Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/5/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Deutsche Beteiligung an der Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo im Rahmen der ESVP. Wir haben mittendrin eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vorliegen. - Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nicht mittendrin, sondern gleich zu Beginn, Frau Präsidentin. - Ich halte dieses Thema für sehr wichtig, unsere Präsenz angesichts dessen aber für unerträglich. Das trifft auf alle Fraktionen zu. Ich schlage vor, die Sitzung für 15 Minuten zu unterbrechen, damit die Geschäftsführer ihre Fraktionsmitglieder herbeirufen können. So geht das nicht: Bei der SPD ist nur der Geschäftsführer anwesend. Von meiner Fraktion ist außer mir zumindest noch der außenpolitische Sprecher anwesend. Insgesamt gesehen, ist das aber unzumutbar. Ich schlage eine Unterbrechung von 15 Minuten vor, damit wir eine bessere Präsenz bekommen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Wortmeldung des Kollegen Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich widerspreche dem Antrag, die Sitzung für 15 Minuten zu unterbrechen; denn die Fachleute der Fraktionen, die dieses Thema besonders interessiert, sind anwesend und können das Gesagte in den Arbeitsgruppen weitergeben, sodass wir mit der Regierungsbefragung beginnen können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Gibt es weitere Wortmeldungen? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann lasse ich über den Antrag des Kollegen Koppelin abstimmen. Wer stimmt für den Antrag des Kollegen Koppelin? - Wer stimmt dagegen? - Das sind eindeutig weniger gewesen. Insofern unterbrechen wir die Sitzung für 15 Minuten. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir waren beim Tagesordnungspunkt 1, der Befragung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Deutsche Beteiligung an der Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo im Rahmen der ESVP. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser. Bitte schön, Herr Gloser.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die Bundesregierung hat heute die Entsendung von bis zu 180 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Bundes und der Länder an der Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo im Rahmen der ESVP, EULEX Kosovo genannt, beschlossen. Die Unterstützung des Kosovo mit Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilität des Kosovo und der Region. Zugleich dient die Mission EULEX Kosovo dem übergeordneten Ziel der Europäischen Union, das Kosovo und seine Nachbarn auf dem westlichen Balkan an euroatlantische Strukturen heranzuführen. Mit dieser Mission betreten wir in mehrfacher Hinsicht Neuland: Es handelt sich um die bisher größte und anspruchsvollste zivile Mission im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es ist die erste zivile ESVP-Mission, die auch begrenzte exekutivhoheitliche Befugnisse wahrnehmen wird, und es ist die erste ESVP-Mission, an der sich unsere amerikanischen Partner beteiligen. Die mindestens 1 829 internationale Experten umfassende ESVP-Mission wird im Kosovo Aufgaben in den Redetext Bereichen Polizei, Justiz und Zoll übernehmen. Der Schwerpunkt der Mission wird in der Beobachtung, Anleitung und Beratung der lokalen Institutionen liegen. Die Mission wird das Kosovo bei der Entwicklung unabhängiger, multiethnischer Einrichtungen im Rechtsstaatsbereich unterstützen. EULEX Kosovo hat den Auftrag, die Institutionen des Kosovo einschließlich der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden bei ihren Fortschritten auf dem Weg zu stabilen und verantwortungsbewussten Einrichtungen und bei der weiteren Entwicklung und Festigung eines unabhängigen, multiethnischen Justizwesens sowie von multiethnischen Polizei- und Zolldiensten, die rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet sind, zu unterstützen. Die Mission wird aber auch sicherstellen, dass diese Organe frei von politischer Einflussnahme sind und international anerkannte Standards und bewährte europäische Praktiken anwenden. Mit der einstimmigen Billigung des Operationsplanes am 15. Februar 2008 wurde die Aufbauphase von EULEX Kosovo eingeleitet. Angesichts der geplanten Größe und Komplexität dieser zivilen ESVP-Mission haben die Arbeiten für die Personalauswahl und die logistische Vorbereitung für EULEX Kosovo schon vorher begonnen und werden in der jetzt laufenden Übergangsphase weiter verstärkt. Ziel ist die Herstellung der vollen Einsatzfähigkeit von EULEX Kosovo bis zur Übernahme der Verantwortung, die nach der vorzeitigen Planung für Mitte Juni 2008 vorgesehen ist. Die Bundesregierung war am Zustandekommen von EULEX Kosovo aktiv beteiligt und sieht in den Vorbereitungen der Mission während der derzeit laufenden Aufwuchsphase einen Schwerpunkt ihrer Arbeit im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Bundesregierung hat seit Anfang der Missionsvorbereitung auf eine substanzielle deutsche Beteiligung an allen Komponenten von EULEX Kosovo hingearbeitet. Zu diesem Zweck wurde mit dem Personalrekrutierungsprozess frühzeitig begonnen. Bisher sind circa zwei Drittel der für die Mission vorgesehenen Stellen ausgeschrieben worden. Deutschland hat in diesem Rahmen Zusagen für 129 Stellen, darunter 98 Polizisten, erhalten. Mit dem nordrhein-westfälischen Polizeibeamten Rainer Kühn stellen wir den Leiter der Polizei, der zahlenmäßig stärksten Komponente der Mission. Die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten der EULEX Kosovo haben begrenzte exekutive Befugnisse. Ihr Einsatz erfolgt daher grundsätzlich bewaffnet.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank. - Ich bitte zunächst darum, Fragen zu dem eben genannten Themenbereich zu stellen. Bitte schön, Herr Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, es versteht sich von selbst, dass eine Rechtsstaatlichkeitsmission ihrerseits rechtsstaatliche, das heißt völkerrechtliche, Grundlagen haben muss. Darüber haben Sie leider keine Ausführungen gemacht. Es gilt nach wie vor die UN-Resolution 1244. Das ist für alles, was das Kosovo betrifft, die völkerrechtliche Grundlage. Wo sieht die Bundesregierung die völkerrechtliche Grundlage für die EULEX-Mission, da es außer einer Kenntnisnahme des Generalsekretärs der Vereinten Nationen bislang dazu nichts Völkerrechtliches gegeben hat?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

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Herr Kollege Gehrcke, wir haben dieses Thema mehrfach in den Ausschüssen, aber auch bei Befragungen der Bundesregierung bzw. bei Fragestunden behandelt. Die Bundesregierung und die Europäische Union stützen sich bei der Einsetzung dieser ESVP-Mission auf die von Ihnen zitierte UN-Resolution 1244.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Nachfrage? - Bitte schön.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wie allen, die sich damit beschäftigt haben, ist auch Ihnen bekannt, Herr Staatsminister, dass in der Resolution 1244 die EULEX-Mission überhaupt nicht erwähnt wird. Die UNMIK-Mission findet sich im Text wieder. Es ist bislang nicht klar, in welchem Verhältnis UNMIK und EULEX zueinander stehen. Ich weiß, dass es ein Rechtsgutachten im Auswärtigen Amt dazu gibt. Dieses Rechtsgutachten ist bislang nur auszugsweise veröffentlicht worden. Wäre das Auswärtige Amt bereit, allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages das vorliegende Rechtsgutachten auszuhändigen, damit sich jeder eine eigene Meinung bilden kann?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, ich habe mehrfach betont, dass wir uns in der Europäischen Union bei dieser Mission auf die UN-Resolution 1244 stützen. Außerdem darf ich sagen - auch das ist bestätigt worden -, dass sich selbst die UNMIK-Mission seit der Verabschiedung dieser Resolution mehrfach verändert hat. Im Übrigen sind wir vom Präsidenten des Kosovo zu dieser Mission ausdrücklich eingeladen worden. Was Ihre andere Frage angeht, kann ich Ihnen leider keine Zusage geben. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt Frau Beck, bitte schön.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, die Bündnisgrünen begrüßen diese erste gemeinsame europäische Mission, die dem Marieluise Beck ({0}) zivilrechtlichen Aufbau des Kosovo dienen bzw. ihn begleiten soll. Die Frage ist, wie sich der Übergang von UNMIK zu EULEX praktisch und faktisch vollzieht. Hat das bereits stattgefunden? In diesem Zusammenhang gleich ein Blick auf die schwierige Stadt Mitrovica. Sie haben eben gesagt, Grundlage sei der Erhalt eines multiethnischen Kosovo. Wie gestaltet sich derzeit die Situation in Mitrovica?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Gloser, bitte.

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In der Phase des Übergangs - wir haben dafür ungefähr 120 Tage angesetzt - werden die entsprechenden Abstimmungen stattfinden, auch was die Themen angeht, die den Übergang betreffen. Ich gebe Ihnen völlig recht - darauf legen wir auch Wert -, dass weiterhin der multiethnische Ansatz zum Ausdruck kommen muss. Wir wissen alle von den Unruhen in den letzten Tagen. Angesichts dieser Unruhen hoffen wir, dass UNMIK in bestimmten Regionen - auch in der Region, die Sie gerade angesprochen haben - wieder deutlich sichtbar wird. Es darf keine Separierung geben; denn es muss vermieden werden, dass nur eine Ethnie in einer bestimmten Region vertreten ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Nachfrage, Frau Beck.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch einmal zu der schwierigen Region Mitrovica. Wie viele serbische Polizisten aus dieser gemischten, ursprünglich mit 200 Polizisten besetzten Mission sind denn noch im Dienst? Gibt es Bemühungen, sie zur Rückkehr in den Dienst zu bewegen? Wie gestaltet sich die Situation derzeit?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Beck, ich kann Ihnen jetzt keine genaue Zahl nennen. Aber es ist in der Tat so, dass wir, wenn wir überhaupt das von uns gesteckte Ziel erreichen wollen, nämlich multiethnische Verhältnisse im Bereich Polizei, Justiz und Zoll zu haben, wieder zu einem Zustand kommen müssen, der es den Serben, die im Kosovo leben, erlaubt, in den Dienst zurückzukehren. Da werden entsprechende Versuche unternommen. Vielleicht können wir Ihnen in den nächsten Tagen schriftlich über den aktuellen Stand Bescheid geben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Hoyer, bitte schön.

Dr. Werner Hoyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000967, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, die EULEX-Mission, die wir als Liberale im Prinzip begrüßen, bezieht sich auf das gesamte Territorium des Kosovo. Die Rechtsgrundlage, auf die Bezug genommen wird - Sie haben sie gerade noch einmal zitiert -, ist die UN-Resolution 1244. In der Resolution 1244 sind bestimmte Rechte für die Sicherheitsorgane serbischer Nationalität im Norden des Kosovo niedergelegt. Für den Fall, dass die serbischen Kräfte in den Norden des Kosovo zurückkehren sollten, frage ich Sie: Sind damit nicht Konflikte programmiert, und wie will man, mit solchen Konflikten gegebenenfalls umgehen?

Not found (Gast)

Sie haben ja die aktuelle Situation beschrieben. Wenn wir es als grundsätzliche Aufgabe ansehen - damit komme ich auf die Frage von Frau Beck zurück -, multiethnische Bereiche zu gestalten, dann müssen wir zu erreichen versuchen, dass die Menschen, die aus diesem Dienst ausgeschieden sind, zurückkommen. Das ist sicherlich jetzt auch eine Aufgabe für die verantwortliche Mission UNMIK.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nachfrage, Herr Hoyer.

Dr. Werner Hoyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000967, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte noch eine Nachfrage stellen. Für den Schutz wäre im Zweifel UNMIK verantwortlich. Das würde dann gegebenenfalls eine Hilfestellung durch KFOR bedeuten. Ist der Schutz von EULEX durch KFOR gewährleistet, gegebenenfalls auch im Norden?

Not found (Gast)

Wir haben immer unterstrichen, dass KFOR eine sehr wichtige Rolle spielt. Deshalb wird der Bereich der Mission, der letztendlich aktiv wird, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EULEX im Kosovo sind, dann den entsprechenden Schutz durch KFOR bekommen werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte zunächst, wie es auch meine Vorredner getan haben, mitteilen, wie wir zu dieser Mission stehen. Wir begrüßen die EULEX-Kosovo-Mission nicht, weil wir der Auffassung sind, dass sie völkerrechtswidrig ist. Sie haben, Herr Staatsminister, ausgeführt, Sie würden mit dieser Mission Neuland betreten. In der Tat könnte dies so sein, vor allem, wenn man sich noch einmal die Aussage des russischen UN-Botschafters Tschurkin vergegenwärtigt, der sagte, dass die EULEX-Kosovo-Mission illegal ist. Ich möchte Sie gerne fragen: Wie beurteilen Sie diese Aussage des russischen UN-Botschafters?

Not found (Gast)

Die Europäische Union hat sich in den letzten Monaten mehrfach mit der Frage der politischen Entwicklung im westlichen Balkan beschäftigt. Dazu gehören auch die Verhandlungen, die beispielsweise der ehemalige finnische Staatspräsident Ahtisaari mit beiden Parteien geführt hat. Wie Sie wissen, ging es uns immer um eine einvernehmliche Lösung. Diese ist aber selbst durch den Einsatz einer Troika nicht zustande gekommen. Die Europäische Union kam dann zu der Überzeugung, dass die UN-Resolution 1244 eine Grundlage für diese Mission bietet. Insofern muss ich, denke ich, nicht auf eine Äußerung einer Person - nämlich des russischen UNBotschafters - eingehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Nachfrage, Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Mich interessiert vor allem Ihre Einschätzung, wie sich die Verfassungswidrigkeit der EULEX-Mission im Kosovo auf den Status der Polizeitruppen vor Ort auswirkt.

Not found (Gast)

Wir sind, wie gesagt, der Auffassung, dass wir mit der UN-Resolution 1244 eine völkerrechtliche Grundlage haben. Zudem hat der Staatspräsident des Kosovo die Europäer eingeladen, diese Mission zu gestalten. Ich kann nicht erkennen, dass die Teilnahme an der EULEXMission im Kosovo völkerrechtswidrig ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Zapf, bitte schön.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben erwähnt, dass für zwei Drittel des benötigten Personals Stellenausschreibungen erfolgt sind. Das heißt, es fehlt noch ein Drittel der Ausschreibungen. Inwiefern ist auf der Grundlage des bisher rekrutierten Personals die notwendige Qualifikation gewährleistet? Sie haben die 98 Polizeibeamten erwähnt, die von Deutschland gestellt werden. Sind auch sie bereits alle rekrutiert und verpflichtet? Können wir garantieren, dass wir die 98 Polizeibeamten tatsächlich stellen können?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Zapf, diese Frage ist mir schon in einer vorhergehenden Fragestunde gestellt worden. Im Zusammenhang mit anderen ESVP-Missionen gelingt es uns auch, das notwendige Personal zu stellen. Dieser Punkt wurde seinerzeit von Frau Kollegin Beck im Hinblick auf Afghanistan angesprochen. Die ersten Stellenausschreibungen haben dazu geführt, dass rechtzeitig das notwendige Personal mit der entsprechenden Qualifikation rekrutiert werden kann. Es geht nicht nur um die Besetzung von Polizeistellen, sondern darüber hinaus auch um eine Beratungsfunktion. Die Besetzung der notwendigen Stellen wird insgesamt schwieriger, je mehr Anforderungen an die Qualifikation gestellt werden. Aber auch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung im Zollwesen gelingt es uns, die entsprechenden Fachfrauen und Fachmänner zu rekrutieren. Es wird eine zweite Ausschreibungswelle geben, sodass wir heute davon ausgehen, die für die Mission im Kosovo erforderliche Personenzahl einstellen zu können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben keine Nachfrage. - Herr Seifert, bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, unabhängig davon, ob der Einsatz rechtmäßig ist: Sie sprachen mehrfach - wie eben in Ihrer Antwort auf die entsprechende Nachfrage - davon, dass Sie im Kosovo multiethnische Strukturen erhalten bzw. schaffen wollen. Geht das nicht an der Realität vorbei? Ist nicht vielmehr Ihr Auftrag, den Sie sich gerade selber geben wollen, aufgrund der vorhandenen monoethnischen Strukturen völlig an den Haaren herbeigezogen?

