo der Verdacht auf Vorteilsnahme besteht,
wäre das ein Fall für die Strafverfolgungsbehörden.
Frau Kollegin Höll, der Sachverhalt ist so weit diskutiert worden, dass wir diesen Komplex jetzt abschließen
können.
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Welche Auskünfte gibt die Bundesregierung über jeweilige Zeiträume, Art, Empfänger und Kosten von Ausbildungsunterstützung, welche die GSG 9 seit ihrer Gründung Spezialeinheiten anderer Staaten leistete, und wie bewertet die
Bundesregierung jeweils die Wirkung jener Hilfe vor allem
angesichts der Menschenrechtslage in den Empfängerstaaten?
Die Antwort kann ich sehr kurz halten: Herr Kollege
Ströbele, sofern Sie einzelfallbezogene Auskünfte zu erfolgten Ausbildungsunterstützungen haben möchten, ist
die Bundesregierung bereit, diese auf eine Anfrage von
Ihnen zu erteilen, soweit sie noch aktenkundig und recherchierbar sind und inhaltlich nicht dem Kontrollgremiumsgesetz, PKGrG, unterliegen.
Zur Vermittlung rechtsstaatlicher Polizeiarbeit unterstützen im Einzelfall und nach offizieller Beantragung
auch Beamte der GSG 9, der Bundespolizei polizeiliche
oder mit Polizeiaufgaben betraute Vollzugskräfte anderer Staaten durch Ausbildungshilfe. Die Bundesregierung entscheidet insbesondere mit Blick auf die Menschenrechtslage über die Durchführbarkeit und die
Unterstützung sowie in der Folge über deren Art, Umfang und Dauer. Sie ist der Auffassung, dass insbesondere die Vermittlung rechtsstaatlicher Grundsätze der
Polizeiarbeit eine positive Wirkung im jeweiligen Empfängerstaat entfaltet.
Eine Nachfrage, bitte.
Ihr Hinweis auf das Parlamentarische Kontrollgremium ging hier fehl, weil nicht die Aktivitäten der
GSG 9, sondern die der Geheimdienste in dessen Kontroll- und Prüfungskompetenz fallen, und noch ist die
GSG 9 kein Geheimdienst.
An das anschließend, was Sie gesagt haben, stelle ich
die Frage: Bedeutet Ihre Antwort, dass es sehr wohl solche Einsätze von GSG-9-Beamten im Ausland, Unterstützung in anderen Staaten gegeben hat? Gab es das bis
in die jüngste Zeit hinein, wenn ja, in welchen Staaten
und mit welchem Ergebnis? Waren darunter problematische Staaten wie Libyen oder Syrien?
Die Antwort lautet: Ja, es hat Unterstützungen gegeben. Die Antwort auf Libyen bezogen lautet: Nein.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja.
Bitte sehr.
Sind Sie bereit, mir wenigstens für das letzte Jahrzehnt eine Auflistung dieser Einsätze zu geben und insbesondere darzustellen, welche Staaten davon betroffen
waren und welche Überlegungen die Bundesregierung
im Hinblick auf die fragliche Einhaltung von Menschenrechten in diesen Staaten und den möglichen Missbrauch
der Fähigkeiten der GSG 9 zur Repression der eigenen
Bevölkerung angestellt hat?
Ich kann Ihnen zusichern, dass wir jedes Auskunftsersuchen von Ihnen, das sich auf konkrete Staaten bezieht, selbstverständlich prüfen und, soweit wir dies können, auch beantworten werden.
Dann hat der Kollege Beck eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Altmaier, welche anderweitigen Unterstützungen für die Ausbildung von libyschen Sicherheitskräften sind der Bundesregierung bekannt? Welchen Stellen der Bundesregierung ist dazu was bekannt?
Sollten Sie das jetzt nicht abschließend beantworten
können, wäre ich auch für eine schriftliche Beantwortung dieser Frage dankbar.
Wir haben diese Frage heute Morgen auch im Innenausschuss des Deutschen Bundestages beantwortet. Ich
kann Ihnen für den Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums sagen, hier sind mir keine bekannt. Das
muss überprüft werden und wird dann schriftlich beantwortet.
({0})
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred
Hartenbach zur Verfügung.
Ich rufe Frage 31 der Kollegin Dr. Barbara Höll auf:
Welche Position hat die Bundesregierung nach Ablauf der
Zweimonatsfrist für eine Stellungnahme auf die Kritik der
Europäischen Kommission zur Nachbesserung des nationalen
Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsrechts zum
1. April 2008 eingenommen?
Frau Präsidentin! Frau Dr. Höll, meine Antwort wird
Ihnen nicht gefallen. Die Bundesregierung hat zu der angesprochenen Kritik der Kommission noch nicht Stellung genommen. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme wurde seitens der Kommission bis zum
1. Juni 2008 verlängert.
Frau Kollegin, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.
Können Sie das begründen? Haben Sie das beantragt,
oder hat das die Kommission von sich aus gemacht?
Wir haben die Fristverlängerung beantragt, weil es
sich um Sachverhalte von großer politischer Bedeutung
in unterschiedlichen Politikbereichen handelt. Es gibt
hier Abstimmungsfragen, die geklärt werden müssen.
Die Kommission hat dem zugestimmt. Sie sehen also,
die Kommission teilt unsere Einschätzung.
Keine weitere Nachfrage? - Doch, Herr Beck, bitte.
Deutschland hat bereits ein erstes Urteil wegen der
Verletzung der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien im Bereich der Rentenversicherung bei eingetragenen Lebenspartnerschaften kassiert. Deshalb möchte
ich Sie fragen, inwiefern die Bundesregierung zur
Kenntnis genommen hat, dass die Europäische Kommission die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien
bei den Entgeltfragen, zu denen auch die in dieser
Woche diskutierten Fragen der Beamtenversorgung gehören, rügt. Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem
Urteil aus der vorletzten Woche im Prinzip klargemacht,
dass bei der Beamtenversorgung der Bundes- und Landesbeamten die eingetragenen Partnerschaften in die Regelungen für Ehegatten endlich einbezogen werden müssen.
Teilt die Bundesregierung diese unsere Auffassung?
Oder welche Ressorts haben dazu eine abweichende
Auffassung?
Herr Kollege Beck, Sie haben zweimal das Wort „Beamte“ wiederholt. Damit dürfte klar sein, dass in dieser
Frage das Innenministerium als zuständiges Ressort
auch die Antwort geben wird. Ich kann Ihnen allerdings
sagen, dass das zuständige Ressort dieses Urteil sehr genau prüft. Ich weiß das. Es wird - nach Abstimmung die entsprechenden Dinge in die Wege leiten.
Die Fragen 32 und 33 der Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann werden schriftlich beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 34 und 35 des
Kollegen Dr. Hermann Otto Solms und die Fragen 36
und 37 der Kollegin Christine Scheel werden schriftlich
beantwortet.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Für die
Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung.
Ich rufe Frage 38 der Kollegin Dr. Dagmar
Enkelmann auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem Urteil des EuGH zum niedersächsischen Vergabegesetz?
Frau Präsidentin! Die Bundesregierung beachtet sorgfältig die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den
Europäischen Gerichtshof. Anders als in Niedersachsen
und einigen weiteren Bundesländern hat die Bundesregierung jedoch für ihren Geschäftsbereich keine Regelung getroffen, nach der bei der Vergabe öffentlicher
Bauaufträge der jeweils am Ort der Leistung geltende
Tarifvertrag zugrunde zu legen ist.
Keine Nachfrage? - Damit kommen wir zur Frage 39
der Kollegin Bärbel Höhn. Sie ist aber, wie ich sehe,
nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen.
Die Fragen 40 und 41 werden schriftlich beantwortet.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung
der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Klaus Brandner zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 42 der Kollegin Silke Stokar
von Neuforn:
Wann wird die Bundesregierung das vom Bundesminister
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst
Seehofer, öffentlich geforderte und angesichts der aktuellen
Fälle von Mitarbeiterüberwachung bei Lebensmitteldiscountern wie Lidl auch dringend notwendige Arbeitnehmerdatenschutzgesetz einbringen?
Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete, auf
Ihre Frage antworte ich wie folgt: Nach Auffassung der
Bundesregierung werden die Mitarbeiter von Lebensmitteldiscountern wie andere Arbeitnehmer bereits jetzt
vor einer unzulässigen Überwachung durch den Arbeitgeber geschützt, auch wenn es in Deutschland noch kein
einheitliches Arbeitnehmerdatenschutzgesetz gibt. Der
Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird
durch die Grundsätze des allgemeinen Datenschutzes
und des Arbeitnehmerdatenschutzes gewährleistet.
Diese ergeben sich aus den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes, aus den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sowie aus den von
der Rechtsprechung und Rechtslehre zum Schutz des
Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers entwickelten
Regeln des allgemeinen arbeitsrechtlichen Informationsund Datenschutzes. Dies gilt auch für die Videoüberwachung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?
Ich habe eine Nachfrage.
Bitte sehr.
Herr Minister Seehofer hatte öffentlich - ich teile
seine Auffassung - gesagt, dass wir ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz brauchen. Meine Frage lautete nicht,
was nach den gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten
heute schon gemacht wird, sondern meine Frage lautete
- die haben Sie noch nicht einmal beantwortet -: Wann
wird die Bundesregierung das von Minister Seehofer öffentlich angekündigte Arbeitnehmerdatenschutzgesetz in
den Bundestag einbringen? Das ist eine ganz einfache
Frage. In Ihrer Antwort sind Sie dieser Frage gänzlich
ausgewichen.
Über ein allgemeines Arbeitnehmerdatenschutzgesetz
ist noch nicht beraten worden. Ich habe Ihnen, Frau Abgeordnete, gesagt, dass die Arbeitnehmer in Deutschland
vor unrechtmäßiger Videoüberwachung auch jetzt schon
gesetzlich geschützt sind.
Haben Sie eine weitere Frage?
Ja, ich habe eine Zusatzfrage. - Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, dass die Bundesregierung ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz für nicht erforderlich hält und
sie sich somit gegen die öffentlich von Minister Seehofer
erhobene Forderung stellt?
Das können Sie aus meinen Ausführungen nicht
schließen. Wir haben gesetzliche Grundlagen, um die
Arbeitnehmer schon jetzt entsprechend zu schützen. Wir
werden natürlich beobachten, welche weiteren Aktivitäten es in diesem Bereich gibt, und dann prüfen, ob sich
daraus weiterer gesetzlicher Handlungsbedarf ergibt und
ob die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen zum Beispiel in einem separaten Gesetz zusammengefasst werden müssten, um zu einem noch wirkungsvolleren Arbeitnehmerdatenschutz zu kommen.
Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Dr. Diether Dehm
auf:
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen,
damit in allen vom Urteil des Europäischen Gerichtshofes,
EuGH, im Fall „Rüffert“ betroffenen Branchen die Möglichkeit von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für die betroffenen Tarifverträge durchgesetzt werden kann, um die selbst
von der Sprecherin der EU-Kommission genannten drei Möglichkeiten für Lohnvorgaben bei öffentlichen Aufträgen - einen allgemein verbindlichen Tarifabschluss, einen gesetzlich
festgelegten Mindestlohn oder aber einen Tarifvertrag zwischen den größten Tarifpartnern, der eine große Mehrheit der
Arbeitnehmer betreffe - zur Sicherung von sozialen und tariflichen Mindeststandards bei öffentlichen Aufträgen durchzusetzen?
Kollege Dr. Dehm, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Rüffert“ betrifft
das Baugewerbe, wie Sie wissen. Das ArbeitnehmerEntsendegesetz kennt zwei Wege einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Tarifverträge des Bauhauptund Baunebengewerbes: zum einen über eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach den Regeln des
Tarifvertragsgesetzes, zum anderen über den Erlass einer
Rechtsverordnung.
Eine Nachfrage, Herr Kollege? - Bitte.
Der Berliner Wirtschaftssenator, Harald Wolf von der
Partei Die Linke, sieht im EuGH-Urteil zum Fall
„Rüffert“ - ich zitiere - „eine dramatische Zäsur für die
Vergabepraxis der Länder“. Er vertritt die Auffassung,
dass - Zitat - „wichtige soziale Standards, die fairen
Wettbewerb bewirken und Arbeitnehmerinteressen sichern sollen, … in Gefahr“ stünden. Weiter führt er aus,
dass das Gerichtsurteil -
Herr Kollege, darf ich Sie bitten, sich auf die Frage zu
konzentrieren? Es gibt noch einige Kollegen, die Fragen
haben, und die Zeit läuft uns davon.
Und Sie sind sich ganz sicher, dass Sie diesen Einwand auch gebracht hätten, wenn ich nicht die Partei Die
Linke zitiert hätte?
