Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/8/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Agrarpolitischer Bericht 2006 der Bundesregierung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns heute in der Kabinettssitzung mit dem Agrarbericht 2006 befasst, der allerdings das Wirtschaftsjahr 2004/05 betrifft. Ich habe dem Kabinett vorgetragen, dass wir als Landwirtschaftsministerium eine ganze Reihe von Berichten zu erstatten haben: Waldzustandsbericht, Tierschutzbericht, Agrarbericht, Verbraucherpolitischer Bericht und Fischwirtschaftsbericht. Ich möchte dem Parlament daher zur Unterstützung der Entbürokratisierung in absehbarer Zeit einen Vorschlag machen, inwieweit diese Berichte zusammengefasst und in sinnvollen periodischen Abständen erstattet werden können. Die Lage im Bereich der Landwirtschaft ist gut. Bei den Gewinnen der landwirtschaftlichen Betriebe im Wirtschaftsjahr 2004/05 ist gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 23,9 Prozent zu verzeichnen. Dafür war in der Hauptsache die weltweite Entwicklung der Preise maßgeblich. Wenn man die Einkommens- und Gewinnentwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe allerdings auf das Wirtschaftsjahr 2005/06 überträgt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder ein Minus zu erwarten sein. - Wir hatten in diesem Wirtschaftsjahr eine leichte Abnahme der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe um etwa 3 Prozent. Das ist keine Besonderheit; das ist über viele Jahre der Mittelwert in der Bundesrepublik Deutschland. Insgesamt haben wir in Deutschland zurzeit etwa 366 000 landwirtschaftliche Betriebe mit einer durchschnittlichen Größe von 46 Hektar. In den neuen Bundesländern liegt der Durchschnitt deutlich höher: bei über 200 Hektar. Die Stimmung in der Landwirtschaft ist ebenfalls gut. Das konnte man auf der Grünen Woche geradezu spüren. Ich möchte als Beleg dafür das Konjunkturbarometer des Deutschen Bauernverbandes anführen. Dieses Konjunkturbarometer, das die Investitionsbereitschaft in der Landwirtschaft zum Ausdruck bringt, ist im letzten Quartal 2005 von 67 Punkten auf 88 Punkte gestiegen. Die Gesamtlage stellt eine gute Basis dar, die der Landwirtschaft für die auch in diesem Bereich notwendigen Erneuerungen und Reformen Rückenwind gibt. Hier denke ich insbesondere an die Reform des agrarsozialen Sicherungssystems und daran, dass auch der Agrarhaushalt seinen Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushalts zu erbringen hat. In der Kabinettssitzung haben wir noch einen Punkt konkret angesprochen: die Saisonarbeitskräfte. Diese spielen in der Debatte eine sehr große Rolle, insbesondere was die Bereiche angeht, in denen bereits im April/ Mai des Jahres die Ernte ansteht; das gilt zum Beispiel für den Spargelanbau. Dabei sind zwei Sachverhalte zu unterscheiden, die wir im Zusammenhang mit dem Agrarbericht beschlossen haben: Erstens geht es um die Frage, wie wir mit der so genannten Inländerquote der Eckpunkteregelung umgehen, der zufolge in jedem Falle 10 Prozent der Stellen durch inländische Arbeitskräfte zu besetzen sind, wenn sich Betriebe im Verhältnis zwei zu fünf oder zwei zu sechs erweitern. Hier haben wir völlig einvernehmlich folgende Regelung getroffen: Wenn plausibel dargelegt werden kann, dass aufgrund von Zukauf oder aufgrund personalintensiver Sonderkulturen ein zusätzlicher Bedarf besteht, kann dieser Umstand von der Bundesagentur nach dem Verteilerschlüssel 80:10:10 berücksichtigt werden. Ich denke, hiermit haben wir im Interesse der Betriebe, die für die Ernte im Jahre 2006 im Vergleich zu 2005 strukturelle Veränderungen durchführen, eine sehr praxistaugliche und lebensnahe Regelung getroffen. Redetext Diese strukturellen Veränderungen werden also berücksichtigt. Der zweite Punkt betrifft die Frage, wie wir es mit der Erfüllung der Inländerquote von 10 Prozent, also mit der Regelung, dass 10 Prozent der Stellen in jedem Falle durch Arbeitslose aus Deutschland zu besetzen sind, halten. Dazu haben wir folgenden Beschluss in den Agrarbericht aufgenommen: Um den landwirtschaftlichen Betrieben in ausreichender Zahl Saisonarbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, wird die Umsetzung der neuen Eckpunkte durch ein Maßnahmenpaket der Bundesagentur für Arbeit zur Intensivierung der Vermittlung inländischer Arbeitssuchender flankiert. Die ausreichende Vermittlung inländischer Arbeitskräfte soll nach einer Vereinbarung mit den Sozialpartnern durch ein begleitendes Monitoring überprüft und unterstützt werden. Für die Ernte im April soll das Monitoring Anfang März durchgeführt werden, um feststellen zu können, ob ausreichende inländische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Härtefalllösungen kommen in solchen Einzelfällen in Betracht, in denen trotz nachdrücklicher, seriöser Anstrengungen aller Seiten eine 10-prozentige Inländerquote nicht erreichbar ist. Ich denke, das ist ein guter Weg, um angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen auf der einen Seite mit großem Nachdruck zu versuchen, möglichst viele Menschen in Arbeit, auch in Saisonarbeit, zu bringen, und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass in den Bereichen, in denen das trotz größter Anstrengungen aller Beteiligten nicht bzw. nicht hinreichend gelingt, im Einzelfall eine Härtefallregelung greift, die der Bundesagentur die Möglichkeit eröffnet, sicherzustellen, dass die Bauern ihre Ernte einbringen können. Ich glaube, für die Landwirte ist es eine wichtige Botschaft, dass wir heute im Kabinett eine Regelung getroffen haben, die das Interesse der Landwirte, ihre Ernte zuverlässig und ohne Schäden einbringen zu können, genauso berücksichtigt wie die Erfüllung der Inländerquote von 10 Prozent durch hier lebende Arbeitslose.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich gebe das Wort zunächst der Kollegin Christel Happach-Kasan von der FDP-Fraktion.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, zunächst einmal freue ich mich, dass Sie Positives berichten konnten, dass es unseren landwirtschaftlichen Betrieben besser geht. Aber Sie haben auch gesagt, dass Sie befürchten, dass sich diese Situation wieder verschlechtert. Herr Minister, vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob der Eigenverbrauch von Biodiesel für die Landwirte im nächsten Jahr weiterhin steuerfrei sein wird. Wenn nicht: In welcher Höhe plant die Bundesregierung Biodiesel und Bioethanol zu besteuern, zum einen beim Einzelverkauf, zum anderen als Beimengung zu Mineralölkraftstoffen?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Sie wissen, dass die Zuständigkeit für die Steuerpolitik beim Bundesfinanzminister liegt. Wir haben vereinbart, dass wir, wie es normal ist, innerhalb des Kabinetts darüber reden. Dieses Gespräch wird noch stattfinden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Frage stellt der Kollege Peter Bleser von der CDU/CSU-Fraktion.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, herzlichen Dank, dass in der Landwirtschaft, wenn alle Überprüfungen, ob heimische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, nicht erfolgreich gewesen sind, aufgrund der Härtefallregelung ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden können. Ich möchte Sie darüber hinaus fragen, wie Sie generell die Bedeutung der Land- und Ernährungswirtschaft für die Strukturentwicklung im ländlichen Raum sehen und wie Sie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft insbesondere auf internationalen Märkten beurteilen. Ich glaube, da müssten wir in Zukunft schon etwas tun.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Die Land- und Ernährungswirtschaft hat eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung, die wir wieder verstärkt in das Bewusstsein unserer Gesellschaft rücken wollen. Ich darf nur darauf hinweisen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland in der Agrarwirtschaft insgesamt etwa 4 Millionen Beschäftigte haben. Diese Zahl entspricht in etwa der Zahl der Beschäftigten in meinem früheren Tätigkeitsbereich, dem Gesundheitswesen. Man sollte zudem nicht übersehen - das habe ich heute auch im Kabinett gesagt -, dass die Bundesrepublik Deutschland nach Amerika, Frankreich und den Niederlanden der viertgrößte Agrarexporteur der Welt ist. Das heißt: Was hier produziert wird, ist im Grunde ein Exportschlager. Wir müssen alles tun - damit komme ich zu Ihrer nächsten Frage -, um die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich auch in der Zukunft zu gewährleisten. Wir haben als deutsche Regierung bei den WTO-Verhandlungen in Hongkong und auch in den Gesprächen mit den Amerikanern erklärt, dass die Europäische Union durchaus bereit ist, Exportsubventionen abzubauen. Damit die Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist, muss dies aber für alle Länder und für alle Formen von Exportsubventionen gelten. Was mich in den noch jungen Begegnungen mit den Bäuerinnen und Bauern gefreut hat, ist, dass sie ihre Bereitschaft zum Wettbewerb ausdrücklich bejahen. Sie legen aber zu Recht Wert darauf, dass die Politik dafür sorgt, dass die Wettbewerbsbedingungen in Europa und in der Welt gerecht gestaltet werden. Genau das ist unser politisches Ziel.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Frage zu diesem Bereich stellt die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Seehofer, ganz herzlichen Dank für Ihren Bericht und auch für die faire Darstellung. Eine gute Gewinnsituation heißt natürlich auch gute Stimmung; das steht in unmittelbarem Zusammenhang. Zu erwähnen wäre vielleicht auch das besonders gute Ergebnis der ökologischen Betriebe. Sie haben eine Gewinnsteigerung von mehr als 20 Prozent erreicht und stehen hier deutlich besser da als die konventionellen Betriebe. Ich möchte daher dafür werben, vielleicht doch stärker über die Unterstützung des ökologischen Landbaus nachzudenken. Meine Frage richtet sich aber in die Zukunft, konkret auf das Wirtschaftsjahr 2006 und die von Ihnen eingeleiteten, doch sehr radikalen Einschnitte für den ländlichen Raum und die Landwirtschaft. Wie, glauben Sie, wird die deutsche Landwirtschaft den Verlust der Mittel aus Brüssel in Höhe von 400 Millionen Euro für die Förderung der umweltverträglichen Landwirtschaft, der Kulturlandschaftspflege und der besonderen gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft verkraften? Wie wird sich der für 2007 vorgesehene Stopp der Steuerbefreiung für Biokraftstoffe - Frau Happach-Kasan hat dies schon angesprochen - auf diese neue Einkommensmöglichkeit im gewerblichen Bereich, die im Agrarbericht leider nicht erfasst ist, auswirken? Wir haben gehört: Es sind 2 Milliarden Euro, die da eingespart werden sollen. Und wie beurteilen Sie die Einsparungen im Haushalt bei der Gemeinschaftsaufgabe betreffend den ländlichen Raum - das haben Sie im Ausschuss schon skizziert -, die zusätzlich vorgenommen werden sollen, obwohl im Agrarbereich sehr viel weniger Geld an Brüssel geht?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Zu Ihrem ersten Punkt. Wir sehen ökologischen Landbau und konventionelle Landwirtschaft nicht als Gegensatz an. Unserer Meinung nach ist hier eine Partnerschaft, ein Miteinander notwendig. Nach vielen Veranstaltungen beider Denkschulen konnte ich den Eindruck gewinnen, dass das von diesen beiden Seiten auch so gesehen wird. Darüber bin ich sehr froh. Gerade erst war ich bei einer großen Veranstaltung der Ökolandwirte, die sich ausdrücklich zu einer Partnerschaft mit den konventionell arbeitenden Bauern bekannt haben, und zwar in der Erkenntnis, dass im Gegeneinander beide Seiten verlieren, im Miteinander aber die Landwirtschaft insgesamt gewinnt. Deshalb werden wir die Politik des Dialogs und der Partnerschaft fortsetzen und werden nicht eine Gruppe im Bereich der Landwirtschaft ausgrenzen oder diskriminieren. Zu Ihrem zweiten Punkt. Bezüglich Europa sind die Fakten klar. Die Mittel aus Brüssel sinken um gut 400 Millionen Euro. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die erste Säule, also die Direktzahlungen an die Landwirte, im Laufe der nächsten Jahre einer Degression unterliegen wird - das ist durch das Gesetz so vorgegeben - und daraus der zweiten Säule Mittel zufließen. Wir messen dem ländlichen Raum eine hohe Bedeutung bei. Dessen Stärkung ist unser politisches Ziel. Deshalb wird die Bundesregierung in diesem Jahr einen sehr breit angelegten Kongress über die Zukunft der ländlichen Räume durchführen. Landwirtschaft macht zwar nicht alleine den ländlichen Raum aus, sie bildet aber dessen Rückgrat. Wenn wir zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung kommen wollen - das ist unser oberstes Ziel -, dann müssen wir unseren Bundeshaushalt in Ordnung bringen. Es wäre niemandem gedient, zuallerletzt dem Agrarhaushalt, wenn wir nicht von der hohen Verschuldung und der hohen Zins- und Tilgungslast herunterkommen. Deshalb werde ich meinen Teil dazu beitragen, dass der Bundeshaushalt in absehbarer Zeit wieder vernünftig aufgestellt werden kann. Sollten Sie mit der einen oder anderen Vorstellung der Regierung - sie werden erst in den kommenden Tagen ausgehandelt und der Öffentlichkeit präsentiert - nicht einverstanden sein, dann fordere ich Sie dazu auf, mit uns in eine Diskussion über die einzelnen Sparpositionen einzutreten; das habe ich Ihnen schon im Ausschuss gesagt. Aber an dem Ziel, in Zukunft die Maastrichtkriterien einzuhalten und unseren Bundeshaushalt verfassungsgemäß zu gestalten, sollten wir nicht rütteln. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Johannes Röring, CDU/ CSU-Fraktion.

Johannes Röring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Seehofer, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vorgesehen, um den Anteil der nachwachsenden Rohstoffe insgesamt, vor allem aber den Anteil der nachwachsenden Rohstoffe für die Industrie, zu erhöhen? Ich frage das vor dem Hintergrund der Diskussion darüber, dass dies zu einer Intensivierung der Landwirtschaft führen würde.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Ich bin ein Anhänger der nachwachsenden Rohstoffe für Biokraftstoffe, für Biomasse und Biogas. Das wird meiner Meinung nach in der Zukunft ein ganz wichtiges Standbein für die Landwirtschaft sein. Neben der Nahrungsmittelproduktion und der Pflege unserer Kulturlandschaft wird der Landwirt auch die Aufgabe der Rohstoffproduktion innehaben. Die Maßnahmen zur Förderung dieses Bereichs sind vielfältig. Wir werden in den nächsten Wochen über die Steuer auf Biokraftstoffe diskutieren und deren Höhe festlegen. Es müssen aber auch Gespräche mit denjenigen geführt werden, die solche Rohstoffe verwenden. Wir haben vor wenigen Tagen mit bedeutenden Automobilherstellern ein sehr intensives Gespräch über die Produktion von Bioethanol aus Stroh geführt. Ich unterstütze dies mit allen Kräften, wie übrigens auch der Kollege Gabriel aus dem Umweltministerium, der an diesem Gespräch teilgenommen hat. Wir müssen Schritt für Schritt dem großen Ziel näher kommen, dass nachwachsende Rohstoffe in der Bundesrepublik Deutschland stärker genutzt werden. Ich bin darin auch durch die Erfahrungen mit internationalen Gästen auf der Grünen Woche bestärkt worden. Ob der russische Kollege, ob die Vertreter aus China und aus Amerika, alle sehen die nachwachsenden Rohstoffe als eine der Zukunftsperspektiven für die Bäuerinnen und Bauern an. Ich kann nur sagen: Wenn wir diese Chance nicht nutzen, dann werden sie andere nutzen und wir gehen leer aus. Ich habe vorhin von der Zukunft des ländlichen Raumes gesprochen. Ich glaube, die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe und die Investitionen, die in diesem Zusammenhang zu tätigen sind bzw. bereits getätigt wurden, sind Grundvoraussetzungen für eine bessere Funktionsfähigkeit und für eine Zukunftsperspektive der ländlichen Räume. Ländliche Räume und nachwachsende Rohstoffe hängen unmittelbar zusammen. Deshalb werden wir die Förderung der nachwachsenden Rohstoffe Schritt für Schritt weiterentwickeln. Das ist fast täglich meine Aufgabe, mit verschiedenen Beteiligten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat die Kollegin Cornelia Behm, Bündnis 90/Die Grünen.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie haben in Ihrem Bericht dargestellt, dass es der Landwirtschaft wieder etwas besser geht - das ist aus meiner Sicht sehr erfreulich -, dass die Betriebe höhere Gewinne gemacht haben. Dies hat sicherlich ein ganzes Bündel von Ursachen, zum Beispiel die Umsetzung der EU-Agrarreform. Vielleicht ist es auch auf die Konzentration der Betriebe zurückzuführen, von der Sie gesprochen haben. Die Zahl der Betriebe mit einer Fläche von unter 75 Hektar ist zurückgegangen, während die Zahl der Betriebe mit einer größeren Fläche zugenommen hat. Diese Betriebe können wirtschaftlicher agieren. Das kann also eine Ursache sein. Wenn wir uns aber den Bereich Forst anschauen, dann stellen wir fest, dass es dort nicht so erfreulich aussieht. Im Forstbereich sind die Gewinne zurückgegangen. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Privatwaldes. Nun frage ich Sie: Welche Maßnahmen haben Sie dort ins Auge gefasst und könnten Sie sich vielleicht vorstellen, dass die Maßnahmen zur Unterstützung der Forstwirtschaft, die wir in unserer rot-grünen Novelle zum Bundeswaldgesetz vorgesehen haben - bessere Bedingungen für die Vermarktung von Holz über Forstbetriebsgemeinschaften, Lockerung der Verkehrssicherungspflicht und Herstellung waldverträglicher Wilddichten über den Weg der Novellierung des Bundesjagdgesetzes -, geeignet wären, die Situation der Waldbesitzer, insbesondere der Besitzer von Privatwald, zu verbessern? Denken Sie in dem Zusammenhang an eine entsprechende Novelle zum Bundeswaldgesetz?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Eine kleine Korrektur: Ich habe den Eindruck, dass sich auch die Stimmung der Waldbesitzer aufgehellt hat. Ob das am Regierungswechsel oder an der ökonomischen Situation liegt, lasse ich einmal dahingestellt. Jedenfalls habe ich Gespräche mit Vertretern der meisten Verbände in diesem Bereich geführt. Wir teilen gemeinsam die Meinung, dass so etwas wie eine Renaissance der Waldbewirtschaftung und der Erträge ansteht bzw. schon begonnen hat. Wir werden die Holzcharta wie vorgesehen verwirklichen. Wir werden das Gesetz über den Holzabsatzfonds einbringen, der für ordentliche Marketing- und Bewirtschaftungsmaßnahmen ganz wichtig ist. Es zeichnet sich ab, dass der Bedarf an Pellets und Ähnlichem in der Tat deutlich steigen wird; wir unterstützen dies. Wenn wir über nachwachsende Rohstoffe reden, muss betont werden, dass Holz ein ganz wichtiger Faktor ist. In der Zielsetzung stimmen wir also überein. Ich möchte aber zu bedenken geben, ob man zu dessen Umsetzung immer gleich große Gesetzesnovellen braucht oder ob dies nicht auch mit guten Ideen derer, die mit den Wäldern zu tun haben, gelingt. Ich neige hier mehr zu Eigenverantwortung und nicht zu neuen Paragraphen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Franz-Josef Holzenkamp, CDU/CSU-Fraktion.