Not found (Gast)

Es gab nie einen Zweifel daran, dass wir die multiethnische Zusammensetzung bewahren wollen. In den vorhergehenden Verhandlungen haben wir gegenüber Kritikern aus Serbien auch immer wieder deutlich gemacht, dass diese Mission und die von uns angestrebte Statuslösung auf Minderheiten Rücksicht nehmen soll und dass wir keine Separation wollen. ({0}) Es geht nicht allein darum, was diejenigen vor Ort machen, sondern man muss auch berücksichtigen, wodurch dieses Handeln ausgelöst worden ist. Wir haben die strenge Anforderung - das haben Herr Ahtisaari und die Troika in den Verhandlungen deutlich gemacht -, dass wir den multiethnischen Ansatz gewährleisten wollen. Es müssen aber alle Beteiligten daran mitwirken, dass er beibehalten wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Seifert? - Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, genau danach habe ich gerade gefragt. Dass jemand das will, kann ich noch verstehen. Aber neben dem Willen der Bundesregierung oder der EU gibt es auch das richtige Leben. Das richtige Leben sieht anders aus als der Auftrag, den Sie sich selbst geben. Was passiert, wenn sich nach einer bestimmten Zeit herausstellt, dass keine multiethnischen Strukturen geschaffen werden können, weil die handelnden Akteure nicht mitmachen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir haben versucht, während des ganzen Verhandlungsprozesses immer deutlich zu machen, dass der Schutz der Minderheiten ein ganz wichtiger Punkt des Ahtisaari-Plans ist. Sicherlich hätte man hier auch eine andere Politik betreiben können. Wenn wir aber den Schutz der Minderheiten sicherstellen wollen, dann gehört dazu die aktive Mitarbeit derjenigen, die dort leben, aber auch derjenigen - das sage ich ganz bewusst -, die außerhalb des Kosovo politische VerantworStaatsminister Günter Gloser tung haben. Nur wenn diese darauf hinwirken, kann das Ziel erreicht werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Beck, bitte schön.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, können Sie eine Einschätzung davon geben, wie sich das Kosovo in absehbarer Zeit entwickelte, wenn sich UNMIK zurückzöge - dann entstünde sicherlich ein Vakuum -, wenn keine zivile ESVP-Mission vor Ort wäre und somit Polizei, Justiz und Zoll nicht aufgebaut würden? Was bedeutete das gerade im Hinblick auf das ethnische Zusammenleben in dieser Region? Können Sie die Auffassung der Linkspartei kommentieren, die das Ganze für illegal hält?

Not found (Gast)

Angesichts der Verantwortung der Europäischen Union haben wir - auch unter Hinweis auf andere Vorgänge auf dem westlichen Balkan - immer gesagt, dass die Europäische Union verpflichtet ist, dort Verantwortung zu übernehmen. Es darf kein Vakuum entstehen. Niemand redet von der Auflösung von UNMIK. Die Zusammenarbeit zwischen EULEX und UNMIK muss insbesondere in der Übergangsphase in den nächsten Wochen sehr genau abgestimmt werden. Die Verantwortung der Europäer sowie von UNMIK und EULEX besteht darin, es nicht zu einem Vakuum kommen zu lassen. Ansonsten wären bestimmte Dinge, die wir uns vorgenommen haben, nicht sichergestellt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Beck, eine Nachfrage, bitte schön.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, können Sie uns - zumindest die Eckpunkte - mitteilen, welcher Minderheitenschutz und welche Minderheitenrechte im Ahtisaari-Plan, über den Herr Ischinger weiterverhandelt hat, für ein selbstständiges Kosovo festgeschrieben wurden?

Not found (Gast)

Wir haben bei den Verhandlungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechte der Ethnien im Rahmen des Projektes eines selbstständigen Kosovo sichergestellt sein müssen, insbesondere was die Verwaltung, das eigene Kulturleben und den Schutz der Religion angeht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, die Polizeitruppen befinden sich dort in erster Linie im Einsatz zur Riot Control, also zur Aufstandskontrolle. Mit welcher Bewaffnung sollen diese Polizeitruppen eigentlich eventuelle Aufstände bekämpfen?

Not found (Gast)

Es geht insgesamt nicht darum, Aufstände zu bekämpfen, sondern darum, beim Aufbau entsprechender Einheiten beratend mitzuwirken und für Sicherheit zu sorgen. Es geht nicht darum, die Bekämpfung von Aufständen als Hauptaufgabe der Polizeimission zu definieren.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Dağdelen, eine Nachfrage, bitte schön.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es ist seltsam, dass diese Truppen, die der Riot Control, der Aufstandskontrolle, dienen sollen, eventuell auftretende Aufstände nicht bekämpfen sollen. Das ist irgendwie zweifelhaft. Herr Staatsminister, die EULEX-Mission hat sich laut Berichten aus dem Norden des Landes komplett zurückgezogen. Ist eigentlich geplant, die EULEX-Mission mithilfe der KFOR-Truppen wieder gewaltsam in den Norden zurückzubringen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn ich richtigstellen darf: Die EULEX-Mission arbeitet noch nicht. Zurzeit ist die Mission UNMIK vorhanden. In einer meiner ersten Antworten habe ich von einem gewissen Vakuum und davon gesprochen, dass UNMIK auch im Norden sichtbar werden muss. Es gab verschiedene Vorbereitungsarbeiten, und die EULEX-Mission ist jetzt in Gang gesetzt worden. Der Übergang wird, wie ich bereits in der Antwort auf die Frage von Kollegin Beck gesagt habe, erst organisiert.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Zapf, bitte.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wir haben jetzt über den Sicherheitsaspekt und über den Institutionenaufbau gesprochen. Ein wesentlicher Bestandteil einer positiven Entwicklung im Kosovo ist aber der wirtschaftliche Aufbau, die dritte Säule von UNMIK. Es stellt sich die Frage der Privatisierung und der zukünftigen Entwicklung, die nicht zuletzt davon abhängt. Welche Erwägungen haben die Bundesregierung und die Europäische Union in Bezug auf diese Säule von UNMIK, die bisher in deutscher Verantwortung war?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Zapf, wir sprechen jetzt über die EULEX-Mission, die die verschiedenen Bereiche, die ich erwähnt habe, abdecken soll. Ein ganz anderer Punkt ist in der Tat der, dass neben der Infrastruktur Strukturen in den Bereichen Sicherheit, Zoll und Justiz, aber auch in den Bereichen Wirtschaft und Verkehr aufgebaut werden sollen. Dazu kann ich Ihnen keine genauen Zahlen nennen. Das wird der Prozess in den nächsten Wochen zeigen. Ich bin gerne bereit, Ihnen dann Zahlen zu der Unterstützung zu nennen, die von der Bundesregierung auch im Rahmen der Hilfe für den westlichen Balkan geleistet wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Nachfrage, Frau Zapf? - Bitte.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deutschland und die Europäische Union haben bisher schon investiert. Ich vermute, dass es neue Überlegungen aufgrund der neuen Strukturen geben wird. Wenn Sie jetzt nichts dazu sagen können, wären wir dankbar, in absehbarer Zeit darüber informiert zu werden, welche Überlegungen es in dieser Hinsicht gibt.

Not found (Gast)

Es ist vollkommen klar: Wenn die Wirtschaft zum Laufen kommen soll, dann muss eine entsprechende Unterstützung erfolgen, wie bei anderen Bereichen auch. Ich bin gern bereit, Ihnen und dem Haus darüber Auskunft zu geben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, wenn man Ihre Antworten betrachtet, dann stellt man fest, dass es keine Antwort bezüglich der Rechtsstaatlichkeitsgrundlage und des Völkerrechts gab. Ich möchte Sie präzise fragen: Wirkt die Bundesregierung an einer Zusammenführung von UNMIK, also der mandatierten Mission der Vereinten Nationen, und der geplanten Mission EULEX mit? Soll EULEX die Aufgaben übernehmen, die UNMIK bisher gehabt hat?

Not found (Gast)

Ich habe vorhin gesagt, dass zurzeit UNMIK vorhanden ist und wir uns jetzt in einer Übergangsphase befinden, in der EULEX aufgebaut wird. Möglicherweise werden bestimmte Funktionsbereiche übernommen. Das muss aber in den nächsten Monaten zwischen UNMIK und EULEX abgestimmt werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben noch eine Nachfrage? - Bitte.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich will es erst einmal verstehen, Herr Staatsminister. Warum muss eine neue Mission eingerichtet werden, nämlich EULEX, wenn es eine bestehende Mission der Vereinten Nationen, die im Wesentlichen die gleichen Aufgaben ausübt, gibt, wenn sie vielleicht auch personell nicht ausreichend ausgestattet ist? Das muss ich erst einmal begreifen.

Not found (Gast)

Ich habe vorhin dargestellt, dass es sich um die größte ESVP-Mission handelt, weil in bestimmten Bereichen Anforderungen in Bezug auf die Beratung existieren, die vorher von UNMIK nicht erfüllt werden konnten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Brand, bitte schön.

Michael Brand (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, für die deutsche Beteiligung an EULEX im Kosovo und damit auch für die Sicherheit deutscher Soldaten und der kosovarischen Bevölkerung ist eine der entscheidenden Fragen, welche Gründe es für die sicherheitspolitischen Entwicklungen im Kosovo gibt. Es gab nicht erst seit der Unabhängigkeitserklärung durch das Kosovo, sondern schon in den letzten Jahren, also deutlich früher, zum Beispiel in Mitrovica, Ausschreitungen und nach der Unabhängigkeitserklärung an der Grenze zwischen den beiden Staaten Kosovo und Serbien. Uns liegen zahlreiche Berichte vor, die darauf hindeuten, dass das keine spontanen Ausbrüche von Gewalt waren, sondern dass es dort Verbindungen bis in serbische Regierungskreise gibt. Deswegen möchte ich Sie fragen: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung in dieser Frage?

Not found (Gast)

In der Phase der Troikaverhandlungen mit beiden Partnern im Oktober/November, als absehbar war, dass möglicherweise keine Einigung zustande kommt, ist von beiden Seiten versichert worden, dass keine Gewalt angewandt wird, dass man nicht dazu beitragen will, dass Eskalation entsteht. Wir haben Hinweise darauf, dass das alles keine Spontanreaktionen waren, dass Menschen teilweise auch bei öffentlichen Kundgebungen emotionalisiert worden sind, entsprechende Schritte zu unternehmen. Deshalb liegt es nicht nur an Deutschland, sondern auch an der EU, mit den Verantwortlichen zu sprechen und zur Deeskalierung beizutragen. Es ist wenig hilfreich, durch Reden oder durch andere Impulse dazu beizutragen, dass Gewaltanwendung fortgesetzt wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wie ich sehe, haben Sie, Herr Brand, keine Nachfrage. Dann hat der Kollege Seifert das Wort.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, sowohl KFOR als auch UNMIK sind nun schon etliche Jahre im Kosovo. Wenn ich mich recht erinnere, haben sie unter anderem die Aufgabe, dort dafür zu sorgen, dass die zivile Ordnung hergestellt und dass Strukturen geschaffen werden, die ein friedliches Zusammenleben der dort lebenden Menschen ermöglichen. Woher nehmen Sie den Optimismus, dass es jetzt, nach so vielen Jahren, in denen es nicht klappte, mit dieser neuen Struktur auf einmal wunderbar funktionieren wird?

Not found (Gast)

Viele Jahre lang haben wir gesagt: Es soll eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Eine solche Lösung ist durch die entsprechenden Verhandlungen nicht zustande gekommen. Dann haben die Kosovo-Albaner die Entscheidung getroffen, sich völkerrechtlich selbstständig zu machen. Mit dieser großen Mission geht es darum, die Stabilität auf der einen Seite herzustellen. Es geht aber auch darum, eigenständige Strukturen in diesem Land aufzubauen. Die EULEX-Mission ist befristet und soll kein Dauerzustand werden. Ich gehe davon aus, dass wir mit dieser Mission zur Stabilisierung beitragen werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Seifert, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, widersprechen Sie sich denn nicht? Gerade sagten Sie selbst, dass es die Kosovo-Albaner waren, die sich für unabhängig erklärt haben. Zuvor sagten Sie mehrfach, dass Sie multiethnische Strukturen schaffen wollen. Die ganze Zeit heißt es: Es ging nicht, multiethnische Strukturen zu schaffen. Jetzt, nachdem das Kosovo sich monoethnisch abgespalten hat, soll es auf einmal klappen. Sehen Sie nicht den Widerspruch in Ihren eigenen Aussagen?

Not found (Gast)

Ich sehe diesen Widerspruch nicht, Herr Kollege. Ich möchte etwas zur Unabhängigkeitserklärung durch den Kosovo klarstellen. Auch in unseren Gesprächen und Verhandlungen mit dem Kosovo haben wir immer gesagt: Wir verfolgen weiterhin den multiethnischen Ansatz. Wir müssen unseren Beitrag zum Aufbau des Kosovo im Rahmen der EULEX-Mission und darüber hinaus leisten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Dr. Eisel, bitte.

Dr. Stephan Eisel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003886, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben den deutschen Anteil an der Mission dargestellt. Könnten Sie etwas zum Umfang des europäischen Anteils sagen? Welche Partner beteiligen sich? Warum gibt es bei denen, die sich beteiligen, einen Konsens darüber, die von den Kollegen der Linkspartei vorgetragenen rechtlichen Einstellungen der russischen Regierung nicht zu teilen?

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Ich kann noch einmal sagen: Dieser gemeinsamen Aktion haben insgesamt 26 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugestimmt. Zypern hat sich aus bekannten Gründen konstruktiv enthalten. Bis jetzt haben uns alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis auf Malta - dort gibt es personelle Schwächen - zugesagt, sich zu beteiligen. Es werden sich aber auch Staaten beteiligen, die der Europäischen Union nicht angehören, beispielsweise die Schweiz, Norwegen, die Türkei sowie die Vereinigten Staaten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön.

Dr. Stephan Eisel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003886, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Ich habe noch eine andere Frage: Warum gibt es unter denen, die sich beteiligen, einen Konsens darüber, die von der Linkspartei vorgetragene rechtliche Bewertung der russischen Regierung für falsch zu halten?

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Bei den Überlegungen und Diskussionen unter allen Mitgliedstaaten ging es um eine Lösung auf einer völkerrechtlichen Grundlage. Hätte es Zweifel daran gegeben, hätten wir uns in der Europäischen Union nicht in dieser Eindeutigkeit darauf verständigen können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Grund, bitte schön.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, dass der jetzige Status des Kosovo, also die einseitige Unabhängigkeitserklärung, keine Folge einer wie auch immer geleiteten Interessenpolitik europäischer Länder oder der Weltgemeinschaft gewesen ist, sondern Folge der Aggression und des Völkermordes unter Milošević und durch die serbischen Truppen in den Jahren 1999 und 2000 ist, und ist Ihnen irgendein praktikabler Vorschlag bekannt, wie die Situation im Kosovo und auch das Verhältnis der Kosovo-Albaner zu Serbien auf einer anderen Grundlage als der, für deren Durchführung wir jetzt die Voraussetzungen schaffen, hätten geregelt werden können?

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Herr Kollege Grund, die Europäische Union hat versucht, auch unter dem Dach der Vereinten Nationen - deshalb wurde ja auch Herr Ahtisaari beauftragt -, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, ausgehend auch von Beschlüssen im Rahmen der Vereinten Nationen. Das ist nicht gelungen. Sie wissen auch, dass wir im Zuge der Gespräche der Troika mit den Kosovaren und den Serben noch einmal versucht haben, eine neue Idee einzubringen, die aber auch nicht auf Zustimmung der Serben und der Kosovaren gestoßen ist. Wir haben also alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Auf der anderen Seite standen wir aber vor den Fragen, wie ein Vakuum auf dem westlichen Balkan verhindert werden kann und welche Schritte der Europäischen Union notwendig sind, und ein notwendiger Schritt ist diese EULEX-Mission.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Aufgrund des zeitlichen Rahmens beende ich an dieser Stelle die Befragung. Ich danke den Fragenden und dem Herrn Staatsminister. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 16/8310, 16/8353 15494 Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage der Kollegin Dorothée Menzner auf Drucksache 16/8353 auf: Wie gedenkt die Bundesregierung bei einer Änderung des VW-Gesetzes sicherzustellen, dass ein Beschluss, eines der Werke zu schließen, wie bisher an eine Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat gebunden ist, die ohne die Vertreter der Arbeitnehmer nicht zustande kommen kann, und wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Anfang dieser Woche bekannt gewordene Absicht der Porsche AG, die Mehrheit der Aktien der Volkswagen AG zu übernehmen? Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach bereit.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Meine Antwort: Über die Errichtung oder Verlegung von Produktionsstätten - es geht nämlich um beides, Frau Menzner - von VW werden auch in Zukunft die zuständigen Organe der Volkswagen AG entscheiden. Der Europäische Gerichtshof hatte im Herbst letzten Jahres festgestellt, dass einzelne Bestimmungen des geltenden VW-Gesetzes gegen europäisches Recht verstoßen. Diese Entscheidung muss nun in nationales Recht umgesetzt werden. Über den Umfang der notwendigen Gesetzgebung berät die Bundesregierung noch, und inwieweit Porsche sich an VW beteiligt, bleibt den Unternehmen im Rahmen des rechtlich Zulässigen überlassen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Menzner, Sie haben eine Nachfrage?

