Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Agrarpolitischer Bericht
2006 der Bundesregierung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, Horst Seehofer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Wir haben uns heute in der Kabinettssitzung mit dem Agrarbericht 2006 befasst, der allerdings
das Wirtschaftsjahr 2004/05 betrifft. Ich habe dem Kabinett vorgetragen, dass wir als Landwirtschaftsministerium eine ganze Reihe von Berichten zu erstatten haben:
Waldzustandsbericht, Tierschutzbericht, Agrarbericht,
Verbraucherpolitischer Bericht und Fischwirtschaftsbericht. Ich möchte dem Parlament daher zur Unterstützung der Entbürokratisierung in absehbarer Zeit einen
Vorschlag machen, inwieweit diese Berichte zusammengefasst und in sinnvollen periodischen Abständen erstattet werden können.
Die Lage im Bereich der Landwirtschaft ist gut. Bei
den Gewinnen der landwirtschaftlichen Betriebe im
Wirtschaftsjahr 2004/05 ist gegenüber dem Vorjahr ein
Plus von 23,9 Prozent zu verzeichnen. Dafür war in der
Hauptsache die weltweite Entwicklung der Preise maßgeblich. Wenn man die Einkommens- und Gewinnentwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe allerdings
auf das Wirtschaftsjahr 2005/06 überträgt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder ein Minus zu erwarten
sein. - Wir hatten in diesem Wirtschaftsjahr eine leichte
Abnahme der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe
um etwa 3 Prozent. Das ist keine Besonderheit; das ist
über viele Jahre der Mittelwert in der Bundesrepublik
Deutschland. Insgesamt haben wir in Deutschland zurzeit etwa 366 000 landwirtschaftliche Betriebe mit einer
durchschnittlichen Größe von 46 Hektar. In den neuen
Bundesländern liegt der Durchschnitt deutlich höher: bei
über 200 Hektar.
Die Stimmung in der Landwirtschaft ist ebenfalls gut.
Das konnte man auf der Grünen Woche geradezu spüren.
Ich möchte als Beleg dafür das Konjunkturbarometer des
Deutschen Bauernverbandes anführen. Dieses Konjunkturbarometer, das die Investitionsbereitschaft in der
Landwirtschaft zum Ausdruck bringt, ist im letzten
Quartal 2005 von 67 Punkten auf 88 Punkte gestiegen.
Die Gesamtlage stellt eine gute Basis dar, die der
Landwirtschaft für die auch in diesem Bereich notwendigen Erneuerungen und Reformen Rückenwind gibt. Hier
denke ich insbesondere an die Reform des agrarsozialen
Sicherungssystems und daran, dass auch der Agrarhaushalt seinen Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushalts
zu erbringen hat.
In der Kabinettssitzung haben wir noch einen Punkt
konkret angesprochen: die Saisonarbeitskräfte. Diese
spielen in der Debatte eine sehr große Rolle, insbesondere was die Bereiche angeht, in denen bereits im April/
Mai des Jahres die Ernte ansteht; das gilt zum Beispiel
für den Spargelanbau. Dabei sind zwei Sachverhalte zu
unterscheiden, die wir im Zusammenhang mit dem
Agrarbericht beschlossen haben:
Erstens geht es um die Frage, wie wir mit der so genannten Inländerquote der Eckpunkteregelung umgehen,
der zufolge in jedem Falle 10 Prozent der Stellen durch
inländische Arbeitskräfte zu besetzen sind, wenn sich
Betriebe im Verhältnis zwei zu fünf oder zwei zu sechs
erweitern. Hier haben wir völlig einvernehmlich folgende Regelung getroffen: Wenn plausibel dargelegt
werden kann, dass aufgrund von Zukauf oder aufgrund
personalintensiver Sonderkulturen ein zusätzlicher Bedarf besteht, kann dieser Umstand von der Bundesagentur nach dem Verteilerschlüssel 80:10:10 berücksichtigt
werden. Ich denke, hiermit haben wir im Interesse der
Betriebe, die für die Ernte im Jahre 2006 im Vergleich zu
2005 strukturelle Veränderungen durchführen, eine sehr
praxistaugliche und lebensnahe Regelung getroffen.
Redetext
Diese strukturellen Veränderungen werden also berücksichtigt.
Der zweite Punkt betrifft die Frage, wie wir es mit der
Erfüllung der Inländerquote von 10 Prozent, also mit der
Regelung, dass 10 Prozent der Stellen in jedem Falle
durch Arbeitslose aus Deutschland zu besetzen sind, halten. Dazu haben wir folgenden Beschluss in den Agrarbericht aufgenommen:
Um den landwirtschaftlichen Betrieben in ausreichender Zahl Saisonarbeitskräfte zur Verfügung zu
stellen, wird die Umsetzung der neuen Eckpunkte
durch ein Maßnahmenpaket der Bundesagentur für
Arbeit zur Intensivierung der Vermittlung inländischer Arbeitssuchender flankiert.
Die ausreichende Vermittlung inländischer Arbeitskräfte soll nach einer Vereinbarung mit den Sozialpartnern durch ein begleitendes Monitoring überprüft und unterstützt werden. Für die Ernte im April
soll das Monitoring Anfang März durchgeführt
werden, um feststellen zu können, ob ausreichende
inländische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Härtefalllösungen kommen in solchen Einzelfällen
in Betracht, in denen trotz nachdrücklicher, seriöser
Anstrengungen aller Seiten eine 10-prozentige Inländerquote nicht erreichbar ist.
Ich denke, das ist ein guter Weg, um angesichts von
5 Millionen Arbeitslosen auf der einen Seite mit großem
Nachdruck zu versuchen, möglichst viele Menschen in
Arbeit, auch in Saisonarbeit, zu bringen, und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass in den Bereichen, in
denen das trotz größter Anstrengungen aller Beteiligten
nicht bzw. nicht hinreichend gelingt, im Einzelfall eine
Härtefallregelung greift, die der Bundesagentur die
Möglichkeit eröffnet, sicherzustellen, dass die Bauern
ihre Ernte einbringen können. Ich glaube, für die Landwirte ist es eine wichtige Botschaft, dass wir heute im
Kabinett eine Regelung getroffen haben, die das Interesse
der Landwirte, ihre Ernte zuverlässig und ohne Schäden
einbringen zu können, genauso berücksichtigt wie die
Erfüllung der Inländerquote von 10 Prozent durch hier
lebende Arbeitslose.
Vielen Dank, Herr Minister. - Ich gebe das Wort zunächst der Kollegin Christel Happach-Kasan von der
FDP-Fraktion.
Herr Minister, zunächst einmal freue ich mich, dass
Sie Positives berichten konnten, dass es unseren landwirtschaftlichen Betrieben besser geht. Aber Sie haben
auch gesagt, dass Sie befürchten, dass sich diese Situation wieder verschlechtert.
Herr Minister, vor diesem Hintergrund frage ich Sie,
ob der Eigenverbrauch von Biodiesel für die Landwirte
im nächsten Jahr weiterhin steuerfrei sein wird. Wenn
nicht: In welcher Höhe plant die Bundesregierung Biodiesel und Bioethanol zu besteuern, zum einen beim Einzelverkauf, zum anderen als Beimengung zu Mineralölkraftstoffen?
Sie wissen, dass die Zuständigkeit für die Steuerpolitik beim Bundesfinanzminister liegt. Wir haben vereinbart, dass wir, wie es normal ist, innerhalb des Kabinetts
darüber reden. Dieses Gespräch wird noch stattfinden.
Die nächste Frage stellt der Kollege Peter Bleser von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minister, herzlichen Dank, dass in der Landwirtschaft, wenn alle Überprüfungen, ob heimische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, nicht erfolgreich gewesen
sind, aufgrund der Härtefallregelung ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden können.
Ich möchte Sie darüber hinaus fragen, wie Sie generell die Bedeutung der Land- und Ernährungswirtschaft
für die Strukturentwicklung im ländlichen Raum sehen
und wie Sie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft insbesondere auf internationalen Märkten beurteilen. Ich
glaube, da müssten wir in Zukunft schon etwas tun.
Die Land- und Ernährungswirtschaft hat eine hohe
volkswirtschaftliche Bedeutung, die wir wieder verstärkt
in das Bewusstsein unserer Gesellschaft rücken wollen.
Ich darf nur darauf hinweisen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland in der Agrarwirtschaft insgesamt
etwa 4 Millionen Beschäftigte haben. Diese Zahl entspricht in etwa der Zahl der Beschäftigten in meinem
früheren Tätigkeitsbereich, dem Gesundheitswesen.
Man sollte zudem nicht übersehen - das habe ich heute
auch im Kabinett gesagt -, dass die Bundesrepublik
Deutschland nach Amerika, Frankreich und den Niederlanden der viertgrößte Agrarexporteur der Welt ist. Das
heißt: Was hier produziert wird, ist im Grunde ein Exportschlager.
Wir müssen alles tun - damit komme ich zu Ihrer
nächsten Frage -, um die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich auch in der Zukunft zu gewährleisten. Wir
haben als deutsche Regierung bei den WTO-Verhandlungen in Hongkong und auch in den Gesprächen mit
den Amerikanern erklärt, dass die Europäische Union
durchaus bereit ist, Exportsubventionen abzubauen. Damit die Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist, muss dies
aber für alle Länder und für alle Formen von Exportsubventionen gelten.
Was mich in den noch jungen Begegnungen mit den
Bäuerinnen und Bauern gefreut hat, ist, dass sie ihre Bereitschaft zum Wettbewerb ausdrücklich bejahen. Sie legen aber zu Recht Wert darauf, dass die Politik dafür
sorgt, dass die Wettbewerbsbedingungen in Europa und
in der Welt gerecht gestaltet werden. Genau das ist unser
politisches Ziel.
Die nächste Frage zu diesem Bereich stellt die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister Seehofer, ganz herzlichen Dank für Ihren Bericht und auch für die faire Darstellung. Eine gute
Gewinnsituation heißt natürlich auch gute Stimmung;
das steht in unmittelbarem Zusammenhang. Zu erwähnen wäre vielleicht auch das besonders gute Ergebnis der
ökologischen Betriebe. Sie haben eine Gewinnsteigerung von mehr als 20 Prozent erreicht und stehen hier
deutlich besser da als die konventionellen Betriebe. Ich
möchte daher dafür werben, vielleicht doch stärker über
die Unterstützung des ökologischen Landbaus nachzudenken.
Meine Frage richtet sich aber in die Zukunft, konkret
auf das Wirtschaftsjahr 2006 und die von Ihnen eingeleiteten, doch sehr radikalen Einschnitte für den ländlichen
Raum und die Landwirtschaft. Wie, glauben Sie, wird
die deutsche Landwirtschaft den Verlust der Mittel aus
Brüssel in Höhe von 400 Millionen Euro für die Förderung der umweltverträglichen Landwirtschaft, der Kulturlandschaftspflege und der besonderen gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft verkraften? Wie
wird sich der für 2007 vorgesehene Stopp der Steuerbefreiung für Biokraftstoffe - Frau Happach-Kasan hat
dies schon angesprochen - auf diese neue Einkommensmöglichkeit im gewerblichen Bereich, die im Agrarbericht leider nicht erfasst ist, auswirken? Wir haben gehört: Es sind 2 Milliarden Euro, die da eingespart
werden sollen. Und wie beurteilen Sie die Einsparungen
im Haushalt bei der Gemeinschaftsaufgabe betreffend
den ländlichen Raum - das haben Sie im Ausschuss
schon skizziert -, die zusätzlich vorgenommen werden
sollen, obwohl im Agrarbereich sehr viel weniger Geld
an Brüssel geht?
Zu Ihrem ersten Punkt. Wir sehen ökologischen
Landbau und konventionelle Landwirtschaft nicht als
Gegensatz an. Unserer Meinung nach ist hier eine Partnerschaft, ein Miteinander notwendig. Nach vielen Veranstaltungen beider Denkschulen konnte ich den Eindruck gewinnen, dass das von diesen beiden Seiten auch
so gesehen wird. Darüber bin ich sehr froh. Gerade erst
war ich bei einer großen Veranstaltung der Ökolandwirte, die sich ausdrücklich zu einer Partnerschaft mit
den konventionell arbeitenden Bauern bekannt haben,
und zwar in der Erkenntnis, dass im Gegeneinander
beide Seiten verlieren, im Miteinander aber die Landwirtschaft insgesamt gewinnt. Deshalb werden wir die
Politik des Dialogs und der Partnerschaft fortsetzen und
werden nicht eine Gruppe im Bereich der Landwirtschaft
ausgrenzen oder diskriminieren.
Zu Ihrem zweiten Punkt. Bezüglich Europa sind die
Fakten klar. Die Mittel aus Brüssel sinken um gut
400 Millionen Euro. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die erste Säule, also die Direktzahlungen an die
Landwirte, im Laufe der nächsten Jahre einer Degression unterliegen wird - das ist durch das Gesetz so vorgegeben - und daraus der zweiten Säule Mittel zufließen. Wir messen dem ländlichen Raum eine hohe
Bedeutung bei. Dessen Stärkung ist unser politisches
Ziel. Deshalb wird die Bundesregierung in diesem Jahr
einen sehr breit angelegten Kongress über die Zukunft
der ländlichen Räume durchführen. Landwirtschaft
macht zwar nicht alleine den ländlichen Raum aus, sie
bildet aber dessen Rückgrat.
Wenn wir zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung kommen wollen - das ist unser oberstes Ziel -,
dann müssen wir unseren Bundeshaushalt in Ordnung
bringen. Es wäre niemandem gedient, zuallerletzt dem
Agrarhaushalt, wenn wir nicht von der hohen Verschuldung und der hohen Zins- und Tilgungslast herunterkommen. Deshalb werde ich meinen Teil dazu beitragen,
dass der Bundeshaushalt in absehbarer Zeit wieder vernünftig aufgestellt werden kann.
Sollten Sie mit der einen oder anderen Vorstellung der
Regierung - sie werden erst in den kommenden Tagen
ausgehandelt und der Öffentlichkeit präsentiert - nicht
einverstanden sein, dann fordere ich Sie dazu auf, mit
uns in eine Diskussion über die einzelnen Sparpositionen
einzutreten; das habe ich Ihnen schon im Ausschuss gesagt. Aber an dem Ziel, in Zukunft die Maastrichtkriterien einzuhalten und unseren Bundeshaushalt verfassungsgemäß zu gestalten, sollten wir nicht rütteln.
({0})
Das Wort hat der Kollege Johannes Röring, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Minister Seehofer, welche Maßnahmen hat die
Bundesregierung vorgesehen, um den Anteil der nachwachsenden Rohstoffe insgesamt, vor allem aber den
Anteil der nachwachsenden Rohstoffe für die Industrie,
zu erhöhen? Ich frage das vor dem Hintergrund der Diskussion darüber, dass dies zu einer Intensivierung der
Landwirtschaft führen würde.
Ich bin ein Anhänger der nachwachsenden Rohstoffe
für Biokraftstoffe, für Biomasse und Biogas. Das wird
meiner Meinung nach in der Zukunft ein ganz wichtiges
Standbein für die Landwirtschaft sein. Neben der Nahrungsmittelproduktion und der Pflege unserer Kulturlandschaft wird der Landwirt auch die Aufgabe der Rohstoffproduktion innehaben.
Die Maßnahmen zur Förderung dieses Bereichs sind
vielfältig. Wir werden in den nächsten Wochen über die
Steuer auf Biokraftstoffe diskutieren und deren Höhe
festlegen. Es müssen aber auch Gespräche mit denjenigen geführt werden, die solche Rohstoffe verwenden.
Wir haben vor wenigen Tagen mit bedeutenden Automobilherstellern ein sehr intensives Gespräch über die Produktion von Bioethanol aus Stroh geführt. Ich unterstütze dies mit allen Kräften, wie übrigens auch der
Kollege Gabriel aus dem Umweltministerium, der an
diesem Gespräch teilgenommen hat. Wir müssen Schritt
für Schritt dem großen Ziel näher kommen, dass nachwachsende Rohstoffe in der Bundesrepublik Deutschland stärker genutzt werden.
Ich bin darin auch durch die Erfahrungen mit internationalen Gästen auf der Grünen Woche bestärkt worden.
Ob der russische Kollege, ob die Vertreter aus China und
aus Amerika, alle sehen die nachwachsenden Rohstoffe
als eine der Zukunftsperspektiven für die Bäuerinnen
und Bauern an. Ich kann nur sagen: Wenn wir diese
Chance nicht nutzen, dann werden sie andere nutzen und
wir gehen leer aus.
Ich habe vorhin von der Zukunft des ländlichen Raumes gesprochen. Ich glaube, die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe und die Investitionen, die in diesem
Zusammenhang zu tätigen sind bzw. bereits getätigt
wurden, sind Grundvoraussetzungen für eine bessere
Funktionsfähigkeit und für eine Zukunftsperspektive der
ländlichen Räume. Ländliche Räume und nachwachsende Rohstoffe hängen unmittelbar zusammen. Deshalb
werden wir die Förderung der nachwachsenden Rohstoffe Schritt für Schritt weiterentwickeln. Das ist fast
täglich meine Aufgabe, mit verschiedenen Beteiligten.
Das Wort hat die Kollegin Cornelia Behm,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister, Sie haben in Ihrem Bericht dargestellt,
dass es der Landwirtschaft wieder etwas besser geht
- das ist aus meiner Sicht sehr erfreulich -, dass die Betriebe höhere Gewinne gemacht haben. Dies hat sicherlich ein ganzes Bündel von Ursachen, zum Beispiel die
Umsetzung der EU-Agrarreform. Vielleicht ist es auch
auf die Konzentration der Betriebe zurückzuführen, von
der Sie gesprochen haben. Die Zahl der Betriebe mit einer Fläche von unter 75 Hektar ist zurückgegangen,
während die Zahl der Betriebe mit einer größeren Fläche
zugenommen hat. Diese Betriebe können wirtschaftlicher agieren. Das kann also eine Ursache sein.
Wenn wir uns aber den Bereich Forst anschauen, dann
stellen wir fest, dass es dort nicht so erfreulich aussieht.
Im Forstbereich sind die Gewinne zurückgegangen. Dies
gilt insbesondere für den Bereich des Privatwaldes. Nun
frage ich Sie: Welche Maßnahmen haben Sie dort ins
Auge gefasst und könnten Sie sich vielleicht vorstellen,
dass die Maßnahmen zur Unterstützung der Forstwirtschaft, die wir in unserer rot-grünen Novelle zum Bundeswaldgesetz vorgesehen haben - bessere Bedingungen
für die Vermarktung von Holz über Forstbetriebsgemeinschaften, Lockerung der Verkehrssicherungspflicht und
Herstellung waldverträglicher Wilddichten über den
Weg der Novellierung des Bundesjagdgesetzes -, geeignet wären, die Situation der Waldbesitzer, insbesondere
der Besitzer von Privatwald, zu verbessern? Denken Sie
in dem Zusammenhang an eine entsprechende Novelle
zum Bundeswaldgesetz?
Eine kleine Korrektur: Ich habe den Eindruck, dass
sich auch die Stimmung der Waldbesitzer aufgehellt hat.
Ob das am Regierungswechsel oder an der ökonomischen Situation liegt, lasse ich einmal dahingestellt. Jedenfalls habe ich Gespräche mit Vertretern der meisten
Verbände in diesem Bereich geführt. Wir teilen gemeinsam die Meinung, dass so etwas wie eine Renaissance
der Waldbewirtschaftung und der Erträge ansteht bzw.
schon begonnen hat.