Franz Josef Holzenkamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003775, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, erst einmal möchte ich mich für die Feststellung bedanken, dass die Stimmung gut ist. Wir stellen Investitionsbereitschaft fest. Das ist gut für unser Land und gut für die Arbeitsplätze. Vorhin sind die Bereiche konventionelle und ökologische Landwirtschaft angesprochen worden. Mich freut, dass wir diese Bereiche wieder stärker miteinander verbinden und sie als eine Familie ansehen wollen. In der ökologischen Landwirtschaft war die Ertragslage im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft im letzten Jahr besser. Das freut uns zunächst einmal; das hat aber natürlich auch sehr stark mit den Transferleistungen zu tun. Ich möchte meine Frage wie folgt formulieren: Hat dieses Ergebnis künftig Einfluss auf die Verteilung von Transferleistungen? Wir müssen ja alle sparen; Sie sind auf die Haushaltslage eingegangen.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Wir werden dem Parlament Maßnahmen für Einsparungen vorschlagen und dies gerecht verteilen. Gerechtigkeit ist nicht nur in der Sozialpolitik angezeigt, sondern auch im Agrarbereich. Es wird keine Strafaktionen in irgendeine Richtung geben, sondern wir werden versuchen, die Transferleistungen ausgewogen zu verteilen. Es ist das erste und vornehmste Recht des Parlaments, diese Vorschläge zu akzeptieren oder Alternativen vorzustellen. Um Alternativen wird man allerdings nicht herumkommen. Vom Sparen zu reden, aber nichts zu tun, können wir uns nicht mehr leisten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Goldmann von der FDP-Fraktion, bitte.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben festgestellt, dass die Lage der Landwirtschaft gut ist. Ich komme ebenfalls ziemlich herum und muss sagen: Die Lage der Landwirtschaft ist ganz eindeutig nicht gut. Sie ist sehr differenziert zu sehen. Ich möchte einen Bereich ansprechen, der nicht nur mir, sondern sicherlich auch Ihnen sehr viele Sorgen bereitet, nämlich der Bereich Milch. Welche Vorstellungen gibt es in Ihrem Haus, um die katastrophale Situation in der Milchwirtschaft zu verbessern? Planen oder ergreifen Sie entsprechende Maßnahmen, um die Wettbewerbschance für die Agrarwirtschaft insgesamt zu verbessern? Ich spreche hier die immer wieder betonte Eins-zu-EinsRegelung an. Wann wird etwas bei der Geflügel- und Schweinehaltung getan? Wie sieht es mit dem Testalter bei Verdacht auf BSE aus? Könnten Sie mir auch kurz erklären, welche Verbesserungen Sie bei der Regelung für die Saisonarbeitskräfte vornehmen wollen? Ich sehe diese überhaupt nicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, schieben Sie die Verantwortung auf die Arbeitsämter ab. Dabei waren sie aufgrund des einen oder anderen Verhaltens nicht in der Lage, die 10-Prozent-Quote zu erfüllen, die nach Ihren bzw. nach den Vorstellungen von Herrn Müntefering notwendig sind. Nach meinem Verständnis wird es in diesem Bereich zu einer Zehn-plus-Zehn-Regelung kommen. Das im Agrarbericht erwähnte und von Ihnen angesprochene Monitoring führt aus meiner Sicht in einer sehr späten Phase zu einer sehr komplizierten Lösung, die im Grunde genommen nicht erfolgreich sein kann.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Ich beginne mit Ihrem letzten Fragekomplex. Die Umsetzung dessen, was das Kabinett heute gebilligt hat und was Bestandteil des Agrarberichts ist, bedeutet eine lebensreale Verbesserung der Eckpunkteregelung. Dies gewährleistet, dass wir beide Ziele erreichen, die wir vor Augen haben: Auf der einen Seite müssen wir möglichst viele der 5 Millionen Arbeitslosen in Arbeit bringen. Auf der anderen Seite kennen wir alle die Besonderheiten bei der Ernte und wissen um die Erfahrungen mit der Inländerregelung, ({0}) die wir zum Beispiel 1995/96 gemacht haben, als die Ernte gefährdet war, weil das Prinzip nicht durchzusetzen war. Vorausschauende Politik besteht nicht darin, abzuwarten, bis wir in den Regionen die Katastrophe erleben, dass die Ernte mangels Saisonarbeitskräften nicht eingebracht werden kann. Das politische Kunststück besteht also darin, folgende Frage zu beantworten: Wie können wir auf der einen Seite weiterhin alle Anstrengungen vorantreiben, damit es zu einer Beschäftigung von Inländern kommt, aber auf der anderen Seite in den Regionen, in denen dies trotz aller Anstrengungen nicht gelingt, so flexibel sein, dass den Landwirten Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland zur Verfügung stehen und ihre Ernte nicht gefährdet ist? Beide Punkte sind in der Koalitionsvereinbarung festgehalten worden: die Sicherstellung der Ernte für die Landwirte auf der einen Seite und ein verstärkter Einsatz inländischer Arbeitskräfte - in diesem Zusammenhang verweise ich auf die zehn Prozent - auf der anderen Seite. Insofern haben wir, glaube ich, in diesem schwierigen Spannungsfeld eine sehr sachgerechte Lösung gefunden, die in der Praxis funktionieren wird. Es ist aber unter keinen Umständen möglich, zwingend daran festzuhalten, dass die 10-Prozent-Quote nur mit hier lebenden Arbeitslosen erfüllt werden kann, wenn dies zur Folge hätte, dass nicht in ausreichendem Maße Saisonarbeitskräfte zur Verfügung stehen und die Ernte verrottet. Insofern unterscheidet sich der Ernteeinsatz von vielen anderen Beschäftigungsbereichen in der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb bin ich über die einvernehmliche Lösung, die wir heute im Kabinett gefunden haben, sehr froh. Die Bevölkerung wie auch die Landwirte erwarten schließlich von uns, dass wir auf diese Lage flexibel reagieren. Das ist uns gelungen. Was die Problematik der ({1}) Schweinehaltungsverordnung angeht, darf ich Sie beruhigen: Die CDU/CSU-SPD-Koalition hat sich gestern auf eine Verordnung verständigt, die ich dem Kabinett nächste Woche zuleiten werde. In den einzelnen Punkten wie Boxengröße, Lichteinfall, Klima und Spaltenbreite sind wir völlig einig. Das Gleiche gilt für das Thema Geflügel. Wir werden das Thema in dieser und der nächsten Woche noch einmal innerhalb der Koalition diskutieren. Wir stehen auch in engem Kontakt mit den Ländern. Die Entscheidung der Koalition wird Ihnen in absehbarer Zeit zugehen. ({2}) Wir sind dabei auf einem sehr guten Weg. Setzen Sie nicht darauf, dass wir nicht zu einer Verständigung kommen! Zur Milchwirtschaft ist anzumerken, dass es sich bei der Beurteilung der Durchschnittswerte eines Agrarberichts immer wieder als problematisch erweist, dass sich die Situation aus der Sicht einzelner Sektoren anders darstellt, die entweder unter dem Durchschnitt liegen oder mit besonderen Problemen behaftet sind. Hinsichtlich der Milchwirtschaft verhält es sich so, wie Sie es geschildert haben. Wir haben uns entschieden, in unserem Hause in den nächsten Wochen eine Konzeption zu erarbeiten, um die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Milchquotensaldierung, den Molkereien und dem Abschmelzen der Prämienzahlungen 2010 oder später überwinden zu können. Wir befinden uns aber noch in der Denkphase. Sie werden verstehen, dass wir zuerst mit den Koalitionsfraktionen Gespräche führen wollen - das wird im März bzw. April geschehen -, bevor wir die Konzeption der Öffentlichkeit vorstellen können. Ich möchte Ihnen aber ausdrücklich bestätigen, dass die Milchwirtschaft ein Problembereich ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Koppelin, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, da Sie die Perspektiven für die Landwirtschaft so positiv dargestellt haben, frage ich Sie, ob in Ihrem Haus die Auswirkungen der im nächsten Jahr vorgesehenen Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte auf die Landwirtschaft errechnet worden sind. Welche Auswirkungen sind - beispielsweise durch Neuanschaffungen im Fuhr- oder Maschinenpark - für die Landwirte zu erwarten?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Der wichtigste Punkt im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuererhöhung ist aus meiner Sicht die Mehrwertsteuerpauschale für die Landwirtschaft, die fast 90 Prozent der Landwirte in Anspruch nehmen. Auch darüber wird zu reden sein, wenn die Gesetzgebung zu diesem Vorhaben auf den Weg gebracht wird. ({0}) - Herr Koppelin, ich war immer für eine Mehrwertsteuererhöhung, die ich übrigens auch im Wahlkampf immer vertreten habe, wenn - was auch vorgesehen ist - gleichzeitig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte gesenkt werden. In diesem Fall habe ich damit keine Probleme, zumal Sie in Bezug auf die Landwirtschaft nicht übersehen dürfen, dass der Steuersatz für Nahrungsmittel unverändert bleibt. Was für die Lebenshaltungskosten der Menschen wichtig ist - ({1}) - Nein, das ist kein Ausweichen. Es ist eine Feststellung bzw. eine Information, die Sie auch weitergeben können. ({2}) Der Mehrwertsteuersatz für das, was in der Landwirtschaft überwiegend produziert wird - nämlich Nahrungsmittel -, und damit für den Kernbestand der Lebenshaltungskosten der Menschen bleibt unverändert. ({3}) - Gut, aber es kann uns sogar passieren, dass die eine oder andere Maschine im Herbst gekauft wird statt nach der Mehrwertsteuererhöhung. Die Nahrungsmittel können aber nicht vorzeitig verzehrt werden; jedenfalls können sie nicht unbeschränkt auf Vorrat gekauft werden. ({4}) Wir müssen endlich mit solchen Schattengefechten aufhören. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir den Haushalt in Ordnung bringen müssen. Sie fordern immer wieder Einsparungen. Ich bin gespannt, ob wir Ihre volle Unterstützung, Herr Goldmann, haben, wenn wir alle unsere Sparvorschläge, auch diejenigen betreffend den Agrarhaushalt, präsentieren. ({5}) Auf jeden Fall werden in meinem Etat noch einmal Kürzungen in Höhe von 200 Millionen Euro vorgenommen, ganz einfach, Herr Koppelin. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das hört sich so an, als ob Sie mit der Beantwortung der Frage fertig wären, Herr Minister. Dann gebe ich das Wort an die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann von der Fraktion Die Linke.

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Nachfragen bezüglich der Inländerquote bei den so genannten Saisonarbeitskräften. Welche Zumutbarkeitsregelungen sind hier mit der Bundesagentur für Arbeit vereinbart, insbesondere was die Arbeitsbedingungen und die finanziellen Bedingungen angeht, zu denen die Saisonarbeitskräfte eingesetzt werden sollen? Gibt es hier irgendwelche Verschärfungen? Ist geplant, 1-Euro-Jobber einzubeziehen? Zu den geplanten Kürzungen betreffend die zweite Säule, den ländlichen Raum: Wir wissen, dass in Zukunft erheblich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden. Haben Sie schon Überlegungen angestellt, wie dies kompensiert werden soll, und, wenn ja, welche?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Auch für diesen Bereich gilt die allgemeine Zumutbarkeitsregelung. Wir haben diese Regelung im Zusammenhang mit den Saisonarbeitskräften nicht geändert. Ich weiß, dass viele Arbeitsagenturen größte Anstrengungen unternehmen, um inländische Saisonarbeitskräfte zu gewinnen. Aus der Nähe meiner Heimat ist mir eine Arbeitsagentur bekannt, die Durchhalteprämien zahlt bzw. zahlen will, die Shuttles besorgt, die die Saisonarbeitskräfte zu den Feldern bringen, die Kinderbetreuung für Menschen organisiert, die Kleinkinder aufziehen, und vieles andere mehr unternimmt. ({0}) Eine Arbeitsagentur hat sogar Saisonarbeitskräfte aus Justizvollzugsanstalten rekrutiert. Hier werden also enorme Anstrengungen unternommen - das erwartet die Bevölkerung bei 5 Millionen Arbeitslosen auch -, um möglichst viele Stellen im Bereich der Saisonarbeitskräfte mit Inländern zu besetzen. Aber es wird nicht in jeder Region gelingen, die angestrebte Inländerquote zu 100 Prozent zu erfüllen. Noch einmal: Es gibt in diesem Zusammenhang keine Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Weil dies ein besonders spannender Bereich ist, liegt mir noch eine ganze Reihe von Wortmeldungen vor. Ich möchte dazu noch zwei Kollegen zu Wort kommen lassen und dann die Gelegenheit geben, zu anderen Bereichen zu fragen. ({0}) - Entschuldigung, aber ich rede gerade. Wenn Sie so nett wären, zu warten, bis ich fertig bin! - Danke schön. Wie gesagt, ich lasse noch zwei Fragen zu diesem Bereich zu. Dann möchte ich noch Fragen zu anderen Themen zulassen, bevor wir zur Fragestunde kommen. Jetzt ist der Kollege Norbert Schindler, CDU/CSUFraktion, dran.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Natürlich sind wir froh, dass wir mit der Eckpunkteregelung in Deutschland weitergekommen sind. Herr Minister, Sie haben die Definition der Härtefälle allumfassend dargelegt. Aber im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung - ich erinnere nur an den Hagelschlag im letzten Jahr, die gesundheitspolitischen Probleme und die Probleme betreffend den Berechnungsgrundsatz aus dem Jahr 2005 - bitte ich dringend um Abstimmung, damit es nicht wieder zu Ärger in den Arbeitsverwaltungen kommt. Die nächste Feststellung, die ich treffen will, ist: Herr Seehofer, es ist ja schön, wenn Sie als frisch gebackener Minister darlegen, dass sich die agrarwirtschaftlichen Ergebnisse im Wirtschaftsjahr 2004/05 verbessert haben. Aber die Grünen könnten verleitet sein, zu sagen: Das ist unser Erfolg. Deswegen will ich in aller Deutlichkeit klarstellen: Herr Seehofer, Ihre Botschaft betreffend die Gewinnentwicklung ist sehr realistisch gewesen. Die - durch Trockenheit bedingt - schlechten Zahlen im Wirtschaftsjahr 2003/04 haben Sie durch Ihre zweite Aussage relativiert. Die Grundstimmung in der Landwirtschaft ist jedenfalls gut. Das kann ich im Hinblick auf die Grüne Woche bestätigen. Meine Frage gilt der Finanzierung der zweiten Säule ab 2007: Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, dass es richtig ist, die 5 Prozent, die laut EU-Beschluss als Modulationsabzug in der ersten Säule vorzunehmen sind, denjenigen zu lassen, die für die Finanzierung sorgen, sodass diese Mittel den Höfen zugute kommen und nicht ideologisch motivierte Programme in Zukunft neue Begehrlichkeiten wecken?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Zum zweiten Teil sage ich: Ja, ich bin Ihrer Meinung. Zum ersten Teil lese ich Ihnen den wesentlichen Satz aus dem Agrarbericht vor. Es geht um den ersten Komplex, nämlich darum, was wir bei strukturellen Veränderungen machen, zum Beispiel wenn die Situation des Betriebs 2006 in Bezug auf das Personal, die Anbaufläche oder die Sonderkulturen eine andere ist als 2005: Soweit einzelne Betriebe plausibel begründen, dass sich insbesondere - was jetzt kommt, ist nicht abschließend, sondern ein Beispiel - aufgrund sonstiger Erweiterungen der Anbauflächen oder des Anbaus personalintensiverer Sonderkulturen ein Mehrbedarf an Arbeitskräften gegenüber dem Jahr 2005 ergibt, werden die Agenturen für Arbeit in diesen Fällen flexibel auf den zusätzlichen Bedarf eingehen und ihn in der generellen Weise nach den Eckpunkten - damit ist der Schlüssel 80:10:10 gemeint - lösen helfen. Das ist eine saubere Formulierung, die ich sehr begrüße, weil sie auf die Lebensrealität und die Sachverhalte Rücksicht nimmt, die Sie geschildert haben. Diese sind sehr vielfältig. Darum ergibt es keinen Sinn, eine Formulierung zu suchen, die alle denkbaren Lebenssachverhalte einbezieht. Dass ein Betriebsinhaber einen Herzinfarkt hatte, Personal ausgefallen ist, Flächen dazugekauft wurden oder der Betrieb erweitert bzw. in ihn investiert wurde, sind alles Sachverhalte, die vorkommen können. Wenn es eine plausible Begründung gibt, dann kann die Agentur darauf eingehen und helfen, und zwar wiederum nach dem Schlüssel 80:10:10, wobei 80 für Saisonarbeitskräfte steht, 10 für Vorrangkräfte und 10 für Inländer. Wenn es bei der Erfüllung der Inländerquote Schwierigkeiten gibt, dann greift die Härtefallregelung. War das verständlich? ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als letzte Rednerin zu diesem Bereich hat das Wort die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, für die zweite Säule haben wir 400 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Dieses Minus trifft die einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich. Gerade Bayern und Baden-Württemberg, aber auch Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind davon massiv betroffen. Selbst durch die Pflichtmodulation wird man das nicht auffangen können. Das gilt zumindest für diese Länder. Bei der Modulation handelt es sich um besonders wertvolle Gelder, weil man sie auch zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze einsetzen kann. Ich erinnere an den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe, der gerade angesprochen worden ist. Das ist ein ganz wichtiger Bereich. Zu erwähnen sind aber auch die Vermarktung regionaler Produkte und Tourismus, womit sich Bauern etwas hinzuverdienen können. In diese Richtung muss man ja gehen. Ich denke auch an Vertragsnaturschutzmaßnahmen, bei denen Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung verbunden werden. Die zweite Säule wird in der Regel von den Ländern mit der Gemeinschaftsaufgabe kombiniert. Viele Länder müssen jetzt mit weniger Geld auskommen. Mittelgebirgsregionen sind auf diese Gelder angewiesen und machen ihre Entscheidung, ob sie eine solche Landwirtschaft oder überhaupt keine Landwirtschaft mehr betreiben - wobei wir Letzteres sicherlich nicht wollen -, davon abhängig. Haben Sie schon Überlegungen, worauf Sie die reduzierten Mittel in den nächsten Jahren konzentrieren werden?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Es wird bei diesen Sparmaßnahmen nach meiner Einschätzung nicht ohne die GAK gehen. Ich bin für Alternativen offen. Sie wissen, dass mein Haushalt etwa 5 Milliarden Euro beträgt. Über 70 Prozent sind für soziale Maßnahmen festgelegt. Ich habe gesagt, dass wir in diesem Bereich nur etwas über Strukturreformen machen können. Denn wenn Sie etwas im sozialen Bereich streichen, dann ist das gleichbedeutend mit einer Beitragserhöhung. Deshalb werden wir diese Strukturreformen beginnend mit der Unfallversicherung durchführen. Die Arbeiten dazu laufen mit Hochdruck. Was die die verbleibende Summe betrifft, so müssen Sie sagen, wo Sie sparen wollen. Wir könnten zum Beispiel die Mittel für den Ökolandbau kürzen. Dann würden Sie protestieren und behaupten, es gebe doch eine Agrarwende zulasten der Ökobauern. Es gibt noch mehr Positionen, die ich jetzt nicht alle aufführen will, für die man gute Argumente vorbringen kann. Ich möchte keine Politik betreiben, bei der man - auch im Interesse der künftigen Generationen - einerseits die Notwendigkeit der Sanierung des Haushaltes bejaht, andererseits aber, wenn es ernst wird, davonläuft. Man muss sich für A oder B entscheiden. Wenn wir Ihnen A vorschlagen und Sie das nicht wollen, dann nennen Sie mir bitte B oder C. Man kann aber nicht sagen, der Haushalt müsse als Voraussetzung für mehr Wachstum und Arbeitsplätze in Ordnung gebracht werden, und dann, wenn dies geschieht, fortlaufen. Das werden wir nicht zulassen. Ich habe leider manches übernommen, Frau Kollegin Höhn, was das Ganze noch erschwert. In den Haushalt 2005 - für den ich bekanntlich keine Verantwortung trage - waren für die Unfallversicherung 200 Millionen Euro eingestellt. Den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften hat man gesagt: Kalkuliert eure Beiträge einmal auf der Grundlage dieser 200 Millionen Euro. Tatsächlich wurden dann aber nur 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ich darf jetzt schauen, woher die fehlenden 50 Millionen Euro kommen, wenn ich Beitragserhöhungen in der Unfallversicherung vermeiden will. Wenn gestimmt hätte, was meine Vorgängerin den Unfallversicherungen zugesagt hat, wenn mir also diese 200 Millionen Euro zur Verfügung ständen, Frau Höhn, dann müsste ich jetzt nicht an die Mittel der GAK heran. ({0}) - Das ist die Realität. Ich muss Einsparungen in der entsprechenden Höhe vornehmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Höhn, eine Zusatzfrage.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darauf zielte meine Frage nicht ab. Entscheidend ist: Sie kommen mit weniger Geld aus. Eben hat Herr Schindler gesagt, es gebe so viele Bereiche mit einem ideologischen oder irgendeinem anderen Hintergrund. Dann müsste Ihnen das Sparen da ja leicht fallen. Worauf wollen Sie die geringeren Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe - sie ist mit der zweiten Säule gekoppelt - konzentrieren? Welche Inhalte wollen Sie wegfallen lassen? Angeblich gibt es sehr viel, was man einfach wegfallen lassen kann, weil es einen ideologischen oder sonst wie überhöhten Hintergrund hat.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Wir werden im PLANAK-Ausschuss mit den Bundesländern besprechen - das ist doch ganz selbstverständlich -, auf welche Positionen wir das konzentrieren. Übrigens ist es den Bundesländern nicht verboten, sich an der Finanzierung solcher Maßnahmen da und dort stärker zu beteiligen. Der Bundesanteil auf diesem Gebiet ist überproportional hoch. Nach der Verfassung wären eigentlich 50 Prozent angezeigt; aber tatsächlich zahlt der Bund mehr. Außerdem möchte ich Ihnen sagen: Sie werden im Ausschuss von mir eine Aufstellung bekommen, in welchem Umfang die Mittel für diese Gemeinschaftsaufgabe in den letzten Jahren von Rot-Grün gekürzt wurden. Sie können dann die Kürzungen in der Vergangenheit mit derjenigen vergleichen, die es möglicherweise - entscheiden muss es das Parlament - im Haushalt 2006 geben wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit beende ich die Befragung zu diesem Themenbereich. Gibt es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung? - Bitte schön, Herr Lehmer.