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. Danke. - Herr Staatssekretär Hartenbach, es ist natürlich vollkommen richtig, dass Porsche sein Engagement bei VW frei wählen kann. Sicherlich haben aber sowohl Porsche als auch die Bevölkerung und die Belegschaft ein Interesse daran, zu wissen, wie es weitergeht. Sie haben eben ganz richtig gesagt, dass nur einzelne Passagen des VW-Gesetzes vom EuGH infrage gestellt wurden. Ich frage Sie, ob die Berichterstattung von AP vom 3. März stimmt, in der der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg zitiert wird, es gäbe eine Vorlage des Bundesjustizministeriums, die im Moment in der Ressortabstimmung sei. Wenn das so ist, dann würde mich interessieren, wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich möchte es anders angehen. Ich kommentiere Pressemeldungen grundsätzlich nicht. Das mache ich seit fünf Jahren nicht. Da wir als Justizministerium aber selbst mit Pressemeldungen an die Öffentlichkeit getreten sind, glaube ich sagen zu dürfen: In demokratischen Staaten ist es ein absolut üblicher Vorgang, dass in einem Ressort Ideen und Gedanken entwickelt und Gesetzgebungsvorschläge unterbreitet werden und dass dann innerhalb der Regierung die Ressortabstimmung erfolgt. Wir werden uns natürlich daran halten, auch an die Vorgaben, die uns der Europäische Gerichtshof gemacht hat. Zusammen mit der Kommission werden wir eine vernünftige Lösung in dieser Legislaturperiode, mit hoher Wahrscheinlichkeit noch in diesem Jahr, finden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Eine Nachfrage noch, Herr Staatssekretär. Haben Vorgänge wie die Massenentlassungen und die geplante Werksschließung von Nokia in Bochum Einfluss auf Ihre Überlegungen das Gesetz betreffend?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Frau Menzner, die Massenentlassungen bei Nokia haben uns alle sehr getroffen. Sie dürfen sicher sein, dass diese Bundesregierung ihrer sozialen Verantwortung gegenüber dem Wirtschaftsstandort Deutschland und vor allen Dingen gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland gerecht wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Nachfrage der Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird noch im laufenden Jahr 2008 von der Bundesregierung ein Gesetzentwurf vorgelegt. Heißt das, dass sich Frau Zypries gegen den Widerstand des Wirtschaftsministers wird durchsetzen können?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Verehrte Frau Kollegin Enkelmann, Sie sollten nicht im Kaffeesatz lesen. Ich habe nur deutlich gemacht, dass wir noch in diesem Jahr die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes in nationales Recht umsetzen werden. Mehr habe ich nicht gesagt. ({0}) - Okay? ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort Kaffeesatz - Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Verzeihung, ich nehme das mit dem größten Bedauern zurück. Aber Kaffeesatz ist etwas Schönes. 1945 und 1946 war Kaffeesatz etwas Wertvolles.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie verstehen mich gerade ganz falsch, Herr Hartenbach. Ich wollte das Wort „Kaffeesatz“ zum AnVizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt lass nehmen, meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass Sie heute noch zu einem gemütlichen Kaffee kommen. Ich habe erfahren, dass Sie heute Ihren 65. Geburtstag feiern.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

So ist es.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dazu gratulieren wir alle Ihnen ganz herzlich, wünschen Ihnen alles Gute und als Evangelischem auch Gottes Segen. ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das war der Respekt vor dem hohen Präsidium, der mich sofort hat reagieren lassen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es freut mich sehr, dass Sie auch an Ihrem Geburtstag so gute Reflexe zeigen. - Ganz herzlichen Dank. Nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beantwortet worden ist, kommen wir zu den Fragen auf Drucksache 16/8310 in der üblichen Reihenfolge. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Herr Staatsminister Dr. Gernot Erler zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Winfried Nachtwei auf: Wie bewertet die Bundesregierung das Ergebnis der Wellingtoner Streumunitionskonferenz, bei der drei Viertel aller anwesenden Länder den Grundsatz eines Totalverbotes jeglicher Streumunition ohne Ausnahmen und ohne Übergangsfristen unterstützte, und aus welchen Gründen versucht die Bundesregierung, den Entwurf eines Vertrages für ein vollständiges Verbot jeglicher Streumunition durch Ausnahmeregelungen für vermeintlich ungefährlichere Streumunitionstypen aufzuweichen?

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Nachtwei, die Antwort der Bundesregierung lautet wie folgt: Die Bundesregierung verfolgt in Übereinstimmung mit der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. September 2006 das Ziel eines vollständigen Verbots von Streumunition, und zwar ohne Ausnahme. Die Bundesregierung hat diese Entschlossenheit auch in Wellington unterstrichen und die Bereitschaft bekräftigt, noch im Jahr 2008 zu einem Ergebnis zu kommen. Deutschland hat daher die in Wellington vorgelegte Erklärung für ein Verbot von Streumunition gezeichnet und so sein Engagement für ein Verbot von Streumunition bekräftigt. Die Bundesregierung hat deshalb auch konkrete Textvorschläge zu der zu schaffenden Konvention gemacht, die bei dem Verhandlungstreffen in Dublin Ende Mai 2008 zu beraten sein werden. Bedauerlich ist, dass die von der Bundesregierung und der großen Mehrzahl der europäischen Partner geforderten konkreten Fortschritte in der Sache bisher ausgeblieben sind. So hat es in Wellington noch keine konkrete Arbeit am Text des vorliegenden Entwurfs der Oslo-Konvention gegeben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Nachtwei, Ihre Nachfrage.

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, Sie haben auf den diesbezüglichen Beschluss des Bundestages vom vorigen Jahr verwiesen. Allerdings wurde in diesem Beschluss eine Ausnahme vorgesehen, nämlich dass die Verbotsforderung sogenannte ungefährliche Streumunition nicht betreffe. Meine Frage: Welche empirischen Belege hat die Bundesregierung denn bisher überhaupt für die Behauptung, es gäbe sogenannte ungefährliche Streumunition?

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Herr Kollege Nachtwei, Sie beziehen sich auf den Stufenplan der Bundesregierung, der in der Tat die Zustimmung des Bundestages bekommen hat. Hier wurde zwischen besonders gefährlicher Streumunition mit einer Blindgängerrate von über 1 Prozent und einer Streumunitionsart mit einer Blindgängerrate von unter 1 Prozent unterschieden. ({0}) Das sind aber aus unserer Sicht keine endgültigen Festlegungen, sondern diese Differenzierung ist Teil eines Konzeptes, das für eine Übergangsphase bis zum Zeitpunkt eines völligen Verbots von Streumunition gedacht ist. Wir haben dieses Stufenkonzept deswegen entwickelt, weil wir die Hoffnung, dass sich noch andere Staaten, nämlich die Staaten, die noch über erhebliche Vorräte an Streumunition verfügen und entsprechende Einsatzkonzepte verfolgen, beteiligen, nicht aufgeben wollen. Dieses Konzept stellt also nur eine Etappe auf dem Weg hin zum endgültigen Verbot des Einsatzes von Streumunition dar.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Nachtwei, eine weitere Nachfrage?

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, Ihren Wunsch bzw. Ihre Hoffnung im Hinblick auf die Staaten, die noch im Besitz von Streumunition sind, kann ich gut nachvollziehen. Das macht ja politisch auch Sinn. Erinnern Sie sich aber nicht auch an den Ottawa-Prozess, wo es um Antipersonenminen ging? Hier war eine breite öffentliche Absage an diese Art von Waffentyp von entscheidender Bedeutung dafür, dass eine entsprechende Ächtung auch auf Regierungsebene beschlossen wurde. Meine Frage lautet also: Sind solche Ausnahmeregelungen, die ja im Blick auf Staaten, die noch Streumunition besitzen, plausibel sein mögen, nicht hinderlich für eine breite weltweite öffentliche Mobilisierung?

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Herr Kollege Nachtwei, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der von Ihnen angesprochene Ottawa-Prozess leider auch noch nicht so umfassend geworden ist, dass sich alle Staaten daran beteiligen. Insofern ist die Situation bei diesem Prozess vergleichbar mit der jetzt hier zur Diskussion stehenden. Ich möchte noch einmal festhalten: Vor dem Hintergrund, dass es noch nicht einmal die wichtigsten europäischen Staaten schaffen, mit der Kerngruppe von Oslo einen Kompromiss zu vereinbaren - darüber ist ja wieder in Wellington verhandelt worden - und eine gemeinsame Position zu vertreten, wird jedoch klar, dass wir vom Stand des Ottawa-Prozesses noch sehr weit entfernt sind. Das wird sich auch nicht ändern, wenn die wichtigsten Staaten, die Streumunition besitzen, nämlich die Vereinigten Staaten, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel und Brasilien - wir haben darüber übrigens in der Fragestunde am 20. Februar hier schon ausgiebig gesprochen -, überhaupt keine Anreize bekommen bzw. ihnen keine Brücken gebaut werden, sich an einem Verbot zu beteiligen. Deswegen werden wir unsere Bemühungen fortsetzen und unser Konzept bis zur nächsten Dublin Diplomatic Conference, die ja jetzt in wenigen Wochen stattfinden soll, noch weiter propagieren, um so eine gemeinsame Basis herzustellen, die von vielen, wenn vielleicht auch nicht von allen Staaten geteilt wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es gibt noch eine Nachfrage der Kollegin Zapf.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich würde mich gerne vergewissern, dass ich Sie dahin gehend richtig verstanden habe, dass die Bundesregierung ein völliges Verbot wünscht. Kann ich also davon ausgehen, dass die Diskussionen, die wir im Unterausschuss „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“ im Hinblick auf eine Weiterentwicklung dieses Antrages, den der Bundestag im vorigen Jahr beschlossen hat, geführt haben, Berücksichtigung finden und dass die Position der Bundesregierung in Dublin so sein wird, dass sie die Beschränkungen und Ausnahmen, die der Stufenplan enthält, eindeutig ablehnt und genauso agiert, wie zum Beispiel Belgien oder Österreich gehandelt haben?

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Frau Kollegin Zapf, die Bundesregierung wird ihre Bemühungen fortsetzen, in Dublin einen umfassenden Beschluss zu erreichen. Es hat sich aber zuletzt in Wellington gezeigt, dass eine Kerngruppe, die aus fünf oder sechs Ländern besteht - das ist bei einer Staatengruppe von etwa 190 Ländern nicht sehr viel - und mit einer sehr engagierten NGO, der Cluster Munition Coalition, zusammenarbeitet, leider die konkrete Arbeit an einem Text für Dublin - ich habe das vorhin geschildert - verwehrt hat. Das ist nicht gut, weil die anderen Positionen somit nur in einem Anhang der Erklärung von Wellington vorkommen. Damit wurde der Fortschritt, den wir uns eigentlich von Wellington erhofft hatten, nicht erreicht. Sie wissen, dass es eine Like-minded-Gruppe gibt - eine größere Staatengruppe, zu der auch alle wichtigen Staaten der Europäischen Union, aber auch andere Staaten wie Australien und Kanada gehören -, die durchaus bereit ist, am Ziel des völligen Verbotes und der völligen Abschaffung von Streumunition zu arbeiten, die aber mit dem Verfahren, sofort alles zu beseitigen, ohne eine Brücke für die Staaten zu bauen, die tatsächlich über Streumunition verfügen, nicht einverstanden ist. Wir werden weiter daran arbeiten, die beiden Gruppen - die OsloKerngruppe und die Like-minded-Gruppe - zusammenzubringen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Zapf, Sie dürfen eine weitere Nachfrage stellen.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist erfreulich, dass der Versuch gemacht wird, diese Gruppen zusammenzubringen. Wir haben - gerade in Gesprächen mit Human Rights Watch, die sich auch mit diesem Thema beschäftigt haben - Hinweise erhalten, dass es aus humanitären Gründen und unter dem Gesichtspunkt, dass wir, die Bundesrepublik, diese Munition sowieso nicht anwenden, eigentlich notwendig wäre, dem Beispiel der eben von mir genannten Staaten zu folgen und uns der Oslo-Kerngruppe anzuschließen, um den Prozess insgesamt zu befördern. Glauben Sie, dass die Bundesregierung dies bis zur Konferenz in Dublin in Angriff nimmt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich glaube, wir beide sind einer Meinung, dass ein Ergebnis der Dublin-Konferenz, dem lediglich sechs Staaten zustimmen, nicht befriedigend wäre. Deswegen haben wir zwar in Wellington zusammen mit einer großen Zahl anderer Länder die Declaration of the Wellington Conference on Cluster Munitions unterzeichnet, in der das Ziel - die völlige Abschaffung von Streumunition - noch einmal klar beschrieben wird. Wir sind aber mit der Art und Weise der Vorbereitung auf die Konferenz von Dublin nicht zufrieden; denn das Ziel hätte dabei sein müssen, über sechs Länder hinauszukommen. Wir glauben, dass die Textvorschläge, die wir in Wellington eingebracht haben, einen guten Weg darstellen, dieses Ziel zu erreichen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, sicherlich sind wir alle einer Meinung, dass es sehr gefährlich ist, wenn irgendwo Munition herumliegt, die nicht explodiert ist, egal ob es sich um Bomben, Granaten oder andere Munition handelt. Ich bezweifle, dass man sie als „Blindgänger“ bezeichnen sollte, weil das vielleicht blinde Menschen diskriminiert. Halten Sie es aber nicht für mehr als fahrlässig, Munition, die zu mehr als 1 Prozent nicht explodiert, als „besonders gefährlich“ zu bezeichnen, und Munition, die in etwas weniger als 1 Prozent der Fälle nicht explodiert, als etwas „weniger gefährlich“ einzustufen? Ich finde, wenn man von der etwas „weniger gefährlichen“ Munition getroffen wird, ist man genauso tot.

Not found (Gast)

Es handelt sich nicht um eine humanitäre Bezeichnung, sondern um eine technische, die es ermöglichen soll, andere Länder für diesen Weg der Abschaffung der Streumunition zu gewinnen, auch indem man eine Übergangsfrist gewährt und eine schrittweise Abfolge des Prozesses vorsieht. Das ist die Position der Bundesregierung. Ich sage noch einmal: Es ergibt keinen Sinn, dass diejenigen, die sowieso keine Streumunition besitzen und die auch nicht vorhaben, sie anzuschaffen, irgendeine Erklärung dazu abgeben, dass sie das nicht tun. Dadurch wird die Welt - ich glaube, da würden Sie zustimmen - nicht sicherer. Es geht darum, wirklich ein Ziel zu erreichen. Darum muss man auch diejenigen einbeziehen, die tatsächlich über Streumunition verfügen und die auch tatsächlich vorhaben, sie in kriegerischen Auseinandersetzungen zu verwenden. Das bleibt unser Ziel. Darüber haben wir am 20. Februar intensiv geredet. Ich bedanke mich, dass ich hier noch einmal Gelegenheit habe, diese Position deutlich zu machen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen jetzt zur Frage 2 der Abgeordneten Marieluise Beck: Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik von Amnesty International vom Dienstag vergangener Woche, in Russland sei im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen immer weniger Raum für Meinungs- und Versammlungsfreiheit, da Oppositionskundgebungen immer wieder aufgelöst würden und unabhängige Journalisten sowie Nichtregierungsorganisationen vom Kreml in ihrer Arbeit behindert würden?

Not found (Gast)