Wir werden die Holzcharta wie vorgesehen verwirklichen. Wir werden das Gesetz über den Holzabsatzfonds
einbringen, der für ordentliche Marketing- und Bewirtschaftungsmaßnahmen ganz wichtig ist. Es zeichnet sich
ab, dass der Bedarf an Pellets und Ähnlichem in der Tat
deutlich steigen wird; wir unterstützen dies. Wenn wir
über nachwachsende Rohstoffe reden, muss betont werden, dass Holz ein ganz wichtiger Faktor ist. In der Zielsetzung stimmen wir also überein. Ich möchte aber zu
bedenken geben, ob man zu dessen Umsetzung immer
gleich große Gesetzesnovellen braucht oder ob dies nicht
auch mit guten Ideen derer, die mit den Wäldern zu tun
haben, gelingt. Ich neige hier mehr zu Eigenverantwortung und nicht zu neuen Paragraphen.
({0})
Das Wort hat der Kollege Franz-Josef Holzenkamp,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minister, erst einmal möchte ich mich für die
Feststellung bedanken, dass die Stimmung gut ist. Wir
stellen Investitionsbereitschaft fest. Das ist gut für unser
Land und gut für die Arbeitsplätze.
Vorhin sind die Bereiche konventionelle und ökologische Landwirtschaft angesprochen worden. Mich freut,
dass wir diese Bereiche wieder stärker miteinander verbinden und sie als eine Familie ansehen wollen.
In der ökologischen Landwirtschaft war die Ertragslage im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft
im letzten Jahr besser. Das freut uns zunächst einmal;
das hat aber natürlich auch sehr stark mit den Transferleistungen zu tun.
Ich möchte meine Frage wie folgt formulieren: Hat
dieses Ergebnis künftig Einfluss auf die Verteilung von
Transferleistungen? Wir müssen ja alle sparen; Sie sind
auf die Haushaltslage eingegangen.
Wir werden dem Parlament Maßnahmen für Einsparungen vorschlagen und dies gerecht verteilen. Gerechtigkeit ist nicht nur in der Sozialpolitik angezeigt, sondern auch im Agrarbereich. Es wird keine Strafaktionen
in irgendeine Richtung geben, sondern wir werden versuchen, die Transferleistungen ausgewogen zu verteilen.
Es ist das erste und vornehmste Recht des Parlaments,
diese Vorschläge zu akzeptieren oder Alternativen vorzustellen. Um Alternativen wird man allerdings nicht herumkommen. Vom Sparen zu reden, aber nichts zu tun,
können wir uns nicht mehr leisten.
Herr Kollege Goldmann von der FDP-Fraktion, bitte.
Herr Minister, Sie haben festgestellt, dass die Lage
der Landwirtschaft gut ist. Ich komme ebenfalls ziemlich herum und muss sagen: Die Lage der Landwirtschaft ist ganz eindeutig nicht gut. Sie ist sehr differenziert zu sehen.
Ich möchte einen Bereich ansprechen, der nicht nur
mir, sondern sicherlich auch Ihnen sehr viele Sorgen bereitet, nämlich der Bereich Milch. Welche Vorstellungen
gibt es in Ihrem Haus, um die katastrophale Situation in
der Milchwirtschaft zu verbessern? Planen oder ergreifen Sie entsprechende Maßnahmen, um die Wettbewerbschance für die Agrarwirtschaft insgesamt zu verbessern?
Ich spreche hier die immer wieder betonte Eins-zu-EinsRegelung an. Wann wird etwas bei der Geflügel- und
Schweinehaltung getan? Wie sieht es mit dem Testalter
bei Verdacht auf BSE aus?
Könnten Sie mir auch kurz erklären, welche Verbesserungen Sie bei der Regelung für die Saisonarbeitskräfte vornehmen wollen? Ich sehe diese überhaupt
nicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, schieben
Sie die Verantwortung auf die Arbeitsämter ab. Dabei
waren sie aufgrund des einen oder anderen Verhaltens
nicht in der Lage, die 10-Prozent-Quote zu erfüllen, die
nach Ihren bzw. nach den Vorstellungen von Herrn
Müntefering notwendig sind. Nach meinem Verständnis
wird es in diesem Bereich zu einer Zehn-plus-Zehn-Regelung kommen. Das im Agrarbericht erwähnte und von
Ihnen angesprochene Monitoring führt aus meiner Sicht
in einer sehr späten Phase zu einer sehr komplizierten
Lösung, die im Grunde genommen nicht erfolgreich sein
kann.
Ich beginne mit Ihrem letzten Fragekomplex. Die
Umsetzung dessen, was das Kabinett heute gebilligt hat
und was Bestandteil des Agrarberichts ist, bedeutet eine
lebensreale Verbesserung der Eckpunkteregelung. Dies
gewährleistet, dass wir beide Ziele erreichen, die wir vor
Augen haben: Auf der einen Seite müssen wir möglichst
viele der 5 Millionen Arbeitslosen in Arbeit bringen.
Auf der anderen Seite kennen wir alle die Besonderheiten bei der Ernte und wissen um die Erfahrungen mit der
Inländerregelung,
({0})
die wir zum Beispiel 1995/96 gemacht haben, als die
Ernte gefährdet war, weil das Prinzip nicht durchzusetzen war.
Vorausschauende Politik besteht nicht darin, abzuwarten, bis wir in den Regionen die Katastrophe erleben,
dass die Ernte mangels Saisonarbeitskräften nicht eingebracht werden kann. Das politische Kunststück besteht
also darin, folgende Frage zu beantworten: Wie können
wir auf der einen Seite weiterhin alle Anstrengungen vorantreiben, damit es zu einer Beschäftigung von Inländern kommt, aber auf der anderen Seite in den Regionen,
in denen dies trotz aller Anstrengungen nicht gelingt, so
flexibel sein, dass den Landwirten Saisonarbeitskräfte
aus dem Ausland zur Verfügung stehen und ihre Ernte
nicht gefährdet ist?
Beide Punkte sind in der Koalitionsvereinbarung festgehalten worden: die Sicherstellung der Ernte für die
Landwirte auf der einen Seite und ein verstärkter Einsatz
inländischer Arbeitskräfte - in diesem Zusammenhang
verweise ich auf die zehn Prozent - auf der anderen
Seite. Insofern haben wir, glaube ich, in diesem schwierigen Spannungsfeld eine sehr sachgerechte Lösung gefunden, die in der Praxis funktionieren wird.
Es ist aber unter keinen Umständen möglich, zwingend daran festzuhalten, dass die 10-Prozent-Quote nur
mit hier lebenden Arbeitslosen erfüllt werden kann,
wenn dies zur Folge hätte, dass nicht in ausreichendem
Maße Saisonarbeitskräfte zur Verfügung stehen und die
Ernte verrottet. Insofern unterscheidet sich der Ernteeinsatz von vielen anderen Beschäftigungsbereichen in der
Bundesrepublik Deutschland.
Deshalb bin ich über die einvernehmliche Lösung, die
wir heute im Kabinett gefunden haben, sehr froh. Die
Bevölkerung wie auch die Landwirte erwarten schließlich von uns, dass wir auf diese Lage flexibel reagieren.
Das ist uns gelungen.
Was die Problematik der
({1})
Schweinehaltungsverordnung angeht, darf ich Sie beruhigen: Die CDU/CSU-SPD-Koalition hat sich gestern
auf eine Verordnung verständigt, die ich dem Kabinett
nächste Woche zuleiten werde. In den einzelnen Punkten
wie Boxengröße, Lichteinfall, Klima und Spaltenbreite
sind wir völlig einig.
Das Gleiche gilt für das Thema Geflügel. Wir werden
das Thema in dieser und der nächsten Woche noch einmal innerhalb der Koalition diskutieren. Wir stehen auch
in engem Kontakt mit den Ländern. Die Entscheidung
der Koalition wird Ihnen in absehbarer Zeit zugehen.
({2})
Wir sind dabei auf einem sehr guten Weg. Setzen Sie
nicht darauf, dass wir nicht zu einer Verständigung kommen!
Zur Milchwirtschaft ist anzumerken, dass es sich bei
der Beurteilung der Durchschnittswerte eines Agrarberichts immer wieder als problematisch erweist, dass sich
die Situation aus der Sicht einzelner Sektoren anders
darstellt, die entweder unter dem Durchschnitt liegen
oder mit besonderen Problemen behaftet sind. Hinsichtlich der Milchwirtschaft verhält es sich so, wie Sie es geschildert haben.
Wir haben uns entschieden, in unserem Hause in den
nächsten Wochen eine Konzeption zu erarbeiten, um die
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Milchquotensaldierung, den Molkereien und dem Abschmelzen
der Prämienzahlungen 2010 oder später überwinden zu
können. Wir befinden uns aber noch in der Denkphase.
Sie werden verstehen, dass wir zuerst mit den Koalitionsfraktionen Gespräche führen wollen - das wird im
März bzw. April geschehen -, bevor wir die Konzeption
der Öffentlichkeit vorstellen können. Ich möchte Ihnen
aber ausdrücklich bestätigen, dass die Milchwirtschaft
ein Problembereich ist.
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Herr Minister, da Sie die Perspektiven für die Landwirtschaft so positiv dargestellt haben, frage ich Sie, ob
in Ihrem Haus die Auswirkungen der im nächsten Jahr
vorgesehenen Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte auf die Landwirtschaft errechnet worden
sind. Welche Auswirkungen sind - beispielsweise durch
Neuanschaffungen im Fuhr- oder Maschinenpark - für
die Landwirte zu erwarten?
Der wichtigste Punkt im Zusammenhang mit der
Mehrwertsteuererhöhung ist aus meiner Sicht die Mehrwertsteuerpauschale für die Landwirtschaft, die fast
90 Prozent der Landwirte in Anspruch nehmen. Auch
darüber wird zu reden sein, wenn die Gesetzgebung zu
diesem Vorhaben auf den Weg gebracht wird.
({0})
- Herr Koppelin, ich war immer für eine Mehrwertsteuererhöhung, die ich übrigens auch im Wahlkampf immer
vertreten habe, wenn - was auch vorgesehen ist - gleichzeitig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um
zwei Prozentpunkte gesenkt werden. In diesem Fall habe
ich damit keine Probleme, zumal Sie in Bezug auf die
Landwirtschaft nicht übersehen dürfen, dass der Steuersatz für Nahrungsmittel unverändert bleibt. Was für die
Lebenshaltungskosten der Menschen wichtig ist - ({1})
- Nein, das ist kein Ausweichen. Es ist eine Feststellung
bzw. eine Information, die Sie auch weitergeben können.
({2})
Der Mehrwertsteuersatz für das, was in der Landwirtschaft überwiegend produziert wird - nämlich Nahrungsmittel -, und damit für den Kernbestand der Lebenshaltungskosten der Menschen bleibt unverändert.
({3})
- Gut, aber es kann uns sogar passieren, dass die eine
oder andere Maschine im Herbst gekauft wird statt nach
der Mehrwertsteuererhöhung. Die Nahrungsmittel können aber nicht vorzeitig verzehrt werden; jedenfalls können sie nicht unbeschränkt auf Vorrat gekauft werden.
({4})
Wir müssen endlich mit solchen Schattengefechten
aufhören. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir den
Haushalt in Ordnung bringen müssen. Sie fordern immer
wieder Einsparungen. Ich bin gespannt, ob wir Ihre volle
Unterstützung, Herr Goldmann, haben, wenn wir alle
unsere Sparvorschläge, auch diejenigen betreffend den
Agrarhaushalt, präsentieren.
({5})
Auf jeden Fall werden in meinem Etat noch einmal Kürzungen in Höhe von 200 Millionen Euro vorgenommen,
ganz einfach, Herr Koppelin.
({6})
Das hört sich so an, als ob Sie mit der Beantwortung
der Frage fertig wären, Herr Minister.
Dann gebe ich das Wort an die Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann von der Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Nachfragen bezüglich der Inländerquote bei den so genannten Saisonarbeitskräften. Welche Zumutbarkeitsregelungen sind
hier mit der Bundesagentur für Arbeit vereinbart, insbesondere was die Arbeitsbedingungen und die finanziellen Bedingungen angeht, zu denen die Saisonarbeitskräfte eingesetzt werden sollen? Gibt es hier
irgendwelche Verschärfungen? Ist geplant, 1-Euro-Jobber einzubeziehen?
Zu den geplanten Kürzungen betreffend die zweite
Säule, den ländlichen Raum: Wir wissen, dass in Zukunft erheblich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung
stehen werden. Haben Sie schon Überlegungen angestellt, wie dies kompensiert werden soll, und, wenn ja,
welche?
Auch für diesen Bereich gilt die allgemeine Zumutbarkeitsregelung. Wir haben diese Regelung im Zusammenhang mit den Saisonarbeitskräften nicht geändert.
Ich weiß, dass viele Arbeitsagenturen größte Anstrengungen unternehmen, um inländische Saisonarbeitskräfte zu gewinnen. Aus der Nähe meiner Heimat ist mir
eine Arbeitsagentur bekannt, die Durchhalteprämien
zahlt bzw. zahlen will, die Shuttles besorgt, die die Saisonarbeitskräfte zu den Feldern bringen, die Kinderbetreuung für Menschen organisiert, die Kleinkinder aufziehen, und vieles andere mehr unternimmt.
({0})
Eine Arbeitsagentur hat sogar Saisonarbeitskräfte aus
Justizvollzugsanstalten rekrutiert. Hier werden also
enorme Anstrengungen unternommen - das erwartet die
Bevölkerung bei 5 Millionen Arbeitslosen auch -, um
möglichst viele Stellen im Bereich der Saisonarbeitskräfte mit Inländern zu besetzen. Aber es wird nicht in
jeder Region gelingen, die angestrebte Inländerquote zu
100 Prozent zu erfüllen.
Noch einmal: Es gibt in diesem Zusammenhang keine
Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung.
Weil dies ein besonders spannender Bereich ist, liegt
mir noch eine ganze Reihe von Wortmeldungen vor. Ich
möchte dazu noch zwei Kollegen zu Wort kommen lassen und dann die Gelegenheit geben, zu anderen Bereichen zu fragen.
({0})
- Entschuldigung, aber ich rede gerade. Wenn Sie so nett
wären, zu warten, bis ich fertig bin! - Danke schön.
Wie gesagt, ich lasse noch zwei Fragen zu diesem Bereich zu. Dann möchte ich noch Fragen zu anderen Themen zulassen, bevor wir zur Fragestunde kommen.
Jetzt ist der Kollege Norbert Schindler, CDU/CSUFraktion, dran.
Natürlich sind wir froh, dass wir mit der Eckpunkteregelung in Deutschland weitergekommen sind. Herr Minister, Sie haben die Definition der Härtefälle allumfassend dargelegt. Aber im Hinblick auf die konkrete
Ausgestaltung - ich erinnere nur an den Hagelschlag im
letzten Jahr, die gesundheitspolitischen Probleme und
die Probleme betreffend den Berechnungsgrundsatz aus
dem Jahr 2005 - bitte ich dringend um Abstimmung, damit es nicht wieder zu Ärger in den Arbeitsverwaltungen
kommt.
Die nächste Feststellung, die ich treffen will, ist: Herr
Seehofer, es ist ja schön, wenn Sie als frisch gebackener
Minister darlegen, dass sich die agrarwirtschaftlichen
Ergebnisse im Wirtschaftsjahr 2004/05 verbessert haben.
Aber die Grünen könnten verleitet sein, zu sagen: Das ist
unser Erfolg. Deswegen will ich in aller Deutlichkeit
klarstellen: Herr Seehofer, Ihre Botschaft betreffend die
Gewinnentwicklung ist sehr realistisch gewesen. Die
- durch Trockenheit bedingt - schlechten Zahlen im
Wirtschaftsjahr 2003/04 haben Sie durch Ihre zweite
Aussage relativiert. Die Grundstimmung in der Landwirtschaft ist jedenfalls gut. Das kann ich im Hinblick
auf die Grüne Woche bestätigen.
Meine Frage gilt der Finanzierung der zweiten Säule
ab 2007: Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung,
dass es richtig ist, die 5 Prozent, die laut EU-Beschluss
als Modulationsabzug in der ersten Säule vorzunehmen
sind, denjenigen zu lassen, die für die Finanzierung sorgen, sodass diese Mittel den Höfen zugute kommen und
nicht ideologisch motivierte Programme in Zukunft neue
Begehrlichkeiten wecken?
Zum zweiten Teil sage ich: Ja, ich bin Ihrer Meinung.
Zum ersten Teil lese ich Ihnen den wesentlichen Satz aus
dem Agrarbericht vor. Es geht um den ersten Komplex,
nämlich darum, was wir bei strukturellen Veränderungen
machen, zum Beispiel wenn die Situation des Betriebs
2006 in Bezug auf das Personal, die Anbaufläche oder
die Sonderkulturen eine andere ist als 2005: Soweit einzelne Betriebe plausibel begründen, dass sich insbesondere - was jetzt kommt, ist nicht abschließend, sondern
ein Beispiel - aufgrund sonstiger Erweiterungen der Anbauflächen oder des Anbaus personalintensiverer Sonderkulturen ein Mehrbedarf an Arbeitskräften gegenüber
dem Jahr 2005 ergibt, werden die Agenturen für Arbeit
in diesen Fällen flexibel auf den zusätzlichen Bedarf eingehen und ihn in der generellen Weise nach den Eckpunkten - damit ist der Schlüssel 80:10:10 gemeint - lösen helfen.
Das ist eine saubere Formulierung, die ich sehr begrüße, weil sie auf die Lebensrealität und die Sachverhalte Rücksicht nimmt, die Sie geschildert haben. Diese
sind sehr vielfältig. Darum ergibt es keinen Sinn, eine
Formulierung zu suchen, die alle denkbaren Lebenssachverhalte einbezieht. Dass ein Betriebsinhaber einen
Herzinfarkt hatte, Personal ausgefallen ist, Flächen dazugekauft wurden oder der Betrieb erweitert bzw. in ihn
investiert wurde, sind alles Sachverhalte, die vorkommen können. Wenn es eine plausible Begründung gibt,
dann kann die Agentur darauf eingehen und helfen, und
zwar wiederum nach dem Schlüssel 80:10:10, wobei
80 für Saisonarbeitskräfte steht, 10 für Vorrangkräfte
und 10 für Inländer. Wenn es bei der Erfüllung der Inländerquote Schwierigkeiten gibt, dann greift die Härtefallregelung. War das verständlich?
({0})
Als letzte Rednerin zu diesem Bereich hat das Wort
die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister, für die zweite Säule haben wir
400 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Dieses Minus trifft die einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich. Gerade Bayern und Baden-Württemberg, aber auch
Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind davon
massiv betroffen. Selbst durch die Pflichtmodulation
wird man das nicht auffangen können. Das gilt zumindest für diese Länder. Bei der Modulation handelt es sich
um besonders wertvolle Gelder, weil man sie auch zur
Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze einsetzen kann.
Ich erinnere an den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe, der gerade angesprochen worden ist. Das ist ein
ganz wichtiger Bereich. Zu erwähnen sind aber auch die
Vermarktung regionaler Produkte und Tourismus, womit
sich Bauern etwas hinzuverdienen können. In diese
Richtung muss man ja gehen. Ich denke auch an Vertragsnaturschutzmaßnahmen, bei denen Naturschutz und
landwirtschaftliche Nutzung verbunden werden.
Die zweite Säule wird in der Regel von den Ländern
mit der Gemeinschaftsaufgabe kombiniert. Viele Länder
müssen jetzt mit weniger Geld auskommen. Mittelgebirgsregionen sind auf diese Gelder angewiesen und machen ihre Entscheidung, ob sie eine solche Landwirtschaft oder überhaupt keine Landwirtschaft mehr
betreiben - wobei wir Letzteres sicherlich nicht wollen -,
davon abhängig. Haben Sie schon Überlegungen, worauf
Sie die reduzierten Mittel in den nächsten Jahren konzentrieren werden?