Wir sind hier in einer Fragestunde, wo jeder gleich
behandelt wird.
Ich habe ja nur gefragt. - Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie die Forderung des Berliner Wirtschaftssenators, Harald Wolf - ich sage nicht, von welcher Partei er
ist -, teilen, dass die Bundesregierung gefordert sei, die
Kriterien für die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen
und zur Aufnahme ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu
vereinfachen, und dass dies auch bedeute, dass hier über
eine Aufhebung des Zwangs zur Einigung zwischen den
Sozialpartnern nachgedacht werden müsse.
Herr Dr. Dehm, Sie wissen, dass die Bundesregierung
verabredet hat, Mindestlöhne sowohl über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz als auch über das Mindestarbeitsbedingungengesetz zu ermöglichen. Der Zeitraum
der Interessensbekundung für die erste Tranche endete
am 31. März 2008. Sie wissen, dass sich bereits acht
Branchen gemeldet haben. Das zuständige Ministerium
prüft, inwiefern die entsprechenden Voraussetzungen
vorliegen. Auch das ist ein Schritt, um zu weiteren Allgemeinverbindlichkeiten zu kommen, damit bei einer
Vergabe Tarifkriterien rechtmäßige Voraussetzungen
darstellen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, Sie erinnern sich wahrscheinlich,
dass wir vor vier Wochen hier gestanden haben. Ich habe
Ihnen damals nach Ihren optimistischen Äußerungen gesagt, dass wir uns wahrscheinlich in vier Wochen hier im
Plenum wiedersehen werden. Das ist jetzt der Fall.
({0})
- Ich kann Sie leider nicht verstehen; aber das werden
Sie sicherlich noch in Ordnung bringen. - Denn der
EuGH hat ganz im Sinne der Urteile zu den Fällen
„Viking“ und „Vaxholm“ mit einem ebenso skandalösen
Urteil aufgewartet. Herr Staatssekretär Thönnes hat im
März auf meine Frage ausgeführt, dass nationale Gerichte am Zug seien. Im Fall „Rüffert“ hat ein nationales
Gericht eine Anfrage an den EuGH gerichtet. Der EuGH
hat jetzt entschieden, dass die Niederlassungs- und
Dienstleistungsfreiheit gefährdet sind, wenn Mindestanforderungen in die Ausschreibungen aufgenommen
werden, wie das zum Beispiel in Berlin und Niedersachsen in den Tariftreuegesetzen der Fall ist. Er führte vor
vier Wochen dazu aus
Herr Kollege, ich darf Sie wirklich bitten, sich auf die
Frage zu konzentrieren.
- das ist die Frage, entschuldigen Sie; ich bin aber
gleich am Ende; seien Sie nicht ganz so ungeduldig,
dann schaffen wir das -, dass nach Auffassung der Bundesregierung mit der Entsenderichtlinie gewisse Mindestbedingungen festgelegt würden, die aber national
überschritten werden könnten. Aus diesem Grunde frage
ich Sie, ob Sie nun endlich konkreten Handlungsbedarf
sehen, zum Beispiel zur Einführung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen in allen betroffenen Branchen,
und ob es hierzu in der Koalition schon konkrete Gespräche gibt.
Herr Abgeordneter Dehm, Sie wissen, dass die Koalition sich auf zwei Verfahren verständigt hat, in denen
branchenspezifische Mindestlöhne vereinbart werden
können. Auf der einen Seite sind die Branchen, die durch
tarifvertragliche Regelungen eine bestimmte Durchdringung vorsehen, indem 50 Prozent der Arbeitnehmer einer Branche von einem Tarifvertrag erreicht werden
müssen. Das betrifft genau den Bereich, der aufgefordert
war, sich bis zum 31. März zu melden, damit wir eine
erste Übersicht bekommen. Immerhin haben sich acht
Branchen mit etwa 1,6 Millionen Arbeitnehmern gemeldet, zumindest nach der Aussage der entsprechenden Tarifvertragspartner der Branchen. Auf der anderen Seite
haben wir die politische Verabredung, eine Novelle des
Mindestarbeitsbedingungengesetzes zu verabschieden
- daran wird zurzeit gearbeitet -, wodurch den Branchen
zukünftig die Möglichkeit eröffnet wird, zu branchenspezifischen Mindestlöhnen zu kommen.
Zu einer weiteren Frage hat der Kollege Ulrich das
Wort.
Herr Staatssekretär, die SPD-Europaabgeordnete
Karin Jöns hat in einer Pressemitteilung das EuGH-Urteil im Fall „Rüffert“ scharf kritisiert. Frau Jöns wies
darauf hin, dass die Entsenderichtlinie als Mindestgarantie zugunsten der entsandten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ausdrücklich vorsieht, dass der festgeschriebene Mindestschutz der Anwendung von Arbeitsbedingungen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind,
nicht entgegenstehen dürfe. Können Sie die Aussage von
Frau Jöns teilen? Wenn ja: Welche konkreten Handlungsnotwendigkeiten ergeben sich aus Ihrer Sicht für
die Bundesregierung, um eine solche Regelung europafest zu machen?
Die Handlungsnotwendigkeit für die Bundesregierung aus diesem Urteil ist, im Rahmen der gesetzlichen
oder noch zu schaffenden gesetzlichen Möglichkeiten
Mindeststandards zu vereinbaren. Das ArbeitnehmerEntsendegesetz, das Mindestarbeitsbedingungengesetz,
aber auch die Allgemeinverbindlichkeit aus dem Tarifvertragsgesetz sind die drei möglichen Instrumente.
Wenn eine von diesen drei Möglichkeiten genutzt wird,
ist eine nach unserer Auffassung europataugliche Voraussetzung geschaffen, bei Ausschreibungsverfahren zu
rechtssicheren Kriterien zu kommen und Mindestbedingungen zur Grundlage von Ausschreibungen zu machen.
Eine weitere Frage der Kollegin Dr. Enkelmann.
Herr Staatssekretär, der schnellere Weg zu einer europafesten Regelung ist unzweifelhaft ein flächendeckender gesetzlich garantierter Mindestlohn. Immerhin haben
ihn schon 20 EU-Staaten. Wie weit ist die Bundesregierung auf diesem Weg?
Frau Abgeordnete Enkelmann, Sie haben gerade von
mir gehört, welche Verabredung die Koalitionspartner
getroffen haben. An der Umsetzung dieser Verabredung
arbeiten die Partner zielgerichtet. Wir erwarten bald entsprechende Vorlagen.
Nun hat Frau Hänsel das Wort zu einer weiteren
Nachfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Dieses Urteil hat
eine enorme Tragweite für die Tariftreue von Unternehmen in den entsprechenden Branchen. Meine Frage an
die Bundesregierung ist, ob sie erwägt, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission einen europarechtlichen Rahmen zu schaffen, der zu regionalen Lösungen gegen Lohn- und Sozialdumping führt. Wird die
Bundesregierung hinsichtlich der Koordinierung auf
europäischer Ebene aktiv?
Die Bundesregierung wird auch solche Wege prüfen.
Aber vorrangig sieht sie ihre Aufgabe darin, das, was
uns die europäischen Vorgaben ermöglichen, in nationales Recht umzusetzen. Wir sind zuallererst selbst gefordert, diese Möglichkeiten gesetzgeberisch umzusetzen.
Nun kommen wir zur Frage 44 des Kollegen
Dr. Diether Dehm:
Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung
zur Weiterentwicklung der Entsenderichtlinie und der Vergaberichtlinie ergreifen, damit die Auswirkungen durch das Urteil des EuGH im Fall „Rüffert“ nicht zu einer flächendeckenden Aushebelung der durch die Tariftreuegesetze festgelegten
sozialen und tariflichen Mindeststandards führen können?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Dr. Dehm, die Antwort lautet: Das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Rüffert“
ist, wie Sie wissen, am 3. April 2008 ergangen. Die Bundesregierung wird das Urteil auswerten und prüfen, ob
Maßnahmen auf europäischer Ebene angezeigt sind.
Darüber haben wir gerade schon gesprochen.
Gibt es eine Nachfrage? - Bitte sehr.
In Randnotiz 15 führt der EuGH im Urteil zum Fall
„Rüffert“ aus, dass die Tariftreueverpflichtungen im niedersächsischen Landesvergabegesetz - ich zitiere - über
das hinausgingen, was zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erforderlich sei. Dabei definiert
der EuGH das, was zum Schutz der Arbeitnehmer
erforderlich ist, als - ich zitiere - durch den Mindestlohnstandard markiert, der sich in Deutschland aus der
Anwendung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom
26. Februar 1996 ergibt.
Welche Auswirkungen wird es auf Kommunen, Bundesländer und Bund haben, wenn Sie eine vertragliche
oder gesetzliche Festlegung von Standards bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge beibehalten wollen,
nun aber vonseiten des EuGH die Definition an Mindestlohnstandards festgemacht würde? Sehen Sie nicht die
Gefahr, dass eingeforderte ökologische, gleichstellungspolitische und sozialpolitische Standards, mit denen versucht wird, Benachteiligungen verschiedener Art einen
Riegel vorzuschieben, in Zukunft durch den EuGH auch
als gegen die „Grundfreiheiten“ verstoßend definiert
werden könnten?
Herr Abgeordneter Dr. Dehm, die Bundesregierung
arbeitet zurzeit auch an den Vergaberichtlinien. Wie Sie
wissen, ist unter anderem geplant, soziale Kriterien aufzunehmen. Ich gehe davon aus, dass die Kriterien, die
vereinbart werden, Grundlage für eine rechtssichere
Ausschreibepraxis in Deutschland sein werden und die
befürchteten negativen Folgen für Kommunen ausbleiben werden.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, der EuGH folgt in seiner Argumentation vor allen Dingen der Interpretation der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung
von Dienstleistungen. Er argumentiert damit, dass das
niedersächsische Vergabegesetz gegen diese Richtlinie
verstoße, da - Zitat - „der Baugewerbe-Tarifvertrag kein
für allgemein verbindlich erklärter Tarifvertrag im Sinne
des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes“ ist. Deshalb frage
ich die Bundesregierung, ob es nicht sinnvoll wäre, den
Baugewerbe-Tarifvertrag in einem ersten Schritt
schnellstens für allgemeinverbindlich zu erklären, um
die Möglichkeit der Tariftreue im Rahmen von Ausschreibungen öffentlicher Aufträge nach diesem skandalösen Urteil des EuGH zu heilen, um dann im zweiten
Schritt eine klare Strategie vorzulegen, damit die vom
EuGH angesprochenen Richtlinien weiterentwickelt
werden können.
Herr Dr. Dehm, Sie haben richtigerweise ausgeführt,
dass der EuGH kritisiert, dass es sich hierbei um einen
regionalen Tarifvertrag handelt, der nicht flächendeckend anwendbar, das heißt nicht allgemeinverbindlich
ist. Aus unserer Sicht kommt es darauf an, dass wir Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Allgemeinverbindlichkeit über eine Rechtsverordnung oder über das
Mindestarbeitsbedingungengesetz hergestellt werden
kann. Wenn das geschieht, ist auch das Kriterium des
EuGH, nach dem flächendeckende, für alle Arbeitnehmer gleichwertige Bedingungen bei der Ausschreibepraxis zur Anwendung zu bringen sind, erfüllt.
Ich sage noch einmal deutlich: Der Weg ist vorgezeichnet. Die Bundesregierung will diesen Weg gehen.
Wenn das Ganze umgesetzt wird, haben die Kritik und
die Sorge, die einzelne in Deutschland haben, keine
Grundlage mehr. Wir haben in Deutschland die Möglichkeit, im Wege der nationalen Gesetzgebung Lohndumping zu verhindern.
Damit sind wir zeitlich am Ende der Fragestunde.
Die noch nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. - Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Unterschiedliche Auffassungen innerhalb der
Bundesregierung zur Erhöhung der Biospritbeimischung
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Renate Künast.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute,
nach dem Desaster der letzten Wochen, muss man feststellen: Die Klimapolitik der schwarz-roten Bundesregierung ist gerade wie ein Kartenhaus zusammengefallen.
({0})
- Ich vernehme ein Aufstöhnen des Bedauerns bei Ihnen zu Recht.
Ein besonderes Problem hat Herr Gabriel - da brauchen Sie von der CDU/CSU gar nicht zu jubeln -: Nach
dem Rußfilterskandal kam jetzt die Biospritpleite. Herr
Gabriel, grün sein ist eben doch mehr als schöner
Schein. Grün sein heißt an dieser Stelle auch, eine ganze
Menge Mut aufzubringen. Man muss sich auch einmal
eine andere Strategie überlegen und darf nicht nur die
kurzfristigen Profitinteressen der großen Konzerne, der
großen Anlagenbauer oder der Automobilkonzerne in
diesem Land, im Auge haben.