Die Antwort der Bundesregierung lautet: Die in jüngster Zeit aufgetretenen Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind Anlass zu zunehmender Sorge. Die Russische Föderation hat sich als Mitglied der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und des Europarats verpflichtet, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu achten. Augenblicklich gibt es offensichtliche Widersprüche zwischen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Russland und internationalen Menschenrechtsstandards. Die Beachtung der Menschenrechte einschließlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird von der Bundesregierung regelmäßig sowohl bilateral als auch in internationalen Foren, etwa im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Russland, gegenüber der russischen Regierung angesprochen. Die Bundesregierung wird Defizite in diesen Bereichen auch weiterhin kontinuierlich thematisieren.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Beck, Ihre Nachfrage bitte sehr.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung in diesem Zusammenhang bekannt, dass in der Nacht vom 2. auf den 3. März der Vorsitzende der Jabloko St. Petersburg - sein Name ist Maxim Resnik - verhaftet worden ist und ihm unterstellt wird, er habe gegenüber drei Polizisten Widerstand geleistet? Er wird seitdem in Untersuchungshaft gehalten. Das Verfahren soll in zwei Monaten stattfinden und kann bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, gegenüber der russischen Regierung deutlich machen, dass sie nicht bereit ist, solch eine Einschränkung der Oppositionsrechte stillschweigend hinzunehmen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, Sie geben mir noch einmal Gelegenheit, an das anzuknüpfen, was ich eben gesagt habe: Es ist eine regelmäßige Übung der Bundesregierung, solche Einzelfälle, wie Sie ihn gerade geschildert haben, aufzunehmen und sie dann an den uns zugänglichen Stellen zum Gegenstand von Konsultationen zu machen. Sie wissen ja, dass es seit 2004 die Einrichtung der halbjährlich stattfindenden Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und der Russischen Föderation gibt. Anlässlich dieser Treffen findet jedes Mal vorher ein Treffen mit einschlägigen russischen und internationalen NGOs statt, von denen wir neue Informationen bekommen. Das nehmen wir dann auf. Wir haben in die sogenannte Roadmap zur Schaffung eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindeststandards, was Oppositionsrechte und die Meinungsfreiheit angeht, hineingeschrieben. Das heißt, es gibt regelmäßig einen Dialog mit der Russischen Föderation über solche Fälle, wie Sie ihn gerade wieder geschildert haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Beck, Sie haben eine weitere Nachfrage.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, wird gerade angesichts der von der Regierung geäußerten Hoffnungen und Erwartungen, die mit der Wahl des Präsidenten Medwedew verbunden worden sind, mit Beharrlichkeit die Linie verfolgt, auf Rechtssicherheit zu setzen? Und ist dabei von Rechtssicherheit die Rede in dem Sinne, dass die russische Regierung die Gesetze einhält, die sie sich selbst gegeben hat, insbesondere die Strafprozessordnung? Wird dabei thematisiert, dass die russische Regierung gerade im Marieluise Beck ({0}) Hinblick auf das zweite Verfahren im Fall Jukos die Strafprozessordnung nicht einhält, indem sie das Verfahren nicht am Ort der Firma durchführt, sondern in Chita, zehn Zeitzonen von Moskau entfernt, abwickelt, sodass faktisch eine Verteidigung durch Anwälte unmöglich gemacht wird?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Beck, Sie wissen, dass die Bundesregierung die Themen Jukos und Chodorkowski in vielen bilateralen Gesprächen mit der russischen Regierung wiederholt angesprochen hat. Dem kann ich eigentlich nur hinzufügen, dass die Situation im Augenblick sehr interessant ist: Der von Ihnen angesprochene Präsidentschaftswahlkampf hat zur Wahl von Dmitrij Medwedew geführt, der in seinem Wahlkampf einige in diesem Zusammenhang wichtige Aussagen gemacht hat. Er hat mehrfach betont, dass bei ihm die Freiheitsrechte, die Rule of Law, also die Rechtsstaatlichkeit, und der Kampf gegen das, was er den russischen Rechtsnihilismus nennt, im Vordergrund stehen werden. Das hat Medwedew jedenfalls angekündigt. Er hat sogar gesagt, dass er das für eine Grundvoraussetzung für eine gute Entwicklung der russischen Gesellschaft und der Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft ansieht. Wir sind natürlich sehr interessiert daran, inwieweit diese Äußerungen, die er während des Wahlkampfes gemacht hat, zu konkreten Veränderungen und Entwicklungen in der russischen Rechtskultur führen werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick auf: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass das Bankgeheimnis der Kreditnehmer und Kreditnehmerinnen gewahrt bleibt, wenn sie bereits bei der Aufnahme eines Kredits pauschal einem möglichen Forderungsverkauf zustimmen können, durch den Dritte Zugang zu vertraulichen Informationen bekommen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das zwischen Banken und Kunden vereinbarte Bankgeheimnis wird dann nicht beeinträchtigt, wenn der Kunde in eine künftige Forderungsabtretung einwilligt. Die Vereinbarungen zwischen Bank und Kunden über das Bankgeheimnis sehen ausdrücklich vor, dass Banken die dem Bankgeheimnis unterliegenden Informationen mit Einwilligung der Kunden weitergeben dürfen. Das vertraglich vereinbarte Recht zur Veräußerung einer Darlehensforderung umfasst regelmäßig auch die Einwilligung zur Offenbarung der zur Geltendmachung der Forderung erforderlichen Informationen. Wird die Einwilligung allerdings formularmäßig erklärt, ist sie unter anderem nur dann wirksam, wenn sie den Darlehensnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Vertragsbestimmung über die Einwilligung nicht klar und verständlich ist. Damit wird der Darlehensnehmer wirksam vor unangemessen benachteiligenden Geschäftsbedingungen hinsichtlich der Veräußerung von Krediten geschützt. Die Regelung ermöglicht den Gerichten sachgerechte, am konkreten Einzelfall orientierte Entscheidungen über die Wirksamkeit entsprechender Klauseln. Außerdem haben die Verbraucherverbände die Möglichkeit, gegen die AGBs solcher Kreditinstitute vorzugehen. Abmahnungen sind bereits erfolgt. Eine Mitteilung der Verbraucherzentrale Bundesverband aus diesen Tagen macht das deutlich. Für die Bundesregierung besteht zurzeit also keine Notwendigkeit, auf diesem Gebiet etwas zu unternehmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Schick, Ihre Nachfrage.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Besteht der Schutz, von dem Sie gerade gesprochen haben, auch dann noch, wenn man das auf eine gesetzliche Grundlage stellt, wenn man gesetzlich festschreibt, dass die Banken beide Möglichkeiten anbieten müssen, worüber in der Großen Koalition diskutiert worden ist? Bedeutet das in Bezug auf das Bankgeheimnis nicht de facto, dass durch die anstehende Reform der Schutz der Informationen der Kreditnehmenden verschlechtert wird?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Wenn Kreditinstitute ihren Kunden abtretungssichere Kredite anbieten - die meisten Banken bieten das derzeit schon freiwillig an bzw. haben das angekündigt -, dann wird eine Abtretung solcher Kredite nicht möglich sein, weil sie damit gegen die vertraglichen Vereinbarungen verstoßen würden. Dann wäre die Weitergabe von Informationen, die zu der Sicherungsübereignung bzw. Abtretung gehören, nicht mit dem geltenden Recht vereinbar. Allerdings gibt es dagegen den gerichtlichen Schutz.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Nein. Dann kommen wir zur Frage 4 des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Käufer die „Verwertung der Sicherheiten und Erzielung hoher und intransparenter Erlöse“ - so das Oberlandesgericht München ({0}) - künftig nicht mehr wie bisher ungehindert ausüben können?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das Oberlandesgericht München hat in der von Ihnen, Herr Kollege Schick, zitierten Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Forderungen, deretwegen die Sicherheiten verwertet werden sollen, im Einzelnen nachParl. Staatssekretär Alfred Hartenbach vollziehbar zu errechnen und dem Schuldner mitzuteilen sind. Solange diese Voraussetzung fehlt, ist die Zwangsvollstreckung unzulässig. Das Oberlandesgericht München hat in dem entschiedenen Fall die Zwangsvollstreckung aus diesem Grund für jedenfalls derzeit unzulässig erklärt. Das geltende Recht erlaubt es also gerade nicht, eine Zwangsvollstreckung zu betreiben und dabei Sicherheiten unabhängig von der Höhe der zu sichernden Forderungen zur Erzielung hoher und intransparenter Erlöse zu verwerten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verstehe ich es also richtig, dass die Bundesregierung an dieser Stelle keinen Handlungsbedarf sieht, weil - wie Sie gerade ausgeführt haben - die Rechtslage schon heute zureichend ist?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich fange einmal so an: Ich selbst war einmal Richter. Es gab immer wieder Einwendungen gegen Zwangsvollstreckungen. Wenn die Einwendung kam, dass die Forderungen nicht nachzuvollziehen seien, und umgekehrt derjenige, der die Zwangsvollstreckung betrieb, vor Gericht nicht nachvollziehbar erklären konnte, dass noch eine Forderung bestand und in welcher Höhe, haben wir schon vor 30 Jahren die Zwangsvollstreckung nicht zugelassen. Dieses gute Recht gilt weiterhin. Wir brauchen da nichts zu machen. Die Gerichte müssen - das erwarten wir; wir haben gesehen, dass es funktioniert - das geltende Recht richtig anwenden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Schick, eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn das die Einschätzung der Bundesregierung ist, wie begründen Sie dann die verschiedenen Vorschläge für Änderungen, die gerade aus dem Bundesjustizministerium kommen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das sind gänzlich andere Fragen. Wir haben mehrere Vorschläge, die wir mit den entsprechenden Gremien erörtern. Ein Punkt betrifft Folgendes: Es gibt im deutschen Recht eine Möglichkeit, dass man sich in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Es ist in der Tat so, dass sie bei Verkäufen von Krediten mit übergeht. Allerdings stehen dem Darlehensnehmer gegen den neuen Gläubiger alle Einreden gegen diese Urkunde auch so zu, wie sie gegenüber dem ursprünglichen Kreditgeber bestanden haben. Wir möchten mit unseren Vorschlägen, die wir noch ausformulieren müssen, nur verhindern, dass jemand überrascht wird und möglicherweise keine Einwendungen hat. Ansonsten brauchen wir - vor allem in dem Fall, den Sie im Auge haben und den das Oberlandesgericht München entschieden hat - nichts zu ändern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herzlichen Dank. Damit entlassen wir Sie jetzt endgültig zum Geburtstagskaffee. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Hier werden die Fragen 5 und 6 der Kollegin Kirsten Tackmann schriftlich beantwortet. Das gilt auch für die Fragen 7 und 8 des Kollegen Alexander Bonde aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier wird die Frage 9 der Kollegin Höfken schriftlich beantwortet. Die Kollegin Sylvia KottingUhl, Frage 10, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen 11 und 12 der Kollegin Cornelia Hirsch werden schriftlich beantwortet. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 13 und 14 der Kollegin Pau werden schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 15 der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch auf: Wie hat sich die Zahl der Kindstötungen seit 1990 in Deutschland entwickelt, und wie erklärt sich die Bundesregierung die Entwicklung der Anzahl von Kindstötungen in den neuen Ländern? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christoph Bergner zur Verfügung.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Ich muss zunächst darauf hinweisen, dass Kindstötung als Straftatbestand im engeren Sinne ein bis 1998 unter § 217 StGB fallender gesondert erfasster Tatbestand war; diese Norm war tatbestandlich auf ledige Mütter und auf Tötungen während oder unmittelbar nach der Geburt beschränkt. Außerdem muss ich darauf hinweisen, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik erst seit dem Jahr 1993 Zahlen für Gesamtdeutschland beinhaltet und dass Berlin seit 1990 in seiner Gesamtheit erfasst und zu den alten Bundesländern gezählt wird. Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach den für den speziellen Tatbestand der Kindstötung im oben genannten Sinne für die Jahre 1993 bis 1998 vorliegenden Zahlen wurden im gesamten Bundesgebiet pro Jahr im Durchschnitt mehr als 20 Kinder getötet. 1998 betrug die Zahl der getöteten Kinder 17. Die einschlägige Tabelle kann ich Ihnen gern zur Verfügung stellen; ich glaube aber, es ginge zu weit, wenn ich sie jetzt vorlesen würde. Eine konstante Änderung der Zahl der Tötungsfälle lässt sich nicht feststellen, weder in den alten noch in den neuen Bundesländern. Der Anteil der in den neuen Bundesländern getöteten Kinder lag jeweils bei etwa 30 Prozent, mit Schwankungen zwischen 14 Prozent und 40 Prozent. Seit der Abschaffung des § 217 StGB - Kindstötung - werden die Tötungen von Neugeborenen in der Polizeilichen Kriminalstatistik je nach Fallkonstellation als Mord oder Totschlag erfasst, und zwar in der Opferaltersgruppe von null bis unter sechs Jahren. Eine konkrete Aussage zur Zahl getöteter Neugeborener ist daher nicht mehr möglich. Im Hinblick auf Kinder stellen sich die Zahlen in der Opferaltersgruppe von null bis unter sechs Jahren in der Polizeilichen Kriminalstatistik ab 1999 wie folgt dar: Die Zahl der Kinder im Alter von unter sechs Jahren, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgrund von Mord oder Totschlag als „getötet“ registriert sind, lag in den Jahren 1999, 2003, 2004 und 2006 bei über 70 Fällen in ganz Deutschland. In den Jahren 2000 und 2001 gab es mehr als 80 solcher Fälle, im Jahre 2005 waren es 60. Dabei ist zu beachten, dass sich die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik grundsätzlich auf das Jahr des Abschlusses des polizeilichen Verfahrens beziehen, nicht auf das Jahr der Handlung bzw. der Auffindung. Der Anteil der in den neuen Bundesländern getöteten Kinder liegt in den meisten Jahren bei über 20 Prozent, mit Schwankungen zwischen 11 und 41 Prozent. Berücksichtigt man auch die Fälle fahrlässiger Tötung, schwankt die Gesamtzahl der in der Bundesrepublik Deutschland getöteten Kinder zwischen 143 und 184 Kindern pro Jahr. Der Anteil der in den neuen Bundesländern getöteten Kinder liegt bei etwa 20 Prozent, mit Schwankungen zwischen 13 und 31 Prozent. Die Tabelle, die ich Ihnen, wie gesagt, gern zur Verfügung stelle, beinhaltet auch die kumulierten Zahlen zu Mord, Totschlag und fahrlässiger Tötung in den alten und neuen Bundesländern mit Blick auf die Opfergruppe von null bis unter sechs Jahren. Diese Zahlen liegen zwischen 21 und 31 Prozent. Insgesamt betrachtet lässt sich der Polizeilichen Kriminalstatistik keine konstante Änderung der Opferzahlen entnehmen, weder für die alten noch für die neuen Bundesländer. Es ist jedoch feststellbar, dass die Opferziffer in den neuen Bundesländern höher ist als in den alten Bundesländern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Lötzsch, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie können sich sicherlich vorstellen, dass ich meine Frage vor dem Hintergrund der Äußerungen Ihres Nachfolgers als Ministerpräsident des Landes SachsenAnhalt, Herrn Böhmer, gestellt habe. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Herrn Ministerpräsidenten Böhmer, dass Kindstötung in der DDR ein Mittel der Familienplanung war? Wenn das nicht der Fall ist, würde ich gerne wissen, warum sich die Bundesregierung nicht eindeutig von diesen empörenden Verunglimpfungen der ostdeutschen Frauen distanziert hat.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Kollegin, zunächst einmal darf ich feststellen, dass sich die Bundesregierung mit den Äußerungen, die der Ministerpräsident des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, eines neuen Bundeslandes, vor dem Hintergrund der geschilderten polizeilichen Kriminalstatistik getroffen hat, nicht als Ganzes auseinandergesetzt hat. Sie haben sicherlich registriert, was einzelne Regierungsmitglieder dazu gesagt haben. Wir sehen keinen unmittelbaren Anlass, zu den Äußerungen Herrn Böhmers Stellung zu nehmen. Ich persönlich lege Wert darauf, festzustellen, dass ich mir in dieser Frage eine sachliche Auseinandersetzung wünsche. Ich halte manche Kritik an den Äußerungen des Ministerpräsidenten für überzogen. Es kann ihm unmöglich unterstellt werden, er habe gewissermaßen vorsätzlich eine Beleidigung ausgesprochen. Ich könnte mir keine Motivlage vorstellen, aus der heraus er so etwas hätte tun sollen. Zum Zweiten möchte ich darauf aufmerksam machen - auch vor dem Hintergrund, dass auch ich aus den neuen Bundesländern komme -, dass wir keinen Anlass haben, die Rechtslage der ehemaligen DDR nachträglich als eine glückliche und zufriedenstellende zu bezeichnen, was den Sachverhalt der Schwangerschaftsunterbrechung betrifft.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Lötzsch, Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte sehr.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich würde Ihnen empfehlen, das, was Ihr Nachfolger und Parteifreund vielen Presseorganen gegenüber geäußert hat - sowohl schriftlich als auch im Fernsehen -, nachzulesen. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie, wenn Sie dies tun, Ihre zartfühlende und zurückhaltende Kritik zu relativieren hätten. Das noch einmal als Stellungnahme. Ich würde darüber hinaus gerne wissen, ob die Bundesregierung an der Finanzierung der Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen beteiligt ist. Aus dieser Studie wurden Zwischenergebnisse veröffentlicht, auf die sich Herr Böhmer mit seinen aus meiner Sicht empörenden Äußerungen bezogen hat.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Kollegin, Sie haben meine Sicht der Äußerungen von Ministerpräsident Böhmer bewertet. Ich bin nicht in der Lage, über die Ergebnisse des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen zu referieren. Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat als Ganzes hierzu nicht Stellung genommen; einzelne Regierungsmitglieder haben es getan. In diesem Sinne erlaube auch ich mir - Sie haben mich ja als einen Amtsvorgänger Herrn Böhmers angesprochen - zu sagen: Ich wünsche mir, dass wir diese Debatte genauso ernsthaft führen, wie wir im Zusammenhang mit der Stammzellengesetzgebung über den Lebensschutz debattieren. Dazu gehört, dass Gesichtspunkte, die einer anspricht, der in der DDR langjährig als Gynäkologe seinen Dienst getan hat, von uns selbst dann, wenn diese Gesichtspunkte unglücklich vorgetragen wurden und dies zu Missverständnissen geführt hat - wofür sich der Autor, wie gesagt, entschuldigt hat -, zumindest ernsthaft geprüft werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es gibt noch eine Nachfrage der Kollegin Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich komme wie Sie aus SachsenAnhalt; daher stelle ich diese Nachfrage ganz bewusst. Im Zuge der deutschen Einheit konnte in diesem Hohen Hause - auch auf Druck der neuen Länder - eine Fristenlösung mit Beratungspflicht durchgesetzt werden, die an die Stelle des restriktiven Rechts der alten Bundesrepublik beim Schwangerschaftsabbruch getreten ist. Ich frage Sie deswegen auch in diesem Zusammenhang: Haben Sie persönlich bzw. hat das Bundesinnenministerium Erkenntnisse oder Zahlen, die Grund geben zu der Vermutung, dass Frauen ihre Kinder bewusst getötet haben, um Familienplanung zu betreiben? Das Innenministerium legt ja nicht nur Zahlen vor, sondern es beurteilt auch die Fakten. Deswegen möchte ich wissen, ob es aus Sicht des Innenministeriums, vielleicht auch aus Ihrer persönlichen Sicht, irgendwelche kausalen Zusammenhänge zu den Ursachen der Kindestötungen gibt, die sich auf das beziehen, was vom Ministerpräsidenten Böhmer gesagt worden ist. Ich konnte das bei all meinen wissenschaftlichen Recherchen nicht feststellen.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Ich kann hier nicht auf das eigene Haus verweisen, sondern ich kann hier nur die Polizeiliche Kriminalstatistik vortragen. Mir ist aus dem federführenden Haus bekannt, dass sich das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen mit Merkmalsclustern beschäftigt, die allerdings ohne eine Unterscheidung in Ost und West erhoben werden. Insofern lässt sich daraus für die von Ihnen gestellte Frage keine Schlussfolgerung ziehen. Als Merkmalscluster bei Kindstötungen spielen verschiedene Kategorien eine Rolle. Bei einer relativ großen Gruppe sind das katastrophale Lebensbedingungen, in denen die Frauen leben. Zunächst wird versucht, das Kind aufzuziehen. Dann aber sind diese Frauen irgendwann völlig überfordert, misshandeln und vernachlässigen ihr Kind, was schließlich zum Tode führt. Wir beide wissen um Fälle, die uns wahrscheinlich gleichermaßen beunruhigen und die auch in den Medien dargestellt wurden. Eine weitere Gruppe - dieses Merkmalscluster wird mit einer Größenordnung von 25 bis 35 Prozent angegeben - besteht aus meist sehr isolierten Frauen, die ihre Schwangerschaft verheimlichen, das Kind ohne Hilfe zur Welt bringen, es töten oder es dann sich selbst überlassen. Bei einem kleineren Cluster von 15 bis 25 Prozent der insgesamt kleinen Gruppe der Deliktsfälle - ich will ausdrücklich sagen, dass wir hier nicht über alle Frauen, sondern nur über die kleine Gruppe von Deliktsfällen reden - geht es darum, dass diese Frauen psychisch krank sind. Diese Angaben zu den Ursachen kann ich Ihnen nennen. Ich mache das nur, weil Sie ausdrücklich danach gefragt haben. Denn jede dieser Analysen führt aus meiner Sicht - das ist das Fatale an dieser Diskussion - zu einer verzerrenden Wahrnehmung und lenkt den Blick davon ab, dass sich die übergroße Mehrheit der Frauen und Familien in unserem Lande mit großer Fürsorge um ihre Kinder kümmert. ({0}) Dafür schuldet die Gesellschaft ihnen großen Dank.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Pieper, Sie haben eine weitere Frage.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Weil das so ist, wie Sie es geschildert haben, Herr Staatssekretär, möchte ich eine Nachfrage stellen. Es geht mir um eine politische Bewertung durch die Bundesregierung des damals nach der deutschen Einheit eingeführten liberalen Rechts zum Schwangerschaftsabbruch; ich meine die Fristenlösung mit der Beratungspflicht. Teilen Sie nach dem, was Sie hier an konkreten Fällen angeführt haben, meine politische Auffassung, dass das Modell des Schwangerschaftsabbruchs mit der Beratungspflicht richtig ist, um solche Frauen, die keinen Ausweg mehr sehen und später möglicherweise ihre Kinder misshandeln und töten, über die Beratungspflicht auf den richtigen Weg zu bringen?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Es gibt überhaupt keinen Streit darüber, dass der vom gesamtdeutschen Gesetzgeber gefundene Weg als der richtige anzuerkennen ist und dass das die Bundesregierung in all ihren Entscheidungen bindet. Die Diskussion hat sich an der Bewertung der Rechtslage der ehemaligen DDR entzündet. Ich empfehle in diesem Zusammenhang beispielsweise das Gedicht Interruptio der DDR-Dichterin Eva Strittmatter. Es zeigt, dass es auch in der DDR angesichts der Rechtslage einer reinen Fristenlösung Gewissenskonflikte und Auseinandersetzungen gab. Wir sollten bei aller Kritik, die man an den Äußerungen von Ministerpräsident Böhmer haben kann, vermeiden, die Rechtslage der DDR in dieser Frage nachträglich schönzureden. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Hier steht zur Beantwortung der Fragen die Parlamentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 16 der Abgeordneten Ina Lenke auf: Wie bewertet die Bundesregierung den Tatbestand, dass Einverdienerfamilien, bei denen ein Ehepartner sich ganztags der Kindererziehung widmet, schon ein Ehegattensplitting von bis zu 15 414 Euro jährlich erhalten?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrte Frau Kollegin Lenke, Sie wissen, dass nach dem Einkommensteuerrecht das Einkommen jedes Steuerpflichtigen und jeder Steuerpflichtigen grundsätzlich nach dem Einkommensteuertarif versteuert wird. Ziel des Ehegattensplittings ist es dabei, das Einkommen der Eheleute insgesamt nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Das bedeutet, dass bei dem Ehegattensplitting für zusammen veranlagte Ehegatten nach geltendem Recht Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern nicht berücksichtigt werden. Insofern impliziert Ihre Fragestellung eine Wirkung des Ehegattensplittings in Bezug auf das Erziehen von Kindern, die nicht beabsichtigt ist und die es schon von seiner Anlage her nicht hat.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Lenke, Ihre Nachfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist schon sehr interessant, das aus dem Mund einer SPD-Staatssekretärin zu hören. Meine Anschlussfrage ist die: Wie bewertet die Bundesregierung es, dass nur Eltern, die verheiratet sind, durch das Ehegattensplitting in der Spitze einen Vorteil von 15 000 Euro haben, während Eltern, die nicht verheiratet sind, aber genau die gleiche Aufgabe wahrnehmen, keinen Steuervorteil erhalten, wenn einer zu Hause bleibt? Dies zu ändern, war ja immer die Position der SPD. Das scheint in dieser Koalition jetzt wohl anders zu sein.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrte Frau Lenke, zuerst darf ich Sie darauf hinweisen, dass ich in diesem Fall die Aufgabe habe, für die Bundesregierung zu antworten, die sich natürlich daran hält, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Ich glaube, es ist etwas schwierig, die Antworten danach zu bewerten, von welcher politischen Farbe die Staatssekretäre jeweils sind. Zum Zweiten will ich darauf hinweisen, dass Ihre Frage im Prinzip die Antwort, die ich Ihnen auf die erste Frage schon gegeben habe, nicht berücksichtigt, nämlich dass es um die Ehegattenbesteuerung und darum geht, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bewertet wird. Wie gestaltet sich die Übertragung des Grundfreibetrags und des Tarifs? Es geht aber nicht um die Kindererziehung und den Familienleistungsausgleich. Wie Sie wissen, sind im Einkommensteuerrecht im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Regelungen getroffen worden, die nach dem politischen Willen - auch der früheren Regierungen - durch ein Kindergeld ergänzt werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Lenke, eine weitere Nachfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dazu habe ich wirklich eine Nachfrage, Frau Staatssekretärin; denn Finanzminister Steinbrück, SPD, hat sich mit Familienministerin von der Leyen, CDU, auf ein Betreuungsgeld ab 2013 geeinigt. Auch die FDPBundestagsfraktion war angesichts dieser Einigung gerade mit dem Bundesfinanzminister sehr erstaunt; denn da wurde nicht gesagt, ob das Betreuungsgeld einkommensabhängig gezahlt wird, ob ein monatlicher Pauschbetrag gezahlt wird oder ob es danach geht, ob die Eltern reicher oder ärmer sind. Das wundert mich schon sehr. Ich frage Sie, wie Sie die Zustimmung des Finanzministers zu einem solch finanzkräftigen Vorhaben gerade vor dem Hintergrund des Betreuungsgeldes, wie man es sich in Bayern vorstellt, bewerten.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrte Frau Lenke, so leid es mir tut: Ich muss Ihre Frage leider etwas korrigieren. ({0}) In Ihrer Frage unterstellen Sie, dass es eine endgültige Einigung in Bezug auf das Betreuungsgeld gäbe. Es liegt aber lediglich eine Einigung in der Weise vor, dass man gesagt hat: Im Jahre 2013 wird es eine Entscheidung darüber geben, in welcher Form die Erziehungsleistung von Eltern gewürdigt werden kann, zum Beispiel in Form eines Betreuungsgeldes. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber in dieser Entscheidung frei ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Man kann nicht die Fragen korrigieren, sondern die Annahme, die einer Frage zugrunde liegt. So haben wir es verstanden.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