Es wird bei diesen Sparmaßnahmen nach meiner Einschätzung nicht ohne die GAK gehen. Ich bin für Alternativen offen. Sie wissen, dass mein Haushalt etwa
5 Milliarden Euro beträgt. Über 70 Prozent sind für soziale Maßnahmen festgelegt. Ich habe gesagt, dass wir in
diesem Bereich nur etwas über Strukturreformen machen können. Denn wenn Sie etwas im sozialen Bereich
streichen, dann ist das gleichbedeutend mit einer Beitragserhöhung. Deshalb werden wir diese Strukturreformen beginnend mit der Unfallversicherung durchführen.
Die Arbeiten dazu laufen mit Hochdruck.
Was die die verbleibende Summe betrifft, so müssen
Sie sagen, wo Sie sparen wollen. Wir könnten zum Beispiel die Mittel für den Ökolandbau kürzen. Dann würden Sie protestieren und behaupten, es gebe doch eine
Agrarwende zulasten der Ökobauern. Es gibt noch mehr
Positionen, die ich jetzt nicht alle aufführen will, für die
man gute Argumente vorbringen kann. Ich möchte keine
Politik betreiben, bei der man - auch im Interesse der
künftigen Generationen - einerseits die Notwendigkeit
der Sanierung des Haushaltes bejaht, andererseits aber,
wenn es ernst wird, davonläuft. Man muss sich für A
oder B entscheiden. Wenn wir Ihnen A vorschlagen und
Sie das nicht wollen, dann nennen Sie mir bitte B oder
C. Man kann aber nicht sagen, der Haushalt müsse als
Voraussetzung für mehr Wachstum und Arbeitsplätze in
Ordnung gebracht werden, und dann, wenn dies geschieht, fortlaufen. Das werden wir nicht zulassen.
Ich habe leider manches übernommen, Frau Kollegin
Höhn, was das Ganze noch erschwert. In den Haushalt 2005 - für den ich bekanntlich keine Verantwortung
trage - waren für die Unfallversicherung 200 Millionen Euro eingestellt. Den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften hat man gesagt: Kalkuliert eure Beiträge
einmal auf der Grundlage dieser 200 Millionen Euro.
Tatsächlich wurden dann aber nur 150 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt. Ich darf jetzt schauen, woher die
fehlenden 50 Millionen Euro kommen, wenn ich Beitragserhöhungen in der Unfallversicherung vermeiden
will. Wenn gestimmt hätte, was meine Vorgängerin den
Unfallversicherungen zugesagt hat, wenn mir also diese
200 Millionen Euro zur Verfügung ständen, Frau Höhn,
dann müsste ich jetzt nicht an die Mittel der GAK heran.
({0})
- Das ist die Realität. Ich muss Einsparungen in der entsprechenden Höhe vornehmen.
Frau Höhn, eine Zusatzfrage.
Darauf zielte meine Frage nicht ab.
Entscheidend ist: Sie kommen mit weniger Geld aus.
Eben hat Herr Schindler gesagt, es gebe so viele Bereiche mit einem ideologischen oder irgendeinem anderen
Hintergrund. Dann müsste Ihnen das Sparen da ja leicht
fallen. Worauf wollen Sie die geringeren Mittel für die
Gemeinschaftsaufgabe - sie ist mit der zweiten Säule gekoppelt - konzentrieren? Welche Inhalte wollen Sie
wegfallen lassen? Angeblich gibt es sehr viel, was man
einfach wegfallen lassen kann, weil es einen ideologischen oder sonst wie überhöhten Hintergrund hat.
Wir werden im PLANAK-Ausschuss mit den Bundesländern besprechen - das ist doch ganz selbstverständlich -, auf welche Positionen wir das konzentrieren.
Übrigens ist es den Bundesländern nicht verboten,
sich an der Finanzierung solcher Maßnahmen da und
dort stärker zu beteiligen. Der Bundesanteil auf diesem
Gebiet ist überproportional hoch. Nach der Verfassung
wären eigentlich 50 Prozent angezeigt; aber tatsächlich
zahlt der Bund mehr.
Außerdem möchte ich Ihnen sagen: Sie werden im
Ausschuss von mir eine Aufstellung bekommen, in welchem Umfang die Mittel für diese Gemeinschaftsaufgabe in den letzten Jahren von Rot-Grün gekürzt
wurden. Sie können dann die Kürzungen in der Vergangenheit mit derjenigen vergleichen, die es möglicherweise - entscheiden muss es das Parlament - im Haushalt 2006 geben wird.
Damit beende ich die Befragung zu diesem Themenbereich.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung? - Bitte schön, Herr Lehmer.
Sie haben in Ihrem Bericht mit Recht die ausgeprägte
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft angesprochen.
Entschuldigung, zu diesem Thema hatte ich eine
lange Rednerliste. Wie ich gesagt habe, habe ich die Befragung zu diesem Themenbereich abgeschlossen.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 16/522 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Die Fragen 1 und 2 der Abgeordneten Dr. Gesine
Lötzsch werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.
Die Frage 3 des Kollegen Rainder Steenblock wird
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Ekin Deligöz
auf:
Bis wann wird die Bundesregierung genaue Konzepte und
Planungen zum Ausbau des Kinderzuschlags vorlegen?
Die Konzepte und Planungen zum Ausbau des Kinderzuschlags werden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Es ist vorgesehen, sie im Rahmen des
Optimierungsgesetzes zum SGB II zu berücksichtigen.
Federführend ist dabei das Ministerium für Arbeit und
Soziales.
Frau Deligöz, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche
Schwerpunkte das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend bei den Planungen zum
Ausbau des Kinderzuschlags setzen wird?
Schwerpunktmäßig geht es darum, dafür zu sorgen,
dass Eltern, die bisher aufgrund der Zahl ihrer Kinder
ALG II beziehen, ihren Lebensunterhalt in Zukunft unabhängig vom ALG II bestreiten können.
Frau Deligöz, eine zweite Nachfrage?
Ja. - Herr Staatssekretär, was Sie in Ihrer Antwort
eben beschrieben haben, ist die grundsätzliche Intention
des Kinderzuschlags. Meine Frage ging in die Richtung:
Welche Schwerpunkte werden Sie in der Konzeption setzen? Werden Sie eher den Empfängerkreis ausweiten, indem Sie die Freibeträge der Eltern erhöhen, oder werden
Sie die Summe, die als Zuschlag an die Eltern bezahlt
wird, erhöhen?
Wir werden den Empfängerkreis ausweiten. Wir gehen davon aus, dass von der Regelung, die wir vorgesehen haben, ungefähr 170 000 Kinder erfasst werden, die
dann aus dem ALG-II-Bezug herausfallen.
Dann komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz zur
Verfügung.
Es geht zunächst um die Frage 5 des Kollegen Jörg
Rohde von der FDP-Fraktion:
Unterliegen Behinderte, die in Behindertenwerkstätten beschäftigt sind, der Umlagepflicht U 2 - U 2: Erstattung der
Aufwendungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft - und
werden Behinderte somit als reguläre Arbeitnehmer behandelt, wenn sie in einer Behindertenwerkstatt tätig sind?
Herr Kollege Rohde, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt:
Am 1. Januar 2006 ist das Gesetz über den Ausgleich
von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze, das Aufwendungsausgleichsgesetz, kurz:
AAG, in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz werden die
Umlageverfahren zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung und die Mutterschaftsleistungen neu geregelt.
Im so genannten U-2-Verfahren werden den beteiligten Arbeitgebern die Aufwendungen bei Mutterschaft erstattet. Der wesentliche Inhalt der Neuregelung beruht
vor allem auf der Umsetzung einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, welches festgestellt hatte, dass die
Anspruchsgrundlage für den Arbeitgeberzuschuss zum
Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz mit
dem Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes unvereinbar ist.
Weil das bisherige Verfahren, mit dem die Aufwendungen der Arbeitgeber bei Mutterschaft ausgeglichen
werden, nur für Kleinunternehmen mit weniger als 20
oder, je nach Satzung der Krankenkasse, 30 Beschäftigten galt, sah das Bundesverfassungsgericht die Gefahr
einer faktischen Diskriminierung von Frauen, da Arbeitgeber, die nicht in das Umlageverfahren einbezogen waren, ein Interesse daran gehabt haben könnten, weniger
oder keine Frauen zu beschäftigen. Aufgrund dieser verfassungsgerichtlichen Vorgaben war es zwingend geboten, alle Betriebe in das Umlageverfahren U 2 einzubeziehen; die Anzahl der Beschäftigten spielt dabei keine
Rolle.
Damit hat die Bundesregierung einen Diskriminierungstatbestand beseitigt. Ausnahmen sind grundsätzlich
nicht vorgesehen. Dementsprechend können auch Werkstätten für behinderte Menschen als solche nicht von der
Umlagepflicht ausgenommen werden.
Zur Frage, ob neben dem Fachpersonal solcher Werkstätten auch die dort beschäftigten behinderten Menschen als Arbeitnehmer im Sinne des Aufwendungsausgleichsgesetzes einzuordnen sind, befindet sich das
Bundesministerium für Gesundheit derzeit in einem Abstimmungsprozess mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Über das Ergebnis werde ich Sie selbstverständlich informieren. Die Bundesregierung wird die
Auswirkungen der Neuregelung weiterhin sorgfältig beobachten.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? - Bitte
schön.
Vielen Dank für die Antwort, Herr Staatssekretär. Meine Nachfrage lautet: Von wem sind im Falle einer
Umlagepflicht die Kosten dieser Umlage zu tragen, von
den Krankenkassen, von Sozialhilfeträgern oder von der
Werkstatt selber?
Herr Kollege Rohde, weil es in der nächsten Frage genau um diese Kosten geht, würde ich, wenn Sie einverstanden sind, gerne auf die Antwort auf diese Frage verweisen und dazu übergehen.
Ja. - Ich habe aber noch eine Nachfrage hierzu.
Ich würde dann mit den Nachfragen großzügiger umgehen, aber wenn Sie zu Ihrer ersten Frage noch eine
Nachfrage haben, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich befürchte, Sie werden mir die
Antwort später schriftlich geben müssen. Die Nachfrage
lautet: Welches Arbeitsentgelt soll bei der Umlagepflicht
als Berechnungsgrundlage dienen? Wird es das tatsächliche oder das fiktive Arbeitsentgelt sein? Das betrifft natürlich den hypothetischen Fall, den Sie eben erst noch
klären müssen. Würden Sie das bitte in die Beantwortung der Frage aufnehmen?
Sehr gern. - Herr Kollege Rohde, wenn die Präsidentin einverstanden ist, würde ich jetzt gern Ihre Frage 6
beantworten.
Dann rufe ich die Frage 6 des Kollegen Jörg Rohde
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass im
Falle einer Umlagepflicht auch für Behinderte Behindertenwerkstätten finanziell belastet werden, da im Pflegesatz für
die U-2-Umlage keine Position vorgesehen ist?
Ich beantworte diese Frage wie folgt:
Das Umlageverfahren U 2 ist dem Wesen nach eine
reine Arbeitgeberversicherung und wird nur aus verwaltungsorganisatorischen Gründen von den Krankenkassen
abgewickelt. Bei den Umlagebeträgen handelt es nicht
um Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung der
Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstätten, die von den Rehabilitationsträgern in den Vergütungen berücksichtigt werden könnten. § 41 Abs. 3
Satz 3 SGB IX ist die Rechtsgrundlage dazu. Vielmehr
handelt es sich um Aufwendungen im Zusammenhang
mit der wirtschaftlichen Betätigung dieser Einrichtungen, die auch in Wirtschaftsunternehmen üblicherweise
entstehen. Deshalb sind die Aufwendungen aus dem Arbeitsergebnis der Einrichtungen, also den Erlösen aus
der wirtschaftlichen Tätigkeit, zu finanzieren. Wie jeder
andere Arbeitgeber, der Umlagesätze zu zahlen hat, haben auch die Werkstätten für behinderte Menschen einen
Anspruch auf Erstattung von Leistungen, die sie im Falle
einer Mutterschaft zu erbringen haben. Generell unterscheidet das AAG nicht danach, mit welcher Häufigkeit
Mutterschaftsfälle eintreten.
Haben Sie noch eine Nachfrage hierzu, Herr
Rohde? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung denn
die Auffassung, die zum Beispiel von der Lebenshilfe
vertreten wird, dass es sich bei den Kosten der Umlage
um so genannte werkstattnotwendige Kosten handelt,
die von den zuständigen Leistungsträgern erstattet werden müssen?
Dazu auch gleich die zweite Nachfrage. Jetzt kommen ja auch Kosten für die Umstellung der EDV-Verfahren auf die Behindertenwerkstätten zu. Wie sieht die
Bundesregierung in diesem Fall die Kostenträgerschaft?
Zunächst, Herr Kollege Rohde, weise ich darauf hin,
dass die Veränderungen im geltenden Recht seit dem
1. Januar dieses Jahres für viele Betriebe natürlich mit
Umstellungen verbunden sind. Im Umlageverfahren gibt
es keine Betriebsgrößenbegrenzung mehr. Damit kommt
das U-2-Verfahren für viele Betriebe neu zur Anwendung. Wir werden - insofern nehme ich Bezug auf Ihre
erste Frage - und können dem Abstimmungsprozess hier
natürlich nicht vorgreifen. Deswegen kann ich mich
auch heute in der Fragestunde dieser Einschätzung eines
Sozialverbandes nicht anschließen. Wir sind der Auffassung, dass es bezüglich des neuen geltenden Rechts, das
wir seit dem 1. Januar dieses Jahres haben, keinen Veränderungsbedarf gibt. Aber wir sind im Abstimmungsprozess begriffen und werden am Ende zu einer Bewertung zu kommen haben. Zunächst sind jedoch die
Spitzenverbände der Krankenkassen in der Pflicht und
müssen ihrerseits Stellung nehmen.
Dann komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Kasparick zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Patrick Döring
auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Vorschrift des
§ 41 Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung, KDV, welche zur Umsetzung der Richtlinie 2001/85/EG in nationales
Recht angepasst wurde, hinsichtlich der den Durchgang in
eine Richtung versperrenden Bügel im Fahrerbereich von
Omnibussen in Deutschland auf unterschiedliche Weise nachgekommen wird?
Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, beantworte ich
die Fragen 7 und 8 gemeinsam, weil sie sachlich zusammenhängen.
Dann rufe ich auch die Frage 8 des Abgeordneten
Patrick Döring auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit unter dem Aspekt der Sicherheit von Fahrgästen, insbesondere
der Sicherheit von Kindern, auf diese Sperrbügel zu verzichten bzw. sie zu entfernen?
Herr Kollege Döring, Sie fragen nach den Schwenkbügeln in Bussen. Wir müssen EU-Recht in nationales
Recht umsetzen. In Ihrer zweiten Frage äußern Sie die
Vermutung, dass es bei den Schwenkbügeln auch um die
Sicherheit von Fahrgästen geht. Das ist aber nicht der
Fall. Es geht darum, freie Sicht für den Fahrer zu gewährleisten. Deswegen sind andere technische Anforderungen zu stellen, als wenn es um die Sicherheit von
Fahrgästen ginge.
Die Regelung, die wir jetzt in nationales Recht umsetzen, gilt seit dem 13. Februar 2005. Das bedeutet, dass
die Busse, die seit diesem Zeitpunkt in den Verkehr gebracht wurden, keinen Schwenkbügel an der Fahrerkabine mehr haben müssen. Ältere Busse haben ihn noch.
Er kann auch nach wie vor bestellt werden, wenn ein
Kunde ihn in seinen Bussen haben möchte. Wir haben
vonseiten des Bundesverkehrsministeriums empfohlen,
diese Bügel wenigstens für Schülerbusse vorzuhalten;
denn auch dann, wenn das Gedränge am Schulschluss
- Sie wissen, wie das im Schülerverkehr ist - besonders
groß ist, braucht der Fahrer freie Sicht.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Kollege. Bitte schön.
Vielleicht darf ich die Frage 8 kurz erklären. Einige
Nahverkehrsunternehmen haben die Befürchtung, dass
bei einem gegebenenfalls nötigen scharfen Abbremsen
ein stehender Fahrgast sozusagen ungehindert bis zur
Windschutzscheibe durchfliegt, wenn dieser Bügel nicht
mehr zur Verfügung steht. Teilt das Bundesministerium
die Befürchtung von Nahverkehrsunternehmen, dass bei
Eintreten eines solchen Vorgangs gegebenenfalls zusätzliche Gefahren für stehende Fahrgäste entstehen können?
Wir reden nun über mögliche so genannte Frontalunfälle. Die Bügel sind nicht dazu gedacht, die Fahrgäste in
diesem Fall zu schützen,
({0})
sondern sie sind eine Sperre für die Fahrgäste, die dazu
dient, dass der Fahrer freie Sicht hat. Wenn man den Passagierschutz bei Unfällen erhöhen wollte, dann müsste
man das System auch an anderen Stellen im Bus komplett neu gestalten. Die Empfehlung unseres Hauses ist,
diese Bügel insbesondere im Schülerverkehr einzusetzen. Die Nahverkehrsbetriebe haben bei der Bestellung
neuer Busse natürlich die Möglichkeit, diese Bügel mitzubestellen. Aber die EU-Richtlinie schreibt diese nicht
mehr vor.
Eine zweite Nachfrage.
Danke sehr. - Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt,
dass beispielsweise der Bushersteller Daimler-Chrysler
keine Busse mit diesen Bügeln mehr ausliefert und auch
entsprechende Nachbestellungen derzeit nicht annimmt?
Ja, das ist uns bekannt. Es entspricht aber der gesetzlichen Grundlage.
Sie haben eben gesagt, der Kunde könne diese Bügel
bestellen.
Wenn ein Kunde mit einem Hersteller einen Vertrag
schließt, dann geht die Bundesregierung dies nicht unmittelbar an. Für uns ist entscheidend, ob EU-Vorschriften ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden sind. Das ist der Fall.
({0})
Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich und
kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller
steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
vom Bündnis 90/Die Grünen auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung des
Energiekonzerns EnBW, eine Verlängerung der Laufzeit des
Kernkraftwerkes Neckarwestheim I zu beantragen?
Frau Kollegin, natürlich haben wir zur Kenntnis genommen, dass möglicherweise ein Antrag auf Übertragung von Strommengen gestellt wird. Aber so lange nur
eine öffentliche Ankündigung gemacht wird, kann das
BMU selbstverständlich keine Beurteilung dazu abgeben.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?
Ich muss gestehen, dass ich keine andere Antwort erwartet habe. Deswegen frage ich ein bisschen mehr politisch: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg,
Oettinger, ist nicht der Einzige, der sich mit der Forderung nach Laufzeitverlängerungen und damit nach Übertragung von Strommengen von jüngere auf ältere Atomkraftwerke hervortut, was ursprünglich im Atomkonsens
ausdrücklich nicht vorgesehen war. Aber wir alle kennen
die Entscheidung im Präzedenzfall Obrigheim, die wir
Grünen nach wie vor für eine Fehlentscheidung halten.
Wir hoffen, dass es nicht zu weiteren solcher Entscheidungen aufgrund dieses Präzedenzfalles kommt.
Deshalb möchte ich Sie, auch wenn das vielleicht unüblich ist, um eine politische Bewertung bitten: Wie
schätzen Sie die entsprechende Forderung diverser Ministerpräsidenten, die ja damit auch Wahlkampf machen,
ein?
Damit sind wir eigentlich schon bei der
Frage 10. - Dazu gibt es im Atomgesetz klare Regelungen. Diese Regelungen sehen nur im Ausnahmefall die
von Ihnen beschriebenen Maßnahmen vor. Logischerweise kann dieser Fall der Strommengenübertragung nur
eintreten, wenn der Betrieb der abgebenden Anlage dauerhaft eingestellt wird oder wenn die Sicherheitsstandards gleichwertig sind.