({1})
Die Biokraftstoffstrategie dieser Bundesregierung war
von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie war in ihrer
Art und Weise und mit ihren Instrumenten ein kapitaler
Fehler. Ich will Ihnen sagen, warum.
Ihr erster Fehler ist die Besteuerung reiner Pflanzentreibstoffe. Mit dieser Besteuerung haben Sie den heimischen Bauern die Grundlage entzogen, um nachhaltig
Energielandwirte in diesem Land zu werden.
({2})
Sie haben denen, die in Anlagen investiert haben, die finanzielle Grundlage entzogen. Sie haben die heimischen
Bioraffinerien ruiniert. Das ist Ihr erster kapitaler Fehler.
({3})
Ihr zweiter Fehler ist die Zwangsbeimischung. Sie haben zu sehr auf den kurzfristigen Effekt für den Haushalt
geschaut. Mit der Zwangsbeimischung haben Sie nur eines erreicht, nämlich dass statt der Landwirte und Beschäftigten im ländlichen Raum die großen Mineralölkonzerne das Geld verdienen. Diese - gar nicht blöd haben gesagt: Die hiesigen Kraftstoffe und Rohstoffe
sind durch die Besteuerung viel zu teuer, gehen wir doch
den internationalen Weg. Das Ergebnis der Zwangsbeimischung ist, dass Treibstoff aus Übersee importiert
wird und dass die Zuckerrohrplantagen sich immer weiter ausdehnen. Damit wird die Rinderzucht weiter verschoben. Sie können zwar sagen, dass für die Zuckerrohrplantagen kein Urwald gerodet wird, aber für die
Rinderzucht werden am Ende große Einschnitte in den
Amazonaswald gemacht. So, meine Damen und Herren
von der schwarz-roten Regierung, macht man definitiv
keine Klimaschutzpolitik.
({4})
Dann erleben wir jetzt noch ein gruseliges Schauspiel,
den Hahnenkampf zwischen dem sogenannten Bundeswirtschaftsminister Glos und dem Umweltminister,
Herrn Gabriel.
({5})
- Ich muss „sogenannter“ sagen, weil er sich nicht wirklich um die wirtschaftlichen Interessen dieses Landes,
zum Beispiel des Mittelstandes, kümmert.
({6})
- Ich meine an dieser Stelle Herrn Glos. Wir sollten ihn
nicht außen vor lassen. Denn wir wissen, dass hier sozusagen ein Gesamtkunstwerk angerichtet wurde.
({7})
Das Verhalten der Kanzlerin finde ich schon bezeichnend: Sie ist viel um die Welt geflogen, hat sich vor allen
Gletschern dieser Welt fotografieren lassen, und an dieser Stelle hat sie es nicht einmal nötig, ein klärendes
Wort zu sprechen. Lassen wir uns nicht in die Irre führen
mit dem, was sie aus internen Sitzungen der CDU/CSU
durchgestochen hat. Sie habe Herrn Glos gesagt: Nun
kritisier mal nicht so sehr den Kollegen Gabriel. - Damit
hat man gezeigt, dass man diesen Unsinn in der Koalition zusammen angerichtet hat. Deshalb darf Glos den
Gabriel nicht kritisieren.
Frau Merkel hat immer noch nicht gesagt, wie eigentlich ihre Klimaschutzstrategie aussieht. Wie will sie
denn das behauptete Ziel, CO2-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren, erreichen, wenn auch bei der Biospritstrategie das Kartenhaus zusammenfällt? So kommen Sie nie ans Ziel.
({8})
Wir erleben an dieser Stelle die Entwicklung von der
Merkel-Show zum klimapolitischen Horrorkabinett. Die
Kanzlerin schlägt sich immer wieder auf die Seite der
Autolobby. Herr Glos kämpft für die Atomkraft. Wir erleben eines: Vorne wird immer wieder Nettes erzählt,
und sobald man nach Brüssel fährt, wird das Gegenteil
getan. Vorne wird erzählt, man wolle etwas fürs Klima
tun. Mittlerweile ist selbst Herr Gabriel so weit, gegen
die Koalitionsverhandlungen in Hamburg und für das
Kohlekraftwerk in Moorburg zu kämpfen. Mit
4 000 Tonnen CO2 mehr macht man keinen Klimaschutz!
({9})
Wir wollen keine Potemkinschen Dörfer. Wir wollen
vielmehr wissen, wie die Bundesregierung die Klimaschutzziele erreichen will. Mit welchen Instrumenten
wollen Sie das tun? Ich sage Ihnen eines ganz klar: Sie
brauchen eine Änderung der Autostrategie in Brüssel.
Wir brauchen eine Kanzlerin, die in Brüssel nicht gegen
Dimas kämpft, sondern klar sagt: CO2-Ausstoß in Höhe
von 120 Gramm pro Kilometer für Neuwagen. Das muss
die Devise sein.
({10})
Wir brauchen Sanktionen. Wir wissen doch aufgrund
des Scheiterns des Biosprits, wie die Konzerne versucht
haben, Herrn Gabriel und die Regierung am Nasenring
durch die Republik zu führen. Wir brauchen in Brüssel
die 120-Gramm-Regel und Sanktionen. Denn ohne
Sanktionen hält diese Wirtschaft keine einzige Regel
freiwillig ein. Das ist der Dreh- und Angelpunkt für guten Klimaschutz.
({11})
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Meine Damen und Herren, das Ganze können Sie mit
der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs und einem
Tempolimit auf deutschen Autobahnen garnieren. Ich
sage Ihnen ganz klar: Nach diesem Biospritdesaster
muss die Regierung endlich damit aufhören, herumzutricksen. Vielmehr muss sie den Mut haben, die Strukturen in dieser Republik zu ändern. Wenn sie nur auf dem
Schoß der Vorstände der Automobilkonzerne sitzt, dann
wird sie keinen Klimaschutz, keine modernen Autos und
auch keine Arbeitsplätze in der Automobilindustrie
schaffen.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katherina Reiche
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist gut, dass wir heute über das Thema Biokraftstoffe
sprechen. Ich mache zunächst eine Feststellung - das
kann in der Tat nicht verwundern -: Frau Künast, Ihr
Neid auf die Kanzlerin scheint grenzenlos zu sein.
({0})
Wir stehen zu unseren nationalen Klimaschutzzielen.
Deutschland will - das wird es auch schaffen - seine
Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber
1990 absenken. Wir stehen zu dem, was Bundeskanzlerin Angela Merkel - das haben Sie zu Ihren Zeiten niemals geschafft - gemacht hat, nämlich sowohl die EUals auch die G-8-Präsidentschaft bzw. den G-8-Gipfel
dafür zu nutzen, um sich ganz klar für verbindliche Klimaschutzziele auszusprechen.
({1})
Es war sicherlich richtig, die Verordnung jetzt zu
stoppen, weil die große Zahl der betroffenen Autos keine
andere Entscheidung zuließ. Dessen unbeschadet ist der
Energieträger Biomasse mit 67 Prozent am Mix der erneuerbaren Energien das Zugpferd. Biokraftstoffe liegen
mit immerhin 20 Prozent noch vor der Windenergie mit
18 Prozent. Wir brauchen eine wissenschaftlich fundierte Strategie, die Wege aufzeigt, wie Biomasse als
Schwergewicht der erneuerbaren Energie im klassischen
Zieldreieck Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit
und Umweltschutz optimal zu nutzen ist.
({2})
Hier müssen die Biotreibstoffe ihren angemessenen
Platz haben.
Sie haben eben auf die Regierung eingeschlagen, Frau
Künast. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie eine
Einschätzung auch zu den Biokraftstoffen der ersten Generation abgegeben hätten. Es ist noch nicht so lange
her, dass auch Sie den Einsatz von Biokraftstoffen der
ersten Generation unterstützt haben. Dazu habe ich von
Ihnen heute nichts gehört.
Die Biomasse leistet einen wertvollen Beitrag zu unserer nationalen Energiesicherheit. Sie vermindert unsere Abhängigkeit von Rohöl- und Gasimporten. Das
wollen wir in den Vordergrund stellen. Jede Energie,
egal ob aus Kohle, Wind oder Sonne, hat ihren Pferdefuß. Bei Biokraftstoffen der ersten Generation stellen
sich zwei Kernfragen, nämlich zum einen die Frage der
Nahrungsmittelerzeugung in Konkurrenz zur Energieerzeugung und zum anderen die Frage der Nachhaltigkeit
sowie des tatsächlichen CO2-Einsparpotenzials.
Weltweit wird - das haben Sie gesagt - immer mehr
Anbaufläche benötigt. Die Frage Nahrungsmittel- oder
Energieerzeugung dürfte sich in den nächsten Jahren
aufgrund von Entscheidungen, die nicht in unserer Hand
liegen, weiter zuspitzen. So wollen die USA Anbauflächen vermehrt zum Anbau von Biokraftstoffpflanzen
verwenden.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die Nachhaltigkeit.
Unser Kollege Josef Göppel hat hier im Plenum mehrfach eindringlich seine Erfahrungen in Indonesien geschildert, uns die Brandrodungen mehr als deutlich gemacht und dargelegt, wie wichtig es ist, sich dem Thema
Nachhaltigkeit zu widmen. Auch Bundesminister Gabriel
hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, gefordert,
Biokraftstoffe und Nahrungsmittelproduktion in Sachen
Nachhaltigkeit mittels gleicher Kriterien zu beurteilen.
Dies ist in einem Land, in dem niemand hungert, leicht
gesagt. Der Ehrlichkeit halber sollte aber derjenige, der
eine Zertifizierung von nicht im EU-Raum erzeugten
Nahrungsmitteln fordert, den Verbrauchern auch sagen,
dass dies zu Preissteigerungen bei Lebensmitteln führen
könnte.
({3})
Nationale Alleingänge in Sachen Nachhaltigkeit bei
Importen, etwa von Palmöl, sind kaum möglich. Das
zeigt die Tatsache, dass unsere nationale BiomasseNachhaltigkeitsverordnung von der EU-Kommission zunächst bis 2008 ausgesetzt wurde. Das kann auch nicht
Katherina Reiche ({4})
dadurch kaschiert werden, dass man sagt, die EU-Kommission arbeite an einer Richtlinie nach deutschem Vorbild. Klar ist: Wir brauchen innerhalb der Europäischen
Union schnell eine Lösung.
Trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten und Probleme sollten und müssen wir an den Biokraftstoffen
festhalten. Wir müssen versuchen, die vorhandenen Probleme, die ja niemand wegdiskutiert, zu lösen.
({5})
Die eine oder andere Korrektur wird dabei nicht zu vermeiden sein. Gefragt ist jetzt eine nüchterne Bestandsaufnahme.
Beispielsweise will die Firma Choren Industries in
Freiberg, Sachsen, noch in diesem Frühjahr die erste
größere Anlage zur Produktion von Biokraftstoffen der
zweiten Generation in Deutschland in Betrieb nehmen.
({6})
Die zweite Generation von Biokraftstoffen, mit deren
Produktion sich auch andere deutsche Projekte beschäftigen, soll ermöglichen, nicht nur aus den Früchten der
Pflanzen, sondern auch aus ihrem Rest Treibstoff zu erzeugen.
({7})
Dadurch können wir das Tor für die Zukunft der Biokraftstoffe weltweit aufstoßen.
Vielen Dank.
({8})
Nun hat der Kollege Michael Kauch für die FDPFraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als der
jetzige Umweltminister noch Popbeauftragter der SPD
war, hatte er den Spitznamen „Sigi Pop“. Aus „Sigi Pop“
wurde nach Rußfilter und Biosprit „Sigi Flop“. Das hat
eine große deutsche Zeitung sehr gut auf den Punkt gebracht.
({0})
Heute haben wir im Umweltausschuss erfahren, dass
man diese Flops möglicherweise sogar verbinden kann.
Denn in der Anhörung wurde uns gesagt, dass durch die
Beimischung von Biodiesel eventuell die Rußpartikelfilter verstopft werden. Herr Minister, wir fordern Sie auf,
diese Frage, die heute von Vertretern der Verbände aufgeworfen wurde, zu beantworten. Denn es darf nicht
sein, dass Ihre schlampige Gesetzgebung erneut zulasten
der Autofahrer geht.
({1})
Durch dieses Desaster wird letztendlich auch der Klimaschutz diskreditiert.