Dr. Max Lehmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003798, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben in Ihrem Bericht mit Recht die ausgeprägte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft angesprochen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Entschuldigung, zu diesem Thema hatte ich eine lange Rednerliste. Wie ich gesagt habe, habe ich die Befragung zu diesem Themenbereich abgeschlossen. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 16/522 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Fragen 1 und 2 der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Frage 3 des Kollegen Rainder Steenblock wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Ekin Deligöz auf: Bis wann wird die Bundesregierung genaue Konzepte und Planungen zum Ausbau des Kinderzuschlags vorlegen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Die Konzepte und Planungen zum Ausbau des Kinderzuschlags werden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Es ist vorgesehen, sie im Rahmen des Optimierungsgesetzes zum SGB II zu berücksichtigen. Federführend ist dabei das Ministerium für Arbeit und Soziales.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Deligöz, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Schwerpunkte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bei den Planungen zum Ausbau des Kinderzuschlags setzen wird?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Schwerpunktmäßig geht es darum, dafür zu sorgen, dass Eltern, die bisher aufgrund der Zahl ihrer Kinder ALG II beziehen, ihren Lebensunterhalt in Zukunft unabhängig vom ALG II bestreiten können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Deligöz, eine zweite Nachfrage?

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Herr Staatssekretär, was Sie in Ihrer Antwort eben beschrieben haben, ist die grundsätzliche Intention des Kinderzuschlags. Meine Frage ging in die Richtung: Welche Schwerpunkte werden Sie in der Konzeption setzen? Werden Sie eher den Empfängerkreis ausweiten, indem Sie die Freibeträge der Eltern erhöhen, oder werden Sie die Summe, die als Zuschlag an die Eltern bezahlt wird, erhöhen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wir werden den Empfängerkreis ausweiten. Wir gehen davon aus, dass von der Regelung, die wir vorgesehen haben, ungefähr 170 000 Kinder erfasst werden, die dann aus dem ALG-II-Bezug herausfallen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz zur Verfügung. Es geht zunächst um die Frage 5 des Kollegen Jörg Rohde von der FDP-Fraktion: Unterliegen Behinderte, die in Behindertenwerkstätten beschäftigt sind, der Umlagepflicht U 2 - U 2: Erstattung der Aufwendungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft - und werden Behinderte somit als reguläre Arbeitnehmer behandelt, wenn sie in einer Behindertenwerkstatt tätig sind?

Rolf Schwanitz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002123

Herr Kollege Rohde, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Am 1. Januar 2006 ist das Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze, das Aufwendungsausgleichsgesetz, kurz: AAG, in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz werden die Umlageverfahren zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung und die Mutterschaftsleistungen neu geregelt. Im so genannten U-2-Verfahren werden den beteiligten Arbeitgebern die Aufwendungen bei Mutterschaft erstattet. Der wesentliche Inhalt der Neuregelung beruht vor allem auf der Umsetzung einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, welches festgestellt hatte, dass die Anspruchsgrundlage für den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz mit dem Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes unvereinbar ist. Weil das bisherige Verfahren, mit dem die Aufwendungen der Arbeitgeber bei Mutterschaft ausgeglichen werden, nur für Kleinunternehmen mit weniger als 20 oder, je nach Satzung der Krankenkasse, 30 Beschäftigten galt, sah das Bundesverfassungsgericht die Gefahr einer faktischen Diskriminierung von Frauen, da Arbeitgeber, die nicht in das Umlageverfahren einbezogen waren, ein Interesse daran gehabt haben könnten, weniger oder keine Frauen zu beschäftigen. Aufgrund dieser verfassungsgerichtlichen Vorgaben war es zwingend geboten, alle Betriebe in das Umlageverfahren U 2 einzubeziehen; die Anzahl der Beschäftigten spielt dabei keine Rolle. Damit hat die Bundesregierung einen Diskriminierungstatbestand beseitigt. Ausnahmen sind grundsätzlich nicht vorgesehen. Dementsprechend können auch Werkstätten für behinderte Menschen als solche nicht von der Umlagepflicht ausgenommen werden. Zur Frage, ob neben dem Fachpersonal solcher Werkstätten auch die dort beschäftigten behinderten Menschen als Arbeitnehmer im Sinne des Aufwendungsausgleichsgesetzes einzuordnen sind, befindet sich das Bundesministerium für Gesundheit derzeit in einem Abstimmungsprozess mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Über das Ergebnis werde ich Sie selbstverständlich informieren. Die Bundesregierung wird die Auswirkungen der Neuregelung weiterhin sorgfältig beobachten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? - Bitte schön.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank für die Antwort, Herr Staatssekretär. Meine Nachfrage lautet: Von wem sind im Falle einer Umlagepflicht die Kosten dieser Umlage zu tragen, von den Krankenkassen, von Sozialhilfeträgern oder von der Werkstatt selber?

Rolf Schwanitz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002123

Herr Kollege Rohde, weil es in der nächsten Frage genau um diese Kosten geht, würde ich, wenn Sie einverstanden sind, gerne auf die Antwort auf diese Frage verweisen und dazu übergehen.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. - Ich habe aber noch eine Nachfrage hierzu.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich würde dann mit den Nachfragen großzügiger umgehen, aber wenn Sie zu Ihrer ersten Frage noch eine Nachfrage haben, bitte schön.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich befürchte, Sie werden mir die Antwort später schriftlich geben müssen. Die Nachfrage lautet: Welches Arbeitsentgelt soll bei der Umlagepflicht als Berechnungsgrundlage dienen? Wird es das tatsächliche oder das fiktive Arbeitsentgelt sein? Das betrifft natürlich den hypothetischen Fall, den Sie eben erst noch klären müssen. Würden Sie das bitte in die Beantwortung der Frage aufnehmen?

Rolf Schwanitz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002123

Sehr gern. - Herr Kollege Rohde, wenn die Präsidentin einverstanden ist, würde ich jetzt gern Ihre Frage 6 beantworten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann rufe ich die Frage 6 des Kollegen Jörg Rohde auf: Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass im Falle einer Umlagepflicht auch für Behinderte Behindertenwerkstätten finanziell belastet werden, da im Pflegesatz für die U-2-Umlage keine Position vorgesehen ist?

Rolf Schwanitz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002123

Ich beantworte diese Frage wie folgt: Das Umlageverfahren U 2 ist dem Wesen nach eine reine Arbeitgeberversicherung und wird nur aus verwaltungsorganisatorischen Gründen von den Krankenkassen abgewickelt. Bei den Umlagebeträgen handelt es nicht um Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstätten, die von den Rehabilitationsträgern in den Vergütungen berücksichtigt werden könnten. § 41 Abs. 3 Satz 3 SGB IX ist die Rechtsgrundlage dazu. Vielmehr handelt es sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung dieser Einrichtungen, die auch in Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehen. Deshalb sind die Aufwendungen aus dem Arbeitsergebnis der Einrichtungen, also den Erlösen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit, zu finanzieren. Wie jeder andere Arbeitgeber, der Umlagesätze zu zahlen hat, haben auch die Werkstätten für behinderte Menschen einen Anspruch auf Erstattung von Leistungen, die sie im Falle einer Mutterschaft zu erbringen haben. Generell unterscheidet das AAG nicht danach, mit welcher Häufigkeit Mutterschaftsfälle eintreten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie noch eine Nachfrage hierzu, Herr Rohde? - Bitte schön.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung denn die Auffassung, die zum Beispiel von der Lebenshilfe vertreten wird, dass es sich bei den Kosten der Umlage um so genannte werkstattnotwendige Kosten handelt, die von den zuständigen Leistungsträgern erstattet werden müssen? Dazu auch gleich die zweite Nachfrage. Jetzt kommen ja auch Kosten für die Umstellung der EDV-Verfahren auf die Behindertenwerkstätten zu. Wie sieht die Bundesregierung in diesem Fall die Kostenträgerschaft?

Rolf Schwanitz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002123

Zunächst, Herr Kollege Rohde, weise ich darauf hin, dass die Veränderungen im geltenden Recht seit dem 1. Januar dieses Jahres für viele Betriebe natürlich mit Umstellungen verbunden sind. Im Umlageverfahren gibt es keine Betriebsgrößenbegrenzung mehr. Damit kommt das U-2-Verfahren für viele Betriebe neu zur Anwendung. Wir werden - insofern nehme ich Bezug auf Ihre erste Frage - und können dem Abstimmungsprozess hier natürlich nicht vorgreifen. Deswegen kann ich mich auch heute in der Fragestunde dieser Einschätzung eines Sozialverbandes nicht anschließen. Wir sind der Auffassung, dass es bezüglich des neuen geltenden Rechts, das wir seit dem 1. Januar dieses Jahres haben, keinen Veränderungsbedarf gibt. Aber wir sind im Abstimmungsprozess begriffen und werden am Ende zu einer Bewertung zu kommen haben. Zunächst sind jedoch die Spitzenverbände der Krankenkassen in der Pflicht und müssen ihrerseits Stellung nehmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Kasparick zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Patrick Döring auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Vorschrift des § 41 Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung, KDV, welche zur Umsetzung der Richtlinie 2001/85/EG in nationales Recht angepasst wurde, hinsichtlich der den Durchgang in eine Richtung versperrenden Bügel im Fahrerbereich von Omnibussen in Deutschland auf unterschiedliche Weise nachgekommen wird?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, beantworte ich die Fragen 7 und 8 gemeinsam, weil sie sachlich zusammenhängen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann rufe ich auch die Frage 8 des Abgeordneten Patrick Döring auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit unter dem Aspekt der Sicherheit von Fahrgästen, insbesondere der Sicherheit von Kindern, auf diese Sperrbügel zu verzichten bzw. sie zu entfernen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Döring, Sie fragen nach den Schwenkbügeln in Bussen. Wir müssen EU-Recht in nationales Recht umsetzen. In Ihrer zweiten Frage äußern Sie die Vermutung, dass es bei den Schwenkbügeln auch um die Sicherheit von Fahrgästen geht. Das ist aber nicht der Fall. Es geht darum, freie Sicht für den Fahrer zu gewährleisten. Deswegen sind andere technische Anforderungen zu stellen, als wenn es um die Sicherheit von Fahrgästen ginge. Die Regelung, die wir jetzt in nationales Recht umsetzen, gilt seit dem 13. Februar 2005. Das bedeutet, dass die Busse, die seit diesem Zeitpunkt in den Verkehr gebracht wurden, keinen Schwenkbügel an der Fahrerkabine mehr haben müssen. Ältere Busse haben ihn noch. Er kann auch nach wie vor bestellt werden, wenn ein Kunde ihn in seinen Bussen haben möchte. Wir haben vonseiten des Bundesverkehrsministeriums empfohlen, diese Bügel wenigstens für Schülerbusse vorzuhalten; denn auch dann, wenn das Gedränge am Schulschluss - Sie wissen, wie das im Schülerverkehr ist - besonders groß ist, braucht der Fahrer freie Sicht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine Nachfrage, Herr Kollege. Bitte schön.

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielleicht darf ich die Frage 8 kurz erklären. Einige Nahverkehrsunternehmen haben die Befürchtung, dass bei einem gegebenenfalls nötigen scharfen Abbremsen ein stehender Fahrgast sozusagen ungehindert bis zur Windschutzscheibe durchfliegt, wenn dieser Bügel nicht mehr zur Verfügung steht. Teilt das Bundesministerium die Befürchtung von Nahverkehrsunternehmen, dass bei Eintreten eines solchen Vorgangs gegebenenfalls zusätzliche Gefahren für stehende Fahrgäste entstehen können?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wir reden nun über mögliche so genannte Frontalunfälle. Die Bügel sind nicht dazu gedacht, die Fahrgäste in diesem Fall zu schützen, ({0}) sondern sie sind eine Sperre für die Fahrgäste, die dazu dient, dass der Fahrer freie Sicht hat. Wenn man den Passagierschutz bei Unfällen erhöhen wollte, dann müsste man das System auch an anderen Stellen im Bus komplett neu gestalten. Die Empfehlung unseres Hauses ist, diese Bügel insbesondere im Schülerverkehr einzusetzen. Die Nahverkehrsbetriebe haben bei der Bestellung neuer Busse natürlich die Möglichkeit, diese Bügel mitzubestellen. Aber die EU-Richtlinie schreibt diese nicht mehr vor.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine zweite Nachfrage.

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke sehr. - Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass beispielsweise der Bushersteller Daimler-Chrysler keine Busse mit diesen Bügeln mehr ausliefert und auch entsprechende Nachbestellungen derzeit nicht annimmt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ja, das ist uns bekannt. Es entspricht aber der gesetzlichen Grundlage.