Es ist richtig, dass zuerst das Bundesumweltministerium diese Voraussetzungen prüfen muss. Wir können
aber erst prüfen, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt, was bisher aber nicht der Fall ist.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Dann kommen
wir zur Frage 10 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl:
Trifft es zu, dass für eine Verlängerung der Laufzeit des
Kernkraftwerks Neckarwestheim I Strommengen von neueren
Kernkraftwerken mit höheren Sicherheitsstandards übertragen
werden müssten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Eine mögliche Übertragung von Strommengen richtet
sich nach § 7 Abs. 1 b des Atomgesetzes. Der Mechanismus ist klar: Zuerst hat der Bundesumweltminister den
Vorgang zu prüfen. Erst wenn er bestimmte Bedingungen als erfüllt ansieht, folgt die Abstimmung mit dem
Bundeskanzleramt und dem Bundeswirtschaftsminister
hinsichtlich der Frage, ob man ausnahmsweise eine solche Regelung treffen kann.
Haben Sie hierzu eine Nachfrage, Frau Kollegin
Kotting-Uhl? - Bitte schön.
Neckarwestheim I ist ja ein Druckwasserreaktor der so
genannten zweiten Generation. Bekanntermaßen weist
diese zweite Generation gegenüber neueren Generationen
der Druckwasserreaktoren folgende Schwachstellen auf:
eingeschränkte Prüfbarkeit des Primärkreislaufes auf
Risse oder sonstige Schädigungen, Mehrschweißnähte
an wichtigen Komponenten und Rohren des Primärkreislaufes, Umsetzung des Bruchausschlusskonzepts erst
durch Nachqualifizierung, geringere Druck- und Temperaturfestigkeit des Sicherheitsbehälters, weniger redundante Stränge bei der zusätzlichen Notstromversorgung
gegen äußere Einwirkungen der Gleichstromversorgung
usw. Es sind noch mehr Punkte, die ich jetzt aber nicht
aufzählen will.
Spielen diese offensichtlichen Nachteile bei der Bewertung, die Sie im Umweltministerium vornehmen
- davon haben Sie gerade gesprochen -, eine Rolle?
Uns ist natürlich klar, dass neuere Anlagen, zum Beispiel Konvoianlagen, sicherheitstechnisch sehr viel besser ausgerüstet sind als beispielsweise Siedewasserreaktoren der Baulinie 69. Es ist logisch, dass diese
Sicherheitsunterschiede in der Bewertung berücksichtigt
werden.
({0})
Vielen Dank.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Andreas Storm zur Verfügung.
Er beantwortet die Frage 11 der Kollegin Cornelia
Hirsch von der Fraktion Die Linke:
Wie viele Förderanträge für das neue Ausbildungsstrukturprogramm „Jobstarter“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegen mit welchen Finanzvolumina
beim Bundesinstitut für Berufsbildung bisher vor?
Frau Kollegin Hirsch, Ihre Frage nach der Anzahl der
eingegangenen Anträge zum Förderprogramm „Jobstarter“ beantworte ich wie folgt: Die am 6. Dezember 2005
vom Bundesinstitut für Berufsbildung im Auftrag des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung veröffentlichten Förderrichtlinien zur Durchführung des Programms „Jobstarter“ sehen als letzten Abgabetermin zur
Einreichung der Förderanträge beim Bundesinstitut den
9. Februar 2006 vor. Derzeit wird im Bundesinstitut bei
der Programmstelle „Jobstarter“ eine Vielzahl von Beratungsgesprächen mit den Antragstellern geführt. Hierbei
werden insbesondere die für die Projektanträge erforderlichen Formalitäten abgeklärt.
Die Erfahrungen mit den Vorgängerprogrammen, insbesondere mit STARegio, haben gezeigt, dass erst in den
letzten drei Tagen der Antragsfrist der überwiegende Teil
der Anträge, nämlich rund 90 Prozent, beim Bundesinstitut eingeht. Erst nach Ende der Antragsfrist können
die Anträge gesichtet werden. Ab dem 10. Februar 2006
wird der Bundesregierung die Zahl der eingereichten
Anträge zum Programm „Jobstarter“ vorliegen.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin Hirsch? Bitte.
Es gibt ja durchaus Erfahrungen mit Ausbildungsstrukturprogrammen aus den letzten Jahren. Da war es
regelmäßig so, dass die Beantragungen das zur Verfügung stehende Finanzvolumen deutlich überstiegen haben. Es ist ja schon bekannt, wie hoch die Fördersumme
des BMBF sein wird: Faktisch handelt es sich um eine
Kürzung um rund ein Drittel - ich habe dies mithilfe Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage ausgerechnet -,
bezogen auf den Zeitraum von 2006 bis 2010, wenn man
die Fördersumme von 2005 zum Ausgangspunkt nimmt.
Halten Sie das für vertretbar angesichts der Tatsache,
dass der Förderbedarf in der Vergangenheit sehr viel höher war?
Frau Kollegin, die Bundesregierung schließt sich Ihrer Auffassung ausdrücklich nicht an, dass es sich hierbei um eine Kürzung handelt. Insgesamt ist das Programm „Jobstarter“ in den nächsten fünf Jahren mit
einem Finanzvolumen von mindestens 100 Millionen
Euro verbunden. Was das Fördervolumen für die Programme bei den derzeit im Einreichungsverfahren befindlichen Vorschlägen angeht, verweise ich auf meine
vorherige Antwort und bitte Sie, abzuwarten. Es sind
jetzt nur noch zwei Tage, bis wir wissen, welche Anträge
eingegangen sind. In einigen Tagen können wir Ihnen
sagen, wie hoch die Zahl der geförderten Projekte und
das damit verbundene Finanzvolumen sein werden.
Haben Sie hierzu eine weitere Nachfrage?
Ja. - Die Förderrichtlinien liegen ja vor; dazu kann
man sich schon politisch äußern. Meine Nachfrage dazu
lautet: Bisher gab es Einzelprogramme, beispielsweise
das Programm KAUSA, das speziell in den Migrationsbereich gewirkt hat. Jetzt erfolgt eine Zusammenlegung,
wobei einzelne Förderbausteine diesen Aspekt durchaus
noch berücksichtigen sollen. Inwieweit kann bei der
Auswahl der geförderten Projekte sichergestellt werden,
dass explizit dieser Förderschwerpunkt zumindest die
gleiche Rolle spielt wie bisher?
Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung
ist es bei der Förderung im Bereich der beruflichen Bildung ein ganz wichtiger Schwerpunkt, insbesondere in
Migrantenunternehmen zusätzliche Ausbildungsplätze
zu schaffen. Dieses Thema ist auch Gegenstand der Beratung anlässlich der Auftaktkonferenz zum Programm
„Jobstarter“ am 19. und 20. Januar hier in Berlin gewesen.
Aber auch hier verweise ich auf meine vorherige Antwort, dass wir erst einmal schauen müssen, welche Anträge aus dem Bereich der Migrantenunternehmen eingegangen sind. Dieses Thema wird in den nächsten
Monaten eine große Rolle spielen. Für April ist ein Gespräch mit den Spitzen der Migrantenverbände vorgesehen.
Dann kommen wir jetzt zur Beantwortung der
Frage 12 der Kollegin Cornelia Hirsch:
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem von der
KfW-Bankengruppe geplanten Studienkredit?
Frau Kollegin, Ihre Frage beantworte ich wie folgt:
Die Bundesregierung begrüßt es, dass die Kreditanstalt
für Wiederaufbau mit den von ihr entwickelten Plänen
eines allgemeinen Studienkredits ein neues Geschäftsfeld auf die Agenda der Finanzierungsanbieter gesetzt
hat. Bildungs- und förderpolitisch besteht die zentrale
Bedeutung des KfW-Ansatzes darin, dass das geplante
Studienkreditangebot unabhängig von der jeweiligen individuellen Bonität der Studierenden und ihrer konkreten Studienfachwahl gemacht wird. Somit werden Verzerrungen bei der Chancengleichheit beim Kreditzugang
ebenso vermieden wie Beschränkungen bei der Freiheit
der Ausbildungswahl.
Frau Kollegin, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte
schön.
Laut Koalitionsvertrag gibt es innerhalb der Regierungsfraktionen unterschiedliche Auffassungen über die
Frage der Studiengebühren. In der Presse war zu lesen,
dass insbesondere Kolleginnen und Kollegen aus der
SPD nur dann diesem KfW-Kreditmodell zustimmen
würden, wenn das nicht zum Einfallstor für die Einführung von Studiengebühren in den Bundesländern wird.
Wie soll so etwas gewährleistet werden?
Wir befinden uns in einer Phase, in der noch weitere
Prüfungen in Bezug auf die genauen Vergabekriterien
und Konditionen stattfinden. Dieser Prüfungsprozess ist
noch nicht endgültig abgeschlossen. Es ist aber klar, dass
es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Erhebung von Studiengebühren und einem eventuellen Auftrag geben könnte.
Ihre zweite Nachfrage.
Einen indirekten Zusammenhang werden Sie aber sicherlich kaum ausschließen können, da ja im Einzelfall
nicht immer danach gefragt werden kann, wofür der
Kredit, der in Anspruch genommen wird, verwendet
wird, für die Begleichung von Studiengebühren oder den
Lebensunterhalt. Ist das BMBF sich dieser Problematik
bewusst und wird es sie bei seiner Entscheidung berücksichtigen?
Wenn Studenten einen solchen Kredit in Anspruch
nehmen würden, wäre es sicherlich nicht möglich, dass
man von staatlicher Seite eine Kontrolle über die Mittelverwendung durchführt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine vorherige Antwort: Wir sind derzeit
noch in einem Prüfungsverfahren und - das gilt für einen
eventuellen positiven Bescheid - die genauen Vergabekriterien werden ausgearbeitet. Der Prüfungsprozess insgesamt ist also noch nicht abgeschlossen.
Vielen Dank. - Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich.
Wir kommen jetzt zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Verfügung
steht der Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Franz
Thönnes. Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Heinrich
Kolb sind zurückgezogen.
Wir kommen jetzt zur Frage 15 des Abgeordneten
Heinz-Peter Haustein, FDP-Fraktion:
Bei wie vielen Unternehmen kam es am 27. Januar 2006
zu Abbuchungen von Sozialversicherungsbeiträgen, obwohl
diese eine „Nullmeldung“ abgegeben hatten, um von der
Sechstelregelung des § 119 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ({0}) Gebrauch zu machen und im Januar
2006 keinen zusätzlichen Monatsbeitrag zu leisten, und auf
welche Gesamtsumme addieren sich diese abgebuchten Beiträge?
Werter Kollege Haustein, die Einzugsstellen sind verpflichtet, den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge in
den Fällen, in denen ihnen eine Einzugsermächtigung
vorliegt, am Tag der Fälligkeit sicherzustellen. Zum
Fälligkeitsdatum am 27. Januar dieses Jahres kam es insbesondere im Bereich der Ersatz- und Innungskrankenkassen zu einer verspäteten Übermittlung der Beitragsnachweise mit der Beitragsmeldung null durch das
beauftragte Systemunternehmen an die Einzugsstellen,
da der Anfall der zu bearbeitenden Fälle vonseiten des
Unternehmens unterschätzt wurde.
Diese hohe Inanspruchnahme der Datenfernübertragung für die Beitragsnachweise zu diesem Datum resultiert daraus, dass die Unternehmen die Erleichterung
durch die Neuregelung des Beitrags- und Meldeverfahrens zum 1. Januar angenommen und umgesetzt haben.
Daraufhin erfolgte eine Abbuchung von geschätzten
Beiträgen bei den Unternehmen, für die Einzugsermächtigungen vorlagen. Dieses Verfahren entspricht den Anforderungen, die an die korrekte Durchführung des Beitragsverfahrens durch die Einzugsstellenprüfung gestellt
werden. Über die genaue Zahl der betroffenen Unternehmen und die daraus resultierende Beitragssumme liegen
der Bundesregierung keine Zahlen vor. Dies ließe sich
nur durch eine sehr aufwendige Erhebung bei allen Einzugsstellen in Deutschland ermitteln.
Die Spitzenverbände der betroffenen Kassen haben
sofort nach Bekanntwerden der fehlerhaften Abbuchungen reagiert und sichergestellt, dass in allen Fällen die
Rückabwicklung des Einzugs durch die Einzugsstellen
erfolgt. Außerdem wird sichergestellt, dass es zum
nächsten Fälligkeitsdatum - das wird am 24. Februar
sein - nicht zu einem erneuten Datenstau bei dem beauftragten Systemunternehmen kommt.
Der Herr Kollege Haustein hat keine Nachfrage.
Herr Kollege Kolb, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich verstehe nicht, warum es bei
T-Systems zu einem Problem aufgrund eines erhöhten
Datenanfalls gekommen sein soll. Die Unternehmen, die
jetzt eine Nullmeldung abgegeben haben, haben schließlich in jedem anderen Monat eine Meldung über den jeweils abzuführenden Sozialversicherungsbeitrag an die
Krankenkassen abgegeben, das heißt, bei 3,3 Millionen
Unternehmen in Deutschland müsste es auch bisher über
den Daumen gepeilt 3,3 Millionen Meldungen gegeben
haben. Woher kommt also der zusätzliche Datenanfall,
der die Leitungen verstopft haben soll?
Es muss sich um ein technisches Problem bei der Einziehung der Beiträge durch T-Systems - Sie haben das
Unternehmen benannt - gehandelt haben. Dieses Problem ist beseitigt. Viele Unternehmen haben schlichtweg
von den besseren technischen Möglichkeiten Gebrauch
gemacht und dies scheint wohl unterschätzt worden zu
sein.
Wir kommen damit zur Frage 16 des Abgeordneten
Heinz-Peter Haustein.
Ich habe die Fragen 15 und 16 zusammen beantwortet, sie wurden auch gemeinsam aufgerufen.
Nein, ich habe bisher nur die Frage 15 aufgerufen,
aber ich akzeptiere, dass das eine Antwort auf beide Fragen war. Wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind,
beseitigen wir unser Missverständnis, indem ich jetzt die
Frage 16 des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein aufrufe:
Bei welchen Krankenkassen ist es zu solchen Abbuchungen der Sozialversicherungsbeiträge trotz der Nullmeldungen
gekommen und inwieweit wurden diese trotz der Inanspruchnahme der Sechstelregelung des § 119 Abs. 2 SGB IV abgebuchten Beträge wieder an die Unternehmen zurückgezahlt?
Ich kann noch eine Frage des Kollegen Kolb zulassen.
Können Sie, Herr Staatssekretär, noch einmal sagen,
bei welchen Krankenkassen - es betraf wohl überwiegend Ersatz- und Innungskrankenkassen - das Problem
im Einzelnen aufgetreten ist? Das kann man doch sicherlich ohne allzu großen Aufwand feststellen.
Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass das bei den Ersatz- und Innungskrankenkassen vordergründig aufgetreten ist.
({0})
Ich rufe jetzt die Frage 17 des Abgeordneten Lutz
Heilmann auf:
Wie viele Obdachlose sind in diesem Winter bereits erfroren und in welchem Ausmaß ist im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres eine Zunahme festzustellen?
Herr Kollege Heilmann, der Bundesregierung liegen
keine amtlichen Daten über Todesfälle von obdachlosen
Menschen vor, die in diesem Winter erfroren sind. Die
Behörden, die nach SGB II und SGB XII bzw. nach Polizei- und Ordnungsbehördenrecht diesem Personenkreis
die notwendigen Hilfen gewähren, führen diese Gesetze
dezentral im kommunalen Bereich durch. Ich kann Ihnen
sagen, dass wir von der BAG Wohnungslosenhilfe e. V.
erfahren haben, dass neun Menschen im Winterhalbjahr
2005/2006 tragischerweise erfroren sind.
Nach unserem Wissensstand gibt es, je nachdem wie
es die Behörden organisieren, ein sehr umfangreiches
Netz von karitativen und behördlichen Einrichtungen,
die sich um das Schicksal dieser Menschen kümmern.
An dieser Stelle will ich all denen, die in karitativen Organisationen ehrenamtlich tätig sind, für ihre Arbeit danken und von hier aus feststellen, dass die Behörden nahezu alles tun, damit solche Fälle so selten wie möglich
auftreten.
Herr Kollege, Sie habe eine Nachfrage.
Danke schön, Herr Staatssekretär, für Ihre Auskünfte
und Ihre Bemühungen, Daten zu erhalten. Ich habe noch
eine Nachfrage. Ist Ihnen bekannt, ob und, wenn ja, welche Bundesländer besonders davon betroffen sind? Gibt
es ein Nord-Süd- oder Ost-West-Gefälle?
Wir entnehmen den Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e. V., dass es zwei Fälle
in Berlin und Stuttgart und je einen Fall in Dortmund, in
Rahden-Tonnenheide in der Nähe von Minden, in Halle,
in Kostheim bei Wiesbaden und in Gelsenkirchen gegeben hat. Ich will dazu klar sagen: Jeder, der auf diese
Weise gestorben ist, ist ein Toter zu viel. Allerdings will
ich darauf hinweisen, dass es in den letzten Jahren
gelungen ist, die Gesamtzahl der Wohnungslosen von
1998 bis 2004 - auch das sind Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e.V. - von
530 000 auf 292 000, also um gut 45 Prozent, zu reduzieren. Ich glaube, das Beste und Wichtigste ist, dafür zu
sorgen, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf
bzw. eine Wohnung haben.
Herr Heilmann, haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ist seit dem 1. Januar 2005 eine Zunahme der Obdachlosigkeit in der BRD, insbesondere im Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen, aufgetreten?
Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten, da, wie
bereits gesagt, alle Daten - auch die eben vorgetragenen
für den Zeitraum von 1998 bis 2004 - von der Bundesarbeitsgemeinschaft nur geschätzt worden sind.
({0})
Dann kommen wir zur Frage 18 der Abgeordneten
Sabine Zimmermann, Die Linke:
Trifft es zu, dass die Argen - Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - statt eines Haushaltes nur eine Bewirtschaftungsbefugnis von 45 Prozent erteilt bekommen haben, diese Mittel aber durch Verpflichtungsermächtigungen
des Vorjahres abgedeckt sind und nicht für neue Maßnahmen
zur Verfügung stehen, und, wenn ja, wird dadurch der Vermittlungsauftrag der Argen gefährdet?
Frau Zimmermann, ich beantworte Ihnen Ihre Frage
wie folgt: Zurzeit gilt die vorläufige Haushaltsführung.
Aufgrund der Neuwahlen zum Deutschen Bundestag am
18. September des vergangenen Jahres konnte ein gültiger Haushaltsplan für das Jahr 2006 durch das Parlament
noch nicht beschlossen werden. Es gibt daher noch gar
keinen Bundeshaushalt 2006, der überhaupt hätte zugewiesen werden können. Da die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch aus dem Bundeshaushalt finanziert
werden, fallen sie ebenfalls unter die vorläufige Haushaltsführung.
Das Grundgesetz sieht in Art. 111 in haushaltslosen
Zeiten zwar ein so genanntes Notbewilligungsrecht der
Bundesregierung vor, für das allerdings Einschränkungen gelten, um das Budgetrecht des Parlaments nicht zu
beschränken. Es ist daher zutreffend, dass den Trägern
der Grundsicherung für Arbeitsuchende zunächst nur ein
Finanzrahmen in Höhe von 45 Prozent der in der Eingliederungsmittelverordnung 2006 genannten Obergrenzen zugewiesen wurde.
In einer Reihe von Äußerungen und Bekundungen
verschiedener Träger der Grundsicherung von Arbeitsuchenden ist berichtet worden, dass diese zunächst für
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zugewiesenen
Ausgabemittel in Höhe von 45 Prozent der maßgeblichen Obergrenze wegen hoher Vorbindungen nicht genügend Spielraum für Neubewilligungen ließen. Allerdings scheint die Situation in den Kreisen durchaus
unterschiedlich zu sein.
Die Bundesregierung unterstützt im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen die Möglichkeiten zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation und hat den Finanzrahmen für die Zeit der vorläufigen Haushaltsführung
zwischenzeitlich auf 72 Prozent der maßgeblichen Obergrenze angehoben. Den Belangen der örtlichen Träger ist
damit Rechnung getragen worden, sodass auch die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Maßnahmeplanung und -bewilligung gewährleistet sein dürften.