Die zwangsweise Einführung der Beimischung von
Ethanol, die E10-Beimischung, haben Sie gestoppt. Sie
haben so getan, als sei damit die ganze Verordnung gestoppt. Wenn man aber das Kleingedruckte Ihrer Erklärungen liest, dann stellt man fest, dass beim Diesel alles
gleich bleibt. Sie wollen Diesel weiterhin einen Biodieselanteil von 7 Prozent beimischen, und das, obwohl wir
es gerade beim Diesel mit Rohstoffen zu tun haben
- Stichworte „Sojaöl“ und „Palmöl“ -, hinter deren Anbau wir mehr als nur ein Fragezeichen setzen müssen.
({2})
Es kann nicht sein, dass Sie, der Umweltminister, sich
aus Ihrer Verantwortung für den Schutz der Regenwälder
stehlen, indem Sie Nachhaltigkeitskriterien ins Gesetz
aufnehmen, die lediglich besagen, dass diese Rohstoffe
nicht aus dem Regenwald kommen dürfen. Falls Sie
glauben, dadurch sei dieses Problem gelöst, muss ich Ihnen sagen: So einfach ist das nicht. Sie müssen sicherstellen, dass die Rohstoffe aus Indonesien, Malaysia und
Brasilien, die für die von Ihnen festgelegte Quote von
Bedeutung sind, nicht aus Regenwäldern stammen. Solange sie das nicht sicherstellen können, so lange muss
diese Quote auf Eis gelegt werden.
({3})
Interessant ist, dass Herr Gabriel, als es um die Rücknahme der Ethanolbeimischung ging, nicht als Umweltminister gesprochen hat. Ich zumindest habe nicht gehört, dass Sie gesagt haben, die Ethanolbeimischung sei
aus ökologischen Gründen zurückzunehmen. Sie haben
sie doch nur zurückgenommen, weil Sie es sich nicht mit
Millionen Autofahrern verscherzen wollten. Das war
parteipolitisch motiviert. Sie wollten nicht, dass die SPD
in den Umfragen unter 20 Prozent fällt.
({4})
Meine Damen und Herren, die FDP hat von Anfang
an vor der Einführung der Biokraftstoffquote gewarnt.
Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, den Weg der
Steuervergünstigungen zu gehen. Denn durch Steuervergünstigungen unterstützen wir tendenziell unsere heimischen Produkte aus kontrolliertem Anbau. Hier können
wir sicher sein, dass für diese Produkte keine naturnahen
Flächen verbraucht werden.
Wir müssen diese Problematik auch dann ernst nehmen, wenn es um die Zertifizierung der Importe geht.
Wir müssen Zertifizierungen einführen; hier gebe ich Ihnen völlig recht.
({5})
Wir müssen sie aber auf internationaler Ebene einführen
und sicherstellen, dass die Lieferländer das, was wir in
Deutschland richtig finden, übernehmen und darüber einen Dialog mit uns führen. Auf diesem Gebiet sehe ich
von der Bundesregierung leider viel zu wenig.
Im Übrigen muss man sich einmal grundsätzlich fragen, ob die Fixierung auf den Transportsektor, die im
Bereich der Biomassenutzung zu beobachten ist und die
die Diskussion in den letzten Wochen bestimmt hat, unter klimapolitischen Gesichtspunkten überhaupt richtig
ist. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für
Umweltfragen hat heute noch einmal deutlich gesagt:
Wenn aus Biomasse Strom und Wärme erzeugt werden,
ist das klimapolitisch im Durchschnitt dreimal effizienter, als wenn aus Biomasse Biokraftstoffe hergestellt
werden. Wenn wir nicht Klientelpolitik für bestimmte
Produzenten, für bestimmte Landwirte betreiben wollen,
wenn es uns wirklich um Klimaschutz geht, dann müssen wir doch Instrumente wählen, mit denen wir mit dem
eingesetzten Geld so viel Klimaschutz wie möglich
schaffen - sei es nun im Stromsektor, sei es im Wärmesektor.
({6})
Wenn wir uns auf den Verkehr und auf Biokraftstoffe
konzentrieren, ist das, als wenn wir wie das Kaninchen
auf die Schlange schauen. Wir haben die Zahlen bekommen: Wenn europäische Zuckerrüben mithilfe von
Braunkohlestrom zu Bioethanol umgewandelt werden,
kostet jede Tonne CO2, die man durch den Einsatz des
Bioethanols vermeidet, 368 Euro. Wird Biomasse verstromt, kostet die Tonne CO2, die man vermeidet, nur
zwischen 40 und 80 Euro. Wenn man es also ernst meint
mit einem wirtschaftlich vertretbaren und ökologisch
sinnvollen Klimaschutz, sollte man nicht, wie es Frau
Künast wieder getan hat, einzig den Verkehrssektor sehen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept.
({7})
Wir als FDP-Fraktion haben vorgeschlagen, den
Emissionshandel nicht auf den Stromsektor zu beschränken, sondern sektorübergreifend zu arbeiten. Auch der
Straßenverkehr, der Flugverkehr und der Schiffsverkehr
müssen langfristig - mit vernünftigen Übergangszeiten in den Emissionshandel einbezogen werden.
({8})
Dann müssten wir uns nicht mehr über die Problematik der Instrumente Gedanken machen, sondern hätten
eine Strategie, um das Klima wirksam und kostengünstig
zu schützen.
Vielen Dank.
({9})
Für die Bundesregierung hat nun Herr Bundesminister Sigmar Gabriel das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst
ein paar Bemerkungen zu dem, was Frau Künast und
Herr Kauch gesagt haben. Frau Künast, ich kann verstehen, dass Sie die Themen Partikelfilter und Biokraftstoffe gerne zusammenbringen; aber sagen Sie wenigstens, dass die nicht funktionierenden Partikelfilter durch
Betrüger in den Markt gekommen sind und nicht durch,
wie Herr Kauch das nennt, schlampige Arbeit bei uns.
({0})
- Herr Kauch, Sie haben im Ausschuss keinen einzigen
Beleg für Ihre Behauptung gefunden, wir hätten diesen
Betrug früher aufdecken können. Wenn man Betrüger,
kriminelles Handeln, Unternehmen, gegen die die
Staatsanwaltschaft ermittelt, benutzt, um den politischen
Wettbewerber zu schädigen, dann ist das unanständig,
Herr Kauch. Das geht nicht!
({1})
Zweitens. Frau Kollegin Künast, die Steuerbefreiung
für Reinkraftstoffe war schon unter Ihrer Regierung bis
2009 begrenzt; sie sollte dann auslaufen. Sagen Sie der
Öffentlichkeit, dass die Steuerbefreiungen, die Sie in Ihrer Regierungsverantwortung gegenüber der EU durchsetzen konnten, von uns sogar verlängert wurden.
({2})
In Wahrheit ist es doch so, dass nicht wir, sondern die
EU es war, die die Debatte über die Begrenzung der
Steuerbefreiung geführt hat.
Drittens. Herr Kauch und Frau Künast haben zwei
Dinge miteinander vermischt, die man, wenn man Schäden im Regenwald, in den Mooren und bei der Grünbrachennutzung wirklich ausschließen will, auseinanderhalten muss. Herr Kauch, Sie und die Grünen und die
Linkspartei haben sich hier mit Forderungen nach höheren Beimischungsquoten überboten.
({3})
- Natürlich, und zwar im Reinkraftstoffbereich.
({4})
Wie Sie mit Ihrem Zwischenruf belegt haben, verwechseln Sie hier etwas: Mit dem Biokraftstoffquotengesetz
wird lediglich der Anteil festgelegt, den Biokraftstoffe
am Kraftstoffmarkt in Deutschland haben müssen; es
sagt nichts darüber aus, ob es um eine Beimischung oder
um Reinkraftstoffe geht.
({5})
E10 und B7 werden durch die 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung über Kraftstoffnormen geregelt. Sie
haben sich dafür ausgesprochen, dass die Biokraftstoffquoten ständig gesteigert werden. Wenn das nicht über
E10 und B7 erfolgen soll, muss das mittels Reinkraftstoffen geschehen. Sie verschweigen der Öffentlichkeit,
dass in Deutschland für die hohen Quoten, die Sie fordern, nicht genug Reinkraftstoff produziert wird, dieser
somit importiert werden muss. Ihre Kritik an der Zerstörung der Regenwälder und Moore ist berechtigt. Doch in
dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen Ihrer Strategie und einer Erhöhung der Beimischungsquoten über die 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung.
Es ist einfach falsch, zu behaupten, der Weg über Reinkraftstoffe sei der ökologisch sichere. Ganz im Gegenteil, wenn Sie die Quoten ständig anheben, werden Sie
immer mehr importieren müssen.
Deswegen haben die Begrenzung auf E5, das Nichteinführen von E10 und das Beibehalten von B7 nichts,
aber auch gar nichts damit zu tun, ob man die Zerstörung
von Regenwäldern verhindert oder befördert. Entscheidend ist - hier haben Sie allerdings recht; dieser Überzeugung bin auch ich - die Durchsetzung nationaler, europaweiter und internationaler Nachhaltigkeitskriterien.
Die Bundesregierung wird nicht dabei stehenbleiben, in
fünf oder acht Jahren Zertifizierungssysteme international durchzusetzen. Vielmehr wollen wir - bei der EEGNovelle haben wir es bereits getan - durchsetzen, dass
von bestimmten Anbaustandorten die Einfuhr von Biomasse in Deutschland weder beimischungszulässig ist
noch auf die Quoten anrechenbar ist noch über das EEG
gefördert werden kann. Dies ist der richtige Weg, um
auszuschließen, dass wir uns hier bei der Klimabilanz in
die Tasche lügen und woanders Moore und Regenwälder
zerstört werden. Das ist der richtige Weg, nicht aber die
Behauptung, über Reinkraftstoffe gehe das alles.
({6})
Sie haben den Unterschied zwischen dem Biokraftstoffquotengesetz und der 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung im Hinblick auf E10 oder B7 entweder nicht verstanden oder ihn der Öffentlichkeit bewusst
verheimlicht. Beides würde ich wenigstens als Flop bezeichnen, Herr Kauch. Von daher sollte man vorsichtig
sein, wenn man so vollmundig daherkommt.
Eine weitere Bemerkung, Frau Künast: Moorburg
nicht zu bauen führt zu zusätzlichen CO2-Emissionen in
einer Größenordnung von 2 Millionen Tonnen, weil alte
Kohlekraftwerke weiter in Betrieb bleiben.
({7})
Das wäre das Ergebnis Ihrer Politik.
({8})
Sie müssen sich endlich einmal entscheiden, ob Sie den
Emissionshandel nun wollen oder nicht.
({9})
Meine Damen und Herren, hier ging es in der Tat um
ein mehr als schwieriges Verfahren. Anderthalb Jahre
lang - seit März 2006 - sprachen wir gemeinsam mit der
Fahrzeugindustrie, der Mineralölwirtschaft und dem
ADAC im zuständigen DIN-Ausschuss, in dem es um
die Deutsche Industrienorm geht, über die Kraftstoffqualitätsnormen, und zwar auch unter Beteiligung des Wirtschaftsministeriums. Anderthalb Jahre lang sagten uns
die deutsche Automobilindustrie, die Mineralölindustrie
und der ADAC, sie hätten mit unserem Vorhaben kein
echtes Problem. Als wir den Verordnungsentwurf zur
Anhörung verschickt hatten, hat der ADAC nicht geantwortet, und der internationale Verband der Automobilhersteller hat gesagt, man schließe sich der deutschen
Automobilindustrie an.
Ich sage Ihnen, was unser Fehler war - Frau Künast,
damit haben Sie auch recht -: Wir hätten nicht den Verbänden glauben dürfen, sondern von Anfang an die Hersteller befragen müssen. Diesen Fehler haben wir in der
Anhörung gemacht. Das unseren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern oder mir oder wem auch immer vorzuwerfen, ist zwar möglich, aber bis zu jenem Zeitpunkt sind
wir davon ausgegangen, dass diejenigen, die uns auf Anhörungsfragen schriftlich antworten, ihrer Pflicht nachkommen und wissen, worüber sie reden. Wenn sich der
ADAC nun, nach der Veröffentlichung der Verordnung,
meldet und sagt, betroffen seien soundso viele Millionen
Fahrzeuge, dann ist dies kein besonders sachgerechtes
Vorgehen. Ich wäre froh gewesen, Sie hätten in den anderthalb Jahren einen Satz dazu fallen lassen, dass Sie
den Zahlen der deutschen Automobilindustrie nicht
trauen, meine Damen und Herren. Das wäre vernünftig
gewesen.
({10})
Zum Schluss meines Beitrags weise ich auf Folgendes hin: Herr Kauch, die Biokraftstoffquote von
6,25 Prozent hat das Parlament beschlossen, nicht die
Bundesregierung. Die Bundesregierung hatte eine geringere Biokraftstoffquote vorgeschlagen; unser Gesetzentwurf sah nicht 6,25 Prozent vor.