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben eben gesagt, der Kunde könne diese Bügel bestellen.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wenn ein Kunde mit einem Hersteller einen Vertrag schließt, dann geht die Bundesregierung dies nicht unmittelbar an. Für uns ist entscheidend, ob EU-Vorschriften ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden sind. Das ist der Fall. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich und kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl vom Bündnis 90/Die Grünen auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung des Energiekonzerns EnBW, eine Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerkes Neckarwestheim I zu beantragen?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Frau Kollegin, natürlich haben wir zur Kenntnis genommen, dass möglicherweise ein Antrag auf Übertragung von Strommengen gestellt wird. Aber so lange nur eine öffentliche Ankündigung gemacht wird, kann das BMU selbstverständlich keine Beurteilung dazu abgeben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich muss gestehen, dass ich keine andere Antwort erwartet habe. Deswegen frage ich ein bisschen mehr politisch: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Oettinger, ist nicht der Einzige, der sich mit der Forderung nach Laufzeitverlängerungen und damit nach Übertragung von Strommengen von jüngere auf ältere Atomkraftwerke hervortut, was ursprünglich im Atomkonsens ausdrücklich nicht vorgesehen war. Aber wir alle kennen die Entscheidung im Präzedenzfall Obrigheim, die wir Grünen nach wie vor für eine Fehlentscheidung halten. Wir hoffen, dass es nicht zu weiteren solcher Entscheidungen aufgrund dieses Präzedenzfalles kommt. Deshalb möchte ich Sie, auch wenn das vielleicht unüblich ist, um eine politische Bewertung bitten: Wie schätzen Sie die entsprechende Forderung diverser Ministerpräsidenten, die ja damit auch Wahlkampf machen, ein?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Damit sind wir eigentlich schon bei der Frage 10. - Dazu gibt es im Atomgesetz klare Regelungen. Diese Regelungen sehen nur im Ausnahmefall die von Ihnen beschriebenen Maßnahmen vor. Logischerweise kann dieser Fall der Strommengenübertragung nur eintreten, wenn der Betrieb der abgebenden Anlage dauerhaft eingestellt wird oder wenn die Sicherheitsstandards gleichwertig sind. Es ist richtig, dass zuerst das Bundesumweltministerium diese Voraussetzungen prüfen muss. Wir können aber erst prüfen, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt, was bisher aber nicht der Fall ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Dann kommen wir zur Frage 10 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl: Trifft es zu, dass für eine Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerks Neckarwestheim I Strommengen von neueren Kernkraftwerken mit höheren Sicherheitsstandards übertragen werden müssten? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Eine mögliche Übertragung von Strommengen richtet sich nach § 7 Abs. 1 b des Atomgesetzes. Der Mechanismus ist klar: Zuerst hat der Bundesumweltminister den Vorgang zu prüfen. Erst wenn er bestimmte Bedingungen als erfüllt ansieht, folgt die Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundeswirtschaftsminister hinsichtlich der Frage, ob man ausnahmsweise eine solche Regelung treffen kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie hierzu eine Nachfrage, Frau Kollegin Kotting-Uhl? - Bitte schön.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Neckarwestheim I ist ja ein Druckwasserreaktor der so genannten zweiten Generation. Bekanntermaßen weist diese zweite Generation gegenüber neueren Generationen der Druckwasserreaktoren folgende Schwachstellen auf: eingeschränkte Prüfbarkeit des Primärkreislaufes auf Risse oder sonstige Schädigungen, Mehrschweißnähte an wichtigen Komponenten und Rohren des Primärkreislaufes, Umsetzung des Bruchausschlusskonzepts erst durch Nachqualifizierung, geringere Druck- und Temperaturfestigkeit des Sicherheitsbehälters, weniger redundante Stränge bei der zusätzlichen Notstromversorgung gegen äußere Einwirkungen der Gleichstromversorgung usw. Es sind noch mehr Punkte, die ich jetzt aber nicht aufzählen will. Spielen diese offensichtlichen Nachteile bei der Bewertung, die Sie im Umweltministerium vornehmen - davon haben Sie gerade gesprochen -, eine Rolle?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Uns ist natürlich klar, dass neuere Anlagen, zum Beispiel Konvoianlagen, sicherheitstechnisch sehr viel besser ausgerüstet sind als beispielsweise Siedewasserreaktoren der Baulinie 69. Es ist logisch, dass diese Sicherheitsunterschiede in der Bewertung berücksichtigt werden. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Er beantwortet die Frage 11 der Kollegin Cornelia Hirsch von der Fraktion Die Linke: Wie viele Förderanträge für das neue Ausbildungsstrukturprogramm „Jobstarter“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegen mit welchen Finanzvolumina beim Bundesinstitut für Berufsbildung bisher vor?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, Ihre Frage nach der Anzahl der eingegangenen Anträge zum Förderprogramm „Jobstarter“ beantworte ich wie folgt: Die am 6. Dezember 2005 vom Bundesinstitut für Berufsbildung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung veröffentlichten Förderrichtlinien zur Durchführung des Programms „Jobstarter“ sehen als letzten Abgabetermin zur Einreichung der Förderanträge beim Bundesinstitut den 9. Februar 2006 vor. Derzeit wird im Bundesinstitut bei der Programmstelle „Jobstarter“ eine Vielzahl von Beratungsgesprächen mit den Antragstellern geführt. Hierbei werden insbesondere die für die Projektanträge erforderlichen Formalitäten abgeklärt. Die Erfahrungen mit den Vorgängerprogrammen, insbesondere mit STARegio, haben gezeigt, dass erst in den letzten drei Tagen der Antragsfrist der überwiegende Teil der Anträge, nämlich rund 90 Prozent, beim Bundesinstitut eingeht. Erst nach Ende der Antragsfrist können die Anträge gesichtet werden. Ab dem 10. Februar 2006 wird der Bundesregierung die Zahl der eingereichten Anträge zum Programm „Jobstarter“ vorliegen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin Hirsch? Bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es gibt ja durchaus Erfahrungen mit Ausbildungsstrukturprogrammen aus den letzten Jahren. Da war es regelmäßig so, dass die Beantragungen das zur Verfügung stehende Finanzvolumen deutlich überstiegen haben. Es ist ja schon bekannt, wie hoch die Fördersumme des BMBF sein wird: Faktisch handelt es sich um eine Kürzung um rund ein Drittel - ich habe dies mithilfe Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage ausgerechnet -, bezogen auf den Zeitraum von 2006 bis 2010, wenn man die Fördersumme von 2005 zum Ausgangspunkt nimmt. Halten Sie das für vertretbar angesichts der Tatsache, dass der Förderbedarf in der Vergangenheit sehr viel höher war?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin, die Bundesregierung schließt sich Ihrer Auffassung ausdrücklich nicht an, dass es sich hierbei um eine Kürzung handelt. Insgesamt ist das Programm „Jobstarter“ in den nächsten fünf Jahren mit einem Finanzvolumen von mindestens 100 Millionen Euro verbunden. Was das Fördervolumen für die Programme bei den derzeit im Einreichungsverfahren befindlichen Vorschlägen angeht, verweise ich auf meine vorherige Antwort und bitte Sie, abzuwarten. Es sind jetzt nur noch zwei Tage, bis wir wissen, welche Anträge eingegangen sind. In einigen Tagen können wir Ihnen sagen, wie hoch die Zahl der geförderten Projekte und das damit verbundene Finanzvolumen sein werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie hierzu eine weitere Nachfrage?

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Die Förderrichtlinien liegen ja vor; dazu kann man sich schon politisch äußern. Meine Nachfrage dazu lautet: Bisher gab es Einzelprogramme, beispielsweise das Programm KAUSA, das speziell in den Migrationsbereich gewirkt hat. Jetzt erfolgt eine Zusammenlegung, wobei einzelne Förderbausteine diesen Aspekt durchaus noch berücksichtigen sollen. Inwieweit kann bei der Auswahl der geförderten Projekte sichergestellt werden, dass explizit dieser Förderschwerpunkt zumindest die gleiche Rolle spielt wie bisher?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist es bei der Förderung im Bereich der beruflichen Bildung ein ganz wichtiger Schwerpunkt, insbesondere in Migrantenunternehmen zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Dieses Thema ist auch Gegenstand der Beratung anlässlich der Auftaktkonferenz zum Programm „Jobstarter“ am 19. und 20. Januar hier in Berlin gewesen. Aber auch hier verweise ich auf meine vorherige Antwort, dass wir erst einmal schauen müssen, welche Anträge aus dem Bereich der Migrantenunternehmen eingegangen sind. Dieses Thema wird in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen. Für April ist ein Gespräch mit den Spitzen der Migrantenverbände vorgesehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann kommen wir jetzt zur Beantwortung der Frage 12 der Kollegin Cornelia Hirsch: Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem von der KfW-Bankengruppe geplanten Studienkredit?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung begrüßt es, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit den von ihr entwickelten Plänen eines allgemeinen Studienkredits ein neues Geschäftsfeld auf die Agenda der Finanzierungsanbieter gesetzt hat. Bildungs- und förderpolitisch besteht die zentrale Bedeutung des KfW-Ansatzes darin, dass das geplante Studienkreditangebot unabhängig von der jeweiligen individuellen Bonität der Studierenden und ihrer konkreten Studienfachwahl gemacht wird. Somit werden Verzerrungen bei der Chancengleichheit beim Kreditzugang ebenso vermieden wie Beschränkungen bei der Freiheit der Ausbildungswahl.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Laut Koalitionsvertrag gibt es innerhalb der Regierungsfraktionen unterschiedliche Auffassungen über die Frage der Studiengebühren. In der Presse war zu lesen, dass insbesondere Kolleginnen und Kollegen aus der SPD nur dann diesem KfW-Kreditmodell zustimmen würden, wenn das nicht zum Einfallstor für die Einführung von Studiengebühren in den Bundesländern wird. Wie soll so etwas gewährleistet werden?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Wir befinden uns in einer Phase, in der noch weitere Prüfungen in Bezug auf die genauen Vergabekriterien und Konditionen stattfinden. Dieser Prüfungsprozess ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Es ist aber klar, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Erhebung von Studiengebühren und einem eventuellen Auftrag geben könnte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ihre zweite Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Einen indirekten Zusammenhang werden Sie aber sicherlich kaum ausschließen können, da ja im Einzelfall nicht immer danach gefragt werden kann, wofür der Kredit, der in Anspruch genommen wird, verwendet wird, für die Begleichung von Studiengebühren oder den Lebensunterhalt. Ist das BMBF sich dieser Problematik bewusst und wird es sie bei seiner Entscheidung berücksichtigen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Wenn Studenten einen solchen Kredit in Anspruch nehmen würden, wäre es sicherlich nicht möglich, dass man von staatlicher Seite eine Kontrolle über die Mittelverwendung durchführt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine vorherige Antwort: Wir sind derzeit noch in einem Prüfungsverfahren und - das gilt für einen eventuellen positiven Bescheid - die genauen Vergabekriterien werden ausgearbeitet. Der Prüfungsprozess insgesamt ist also noch nicht abgeschlossen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank. - Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich. Wir kommen jetzt zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Verfügung steht der Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Franz Thönnes. Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Heinrich Kolb sind zurückgezogen. Wir kommen jetzt zur Frage 15 des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein, FDP-Fraktion: Bei wie vielen Unternehmen kam es am 27. Januar 2006 zu Abbuchungen von Sozialversicherungsbeiträgen, obwohl diese eine „Nullmeldung“ abgegeben hatten, um von der Sechstelregelung des § 119 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ({0}) Gebrauch zu machen und im Januar 2006 keinen zusätzlichen Monatsbeitrag zu leisten, und auf welche Gesamtsumme addieren sich diese abgebuchten Beiträge?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werter Kollege Haustein, die Einzugsstellen sind verpflichtet, den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge in den Fällen, in denen ihnen eine Einzugsermächtigung vorliegt, am Tag der Fälligkeit sicherzustellen. Zum Fälligkeitsdatum am 27. Januar dieses Jahres kam es insbesondere im Bereich der Ersatz- und Innungskrankenkassen zu einer verspäteten Übermittlung der Beitragsnachweise mit der Beitragsmeldung null durch das beauftragte Systemunternehmen an die Einzugsstellen, da der Anfall der zu bearbeitenden Fälle vonseiten des Unternehmens unterschätzt wurde. Diese hohe Inanspruchnahme der Datenfernübertragung für die Beitragsnachweise zu diesem Datum resultiert daraus, dass die Unternehmen die Erleichterung durch die Neuregelung des Beitrags- und Meldeverfahrens zum 1. Januar angenommen und umgesetzt haben. Daraufhin erfolgte eine Abbuchung von geschätzten Beiträgen bei den Unternehmen, für die Einzugsermächtigungen vorlagen. Dieses Verfahren entspricht den Anforderungen, die an die korrekte Durchführung des Beitragsverfahrens durch die Einzugsstellenprüfung gestellt werden. Über die genaue Zahl der betroffenen Unternehmen und die daraus resultierende Beitragssumme liegen der Bundesregierung keine Zahlen vor. Dies ließe sich nur durch eine sehr aufwendige Erhebung bei allen Einzugsstellen in Deutschland ermitteln. Die Spitzenverbände der betroffenen Kassen haben sofort nach Bekanntwerden der fehlerhaften Abbuchungen reagiert und sichergestellt, dass in allen Fällen die Rückabwicklung des Einzugs durch die Einzugsstellen erfolgt. Außerdem wird sichergestellt, dass es zum nächsten Fälligkeitsdatum - das wird am 24. Februar sein - nicht zu einem erneuten Datenstau bei dem beauftragten Systemunternehmen kommt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Herr Kollege Haustein hat keine Nachfrage. Herr Kollege Kolb, bitte schön.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich verstehe nicht, warum es bei T-Systems zu einem Problem aufgrund eines erhöhten Datenanfalls gekommen sein soll. Die Unternehmen, die jetzt eine Nullmeldung abgegeben haben, haben schließlich in jedem anderen Monat eine Meldung über den jeweils abzuführenden Sozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen abgegeben, das heißt, bei 3,3 Millionen Unternehmen in Deutschland müsste es auch bisher über den Daumen gepeilt 3,3 Millionen Meldungen gegeben haben. Woher kommt also der zusätzliche Datenanfall, der die Leitungen verstopft haben soll?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Es muss sich um ein technisches Problem bei der Einziehung der Beiträge durch T-Systems - Sie haben das Unternehmen benannt - gehandelt haben. Dieses Problem ist beseitigt. Viele Unternehmen haben schlichtweg von den besseren technischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht und dies scheint wohl unterschätzt worden zu sein.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen damit zur Frage 16 des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich habe die Fragen 15 und 16 zusammen beantwortet, sie wurden auch gemeinsam aufgerufen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nein, ich habe bisher nur die Frage 15 aufgerufen, aber ich akzeptiere, dass das eine Antwort auf beide Fragen war. Wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind, beseitigen wir unser Missverständnis, indem ich jetzt die Frage 16 des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein aufrufe: Bei welchen Krankenkassen ist es zu solchen Abbuchungen der Sozialversicherungsbeiträge trotz der Nullmeldungen gekommen und inwieweit wurden diese trotz der Inanspruchnahme der Sechstelregelung des § 119 Abs. 2 SGB IV abgebuchten Beträge wieder an die Unternehmen zurückgezahlt? Ich kann noch eine Frage des Kollegen Kolb zulassen.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Können Sie, Herr Staatssekretär, noch einmal sagen, bei welchen Krankenkassen - es betraf wohl überwiegend Ersatz- und Innungskrankenkassen - das Problem im Einzelnen aufgetreten ist? Das kann man doch sicherlich ohne allzu großen Aufwand feststellen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass das bei den Ersatz- und Innungskrankenkassen vordergründig aufgetreten ist. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich rufe jetzt die Frage 17 des Abgeordneten Lutz Heilmann auf: Wie viele Obdachlose sind in diesem Winter bereits erfroren und in welchem Ausmaß ist im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres eine Zunahme festzustellen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Heilmann, der Bundesregierung liegen keine amtlichen Daten über Todesfälle von obdachlosen Menschen vor, die in diesem Winter erfroren sind. Die Behörden, die nach SGB II und SGB XII bzw. nach Polizei- und Ordnungsbehördenrecht diesem Personenkreis die notwendigen Hilfen gewähren, führen diese Gesetze dezentral im kommunalen Bereich durch. Ich kann Ihnen sagen, dass wir von der BAG Wohnungslosenhilfe e. V. erfahren haben, dass neun Menschen im Winterhalbjahr 2005/2006 tragischerweise erfroren sind. Nach unserem Wissensstand gibt es, je nachdem wie es die Behörden organisieren, ein sehr umfangreiches Netz von karitativen und behördlichen Einrichtungen, die sich um das Schicksal dieser Menschen kümmern. An dieser Stelle will ich all denen, die in karitativen Organisationen ehrenamtlich tätig sind, für ihre Arbeit danken und von hier aus feststellen, dass die Behörden nahezu alles tun, damit solche Fälle so selten wie möglich auftreten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie habe eine Nachfrage.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Staatssekretär, für Ihre Auskünfte und Ihre Bemühungen, Daten zu erhalten. Ich habe noch eine Nachfrage. Ist Ihnen bekannt, ob und, wenn ja, welche Bundesländer besonders davon betroffen sind? Gibt es ein Nord-Süd- oder Ost-West-Gefälle?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir entnehmen den Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e. V., dass es zwei Fälle in Berlin und Stuttgart und je einen Fall in Dortmund, in Rahden-Tonnenheide in der Nähe von Minden, in Halle, in Kostheim bei Wiesbaden und in Gelsenkirchen gegeben hat. Ich will dazu klar sagen: Jeder, der auf diese Weise gestorben ist, ist ein Toter zu viel. Allerdings will ich darauf hinweisen, dass es in den letzten Jahren gelungen ist, die Gesamtzahl der Wohnungslosen von 1998 bis 2004 - auch das sind Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e.V. - von 530 000 auf 292 000, also um gut 45 Prozent, zu reduzieren. Ich glaube, das Beste und Wichtigste ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf bzw. eine Wohnung haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Heilmann, haben Sie eine weitere Nachfrage?

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ist seit dem 1. Januar 2005 eine Zunahme der Obdachlosigkeit in der BRD, insbesondere im Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen, aufgetreten?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten, da, wie bereits gesagt, alle Daten - auch die eben vorgetragenen für den Zeitraum von 1998 bis 2004 - von der Bundesarbeitsgemeinschaft nur geschätzt worden sind. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann kommen wir zur Frage 18 der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Die Linke: Trifft es zu, dass die Argen - Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - statt eines Haushaltes nur eine Bewirtschaftungsbefugnis von 45 Prozent erteilt bekommen haben, diese Mittel aber durch Verpflichtungsermächtigungen des Vorjahres abgedeckt sind und nicht für neue Maßnahmen zur Verfügung stehen, und, wenn ja, wird dadurch der Vermittlungsauftrag der Argen gefährdet?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Zimmermann, ich beantworte Ihnen Ihre Frage wie folgt: Zurzeit gilt die vorläufige Haushaltsführung. Aufgrund der Neuwahlen zum Deutschen Bundestag am 18. September des vergangenen Jahres konnte ein gültiger Haushaltsplan für das Jahr 2006 durch das Parlament noch nicht beschlossen werden. Es gibt daher noch gar keinen Bundeshaushalt 2006, der überhaupt hätte zugewiesen werden können. Da die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, fallen sie ebenfalls unter die vorläufige Haushaltsführung. Das Grundgesetz sieht in Art. 111 in haushaltslosen Zeiten zwar ein so genanntes Notbewilligungsrecht der Bundesregierung vor, für das allerdings Einschränkungen gelten, um das Budgetrecht des Parlaments nicht zu beschränken. Es ist daher zutreffend, dass den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zunächst nur ein Finanzrahmen in Höhe von 45 Prozent der in der Eingliederungsmittelverordnung 2006 genannten Obergrenzen zugewiesen wurde. In einer Reihe von Äußerungen und Bekundungen verschiedener Träger der Grundsicherung von Arbeitsuchenden ist berichtet worden, dass diese zunächst für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zugewiesenen Ausgabemittel in Höhe von 45 Prozent der maßgeblichen Obergrenze wegen hoher Vorbindungen nicht genügend Spielraum für Neubewilligungen ließen. Allerdings scheint die Situation in den Kreisen durchaus unterschiedlich zu sein. Die Bundesregierung unterstützt im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen die Möglichkeiten zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation und hat den Finanzrahmen für die Zeit der vorläufigen Haushaltsführung zwischenzeitlich auf 72 Prozent der maßgeblichen Obergrenze angehoben. Den Belangen der örtlichen Träger ist damit Rechnung getragen worden, sodass auch die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Maßnahmeplanung und -bewilligung gewährleistet sein dürften.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Sie haben eine Nachfrage?