Frau Kollegin, Sie haben eine Nachfrage?
Ja, ich habe eine Nachfrage. - Danke schön, Herr
Staatssekretär. Es ist mir bekannt, dass letzten Donnerstag die mündliche Zusage gemacht wurde, dass die zugewiesenen Ausgabemittel von 45 Prozent auf 72 Prozent
der maßgeblichen Obergrenze erhöht werden. Aber um
eine optimale Mittelbindungskurve - die wird Ihnen sicherlich auch bekannt sein - zu erhalten, um also zu erreichen, dass wir nicht wieder so viele Mittel wie im
letzten Jahr zurückgeben müssen, brauchen die Arbeitsgemeinschaften vor Ort 90 Prozent des Haushaltes. Anders ist eine seriöse Maßnahmeplanung nicht machbar.
Es geht - ich glaube, da sind wir uns fraktionsübergreifend einig - um die Lösung des Arbeitslosenproblems.
Wir wollen die Arbeitslosen optimal in den Arbeitsmarkt
integrieren.
Meine Frage ist: Warum wird den Arbeitsgemeinschaften der Haushalt nur scheibchenweise und schleppend zugewiesen? Denn zum Beispiel die Agenturen
können für das ganze Jahr eine ordentliche Planung machen. Sie und auch die optierenden Kommunen haben
ihren Haushalt schon zugewiesen bekommen.
Frau Kollegin Zimmermann, in der Situation eines
nicht beschlossenen Haushaltes ist der Finanzminister
ganz besonders gefordert, wenn es um die Verteilung der
Finanzmittel geht. Die Obergrenze in Höhe von 45 Prozent der Ansätze des ersten Regierungsentwurfs beruht
auf Ziffer 1.4 des Rundschreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2005 zur vorläufigen Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesverwaltung. Wir bewegen uns hier in einem Spannungsfeld:
Auf der einen Seite steht das, was notwendig ist, und auf
der anderen Seite die Tatsache, dass eine Regierung
nicht die Rechte eines Parlaments beschränken darf und
das Haushaltsrecht zu wahren hat.
Es wird deutlich, dass mit den 45 Prozent der Versuch
unternommen worden ist, auch weiterhin die aktive Arbeitsmarktpolitik vor Ort zu ermöglichen, in diesem Sinne - ich stimme Ihnen da völlig zu - Menschen zügig in
Arbeit zu vermitteln und ihnen insbesondere in diesem
Bereich die Hilfen aus einer Hand zukommen zu lassen.
Hier haben wir unterschiedliche Reaktionen erfahren.
Es hat Bereiche gegeben, die nicht in der Lage waren,
Mittel zu verteilen, weil bereits Vorbindungen aus dem
vergangenen Jahr bestanden. Daher haben wir gesagt:
Dann ist auch eine Erhöhung auf 72 Prozent zulässig.
Diesen Schritt haben wir jetzt getan, um zu gewährleisten, dass die Vorbindungen erfüllt werden können und
weitere Mittel zur Verfügung stehen. Im Kern gibt es
jetzt einen neuen Verfügungsrahmen von insgesamt
4,9 Milliarden Euro. Nun sind, wie ich denke, auch die
einzelnen Regionen handlungsfähig.
Frau Kollegin Zimmermann, haben Sie eine weitere
Nachfrage?
Ja. - Ich bin mit Ihrer Antwort noch nicht zufrieden;
denn ich denke, dass durch die 45 Prozent lediglich die
Verpflichtungsermächtigungen aus dem Vorjahr abgedeckt worden sind. Manche Arbeitsgemeinschaften sind
so sehr in die Bredouille geraten, dass sie im Minus lagen. Das darf das Bundesministerium nicht akzeptieren.
Es kam sogar so weit, dass generell keine neuen Maßnahmen mehr begonnen werden konnten. Da das fast flächendeckend der Fall war, können Sie mir jetzt nicht sagen, das habe nur einzelne Arbeitsgemeinschaften
betroffen.
Doch. Ich denke schon, dass ich Ihnen das sagen
kann. Trotz der unterschiedlichen Betroffenheit sehen
wir dabei aber nicht tatenlos zu. Die bestehenden Vorbindungen beliefen sich auf 1,8 Milliarden Euro. Vor
dem Hintergrund der Zahlen, die ich gerade genannt
habe, besteht nun aufgrund der zusätzlich bewilligten
Mittel die Möglichkeit, aktive Arbeitsmarktpolitik zu
machen. Dazu, dass das nicht überall so war, habe ich Ihnen gesagt: In den Einzelfällen, in denen das nicht der
Fall war, hat das Ministerium nicht tatenlos zugesehen.
Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage 19, die
ebenfalls von der Kollegin Sabine Zimmermann gestellt
wurde:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um
mit einer zeitnahen Budgetbereitstellung von 85 Prozent - per
15. Februar 2006 - für einen größtmöglichen Mittelabfluss in
diesem Jahr im Interesse der Erwerbslosen zu sorgen, und
welche Maßnahmen beabsichtigt sie mittel- und langfristig zu
ergreifen, damit in Zukunft eine rechtzeitige und kontinuierliche Bereitstellung der Finanzmittel gewährleistet ist?
Wie ich in meinen Antworten auf Ihre Frage und Ihre
Nachfragen schon erläutert habe, ist der Finanzrahmen
inzwischen erhöht worden. Sein Umfang dürfte nach
Einschätzung der Bundesregierung für die Zeit der vorläufigen Haushaltsführung ausreichend bemessen sein.
Ziel ist aber nicht der größtmögliche Mittelabfluss um
jeden Preis. Die Eingliederungsleistungen sollen die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung bzw.
Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützen.
Unser Ziel - ich denke, das muss so sein - ist ein effizienter Mittel- und Maßnahmeneinsatz.
Was den letzten Teil Ihrer Frage angeht, ist auf unsere
Verfassung zu verweisen. Ich unterstreiche noch einmal,
was ich gerade gesagt habe: Die Bundesregierung respektiert das Budgetrecht des Parlaments und stellt den
Haushaltsgesetzgeber nicht vor vollendete Tatsachen.
Rechtzeitig und verlässlich können Finanzmittel dann
bereitgestellt werden, wenn das Haushaltsgesetz vor Beginn des maßgeblichen Haushaltsjahres verabschiedet
worden ist, wie es auch in Art. 110 Abs. 2 Satz 1 des
Grundgesetzes als Regelfall vorgesehen ist. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass dies im Haushaltsjahr 2007 und die weiteren Jahre auch gelingen wird.
Haben Sie hierzu eine Nachfrage? - Bitte schön.
Ich habe folgende Nachfrage: Bedeutet das, dass die
nächste Zuweisung an die Arbeitsgemeinschaften erst
nach der Bestätigung des Haushalts, also erst Mitte dieses Jahres, erfolgen wird?
Wir denken, dass aufgrund der Bewilligung von
72 Prozent und vor dem Hintergrund des beabsichtigten
Fahrplans für die haushaltspolitischen Entscheidungen
die finanziellen Mittel ausreichend bemessen sind, sodass vor Ort positiv gehandelt werden kann.
Sie haben noch eine Nachfrage? - Bitte schön.
Da sind wir anderer Meinung; denn so sieht keine solide und bürgernahe Haushaltspolitik aus.
({0})
Ich denke, man sollte gleich am Anfang eines Jahres sagen, dass man den Arbeitslosen weniger Geld zur Verfügung stellt.
Danke schön.
({1})
Wir sind in der Fragestunde. Ich habe allerdings nicht
erkannt, dass Sie eine Frage gestellt haben.
Die Fragen 20 und 21 der Kollegin Kornelia Möller
von der Fraktion Die Linke werden schriftlich beantwortet.
Nun kämen wir zur Beantwortung der Frage 22 der
Kollegin Brigitte Pothmer, die allerdings nicht da ist. Es
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen damit zur Frage 23 der Kollegin
Irmingard Schewe-Gerigk:
Welche Verbesserungen für die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind angesichts der geplanten Erhöhung des Renteneintrittsalters auf
67 Jahre bis zum Jahr 2029 von der Bundesregierung vorgesehen?
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung
älterer Arbeitnehmer verfolgt die Bundesregierung eine
mehrgleisige Strategie. Erstens geht es um die Verbesserung der Eingliederungschancen älterer Arbeitnehmer,
zweitens um die Beseitigung von Fehlanreizen zur Frühverrentung und drittens um den Abbau von Vorurteilen
hinsichtlich der Qualifikation, Leistungsbereitschaft
und, ich füge das hinzu, auch der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Im Eingliederungstitel stehen alleine bei der Verbesserung der Eingliederungschancen älterer Beschäftigter
bis zu dreijährige, degressive Lohnkostenzuschüsse an
Unternehmen zur Verfügung. In kleineren und mittleren
Unternehmen kann die Weiterbildung älterer Beschäftigter gefördert werden. Die Einstellung von Arbeitnehmern, die über 55 Jahre alt sind, wird durch die Entgeltsicherung und durch die Befreiung der Arbeitsgeber von
den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen unterstützt.
Hinzu kommt, dass die Koalitionsparteien sich darauf
verständigt haben, die Befristungsregelung bei der Einstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab
dem 52. Lebensjahr zu lockern und europarechtskonform auszugestalten. Ferner gibt es Programme, in denen
es darum geht, für ältere Beschäftigte zusätzlich
30 000 mehrjährige Jobs - wenn die interessierten Länder sich beteiligen, vielleicht noch einmal 20 000 - zu
schaffen.
Ich glaube, in diesem Haus ist das Bundesprogramm
aus der vergangenen Legislaturperiode „Perspektive
50 plus - Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ bekannt, das mit 250 Millionen Euro ausgestattet
ist. Schließlich verweise ich auch auf das Programm zur
Weiterbildung gering qualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen, für das im Eingliederungstitel
200 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Wir haben mit unseren rentenpolitischen Entscheidungen dazu beigetragen, dass die vorzeitige Altersrente
wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab 2006
stufenweise von 60 auf 63 Jahre angehoben wird und
dass Übergangsregelungen beim Abschlag einzubeziehen sind. Mit dem Rentenreformgesetz von 1999 fallen
die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit und die Altersrente für Frauen für die 1952 und
danach geborenen Versicherten weg.
Ich glaube, damit wird deutlich, dass eine Vielzahl
von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vorliegt, die
der Wirtschaft, aber auch den Menschen ohne Arbeit zur
Verfügung stehen. Das alles muss aber auch durch eine
mentale Veränderung ergänzt werden. Deswegen gibt es
unsere Initiative „Erfahrung ist Zukunft“, eine Initiative,
die durch die Initiative „Neue Qualität der Arbeit“,
INQA, ergänzt wird. Mit dem Initiativkreis „30, 40,
50 plus - Älterwerden in Beschäftigung“ wollen wir gemeinsam mit den Akteuren am Arbeitsmarkt ein Klima
erzeugen, in dem sich die Wirtschaft gegenüber der Integration älterer Arbeitssuchender wieder offener verhält.
Frau Schewe-Gerigk, Ihre Nachfrage bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade selbst gesagt,
dass viele der Maßnahmen, die Sie genannt haben, bereits unter Rot-Grün beschlossen wurden; allerdings haben sie keine positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungssituation Älterer gehabt.
Ich frage Sie vor diesen Hintergrund: Halten Sie es in
Anbetracht der Erhöhung des Renteneintrittsalters und
der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens für sinnvoll, dass die Weiterbildung Älterer bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 47 SGB III zum Ende dieses Jahres
auslaufen soll?
Ich habe gerade ausgeführt, dass wir eine Vielzahl
von Programmpunkten haben. Wir befinden uns jetzt in
einer Phase des Überlegens, wie wir das SGB II optimieren können, welche Änderungen wir vornehmen sollten.
Wir werden mit der Arbeitsagentur über die unterschiedlichen Erfahrungen mit den Arbeitsförderprogrammen
sprechen und uns das im Einzelnen anschauen; es gibt
Evaluationen zu Hartz I bis III. Vor diesem Hintergrund
wird es - wir müssen uns das so vorstellen, als sprächen
wir über zwei Seiten einer Medaille - im Zusammenhang mit der politischen Entscheidung, das gesetzliche
Renteneintrittsalter von 2012 ab bis zum Jahr 2029
schrittweise zu erhöhen - ich weise noch einmal auf diesen langen Zeitraum hin -, eine Initiative „50 plus“ mit
Aktivitäten zur Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Menschen in den Betrieben geben.
Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass zurzeit nur
39 Prozent der über 55-Jährigen in deutschen Unternehmen einen Arbeitsplatz finden. Wir wollen nicht, dass
das Bild entsteht, als würde man in unserer Gesellschaft
ab 50 Jahren zum alten Eisen gehören. Auch die deutsche Wirtschaft wird angesichts des demografischen
Wandels im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit auf
die Kompetenz, die Erfahrung und das Wissen der Älteren im Betrieb angewiesen sein. Deswegen muss im
Rahmen unserer Überlegungen auch eine Diskussion
darüber angeregt werden, was konkret in den Bereichen
Arbeitsschutz, Weiterbildung und Qualifizierung gemacht werden kann und wie das parallel dazu zusammen
mit den Tarifvertragsparteien durch tarifvertragliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen ergänzt werden
kann.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Kolb.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, nur
39 Prozent der über 55-Jährigen seien in deutschen Unternehmen noch beschäftigt. Was ist die Zielstellung der
Bundesregierung? Hält sie 60 oder 70 Prozent für angemessen? Welche Zahl muss erreicht werden, damit in Ihrem Sinne eine nachhaltige Verbesserung eintritt?
Herr Kolb, aufgrund der rentenpolitischen Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben,
konnte vom Jahr 2003 auf das Jahr 2004 das Renteneintrittsalter bei den normalen Altersrenten weiter auf etwa
63 Jahre gesteigert werden. Das ist ein Erfolg. In der
Vergangenheit lag das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren.
Wenn man jetzt Zielmarken setzt und das Ziel nicht
erreicht, wird nur wieder darüber diskutiert, dass nichts
erreicht wurde. Wir wollen den Prozentsatz erhöhen.
Das ist unser fester Wille. Wir wollen, dass die Älteren
mit ihrer Erfahrung und ihrer Kompetenz in den Betrieben einen Platz haben. Wir wollen über die 39 Prozent
kräftig hinauskommen.
Frau Schewe-Gerigk, haben Sie noch eine Nachfrage
oder können wir zur nächsten Frage kommen?
Ich habe noch eine Nachfrage.
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich möchte direkt anschließen.
Die Bundesregierung hat sich im Lissabonprozess
verpflichtet, den Anteil der Beschäftigten bei den über
55-Jährigen von, wie Sie gerade gesagt haben, jetzt
39 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. Das entspricht
immerhin 1 Million Arbeitsplätzen für über 55-Jährige.
Glauben Sie, dass die Maßnahmen, die Sie gerade vorgeschlagen haben, ausreichen - Sie haben selbst gesagt,
dass es die Evaluation von Hartz I bis Hartz III gegeben
hat, sie ist sehr negativ ausgefallen -, oder sind Sie nicht
der Meinung, dass noch weitere Anstrengungen notwendig sind?
Die Lissabonstrategie ist bis weit über das Jahr 2010
ausgerichtet. Alle sind aufgefordert, sich anzustrengen,
um diese Größenordnung zu erreichen. Das wird natürlich von der Lage in den jeweiligen Jahren abhängig
sein.
Ich habe schon deutlich gemacht: Es gibt noch mehr
zu tun. Wir müssen überlegen, wie wir hinsichtlich der
längeren Teilnahme am Arbeitsprozess die Älteren qualifizieren und fit halten können, damit sie den ständig
steigenden Herausforderungen gewachsen sind. Seitens
der Tarifvertragsparteien muss noch viel getan werden.
Wir werden mit ihnen darüber sprechen. Darüber hinaus
müssen wir überlegen, welcher gesetzlichen Regelungen
es bedarf.
Nun möchte ich noch Folgendes ansprechen. Der
Evaluationsbericht darf natürlich kritisch gelesen werden. Aber von Beispielen wie den Personal-ServiceAgenturen oder den Bildungsgutscheinen, die negativ
beurteilt wurden, gleich auf den ganzen Bericht zu
schließen, ist falsch. Die Bundesagentur für Arbeit befindet sich in einem großen Reform- und Umorganisationsprozess, an dem sich die Beschäftigten mit großem
Engagement beteiligen, sodass für die Arbeitsuchenden
eine gute Serviceleistung geboten werden kann, die
Schritt für Schritt noch verbessert wird. Ich glaube, wir
sind auf einem guten Weg. Das bedeutet auch einen
Fortschritt für die älteren Menschen, die auf Integration
in den Arbeitsmarkt warten.
Wir kommen jetzt zu Frage 24, ebenfalls der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk:
Wie sieht die Bundesregierung die Verlängerung der 58erRegelung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angesichts der geplanten Erhöhung des Renteneintrittsalters auf
67 Jahre und einer damit einhergehenden Notwendigkeit der
besseren Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt?
Frau Kollegin, ich vermute, dass Sie mit dem Begriff
„58er-Regelung“ die Vorschriften des § 428 SGB III
meinen. Nach dieser Regelung können ältere Arbeitslose, anders als alle anderen Arbeitslosen, auch dann Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie nicht mehr bereit sind,
jede zumutbare Arbeit anzunehmen, weil sie aus dem
Erwerbsleben ausscheiden möchten. Im Gegenzug verpflichten sich die Betroffenen, zum frühestmöglichen
Zeitpunkt in eine so genannte abschlagsfreie Altersrente
zu wechseln.
Die Regelung ist nach der Verlängerung ihrer Geltungsdauer durch das Fünfte SGB -III-Änderungsgesetz
bis Ende 2007 befristet. Verzeihen Sie mir, aber von daher besteht kein Zusammenhang mit der Erhöhung der
Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ab dem Jahr 2012. Ein
Ende des Jahres 2007 entstehender Anspruch auf Arbeitslosengeld eines älteren Leistungsempfängers ist im
Laufe des Jahres 2009 erschöpft.
Ihre Zusatzfrage, Frau Schewe-Gerigk.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade selbst gesagt,
dass Sie die Öffentlichkeit motivieren und ein anderes
Bild der älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt schaffen wollen. Finden Sie es vor diesem Hintergrund nicht
kontraproduktiv, in der gleichen Woche zu sagen, dass
das Renteneintrittsalter - natürlich langfristig - erhöht
wird und die Regelung, nach der die Älteren frühzeitig
ausscheiden können und ihre Ansprüche behalten, beibehalten wird, auch wenn das jetzt erst einmal befristet ist?
Man weiß ja nicht, wie die nächste Befristung aussehen
wird.
Sie wissen, dass wir diese Entscheidung vor den Entscheidungen getroffen haben, die jetzt für die Rentenpolitik maßgeblich sind. Dies geschah relativ zeitnah nach
der Verabschiedung des Koalitionsvertrages. Hier geht
es auch darum, für die Menschen an dieser Stelle verlässlich zu bleiben, daran festzuhalten und gleichzeitig
mit allen möglichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, daran zu arbeiten - ich habe das gerade ausgeführt -, dass die Älteren in der Gesellschaft in den Betrieben hier in Deutschland Arbeit finden.
Frau Schewe-Gerigk, Sie haben keine weitere Zusatzfrage.
Wir wechseln in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Der Kollege Gernot Erler steht als Staatsminister zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 25 des Abgeordneten
Dr. Norbert Paech von der Fraktion Die Linke auf:
Stimmt die Bundesregierung mit US-Präsident George
W. Bush darin überein, dass im Konflikt um das iranische
Atomprogramm alle Optionen auf dem Tisch liegen und die
letzte der Optionen die militärische Option ist ({0}),
und, wenn ja, inwieweit ist die Bundesregierung bereit, die
US-Regierung bei allen Optionen - einschließlich der von
Präsident George W. Bush genannten militärischen - aktiv
oder passiv zu unterstützen?
Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Kollege
Dr. Paech, die Bundesregierung hat im Bundestag zu
dem hier angesprochenen Fragekomplex in jüngster Zeit
wiederholt Stellung genommen, zuletzt in meinem Debattenbeitrag in der Aktuellen Stunde am 26. Januar
2006 bzw. bei der Beantwortung Ihrer schriftlichen Fragen am 31. Januar 2006.
Die Bundesregierung stellt aber gerne nochmals klar,
dass sie zur Lösung des iranischen Nuklearproblems gemeinsam mit ihren Partnern am Ziel einer diplomatischen Lösung im multilateralen Rahmen festhält. Die
Vereinigten Staaten unterstützen diese Vorgehensweise,
die unter anderem in der zwischen den drei EU-Staaten,
den Vereinigten Staaten, Russland und China abgestimmten Position für den Sondergouverneursrat am
2. Februar 2006 zum Ausdruck gekommen ist. Wie Sie
wissen, ist diese Position am 4. Februar 2006 von dem
Gouverneursrat mit großer Mehrheit angenommen worden.
Herr Paech, haben Sie eine Zusatzfrage?
Herr Kollege Erler, herzlichen Dank, aber Sie wissen
auch, dass Präsident Bush, gestern sein Verteidigungsminister Rumsfeld, und erst heute Cheney immer wieder
gesagt haben: Die Anrufung des UN-Sicherheitsrates
schließt nicht aus, dass wir die gesamte Eskalationsbandbreite der Sanktionen bis hin zu militärischen
Optionen durchschreiten.
Meine Frage ist - deswegen bin ich hier so hartnäckig -: Wie stellt sich die Bundesregierung zum Weg
der Öffnung des Sanktionskatalogs, den sie mit der Anrufung des Sicherheitsrates jetzt mit beschritten hat? Ist
sie bereit, die Sanktionsskala bis hin zu den militärischen Interventionen, die die USA immer wieder andeutet, mitzugehen?
Herr Kollege Dr. Paech, wir wissen, dass die Vereinigten Staaten in solchen Fällen in der Regel alle Optionen auf dem Tisch behalten. Wir sind aber der Überzeugung, dass die Möglichkeiten und die Chancen für eine
diplomatische Lösung im Moment noch längst nicht ausgeschöpft sind. Wir bemühen uns weiter darum und beteiligen uns nicht an irgendwelchen Spekulationen darüber, was danach eventuell kommen könnte, wenn
dieser Weg scheitert. Dabei wird die Bundesregierung
auch bleiben.
Herr Paech, haben Sie eine weitere Nachfrage? - Das
ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 26:
Stimmt die Bundesregierung mit der Einschätzung der
US-Regierung überein, wonach Staaten auch deshalb nach
dem Besitz von Atomwaffen streben, weil sie diese als das
beste Mittel ansehen, um die konventionelle militärische
Überlegenheit der USA zu überwinden ({0}), und, wenn ja, welche Konsequenzen hat dies für die Nichtverbreitungspolitik der Bundesregierung im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages?
Bitte.
Herr Kollege Dr. Paech, in der Sicherheitsstrategie
der Europäischen Union gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wird festgestellt, dass Rüstungsprogramme in erster Linie auf Instabilität und Unsicherheit in bestimmten Regionen zurückzuführen sind. Dies
ist auch die Einschätzung der Bundesregierung. Es geht
daher im Grundsatz darum, politische Lösungen für die
Probleme zu finden, die dem Streben nach Massenvernichtungswaffen zugrunde liegen. Dabei gilt die Erfahrung, dass Lösungen für komplexe Konfliktlagen, die
eine intensive Befassung mit den Konfliktursachen erfordern, kurzfristig meist nicht zu erzielen sind.
Die Bundesregierung berücksichtigt in ihren mit betroffenen Staaten geführten Gesprächen deren berechtigte Sicherheitsanliegen, wobei sie keinerlei Zweifel daran lässt, dass diese niemals eine Rechtfertigung für den
Erwerb von Massenvernichtungswaffen sein können.
Sie haben hierzu eine Nachfrage?
Dazu habe ich eine Nachfrage. Sie erinnern sich doch
an die damalige NATO-Doktrin im Kalten Krieg. Es
hieß damals: Wir in Europa fühlen uns konventionell unterlegen und die Antwort darauf kann nur sein, dass wir
die Unterlegenheit durch den Besitz von Atomwaffen
kompensieren.
Wahrscheinlich haben auch Sie jetzt gelesen, dass die
französische Verteidigungsministerin Alliot-Marie erklärt hat: Der Besitz von Atomwaffen ist die Garantie
unserer Existenz und unserer Interessen. - Können Sie
nicht nachvollziehen, dass andere Staaten, die seit längerer Zeit bedroht werden, ähnlich argumentieren, indem
sie sagen: Nach den Erfahrungen mit Jugoslawien, Irak
und Afghanistan ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, uns zu schützen, nach dem Besitz von Atomwaffen
zu streben?
Herr Kollege Dr. Paech, es gibt zum Glück auch ganz
andere Erfahrungen. Es gibt durchaus die Erfahrung,
dass Staaten, die schon dabei waren, Atomwaffen zu erwerben, überzeugt werden konnten, dass dies ein Irrweg
ist. Ich spreche zum Beispiel von Staaten wie Brasilien
oder Südafrika. Der Vertrag über die Nichtverbreitung
von Kernwaffen existiert. Wir sprechen im Kontext des
iranischen Problems. Sie wissen, dass der Iran diesem
Vertrag beigetreten ist. Das spricht nicht dafür, dass er
die Absicht hat, wenn er es mit der Einhaltung dieses
Vertrages ernst meint, irgendwelche konventionellen
Überlegenheiten durch atomare Programme, deren Existenz er noch heute verneint, auszugleichen.
Das Problem ist hier nicht die Disbalance zwischen
konventioneller Überlegenheit und einer eventuellen
atomaren Antwort darauf. Das Problem ist die Erfüllung
eines internationalen Vertrages. Sie wissen, dass der
Ausgangspunkt der jetzigen Krise die Tatsache ist, dass
der Iran bis 2003, als dies von der IAEO entdeckt wurde,
18 Jahre lang gegen das so genannte Safeguards-Agreement verstoßen hat. Das hat also mit der generellen
Frage, die Sie stellen, aus unserer Sicht sehr wenig zu
tun.
Haben Sie eine weitere Nachfrage, Herr Dr. Paech? Bitte schön.
Da Sie den Atomwaffensperrvertrag selbst und seine
Einhaltung ansprechen: Einer der Kernpunkte der Resolution des Gouverneursrats war, dass der Iran bedingungslos auf jede Art von Aktivitäten zu verzichten
habe, die eine Urananreicherung möglich machen. Dies
ist nach dem Atomwaffensperrvertrag keine rechtliche
Verpflichtung. Im Gegenteil: Gerade dies wird den Staaten, die über keine Atomwaffen verfügen, vertraglich zugestanden.
Sind Sie der Überzeugung, dass eine solche Bedingung, die offensichtlich, wie Herr Scharioth heute sagte,
eine nicht verhandelbare Bedingung für weitere Verhandlungen darstellt, ein Weg ist, um das zu erreichen,
was man erreichen will, dass nämlich der andere freiwillig darauf verzichtet?
Herr Kollege Dr. Paech, ich habe eben nicht umsonst
die Vorgeschichte angesprochen. Es ist schwierig, die
Bundesregierung zu fragen, warum das eine solch wichtige Forderung ist. Schließlich ist das Misstrauen nicht
aufgrund der Forderung entstanden, die die westliche
Welt und die internationale Staatengemeinschaft an die
Führung des Iran gerichtet hat, sondern dadurch, dass
der Iran - ohne dass er das bisher ausreichend erklärt
hat, wie Herr al-Baradei immer wieder feststellen muss 18 Jahre lang gegen das Safeguards-Agreement verstoßen hat und heimliche Programme betrieben hat, die er
offensichtlich verdecken wollte und die den Verdacht genährt haben, dass es hierbei doch um Programme geht,
die mit möglichen künftigen Waffenprogrammen zu tun
haben. Diese Frage muss sich insofern an den Iran richten.
Es ist doch klar, dass die internationale Staatengemeinschaft im Hinblick darauf, dass der Iran 18 Jahre
die Regeln nicht eingehalten hat, die technische Sicherheit für notwendig hält, dass in Zukunft keine Programme durchgeführt werden, die der Herstellung von
Waffen dienen könnten. Das ist im Grunde die politische
Erklärung für den gesamten Atomkonflikt mit dem Iran.
Wir kommen zu Frage 27 der Abgeordneten Petra
Pau, Die Linke:
Wie gedenkt die Bundesregierung den Sonderermittler des
Europarats, Dick Marty, bei seiner Aufklärungstätigkeit zu
CIA-Gefangenenflügen über Europa, zur Existenz von geheimen Gefängnissen und Verschleppungen von Menschen weiter zu unterstützen?
Frau Kollegin Pau, die Bundesregierung wird die an
sie gerichteten Fragen selbstverständlich beantworten.
Die Bundesregierung wird sich im Übrigen auch weiterhin für die Klärung offener Fragen im Zusammenhang
mit angeblichen CIA-Flügen und -Gefängnissen in den
dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien einsetzen.
Ich gehe davon aus, dass das die Antwort auf die
Frage 27 war.
({0})
Ganz richtig.
Ich frage deshalb, weil Sie von „Fragen“ in der Mehrzahl gesprochen haben. - Frau Pau, Ihre Nachfrage.
Herr Kollege Erler, dann frage ich noch einmal nach.
Sie haben die zuständigen Gremien angesprochen. Ich
nehme an, Sie meinen damit zunächst einmal das PKGr.
Welchen Zugang hat aber der Ermittler des Europarats
zu diesen Informationen?
Frau Kollegin Pau, wie Sie wissen, hat der Ermittler
des Europarates, Dick Marty, die nationalen Parlamente
aufgefordert, ihrerseits Fragen an ihre jeweiligen Regierungen zu richten. Davon hat dieses Hohe Haus in intensiver Weise Gebrauch gemacht. Die Bundesregierung
hat diese Fragen nach Kräften beantwortet. Das heißt,
auf diese Weise ist genau das passiert, was Herr Marty
wollte, nämlich dass ihm durch solche nationalen Aktivitäten zusätzliche Informationen - abgesehen von dem
Bericht, den die Bundesregierung noch zu liefern hat zur Verfügung gestellt werden.
Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte sehr.
Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass Sie den Bericht, den die Bundesregierung dem Parlament bis zum
22. Februar vorlegen will, auch Herrn Marty zur Verfügung stellen, oder wird dieser Bericht wiederum in den
geheim tagenden Gremien vorgelegt, aus denen nichts
nach außen dringt?
Ich muss Sie in einem Punkt korrigieren: Der Bericht
ist bis zum 21. Februar vorzulegen.
({0})
Die Bundesregierung wird diesen Bericht nach gründlicher Vorbereitung pünktlich vorlegen. Alles Weitere,
was mit diesem Bericht passiert, hat Herr Marty zu entscheiden. Er hat vor, die Berichte aus allen angeschriebenen Nationen in seinen Abschlussbericht einfließen zu
lassen. Auf diese Weise werden sicherlich auch sehr
viele Informationen an die Öffentlichkeit dringen.
Dann kommen wir jetzt zur Beantwortung der
Frage 28:
Welche Informationen hat die Bundesregierung bisher für
die Aufklärungsarbeit zur Verfügung gestellt?
Frau Kollegin Pau, die Bundesregierung wird die offizielle Anfrage - wir kommen damit auf das zurück, was
wir eben schon besprochen haben - des Generalsekretärs
des Europarats, Terry Davis, nach Art. 52 der Europäischen Menschenrechtskonvention im Rahmen der gesetzten Frist - sie endet am 21. Februar - umfassend beantworten. Die Antworten der Regierungen sollen in den
Abschlussbericht des Berichterstatters der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Dick Marty, einfließen.
Darüber hinaus stellte Dick Marty den Mitgliedern
der Parlamentarischen Versammlung des Europarats mit
Datum vom 19. Dezember 2005 eine Liste mit Fragen zu
und regte an, dass die Mitglieder die Fragen zur Beantwortung an ihre jeweiligen Regierungen weiterleiten.
Auch darüber haben wir eben schon gesprochen.
Viele dieser Fragen finden sich in den Kleinen Anfragen sowie in schriftlichen und mündlichen Fragen an die
Bundesregierung wieder. Die Bundesregierung hat diese
Fragen durchweg beantwortet und damit auch zur Aufklärung beigetragen. Die Bundesregierung hat sich im
Übrigen - das wird Sie vielleicht interessieren - in den
zuständigen Gremien dafür eingesetzt, dass die von Dick
Marty an Eurocontrol und an das EU-Satellitenzentrum
gerichteten Fragen beantwortet werden.
Frau Pau, Ihre Nachfrage, bitte.
Wir haben im Zusammenhang mit meiner ersten
Frage schon erörtert, dass Herr Marty die Parlamentarier
in den nationalen Parlamenten aufgefordert hat, Fragen
an ihre jeweilige Regierung zu stellen. Wie Sie wissen,
werden aber zwei Drittel unserer Fragen zu diesem Themenkomplex von der Bundesregierung unter Verweis
auf die Notwendigkeit der Geheimhaltung oder auf andere Interessen nicht beantwortet.
Gibt es irgendeine Möglichkeit für Herrn Marty, trotz
alledem an die Antworten zu kommen, die uns im Parlament nicht gegeben wurden?
Frau Kollegin, Ihnen ist sicherlich aufgefallen, dass
das Parlamentarische Kontrollgremium nach gemeinsamen Beschlüssen - im Gegensatz zur früheren Praxis Staatsminister Gernot Erler
die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Beratungen
mehrfach unterrichtet hat. Diese Unterrichtungen stehen
natürlich auch Herrn Marty - darin bin ich ganz sicher zur Verfügung.
Frau Pau, Sie haben keine weitere Nachfrage. - Der
Kollege Gehrcke hat eine Nachfrage.
Herr Staatsminister, ich will mich nur noch einmal
vergewissern, ob ich das richtig verstanden habe. Sie
werden bis zum 21. Februar den von Herrn Marty angeforderten Bericht vorlegen und die Fragen beantworten.
Dann steht es Herrn Marty frei, in seinem Bericht das,
was Sie geantwortet haben, öffentlich zu machen. Das
heißt doch, dass das, was im Plenum des Deutschen
Bundestages nicht öffentlich gemacht werden konnte,
über den Bericht von Herrn Marty öffentlich wird. Können Sie mir das erklären?
Herr Kollege Gehrcke, ich kann Ihnen nur erklären,
wie genau das vom Europarat vorgesehene Verfahren ist.
Herr Davis als Generalsekretär des Europarates bekommt von den angeschriebenen Ländern - ich hoffe:
von allen - rechtzeitig zum 21. Februar die Berichte.
Ihm steht dann völlig frei, wie er mit diesen Berichten
verfährt. Vorgesehen ist, dass Herr Marty der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Abschlussbericht vorlegt, der auch diese Berichte nach
Art. 52 berücksichtigen kann. Aber was er von den Berichten einfließen lässt, liegt allein in seiner Verantwortung.
Ich rufe nun die Frage 29 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf:
Ist die Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
beim Empfang des Diplomatischen Korps - laut Meldung des
„Handelsblatts“ vom 1. Februar 2006 -, dass „der Kampf gegen den Terrorismus den Einsatz aller politischer, wirtschaftlicher und, wenn nötig, als Ultima Ratio auch militärischer Mittel verlangt - unter dem Dach, wenn immer möglich, der
Vereinten Nationen“, so zu verstehen, dass ein gültiges Mandat der Vereinten Nationen für die Bundesregierung nicht
mehr unabdingbar für eine Entscheidung über einen Militäreinsatz ist?
Bitte, Herr Erler.
Herr Kollege Gehrcke, die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede vor dem Diplomatischen Korps hervorgehoben,
dass militärische Mittel im Kampf gegen den Terrorismus nur als Ultima Ratio in Betracht kommen. Im Übrigen lässt die Befugnis des UN-Sicherheitsrates, Zwangsmaßnahmen nach Kap. VII zu beschließen, das Recht
zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung
unberührt. Das steht ausdrücklich in Art. 51 der Charta
der Vereinten Nationen.
Sie haben eine Nachfrage? - Herr Kollege Gehrcke,
bitte.
Herr Staatsminister, das Wort „nur“ haben Sie eingefügt. Das Zitat lautet anders. Meine Frage ist: Die Mehrheit der Völkerrechtler sagt, dass eine Militäraktion
- um so etwas handelt es sich ja - ohne ein Mandat der
Vereinten Nationen völkerrechtswidrig ist. Es geht hier
nicht um Verteidigung und ist auch nicht auf Verteidigung beschränkt. Kann ich daraus schlussfolgern, dass
sich die Bundesregierung den Bruch des Völkerrechtes
als Möglichkeit offen hält?
Selbstverständlich richtet sich die Bundesregierung in
all ihren Aktivitäten nach den Regeln des Völkerrechtes.
Aber, Herr Kollege Gehrcke, zur Klärung des Sachverhaltes: Ich möchte Sie an die Situation nach dem
11. September 2001 erinnern. Es waren nicht staatliche
Akteure, die die schrecklichen Terroranschläge in Washington und New York durchgeführt haben. Einen Tag
danach hat der UN-Sicherheitsrat darüber beraten und
festgestellt - das hat den Charakter der Setzung einer
völkerrechtlichen Norm -, dass solche Angriffe von
nicht staatlichen Akteuren mit einem klassischen Angriff
von einem Land auf ein anderes gleichgesetzt werden
müssen, was damit ein Selbstverteidigungsrecht der Vereinigten Staaten auslöst. In späteren Resolutionen hat
der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dies bestätigt,
und zwar auch im Zusammenhang mit der Wahrnehmung dieses Rechts, was im Afghanistankrieg der Fall
war.
Die von Ihnen unterstellte Trennung zwischen den
Herausforderungen des Terrorismus und den Angriffen
von einem Land auf ein anderes gibt es seit dem
11. September 2001 also nicht mehr. Im Gegenteil:
Durch die Vereinten Nationen ist ausdrücklich festgestellt worden, dass ein Terrorangriff genauso das Recht
auf Selbstverteidigung auslösen kann.
Haben Sie noch eine Nachfrage?
Selbstverständlich.
Bitte schön, Herr Gehrcke.
Herr Staatsminister, ich frage noch einmal gezielt
nach: Selbst in dem Fall, den Sie unterstellen und den
wir immer kritisiert haben, gab es eine Entscheidung des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Frau Merkel hat
formuliert: Militäreinsätze als Ultima Ratio; wenn immer möglich, mit Mandat. - Das heißt aber auch, wenn
es nicht möglich ist, ohne Mandat, ohne Beschluss der
Vereinten Nationen. Das ist die Logik der Aussage von
Frau Merkel. Ist das wirklich der Ernst der Bundesregierung?
({0})
Herr Kollege Gehrcke, damit hat sich Frau Bundeskanzlerin Merkel völlig im Rahmen des Völkerrechts bewegt, weil es - darauf muss ich noch einmal hinweisen nicht nur die Möglichkeit der Mandatierung von Gewaltanwendung durch die Vereinten Nationen gibt, sondern
auch das ganz normale Selbstverteidigungsrecht. Bei einem Angriff von außen gilt dieses Recht, auch ohne dass
es extra einen Beschluss der Vereinten Nationen gibt.
Das steht ausdrücklich in Art. 51 der UN-Charta. Darauf
beziehen sich die Äußerungen der Bundeskanzlerin.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke von der Fraktion Die Linke auf:
Sind diese Aussagen der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel auch im Hinblick auf den Konflikt mit dem Iran zu
verstehen und bedeutet dies, dass die Bundesregierung den
Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio gegen den Iran
erwägt?