So werde ich es in Zukunft formulieren.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die beiden Fragen 17 und 18 der Abgeordneten Christine Scheel werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Manfred Kolbe: Was hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer strukturpolitischen Verantwortung für Gesamtdeutschland und des weiteren Aufbaus Ost unternommen, um im Rahmen der beabsichtigten Verlagerung der Computerspielmesse von Leipzig/Sachsen nach Köln tätig zu werden?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Frau Präsidentin, ich würde gerne die Fragen 19 und 20 gemeinsam beantworten, da sie in einem thematischen Zusammenhang stehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann rufe ich auch die Frage 20 auf: Wie steht die Bundesregierung zu der Aussage der Leipziger-Messe-Geschäftsführer gemäß Bild Leipzig vom 29. Februar 2008: „Wir hätten uns mehr Unterstützung aus Berlin gewünscht“?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Die Entscheidung über den neuen Messestandort Köln für die Messe GC - Games Convention - ist vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware - BIU - am 25. Februar 2008 getroffen worden. Die Bundesregierung ist sich ihrer strukturpolitischen Verantwortung für Gesamtdeutschland und den weiteren Aufbau Ost bewusst. Wie bereits in meinem Schreiben vom 20. Februar 2008 dargelegt, stehen der Bundesregierung aber keine Möglichkeiten zur Verfügung, auf deren Basis in die Geschäftspolitik der Verbände und Messeveranstalter eingegriffen werden könnte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kolbe, Sie haben eine Nachfrage.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, mir ist bewusst, dass die Bundesregierung weder durch Kabinettsbeschluss noch durch Ingangsetzung von Gesetzgebungsverfahren in solche Prozesse eingreifen kann. Es gibt aber auch Möglichkeiten, Gespräche zu führen und Meinungen zu äußern. Das tut die Bundesregierung des Öfteren. Wäre es in dieser für Gesamtdeutschland und den Aufbau Ost sehr wichtigen Frage nicht angemessen gewesen, den alten, traditionellen Messestandort Leipzig zu revitalisieren? Wir haben dafür schließlich in den 90er-Jahren viel Geld eingesetzt. Jetzt aber wird das beste Produkt, das in Leipzig entwickelt worden ist - nämlich die Games Convention -, aufgrund mir nicht bekannter Umstände nach Köln verlagert. Können wir noch von blühenden Landschaften sprechen, wenn hier eine der schönsten Blumen des Aufbaus Ost abgeschnitten wird? Wäre das nicht für die Bundesregierung Anlass gewesen, tätig zu werden?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Ich bin überzeugt, dass der Messestandort Leipzig sehr attraktiv ist und dass es dort starke, interessante und bedeutende Messen gibt. Bei der Games Convention handelt es sich um eine europaweite Messe. Unsere größte Freude in unserer gesamtdeutschen Verantwortung ist, dass es gelungen ist, diese Messe in Deutschland zu halten. Die Frage, wo ein Veranstalter seine Messen durchführt, liegt im Ermessen des Veranstalters. Die Bundesregierung hat weder eine rechtliche Möglichkeit noch einen politischen Auftrag, auf die Durchführung von Messen an bestimmten Messestandorten in Deutschland Einfluss zu nehmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kolbe.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir ist bekannt, dass die Bundesregierung keine rechtlichen Möglichkeiten hat. Ich darf aber die Frage wiederholen: Sind informelle Gespräche geführt und Meinungen geäußert worden, ja oder nein?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Da wir es für falsch halten, uns in die freie Entscheidung der Messeveranstalter einzumischen, mischen wir uns auch nicht mit solchen Gesprächen ein. Wir freuen uns aber, dass es gelungen ist, diese europäische Messe in Deutschland zu halten. Das ist ein schöner Erfolg. Die Entscheidung ist vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware getroffen worden, der seinen Sitz in Berlin hat, wie Sie wissen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, es ist mehrfach darauf verwiesen worden, dass die Bundesregierung keine Einflussmöglichkeiten habe. Es sind aber an beide Messestandorte - sowohl Leipzig als auch Köln - öffentliche Gelder geflossen. Besteht nicht die Möglichkeit, die Vergabe öffentlicher Gelder zum Beispiel daran zu knüpfen, dass bestimmte Messen an einen Standort gebunden bleiben? Das ist meine erste Frage; ich habe aber noch eine zweite.