({11})
- Ich sage ja, wir haben das alle beschlossen.
({12})
Ich verzichte darauf, vorzulesen, wie wir uns in der Euphorie über die Biokraftstoffe überboten haben. Die einen haben von Reinkraftstoffen geredet, andere von Beimischung. Ich bin sehr dafür kritisiert worden, dass ich
hier bei meiner ersten Rede gesagt habe, die erste Generation der Biokraftstoffe sei schwierig. Ich war dafür, die
Steuerbefreiung stärker zurückzunehmen - dafür bin ich
in meiner Fraktion sehr kritisiert worden -, aber die
Steuerbefreiung für die zweite Generation der Biokraftstoffe deutlich auszubauen. Das war der Vorschlag der
Bundesregierung. Dieser Vorschlag der Bundesregierung
- auch des Bundesfinanzministers -, des Kabinetts, hat
im Deutschen Bundestag keine Akzeptanz gefunden. So
ist das manchmal: Da gilt das Struck’sche Gesetz.
Wenn wir die Biokraftstoffquote von 6,25 Prozent
beibehalten wollen, dann müssen wir das Verhältnis von
Reinkraftstoff und Beimischungsquote neu austarieren.
Ich will vorsichtig darauf hinweisen, dass das keine ganz
unproblematische Angelegenheit ist, weil wir dabei natürlich auch über Förderinstrumentarien reden. Ich sage
das nur der Fairness halber. Das müssen wir jetzt tun.
Weil die Linkspartei an der Stelle so schön geklatscht
hat: Das Einfrieren bringt dabei gar nichts, denn selbst
bei E5 und B5 - ({13})
- Die haben natürlich auch mehr Reinkraftstoffe gefordert. Ich will nur nicht alles vorlesen.
({14})
- Na klar.
Frau Künast hat erklärt, sie würde die Landwirte zu
den Ölscheichs von morgen machen.
({15})
- Dabei gibt es aber das kleine Problem, dass in
Deutschland lebende Landwirte die Menge an Reinkraftstoffen, die Sie wollen, nicht alleine herstellen können.
Deswegen brauchen wir die Zertifizierungssysteme.
Dies müssen wir jetzt neu austarieren.
({16})
Ich stimme Herrn Kauch, Frau Künast und auch den
Entwicklungspolitikern von SPD und CDU/CSU, die
darauf sehr viel Wert legen, ausdrücklich zu: Wir müssen im Zweifel bereit sein, auch einen Konflikt mit der
WTO einzugehen, indem wir sagen, dass wir bestimmte
Dinge nicht nach Deutschland hineinlassen wollen.
({17})
Aber - Frau Kollegin Reiche, hier liegt das Problem -:
Ich will Brasilien nicht vorschreiben, wie es Nahrungsmittel anbaut. Ich will aber auch nicht unbeachtet lassen,
dass der größte Importeur von Soja in Europa - Europa
ist in der Welt insgesamt der größte, Deutschland ist der
größte Sojaimporteur hier - das in die Futtermittelindustrie bringt und in Brasilien für 80 Prozent der Zerstörung
der Regenwälder verantwortlich ist. Wir diskutieren über
einen kleinen Anteil an Biokraftstoffen, als hätten wir
das Problem damit gelöst, wobei wir immer noch übersehen, dass man auch mit Palmöl Blockheizkraftwerke
betreiben kann - sozusagen nach dem EEG -, was wir
auch ausschließen wollen, aber wir trauen uns nicht,
über den Riesenanteil zu reden, den die Kosmetikindustrie und die Futtermittelindustrie am Sojaimport haben,
weswegen gerade in Brasilien Regenwälder zerstört werden. Das geht nicht. Das muss mit auf den Tisch. Dafür
plädiere ich.
({18})
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({19})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Eva BullingSchröter für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben gerade gehört: Minister sind unfehlbar.
({0})
„Ein guter Tag fürs Klima“ titelte Der Spiegel in dieser Woche in Bezug auf den Stopp der Biospritverordnung. Ich bin mir da überhaupt nicht sicher; denn Umweltminister Gabriel ist ja nicht wegen der miesen
Klimabilanz des Bioethanols oder wegen der irrwitzigen
Auswirkungen der Agrospritimporte auf Tropenwälder
und Menschenrechte auf die Notbremse getreten. Nein,
die Strategie wurde nur ins Wanken gebracht, weil Bioethanol den Motoren schaden könnte. Er, Gabriel, erklärte in einer Presseerklärung zudem entwaffnend offen, die Agrospritstrategie habe eigentlich nie primär
etwas mit Klimaschutz zu tun gehabt. Es sei vielmehr
darum gegangen, den Automobilherstellern Investitionen in sparsamere Autos zu ersparen.
({1})
Nunmehr soll das Weniger an Bioethanol zum Teil
durch ein Mehr an Biodiesel ausgeglichen werden. Diese
15 Prozent - ursprünglich waren es 17 Prozent - wären
aber immer noch rund das Dreifache dessen, was inländisch nachhaltig an Biomasse produziert werden kann.
Der Rapsanbau in Deutschland stößt bereits jetzt an
seine Grenzen. Schon heute basiert Biodiesel hierzulande zu rund einem Fünftel auf tropischem Sojaöl. Herr
Gabriel, wir haben damals gefordert, dass es keine Beimischungspflicht gibt. Das wissen Sie auch. Die Anträge
liegen vor.
({2})
Steigende Importe von Agrokraftstoffen sind weiterhin Ihr Programm, so, als gäbe es überhaupt keine Debatten über die erschreckenden Auswirkungen vieler
Agroenergien auf die Tropenwälder und die Welternährung. Schauen Sie sich die Dinge an, die von Misereor
und anderen christlichen Organisationen dazu geschrieben wurden. Dann werden Sie sehen, was hier geschieht.
Stattdessen wird immer wieder auf Zertifizierung
gesetzt, die jedoch - das versichern uns die meisten
NGOs - zur Erfolglosigkeit verurteilt ist. Das liegt nicht
nur an Korruption, mafiösen Strukturen und mangelnder
Überwachung in vielen Produzentenländern, sondern es
sind vor allem die indirekten Verdrängungseffekte der
Agroenergie, die die Zertifizierungen ins Leere laufen
lassen.
Sorgen macht uns in diesem Zusammenhang zusätzlich eine neue Verordnung, die Ende letzten Jahres verEva Bulling-Schröter
abschiedet wurde. Sie erlaubt ab 2010 die Hydrierung
solcher Pflanzenöle, die bisher nur in Kraftwerken einsetzbar waren. Palmöl aus Indonesien etwa, für das dort
riesige Urwaldgebiete gerodet werden, lässt sich dann
auch in Autos verfahren. Das ist ja klasse: Der Druck auf
die Wälder in Borneo und Sumatra wird also noch weiter
zunehmen.
Wie steht es eigentlich mit Wirtschaftsminister Glos?
Er ist leider nicht anwesend.
({3})
Wie ich der Welt am Sonntag entnehmen durfte, hat er
- wie im Übrigen auch Herr Söder und die gesamte
CSU - angeblich schon seit Jahren gewusst, dass der
Run auf den Agrosprit zulasten tropischer Wälder und
ihrer Bewohner erfolgt.
Allerdings wird man den Verdacht nicht los, dass Herr
Glos lediglich Argumente sammelt, die belegen könnten,
dass sich das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung langsam in Luft auflöst. Solche Argumente kann er
nämlich gerade gut gebrauchen, beispielsweise um die
Atomkraft wieder ins Spiel zu bringen. Dafür wird neuerdings - wenn nötig mit der Brechstange - auch eine
Stromlücke beschworen. Aber Entschuldigung, es handelt sich natürlich um fundierte Analysen der Deutschen
Energie-Agentur.
Man kann froh sein, wenn man zu diesem Thema eine
Auskunft erhält. Als mein Abgeordnetenbüro nach besagter dena-Studie fragte, wurde es zuerst an die Pressestelle verwiesen, die uns dann mitteilte, die Langfassung
der Studie sei nicht öffentlich. Ferner dürfe nicht darüber
informiert werden, wer der Auftraggeber der Studie sei.
Das ist schon seltsam. Statt Rohdaten darf man sich eine
Power-Point-Präsentation aus dem Internet laden. Ich
denke, das ist keine Grundlage seriöser Energiepolitik.
({4})
Gleichzeitig pöbelt Wirtschaftsminister Glos gegen
das Umweltbundesamt, weil dieses in einer eigenen Studie keine Stromlücke feststellen konnte. Das UBA habe
für Energieprognosen keinerlei Kompetenz, schreibt er.
Ich finde, nach Transrapid und Landesbankskandalen
sollten Sie, meine Damen und Herren von der CSU, sich
in Sachen Kompetenzbeurteilung etwas zurückhalten.
({5})
Ich komme abschließend noch einmal auf den Agrosprit zurück und fordere die Bundesregierung auf: Zwingen Sie deutsche Autofahrer nicht, Urwälder Südamerikas oder Asiens in ihren Tanks zu verheizen! Reduzieren
Sie die Agrospritziele auf ein Maß, welches mit inländischer Produktion erreicht werden kann!
Ich komme zum Schluss. Wir müssen weiter über die
Verkehrsvermeidung reden. Es muss dringend gehandelt
werden. Das Tempolimit ist sehr wichtig. Wenn wir es
im Übrigen schaffen, den Spritverbrauch jedes Autos um
einen Liter zu reduzieren, dann sparen wir 12 Prozent
Kraftstoff oder 10 Millionen Tonnen CO2 ein.
({6})
- Sie sagen, dies sei zu wenig. Es ist immerhin ein Anfang. Ich kann aber nur eine Zugabe fordern. Wir könnten im Sinne des Klimaschutzes noch weiter diskutieren.
({7})
Frau Kollegin, wir diskutieren aber nicht mehr hier
weiter.
Das Wort hat nun der Kollege Andreas Jung für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Aus den bekannten Gründen war es sicherlich richtig,
die zum 1. Januar nächsten Jahres vorgesehene Erhöhung der Beimischungsquote zu stoppen. Aber wenn Sie
diese Entscheidung zum Anlass nehmen, Frau Künast,
das Scheitern der Klimapolitik der Bundesregierung insgesamt festzustellen, dann will ich deutlich sagen: Lassen wir die Kirche im Dorf!
({0})
Es ist zwar wahr, dass die Beimischung von Biokraftstoffen eine Maßnahme ist, um den Klimaschutz voranzubringen. Sie ist aber nur eine Maßnahme in einem
ganzen Maßnahmenbündel mit ehrgeizigen Zielen in den
Bereichen Industrie, in der Wirtschaft insgesamt, Energie, in den Privathaushalten und im Verkehr.
Sie haben konkret nach den Instrumenten und den
Zielen gefragt. Bleiben wir einfach bei den Fakten. Wir
können feststellen: Wir sind sowohl bei den Instrumenten als auch bei den Zielen auf einem guten Weg. Zu den
Instrumenten: Ob es um die Förderung erneuerbarer
Energien, das Gebäudesanierungsprogramm oder den
Emissionshandel geht, in allen diesen Bereichen betreiben wir mehr Klimaschutz und sparen mehr CO2 ein als
Sie, Frau Künast, und Herr Trittin in der letzten Legislaturperiode der rot-grünen Regierung.
({1})
Wir sind nicht nur bei den Instrumenten auf einem guten Weg, sondern auch bei den Zielen. Wieder zu den
Fakten: Die jüngsten Studien belegen, dass Deutschland
seine sehr ehrgeizigen Klimaschutzziele in allernächster
Zeit erreichen wird.
Es ist richtig, dass wir nun darüber diskutieren, wie es
mit den Biokraftstoffen weitergehen soll. Wahr ist - das
wurde schon angesprochen -, dass sich neben der Frage
nach der Verträglichkeit für die Automobile ökologische
Herausforderungen mit globaler Dimension stellen.
Andreas Jung ({2})
Nicht zuletzt während unserer letzten Delegationsreise
konnten wir uns selbst ein Bild davon machen, dass
Regenwälder nicht nur, aber auch zur Produktion von
Biokraftstoffen abgeholzt werden. Es ist unsere Aufgabe, dieser Herausforderung zu begegnen.
Herr Minister, Sie haben jede Unterstützung der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wenn es darum geht,
eine Nachhaltigkeitsverordnung in der Europäischen
Union voranzubringen. Das Allerbeste wäre eine weltweite Einigung gewesen. Da aber diese noch nicht
erreicht werden konnte, finden wir es richtig, dies auf
europäischer Ebene anzugehen und eine echte Nachhaltigkeitsverordnung durchzusetzen, die verhindert, dass
für Biokraftstoffe Regenwälder abgeholzt und Moore
zerstört werden, und die sicherstellt, dass bei uns nur solche Biokraftstoffe auf den Markt kommen, die eine um
30 oder sogar 35 Prozent bessere CO2- bzw. Treibhausgasbilanz, von der Produktion über die Herstellung bis
hin zum Transport, aufweisen als herkömmliche Kraftstoffe. Wenn das gelingt, können wir guten Gewissens
die Förderung von Biokraftstoffen auch durch die Beimischung vorantreiben.