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe eine Nachfrage. - Danke schön, Herr Staatssekretär. Es ist mir bekannt, dass letzten Donnerstag die mündliche Zusage gemacht wurde, dass die zugewiesenen Ausgabemittel von 45 Prozent auf 72 Prozent der maßgeblichen Obergrenze erhöht werden. Aber um eine optimale Mittelbindungskurve - die wird Ihnen sicherlich auch bekannt sein - zu erhalten, um also zu erreichen, dass wir nicht wieder so viele Mittel wie im letzten Jahr zurückgeben müssen, brauchen die Arbeitsgemeinschaften vor Ort 90 Prozent des Haushaltes. Anders ist eine seriöse Maßnahmeplanung nicht machbar. Es geht - ich glaube, da sind wir uns fraktionsübergreifend einig - um die Lösung des Arbeitslosenproblems. Wir wollen die Arbeitslosen optimal in den Arbeitsmarkt integrieren. Meine Frage ist: Warum wird den Arbeitsgemeinschaften der Haushalt nur scheibchenweise und schleppend zugewiesen? Denn zum Beispiel die Agenturen können für das ganze Jahr eine ordentliche Planung machen. Sie und auch die optierenden Kommunen haben ihren Haushalt schon zugewiesen bekommen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Zimmermann, in der Situation eines nicht beschlossenen Haushaltes ist der Finanzminister ganz besonders gefordert, wenn es um die Verteilung der Finanzmittel geht. Die Obergrenze in Höhe von 45 Prozent der Ansätze des ersten Regierungsentwurfs beruht auf Ziffer 1.4 des Rundschreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2005 zur vorläufigen Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesverwaltung. Wir bewegen uns hier in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite steht das, was notwendig ist, und auf der anderen Seite die Tatsache, dass eine Regierung nicht die Rechte eines Parlaments beschränken darf und das Haushaltsrecht zu wahren hat. Es wird deutlich, dass mit den 45 Prozent der Versuch unternommen worden ist, auch weiterhin die aktive Arbeitsmarktpolitik vor Ort zu ermöglichen, in diesem Sinne - ich stimme Ihnen da völlig zu - Menschen zügig in Arbeit zu vermitteln und ihnen insbesondere in diesem Bereich die Hilfen aus einer Hand zukommen zu lassen. Hier haben wir unterschiedliche Reaktionen erfahren. Es hat Bereiche gegeben, die nicht in der Lage waren, Mittel zu verteilen, weil bereits Vorbindungen aus dem vergangenen Jahr bestanden. Daher haben wir gesagt: Dann ist auch eine Erhöhung auf 72 Prozent zulässig. Diesen Schritt haben wir jetzt getan, um zu gewährleisten, dass die Vorbindungen erfüllt werden können und weitere Mittel zur Verfügung stehen. Im Kern gibt es jetzt einen neuen Verfügungsrahmen von insgesamt 4,9 Milliarden Euro. Nun sind, wie ich denke, auch die einzelnen Regionen handlungsfähig.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin Zimmermann, haben Sie eine weitere Nachfrage?

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ich bin mit Ihrer Antwort noch nicht zufrieden; denn ich denke, dass durch die 45 Prozent lediglich die Verpflichtungsermächtigungen aus dem Vorjahr abgedeckt worden sind. Manche Arbeitsgemeinschaften sind so sehr in die Bredouille geraten, dass sie im Minus lagen. Das darf das Bundesministerium nicht akzeptieren. Es kam sogar so weit, dass generell keine neuen Maßnahmen mehr begonnen werden konnten. Da das fast flächendeckend der Fall war, können Sie mir jetzt nicht sagen, das habe nur einzelne Arbeitsgemeinschaften betroffen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Doch. Ich denke schon, dass ich Ihnen das sagen kann. Trotz der unterschiedlichen Betroffenheit sehen wir dabei aber nicht tatenlos zu. Die bestehenden Vorbindungen beliefen sich auf 1,8 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund der Zahlen, die ich gerade genannt habe, besteht nun aufgrund der zusätzlich bewilligten Mittel die Möglichkeit, aktive Arbeitsmarktpolitik zu machen. Dazu, dass das nicht überall so war, habe ich Ihnen gesagt: In den Einzelfällen, in denen das nicht der Fall war, hat das Ministerium nicht tatenlos zugesehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage 19, die ebenfalls von der Kollegin Sabine Zimmermann gestellt wurde: Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um mit einer zeitnahen Budgetbereitstellung von 85 Prozent - per 15. Februar 2006 - für einen größtmöglichen Mittelabfluss in diesem Jahr im Interesse der Erwerbslosen zu sorgen, und welche Maßnahmen beabsichtigt sie mittel- und langfristig zu ergreifen, damit in Zukunft eine rechtzeitige und kontinuierliche Bereitstellung der Finanzmittel gewährleistet ist?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wie ich in meinen Antworten auf Ihre Frage und Ihre Nachfragen schon erläutert habe, ist der Finanzrahmen inzwischen erhöht worden. Sein Umfang dürfte nach Einschätzung der Bundesregierung für die Zeit der vorläufigen Haushaltsführung ausreichend bemessen sein. Ziel ist aber nicht der größtmögliche Mittelabfluss um jeden Preis. Die Eingliederungsleistungen sollen die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung bzw. Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützen. Unser Ziel - ich denke, das muss so sein - ist ein effizienter Mittel- und Maßnahmeneinsatz. Was den letzten Teil Ihrer Frage angeht, ist auf unsere Verfassung zu verweisen. Ich unterstreiche noch einmal, was ich gerade gesagt habe: Die Bundesregierung respektiert das Budgetrecht des Parlaments und stellt den Haushaltsgesetzgeber nicht vor vollendete Tatsachen. Rechtzeitig und verlässlich können Finanzmittel dann bereitgestellt werden, wenn das Haushaltsgesetz vor Beginn des maßgeblichen Haushaltsjahres verabschiedet worden ist, wie es auch in Art. 110 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes als Regelfall vorgesehen ist. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass dies im Haushaltsjahr 2007 und die weiteren Jahre auch gelingen wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie hierzu eine Nachfrage? - Bitte schön.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe folgende Nachfrage: Bedeutet das, dass die nächste Zuweisung an die Arbeitsgemeinschaften erst nach der Bestätigung des Haushalts, also erst Mitte dieses Jahres, erfolgen wird?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir denken, dass aufgrund der Bewilligung von 72 Prozent und vor dem Hintergrund des beabsichtigten Fahrplans für die haushaltspolitischen Entscheidungen die finanziellen Mittel ausreichend bemessen sind, sodass vor Ort positiv gehandelt werden kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben noch eine Nachfrage? - Bitte schön.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da sind wir anderer Meinung; denn so sieht keine solide und bürgernahe Haushaltspolitik aus. ({0}) Ich denke, man sollte gleich am Anfang eines Jahres sagen, dass man den Arbeitslosen weniger Geld zur Verfügung stellt. Danke schön. ({1})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir sind in der Fragestunde. Ich habe allerdings nicht erkannt, dass Sie eine Frage gestellt haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Fragen 20 und 21 der Kollegin Kornelia Möller von der Fraktion Die Linke werden schriftlich beantwortet. Nun kämen wir zur Beantwortung der Frage 22 der Kollegin Brigitte Pothmer, die allerdings nicht da ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen damit zur Frage 23 der Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk: Welche Verbesserungen für die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind angesichts der geplanten Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029 von der Bundesregierung vorgesehen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Schewe-Gerigk, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer verfolgt die Bundesregierung eine mehrgleisige Strategie. Erstens geht es um die Verbesserung der Eingliederungschancen älterer Arbeitnehmer, zweitens um die Beseitigung von Fehlanreizen zur Frühverrentung und drittens um den Abbau von Vorurteilen hinsichtlich der Qualifikation, Leistungsbereitschaft und, ich füge das hinzu, auch der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Eingliederungstitel stehen alleine bei der Verbesserung der Eingliederungschancen älterer Beschäftigter bis zu dreijährige, degressive Lohnkostenzuschüsse an Unternehmen zur Verfügung. In kleineren und mittleren Unternehmen kann die Weiterbildung älterer Beschäftigter gefördert werden. Die Einstellung von Arbeitnehmern, die über 55 Jahre alt sind, wird durch die Entgeltsicherung und durch die Befreiung der Arbeitsgeber von den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen unterstützt. Hinzu kommt, dass die Koalitionsparteien sich darauf verständigt haben, die Befristungsregelung bei der Einstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 52. Lebensjahr zu lockern und europarechtskonform auszugestalten. Ferner gibt es Programme, in denen es darum geht, für ältere Beschäftigte zusätzlich 30 000 mehrjährige Jobs - wenn die interessierten Länder sich beteiligen, vielleicht noch einmal 20 000 - zu schaffen. Ich glaube, in diesem Haus ist das Bundesprogramm aus der vergangenen Legislaturperiode „Perspektive 50 plus - Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ bekannt, das mit 250 Millionen Euro ausgestattet ist. Schließlich verweise ich auch auf das Programm zur Weiterbildung gering qualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen, für das im Eingliederungstitel 200 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Wir haben mit unseren rentenpolitischen Entscheidungen dazu beigetragen, dass die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab 2006 stufenweise von 60 auf 63 Jahre angehoben wird und dass Übergangsregelungen beim Abschlag einzubeziehen sind. Mit dem Rentenreformgesetz von 1999 fallen die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit und die Altersrente für Frauen für die 1952 und danach geborenen Versicherten weg. Ich glaube, damit wird deutlich, dass eine Vielzahl von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vorliegt, die der Wirtschaft, aber auch den Menschen ohne Arbeit zur Verfügung stehen. Das alles muss aber auch durch eine mentale Veränderung ergänzt werden. Deswegen gibt es unsere Initiative „Erfahrung ist Zukunft“, eine Initiative, die durch die Initiative „Neue Qualität der Arbeit“, INQA, ergänzt wird. Mit dem Initiativkreis „30, 40, 50 plus - Älterwerden in Beschäftigung“ wollen wir gemeinsam mit den Akteuren am Arbeitsmarkt ein Klima erzeugen, in dem sich die Wirtschaft gegenüber der Integration älterer Arbeitssuchender wieder offener verhält.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Schewe-Gerigk, Ihre Nachfrage bitte.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade selbst gesagt, dass viele der Maßnahmen, die Sie genannt haben, bereits unter Rot-Grün beschlossen wurden; allerdings haben sie keine positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungssituation Älterer gehabt. Ich frage Sie vor diesen Hintergrund: Halten Sie es in Anbetracht der Erhöhung des Renteneintrittsalters und der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens für sinnvoll, dass die Weiterbildung Älterer bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 47 SGB III zum Ende dieses Jahres auslaufen soll?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich habe gerade ausgeführt, dass wir eine Vielzahl von Programmpunkten haben. Wir befinden uns jetzt in einer Phase des Überlegens, wie wir das SGB II optimieren können, welche Änderungen wir vornehmen sollten. Wir werden mit der Arbeitsagentur über die unterschiedlichen Erfahrungen mit den Arbeitsförderprogrammen sprechen und uns das im Einzelnen anschauen; es gibt Evaluationen zu Hartz I bis III. Vor diesem Hintergrund wird es - wir müssen uns das so vorstellen, als sprächen wir über zwei Seiten einer Medaille - im Zusammenhang mit der politischen Entscheidung, das gesetzliche Renteneintrittsalter von 2012 ab bis zum Jahr 2029 schrittweise zu erhöhen - ich weise noch einmal auf diesen langen Zeitraum hin -, eine Initiative „50 plus“ mit Aktivitäten zur Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Menschen in den Betrieben geben. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass zurzeit nur 39 Prozent der über 55-Jährigen in deutschen Unternehmen einen Arbeitsplatz finden. Wir wollen nicht, dass das Bild entsteht, als würde man in unserer Gesellschaft ab 50 Jahren zum alten Eisen gehören. Auch die deutsche Wirtschaft wird angesichts des demografischen Wandels im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit auf die Kompetenz, die Erfahrung und das Wissen der Älteren im Betrieb angewiesen sein. Deswegen muss im Rahmen unserer Überlegungen auch eine Diskussion darüber angeregt werden, was konkret in den Bereichen Arbeitsschutz, Weiterbildung und Qualifizierung gemacht werden kann und wie das parallel dazu zusammen mit den Tarifvertragsparteien durch tarifvertragliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen ergänzt werden kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, nur 39 Prozent der über 55-Jährigen seien in deutschen Unternehmen noch beschäftigt. Was ist die Zielstellung der Bundesregierung? Hält sie 60 oder 70 Prozent für angemessen? Welche Zahl muss erreicht werden, damit in Ihrem Sinne eine nachhaltige Verbesserung eintritt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kolb, aufgrund der rentenpolitischen Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben, konnte vom Jahr 2003 auf das Jahr 2004 das Renteneintrittsalter bei den normalen Altersrenten weiter auf etwa 63 Jahre gesteigert werden. Das ist ein Erfolg. In der Vergangenheit lag das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren. Wenn man jetzt Zielmarken setzt und das Ziel nicht erreicht, wird nur wieder darüber diskutiert, dass nichts erreicht wurde. Wir wollen den Prozentsatz erhöhen. Das ist unser fester Wille. Wir wollen, dass die Älteren mit ihrer Erfahrung und ihrer Kompetenz in den Betrieben einen Platz haben. Wir wollen über die 39 Prozent kräftig hinauskommen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Schewe-Gerigk, haben Sie noch eine Nachfrage oder können wir zur nächsten Frage kommen?

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine Nachfrage.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich möchte direkt anschließen. Die Bundesregierung hat sich im Lissabonprozess verpflichtet, den Anteil der Beschäftigten bei den über 55-Jährigen von, wie Sie gerade gesagt haben, jetzt 39 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. Das entspricht immerhin 1 Million Arbeitsplätzen für über 55-Jährige. Glauben Sie, dass die Maßnahmen, die Sie gerade vorgeschlagen haben, ausreichen - Sie haben selbst gesagt, dass es die Evaluation von Hartz I bis Hartz III gegeben hat, sie ist sehr negativ ausgefallen -, oder sind Sie nicht der Meinung, dass noch weitere Anstrengungen notwendig sind?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Lissabonstrategie ist bis weit über das Jahr 2010 ausgerichtet. Alle sind aufgefordert, sich anzustrengen, um diese Größenordnung zu erreichen. Das wird natürlich von der Lage in den jeweiligen Jahren abhängig sein. Ich habe schon deutlich gemacht: Es gibt noch mehr zu tun. Wir müssen überlegen, wie wir hinsichtlich der längeren Teilnahme am Arbeitsprozess die Älteren qualifizieren und fit halten können, damit sie den ständig steigenden Herausforderungen gewachsen sind. Seitens der Tarifvertragsparteien muss noch viel getan werden. Wir werden mit ihnen darüber sprechen. Darüber hinaus müssen wir überlegen, welcher gesetzlichen Regelungen es bedarf. Nun möchte ich noch Folgendes ansprechen. Der Evaluationsbericht darf natürlich kritisch gelesen werden. Aber von Beispielen wie den Personal-ServiceAgenturen oder den Bildungsgutscheinen, die negativ beurteilt wurden, gleich auf den ganzen Bericht zu schließen, ist falsch. Die Bundesagentur für Arbeit befindet sich in einem großen Reform- und Umorganisationsprozess, an dem sich die Beschäftigten mit großem Engagement beteiligen, sodass für die Arbeitsuchenden eine gute Serviceleistung geboten werden kann, die Schritt für Schritt noch verbessert wird. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Das bedeutet auch einen Fortschritt für die älteren Menschen, die auf Integration in den Arbeitsmarkt warten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen jetzt zu Frage 24, ebenfalls der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk: Wie sieht die Bundesregierung die Verlängerung der 58erRegelung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angesichts der geplanten Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und einer damit einhergehenden Notwendigkeit der besseren Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin, ich vermute, dass Sie mit dem Begriff „58er-Regelung“ die Vorschriften des § 428 SGB III meinen. Nach dieser Regelung können ältere Arbeitslose, anders als alle anderen Arbeitslosen, auch dann Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie nicht mehr bereit sind, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, weil sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden möchten. Im Gegenzug verpflichten sich die Betroffenen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt in eine so genannte abschlagsfreie Altersrente zu wechseln. Die Regelung ist nach der Verlängerung ihrer Geltungsdauer durch das Fünfte SGB -III-Änderungsgesetz bis Ende 2007 befristet. Verzeihen Sie mir, aber von daher besteht kein Zusammenhang mit der Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ab dem Jahr 2012. Ein Ende des Jahres 2007 entstehender Anspruch auf Arbeitslosengeld eines älteren Leistungsempfängers ist im Laufe des Jahres 2009 erschöpft.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ihre Zusatzfrage, Frau Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade selbst gesagt, dass Sie die Öffentlichkeit motivieren und ein anderes Bild der älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt schaffen wollen. Finden Sie es vor diesem Hintergrund nicht kontraproduktiv, in der gleichen Woche zu sagen, dass das Renteneintrittsalter - natürlich langfristig - erhöht wird und die Regelung, nach der die Älteren frühzeitig ausscheiden können und ihre Ansprüche behalten, beibehalten wird, auch wenn das jetzt erst einmal befristet ist? Man weiß ja nicht, wie die nächste Befristung aussehen wird.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Sie wissen, dass wir diese Entscheidung vor den Entscheidungen getroffen haben, die jetzt für die Rentenpolitik maßgeblich sind. Dies geschah relativ zeitnah nach der Verabschiedung des Koalitionsvertrages. Hier geht es auch darum, für die Menschen an dieser Stelle verlässlich zu bleiben, daran festzuhalten und gleichzeitig mit allen möglichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, daran zu arbeiten - ich habe das gerade ausgeführt -, dass die Älteren in der Gesellschaft in den Betrieben hier in Deutschland Arbeit finden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Schewe-Gerigk, Sie haben keine weitere Zusatzfrage. Wir wechseln in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Der Kollege Gernot Erler steht als Staatsminister zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Norbert Paech von der Fraktion Die Linke auf: Stimmt die Bundesregierung mit US-Präsident George W. Bush darin überein, dass im Konflikt um das iranische Atomprogramm alle Optionen auf dem Tisch liegen und die letzte der Optionen die militärische Option ist ({0}), und, wenn ja, inwieweit ist die Bundesregierung bereit, die US-Regierung bei allen Optionen - einschließlich der von Präsident George W. Bush genannten militärischen - aktiv oder passiv zu unterstützen?