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Ihre erste Nachfrage beantworte ich mit Nein.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie scheinen über diese sehr kurze Antwort genauso überrascht zu sein wie ich. Das ist ein Stück weit ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linken wird unter anderem festgestellt, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern deutlich unter denen des Westens liegen. Die Bundesregierung stellt des Weiteren fest, dass hier Nachholbedarf besteht. Für wie sinnvoll halten Sie dann eine Verlagerung, und was will die Bundesregierung tun, um zum Beispiel den Messestandort Leipzig aufzuwerten, gerade wenn es um Forschung und Entwicklung geht?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Frau Kollegin, ich versuche, liebevoll zu erläutern, dass die Frage, wo welche Messe stattfindet, zwar wichtig und regional bedeutsam ist, dass sie sich aber der Handlungskompetenz der Bundesregierung, wie sie im Grundgesetz verankert ist, entzieht. Das ist der erste Punkt. ({0}) Der zweite Punkt ist: Wir sollten uns in unserer Verantwortung für ganz Deutschland darüber freuen, dass diese in der Tat wichtige Messe mit europäischer Bedeutung in Deutschland geblieben ist. Ich kann verstehen, dass Sie sich sehr gefreut hätten - ich wäre bereit gewesen, diese Freude mit Ihnen zu teilen -, wenn die Messe in Leipzig geblieben wäre. Der Bundesverband hat aber entschieden, nach Köln zu gehen. Solche Entscheidungen werden nun einmal im Wirtschaftsleben getroffen und sind nach unserer Auffassung auch im Wirtschaftsleben zu treffen. Die Bundesregierung hat keinerlei rechtliche Handhabe und hält es für richtig, dass solche Entscheidungen im Wirtschaftsleben, in der Wirtschaft und den betreffenden Verbänden, getroffen werden; denn eine wie auch immer geartete Einflussnahme der Bundesregierung würde gar nichts nutzen, wenn es zu einem Ausweichen in ein anderes europäisches Land käme. Das freute zwar das betreffende europäische Land, bedeutete aber, dass uns diese Messe verlustig ginge. Sie können gern noch mehrfach danach fragen. Aber in dieser Frage ist die Bundesregierung der falsche Ansprechpartner.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Hans-Josef Fell werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 23 und 24 der Kollegin Höhn. Wir kommen zu Frage 25 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl: Trifft es zu, dass - wie der Spiegel in seiner Ausgabe vom 25. Februar 2008 berichtet - das Betreiberkonsortium Nord Stream - Ostseepipeline - plant, ein Gemisch mit hochtoxischem Glutaraldehyd in die Ostseee einzuleiten, und wie gedenkt die Bundesregierung darauf zu reagieren? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Entgegen der Meldung des Spiegels in seiner Ausgabe vom 25. Februar 2008 hat die Nord Stream AG in einer Pressemeldung vom 23. Februar 2008 mitgeteilt, dass der Einsatz von Glutaraldehyd voraussichtlich nicht erfolgen wird. Soweit Glutaraldehyd in schwedisches Hoheitsgebiet eingeleitet werden soll, liegt die Beurteilung der Zulässigkeit bei den schwedischen Behörden. Die Frage der Zulässigkeit der Einleitung von Chemikalien wird von den zuständigen deutschen Genehmigungsbehörden erst dann geprüft, wenn diese Chemikalien in Deutschland eingeleitet werden bzw. die Einleitung grenzüberschreitende Auswirkungen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, AWZ, oder der Zwölfseemeilenzone hat. Im Übrigen hat Deutschland wiederholt erklärt, dass übernommene völkerrechtliche Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt eingehalten werden müssen, und die beteiligten Unternehmen aufgefordert, diese Vorgaben strikt zu beachten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kotting-Uhl, Ihre Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir, Folgendes zu berichtigen: Die Nachricht des NordStream-Konsortiums erfolgte nicht entgegen, sondern aufgrund der Spiegel-Meldung. Nach meiner Wahrnehmung wurde erst nach einem gewissen medialen Entrüstungssturm bekannt gemacht, dass man auf die Einleitung von Milliarden Liter Glutaraldehyd verzichten möchte. Meine Frage lautet - Sie haben gesagt, dass voraussichtlich darauf verzichtet wird -: Wie vordringlich ist das Interesse der Bundesregierung, tatsächlich zu wissen, ob darauf verzichtet wird oder nicht, und was unternimmt sie, um dieses „voraussichtlich“ in ein „sicher“ umzuwandeln? Oder wartet sie einfach ab, was da kommt?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Zuerst zum Sachverhalt. Ich nehme an, dass Ihre Vermutung richtig ist, dass die Presseerklärung aufgrund einer Vorabmeldung des Spiegels erfolgte. Ich wollte nur deutlich machen: Der Spiegel wurde am 25. Februar 2008 veröffentlicht. Die Vorabmeldungen kennen wir, wie wir alle wissen, meistens schon zwei Tage vorher. Ich nehme an, dass daraufhin die Klarstellung des Unternehmens erfolgte. Nur so viel zur Entstehungsgeschichte. In der Erklärung heißt es: Die inzwischen weiter fortgeschrittenen Planungen und Untersuchungen gehen davon aus, dass der beschriebene Einsatz der Chemikalie nicht erfolgt. Ich habe mich gleichwohl vorsichtiger geäußert, weil ich nicht das Unternehmen bin und das auch nicht weiß. Nun nimmt die Bundesregierung zwar zu interessanten Fragen Stellung, aber sie müssen schon konkret sein - Ihre Frage ist konkret -, bzw. die Thematik muss konkret sein. Wir können nicht über alle möglichen Dinge nachdenken und uns fragen: Was wäre, wenn? - Wenn eine solche Einleitung geplant wäre und wir für diesen Bereich zuständig sind, dann wird selbstverständlich eine entsprechende Reaktion erfolgen. Ich kann Ihnen vorweg sagen, dass diese eher kritisch und in Ihrem Sinne sein wird. Damit nehme ich natürlich die amtliParl. Staatssekretär Peter Hintze chen Prüfungen nicht vorweg. Im Moment steht diese Einleitung aber weder in Schweden noch gar bei uns an. Wir beobachten das mit großem Interesse. Natürlich sind zuerst die zuständigen Behörden gefragt, und dann, wenn es im Parlament behandelt wird, werden wir sicherlich hier darüber sprechen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kotting-Uhl, Sie haben eine weitere Nachfrage?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wenn Sie mir erlauben, dann will ich noch ein bisschen bohren; denn vorausschauend müssen wir natürlich planen. Wenn wir uns der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen, was die Bundesregierung tut, dann heißt das, gerade bei Umweltbelangen vorher zu überlegen, was eventuell passiert und was man dann tut. Kann ich mich in diesem Sinne darauf verlassen, dass die Bundesregierung nicht warten wird, bis die Chemikalie eingeleitet wird und das Problem die Bundesregierung betrifft, sondern sie den Prozess beobachten und, falls sich Anzeichen ergeben, dass die Einleitung doch geplant ist, zumindest verbal eingreifen wird?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Die Bundesregierung beobachtet alle Entwicklungen im Zusammenhang mit diesem wichtigen Pipelineprojekt wachsam. Ich habe eben schon, obwohl Sie mich gar nicht danach gefragt haben, gesagt, dass ich Ihre Skepsis bezüglich der ursprünglich vorgesehenen Einleitung der Chemikalie durchaus verstehe. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern auch die Meinung der Bundesregierung. Gleichwohl halten wir es so, dass wir erst dann Stellung beziehen, wenn es konkret um eine solche Frage geht, aber nicht abstrakt alle möglichen Dinge beantworten. Wir beobachten die gesamten Vorgänge wachsam und mit großem Interesse.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Hier steht der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Brandner zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 26 des Abgeordneten Dr. Peter Geisen: Wann und mit welchem Ergebnis ist für den Fall, dass sich die Bundesregierung in Verhandlungen mit der polnischen Regierung bezüglich der Pauschalierung der Sozialabgaben für polnische Erntehelfer befindet, zu rechnen?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Geisen, die Forderung, dass die deutschen Arbeitgeber für die polnischen Saisonkräfte, die nach dem Gemeinschaftsrecht auch bei einer Tätigkeit in Deutschland weiterhin dem polnischen Recht unterliegen, lediglich Pauschalabgaben an die polnische Sozialversicherung abführen sollten, ist, wie Sie wissen, nicht neu. Dieses Thema wurde seit 2006 in den Gesprächen der Bundesregierung mit der polnischen Seite wiederholt angesprochen. Die polnische Seite hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass eine Pauschallösung zur Abführung von Beiträgen an die polnische Sozialversicherung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Geisen, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär Brandner, trotz der Schneeflocken von heute Morgen stehen wir schon fast vor der Spargel- und Erdbeerernte. Deswegen frage ich Sie: Erstens. Ist der Bundesregierung bekannt, dass aufgrund der politischen und bürokratischen Vorgaben nicht ausreichend Erntehelfer für Sonderkulturen in der Nahrungsmittelproduktion im Jahre 2007 zur Verfügung standen und dies auch 2008 der Fall sein wird, wenn sich nichts ändert? Zweitens. Wäre nicht eine schnelle Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen Polen und Deutschland, zumindest aber eine Verlängerung der maximalen Beschäftigungsdauer für polnische Arbeitskräfte auf neun Monate anzustreben? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Geisen, zum Thema Freizügigkeit wird die Bundesregierung angesichts der europäischen Vereinbarung unter Betrachtung der gesamten Arbeitsmarktsituation im Frühjahr nächsten Jahres entscheiden. Diese Entscheidungen sind noch nicht gefallen, wie Sie wissen. Die Frage der Saisonarbeiter ist von der Bundesregierung sehr sensibel behandelt worden. Bekanntlich sind die Kontingente in den Bereichen, in denen die Arbeitslosigkeit, insgesamt gesehen, niedrig ist, verändert worden. Zurzeit gibt es Gespräche mit den Beitrittsländern Rumänien und insbesondere Bulgarien, um weitere Kontingente zu ermöglichen. Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass Deutschland zwischenzeitlich Durchreiseland für Saisonarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer gerade aus Polen geworden ist. Vermutlich kennen Sie die Gründe dafür. Wir müssen daher auch im eigenen Land unsere Aufgaben erledigen, damit, erstens, unsere Potenziale für Saisonarbeit genutzt werden und, zweitens, unsere sozialen und finanziellen Bedingungen für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter aus Osteuropa attraktiv genug sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, gibt es bilaterale Verhandlungen mit Drittstaaten, um die Versorgung mit Erntehelfern in Zukunft zu sichern?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass wir mit der bulgarischen Regierung im Gespräch sind, um zu klären, inwiefern Kontingente angeworben werden können. Außerhalb des europäischen Bereichs, also der erweiterten EU, sind keine Gespräche beabsichtigt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Josef Winkler.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, dass der Abgeordnete Dr. Geisen heute seinen Geburtstag feiert, und wäre die Bundesregierung angesichts seiner bisherigen Lebensleistung bereit, ihm dazu zu gratulieren? ({0})

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Es ist sehr aufmerksam von Ihnen, mich daran zu erinnern. Wir möchten dem Abgeordneten Geisen ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren. Herr Geisen, wir wünschen Ihnen Gesundheit und viel Schaffenskraft, auch als Interessenvertreter für Ihre Berufsbereiche. Ganz persönlich alles Gute und ein gutes neues Lebensjahr, Ihnen, Dr. Geisen!

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Kollege Winkler. Sie haben offensichtlich auch der FDP-Fraktion die Möglichkeit gegeben, den einen oder anderen Glückwunsch nachzuholen. Es gibt eine weitere Nachfrage zur Frage des Kollegen Geisen, nämlich vom Kollegen Kolb. Bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Geisen gesagt: Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. - An wen haben Sie gedacht, als Sie das Wort „wir“ in den Mund genommen haben? Falls Sie an die Bundesregierung gedacht haben: Wann gedenken Sie, mit der Bearbeitung Ihrer Hausaufgaben zu beginnen?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Kolb, Sie wissen, dass die Bundesregierung unermüdlich arbeitet. Sie wissen auch, dass ich natürlich an Arbeitsbedingungen gedacht habe, deren Erfüllung in den Händen der Tarifvertragsparteien liegt. Es geht sowohl um deren Möglichkeiten der Eigenregelung im Rahmen der Tarifautonomie als auch um deren Möglichkeiten, bei Vorliegen der Voraussetzungen Mindestnormen zu schaffen, die Deutschland für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter attraktiv erscheinen lassen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 27 des Kollegen Dr. Edmund Geisen: Ist nach Einschätzung der Bundesregierung die Bereitschaft der neuen polnischen Regierung größer, eine unbürokratische und für beide Seiten zufriedenstellende Lösung bezüglich der Sozialabgaben zu finden, und, wenn ja, woran macht sich das bemerkbar? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Dr. Geisen, die verfassungsrechtliche Situation in Polen hat sich - ich habe schon bei der Beantwortung der vorherigen Frage darauf hingewiesen - nicht geändert. Es gibt auch keine Anzeichen, dass die neue polnische Regierung das Sozialversicherungsrecht in diesem Punkt ändern wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gibt es dazu Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Frage 28 des Kollegen Dr. Ilja Seifert: Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die in einer Pressemitteilung ({0}) erhobenen Forderungen der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer, und des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, auf eine Schule für alle, also Inklusion statt Integration, sowie die Verwendung des Begriffs „Inklusion“ - statt „Integration“ - in der offiziellen deutschen Übersetzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Dr. Seifert, die Bundesregierung weist darauf hin, dass Fragen der schulischen Bildung in der Kompetenz der Bundesländer liegen. Gleichwohl ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung die Akzeptanz von Behinderung in der Gesellschaft fördert und damit ein wesentlicher Baustein für mehr Integration von behinderten Menschen ist. Insoweit wird der Ratifizierungsprozess des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Diskussion in Deutschland befruchten. Die Bundesregierung sieht weiterhin keinen Anlass, die Übersetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu ändern. Die Übersetzung wurde mit den Verbänden behinderter Menschen diskutiert und mit den Bundesländern und den anderen deutschsprachigen Ländern verbindlich abgestimmt. Aus der genannten Pressemitteilung ergeben sich für die Übersetzung keine neuen Erkenntnisse.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Muss ich daraus schlussfolgern, Herr Staatssekretär, dass die Beauftragte der Bundesregierung für die BeDr. Ilja Seifert lange behinderter Menschen in ihrer Presseerklärung nicht für die Bundesregierung spricht, und muss ich weiterhin daraus schlussfolgern, dass das Wissen, dass Inklusion etwas anderes ist als Integration, von der Bundesregierung nach wie vor ignoriert wird?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Nein, das sehen wir nicht so, Herr Abgeordneter Seifert. Die Übersetzung von „inclusive education“ wurde mit den Verbänden behinderter Menschen diskutiert und mit den Bundesländern und den anderen deutschsprachigen Ländern abgestimmt. Sie können davon ausgehen, dass eine Wiederaufnahme des Abstimmungsverfahrens eine Ratifizierung des Abkommens auf unabsehbare Zeit verzögern würde. Das ist aus unserer Sicht insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich die Bundesländer ausdrücklich für die Übersetzung „integrative Bildung“ ausgesprochen haben, nicht sinnvoll.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, es tut mir leid, dass ich meiner zweiten Nachfrage eine kleine Bemerkung vorausschicken muss. Sie haben jetzt zweimal behauptet, die Übersetzung sei mit den Verbänden behinderter Menschen abgestimmt. Ich weiß aus Erfahrung, dass das nicht stimmt. Ein einziges Mal wurden im Sommer vergangenen Jahres zwei Personen zu einer der Beratungen hinzugezogen. Alle Behindertenverbände haben sich eindeutig gegen die Verwendung des Begriffs Integration ausgesprochen, weil Inklusion etwas anderes ist. Das hat erst kürzlich wieder die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe beim Parlamentarischen Abend sehr deutlich gesagt. Ich komme zu meiner Frage. Niemand will eine Verzögerung der Ratifizierung. Dennoch frage ich: Ist es denn nicht ein gewaltiger Unterschied, ob ich davon ausgehe, dass Menschen mit Behinderung Bestandteil der Gesellschaft, also gar nicht integriert werden müssen, sondern nur gemeinsam mit den anderen schulisch gebildet werden müssen, oder ob ich davon ausgehe, dass sie irgendwo draußen stehen und ich sie erst einmal hereinholen muss?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Dr. Seifert, zum einen möchte ich feststellen: Ich habe nicht gesagt - das Protokoll wird das ausweisen -, mit den Verbänden sei eine einvernehmliche Regelung erzielt worden, sondern ich habe gesagt, die Regelung sei mit den Verbänden diskutiert worden. Zweitens habe ich deutlich gemacht, dass wir, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Bundesländer für die Übersetzung „integrative Bildung“ ausgesprochen haben, Interesse an Integration haben und die Differenzierung zwischen Integration und Inklusion schon sehen. Es handelt sich hier um einen Prozess. Wir glauben, dass wir auf einem guten Weg sind, zumal das internationale Abkommen auch mit den anderen deutschsprachigen Ländern abgestimmt worden ist. Im Übrigen werden bei der Ratifizierung des Abkommens im Deutschen Bundestag die verschiedenen sprachlichen Fassungen vorliegen. Die englische und die französischen Fassung des Abkommens werden Bestandteil des Gesetzes sein, sodass hier der Sinn wiedergegeben wird, den Sie aus meiner Sicht mit Ihrer Frage ansprechen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Kurth.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Brandner, der englische Text ist von der deutschen Delegation verhandelt worden, die damals zusammen mit dem damaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack, von der rot-grünen Koalition entsandt worden ist. Mit den an diesem Verhandlungsprozess Beteiligten habe ich noch einmal gesprochen. Angesichts der Tatsache, dass es im Englischen auch das Wort „integration“ gibt, wurde bei den Verhandlungen in New York einhellig bestätigt, dass bewusst der Ausdruck „inclusion“ - Inklusion - gewählt worden ist. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die damals von ihr beauftragte Delegation diesen Begriff gewählt hat? Wie begründet sie demgegenüber jetzt die andere Übersetzung?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Ich habe darauf hingewiesen, dass die Übersetzung mit den deutschsprachigen Nachbarländern abgesprochen ist. Wir wollten und mussten zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Dem Deutschen Bundestag wird die Fassung zur Abstimmung vorliegen, die mit den drei Nachbarländern Österreich, der Schweiz und Liechtenstein abgestimmt worden ist. Aus unserer Sicht kommt es im Endeffekt darauf an, dass man sich in einem dynamischen Prozess bewegt. Die entsprechenden Fassungen in Englisch und Französisch werden letztlich Bestandteile des Ratifizierungsgesetzes sein, das dem Deutschen Bundestag vorgelegt wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 29 des Kollegen Markus Kurth: Wie bewertet die Bundesregierung die Handlungsempfehlung der Bundesagentur für Arbeit mit dem Titel „Diagnose der Arbeitsfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen nach § 33 Abs. 4 SGB IX“? Bitte, Herr Staatssekretär.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Kurth, die Bundesregierung begrüßt die vorgesehene Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit. Der Titel der Maßnahme lautet richtig: „Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen nach § 33 Abs. 4 SGB IX“. Es geht um die Fragestellung, ob ein behinderter Mensch am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilnehmen kann oder zur Teilhabe auf eine Werkstatt für behinderte Menschen angewiesen ist. Leistungen und Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, zu denen auch die in § 33 aufgezählten Leistungen wie Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung sowie berufliche Ausbildung gehören, sind gegenüber der Teilnahme am Arbeitsleben in Werkstätten für behinderte Menschen vorrangig. Das kommt insbesondere in § 136 SGB IX zum Ausdruck. Dort werden Werkstätten als Einrichtungen für diejenigen behinderten Menschen definiert, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Im Rahmen der Berufsorientierung und der Berufsberatung haben die Agenturen für Arbeit zu prüfen, ob die behinderten Menschen, die vor ihrer berufliche Ersteingliederung stehen - in der Regel also Schulabgänger -, für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet sind. Erst wenn die Eignung hierfür fehlt, kommt eine Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen infrage. Insbesondere vonseiten der Länder, die Kostenträger für die Leistungen im Arbeitsbereich der Werkstätten im Anschluss an die von der Bundesagentur geförderte berufliche Bildung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich sind, wird der Bundesagentur vorgeworfen, sie gliedere behinderte Menschen vorschnell in die Werkstatt für behinderte Menschen ein. Diese Kritik greift die Bundesagentur jetzt auf. Das Verfahren zur Eignungsfeststellung wird transparenter. Damit wird das Verfahren zur Aufnahme in die Werkstatt weiter objektiviert. Den Fachausschüssen stehen nun bei den Stellungnahmen zur Werkstattaufnahme weitere Informationen und damit zusätzliche Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Bitte.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Auch unsere Fraktion begrüßt es, dass Eingangsverfahren bei Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ergebnisoffen durchgeführt werden. Aber ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Ausschreibung in dieser Form das geeignete Mittel ist, um die Anbieter herauszufinden, und liegen bereits Erkenntnisse vor, welche Anbieter das sein könnten?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Kurth, es liegen keine Erkenntnisse vor, welche Anbieter das sein könnten. Sie kennen die wettbewerbsrechtlich zu beachtenden gesetzlichen Grundlagen, wann Maßnahmen ausgeschrieben werden müssen und wann nicht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Maßnahmen in der Regel ausgeschrieben werden müssen, wenn es sich um Sachverhalte aus dem Bereich des Arbeitsmarktes handelt, bei denen Vergleichsmöglichkeiten bestehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist das jetzt gewählte Verfahren aus Sicht der Bundesregierung nicht zu beanstanden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich frage das, weil wir ja im Bereich der beruflichen Bildung schon gewisse Erfahrungen mit Ausschreibungen gemacht haben. Ich würde jetzt noch gerne wissen, ob der zeitliche Rahmen, der in dieser Weisung vorgesehen ist - die Bestellungen sollen die Agenturen bis zum 12. März aufgeben; dann muss sofort das Ausschreibungs- und Zuschlagsverfahren folgen, da am 1. Juli der Beginn der ersten Maßnahmen vorgesehen ist -, nach Auffassung der Bundesregierung geeignet ist, um ein qualitativ anspruchsvolles Verfahren und eine gute Anbieterauswahl sicherzustellen.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Die Verantwortung für das Verfahren hat die Bundesagentur für Arbeit übernommen. Es gibt zurzeit aus Sicht der Bundesregierung keine Gründe, etwas an dem ohne Frage ambitionierten Zeitrahmen zu ändern, und keine Erkenntnisse, dass auf diese Weise die Qualität nicht gesichert werden könnte.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 30 des Kollegen Markus Kurth: Wie soll sichergestellt werden, wenn - wie zu erwarten ist - weniger Menschen in den Berufsbildungsbereich der Werkstätten einmünden, dass ebendiesen Menschen auch langfristig eine entsprechende Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zukommt, und hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die Bundesagentur für Arbeit den zu erwartenden Mehrbedarf auch langfristig in ihren Eingliederungstitel eingeplant hat? Bitte, Herr Staatssekretär.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Markus Kurth, die Bundesregierung erarbeitet derzeit einen neuen Fördertatbestand „Unterstützte Beschäftigung“, der den in der Frage genannten behinderten Menschen eine Perspektive bietet. Dazu ist selbstverständlich auch der Finanzrahmen mittel- und langfristig zu beachten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn, wie jetzt beim Eingangsverfahren vorgesehen, der Beginn der ersten Maßnahmen am 1. Juli sein soll, müssten die ersten Personen, die durch dieses Eingangsverfahren gehen, etwa zum 1. Oktober in den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln und zusätzlich gefördert werden. Ist denn zu erwarten, dass der neue Fördertatbestand „Unterstützte Beschäftigung“ bis zum 1. Oktober dieses Jahres Gesetzeskraft erlangt, und ist er auch schon etatisiert?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Der Bundesagentur für Arbeit stehen im Eingliederungstitel ihres Haushalts, der, wie Sie wissen, in der Vergangenheit häufig in keiner Weise ausgeschöpft worden ist, ausreichend Mittel zur Verfügung. Darüber hinaus hängt die Implementierung eines neuen Instruments natürlich auch davon ab, wie schnell wir in diesem Hause zu einer gesetzlichen Regelung kommen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie können also keinen ganz konkreten Termin nennen, zu dem der Fördertatbestand „Unterstützte Beschäftigung“ Gesetzeskraft erlangt. Das heißt, die Personen, die jetzt durch dieses Verfahren laufen, müssen sich, ohne zu wissen, wie es nachher ausgeht, darauf verlassen, dass es die Bundesregierung schon schaffen wird.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Kurth, das Ministerium und die Bundesagentur in ihrem Bereich arbeiten daran, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, damit dieses aus unserer Sicht sinnvolle Instrument schnellstmöglich umgesetzt werden kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 31 des Kollegen Dr. Kolb: Sieht die Bundesregierung in der Umsetzung der vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 20. Februar 2008 angekündigten Möglichkeit einer Verlängerung der SGB-II-Trägerschaft der Optionskommunen über den vorgesehenen Zeitraum von sechs Jahren hinaus ein Problem hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem Konnexitätsprinzip? Bitte, Herr Staatssekretär.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Kolb, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 zur verfassungsrechtlichen Zuständigkeit für die Trägerschaft und Aufgabenwahrnehmung bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende hat keine Auswirkungen auf die zugelassene kommunale Trägerschaft. Die zugelassene kommunale Trägerschaft, die auf der gesetzlichen Experimentierklausel beruht, wird evaluiert. Darüber wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den gesetzgebenden Körperschaften bis Ende 2008 berichten. Für den Fall, dass es nicht zu einer gemeinsamen Bewertung und Schlussfolgerung kommt, sieht der Koalitionsvertrag vor, die zugelassene kommunale Trägerschaft bis Ende 2013 zu verlängern. Die Einzelheiten der rechtlichen Umsetzung dieser Verabredung werden, sofern dies erforderlich wird, zu gegebener Zeit geklärt. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage zu prüfen sein, ob und wie die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag auf der Grundlage des mittlerweise geltenden Verfassungsrechts umgesetzt werden kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den Optionskommunen erhebliche Unruhe entstanden ist, was die künftige Möglichkeit der Trägerschaft anbelangt. Sie haben bei der Beantwortung meiner Frage eingeräumt, dass es zu einer Verlängerung kommen wird. Können und dürfen die kommunalen Träger davon ausgehen, dass die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit - auch die finanziellen Rahmenbedingungen - im Verlängerungszeitraum unverändert bleiben, oder gibt es aus Sicht der Bundesregierung eine Notwendigkeit, den Handlungsrahmen der Kommunen einzuschränken?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Es ist nicht beabsichtigt, etwas an der gesetzlichen Grundlage für die Bildung von Optionskommunen zu ändern. Die politische Verabredung ist von mir deutlich dargestellt worden: Bis 2010 sollen die Optionskommunen mit der gleichen Rechtsausstattung wie die getrennten Körperschaften und die Arbeitsgemeinschaften ihre Aufgaben in der jetzigen Form wahrnehmen können. Die Frage ist: Was passiert nach 2010, wenn es nicht zu einer neuen politischen Vereinbarung kommt? Auch diese Frage ist klar beantwortet worden. In diesem Fall ist es die politische Absicht, das Programm in unveränderter Form bis 2013 fortzuführen. Es ist in jedem Fall nicht daran gedacht, bei der Rechtsetzung zwischen den Jobcentern und den Arbeitsgemeinschaften, bei denen SGB -II-Leistungen in getrennter Aufgabenwahrnehmung erbracht werden, und den Optionskommunen zu differenzieren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine zweite Nachfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie sprechen von der Fortführung zugelassener Trägerschaften. Ist der Umkehrschluss richtig, dass es über den Kreis der derzeit bestehenden 69 Optionskommunen hinaus ohne eine Änderung des Grundgesetzes keine weiteren kommunalen Trägerschaften geben kann?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Das sehen wir so. Die jetzige Grundlage sieht vor, dass die 69 Kommunen, die die Option gewählt haben, in Abgrenzung zu anderen Formen der Aufgabenwahrnehmung ein Experiment durchführen. Wenn dies dauerhaft fortgeführt werden soll, muss eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Dr. Kolb. Soll nach den Planungen vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, die Zulassung der Optionskommunen befristet oder unbefristet verlängert werden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Dr. Kolb, der Koalitionsvertrag sieht im Fall der Nichteinigung nach Abschluss der Evaluation die Verlängerung der zugelassenen kommunalen Trägerschaft bis zum 31. Dezember 2013 vor. Die Bundesregierung wird die Umsetzung dieser Vereinbarung der Koalitionspartner auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechts prüfen, wenn der dort beschriebene Fall eintritt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf meine Antwort verweisen, die ich Ihnen gerade gegeben habe.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wäre denn nach der derzeitigen Rechtslage auch eine unbefristete Verlängerung der Option möglich?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Das sieht die Bundesregierung nicht so. Wir befinden uns ja in einem Experimentierfeld. Es ist fixiert, wann das Experiment abgeschlossen sein soll, um vergleichbare Werte für endgültige Rahmensetzungen zu erhalten.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nun haben die Optionskommunen konkrete Investitionen in Angriff genommen, um die Durchführung der Trägerschaft bestmöglich gewährleisten zu können. Das gilt zum Beispiel für den Landkreis Darmstadt-Dieburg, aus dem ich komme, wo es im Moment ein entsprechendes Bauvorhaben gibt. Ist denn zumindest denkbar, dass es für die betroffenen Kommunen eine weitere, über 2013 hinaus befristete Verlängerung geben kann?