({3})
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der in dieser Debatte bereits erwähnt wurde. Wir haben zwei Instrumente, um Biokraftstoffe zu fördern. Das eine ist die
Beimischungsquote, das andere ist die Steuerbegünstigung. Unsere Position, die von vielen Kollegen geteilt
wird, ist schon seit Monaten: Wir halten die zweite Stufe
der Besteuerung des reinen Biokraftstoffs für falsch;
denn hier handelt es sich um einen Markt, auf dem mittelständische Hersteller und Landwirte in Deutschland
dominieren. Hier stellen sich damit die globalen Herausforderungen nicht in dem Maße, genauso wenig wie die
Frage nach der Verträglichkeit bei den Automobilen. Wir
haben festgestellt, dass schon die erste Steuerstufe dazu
geführt hat, dass der Markt gelitten hat, dass der Umsatz
zurückgegangen ist und dass einige Hersteller erhebliche
Einbußen haben hinnehmen müssen. Wir sind der Auffassung, dass man nun dieses Problem angehen muss
und zumindest die zweite Stufe, die am 1. Januar dieses
Jahres in Kraft getreten ist, infrage stellen sollte; denn
wenn wir bei der Beimischung langsamer vorankommen, als wir es erhofft hatten, müssen wir bei den reinen
Biokraftstoffen einen anderen Weg gehen als den beschlossenen. Deshalb wird die Unionsfraktion diese Diskussion in den nächsten Tagen und Wochen aufgreifen.
Herzlichen Dank.
({4})
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Josef Fell für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Herr Kollege Jung, Frau Künast hat völlig
recht: Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung zerbröselt immer mehr. In Meseberg noch groß gefeiert, im
Kabinettsbeschluss schon deutlich abgeschwächt, zeigt
sich nun, dass die Große Koalition beim Klimaschutz
ihre Ziele voll verfehlen wird. Frau Reiche, es genügt
nicht, zu den Klimaschutzzielen zu stehen. Sie müssen
auch Maßnahmen ergreifen, um sie zu erreichen.
({0})
Ein wichtiger Punkt nach dem anderen bricht aus Ihrem
Klimaschutzpaket heraus. Beispielsweise hat die Anhörung zum Entwurf eines Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes am letzten Montag ergeben, dass der vorgelegte
Gesetzentwurf äußerst mangelhaft ist und dass sich mit
diesem Gesetz niemals der angestrebte 25-Prozent-Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung erreichen lässt.
Ein zweites gravierendes Beispiel ist nun die verfehlte Biokraftstoffstrategie dieser Bundesregierung.
Von Anfang an hat die Große Koalition mit der Beimischung statt Steuererleichterung auf die falsche Strategie
gesetzt und landet nun zunehmend im Umsetzungspfusch. Der Grund ist schnell gefunden: Die Minister
Gabriel, Seehofer, Steinbrück und andere haben sich
ausschließlich von den Konzernen der Mineralölwirtschaft beraten lassen, statt die Belange des ökologischer
orientierten Mittelstandes zu beachten. Die von der Mineralölwirtschaft vorgeschlagene und leider sogar vom
Bauernverband unterstützte Beimischung statt Steuerbefreiung hat bereits erfolgreich aufgebaute Strukturen zerstört. Die ersten Biodieselproduzenten stehen vor dem
Konkurs. Die ökologisch orientierte Pflanzenölwirtschaft mit dezentralen Ölmühlen und mittelständischen
Umrüstern wurde bereits plattgemacht, die E85-Entwicklung wurde im Keim erstickt. Dass dabei Folgeschäden wie ein Wegbrechen der Versorgung des Viehs
mit heimischem Eiweiß aus dem Presskuchen von Raps
und Sonnenblumen auftreten, interessiert Sie nicht. Dass
stattdessen wieder mehr Sojaschrot als Viehfutter nach
Deutschland importiert werden muss, interessiert Sie
auch nicht, obwohl wegen des Sojaanbaus immer mehr
tropische Regenwälder abgeholzt werden müssen. So
unterstützen gerade Sie, Herr Gabriel, mit diesem Beimischungszwang indirekt die großen Sojaimporteure aus
Brasilien.
({1})
Es genügt nicht, Herr Gabriel, die Urwaldabholzungen zu beklagen. Sie müssen endlich auch die Strukturen
im Biokraftstoffmarkt so ändern, dass eben nicht die
Konzerne, die kein Interesse an sozial gerechten und
ökologisch sauberen Anbaumethoden für Biosprit haben, genau diese Biokraftstoffe in die Hände bekommen.
Führen Sie endlich die Steuererleichterungen ein, die
wir, Herr Gabriel, nur deswegen bis 2009 beschränkt
hatten, weil das EU-Recht dies vorschrieb. Wir von RotGrün haben immer gesagt, dass wir das fortführen wollen. Aber Sie haben lange vor 2009 den Vertrauensschutz missachtet, den die Investoren gebraucht hätten.
({2})
Nun pfuschen Sie auch noch bei der Umsetzung der Beimischungsstrategie. Es war von Anfang an abzusehen,
dass eine Erhöhung der Beimischungsquote schnell an
technische Grenzen stoßen wird, weil eben nicht alle
Motorentypen eine höhere Beimischung vertragen.
Schieben Sie nicht dem ADAC die Schuld zu! Das hätten Sie sehr gut vorher analysieren können und müssen.
Doch der Pfusch Marke Gabriel hat noch größere
Dimensionen. Mit einer von den Mineralölkonzernen
gewünschten Verordnung für die Hydrierung von Pflanzenölen öffnen Sie nun die Tür für die Beimischung von
Palmöl zum deutschen Diesel. Konnte Palmöl bisher aus
technischen Gründen nicht dem Diesel beigemischt werden, so wird mit der Hydrierung genau dieser Weg eröffnet. Die erste Palmölhydrierungsanlage wird bereits in
Indonesien gebaut. So sind Sie indirekt für Urwaldabholzung in Indonesien verantwortlich. Das ist beschämend für einen Bundesumweltminister, der gerade noch
in Bali Urwaldschutz gefordert hat.
({3})
Urwaldabholzungen und Abwürgen von nachhaltig angebauten Biokraftstoffen - beides heizt das Klima auf.
Das ist eine beschämende Bilanz des Klimapaketes der
Bundesregierung und des Umweltministers.
Dabei haben die jüngsten Forschungsergebnisse des
US-Klimaforschers Hansen von der NASA in der letzten
Woche die Dramatik der Klimaerwärmung erneut wissenschaftlich belegt. Er hat sogar nachgewiesen, dass die
Empfehlungen des Weltklimarates nicht ausreichend
sind, da die Selbstverstärkerprozesse der Welterwärmung bisher weit unterschätzt wurden. Hansen appelliert
an die Weltgemeinschaft, endlich eine Strategie der Nullemissionen statt der bloßen Emissionsreduktion einzuschlagen. So verlangt er völlig zu Recht, dass bis 2030
die weltweiten CO2-Emissionen aus der Kohlenutzung
vollständig beendet werden. Ich weiß nicht, wie Sie,
Herr Gabriel, Moorburg da noch verantworten wollen.
Herr Hansen sagt auch, dass die Konzentration des heutigen CO2-Gehaltes von 385 parts per million auf
350 parts per million sogar gesenkt werden muss. Das
geht am besten mit nachhaltiger und ökologischer Landwirtschaft, bei der der über Pflanzen gefilterte atmosphärische Kohlenstoff im Humus des Bodens gespeichert
wird. Die Erzeugung ökologischer Lebensmittel und
ökologischer Biokraftstoffe ist ein entscheidendes Instrument für den Klimaschutz.
Herr Gabriel, Frau Merkel, gehen Sie endlich ab von
dem Irrweg der Biokraftstoffpolitik der Bundesregierung, hören Sie nicht weiter auf die Vorschläge der Mineralölkonzerne, und setzen Sie sich endlich auch in der
Biokraftstoffstrategie für ein ökologisches Wissen und
ökologische dezentrale Strukturen ein!
({4})
Nächster Redner ist der Kollege Marko Mühlstein für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Im Zuge der Debatte um die Einführung
von E10 sind Biokraftstoffe, aber auch der gesamte Bereich der Bioenergie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. In diesem Komplex der Diskussion kursieren leider - das muss man an dieser Stelle
einmal deutlich sagen - viele Falschinformationen und
Halbwahrheiten. Deshalb erachte ich eine Versachlichung der Diskussion um Bioenergie, insbesondere um
Biokraftstoffe, für notwendig. Die Bioenergie ist eine
tragende Säule im heutigen und zukünftigen Energiemix. Der Anteil der Bioenergien an den erneuerbaren
Energien liegt bei immerhin zwei Dritteln. Ich glaube,
man kann an dieser Stelle sagen, dass die Bioenergie die
tragende Säule der erneuerbaren Energien ist.
Wenn der Ausbau der Bioenergie voranschreiten soll
- ich glaube, das wollen wir alle in diesem Hause -,
dann müssen wir in Zukunft genauer hinschauen. An
dieser Stelle bin ich dem Bundesminister Sigmar Gabriel
sehr dankbar, dass er in der vergangenen Woche ein Papier vorgestellt hat, in dem die Weiterentwicklung der
Bioenergie und vor allem die Kriterien, die in Zukunft
eingehalten werden müssen, deutlich gemacht werden.
Wir sind uns in der Großen Koalition einig, dass wir
den Einbau von Leitplanken brauchen, wenn wir Bioenergie zukunftsfähig machen wollen. Die Hauptkritik in
den vergangenen Wochen und Monaten war, dass die
Nachhaltigkeitsaspekte, gerade was den Anbau von Rohstoffen angeht, vernachlässigt wurden. Diese Kritik ist
gerechtfertigt. Deswegen war es richtig, dass die Bundesregierung am 5. Dezember vergangenen Jahres die Nachhaltigkeitsverordnung verabschiedet hat, Herr Kauch.
Ich glaube, das war ein Schritt in die richtige Richtung.
Der Schritt, der in der letzten Woche vom Bundesministerium vorgegeben wurde - nicht darauf zu vertrauen,
die Nachhaltigkeitsverordnung irgendwann in den kommenden Jahren auf internationaler Ebene zu verankern,
sondern nach Zwischenschritten zu suchen -, ist richtig
und notwendig.
({0})
Möglichkeiten ergeben sich zum Beispiel im Bereich der
bilateralen Abkommen mit einzelnen Staaten oder der
gutachterlichen Tätigkeiten.
Die Nachhaltigkeit darf in Zukunft nicht nur das Kriterium für die Biokraftstoffe sein - der Bundesminister
sagte das vorhin richtig -; das greift zu kurz. Wir müssen
genauer hinsehen. Beispielsweise werden rund 90 Prozent des in die EU importierten Palmöls in der Lebensund Futtermittelindustrie oder in der Kosmetikindustrie
verwendet. Selbst Greenpeace stellt eindeutig fest, dass
ein Großteil des Palmöls im wahrsten Sinne des Wortes
in die Lebensmittelindustrie fließt. Deshalb brauchen
wir ein Zertifizierungssystem für alle Agrarrohstoffe.
Damit meine ich die Futtermittel genauso wie die Nahrungsmittel; sonst greift die Zertifizierung auch langfristig zu kurz.
Zum Thema Biokraftstoffe. Es ist sinnvoll - das hat
der Bundesminister vorhin sehr gut dargestellt -, die
Quotenziele für 2015 und 2020, über die wir noch vor
Monaten diskutiert haben, auf den Prüfstand zu stellen
und sie gegebenenfalls zu korrigieren. Wer weiß schon,
wie sich die Dinge entwickeln? Wer weiß, wann beispielsweise BtL tatsächlich marktfähig wird? Viel wichtiger ist es, eine Politik für einen absehbaren Zeitraum zu
machen. Ich schlage an dieser Stelle vor, die Quotenziele
einmal pro Legislatur, also alle vier Jahre, zu überprüfen.