Herr Kollege Gehrcke, ich verweise - das erwarten
Sie sicher nicht anders - auf meine Antwort auf Frage 25
des Kollegen Dr. Paech. Die Bundesregierung hat zur
Frage einer militärischen Option zur Lösung der iranischen Nuklearproblematik in jüngster Zeit wiederholt
Stellung genommen. Im Bundestag habe ich das in der
Aktuellen Stunde am 26. Januar 2006 und zuletzt in Beantwortung der Fragen des Kollegen Dr. Paech am
31. Januar 2006 getan.
Die Bundesregierung hält in Bezug auf das iranische
Nuklearprogramm am Ziel einer diplomatischen Lösung
im multilateralen Rahmen fest. Es kommt jetzt darauf
an, die zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel
klug und mit möglichst breiter Unterstützung der internationalen Gemeinschaft anzuwenden. Da hat es in der
letzten Woche ja einige positive Entwicklungen gegeben. An Spekulationen über militärische Optionen beteiligt sich die Bundesregierung nicht.
Zusatzfrage?
Ja. - Herr Staatsminister, ich unterstreiche das Wort
„klug“, das Sie verwendet haben. Halten Sie es für klug,
inmitten eines sehr zugespitzten Konfliktes - Raum und
Zeit spielen ja in der Politik eine beachtliche Rolle eine solche Rede mit einem Wortlaut zu halten, aus dem
andere Staaten entnehmen könnten - ich betone den
Konjunktiv -, dass sie davon betroffen sind? Das bringt
doch immer eine Zuspitzung mit sich. Würden Sie das
unter den Begriff „klug“ fassen wollen?
Herr Kollege Gehrcke, Sie unterstellen, dass ich die
Frage, die Sie eben gestellt haben, mit Ja beantwortet
hätte, nämlich dass sich diese Äußerungen der Bundeskanzlerin vor dem Diplomatischen Korps auf den Irankonflikt beziehen. Das habe ich ausdrücklich nicht getan. Dadurch ist auch Ihre jetzige Nachfrage
gegenstandslos.
Ihre weitere Zusatzfrage.
Darf ich Sie fragen, ob Sie Verständnis dafür hätten,
dass ein Staat eine solche Äußerung, die in Raum und
Zeit steht, auch wenn sie sich nicht auf den Iran bezogen
haben sollte, so hätte verstehen können?
Ich hege eine große Bewunderung für Ihre Sensibilität gegenüber unseren iranischen Verhandlungspartnern.
Ich unterstelle auch, dass die iranischen Kollegen in der
Lage sind, eine solche Rede zu lesen und die Zusammenhänge zu begreifen. Wenn Sie die Rede der Bundeskanzlerin nachvollziehen, so stellen Sie fest, dass daraus
deutlich hervorgeht, dass sich diese Passage nicht auf
den Iran bezog, sondern auf die allgemeine Herausforderung durch terroristische Aktivitäten.
Wir haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Kollege Erler, man kann in Bezug auf den Iran
auch noch eine andere Sensibilität haben. Er ist von einer Reihe von Staaten, die nuklear bewaffnet sind, umgeben und auch von einer Reihe von Staaten, in denen
die USA militärisch stark präsent sind. Seit 2002 zählt
der Iran ebenso wie der Irak zu der „Achse des Bösen“
und wird bedroht. In dieser Situation hat der Iran verschiedentlich einen Gewaltverzicht von den USA gefordert. Großbritannien und Frankreich haben den Gewaltverzicht im August 2005 ausgesprochen. Die USA
weigern sich, dem nachzukommen.
Können Sie verstehen, dass eine wesentliche Bedingung für eine friedliche Lösung sein könnte, dass die
USA einen Gewaltverzicht gegenüber dem Iran aussprechen? Wäre die Bundesregierung bereit und in der Lage,
auf die USA dahin gehend einzuwirken, dass sie gegenüber dem Iran einen Gewaltverzicht aussprechen?
Herr Kollege Dr. Paech, die Position der Europäer
und damit auch Deutschlands ist in dem Vorschlag, der
am 5. August letzten Jahres schriftlich gegenüber der
iranischen Führung vorgelegt worden ist, deutlich sichtbar. Leider hat der Iran das breite Angebot sehr brüsk
ausgeschlagen. Zwei Punkte dieses Angebots stehen in
einem Zusammenhang mit Ihrer Frage:
Erstens. Es wurde eine politische Unterstützung für
den Plan einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten
zugesagt.
Zweitens. Es wurde auch die Bereitschaft bekundet,
mit dem Iran über Sicherheitsfragen weiterzuverhandeln. Das schließt all das, was Sie hier gesagt haben, ein.
Damit ist die Position der Bundesregierung in der richtigen Weise und in erkenntlicher Weise ausgedrückt.
Wie ich sehe, gibt es keine weiteren Zusatzfragen zu
diesem Geschäftsbereich. Herr Staatssekretär, ich darf
mich für die Beantwortung der Fragen bedanken.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage 31 des Abgeordneten
Jerzy Montag und die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann werden schriftlich beantwortet.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Für die Beantwortung der
Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau
Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Lutz
Heilmann, Fraktion Die Linke, auf:
Sind die laut „Lübecker Nachrichten“ vom 29. Januar 2006 in Schleswig-Holstein aufgetretenen Probleme mit
der seit Monaten nicht erfolgenden Auszahlung des Kindergeldes an mindestens 1 500 Familien auch in anderen Bundesländern aufgetreten und welche Maßnahmen plant die
Bundesregierung, damit die Auszahlungsprobleme schnellstmöglich und nicht erst, wie von der Familienkasse in Schleswig-Holstein angekündigt, im Sommer behoben werden?
Herr Kollege Heilmann, die Bundesregierung ist über
die längere Zeit der Bearbeitung von Anträgen auf Kindergeld in verschiedenen Bundesländern informiert und
hat die zuständigen Stellen aufgefordert, die Probleme
schnellstmöglich zu beheben. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit liegt der Grund für die längeren
Bearbeitungszeiten in der Umstrukturierung der Familienkassen, nämlich in der Einrichtung einer „Besonderen Dienststelle Familienkasse“ mit der Direktion in
Nürnberg einerseits und den örtlichen Familienkassen
andererseits unter dem Dach der Bundesagentur für
Arbeit, sowie in der Zusammenlegung verschiedener
Familienkassen einschließlich der Neueinrichtung von
Servicecentern. Die Reduktion der Anzahl von Familienkassen entspricht den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs.
Die Bundesagentur für Arbeit hat mit den örtlichen
Familienkassen ein Maßnahmenpaket erarbeitet, um die
Bearbeitungsrückstände abzubauen und die laufende Bearbeitung sicherzustellen. Insbesondere sind den örtlichen Familienkassen Ermächtigungen zur Beschäftigung
zusätzlicher Arbeitskräfte erteilt worden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Maßnahmen zu
einem deutlichen Abbau der Bearbeitungsrückstände
führen. Zahlreiche Familienkassen konnten diese mittlerweile abbauen und ihre Kindergeldangelegenheiten
erledigen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, inwieweit Sozialhilfeempfänger und ALG-Empfänger davon
betroffen sind?
Herr Kollege Heilmann, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen allerdings sagen, dass sowohl die
Bezieher von Sozialhilfe als auch die Bezieher von
Arbeitslosengeld II einerseits das Kindergeld bekommen, welches dann andererseits auf diese Transferleistungen angerechnet wird. Sofern sie dieses Kindergeld
nicht bekommen, können sie beim Leistungsträger den
Antrag stellen, Zahlungen ungekürzt zu erhalten.
Etwaige Nachzahlungen des Kindergeldes, die ihnen
später zur Verfügung stünden, müssten sie dann an den
Leistungsträger abführen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Diese Problematik ist mir bekannt; sie wurde an mich
herangetragen.
Meinen Sie, dass es der richtige Ansatz ist, die Betroffenen auf den Rechtsweg zu verweisen? Sie müssen
dann Widerspruch einlegen usw. usf. Könnte es nicht
eine kurzfristige Hilfe für die Betroffenen geben? Denn
Sie wissen ganz genau, dass man im Osten im Monat
von 331 Euro und im Westen von 345 Euro leben muss.
Ich denke, es sollte eine unbürokratische Hilfe erfolgen.
Es wäre nicht gut, wenn Rechtsstreitigkeiten vor Sozialgerichten ausgetragen werden müssten.
Ich stimme Ihnen prinzipell zu. Es ist allerdings wirklich so, dass Kindergeld nur dann auf die anderen Leistungen angerechnet werden kann, wenn es denn auch tatsächlich zufließt. Ich werde der Sache nachgehen und
klären, ob das für die Fälle, in denen die Familienkassen
noch nicht in der Lage sind, das Kindergeld rechtzeitig
auszuzahlen, allgemein geregelt werden kann. Ich sagte
Ihnen allerdings schon, dass die Rückstände in den meisten Fällen bereits aufgearbeitet sind.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten HansJosef Fell von der Fraktion der Grünen auf:
Welche Stellen in den Bundesministerien der Finanzen
und für Wirtschaft und Technologie sowie im Bundeskanzleramt werden von Mitarbeitern der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, besetzt?
Herr Kollege Fell, die Bundesregierung beschäftigt
im Bundeskanzleramt, im Bundesministerium der Finanzen und im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie insgesamt sieben Mitarbeiter der Kreditanstalt
für Wiederaufbau. Im Einzelnen sind das zwei Mitarbeiter in der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik im Bundeskanzleramt, zwei Mitarbeiter in
der Abteilung Finanzmärkte im Bundesministerium der
Finanzen sowie im Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie zwei Mitarbeiter in der Abteilung Mittelstandspolitik und ein Mitarbeiter in der Abteilung Außenwirtschaftspolitik.
Ihre Zusatzfrage, Herr Fell.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die detaillierte
Auskunft. - Mich würde zusätzlich noch interessieren,
ob die Aufgaben, die von diesen Mitarbeitern erledigt
werden, auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der
Aufgaben stehen, die die Bundesregierung sieht, um beispielsweise das ERP-Sondervermögen in die Hände der
KfW zu legen.
Nein, Herr Kollege, es geht in diesem Fall nicht darum, sondern darum, dass die Mitarbeiter der KfW sozusagen die andere Seite kennen lernen. Die KfW ist, wie
Sie wissen, die Förderbank des Bundes und wird im
Auftrag der Bundesregierung tätig, im Wesentlichen natürlich im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen
und des Bundesministeriums für Wirtschaft. Sie wickelt
allerdings auch Programme im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit ab. Es
geht eben darum, dass die Mitarbeiter dieser öffentlichen
Förderbank gleichsam die andere Seite kennen lernen.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie können damit also auch definitiv ausschließen, dass hier eine Verquickung von Interessen der KfW-Mitarbeiter in den Ministerien und Belangen der KfW besteht, weil die Mitarbeiter nicht im
Zusammenhang mit diesen Belangen eingesetzt werden?
Ja, Herr Kollege, ich kann ausschließen, dass es zu Interessenkonflikten kommt.
Dann rufe ich die Frage 36 des Kollegen Fell auf:
Geht die Bundesregierung weiterhin wie in ihrer Antwort
in Bundestagsdrucksache 15/3625 auf die Kleine Anfrage der
Fraktion der CDU/CSU „Zukunft des ERP-Sondervermögens“ davon aus, dass eine Kernkapitalerhöhung der KfW
nicht erforderlich ist, um weitere Platzhaltergeschäfte im Rahmen von Privatisierungen, etwa der Deutschen Bahn AG, absichern zu können?
Wie bereits in der Antwort in einer Bundestagsdrucksache aus der letzten Legislaturperiode, der Drucksache 15/3625, erläutert, steht die ERP-Neuordnung in
keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Platzhaltergeschäften des Bundes mit der KfW. Diese Platzhaltergeschäfte sind auch ohne die ERP-Neuordnung möglich.
Es gibt keine Zusatzfragen.
Nun kommen wir zur Frage 37 der Kollegin Britta
Haßelmann:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Alleinverdienerehen durch das Ehegattensplitting und die Steuerprogression gegenüber Doppelverdienern und Alleinerziehenden bereits steuerliche Vorteile genießen, sodass zusätzliche
Abzugsmöglichkeiten für die Betreuung ihrer drei- bis sechsjährigen Kinder eine zusätzliche Bevorzugung darstellen?
Frau Kollegin Haßelmann, das Splittingverfahren ist
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung,
sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1
Grundgesetz und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
der Ehegatten nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz orientierte
sachgerechte Besteuerung. Dadurch wird den Ehegatten
die freie Entscheidung darüber ermöglicht, ob nur ein
Ehepartner einen möglichst hohen Beitrag zum Familieneinkommen erwirtschaften will, während der andere
Partner den Haushalt führt, oder ob beide Partner sowohl
im Haushalt als auch im Beruf tätig sein wollen, ohne
eine ertragsteuerliche Schlechterstellung befürchten zu
müssen. Das Ehegattensplitting kommt unabhängig davon zur Anwendung, ob die Ehegatten Kinder haben
oder nicht, während die geplanten Abzugsmöglichkeiten
nur Ehegatten mit Kindern entlasten sollen, deren Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Ehegatten ohne Kinder
geringer ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Ja, gern, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin,
vielen Dank für die Ausführungen zum Ehegattensplitting. Das ist ja ein sehr komplizierter Sachverhalt.
Meine Frage richtete sich aber eher darauf, inwieweit
durch das neue Absetzbarkeitsmodell, das jetzt in der
Diskussion ist, Alleinverdienerehen/-familien durch bestehende steuerliche Möglichkeiten wie das Ehegattensplitting und die neuen Maßnahmen besser gestellt werden als Doppelverdienerinnen und Doppelverdiener. Mir
ist durchaus geläufig, wie das Modell Ehegattensplitting
wirkt, auch in Bezug auf die unterschiedlichen Steuerklassen. Ich bitte Sie, auf meine Nachfrage einzugehen.
Da es hier um die steuerliche Förderung der Betreuung von Kindern bzw. die steuerliche Entlastung der Betreuungskosten geht, spielt das Ehegattensplitting keine
große Rolle; denn das Ehegattensplitting wird, wie ich
Ihnen gerade schon sagte, unabhängig davon gezahlt, ob
die Ehepartner Kinder haben oder nicht.
Das Gesetz, das in der nächsten Woche in diesem
Hause eingebracht und in erster Lesung beraten wird,
sieht für Eltern, die beide berufstätig sind, weitaus umfangreichere Fördermöglichkeiten vor. Zwei Drittel der
anfallenden Betreuungskosten für Kinder vom ersten bis
zum 14. Lebensjahr sind bis zu einem Höchstbetrag von
4 000 Euro steuerlich abzugsfähig. Ebendiese Förderung
wird für Alleinverdienerehepaare, bei denen davon auszugehen ist, dass einer der beiden Elternteile zu Hause
bleibt, lediglich für Kinder von drei bis sechs Jahren vorgesehen. Die Förderung erfolgt vor dem Hintergrund der
erfahrbaren Lebenswirklichkeit, dass auch in solchen familiären Konstellationen, in denen sich einer der beiden
Ehepartner dafür entschieden hat, für eine gewisse Zeit
auf Berufstätigkeit zu verzichten, gleichwohl Wert darauf gelegt wird, dass den Kindern im Alter von drei bis
sechs Jahren eine frühkindliche außerschulische Betreuung und Bildung zuteil wird, die möglicherweise sonst
zu Hause nicht in der Weise erfolgen könnte, zumal
wenn nur sehr kleine Geschwisterkinder da sind, mit denen ein Bildungsaustausch noch nicht möglich ist.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, Frau Präsidentin, habe ich. Das haben Sie sich sicherlich auch schon gedacht, Frau Hendricks. Denn es
gibt ja viel Nebel. Die Pressesprecherin des Familienministeriums hat bereits öffentlich bestätigt, dass es zur
Besserstellung bzw. Bevorzugung von Alleinverdienerehen kommt. Von daher irritiert mich doch, dass jetzt
keine präzise Antwort bezüglich der Aussagen von Finanzministerium und Familienministerium möglich ist.
Deshalb eine zweite Nachfrage - vielleicht führt diese zu
einer Antwort -: Wie verteilen sich die 460 Millionen
Euro, die demnächst im Rahmen dieses Gesetzes beschlossen werden, auf die Alleinverdienerehen und die
Doppelverdienerehen?
Frau Kollegin Haßelmann, zunächst muss ich Ihnen
widersprechen. Es gibt durchaus keinen Dissens zwischen dem Bundesministerium für Familie und dem
Bundesministerium für Finanzen. Ihre Frage, die ich Ihnen gerade beantwortet habe, richtete sich darauf, ob Alleinverdienerehepaare im Verhältnis zu Doppelverdienerehepaaren bevorzugt werden. Ich habe Ihnen
erläutert, dass dies nicht zutrifft; denn bei den Paaren,
bei denen beide berufstätig sind, können die Betreuungskosten von Geburt des Kindes an bis zum 14. Lebensjahr
gefördert werden, wohingegen dies bei Alleinverdienerehepaaren nur für Kinder im Alter von drei bis sechs
Lebensjahren der Fall ist. Eine Bevorzugung von
Alleinverdienerehepaaren im Verhältnis zu Doppelverdienerehepaaren findet also nicht statt. Allerdings werden die Alleinverdienerehepaare im Verhältnis zu dem,
was die Koalition in der Zwischenzeit angedacht hatte
und was im Gespräch war, besser gestellt. Nur insofern
erfolgt eine Besserstellung; darauf möchte ich hinweisen.
Angaben darüber, wie das Geld auf Alleinverdienerehepaare und Doppelverdienerehepaare bzw. allein erziehende Elternteile, die genauso behandelt werden wie
Eltern, die beide berufstätig sind, aufgeteilt wird, liegen
uns nicht vor.
Wir kommen damit zur Frage 38 der Kollegin Britta
Haßelmann:
Inwieweit geht die Bundesregierung davon aus, mit der
Neuregelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten ihr ursprüngliches Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen in Privathaushalten erreichen zu können?
Die verbesserte Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten stärkt den privaten Haushalt und die Familie als
Arbeitgeber. Die Anstellung von Kinderfrauen und die
Beauftragung selbstständiger Tagesmütter werden steuerlich attraktiv. Es wird ein Anreiz gegeben, bestehende
Betreuungsdienstleistungen, die bisher „schwarz“ erfolgten, zu legalisieren.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, mich würde Folgendes interessieren: Gibt es Planungen in Ihrem Haus oder im Kabinett insgesamt, dem einen Drittel der Familien, das von
dieser steuerlichen Möglichkeit keinen Gebrauch machen kann, weil es keiner Steuerpflicht unterliegt, kinder- oder familienpolitische Maßnahmen in anderer
Form als positive Unterstützung zukommen zu lassen?
Frau Kollegin Haßelmann, es ist Ihnen sicher bekannt, dass die existierenden Kinderbetreuungseinrichtungen, die von kommunalen oder freigemeinnützigen
Trägern wie den Kirchen unterhalten werden, auf der
Basis bestehender Kindergartengesetze der Länder im
Regelfall nach Einkommen gestaffelt Beiträge erheben.
Insofern sind die Menschen mit Transfereinkommen
oder ohne eigenes Einkommen meistens von den Kosten
sogar vollständig befreit. Die Menschen mit geringerem
Einkommen zahlen entsprechend geringere Beiträge.
Auf diese Weise besteht schon eine Förderung.
Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen - auch
das sagt uns die Lebenswirklichkeit -, dass Menschen
mit geringerem Einkommen oder Menschen, die von
Transfereinkommen leben, nicht in der Lage sein werden, Beschäftigungsverhältnisse in ihrem Haushalt zu
begründen. Dies liegt aber nicht an der mangelnden steuerlichen Förderung, sondern an der mangelnden Leistungsfähigkeit dieses Personenkreises.
Eine zweite Zusatzfrage?