Klaus Brandner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003053

Herr Abgeordneter Kolb, das ist den dann verantwortlichen politischen Mehrheiten in diesem Hause zu überlassen und kann aus Sicht der Bundesregierung heute noch nicht entschieden werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Frage 33 des Kollegen Rohde wird schriftlich beantwortet. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Ich rufe die Frage 34 der Kollegin Miriam Gruß auf: Für welchen Zeitraum der Betreuung durch die Eltern soll das Betreuungsgeld gezahlt werden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Frau Kollegin Gruß, ich muss Ihnen sagen, dass ich die vielen Fragen, die Sie sicher gleich noch stellen werden, nicht werde beantworten können, weil es noch nicht so weit ist. Das, was ich dazu sagen kann, werde ich Ihnen mitteilen. In der letzten Woche haben sich das BMFSFJ und das BMF über eine Gesetzesformulierung zum Thema Betreuungsgeld geeinigt. Danach soll in einem neuen § 16 Abs. 4 des SGB VIII geregelt werden, dass ab 2013 für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung, zum Beispiel ein Betreuungsgeld, eingeführt werden soll. Durch die Einführung einer solchen Regelung in § 16 SGB VIII, der die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie zum Gegenstand hat, bringt die Bundesregierung zum Ausdruck, neben dem Ausbau der Kindertagesbetreuung auch die herausragende Leistung der Eltern bei der Erziehung der Kinder würdigen zu wollen. Die konkrete Ausgestaltung soll bis zum Jahre 2013 geklärt werden. Der Gesetzgeber ist dabei in seiner Entscheidung frei. Fragen zur inhaltlichen Ausgestaltung der monatlichen Zahlung können daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Dies muss in der Zukunft geklärt werden. Hierbei ist der Gesetzgeber - wie auch immer er sich dann zusammensetzt - ausdrücklich frei.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank. - Mir liegen natürlich viele Fragen auf der Seele. Die Fragestunde dauert zwar nur noch zwei Minuten; trotzdem will ich einen Versuch starten, vielleicht doch noch etwas von Ihnen zu erfahren. Mich würde vor allem interessieren, wie sich dies zum einen auf die Tatsache auswirken würde, dass einige Länder ein Landeserziehungsgeld auszahlen. Zum Zweiten ist sicherlich schon darüber gesprochen worden, ob alle Familien dieses Betreuungsgeld bekommen sollen und ob es als Pauschbetrag oder einkommensabhängig ausgezahlt werden soll. Ich meine, dass es in der VergangenMiriam Gruß heit zu vage und zu viele Diskussionen gab, als dass die Bundesregierung jetzt darauf verweisen könnte: Wir sagen dies alles erst 2013. - Es waren schon viele Aspekte in der Diskussion. Ihre Formulierung bringt mich zu den Nachfragen, die durchaus notwendig sind.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich habe Ihre Frage nicht verstanden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie müssten jetzt einfach Ihre Frage formulieren.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die habe ich schon zu Beginn meines Statements formuliert: Wie wirkt sich die Einführung eines Betreuungsgeldes in den Ländern aus, die beispielsweise Landeserziehungsgeld zahlen? Wird es angerechnet? Soll das Betreuungsgeld als Pauschbetrag oder einkommensabhängig ausgezahlt werden, und soll es an alle Familien ausgezahlt werden?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Frau Kollegin, die Dinge sind so weit geregelt, wie ich es eingangs gesagt habe, und darüber hinaus nicht. Das ist Aufgabe des künftigen Gesetzgebers. Das soll im Jahre 2013 erfolgen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Auch wenn die Fragestunde nicht, wie Sie vermuteten, nur noch 2 Minuten dauert, sondern exakt 22 Minuten und 43 Sekunden, mache ich darauf aufmerksam, dass in der Fragestunde Fragen zu formulieren sind. Die Fragen der anderen Kolleginnen und Kollegen sollen schließlich auch noch aufgerufen werden können. - Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe die Frage an den Beginn meiner Wortmeldung gestellt. - Jetzt meine Nachfrage: Sie sagten, dass etwas ausgezahlt wird, zum Beispiel ein Betreuungsgeld. Welche anderen Dinge, von denen wir vielleicht noch nichts wissen, sind denn noch im Gespräch?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Seitens der Bundesregierung sind keine weiteren Dinge im Gespräch. Sie wissen aber, dass im politischen Raum das Betreuungsgeld in allen möglichen Varianten diskutiert wird. Es wird über unterschiedliche Möglichkeiten der Förderung von Kindern und Familien diskutiert, insbesondere über Möglichkeiten zur Förderung derjenigen, die sich in besonderer Weise um die Betreuung von Kindern in der Familie kümmern. Das ist eine allgemeine politische Debatte, die in den Bundesländern und in einigen anderen europäischen Ländern geführt wird. Dort gibt es entsprechende Erfahrungen. All dies muss ausgewertet werden, wenn sich der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode an eine Konkretisierung macht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 35 der Kollegin Gruß: Wie wird sich die Einführung eines Betreuungsgeldes voraussichtlich in denjenigen Bundesländern auswirken, in denen ein Betreuungsgeld oder Landeserziehungsgeld gewährt wird, das heißt, wird das Betreuungsgeld auf Bundesebene mit Zahlungen der Länder verrechnet, oder wird es Einsparungen auf Landesebene zur Folge haben?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wenn Sie das, was ich auf die Frage 34 eben geantwortet habe, zugrunde legen, werden Sie verstehen, dass ich auch in diesem Zusammenhang nur sagen kann, dass sich das nicht beantworten lässt und es dazu keine speziellen Aussagen gibt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank! Ich habe nicht mitbekommen, dass wir zeitmäßig noch etwas Luft haben. Deswegen habe ich vorhin eine komprimierte Frage gestellt. Ich habe eine Nachfrage: Wie ist der Stand der Diskussion in der Bundesregierung bezüglich der Bildungsund Betreuungsgutscheine, die in der Öffentlichkeit immer wieder angesprochen wurden?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich kann nur wiederholen, was ich eben schon gesagt habe: Das ist eine allgemeine politische Diskussion. Diese Diskussion wird gegenwärtig nicht innerhalb der Bundesregierung geführt. Diese Diskussion geht nicht über das hinaus, was im vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des SGB VIII steht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Lenke hat eine Nachfrage zur Frage 35. Bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, so einfach ändert man nicht das SGB VIII. Es wundert mich sehr, dass Sie in das SGB VIII eine politische Aussage hineinschreiben wollen, ohne genau zu wissen, wie das Betreuungsgeld ausgestaltet wird: Soll es monatlich ausgezahlt werden? Soll es einkommensabhängig gezahlt werden? Ich nenne das einen Kuhhandel. Meine Frage lautet: Wie bewertet die Bundesregierung diesen Kuhhandel?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ihre Frage kann ich beantworten: Das ist kein Kuhhandel. Die Koalitionsparteien haben sich auf eine Formulierung verständigt, mit der sie zum Ausdruck bringen, dass sie die Leistung derjenigen Mütter und Väter, die ihre Kinder unter drei Jahren zu Hause betreuen wollen, anerkennen wollen. Wie das im Einzelnen ausgestaltet wird, ist eine Frage, die den weiteren Beratungen vorbehalten bleibt. Diese Beratungen werden sicherlich in der nächsten Legislaturperiode erfolgen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 36 der Kollegin Sibylle Laurischk: Wie hoch soll das monatliche Betreuungsgeld gemäß der Absprache zwischen der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesminister der Finanzen sein? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wenn Sie das zugrunde legen, was ich eben geantwortet habe, nämlich, dass ausschließlich die Formulierung in das Gesetz aufgenommen wird, dann wird es Sie nicht verwundern, dass ich auf meine Antwort auf Frage 34 verweise. In dieser Antwort habe ich den Sachstand erläutert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Kollegin Ina Lenke hat eine Nachfrage.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie verzichten auf Ihre Nachfragen zu dieser Frage? Frau Kollegin Lenke, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort auf Frage 34 das Ausland angesprochen. Ist Ihnen die Sachlage in Norwegen bekannt? Wie bewerten Sie die Sachlage in Norwegen? In Norwegen ist einige Jahre lang ein Betreuungsgeld gezahlt worden, weil zu wenige Krippenplätze vorhanden waren. Sie wollen ein Betreuungsgeld zahlen, wenn ausreichend Krippenplätze vorhanden sind. In Norwegen ist festgestellt worden, dass bei der nicht Norwegisch sprechenden Bevölkerung, dass heißt bei Migranten, die Eltern lieber das Geld genommen haben, wahrscheinlich um den Familienetat aufzupeppen. Das ist zwar nachvollziehbar, aber gerade die Kinder unter drei Jahren, die in Norwegen ohne norwegische Sprachkenntnisse aufwachsen, haben aufgrund dieses Anreizes - mehr Geld für die Familien - nicht die Möglichkeit bekommen, Sprachkenntnisse zu erwerben und zusammen mit norwegischen Kindern ihr Leben zu gestalten. Meine Frage lautet: Wie bewerten Sie die Entwicklungen, die in Norwegen stattgefunden haben? ({0})