Not found (Gast)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Dr. Paech, die Bundesregierung hat im Bundestag zu dem hier angesprochenen Fragekomplex in jüngster Zeit wiederholt Stellung genommen, zuletzt in meinem Debattenbeitrag in der Aktuellen Stunde am 26. Januar 2006 bzw. bei der Beantwortung Ihrer schriftlichen Fragen am 31. Januar 2006. Die Bundesregierung stellt aber gerne nochmals klar, dass sie zur Lösung des iranischen Nuklearproblems gemeinsam mit ihren Partnern am Ziel einer diplomatischen Lösung im multilateralen Rahmen festhält. Die Vereinigten Staaten unterstützen diese Vorgehensweise, die unter anderem in der zwischen den drei EU-Staaten, den Vereinigten Staaten, Russland und China abgestimmten Position für den Sondergouverneursrat am 2. Februar 2006 zum Ausdruck gekommen ist. Wie Sie wissen, ist diese Position am 4. Februar 2006 von dem Gouverneursrat mit großer Mehrheit angenommen worden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Paech, haben Sie eine Zusatzfrage?

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Erler, herzlichen Dank, aber Sie wissen auch, dass Präsident Bush, gestern sein Verteidigungsminister Rumsfeld, und erst heute Cheney immer wieder gesagt haben: Die Anrufung des UN-Sicherheitsrates schließt nicht aus, dass wir die gesamte Eskalationsbandbreite der Sanktionen bis hin zu militärischen Optionen durchschreiten. Meine Frage ist - deswegen bin ich hier so hartnäckig -: Wie stellt sich die Bundesregierung zum Weg der Öffnung des Sanktionskatalogs, den sie mit der Anrufung des Sicherheitsrates jetzt mit beschritten hat? Ist sie bereit, die Sanktionsskala bis hin zu den militärischen Interventionen, die die USA immer wieder andeutet, mitzugehen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, wir wissen, dass die Vereinigten Staaten in solchen Fällen in der Regel alle Optionen auf dem Tisch behalten. Wir sind aber der Überzeugung, dass die Möglichkeiten und die Chancen für eine diplomatische Lösung im Moment noch längst nicht ausgeschöpft sind. Wir bemühen uns weiter darum und beteiligen uns nicht an irgendwelchen Spekulationen darüber, was danach eventuell kommen könnte, wenn dieser Weg scheitert. Dabei wird die Bundesregierung auch bleiben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Paech, haben Sie eine weitere Nachfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 26: Stimmt die Bundesregierung mit der Einschätzung der US-Regierung überein, wonach Staaten auch deshalb nach dem Besitz von Atomwaffen streben, weil sie diese als das beste Mittel ansehen, um die konventionelle militärische Überlegenheit der USA zu überwinden ({0}), und, wenn ja, welche Konsequenzen hat dies für die Nichtverbreitungspolitik der Bundesregierung im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages? Bitte.

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Herr Kollege Dr. Paech, in der Sicherheitsstrategie der Europäischen Union gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wird festgestellt, dass Rüstungsprogramme in erster Linie auf Instabilität und Unsicherheit in bestimmten Regionen zurückzuführen sind. Dies ist auch die Einschätzung der Bundesregierung. Es geht daher im Grundsatz darum, politische Lösungen für die Probleme zu finden, die dem Streben nach Massenvernichtungswaffen zugrunde liegen. Dabei gilt die Erfahrung, dass Lösungen für komplexe Konfliktlagen, die eine intensive Befassung mit den Konfliktursachen erfordern, kurzfristig meist nicht zu erzielen sind. Die Bundesregierung berücksichtigt in ihren mit betroffenen Staaten geführten Gesprächen deren berechtigte Sicherheitsanliegen, wobei sie keinerlei Zweifel daran lässt, dass diese niemals eine Rechtfertigung für den Erwerb von Massenvernichtungswaffen sein können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben hierzu eine Nachfrage?

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dazu habe ich eine Nachfrage. Sie erinnern sich doch an die damalige NATO-Doktrin im Kalten Krieg. Es hieß damals: Wir in Europa fühlen uns konventionell unterlegen und die Antwort darauf kann nur sein, dass wir die Unterlegenheit durch den Besitz von Atomwaffen kompensieren. Wahrscheinlich haben auch Sie jetzt gelesen, dass die französische Verteidigungsministerin Alliot-Marie erklärt hat: Der Besitz von Atomwaffen ist die Garantie unserer Existenz und unserer Interessen. - Können Sie nicht nachvollziehen, dass andere Staaten, die seit längerer Zeit bedroht werden, ähnlich argumentieren, indem sie sagen: Nach den Erfahrungen mit Jugoslawien, Irak und Afghanistan ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, uns zu schützen, nach dem Besitz von Atomwaffen zu streben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, es gibt zum Glück auch ganz andere Erfahrungen. Es gibt durchaus die Erfahrung, dass Staaten, die schon dabei waren, Atomwaffen zu erwerben, überzeugt werden konnten, dass dies ein Irrweg ist. Ich spreche zum Beispiel von Staaten wie Brasilien oder Südafrika. Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen existiert. Wir sprechen im Kontext des iranischen Problems. Sie wissen, dass der Iran diesem Vertrag beigetreten ist. Das spricht nicht dafür, dass er die Absicht hat, wenn er es mit der Einhaltung dieses Vertrages ernst meint, irgendwelche konventionellen Überlegenheiten durch atomare Programme, deren Existenz er noch heute verneint, auszugleichen. Das Problem ist hier nicht die Disbalance zwischen konventioneller Überlegenheit und einer eventuellen atomaren Antwort darauf. Das Problem ist die Erfüllung eines internationalen Vertrages. Sie wissen, dass der Ausgangspunkt der jetzigen Krise die Tatsache ist, dass der Iran bis 2003, als dies von der IAEO entdeckt wurde, 18 Jahre lang gegen das so genannte Safeguards-Agreement verstoßen hat. Das hat also mit der generellen Frage, die Sie stellen, aus unserer Sicht sehr wenig zu tun.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine weitere Nachfrage, Herr Dr. Paech? Bitte schön.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da Sie den Atomwaffensperrvertrag selbst und seine Einhaltung ansprechen: Einer der Kernpunkte der Resolution des Gouverneursrats war, dass der Iran bedingungslos auf jede Art von Aktivitäten zu verzichten habe, die eine Urananreicherung möglich machen. Dies ist nach dem Atomwaffensperrvertrag keine rechtliche Verpflichtung. Im Gegenteil: Gerade dies wird den Staaten, die über keine Atomwaffen verfügen, vertraglich zugestanden. Sind Sie der Überzeugung, dass eine solche Bedingung, die offensichtlich, wie Herr Scharioth heute sagte, eine nicht verhandelbare Bedingung für weitere Verhandlungen darstellt, ein Weg ist, um das zu erreichen, was man erreichen will, dass nämlich der andere freiwillig darauf verzichtet?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, ich habe eben nicht umsonst die Vorgeschichte angesprochen. Es ist schwierig, die Bundesregierung zu fragen, warum das eine solch wichtige Forderung ist. Schließlich ist das Misstrauen nicht aufgrund der Forderung entstanden, die die westliche Welt und die internationale Staatengemeinschaft an die Führung des Iran gerichtet hat, sondern dadurch, dass der Iran - ohne dass er das bisher ausreichend erklärt hat, wie Herr al-Baradei immer wieder feststellen muss 18 Jahre lang gegen das Safeguards-Agreement verstoßen hat und heimliche Programme betrieben hat, die er offensichtlich verdecken wollte und die den Verdacht genährt haben, dass es hierbei doch um Programme geht, die mit möglichen künftigen Waffenprogrammen zu tun haben. Diese Frage muss sich insofern an den Iran richten. Es ist doch klar, dass die internationale Staatengemeinschaft im Hinblick darauf, dass der Iran 18 Jahre die Regeln nicht eingehalten hat, die technische Sicherheit für notwendig hält, dass in Zukunft keine Programme durchgeführt werden, die der Herstellung von Waffen dienen könnten. Das ist im Grunde die politische Erklärung für den gesamten Atomkonflikt mit dem Iran.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen zu Frage 27 der Abgeordneten Petra Pau, Die Linke: Wie gedenkt die Bundesregierung den Sonderermittler des Europarats, Dick Marty, bei seiner Aufklärungstätigkeit zu CIA-Gefangenenflügen über Europa, zur Existenz von geheimen Gefängnissen und Verschleppungen von Menschen weiter zu unterstützen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Pau, die Bundesregierung wird die an sie gerichteten Fragen selbstverständlich beantworten. Die Bundesregierung wird sich im Übrigen auch weiterhin für die Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit angeblichen CIA-Flügen und -Gefängnissen in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien einsetzen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich gehe davon aus, dass das die Antwort auf die Frage 27 war. ({0})

Not found (Gast)

Ganz richtig.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich frage deshalb, weil Sie von „Fragen“ in der Mehrzahl gesprochen haben. - Frau Pau, Ihre Nachfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Erler, dann frage ich noch einmal nach. Sie haben die zuständigen Gremien angesprochen. Ich nehme an, Sie meinen damit zunächst einmal das PKGr. Welchen Zugang hat aber der Ermittler des Europarats zu diesen Informationen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Pau, wie Sie wissen, hat der Ermittler des Europarates, Dick Marty, die nationalen Parlamente aufgefordert, ihrerseits Fragen an ihre jeweiligen Regierungen zu richten. Davon hat dieses Hohe Haus in intensiver Weise Gebrauch gemacht. Die Bundesregierung hat diese Fragen nach Kräften beantwortet. Das heißt, auf diese Weise ist genau das passiert, was Herr Marty wollte, nämlich dass ihm durch solche nationalen Aktivitäten zusätzliche Informationen - abgesehen von dem Bericht, den die Bundesregierung noch zu liefern hat zur Verfügung gestellt werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte sehr.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass Sie den Bericht, den die Bundesregierung dem Parlament bis zum 22. Februar vorlegen will, auch Herrn Marty zur Verfügung stellen, oder wird dieser Bericht wiederum in den geheim tagenden Gremien vorgelegt, aus denen nichts nach außen dringt?

Not found (Gast)

Ich muss Sie in einem Punkt korrigieren: Der Bericht ist bis zum 21. Februar vorzulegen. ({0}) Die Bundesregierung wird diesen Bericht nach gründlicher Vorbereitung pünktlich vorlegen. Alles Weitere, was mit diesem Bericht passiert, hat Herr Marty zu entscheiden. Er hat vor, die Berichte aus allen angeschriebenen Nationen in seinen Abschlussbericht einfließen zu lassen. Auf diese Weise werden sicherlich auch sehr viele Informationen an die Öffentlichkeit dringen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann kommen wir jetzt zur Beantwortung der Frage 28: Welche Informationen hat die Bundesregierung bisher für die Aufklärungsarbeit zur Verfügung gestellt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Pau, die Bundesregierung wird die offizielle Anfrage - wir kommen damit auf das zurück, was wir eben schon besprochen haben - des Generalsekretärs des Europarats, Terry Davis, nach Art. 52 der Europäischen Menschenrechtskonvention im Rahmen der gesetzten Frist - sie endet am 21. Februar - umfassend beantworten. Die Antworten der Regierungen sollen in den Abschlussbericht des Berichterstatters der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Dick Marty, einfließen. Darüber hinaus stellte Dick Marty den Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats mit Datum vom 19. Dezember 2005 eine Liste mit Fragen zu und regte an, dass die Mitglieder die Fragen zur Beantwortung an ihre jeweiligen Regierungen weiterleiten. Auch darüber haben wir eben schon gesprochen. Viele dieser Fragen finden sich in den Kleinen Anfragen sowie in schriftlichen und mündlichen Fragen an die Bundesregierung wieder. Die Bundesregierung hat diese Fragen durchweg beantwortet und damit auch zur Aufklärung beigetragen. Die Bundesregierung hat sich im Übrigen - das wird Sie vielleicht interessieren - in den zuständigen Gremien dafür eingesetzt, dass die von Dick Marty an Eurocontrol und an das EU-Satellitenzentrum gerichteten Fragen beantwortet werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Pau, Ihre Nachfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir haben im Zusammenhang mit meiner ersten Frage schon erörtert, dass Herr Marty die Parlamentarier in den nationalen Parlamenten aufgefordert hat, Fragen an ihre jeweilige Regierung zu stellen. Wie Sie wissen, werden aber zwei Drittel unserer Fragen zu diesem Themenkomplex von der Bundesregierung unter Verweis auf die Notwendigkeit der Geheimhaltung oder auf andere Interessen nicht beantwortet. Gibt es irgendeine Möglichkeit für Herrn Marty, trotz alledem an die Antworten zu kommen, die uns im Parlament nicht gegeben wurden?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, Ihnen ist sicherlich aufgefallen, dass das Parlamentarische Kontrollgremium nach gemeinsamen Beschlüssen - im Gegensatz zur früheren Praxis Staatsminister Gernot Erler die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Beratungen mehrfach unterrichtet hat. Diese Unterrichtungen stehen natürlich auch Herrn Marty - darin bin ich ganz sicher zur Verfügung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Pau, Sie haben keine weitere Nachfrage. - Der Kollege Gehrcke hat eine Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, ich will mich nur noch einmal vergewissern, ob ich das richtig verstanden habe. Sie werden bis zum 21. Februar den von Herrn Marty angeforderten Bericht vorlegen und die Fragen beantworten. Dann steht es Herrn Marty frei, in seinem Bericht das, was Sie geantwortet haben, öffentlich zu machen. Das heißt doch, dass das, was im Plenum des Deutschen Bundestages nicht öffentlich gemacht werden konnte, über den Bericht von Herrn Marty öffentlich wird. Können Sie mir das erklären?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, ich kann Ihnen nur erklären, wie genau das vom Europarat vorgesehene Verfahren ist. Herr Davis als Generalsekretär des Europarates bekommt von den angeschriebenen Ländern - ich hoffe: von allen - rechtzeitig zum 21. Februar die Berichte. Ihm steht dann völlig frei, wie er mit diesen Berichten verfährt. Vorgesehen ist, dass Herr Marty der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Abschlussbericht vorlegt, der auch diese Berichte nach Art. 52 berücksichtigen kann. Aber was er von den Berichten einfließen lässt, liegt allein in seiner Verantwortung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich rufe nun die Frage 29 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Ist die Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim Empfang des Diplomatischen Korps - laut Meldung des „Handelsblatts“ vom 1. Februar 2006 -, dass „der Kampf gegen den Terrorismus den Einsatz aller politischer, wirtschaftlicher und, wenn nötig, als Ultima Ratio auch militärischer Mittel verlangt - unter dem Dach, wenn immer möglich, der Vereinten Nationen“, so zu verstehen, dass ein gültiges Mandat der Vereinten Nationen für die Bundesregierung nicht mehr unabdingbar für eine Entscheidung über einen Militäreinsatz ist? Bitte, Herr Erler.

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede vor dem Diplomatischen Korps hervorgehoben, dass militärische Mittel im Kampf gegen den Terrorismus nur als Ultima Ratio in Betracht kommen. Im Übrigen lässt die Befugnis des UN-Sicherheitsrates, Zwangsmaßnahmen nach Kap. VII zu beschließen, das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung unberührt. Das steht ausdrücklich in Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine Nachfrage? - Herr Kollege Gehrcke, bitte.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, das Wort „nur“ haben Sie eingefügt. Das Zitat lautet anders. Meine Frage ist: Die Mehrheit der Völkerrechtler sagt, dass eine Militäraktion - um so etwas handelt es sich ja - ohne ein Mandat der Vereinten Nationen völkerrechtswidrig ist. Es geht hier nicht um Verteidigung und ist auch nicht auf Verteidigung beschränkt. Kann ich daraus schlussfolgern, dass sich die Bundesregierung den Bruch des Völkerrechtes als Möglichkeit offen hält?

Not found (Gast)

Selbstverständlich richtet sich die Bundesregierung in all ihren Aktivitäten nach den Regeln des Völkerrechtes. Aber, Herr Kollege Gehrcke, zur Klärung des Sachverhaltes: Ich möchte Sie an die Situation nach dem 11. September 2001 erinnern. Es waren nicht staatliche Akteure, die die schrecklichen Terroranschläge in Washington und New York durchgeführt haben. Einen Tag danach hat der UN-Sicherheitsrat darüber beraten und festgestellt - das hat den Charakter der Setzung einer völkerrechtlichen Norm -, dass solche Angriffe von nicht staatlichen Akteuren mit einem klassischen Angriff von einem Land auf ein anderes gleichgesetzt werden müssen, was damit ein Selbstverteidigungsrecht der Vereinigten Staaten auslöst. In späteren Resolutionen hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dies bestätigt, und zwar auch im Zusammenhang mit der Wahrnehmung dieses Rechts, was im Afghanistankrieg der Fall war. Die von Ihnen unterstellte Trennung zwischen den Herausforderungen des Terrorismus und den Angriffen von einem Land auf ein anderes gibt es seit dem 11. September 2001 also nicht mehr. Im Gegenteil: Durch die Vereinten Nationen ist ausdrücklich festgestellt worden, dass ein Terrorangriff genauso das Recht auf Selbstverteidigung auslösen kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie noch eine Nachfrage?

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Selbstverständlich.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön, Herr Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, ich frage noch einmal gezielt nach: Selbst in dem Fall, den Sie unterstellen und den wir immer kritisiert haben, gab es eine Entscheidung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Frau Merkel hat formuliert: Militäreinsätze als Ultima Ratio; wenn immer möglich, mit Mandat. - Das heißt aber auch, wenn es nicht möglich ist, ohne Mandat, ohne Beschluss der Vereinten Nationen. Das ist die Logik der Aussage von Frau Merkel. Ist das wirklich der Ernst der Bundesregierung? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, damit hat sich Frau Bundeskanzlerin Merkel völlig im Rahmen des Völkerrechts bewegt, weil es - darauf muss ich noch einmal hinweisen nicht nur die Möglichkeit der Mandatierung von Gewaltanwendung durch die Vereinten Nationen gibt, sondern auch das ganz normale Selbstverteidigungsrecht. Bei einem Angriff von außen gilt dieses Recht, auch ohne dass es extra einen Beschluss der Vereinten Nationen gibt. Das steht ausdrücklich in Art. 51 der UN-Charta. Darauf beziehen sich die Äußerungen der Bundeskanzlerin.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Wolfgang Gehrcke von der Fraktion Die Linke auf: Sind diese Aussagen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auch im Hinblick auf den Konflikt mit dem Iran zu verstehen und bedeutet dies, dass die Bundesregierung den Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio gegen den Iran erwägt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, ich verweise - das erwarten Sie sicher nicht anders - auf meine Antwort auf Frage 25 des Kollegen Dr. Paech. Die Bundesregierung hat zur Frage einer militärischen Option zur Lösung der iranischen Nuklearproblematik in jüngster Zeit wiederholt Stellung genommen. Im Bundestag habe ich das in der Aktuellen Stunde am 26. Januar 2006 und zuletzt in Beantwortung der Fragen des Kollegen Dr. Paech am 31. Januar 2006 getan. Die Bundesregierung hält in Bezug auf das iranische Nuklearprogramm am Ziel einer diplomatischen Lösung im multilateralen Rahmen fest. Es kommt jetzt darauf an, die zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel klug und mit möglichst breiter Unterstützung der internationalen Gemeinschaft anzuwenden. Da hat es in der letzten Woche ja einige positive Entwicklungen gegeben. An Spekulationen über militärische Optionen beteiligt sich die Bundesregierung nicht.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zusatzfrage?