Ja, sehr gerne. - Frau Staatssekretärin, dieses Modell
wird in erster Linie nicht als familienpolitisches Modell,
sondern als Beschäftigungs-/Wachstumsprojekt dargestellt. Ich frage Sie: Wie kann innerhalb des neuen Modells, das zu mehr Beschäftigung führen soll, die Qualität der Kinderbetreuung, insbesondere nach PISA ein
großes Thema, sichergestellt werden? Gibt es vonseiten
der Bundesregierung geplante Maßnahmen, die auf Länder- und kommunaler Ebene greifen sollen?
Frau Kollegin Haßelmann, zunächst möchte ich sagen, dass die Bundesregierung mit diesen Maßnahmen
beide Zielrichtungen verfolgt. Die Koalitionsfraktionen
sehen das genauso. Dabei ist aber nicht auszuschließen,
dass je nach Fachgebiet die einzelnen Kolleginnen und
Kollegen mehr den einen oder mehr den anderen
Schwerpunkt setzen. Aber es werden beide Zielrichtungen verfolgt: Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie
Schaffung von Arbeitsplätzen. Was man aus persönlichem Interesse stärker in den Vordergrund rückt, mag
dahingestellt sein.
Wie ich schon eben ausführte, wird es zusätzliche Arbeitsplätze in privaten Haushalten nicht in sehr großem
Umfang geben können. Damit dies der Fall wäre, müssten mehr Menschen ein entsprechend hohes Einkommen
haben. Die steuerlichen Förderungen alleine reichen dafür nicht aus.
In den bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen
der Bundesrepublik Deutschland gibt es zurzeit rund
400 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Es
ist natürlich wichtig und sinnvoll, diese Arbeitsplätze zu
sichern. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung neigen manche Kommunen oder freigemeinnützige Träger dazu - das wissen Sie alle -, bestehende
Kindergartengruppen zu schließen. Aufgrund der neuen
Förderung ist es nun möglich, auch jüngere Kinder aufzunehmen. In den Einrichtungen werden bestehende Arbeitsplätze also zumindest gesichert; vielleicht kann die
Anzahl der bestehenden Gruppen sogar erhöht werden.
Die Qualitätsoffensive ist eine Frage des Kinder- und
Jugendrechtes. Sie wissen, dass das Jugendschutzgesetz
ein Bundesrecht ist und als allgemeine Rahmengesetzgebung dient. Die Ausführung allerdings liegt bei den Ländern und Kommunen. Ich bin sicher, dass die Länder, die
im Rahmen unserer föderalen Ordnung einen großen
Wert auf ihre Zuständigkeit für die Bildung legen, in Zusammenarbeit mit den ihnen zugeordneten Kommunen
die bestehenden Kindergärten und anderen Tagesbetreuungseinrichtungen auch unter Qualitätsgesichtspunkten
weiter ausbauen werden.
Ich stimme mit Ihnen überein, dass in den vergangenen Jahren die frühkindliche Erziehung gegenüber dem
Ziel des Ausbaus der Betreuung vielleicht etwas ins Hintertreffen geraten ist.
Die Frage 39 der Kollegin Ekin Deligöz wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 40 des Kollegen Dr. Reinhard
Loske:
Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Biodiesel mit
10 Cent pro Liter und reine Pflanzenöle ohne Anteil von Mineralölen mit 15 Cent über die Mineralölsteuer besteuert werden sollten?
Herr Kollege Loske, nach dem Biokraftstoffbericht
für das Jahr 2004, der im Juni 2005 dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurde, war Biodiesel im Jahr 2004 in
Höhe von 5 Cent je Liter Reinkraftstoff und 10 Cent je
Liter Beimischung überfördert. Auf die Überprüfung einer Überförderung von Pflanzenöl wurde aufgrund der
seinerzeit noch geringen Markteinführung verzichtet.
Als Folge dieser Feststellungen soll der Einstieg in
die Besteuerung der Biokraftstoffe vollzogen werden.
Der sich in der Abstimmung befindliche Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zum Energiesteuergesetz sieht Steuersätze in Höhe von 10 Cent je
Liter reinen Kraftstoffs und 15 Cent je Liter Beimischung vor. Diese Steuersätze berücksichtigen neben der
im Biokraftstoffbericht dargelegten Überförderung auch
die seit dem 1. Januar 2005 gestiegenen Preise für fossilen Kraftstoff, welche zu einem entsprechenden Anstieg
der Überkompensation geführt haben.
Aus Sicht des BMF soll Pflanzenöl ebenfalls besteuert werden, da hier seit dem 1. Januar 2005 ein starker
Marktzuwachs zu beobachten ist und eine Ungleichbehandlung und ungewollte Verschiebungen auf dem
Kraftstoffmarkt vermieden werden müssen. Unter Berücksichtigung der Marktpreisentwicklung, der Kosten
für den technischen Mehraufwand und des geringeren
Energiegehaltes schlägt das Bundesministerium der
Finanzen eine Besteuerung von 15 Cent je Liter Pflanzenöl vor, um eine Überkompensation zu vermeiden.
Die Ergebnisse der Ressortabstimmung insbesondere zur
Höhe der Steuersätze der einzelnen biogenen Kraftstoffe
bleiben abzuwarten.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Hendricks,
Sie sagten, der Entwurf befinde sich noch in der Ressortabstimmung. Nun hat Staatssekretär Peter Paziorek aus
dem Landwirtschaftsministerium sich dahin gehend geDr. Reinhard Loske
äußert, dass das, was hier geplant sei, im Ergebnis dazu
führe, dass die Branche einen schweren Rückschlag erleiden werde. Mich würde einmal interessieren, inwieweit diese Position die Positionsfindung in Ihrem Hause
beeinflusst.
Herr Kollege, diese Position ist zwar geäußert worden; da will ich Ihnen nicht widersprechen. Aber ich
hatte eben von der Überförderung gesprochen. Sie müssen sehen: Bevor der fossile Kraftstoff teurer wurde, war
er an den Tankstellen auch immer 10 Cent teurer als der
Biodiesel. Seltsamerweise ist er immer noch 10 Cent
teurer als der Biodiesel. Das heißt mit anderen Worten:
Die Preisgestaltung bei den biogenen Kraftstoffen wurde
nicht an deren Gestehungskosten orientiert, sondern an
dem Abstand des an den Tankstellen zu erzielenden Preises. Das, was dort geschieht, nennt man im Regelfall einen Windfall-Profit; um den englischen Ausdruck zu benutzen. Sie profitieren also von den steigenden Preisen
in einem anderen Marktsegment, was mit den Herstellungskosten der biogenen Kraftstoffe nichts zu tun hat.
Ich bin sehr sicher - ich bin auch sicher, dass ich den
Kollegen Paziorek aus dem Landwirtschaftsministerium
noch überzeugen kann -, dass auch nach einer Festlegung eines Steuersatzes von 10 bzw. 15 Cent, wie ich ihn
angesprochen habe, der Preisabstand weiter bei 10 Cent
an der Tankstelle liegen wird und dass die Differenz
dann nicht mehr als Sondergewinn an die Hersteller der
biogenen Kraftstoffe fließt, sondern wegen des auch EUrechtlich gebotenen Abbaus von Überförderungen der
öffentlichen Hand zugute kommt.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich schätze Ihren Optimismus in Bezug auf die Annahme, dass Sie den Kollegen Paziorek noch überzeugen
können. Unabhängig davon möchte ich präzise nachfragen, ob die von Ihnen vorgeschlagenen Sätze, 10 Cent
im einen Fall und 15 Cent im anderen Fall, nach Ihrer
Meinung exakt dem so genannten Mitnahmeeffekt, von
dem Sie gesprochen haben, entsprechen.
Herr Kollege, ich sagte Ihnen eben: Wir haben zum
einen den Mitnahmeeffekt betrachtet. Aber wir haben
natürlich zum anderen die Herstellungskosten des biogenen Kraftstoffes berücksichtigt und haben auch dessen
geringere Wirksamkeit in Rechnung gestellt. Dies alles
zusammen hat uns zu der Überzeugung gebracht, dass
wir die geringfügige Besteuerung in der Größenordnung
von 10 bzw. 15 Cent wirklich verantwortungsbewusst
vorschlagen können. Es ist also in Rechnung gestellt,
dass der Verbrauch beim biogenen Diesel etwas höher ist
als beim fossilen Diesel. Das alles haben wir berücksichtigt, sodass sich keine Schlechterstellung der Verbraucher ergeben wird.
Aber ich sage ganz deutlich: Die Extragewinne, die in
den letzten Jahren in die Taschen der Produzenten von
Biokraftstoffen geflossen sind, werden wir auch unter
dem Gesichtspunkt, dass wir EU-rechtlich dazu verpflichtet sind - denn Überförderungen müssen wir abbauen -, in die Haushalte der öffentlichen Hand umleiten. Dass man, wenn man sich über Jahre an richtig gute
Gewinne gewöhnt hat, diese nicht so gerne abgibt und
man dann natürlich auch Menschen trifft, die sich unter
dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes dafür vereinnahmen lassen, die wirtschaftlichen Interessen der Produzenten zu vertreten, verwundert allerdings nicht.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fell.
Frau Staatssekretärin, Sie haben den Sachverhalt, der
in Bezug auf den Biodiesel von Ihnen korrekt wiedergegeben wurde, nämlich den 10-Cent-Abstand zum Marktpreis, als Begründung für eine höhere Besteuerung aller
Biokraftstoffe herangezogen. Ich halte das nicht für korrekt und möchte Sie deswegen fragen, ob dies in die
Überlegungen der Bundesregierung eingeflossen ist.
Beispielsweise weist bei reinen Pflanzenölen der Preis
nicht diesen 10-Cent-Abstand zum Marktpreis von Diesel auf; sie werden aber plötzlich mit 15 Cent pro Liter
höher besteuert, und dies angesichts der Tatsache, dass
bei der Nutzung von reinen Pflanzenölen höhere Kosten
für die Umrüstung der Motoren hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für Pflanzenöl anfallen. Ist auch dieses in die
Überlegungen der Bundesregierung eingeflossen?
Herr Kollege, ich sagte es schon eben: Auch bei
Pflanzenölen haben wir natürlich die Herstellungskosten, nämlich die Kosten dafür, dass sie so aufbereitet
werden, dass man sie als Kraftstoff nutzen kann, und
auch die geringere Energieleistung beachtet. Ich gehe allerdings davon aus - Genaueres müsste ich Ihnen
nachtragen -, dass wir erhöhte Umrüstungskosten bei
PKWs und LKWs nicht in die Berechnung mit einbezogen haben; vielmehr haben wir den Kraftstoff als solchen betrachtet.
Wir kommen zur Frage 41 des Kollegen Dr. Loske:
Wie bewertet die Bundesregierung die Besteuerung von
Biodiesel und Pflanzenölen in Hinsicht auf die Planungssicherheit derjenigen Kraftstoffhersteller und Fahrzeughalter,
die im Vertrauen auf die gesetzlich verankerte Steuerbefreiung bis zum Jahr 2009 in neue Techniken investiert haben?
Herr Kollege Loske, § 2 a des Mineralölsteuergesetzes sieht eine Steuerbegünstigung bis zum 31. Dezember
2009 vor, wie Sie das auch in Ihrer Frage zum Ausdruck
gebracht haben. Derzeit wird dies noch als vollständige
Steuerbefreiung gewährt. Jedoch ist der Fortbestand
einer Steuerbegünstigung im derzeitigen Umfang durch
die Regelung des § 2 a Abs. 3 des Mineralölsteuergesetzes eingeschränkt, also durch das geltende Recht. Die
Vorschrift verpflichtet die Bundesregierung, eine Anpassung der Steuerbegünstigung auch vor Ablauf des Jahres
2009 vorzuschlagen, sobald eine Überkompensation der
Mehrkosten für die Herstellung von Biokraftstoffen
durch die Steuerbegünstigung festgestellt wird. Steuerpflichtige mussten und müssen daher damit rechnen,
dass die Steuerbegünstigung nicht unverändert bis zum
31. Dezember 2009 als Steuerbefreiung aufrechterhalten bleibt.
Ihre Zusatzfrage.
Ich finde die Antwort nicht überzeugend. Ich erinnere
mich noch sehr gut: Wir haben über dieses Gesetz gemeinsam verhandelt und es beraten. Es hat immer die
Überlegung gegeben, dass die Gefahr besteht, dass das
Ganze von der Kommission als Beihilfe gewertet wird,
und dass man daher vorsichtig an die Sache herangehen
und die Regelung zeitlich befristen muss. So macht man
das ja immer bei - in Anführungszeichen - Subventionen oder steuerlichen Förderungen.
Herr Kollege, Sie haben das Wort zu einer Frage erteilt bekommen.
Ja, ich frage. Danke, Frau Präsidentin, dass Sie mich
daran erinnert haben. Was ich bis jetzt gesagt habe, war
der Vorspann zu meiner Frage.
({0})
- Warten Sie ab.
Die Frage lautet nun wie folgt und hat etwas mit Investitionssicherheit und stabilen Rahmenbedingungen zu
tun. Es sind im Vertrauen auf diese Regelungen Investitionen sowohl auf der Erzeugerseite als auch auf der
Nutzerseite getätigt worden, also sowohl im Anlagenbau
als auch beispielsweise bei Fahrzeugen. Glauben Sie
nicht, dass man mit der vorgesehenen Regelung denjenigen, die im Vertrauen auf die bestehende Regelung entsprechende Investitionen getätigt haben, im Grunde genommen schweren Schaden zufügt?
Herr Kollege Loske, die Autofahrer, die biogenen
Kraftstoff tanken, sind daran interessiert, dass sein Preis
immer etwa den gleichen Abstand zum Preis von fossilen Kraftstoffen hat; so ist es ja jetzt auch. Biogene
Kraftstoffe sollen also billiger sein. Ich habe schon eben
in der Antwort auf Ihre erste Frage ausgeführt, dass ich
fest davon überzeugt bin, dass wir mit der vorgesehenen
Regelung den Windfall-Profit abschöpfen und dass es
auch in Zukunft bei der Preisbildung einen solchen Abstand geben wird. Daran haben auch die Hersteller von
biogenen Kraftstoffen ein großes Interesse, weil sie
sonst in der Tat aus dem Markt gedrängt würden. Wir
wissen ja, dass bei biogenen Kraftstoffen die energetische Leistung - allerdings in unterschiedlichem Umfang - niedriger sein kann; also müssen die biogenen
Kraftstoffe günstiger sein; das ist nicht zu bestreiten. Sie
waren es aber auch schon, bevor die fossilen Kraftstoffe
die jetzigen Preishöhen erreichten. Diesen Abstand werden wir auch in Zukunft sicherlich wieder erreichen.
Die Herstellungskosten von biogenen Kraftstoffen
sind nicht gestiegen. Diejenigen, die zum Beispiel im
Jahr 2003 oder 2004 Anlagen für die Herstellung von
biogenen Kraftstoffen errichtet haben, mussten dies
rechnerisch auf der Basis der damals geltenden Preise
für fossile Kraftstoffe tun. Das heißt, schon damals
musste sich die Errichtung einer solchen Anlage rechnen. Wenn wir jetzt die Windfall-Profits abschaffen,
rechnen wir wieder auf der Basis der Daten aus den Jahren 2002 oder 2003.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Ja, ich habe noch eine Zusatzfrage.
Bitte.
Abgesehen davon, dass ich die Antwort nicht ganz
befriedigend fand, möchte ich fragen: Wie kann es sein,
dass sozusagen alle Experten in diesem Bereich sagen
- ich weiß natürlich, dass man dem Lobbyistengeschrei
nie zum Opfer fallen sollte -, dass gerade einmal ein
sanfter Take-off entstanden ist, der jetzt zumindest bei
reinen Pflanzenkraftstoffen zu kollabieren droht? Bei Ihnen klingt es so, als würde sich nichts ändern. Das ist
aber nicht zutreffend.
Ich werde jetzt die Frage formulieren: Halten Sie die
Argumente derer, die jenseits von gewohntem Lobbyistengeschrei darauf hinweisen, dass ein sich zart entwickelndes Pflänzchen im Keim erstickt wird, für unplausibel auf der ganzen Breite?
Ich will noch einmal sagen, dass wir natürlich auch
die Herstellungskosten des Kraftstoffes auf der Basis reinen Pflanzenöls betrachtet haben. Er war in der Tat in
dem Bericht, von dem ich gerade sprach und der sich auf
das Jahr 2004 bezog und die Überförderung von Biodiesel darstellte, nicht enthalten. Das, was Sie als zartes
Pflänzchen bezeichnet haben, hat in der Tat im Jahr 2005
einen nicht unbedeutenden Marktanteil - zumindest war
er größer als 2004; denn sonst hätten wir das schon in
unsere Berichterstattung für 2004 einbezogen - gewonnen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diejenigen,
die im vergangenen Jahr in solche Anlagen investiert haben, fälschlicherweise davon ausgegangen sind, dass die
Steuerbegünstigung bis zum Jahr 2009 in Form einer
Steuerbefreiung gewährt würde. Aber das war, wie ich
Ihnen bereits unter Hinweis auf § 2 a Abs. 3 des geltenden Mineralölsteuergesetzes gesagt habe, so nicht versprochen.
Bezogen auf die energetische Wirkung und die Herstellungskosten ist es nach unserer Auffassung durchaus
möglich, auch reines Pflanzenöl mit 15 Cent pro Liter
Steuer zu belegen. Ich weiß, dass es nicht nur bei den
Herstellern, sondern auch über die Fraktionsgrenzen in
diesem Haus hinweg Widerstand gegen die Besteuerung
gibt. Das werden wir sicherlich noch erörtern müssen,
ich bitte aber zu bedenken: Es ist logisch, dass es sofort
Ausweichbewegungen hin zum reinen Pflanzenöl gäbe,
wenn man die Steuerbefreiung für einen Teil der biogenen Kraftstoffe, für den Biodiesel, aufheben würde, aber
nicht für das reine Pflanzenöl. Auch die Hersteller von
Biodiesel würden sich sofort darüber beschweren, dass
ihre Anlagen kaputtgehen, während die Anlagen für die
Gewinnung von Pflanzenöl gut laufen. Auch diese Auswirkungen müssen Sie ökonomisch betrachten.
Es gibt noch eine Zusatzfrage des Kollegen Fell.
Frau Staatssekretärin, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie
den Grundsatz der Bundesregierung betont haben, dass
sich Biokraftstoffe im Markt nur dann behaupten können, wenn sie steuerlich bevorteilt sind, weil sie nur
dann wettbewerbsfähig sind. Wie verträgt sich jedoch
dieser von Ihnen artikulierte Grundsatz mit der Tatsache,
dass in der Begründung des Gesetzentwurfs des Finanzministeriums steht, dass mit Beginn des Jahres 2007 die
Steuerbefreiung der Biokraftstoffe vollständig beendet
werden soll? Hierdurch ist meiner Ansicht nach die Geltung des von Ihnen genannten Grundsatzes nicht mehr
gewährleistet.
Ich hatte, Herr Kollege Fell, gesagt, dass der Preisabstand nötig war, damit biogene Kraftstoffe auf dem
Markt Fuß fassen konnten. Ferner müssen sie günstiger
sein, weil sie einen geringeren energetischen Wert haben. Wenn der energetische Wert gleich ist, ist die Vorteilsgewährung auf Dauer nicht nötig.
Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir ab dem
Jahre 2007 eine Quotenregelung zur Beimischung von
biogenen Kraftstoffen in fossile Kraftstoffe vorschlagen
werden. Dann werden die biogenen Kraftstoffe im Rahmen dieser Kraftstoffe vollständig besteuert. Diese vollständige Besteuerung ist dann aber für die Hersteller von
biogenen Kraftstoffen völlig irrelevant, weil die Beimischung einen Marktzugang garantiert.
Wir sind damit zeitlich am Ende der heutigen Fragestunde. Die noch vorliegenden Fragen 42 bis 45 werden
nach unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. Februar 2006,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.