Klar ist, dass E10 nicht kommen wird. Aber klar ist
auch, dass der Biosprit, wie die Bezeichnung in einer
großen Tageszeitung lautete, kein Schnee von gestern
ist, sondern dass wir E5 und B7 bekommen werden und
dass wir eine Gesamtquote von 6,25 Prozent, wie sie bereits jetzt im Gesetz festgelegt ist, als Maßgabe für die
weiteren Diskussionen, auch für die über den reinen Biokraftstoff, haben müssen. Ich denke, wir brauchen den
reinen Biokraftstoff der ersten Generation in den nächsten Jahren. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir dieses Austarieren - so sagte es der Bundesminister vorhin tatsächlich realisieren können.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben ganz klare
Vorstellungen. Wir wollen beispielsweise in Zukunft
eine Steuerbefreiung für den öffentlichen Personennahverkehr oder auch den Schienenpersonennahverkehr umsetzen. Das ist nur ein Mittel, aber ich denke, dass dies
der richtige Weg ist.
({1})
Effizienzsteigerung und Einsatz von Biokraftstoffen - das
ist auch heute in der Anhörung deutlich geworden - dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ganz im
Gegenteil: Eine effektive Klimaschutzpolitik braucht
beide Ansätze. Das heißt, dass die Automobilindustrie
heute anfangen muss, sparsamere und emissionsärmere
Autos zu entwickeln.
Ich möchte an dieser Stelle noch etwas sagen, auch
wenn meine Zeit bereits überschritten ist.
Sie sollten aber auch die Konsequenz daraus ziehen.
Das werde ich tun, Frau Präsidentin.
Ich hoffe, dass wir im Jahre 2009 nicht nur über eine
CO2-Kfz-Steuer sprechen, sondern dass wir diese ab
dem 1. Januar 2009 schon haben werden.
({0})
Zum Schluss möchte ich die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, nicht nur die der Großen Koalition,
herzlich einladen, eine konstruktive Debatte zu führen
und gemeinsam einen Weg für eine nachhaltige und umweltfreundliche Bioenergienutzung zu suchen.
Herzlichen Dank.
({1})
Das Wort hat nun der Kollege Josef Göppel für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In den letzten Monaten geht ein regelrechtes Trommelfeuer auf die Biokraftstoffe nieder. Das ist so eine deutsche Eigenart: Voll rein in die Kartoffeln und dann
fluchtartig wieder raus. Wir müssen aufpassen, dass die
Biokraftstoffe nicht als solche insgesamt verdammt werden. Das geben die naturwissenschaftlichen Grundlagen
nicht her.
({0})
Wenn man Gewinnung, Anbau, Transport, Verarbeitung und Verbrennung betrachtet, stellt man fest, dass
bei 1 Liter Benzin oder Diesel etwa 3 Kilogramm CO2
freigesetzt werden; bei 1 Liter Biodiesel oder Pflanzenöl
ist es nur die Hälfte. Das ist die Quintessenz aller Untersuchungen, die uns vorliegen. Deswegen ist es richtig,
dass wir als Bundestag und Bundesregierung generell an
den Biokraftstoffen festhalten. Es ist wohl nur zu viel
Gewicht auf die Beimischung gelegt worden. Ich bin der
Meinung, dass jetzt wieder mehr die Reinkraftstoffe ins
Spiel kommen müssen.
({1})
Natürlich kann man überlegen, was alles noch entwickelt wird: neuartige Kraftstoffe, Elektroantriebe. Nur,
was haben wir jetzt, 2008? Was können wir in der Zeit
von 2009 bis 2014 oder 2015 einsetzen, bis all diese
Dinge verfügbar sind? Das sind der Biodiesel, umgeestertes Pflanzenöl, mit einem Anteil von rund 75 Prozent, das reine abgepresste Pflanzenöl mit einem Anteil
von rund 20 Prozent - das sind zusammen 95 Prozent und Ethanol.
Wir brauchen jetzt eine schnelle Entlastung für den
Einsatz dieser Reinkraftstoffe.
({2})
Dieser Markt hat sich mittelständisch entwickelt. Da ist
die Frage: Welche Instrumente wählen wir? Ich bin der
Überzeugung - die allermeisten bei uns in der Unionsfraktion sind es auch -: Wir brauchen erstens eine Unterkompensationsrechnung, die zeitnah erfolgt, sodass bei
einer Veränderung der Preisrelationen der Biokraftstoff
an der Tankstelle nicht teurer ist als der Kraftstoff aus
Erdöl.
Wir brauchen zweitens eine echte Anwendung der
Nachhaltigkeitsverordnung. Erst wenn wir bei dem ersten Schiff in einem Hafen das Ausladen verhindern,
merkt man dort, dass wir es ernst meinen mit unserer
Nachhaltigkeitsverordnung. Die Konflikte mit der WTO
hat Herr Minister Gabriel völlig richtig angesprochen.
Ich denke, hier muss die Probe aufs Exempel gemacht
werden.
Drittens. Ich unterstütze auch, was Herr Kollege
Mühlstein sagt. Es ist meine Meinung, dass wir dem
Markt mit der Ausweitung des Landwirteprivilegs auf
den öffentlichen Nahverkehr, und zwar auf die Busse
und die Schienenfahrzeuge, eine direkte Entlastung geben müssen. Wir würden aber auch unserer Bevölkerung
ein direktes Signal dahin gehend geben, dass sich aus
dem Klimaschutz auch einmal etwas Positives für die
normalen Menschen ergibt, dass es also nicht nur Kostensteigerungen gibt, sondern dass es auch bei Einhaltung der Nachhaltigkeit aus sozialen Gesichtspunkten
ein Entgegenkommen für Menschen gibt, die den öffentlichen Nahverkehr benutzen.
({3})
Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Petra
Bierwirth.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben bei der Biokraftstoffstrategie ein ambitioniertes Ziel vor Augen gehabt. Ich will die Biokraftstoffe
nicht verteufeln, aber ich denke, heute ist der Zeitpunkt
gekommen, um zu sagen: Wir sind mit unseren hier im
Parlament getroffenen Beschlüssen etwas über das Ziel
hinausgeschossen. Wir müssen erkennen, dass der eingeschlagene Weg nicht ganz der richtige war und dass er so
nicht gangbar ist. Wir müssen heute sagen: Es ist Zeit,
vergangene Fehler zu korrigieren und den von uns eingeschlagenen Weg zu überdenken, bevor es zu spät ist und
zu teuer wird.
({0})
Ich denke, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat uns mit dem Papier zur
Weiterentwicklung der Strategie zur Bioenergie einen
guten und richtigen Ansatz vorgelegt, den wir in unsere
Diskussion einbeziehen sollten.
({1})
Auch mich hat geärgert, dass in der öffentlichen Debatte mit dem Stopp der E10-Verordnung nur die Kraftfahrer erwähnt worden sind. Es wurden nur die Autos erwähnt, die diesen Kraftstoff nicht vertragen. Es wurden
die Leute erwähnt, die teures Benzin kaufen müssen.
Das ist sicher richtig und auch angemessen. Es ist aber
auch wichtig, über die anderen Aspekte zu sprechen, die
ebenfalls in diese Entscheidung einbezogen werden
müssen. Diese gibt es.
Wir haben in den letzten Monaten in unserem Ausschuss verschiedene Anhörungen durchgeführt, die uns
auch die anderen Problematiken der Biokraftstoffstrategie und der Biomasse insgesamt vor Augen geführt haben. Es wurde zum Beispiel deutlich, dass die derzeitige
Gewinnung von Biomasse nicht nachhaltig ist und dass
wir noch große Anstrengungen unternehmen müssen,
um eine nachhaltige Gewinnung auf den Weg zu bringen. Die Nachhaltigkeitsstrategie liegt auf dem Tisch.
Ich denke aber, uns allen ist klar, dass es noch ein langer
Weg wird, diese Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen.
Das haben wir in unserer heutigen Anhörung im Ausschuss noch einmal vor Augen geführt bekommen. Unser Besuch in Indonesien ist schon mehrfach angesprochen worden. Dort haben wir hautnah die Probleme
erlebt, die wir in unsere Diskussion einbeziehen müssen.
Ich möchte heute noch ein weiteres Problem ansprechen; auch der Vertreter des Bauernverbandes hat dies
kurz angesprochen. Es handelt sich dabei um die Herausnahme von Flächen, die eigentlich zur Produktion
von landwirtschaftlichen Gütern verwendet werden, und
zwar durch Leute, die eigentlich nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben. Diese Leute kaufen landwirtschaftliche Flächen zu spekulativen Zwecken auf. Dass
dies nicht nur bloße Theorie ist, davon konnte ich mich
Anfang dieser Woche mit einigen Kollegen überzeugen.
Wir haben ein Biosphärenreservat besucht. Hier gibt es
die größte zusammenhängende Fläche, auf der ökologischer Landbau betrieben wird. Dort kaufen zum Beispiel
Bankleute und Besitzer von Möbelhäusern landwirtschaftliche Flächen auf. In dieser Landschaft, in der es
keinerlei Infrastruktur gibt, planen diese Leute, auf engstem Raum zehn Biogasanlagen zu bauen und die Felder
ringsum zum Maisanbau zu nutzen.
({2})
Man muss sich dies vor Augen führen. Dies geschieht
in einem Biosphärenreservat. Ich muss Ihnen nicht erläutern, was das für Auswirkungen haben wird. Auch
diese Aspekte müssen wir jetzt dringend in unsere Diskussion einbeziehen.
Ich meine daher, dass wir unseren Umgang mit Biomasse insgesamt überdenken sollten. Das betrifft sowohl
die Größenordnung, in der wir die Biomasse nutzen wollen, als auch ihre umweltverträgliche Produktion. Klar
ist - auch das ist heute schon mehrfach angesprochen
worden -: Um unseren Bedarf an Biomasse abzudecken,
verfügen wir in Deutschland nicht über ausreichende
Flächen. Wir sind also auf Importe angewiesen, die
hauptsächlich aus den Entwicklungs- und Schwellenländern stammen. Wir müssen auch einmal miteinander
darüber diskutieren, dass wir damit die Menschen dort
unweigerlich vor die Entscheidung stellen, entweder ihre
Grundbedürfnisse oder unsere stetig steigenden und teilweise auch maßlosen Konsumansprüche zu befriedigen.
Wir beschwören im Konzert mit den weiteren reichen
Industrieländern durch unsere Politik eine Entwicklung
herauf, die in den Ländern, in denen der finanzielle Anteil, der für die tägliche Ernährung aufgewendet werden
muss, schon sehr hoch ist, noch höher und damit untragbar wird. Wir Deutschen mögen uns eine Erhöhung der
Lebensmittelpreise, wie wir sie zurzeit erleben, gerade
noch leisten können, ein Tagelöhner in Lagos oder
Johannesburg kann das bald wohl nicht mehr.
({3})
Darüber hinaus sehe ich auch noch eine weitere Konfliktlinie, die meines Erachtens viel zu wenig in die Diskussion eingebracht wird, nämlich die zwischen der Erzeugung von Biomasse und dem nachhaltigen und
effizienten Umgang mit der Ressource Wasser. Klar ist,
durch die Biomasseerzeugung steigt der Wasserverbrauch. Wir alle wissen zugleich, dass in Zukunft die
Wasserressourcen knapper werden. Hinzu kommt, dass
die Produktion von Biomasse durch den Einsatz von
Dünge- und Pflanzenschutzmitteln negative Folgen für
das Grund- und Oberflächenwasser haben wird. Auch
diesen Aspekt müssen wir dringend auf die Tagesordnung setzen und in die Diskussion einbringen.
Ich denke, wir Parlamentarier sind jetzt gefordert, unsere Hausaufgaben zu machen und zu sagen, in welche
Richtung wir in Zukunft marschieren wollen. Ich freue
mich auf eine gemeinsame Diskussion darüber hier im
Parlament.
({4})
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Schindler für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte
Zuhörerinnen und Zuhörer droben auf den Tribünen! In
der Financial Times Deutschland vom 9. April 2008
steht im Gastkommentar unter der Überschrift „Künstlicher Konflikt“:
Biokraftstoffe geraten zu Unrecht in Verruf. Ihre
Ökobilanz ist besser als die von Benzin und Diesel
auf Erdölbasis. Und eine Konkurrenz zwischen Teller und Tankstelle gibt es de facto nicht.
Jetzt fragt man sich schon, warum in den letzten acht
Wochen so viel Gegenteiliges in unserer Medienlandschaft verkündet worden ist.
({0})
Dass wir nun darüber debattieren, möchte ich mit einem Sprichwort aus der Pfalz kommentieren: Nichts ist
so schlecht, als dass es nicht für irgendetwas gut ist. - In
diesem Punkt stehe ich ganz auf der Seite unseres Umweltministers Gabriel und hoffe, dass der genannte Artikel aus der Financial Times Deutschland dafür sorgt,
dass die Debatte wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird.