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Herr Staatsminister, ich unterstreiche das Wort „klug“, das Sie verwendet haben. Halten Sie es für klug, inmitten eines sehr zugespitzten Konfliktes - Raum und Zeit spielen ja in der Politik eine beachtliche Rolle eine solche Rede mit einem Wortlaut zu halten, aus dem andere Staaten entnehmen könnten - ich betone den Konjunktiv -, dass sie davon betroffen sind? Das bringt doch immer eine Zuspitzung mit sich. Würden Sie das unter den Begriff „klug“ fassen wollen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, Sie unterstellen, dass ich die Frage, die Sie eben gestellt haben, mit Ja beantwortet hätte, nämlich dass sich diese Äußerungen der Bundeskanzlerin vor dem Diplomatischen Korps auf den Irankonflikt beziehen. Das habe ich ausdrücklich nicht getan. Dadurch ist auch Ihre jetzige Nachfrage gegenstandslos.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre weitere Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Darf ich Sie fragen, ob Sie Verständnis dafür hätten, dass ein Staat eine solche Äußerung, die in Raum und Zeit steht, auch wenn sie sich nicht auf den Iran bezogen haben sollte, so hätte verstehen können?

Not found (Gast)

Ich hege eine große Bewunderung für Ihre Sensibilität gegenüber unseren iranischen Verhandlungspartnern. Ich unterstelle auch, dass die iranischen Kollegen in der Lage sind, eine solche Rede zu lesen und die Zusammenhänge zu begreifen. Wenn Sie die Rede der Bundeskanzlerin nachvollziehen, so stellen Sie fest, dass daraus deutlich hervorgeht, dass sich diese Passage nicht auf den Iran bezog, sondern auf die allgemeine Herausforderung durch terroristische Aktivitäten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Erler, man kann in Bezug auf den Iran auch noch eine andere Sensibilität haben. Er ist von einer Reihe von Staaten, die nuklear bewaffnet sind, umgeben und auch von einer Reihe von Staaten, in denen die USA militärisch stark präsent sind. Seit 2002 zählt der Iran ebenso wie der Irak zu der „Achse des Bösen“ und wird bedroht. In dieser Situation hat der Iran verschiedentlich einen Gewaltverzicht von den USA gefordert. Großbritannien und Frankreich haben den Gewaltverzicht im August 2005 ausgesprochen. Die USA weigern sich, dem nachzukommen. Können Sie verstehen, dass eine wesentliche Bedingung für eine friedliche Lösung sein könnte, dass die USA einen Gewaltverzicht gegenüber dem Iran aussprechen? Wäre die Bundesregierung bereit und in der Lage, auf die USA dahin gehend einzuwirken, dass sie gegenüber dem Iran einen Gewaltverzicht aussprechen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, die Position der Europäer und damit auch Deutschlands ist in dem Vorschlag, der am 5. August letzten Jahres schriftlich gegenüber der iranischen Führung vorgelegt worden ist, deutlich sichtbar. Leider hat der Iran das breite Angebot sehr brüsk ausgeschlagen. Zwei Punkte dieses Angebots stehen in einem Zusammenhang mit Ihrer Frage: Erstens. Es wurde eine politische Unterstützung für den Plan einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten zugesagt. Zweitens. Es wurde auch die Bereitschaft bekundet, mit dem Iran über Sicherheitsfragen weiterzuverhandeln. Das schließt all das, was Sie hier gesagt haben, ein. Damit ist die Position der Bundesregierung in der richtigen Weise und in erkenntlicher Weise ausgedrückt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wie ich sehe, gibt es keine weiteren Zusatzfragen zu diesem Geschäftsbereich. Herr Staatssekretär, ich darf mich für die Beantwortung der Fragen bedanken. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage 31 des Abgeordneten Jerzy Montag und die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Lutz Heilmann, Fraktion Die Linke, auf: Sind die laut „Lübecker Nachrichten“ vom 29. Januar 2006 in Schleswig-Holstein aufgetretenen Probleme mit der seit Monaten nicht erfolgenden Auszahlung des Kindergeldes an mindestens 1 500 Familien auch in anderen Bundesländern aufgetreten und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, damit die Auszahlungsprobleme schnellstmöglich und nicht erst, wie von der Familienkasse in Schleswig-Holstein angekündigt, im Sommer behoben werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Heilmann, die Bundesregierung ist über die längere Zeit der Bearbeitung von Anträgen auf Kindergeld in verschiedenen Bundesländern informiert und hat die zuständigen Stellen aufgefordert, die Probleme schnellstmöglich zu beheben. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit liegt der Grund für die längeren Bearbeitungszeiten in der Umstrukturierung der Familienkassen, nämlich in der Einrichtung einer „Besonderen Dienststelle Familienkasse“ mit der Direktion in Nürnberg einerseits und den örtlichen Familienkassen andererseits unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit, sowie in der Zusammenlegung verschiedener Familienkassen einschließlich der Neueinrichtung von Servicecentern. Die Reduktion der Anzahl von Familienkassen entspricht den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs. Die Bundesagentur für Arbeit hat mit den örtlichen Familienkassen ein Maßnahmenpaket erarbeitet, um die Bearbeitungsrückstände abzubauen und die laufende Bearbeitung sicherzustellen. Insbesondere sind den örtlichen Familienkassen Ermächtigungen zur Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskräfte erteilt worden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Maßnahmen zu einem deutlichen Abbau der Bearbeitungsrückstände führen. Zahlreiche Familienkassen konnten diese mittlerweile abbauen und ihre Kindergeldangelegenheiten erledigen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, inwieweit Sozialhilfeempfänger und ALG-Empfänger davon betroffen sind?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Heilmann, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen allerdings sagen, dass sowohl die Bezieher von Sozialhilfe als auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II einerseits das Kindergeld bekommen, welches dann andererseits auf diese Transferleistungen angerechnet wird. Sofern sie dieses Kindergeld nicht bekommen, können sie beim Leistungsträger den Antrag stellen, Zahlungen ungekürzt zu erhalten. Etwaige Nachzahlungen des Kindergeldes, die ihnen später zur Verfügung stünden, müssten sie dann an den Leistungsträger abführen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Zusatzfrage.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Diese Problematik ist mir bekannt; sie wurde an mich herangetragen. Meinen Sie, dass es der richtige Ansatz ist, die Betroffenen auf den Rechtsweg zu verweisen? Sie müssen dann Widerspruch einlegen usw. usf. Könnte es nicht eine kurzfristige Hilfe für die Betroffenen geben? Denn Sie wissen ganz genau, dass man im Osten im Monat von 331 Euro und im Westen von 345 Euro leben muss. Ich denke, es sollte eine unbürokratische Hilfe erfolgen. Es wäre nicht gut, wenn Rechtsstreitigkeiten vor Sozialgerichten ausgetragen werden müssten.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich stimme Ihnen prinzipell zu. Es ist allerdings wirklich so, dass Kindergeld nur dann auf die anderen Leistungen angerechnet werden kann, wenn es denn auch tatsächlich zufließt. Ich werde der Sache nachgehen und klären, ob das für die Fälle, in denen die Familienkassen noch nicht in der Lage sind, das Kindergeld rechtzeitig auszuzahlen, allgemein geregelt werden kann. Ich sagte Ihnen allerdings schon, dass die Rückstände in den meisten Fällen bereits aufgearbeitet sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten HansJosef Fell von der Fraktion der Grünen auf: Welche Stellen in den Bundesministerien der Finanzen und für Wirtschaft und Technologie sowie im Bundeskanzleramt werden von Mitarbeitern der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, besetzt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fell, die Bundesregierung beschäftigt im Bundeskanzleramt, im Bundesministerium der Finanzen und im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie insgesamt sieben Mitarbeiter der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Im Einzelnen sind das zwei Mitarbeiter in der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik im Bundeskanzleramt, zwei Mitarbeiter in der Abteilung Finanzmärkte im Bundesministerium der Finanzen sowie im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zwei Mitarbeiter in der Abteilung Mittelstandspolitik und ein Mitarbeiter in der Abteilung Außenwirtschaftspolitik.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, Herr Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die detaillierte Auskunft. - Mich würde zusätzlich noch interessieren, ob die Aufgaben, die von diesen Mitarbeitern erledigt werden, auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben stehen, die die Bundesregierung sieht, um beispielsweise das ERP-Sondervermögen in die Hände der KfW zu legen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege, es geht in diesem Fall nicht darum, sondern darum, dass die Mitarbeiter der KfW sozusagen die andere Seite kennen lernen. Die KfW ist, wie Sie wissen, die Förderbank des Bundes und wird im Auftrag der Bundesregierung tätig, im Wesentlichen natürlich im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft. Sie wickelt allerdings auch Programme im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit ab. Es geht eben darum, dass die Mitarbeiter dieser öffentlichen Förderbank gleichsam die andere Seite kennen lernen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, Sie können damit also auch definitiv ausschließen, dass hier eine Verquickung von Interessen der KfW-Mitarbeiter in den Ministerien und Belangen der KfW besteht, weil die Mitarbeiter nicht im Zusammenhang mit diesen Belangen eingesetzt werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Herr Kollege, ich kann ausschließen, dass es zu Interessenkonflikten kommt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich die Frage 36 des Kollegen Fell auf: Geht die Bundesregierung weiterhin wie in ihrer Antwort in Bundestagsdrucksache 15/3625 auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Zukunft des ERP-Sondervermögens“ davon aus, dass eine Kernkapitalerhöhung der KfW nicht erforderlich ist, um weitere Platzhaltergeschäfte im Rahmen von Privatisierungen, etwa der Deutschen Bahn AG, absichern zu können?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wie bereits in der Antwort in einer Bundestagsdrucksache aus der letzten Legislaturperiode, der Drucksache 15/3625, erläutert, steht die ERP-Neuordnung in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Platzhaltergeschäften des Bundes mit der KfW. Diese Platzhaltergeschäfte sind auch ohne die ERP-Neuordnung möglich.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Es gibt keine Zusatzfragen. Nun kommen wir zur Frage 37 der Kollegin Britta Haßelmann: Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Alleinverdienerehen durch das Ehegattensplitting und die Steuerprogression gegenüber Doppelverdienern und Alleinerziehenden bereits steuerliche Vorteile genießen, sodass zusätzliche Abzugsmöglichkeiten für die Betreuung ihrer drei- bis sechsjährigen Kinder eine zusätzliche Bevorzugung darstellen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Haßelmann, das Splittingverfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehegatten nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz orientierte sachgerechte Besteuerung. Dadurch wird den Ehegatten die freie Entscheidung darüber ermöglicht, ob nur ein Ehepartner einen möglichst hohen Beitrag zum Familieneinkommen erwirtschaften will, während der andere Partner den Haushalt führt, oder ob beide Partner sowohl im Haushalt als auch im Beruf tätig sein wollen, ohne eine ertragsteuerliche Schlechterstellung befürchten zu müssen. Das Ehegattensplitting kommt unabhängig davon zur Anwendung, ob die Ehegatten Kinder haben oder nicht, während die geplanten Abzugsmöglichkeiten nur Ehegatten mit Kindern entlasten sollen, deren Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Ehegatten ohne Kinder geringer ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gern, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Ausführungen zum Ehegattensplitting. Das ist ja ein sehr komplizierter Sachverhalt. Meine Frage richtete sich aber eher darauf, inwieweit durch das neue Absetzbarkeitsmodell, das jetzt in der Diskussion ist, Alleinverdienerehen/-familien durch bestehende steuerliche Möglichkeiten wie das Ehegattensplitting und die neuen Maßnahmen besser gestellt werden als Doppelverdienerinnen und Doppelverdiener. Mir ist durchaus geläufig, wie das Modell Ehegattensplitting wirkt, auch in Bezug auf die unterschiedlichen Steuerklassen. Ich bitte Sie, auf meine Nachfrage einzugehen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Da es hier um die steuerliche Förderung der Betreuung von Kindern bzw. die steuerliche Entlastung der Betreuungskosten geht, spielt das Ehegattensplitting keine große Rolle; denn das Ehegattensplitting wird, wie ich Ihnen gerade schon sagte, unabhängig davon gezahlt, ob die Ehepartner Kinder haben oder nicht. Das Gesetz, das in der nächsten Woche in diesem Hause eingebracht und in erster Lesung beraten wird, sieht für Eltern, die beide berufstätig sind, weitaus umfangreichere Fördermöglichkeiten vor. Zwei Drittel der anfallenden Betreuungskosten für Kinder vom ersten bis zum 14. Lebensjahr sind bis zu einem Höchstbetrag von 4 000 Euro steuerlich abzugsfähig. Ebendiese Förderung wird für Alleinverdienerehepaare, bei denen davon auszugehen ist, dass einer der beiden Elternteile zu Hause bleibt, lediglich für Kinder von drei bis sechs Jahren vorgesehen. Die Förderung erfolgt vor dem Hintergrund der erfahrbaren Lebenswirklichkeit, dass auch in solchen familiären Konstellationen, in denen sich einer der beiden Ehepartner dafür entschieden hat, für eine gewisse Zeit auf Berufstätigkeit zu verzichten, gleichwohl Wert darauf gelegt wird, dass den Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren eine frühkindliche außerschulische Betreuung und Bildung zuteil wird, die möglicherweise sonst zu Hause nicht in der Weise erfolgen könnte, zumal wenn nur sehr kleine Geschwisterkinder da sind, mit denen ein Bildungsaustausch noch nicht möglich ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, Frau Präsidentin, habe ich. Das haben Sie sich sicherlich auch schon gedacht, Frau Hendricks. Denn es gibt ja viel Nebel. Die Pressesprecherin des Familienministeriums hat bereits öffentlich bestätigt, dass es zur Besserstellung bzw. Bevorzugung von Alleinverdienerehen kommt. Von daher irritiert mich doch, dass jetzt keine präzise Antwort bezüglich der Aussagen von Finanzministerium und Familienministerium möglich ist. Deshalb eine zweite Nachfrage - vielleicht führt diese zu einer Antwort -: Wie verteilen sich die 460 Millionen Euro, die demnächst im Rahmen dieses Gesetzes beschlossen werden, auf die Alleinverdienerehen und die Doppelverdienerehen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Haßelmann, zunächst muss ich Ihnen widersprechen. Es gibt durchaus keinen Dissens zwischen dem Bundesministerium für Familie und dem Bundesministerium für Finanzen. Ihre Frage, die ich Ihnen gerade beantwortet habe, richtete sich darauf, ob Alleinverdienerehepaare im Verhältnis zu Doppelverdienerehepaaren bevorzugt werden. Ich habe Ihnen erläutert, dass dies nicht zutrifft; denn bei den Paaren, bei denen beide berufstätig sind, können die Betreuungskosten von Geburt des Kindes an bis zum 14. Lebensjahr gefördert werden, wohingegen dies bei Alleinverdienerehepaaren nur für Kinder im Alter von drei bis sechs Lebensjahren der Fall ist. Eine Bevorzugung von Alleinverdienerehepaaren im Verhältnis zu Doppelverdienerehepaaren findet also nicht statt. Allerdings werden die Alleinverdienerehepaare im Verhältnis zu dem, was die Koalition in der Zwischenzeit angedacht hatte und was im Gespräch war, besser gestellt. Nur insofern erfolgt eine Besserstellung; darauf möchte ich hinweisen. Angaben darüber, wie das Geld auf Alleinverdienerehepaare und Doppelverdienerehepaare bzw. allein erziehende Elternteile, die genauso behandelt werden wie Eltern, die beide berufstätig sind, aufgeteilt wird, liegen uns nicht vor.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen damit zur Frage 38 der Kollegin Britta Haßelmann: Inwieweit geht die Bundesregierung davon aus, mit der Neuregelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten ihr ursprüngliches Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen in Privathaushalten erreichen zu können?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die verbesserte Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten stärkt den privaten Haushalt und die Familie als Arbeitgeber. Die Anstellung von Kinderfrauen und die Beauftragung selbstständiger Tagesmütter werden steuerlich attraktiv. Es wird ein Anreiz gegeben, bestehende Betreuungsdienstleistungen, die bisher „schwarz“ erfolgten, zu legalisieren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, mich würde Folgendes interessieren: Gibt es Planungen in Ihrem Haus oder im Kabinett insgesamt, dem einen Drittel der Familien, das von dieser steuerlichen Möglichkeit keinen Gebrauch machen kann, weil es keiner Steuerpflicht unterliegt, kinder- oder familienpolitische Maßnahmen in anderer Form als positive Unterstützung zukommen zu lassen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Haßelmann, es ist Ihnen sicher bekannt, dass die existierenden Kinderbetreuungseinrichtungen, die von kommunalen oder freigemeinnützigen Trägern wie den Kirchen unterhalten werden, auf der Basis bestehender Kindergartengesetze der Länder im Regelfall nach Einkommen gestaffelt Beiträge erheben. Insofern sind die Menschen mit Transfereinkommen oder ohne eigenes Einkommen meistens von den Kosten sogar vollständig befreit. Die Menschen mit geringerem Einkommen zahlen entsprechend geringere Beiträge. Auf diese Weise besteht schon eine Förderung. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen - auch das sagt uns die Lebenswirklichkeit -, dass Menschen mit geringerem Einkommen oder Menschen, die von Transfereinkommen leben, nicht in der Lage sein werden, Beschäftigungsverhältnisse in ihrem Haushalt zu begründen. Dies liegt aber nicht an der mangelnden steuerlichen Förderung, sondern an der mangelnden Leistungsfähigkeit dieses Personenkreises.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine zweite Zusatzfrage?