Wir, die Entscheidungsträger hier im Parlament, müssen schon schauen, wo Lobbypolitik dafür gesorgt hat,
dass insbesondere in der öffentlichen Meinung Extrempositionen Beachtung fanden, und welche Grundsatzziele sich die Bundesregierung, das Parlament oder die
Europäische Union gesetzt haben. Wir lassen uns auch
nicht beeindrucken, wenn der eine oder die andere versucht, uns zu beeinflussen. Das Biokraftstoffquotengesetz bleibt. Punkt. Darüber gibt es keine Diskussion. Wir
verfolgen damit die ehrgeizigen Ziele, die Herr Gabriel
vorgegeben hat. Diese haben wir alle im Dezember im
Parlament als einen guten Beitrag für die Umweltpolitik
begrüßt. Wir alle haben auch immer wieder gepredigt,
wie notwendig eine Minderung der CO2-Emissionen ist.
Jetzt stehen wir vor dem Problem, dass 3 Millionen
von 41 Millionen Autos eine andere Kraftstoffsorte benötigen und damit ihre Fahrer eine höhere finanzielle
Belastung an der Tankstelle in Kauf nehmen müssen.
Diese Tatsache hat ja die Emotionen geschürt. Zur Relativierung: Die Zahl der betroffenen Autos deutscher Automarken beträgt nur 170 000 bis 300 000, je nach
Schätzung. Es wissen auch alle, dass die 3 Millionen,
zum größten Teil importierten Altautos in drei bis fünf
Jahren nicht mehr auf den Straßen fahren werden. Hier
greift der ganz normale Abgang und Wechsel von Kraftfahrzeugen. Die momentane Empörung unserer Bevölkerung hat Herrn Gabriel aber bewogen, mit Unterstützung der Kanzlerin und der Union diese Vorlage
zurückzuziehen.
Nachhaltigkeit ist ein Thema. Herr Gabriel, ich
pflichte Ihnen ausdrücklich bei: Haben wir den Mut, mit
der WTO zu streiten! Warum nicht drei, vier Jahre einen
Prozess über Nachhaltigkeitskriterien, wie Josef Göppel
sagte? Wie kann es denn sein, dass unsere gut gemeinte
Politik durch Billigstimporte ausgehöhlt wird, und das
auf Kosten des Umweltschutzgedankens in der Dritten
Welt? Orang-Utans haben keinen Lebensraum mehr,
weil wir die CO2-Bilanz in Europa erfüllen wollen.
Deutschland - auch das muss man zu der Kritik der
Opposition sagen - ist Wegbereiter und führend in Europa, was die aktive Umsetzung von umweltschutzpolitischen Maßnahmen angeht. Wir haben der Bevölkerung
etwas zugemutet, unter Rot-Grün mit der Ökosteuer, die
wir nicht abgeschafft haben, und jetzt mit dem Biokraftstoffgesetz, dem EEG und anderem. Das alles wird in
dieser Republik positiv mitgetragen, weil es unter Generationsgesichtspunkten verantwortungsvoll ist; denn es
wird darauf geachtet, dass diese Erde auch für unsere
Kinder und Kindeskinder noch lebenswert ist.
({1})
Deswegen der Ansatz, über Nachhaltigkeit in Europa
zu reden, auch unter dem Aspekt, was international möglich ist. Denn während die Motoren in Kalifornien und
Schweden die Voraussetzungen erfüllen können, kommen bei uns die Reichsbedenkenträger von den Lobbyisten, ob Auto oder Mineralik, und sagen, das sei in der
Bundesrepublik Deutschland nicht möglich. Was in anderen Ländern möglich ist, auch beim 100-prozentigen
Einsatz von Biokraftstoffen, könnte, Josef, auch in der
Bundesrepublik Deutschland möglich sein.
Wir wollten einen großen Anteil auch bei der Beimischung erreichen. Diesen Weg müssen wir kontinuierlich
begleiten, auch im Streit und auch mit Herrn Dimas, unserem Bedenkenträger in der Europäischen Union. Das
muss WTO-verträglich sein. Das ist eine Aufgabe, die
wir in den Ressorts unserer beiden Erzengel - der eine
heißt Michael, der andere heißt Gabriel - abzustimmen
haben.
({2})
Und auch „Angie“ ist ja sozusagen ein Engelsname. Die
Aufgaben der Ressorts in diesem Bereich müssen gebündelt werden.
Die aktuelle Diskussion draußen, dass wir als Bundesregierung oder als Parlament jetzt von diesem Weg
abgehen, hat mich nicht beeindruckt. Wir brauchen
Nachhaltigkeit bei den Kriterien, auch im Sinne der
Wertschöpfung der europäischen Landwirtschaft. Wir
Bauern in Europa brauchen auch ein Ventil in unserer
Agrarproduktion. Ich bin es leid, dass es uns so ergeht,
wie es uns 2003 und 2004 ergangen ist, als uns, ob das
die Mühlenindustrie oder sonst wer war, das Getreide zu
Sklavenlöhnen abgekauft wurde. Wir brauchen diese Alternative, weil wir aktiv einen Beitrag zum Umweltschutz in Europa leisten; wir delegieren das nicht nach
Malaysia oder nach Brasilien.
Was wir uns in Europa selbst zumuten an Auflagen
zur Erhaltung des Flora-Fauna-Habitats und was in der
Cross Compliance geregelt ist, das mute ich auch allen
Partnern weltweit zu, wenn sie ihre Produkte in unseren
Häfen abladen.
({3})
Der Begriff der Nachhaltigkeit geht uns weltweit alle an.
Da sind wir in Europa federführend; wir haben eine Beispielfunktion wie beim Katalysator vor 15 Jahren. Dann
müssen wir auch den Streit mit der WTO führen; damit
bestätigen wir unseren richtigen Kurs. Ob wir in der
Zwischenzeit in der Koalition und darüber hinaus noch
einmal über die Aussetzung einer Steuerstufe bei Biodiesel oder über die Beimischung im ÖPNV diskutieren das dient einem guten Ziel. Die Verantwortung haben
wir jetzt. Wir müssen in solchen Fragen auch dann,
wenn es von vorne stürmt und von hinten hagelt, das
Kreuz durchdrücken. Dafür bin ich schon immer gewesen.
Danke schön.
({4})
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
Reinhard Schultz für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In den letzten Tagen, auch zu Beginn dieser Debatte,
hatte ich den Eindruck, dass der Anteil des Ethanols, der
nicht mehr beigemischt werden kann, weil Herr Gabriel
die Verordnung aussetzt, von denen, die hier geredet haben, vorher getrunken worden ist.
({0})
Das ist ja reiner Alkohol. Da haben sich die Balken gebogen, selbst in diesem Gebäude von Foster, wo sich
eigentlich nichts biegen kann. Es werden von vornherein
Unterstellungen gemacht - als wären die Biokraftstoffstrategie und die Biomassestrategie insgesamt gescheitert, als würden die Vereinbarungen von Meseberg
gebrochen, als wären durch Moorburg, ein Kraftwerk,
das dem Emissionshandel unterliegt und das überhaupt
nur unter dem Deckel des Emissionshandelregimes errichtet werden kann, die CO2-Ziele nicht einhaltbar.
Alles das wird hier zu einer sehr giftigen Brühe miteinander vermischt, natürlich mit dem Ziel, die Klimaschutzpolitik insgesamt madig zu machen. Das werden
wir aber nicht zulassen.
({1})
In Sachen Biokraftstoff E10 ging es um eine technische Norm. Bei dieser Frage haben sich Vertreter des
Ministeriums von interessierten Kreisen offensichtlich
hinter die Fichte führen lassen. Informationen, die eigentlich rechtzeitig vorlagen, waren nicht bekannt. Man
ist in die Ecke getrieben worden und hat zum Schluss die
Reißleine gezogen.
Bei B7 wird das Ziel voll erreicht.
Die Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, ist, wie es
künftig weitergeht. Viel wichtiger als die Diskussion
über E10 ist die seit Monaten andauernde Diskussion
über den nachhaltigen Einsatz von Biokraftstoffen angesichts der Tatsache, dass nicht nur Deutschland und Europa, sondern die gesamte Welt entsprechende Strategien
verfolgen und damit ein Nachfragedruck erzeugt wird,
durch den wir bezüglich der verfügbaren Flächen an
Grenzen stoßen.
Man muss an dieser Stelle einmal innehalten und sich
fragen: Ist das Mengenziel, das wir mit Blick auf Biokraftstoffe auch in den Verhandlungen von Meseberg
verfolgt haben, aus heutiger Sicht überhaupt genau festzuschreiben, oder müssen wir nicht ein bisschen mehr
auf Sicht fahren? Im nächsten und im übernächsten Jahr
gibt es jenseits technischer Normen keinerlei Probleme
mit den diskutierten Quoten. Auch in den Jahren 2011
und 2012 gibt es keine Probleme. Danach könnte die
Situation vielleicht kritischer werden. Deswegen rate ich
dringend dazu, den ursprünglich vorgesehenen Pfad
kurzfristig beizubehalten; denn die Marktteilnehmer
würden ansonsten in ziemliche Irritationen gestürzt werden. Es ist besser, wir sagen erst zu einem späteren Zeitpunkt, wie es danach weitergehen soll.
Die Frage der Nachhaltigkeit berührt ausschließlich
ein Mengenproblem. Sie hängt nicht davon ab, ob wir
eine Quote einführen oder eine steuerliche Förderung
vorsehen. Auch die steuerliche Förderung hat eine Sogwirkung auf ausländische Produkte. Im Bereich Pflanzenöl hatten ausländische Produkte einen Anteil von bis
Reinhard Schultz ({2})
zu 70 Prozent: Jeder, der in der Lage war, Öle zu produzieren, war der Meinung, er würde in Deutschland aufgrund der Steuersubventionen Verhältnisse wie im
Schlaraffenland vorfinden, und hat deshalb seine Produkte in Deutschland verkauft. Daher wollten wir diese
Förderung nicht mehr und haben Übergangsfristen eingeführt.
Auch die steuerliche Förderung, würde sie unendlich
weitergeführt, würde ein Mengenproblem mit sich bringen und würde uns damit, was die Nachhaltigkeit angeht, ins Abseits führen. Das Gleiche gilt natürlich auch
für die Quote. Letztendlich geht es um die Mengensteuerung und nicht um die Alternative Quote oder steuerliche
Förderung. In der Diskussion müssen wir über den Feinschliff diskutieren, damit wir möglichst schnell zuverlässige Rahmenbedingungen schaffen. Wir sollten uns auf
das konzentrieren, was in Deutschland und in Europa
oder in Vertragsstaaten produziert werden kann. Die
Mengen reichen aus, um die kurzfristig angekündigten
Quotenziele zu erreichen.
Parallel dazu brauchen wir insbesondere für Biodiesel
eine Senke. Seit langem vertrete ich die Idee, für ÖPNV
und SPNV einen gut abgrenzbaren und gut begründbaren Beihilfetatbestand zu schaffen, mit dessen Hilfe die
Biokraftstoffe mineralölsteuerfrei eingesetzt werden
können. Diese Lösung ist hinsichtlich der Steuerausfälle
überschaubar und führt nicht wie bei anderen Steuern zu
jährlich stattfindenden Diskussionen über Steuerstufen.
Das wäre für die Marktteilnehmer nicht sehr spaßig, weil
sie die Rahmenbedingungen dann nicht genau kennen
würden.
Eine letzte Bemerkung zur Quote. Es gibt zwar eine
Quote, aber keine Beimischungsquote. Diese Quote
kann durch Beimischung oder durch das Inverkehrbringen reiner Kraftstoffe erfüllt werden. So ist es im Biokraftstoffquotengesetz geregelt. Wenn dieser Weg aufgrund einer technischen Norm nicht möglich ist, dann
muss man das, was übrig bleibt, als reine Kraftstoffe in
den Verkehr bringen. Die Mineralölwirtschaft, die gerade im Bereich der Kraftstoffe für Ottomotoren daran
interessiert ist, nicht allzu viel beizumischen, weil es
Überkapazitäten bei den Raffinerien gibt, will ich nicht
aus der Pflicht entlassen. Wenn sie die entsprechenden
Vertriebsnetze nicht hat, soll sie die freien Tankstellen
einbinden.
({3})
Ich denke, wir können sie dazu zwingen. Das ist die einzige Möglichkeit, sicherzustellen, dass auch die kleineren Hersteller eine Chance auf dem Markt haben.
Die Debatte lohnt sich. Klar ist: Wir sollten den Mund
nicht zu voll nehmen, wenn wir über das sprechen, was
in 15 oder 20 Jahren sein wird. Das, was wir jetzt machen können, sollten wir aber wirklich machen.
Vielen Dank.
({4})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 10. April 2008,
10.30 Uhr, ein.
Ich schließe die Sitzung.