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, sehr gerne. - Frau Staatssekretärin, dieses Modell wird in erster Linie nicht als familienpolitisches Modell, sondern als Beschäftigungs-/Wachstumsprojekt dargestellt. Ich frage Sie: Wie kann innerhalb des neuen Modells, das zu mehr Beschäftigung führen soll, die Qualität der Kinderbetreuung, insbesondere nach PISA ein großes Thema, sichergestellt werden? Gibt es vonseiten der Bundesregierung geplante Maßnahmen, die auf Länder- und kommunaler Ebene greifen sollen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Haßelmann, zunächst möchte ich sagen, dass die Bundesregierung mit diesen Maßnahmen beide Zielrichtungen verfolgt. Die Koalitionsfraktionen sehen das genauso. Dabei ist aber nicht auszuschließen, dass je nach Fachgebiet die einzelnen Kolleginnen und Kollegen mehr den einen oder mehr den anderen Schwerpunkt setzen. Aber es werden beide Zielrichtungen verfolgt: Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Schaffung von Arbeitsplätzen. Was man aus persönlichem Interesse stärker in den Vordergrund rückt, mag dahingestellt sein. Wie ich schon eben ausführte, wird es zusätzliche Arbeitsplätze in privaten Haushalten nicht in sehr großem Umfang geben können. Damit dies der Fall wäre, müssten mehr Menschen ein entsprechend hohes Einkommen haben. Die steuerlichen Förderungen alleine reichen dafür nicht aus. In den bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland gibt es zurzeit rund 400 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Es ist natürlich wichtig und sinnvoll, diese Arbeitsplätze zu sichern. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung neigen manche Kommunen oder freigemeinnützige Träger dazu - das wissen Sie alle -, bestehende Kindergartengruppen zu schließen. Aufgrund der neuen Förderung ist es nun möglich, auch jüngere Kinder aufzunehmen. In den Einrichtungen werden bestehende Arbeitsplätze also zumindest gesichert; vielleicht kann die Anzahl der bestehenden Gruppen sogar erhöht werden. Die Qualitätsoffensive ist eine Frage des Kinder- und Jugendrechtes. Sie wissen, dass das Jugendschutzgesetz ein Bundesrecht ist und als allgemeine Rahmengesetzgebung dient. Die Ausführung allerdings liegt bei den Ländern und Kommunen. Ich bin sicher, dass die Länder, die im Rahmen unserer föderalen Ordnung einen großen Wert auf ihre Zuständigkeit für die Bildung legen, in Zusammenarbeit mit den ihnen zugeordneten Kommunen die bestehenden Kindergärten und anderen Tagesbetreuungseinrichtungen auch unter Qualitätsgesichtspunkten weiter ausbauen werden. Ich stimme mit Ihnen überein, dass in den vergangenen Jahren die frühkindliche Erziehung gegenüber dem Ziel des Ausbaus der Betreuung vielleicht etwas ins Hintertreffen geraten ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frage 39 der Kollegin Ekin Deligöz wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 40 des Kollegen Dr. Reinhard Loske: Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Biodiesel mit 10 Cent pro Liter und reine Pflanzenöle ohne Anteil von Mineralölen mit 15 Cent über die Mineralölsteuer besteuert werden sollten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Loske, nach dem Biokraftstoffbericht für das Jahr 2004, der im Juni 2005 dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurde, war Biodiesel im Jahr 2004 in Höhe von 5 Cent je Liter Reinkraftstoff und 10 Cent je Liter Beimischung überfördert. Auf die Überprüfung einer Überförderung von Pflanzenöl wurde aufgrund der seinerzeit noch geringen Markteinführung verzichtet. Als Folge dieser Feststellungen soll der Einstieg in die Besteuerung der Biokraftstoffe vollzogen werden. Der sich in der Abstimmung befindliche Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zum Energiesteuergesetz sieht Steuersätze in Höhe von 10 Cent je Liter reinen Kraftstoffs und 15 Cent je Liter Beimischung vor. Diese Steuersätze berücksichtigen neben der im Biokraftstoffbericht dargelegten Überförderung auch die seit dem 1. Januar 2005 gestiegenen Preise für fossilen Kraftstoff, welche zu einem entsprechenden Anstieg der Überkompensation geführt haben. Aus Sicht des BMF soll Pflanzenöl ebenfalls besteuert werden, da hier seit dem 1. Januar 2005 ein starker Marktzuwachs zu beobachten ist und eine Ungleichbehandlung und ungewollte Verschiebungen auf dem Kraftstoffmarkt vermieden werden müssen. Unter Berücksichtigung der Marktpreisentwicklung, der Kosten für den technischen Mehraufwand und des geringeren Energiegehaltes schlägt das Bundesministerium der Finanzen eine Besteuerung von 15 Cent je Liter Pflanzenöl vor, um eine Überkompensation zu vermeiden. Die Ergebnisse der Ressortabstimmung insbesondere zur Höhe der Steuersätze der einzelnen biogenen Kraftstoffe bleiben abzuwarten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Hendricks, Sie sagten, der Entwurf befinde sich noch in der Ressortabstimmung. Nun hat Staatssekretär Peter Paziorek aus dem Landwirtschaftsministerium sich dahin gehend geDr. Reinhard Loske äußert, dass das, was hier geplant sei, im Ergebnis dazu führe, dass die Branche einen schweren Rückschlag erleiden werde. Mich würde einmal interessieren, inwieweit diese Position die Positionsfindung in Ihrem Hause beeinflusst.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, diese Position ist zwar geäußert worden; da will ich Ihnen nicht widersprechen. Aber ich hatte eben von der Überförderung gesprochen. Sie müssen sehen: Bevor der fossile Kraftstoff teurer wurde, war er an den Tankstellen auch immer 10 Cent teurer als der Biodiesel. Seltsamerweise ist er immer noch 10 Cent teurer als der Biodiesel. Das heißt mit anderen Worten: Die Preisgestaltung bei den biogenen Kraftstoffen wurde nicht an deren Gestehungskosten orientiert, sondern an dem Abstand des an den Tankstellen zu erzielenden Preises. Das, was dort geschieht, nennt man im Regelfall einen Windfall-Profit; um den englischen Ausdruck zu benutzen. Sie profitieren also von den steigenden Preisen in einem anderen Marktsegment, was mit den Herstellungskosten der biogenen Kraftstoffe nichts zu tun hat. Ich bin sehr sicher - ich bin auch sicher, dass ich den Kollegen Paziorek aus dem Landwirtschaftsministerium noch überzeugen kann -, dass auch nach einer Festlegung eines Steuersatzes von 10 bzw. 15 Cent, wie ich ihn angesprochen habe, der Preisabstand weiter bei 10 Cent an der Tankstelle liegen wird und dass die Differenz dann nicht mehr als Sondergewinn an die Hersteller der biogenen Kraftstoffe fließt, sondern wegen des auch EUrechtlich gebotenen Abbaus von Überförderungen der öffentlichen Hand zugute kommt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich schätze Ihren Optimismus in Bezug auf die Annahme, dass Sie den Kollegen Paziorek noch überzeugen können. Unabhängig davon möchte ich präzise nachfragen, ob die von Ihnen vorgeschlagenen Sätze, 10 Cent im einen Fall und 15 Cent im anderen Fall, nach Ihrer Meinung exakt dem so genannten Mitnahmeeffekt, von dem Sie gesprochen haben, entsprechen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich sagte Ihnen eben: Wir haben zum einen den Mitnahmeeffekt betrachtet. Aber wir haben natürlich zum anderen die Herstellungskosten des biogenen Kraftstoffes berücksichtigt und haben auch dessen geringere Wirksamkeit in Rechnung gestellt. Dies alles zusammen hat uns zu der Überzeugung gebracht, dass wir die geringfügige Besteuerung in der Größenordnung von 10 bzw. 15 Cent wirklich verantwortungsbewusst vorschlagen können. Es ist also in Rechnung gestellt, dass der Verbrauch beim biogenen Diesel etwas höher ist als beim fossilen Diesel. Das alles haben wir berücksichtigt, sodass sich keine Schlechterstellung der Verbraucher ergeben wird. Aber ich sage ganz deutlich: Die Extragewinne, die in den letzten Jahren in die Taschen der Produzenten von Biokraftstoffen geflossen sind, werden wir auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir EU-rechtlich dazu verpflichtet sind - denn Überförderungen müssen wir abbauen -, in die Haushalte der öffentlichen Hand umleiten. Dass man, wenn man sich über Jahre an richtig gute Gewinne gewöhnt hat, diese nicht so gerne abgibt und man dann natürlich auch Menschen trifft, die sich unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes dafür vereinnahmen lassen, die wirtschaftlichen Interessen der Produzenten zu vertreten, verwundert allerdings nicht.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Zusatzfrage des Kollegen Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, Sie haben den Sachverhalt, der in Bezug auf den Biodiesel von Ihnen korrekt wiedergegeben wurde, nämlich den 10-Cent-Abstand zum Marktpreis, als Begründung für eine höhere Besteuerung aller Biokraftstoffe herangezogen. Ich halte das nicht für korrekt und möchte Sie deswegen fragen, ob dies in die Überlegungen der Bundesregierung eingeflossen ist. Beispielsweise weist bei reinen Pflanzenölen der Preis nicht diesen 10-Cent-Abstand zum Marktpreis von Diesel auf; sie werden aber plötzlich mit 15 Cent pro Liter höher besteuert, und dies angesichts der Tatsache, dass bei der Nutzung von reinen Pflanzenölen höhere Kosten für die Umrüstung der Motoren hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für Pflanzenöl anfallen. Ist auch dieses in die Überlegungen der Bundesregierung eingeflossen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich sagte es schon eben: Auch bei Pflanzenölen haben wir natürlich die Herstellungskosten, nämlich die Kosten dafür, dass sie so aufbereitet werden, dass man sie als Kraftstoff nutzen kann, und auch die geringere Energieleistung beachtet. Ich gehe allerdings davon aus - Genaueres müsste ich Ihnen nachtragen -, dass wir erhöhte Umrüstungskosten bei PKWs und LKWs nicht in die Berechnung mit einbezogen haben; vielmehr haben wir den Kraftstoff als solchen betrachtet.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 41 des Kollegen Dr. Loske: Wie bewertet die Bundesregierung die Besteuerung von Biodiesel und Pflanzenölen in Hinsicht auf die Planungssicherheit derjenigen Kraftstoffhersteller und Fahrzeughalter, die im Vertrauen auf die gesetzlich verankerte Steuerbefreiung bis zum Jahr 2009 in neue Techniken investiert haben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Loske, § 2 a des Mineralölsteuergesetzes sieht eine Steuerbegünstigung bis zum 31. Dezember 2009 vor, wie Sie das auch in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben. Derzeit wird dies noch als vollständige Steuerbefreiung gewährt. Jedoch ist der Fortbestand einer Steuerbegünstigung im derzeitigen Umfang durch die Regelung des § 2 a Abs. 3 des Mineralölsteuergesetzes eingeschränkt, also durch das geltende Recht. Die Vorschrift verpflichtet die Bundesregierung, eine Anpassung der Steuerbegünstigung auch vor Ablauf des Jahres 2009 vorzuschlagen, sobald eine Überkompensation der Mehrkosten für die Herstellung von Biokraftstoffen durch die Steuerbegünstigung festgestellt wird. Steuerpflichtige mussten und müssen daher damit rechnen, dass die Steuerbegünstigung nicht unverändert bis zum 31. Dezember 2009 als Steuerbefreiung aufrechterhalten bleibt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich finde die Antwort nicht überzeugend. Ich erinnere mich noch sehr gut: Wir haben über dieses Gesetz gemeinsam verhandelt und es beraten. Es hat immer die Überlegung gegeben, dass die Gefahr besteht, dass das Ganze von der Kommission als Beihilfe gewertet wird, und dass man daher vorsichtig an die Sache herangehen und die Regelung zeitlich befristen muss. So macht man das ja immer bei - in Anführungszeichen - Subventionen oder steuerlichen Förderungen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Sie haben das Wort zu einer Frage erteilt bekommen.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich frage. Danke, Frau Präsidentin, dass Sie mich daran erinnert haben. Was ich bis jetzt gesagt habe, war der Vorspann zu meiner Frage. ({0}) - Warten Sie ab. Die Frage lautet nun wie folgt und hat etwas mit Investitionssicherheit und stabilen Rahmenbedingungen zu tun. Es sind im Vertrauen auf diese Regelungen Investitionen sowohl auf der Erzeugerseite als auch auf der Nutzerseite getätigt worden, also sowohl im Anlagenbau als auch beispielsweise bei Fahrzeugen. Glauben Sie nicht, dass man mit der vorgesehenen Regelung denjenigen, die im Vertrauen auf die bestehende Regelung entsprechende Investitionen getätigt haben, im Grunde genommen schweren Schaden zufügt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Loske, die Autofahrer, die biogenen Kraftstoff tanken, sind daran interessiert, dass sein Preis immer etwa den gleichen Abstand zum Preis von fossilen Kraftstoffen hat; so ist es ja jetzt auch. Biogene Kraftstoffe sollen also billiger sein. Ich habe schon eben in der Antwort auf Ihre erste Frage ausgeführt, dass ich fest davon überzeugt bin, dass wir mit der vorgesehenen Regelung den Windfall-Profit abschöpfen und dass es auch in Zukunft bei der Preisbildung einen solchen Abstand geben wird. Daran haben auch die Hersteller von biogenen Kraftstoffen ein großes Interesse, weil sie sonst in der Tat aus dem Markt gedrängt würden. Wir wissen ja, dass bei biogenen Kraftstoffen die energetische Leistung - allerdings in unterschiedlichem Umfang - niedriger sein kann; also müssen die biogenen Kraftstoffe günstiger sein; das ist nicht zu bestreiten. Sie waren es aber auch schon, bevor die fossilen Kraftstoffe die jetzigen Preishöhen erreichten. Diesen Abstand werden wir auch in Zukunft sicherlich wieder erreichen. Die Herstellungskosten von biogenen Kraftstoffen sind nicht gestiegen. Diejenigen, die zum Beispiel im Jahr 2003 oder 2004 Anlagen für die Herstellung von biogenen Kraftstoffen errichtet haben, mussten dies rechnerisch auf der Basis der damals geltenden Preise für fossile Kraftstoffe tun. Das heißt, schon damals musste sich die Errichtung einer solchen Anlage rechnen. Wenn wir jetzt die Windfall-Profits abschaffen, rechnen wir wieder auf der Basis der Daten aus den Jahren 2002 oder 2003.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich habe noch eine Zusatzfrage.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Abgesehen davon, dass ich die Antwort nicht ganz befriedigend fand, möchte ich fragen: Wie kann es sein, dass sozusagen alle Experten in diesem Bereich sagen - ich weiß natürlich, dass man dem Lobbyistengeschrei nie zum Opfer fallen sollte -, dass gerade einmal ein sanfter Take-off entstanden ist, der jetzt zumindest bei reinen Pflanzenkraftstoffen zu kollabieren droht? Bei Ihnen klingt es so, als würde sich nichts ändern. Das ist aber nicht zutreffend. Ich werde jetzt die Frage formulieren: Halten Sie die Argumente derer, die jenseits von gewohntem Lobbyistengeschrei darauf hinweisen, dass ein sich zart entwickelndes Pflänzchen im Keim erstickt wird, für unplausibel auf der ganzen Breite?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich will noch einmal sagen, dass wir natürlich auch die Herstellungskosten des Kraftstoffes auf der Basis reinen Pflanzenöls betrachtet haben. Er war in der Tat in dem Bericht, von dem ich gerade sprach und der sich auf das Jahr 2004 bezog und die Überförderung von Biodiesel darstellte, nicht enthalten. Das, was Sie als zartes Pflänzchen bezeichnet haben, hat in der Tat im Jahr 2005 einen nicht unbedeutenden Marktanteil - zumindest war er größer als 2004; denn sonst hätten wir das schon in unsere Berichterstattung für 2004 einbezogen - gewonnen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diejenigen, die im vergangenen Jahr in solche Anlagen investiert haben, fälschlicherweise davon ausgegangen sind, dass die Steuerbegünstigung bis zum Jahr 2009 in Form einer Steuerbefreiung gewährt würde. Aber das war, wie ich Ihnen bereits unter Hinweis auf § 2 a Abs. 3 des geltenden Mineralölsteuergesetzes gesagt habe, so nicht versprochen. Bezogen auf die energetische Wirkung und die Herstellungskosten ist es nach unserer Auffassung durchaus möglich, auch reines Pflanzenöl mit 15 Cent pro Liter Steuer zu belegen. Ich weiß, dass es nicht nur bei den Herstellern, sondern auch über die Fraktionsgrenzen in diesem Haus hinweg Widerstand gegen die Besteuerung gibt. Das werden wir sicherlich noch erörtern müssen, ich bitte aber zu bedenken: Es ist logisch, dass es sofort Ausweichbewegungen hin zum reinen Pflanzenöl gäbe, wenn man die Steuerbefreiung für einen Teil der biogenen Kraftstoffe, für den Biodiesel, aufheben würde, aber nicht für das reine Pflanzenöl. Auch die Hersteller von Biodiesel würden sich sofort darüber beschweren, dass ihre Anlagen kaputtgehen, während die Anlagen für die Gewinnung von Pflanzenöl gut laufen. Auch diese Auswirkungen müssen Sie ökonomisch betrachten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Es gibt noch eine Zusatzfrage des Kollegen Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie den Grundsatz der Bundesregierung betont haben, dass sich Biokraftstoffe im Markt nur dann behaupten können, wenn sie steuerlich bevorteilt sind, weil sie nur dann wettbewerbsfähig sind. Wie verträgt sich jedoch dieser von Ihnen artikulierte Grundsatz mit der Tatsache, dass in der Begründung des Gesetzentwurfs des Finanzministeriums steht, dass mit Beginn des Jahres 2007 die Steuerbefreiung der Biokraftstoffe vollständig beendet werden soll? Hierdurch ist meiner Ansicht nach die Geltung des von Ihnen genannten Grundsatzes nicht mehr gewährleistet.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich hatte, Herr Kollege Fell, gesagt, dass der Preisabstand nötig war, damit biogene Kraftstoffe auf dem Markt Fuß fassen konnten. Ferner müssen sie günstiger sein, weil sie einen geringeren energetischen Wert haben. Wenn der energetische Wert gleich ist, ist die Vorteilsgewährung auf Dauer nicht nötig. Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir ab dem Jahre 2007 eine Quotenregelung zur Beimischung von biogenen Kraftstoffen in fossile Kraftstoffe vorschlagen werden. Dann werden die biogenen Kraftstoffe im Rahmen dieser Kraftstoffe vollständig besteuert. Diese vollständige Besteuerung ist dann aber für die Hersteller von biogenen Kraftstoffen völlig irrelevant, weil die Beimischung einen Marktzugang garantiert.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind damit zeitlich am Ende der heutigen Fragestunde. Die noch vorliegenden Fragen 42 bis 45 werden nach unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. Februar 2006, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.