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Liebe Frau Kollegin Lenke, wir werden dann, wenn es so weit ist, dass die Formulierung, die im Gesetz steht, in konkrete Regelungen umgesetzt wird, die Erfahrungen anderer Länder - das habe ich eben bereits gesagt auswerten. Wir werden sicherlich auch die Erfahrungen auswerten, die in einzelnen Bundesländern gemacht wurden. ({0}) Dann werden daraus die Konsequenzen gezogen. Sie und Ihre Kolleginnen haben fünf ähnlich lautende Fragen gestellt. Deswegen wird es Sie nicht überraschen, dass ich darauf ähnlich antworte; anders geht es nun einmal nicht. Sie haben ähnliche Fragen gestellt, die Antworten müssen dann auch ähnlich sein. Wir werden, wenn es so weit ist, auch die Erfahrungen in Norwegen auswerten. In der politischen Diskussion gibt es natürlich auch Einschätzungen; aber darum geht es ja nicht bei Ihrer Frage. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es ist richtig, dass wir bei diesem Themenkomplex bleiben. Ich rufe die Frage 37 der Kollegin Sibylle Laurischk auf: Sollen alle Familien das Betreuungsgeld erhalten? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich bitte Sie um Verständnis - Sie haben eben gehört, wie ich auf die anderen Fragen geantwortet habe -, dass ich auch hier logischerweise nur antworten kann, dass dies zu gegebener Zeit geklärt wird. Ich verweise auf die Antwort auf Frage 34.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu zwei Nachfragen. - Sie verzichten. Aber die Kollegin Lenke hat noch eine Nachfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vorab, Herr Staatssekretär: Ich weise zurück, dass ich Ihnen nur aus politischen Gründen Fragen stellen würde. ({0}) Nicht nur die FDP-Bundestagsfraktion wundert sich über diesen Kuhhandel, sondern natürlich auch Journalisten und Journalistinnen; sie können damit überhaupt nichts anfangen. ({1}) Meine Frage lautet: Wie kann das Familienministerium es verantworten, das Sozialgesetzbuch VIII zu ändern, wenn noch nicht einmal Unterlagen über das Volumen und darüber, wie das Ganze durchgeführt werden soll, vorliegen? Dann soll es erst 2013 stattfinden. Wie bewerten Sie das?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Frau Kollegin Lenke, ich habe nicht gesagt, dass Sie politische Fragen stellen. Das ist ja völlig in Ordnung; wir sind ja in einem Parlament. Ich habe gesagt, dass über bestimmte Themen in der Politik, in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Das ist ganz normal, wenn etwas gesetzlich geregelt werden soll. Wenn Sie sich mit dem SGB VIII näher beschäftigten - das tun Sie; Sie kennen sich dort aus -, dann wissen Sie, dass dort etwa die Frage der Frühförderung von Kindern geregelt wird und dass es Absprachen zwischen Bund und Ländern gibt. Das heißt, der überwiegende Teil des SGB VIII beschäftigt sich mit anderen zentralen Fragestellungen. Wir sagen: Es genügt nicht, lediglich ein Platzangebot zu schaffen, sondern man muss auch zu einer exzellenten Förderung von Kindern und Jugendlichen kommen. Das ist für mich der Hauptgegenstand dieses Gesetzes. Das andere ist darin aufgenommen, weil man damit zeigt, wohin man im Anschluss daran, wenn das eine umgesetzt ist, will und worüber man reden will. Wir sind ja praktisch voll bei der Umsetzung. Sie kennen die Situation in den Ländern und auch in den Kommunen: Vieles, was wir auf Bundesebene längst auf den Weg gebracht haben, muss jetzt noch in den Ländern und Kommunen umgesetzt werden. Deswegen warten sie auf die Änderung des SGB VIII, und deswegen ist es so wichtig, dass sie kommt. Nicht jeder einzelne Passus ist wichtig, auch nicht der Passus, über den wir gerade diskutieren. Die anderen Punkte sind im Hinblick auf das, was jetzt umgesetzt werden soll, viel wichtiger. Über diese werden wir zu gegebener Zeit diskutieren. Ich glaube auch, dass es völlig normal ist, dass man sich nicht im Jahre 2008 bis in alle Einzelheiten mit etwas beschäftigt, das man zum Jahre 2013 angehen will. Ich finde, es müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Wenn Sie immer Ähnliches fragen, bitte ich um Verständnis dafür, dass ich immer ähnlich antworte.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 38 der Kollegin Ina Lenke: Soll das Betreuungsgeld einkommensabhängig oder als monatlicher Pauschalbetrag gezahlt werden?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Auch das ist, wenn ich das so sagen darf, keine völlig neue Fragestellung. ({0}) Ich habe bereits auf unterschiedliche Art und Weise versucht, auf diese Frage zu antworten. Ich könnte es zwar noch einmal versuchen, aber ich verweise auf meine Antwort auf die Frage 34 der Kollegin Gruß. Ich bin gespannt, welche Zusatzfragen Sie jetzt stellen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit, zwei Nachfragen zu stellen. - Bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist ja toll. - Herr Staatssekretär, klären Sie mich doch einmal auf, warum Sie in den §§ 74 und 75 SGB VIII bzw. im KJHG Abstand davon genommen haben, privatgewerbliche Träger, Elternvereine usw. und kommunale Träger künftig gleich zu behandeln. Damit wir uns nicht missverstehen, füge ich hinzu: Heutzutage ist es so, dass kommunale Kitas zu 70 bis 80 Prozent aus Steuermitteln gefördert werden. Werden die Plätze einer privaten Krippe benötigt, werden diese aber nicht in den Kindertagesstättenbedarfsplan des Landkreises aufgenommen. Ihr Angebot ist gut, aber die staatlichen Subventionen haben ein sehr ungleiches Ausmaß. Nach meiner Kenntnis sehen Ihre Änderungsvorschläge keine Gleichberechtigung der Träger vor. Würden Sie mich bitte aufklären, ob eine solche Gleichberechtigung der Träger in Ihren Änderungsvorschlägen enthalten ist, und wenn nicht, warum nicht?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Frau Lenke, wie Sie wissen, stimmen wir den Gesetzentwurf gegenwärtig miteinander ab. An diesem Prozess sind die Bundesressorts, aber auch die Länder beteiligt. Danach wird er im Kabinett beraten. Erst dann wird man abschließend sagen können, welche Regelungen aufgenommen werden. Gegenwärtig befinden wir uns noch im Abstimmungsverfahren. Nachdem sich das Kabinett mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt hat, wird er, wie jeder andere Gesetzentwurf auch, im Parlament ordentlich beraten. Dann werden wir auch diese Frage aufgreifen. Wie Sie wissen, sind wir ausdrücklich dafür, dass auch freigewerbliche Träger mit einbezogen werden. Denn wir glauben, dass die Kommunen den bestehenden Bedarf sonst nicht decken können. Sie wissen auch, dass die Bundesfamilienministerin ein Programm zur betrieblichen Kinderbetreuung auf den Weg gebracht hat. Wir müssen alle Möglichkeiten berücksichtigen, um das Ziel, das wir uns gesetzt haben, tatsächlich zu erreichen. Ich schlage vor, dass wir über Einzelheiten des Gesetzentwurfes dann, wenn es so weit ist, auch im Ausschuss intensiv diskutieren. Im Übrigen werden wir, falls das Parlament diesen Beschluss fasst - das zeichnet sich ab -, zu diesem Thema auch eine Anhörung durchführen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie können noch eine Nachfrage stellen.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe noch eine ganz kurze Frage. Herr Staatssekretär, wenn das so ist, kann ich dann davon ausgehen, dass die Gleichbehandlung von kommunalen Kitas, Elternvereinen und privatgewerblichen Initiativen sozusagen auf Wunsch des Bundesfamilienministeriums in den Änderungen des SGB VIII berücksichtigt wird?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Davon können Sie zunächst einmal nicht ausgehen. Ich habe deutlich gemacht, welche Vorstellungen wir haben. Ich weise aber ausdrücklich auch darauf hin, dass natürlich bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt werden müssen. ({0}) Ich glaube, hier sind wir uns völlig einig. ({1}) Vor diesem Hintergrund sollten wir darüber diskutieren, wie wir das im Einzelnen handhaben. Sie können aber davon ausgehen, dass wir im Hinblick auf die gewerblichen Anbieter eine Öffnungsklausel vorsehen werden; darüber haben wir uns im Ausschuss bereits unterhalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 39 des Kollegen Josef Philip Winkler: Warum hat man das Christival nicht direkt und nur über Umwege gefördert, und welche Träger haben hierfür welche Summen erhalten? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Über das Christival haben wir schon einmal intensiv diskutiert; das war damals ein Frage-und-Antwort-Spiel. Antragsteller für die Durchführung der Großveranstaltung Christival 2008 ist die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V., die AEJ. Die AEJ ist die Zentralstelle für eine Vielzahl evangelischer Verbände und Projekte im Sinne des Kinder- und Jugendplanes des Bundes, des KJP. Zuwendungen werden der Zentralstelle bewilligt und an sie ausgezahlt. Träger, die sich einer Zentralstelle angeschlossen haben, legen dieser ihre Anträge vor. Auch das ist geregelt, und zwar in den Richtlinien des Kinder- und Jugendplanes. Mit den Letztempfängern schließt die AEJ gemäß den Verwaltungsvorschriften zu § 44 der Bundeshaushaltsordnung Weiterleitungsverträge ab. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2007 wurden der AEJ für das Haushaltsjahr 2008 Fördermittel von bis zu 250 000 Euro aus dem KJP in Aussicht gestellt. Der vorzeitige Vorhabensbeginn wurde zum 1. Januar 2008 zugelassen, da die entsprechenden Haushaltsmittel zwischenzeitlich zur Verfügung standen. Die Maßnahme soll als Projektförderung und im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung als sonstiges Einzelprojekt gemäß Nr. III. 3.6 Abs. 1 der Richtlinien des Kinder- und Jugendplans als nicht zurückzuzahlende Förderung bewilligt werden. Diese Maßnahme befindet sich in der Bearbeitung beim Bundesverwaltungsamt. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Bitte.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Tauss, das Festival, auf das sich meine Frage bezieht, hat noch nicht stattgefunden. ({0}) Vielen Dank für die Beantwortung, Herr Staatssekretär. Meine Frage hat durchaus neue Aspekte. Sie haben auch nicht das Gleiche geantwortet wie in der letzten Sitzungswoche; insofern war die Frage durchaus nicht überflüssig. Es gab gewisse Widersprüche zwischen den Antworten, die mündlich erteilt wurden, und denen, die uns schriftlich vorlagen. Daher danke für die Aufklärung! Verstehe ich Sie richtig, dass Sie der AEJ einen Globalzuschuss erteilt haben und bei der Erteilung dieses Zuschusses noch nicht feststand, dass die Mittel für das Christival verwendet werden und welche der Unterorganisationen der AEJ Mittel für dieses Festival beantragt?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Das ist nicht richtig. Es war ganz klar, wohin die Mittel gehen sollen. Die AEJ ist eine Zentralstelle, wie sie andere freie Träger ebenfalls haben. Dort werden, so ist das üblich, die Anträge gebündelt und letztlich abgewickelt, auch im Auftrag des Ministeriums. Die AEJ wusste genau, wohin die Mittel gehen sollen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Antwort, die uns auch schon gegeben wurde, dass nämlich der CVJM direkt von der Bundesregierung Mittel bekommen habe, hat sich damit erledigt. Können Sie garantieren, dass keine weiteren Mittel für dieses Festival - gegen das wir im Grunde nichts haben; es geht ja nur um die Finanzierung - geflossen sind?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich habe Ihnen, wenn ich mich recht erinnere, schon beim letzten Mal gesagt, dass das Festival damit zu ungefähr 8 Prozent finanziert wird. Mir ist nicht bekannt, dass aus anderen Töpfen Mittel an das Christival fließen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Beck hat das Wort zu einer Nachfrage.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie hatten uns das letzte Mal geantwortet, dass die AEJ die Gelder bekommt. Zwei andere Male hieß es, dass die AEJ und der CVJM die Gelder bekommen. Deshalb möchte ich nachfragen: Ist das Geld, das für das Christival ausgegeben wird - 250 000 Euro -, zunächst an die AEJ und dann weiter an Christival e. V. gegangen, oder ist noch Geld an den CVJM gegangen - von wem und über wen auch immer - und von da weiter an Christival e. V.? Oder finanziert der CVJM einen Teil mit irgendeiner anderen Konstruktion? Ich will das bloß wissen; das gehört ja zu Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Ich möchte betonen, dass auch ich nichts gegen diese Veranstaltung als solche habe, solange sie sich im Rahmen des gesellschaftlich und demokratisch Akzeptablen bewegt.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Herr Abgeordneter Beck, es gibt keine Probleme mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Sie haben die Diskussion intensiv verfolgt und wissen, dass ich beim letzten Mal darauf hingewiesen habe, dass es für das Christival einen eigenen Trägerverein gibt - Christival e. V. -, hinter dem quasi der CVJM steht. Das ist bei Großveranstaltungen üblich: Der Großveranstalter gründet einen entsprechenden Verein, aus verschiedenen Gründen. Der CVJM ist Teil der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend. Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend ist im Zusammenhang mit der Regelung der Bundeshaushaltsordnung die Abrechnungsstelle für das Christival. Insofern ist ausgeschlossen, dass die Gelder irgendwo verschwinden; sie sind gezielt für das Christival gedacht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 40 des Kollegen Winkler: Wie beurteilt die Bundesregierung die Geeignetheit eines Trägers für die Hilfe für Opfer sexuellen Missbrauchs - Wüstenstrom e. V. -, der für eine der möglichen schädlichen Folgen des Missbrauchs die „Entwicklung von homosexuellen Neigungen“ hält ({0}) und Homosexualität für eine veränderungsbedürftige Veranlagung hält?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich darf bei dieser Gelegenheit sagen: Wir haben mehrere Anfragen und etliche Briefe auch des Kollegen Beck zu diesem Thema beantwortet und uns damit intensiv auseinandergesetzt. Die Fragen haben wir jeweils zeitnah beantwortet. In der damaligen Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote religiöser Fundamentalisten“ - so lautete der Titel der Anfrage - haben wir ausgeführt, dass der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu der Organisation Wüstenstrom e. V. vorliegen. Die Bundesregierung vertritt im Übrigen keine Auffassung in Bezug auf die Entwicklung von homosexuellen Neigungen und zu der Frage, ob Homosexualität für eine veränderungsbedürftige Veranlagung gehalten wird. Mithin ist ein Träger, der dazu eine bestimmte eigene Auffassung vertritt, einer Beurteilung hinsichtlich seiner Geeignetheit für die Hilfen für Opfer sexuellen Missbrauchs nicht zugänglich. Ich will bei dieser Gelegenheit ausdrücklich erklären - das habe ich beim letzten Mal schon gesagt -: In einem pluralistischen Land werden wir immer eine gewisse Bandbreite von Trägern und Veranstaltungen im Rahmen des KJP fördern. Das geschieht seit vielen Jahren. Das bedeutet auch, dass wir nicht bis in alle Einzelheiten Auffassungen, die dort vertreten werden, bewerten. Wir pflegen mit der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sie hat sich über viele Jahre über mehrere Bundesregierungen hinweg entwickelt. Ich finde, diese gute Übung sollten wir beibehalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, das eine schließt das andere nicht aus. Ich kann nachvollziehen, dass Sie nicht jede Organisation im Vorhinein bewerten können und wollen. Das ist die eine Sache. Wenn Ihnen aber von einer Fraktion oder von Abgeordneten dieses Hauses Informationen über einen Träger, der mit Steuermitteln gefördert wird, zukommen, dann ist es doch selbstverständlich, dass zumindest dann, wenn der Hinweis erfolgt ist, ein genauerer Blick auf diesen Träger nottut. Wofür machen wir sonst diese Fragestunde, wenn sie nicht dazu dient, mit Ihnen über Informationen ins Gespräch zu kommen, die uns zugänglich geworden sind, aber der Bundesregierung nicht? Es ging mir nicht um eine Beurteilung. Sie haben in Ihrer Antwort in der letzten Sitzungswoche klar gesagt, dass es wissenschaftliche Minderheitsmeinungen gibt. Ich frage daher noch einmal: Hält es die Bundesregierung für eine vernünftige Vorgehensweise, wenn Steuermittel ausgerechnet Vereinigungen zur Verfügung gestellt werden, die nach Meinung der Bundesregierung absolut abwegige und seit Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung nicht mehr für verantwortbar gehaltene Auffassungen vertreten, um dann auch noch Opfern von sexuellem Missbrauch angeblich zu helfen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Herr Abgeordneter Winkler, ich habe beim letzten Mal die Einschätzung der Bundesregierung zum Thema Homosexualität auf der Basis dessen erläutert, was die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen dazu sagt. Ich glaube, das war eindeutig. Dafür, dass wir uns nicht in jede einzelne Veranstaltung einmischen und nicht jede Veranstaltung bewerten, bitte ich um Verständnis. Ich gehe davon aus, dass der Veranstalter Christival e. V. und auch die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend - ich habe mich heute noch einmal ausdrücklich danach erkundigt - mit diesem Thema verantwortlich umgehen. Wir werden sicherlich später Bilanz ziehen können, wie die Veranstaltung im Einzelnen gewesen ist. Ich will im Übrigen betonen: Das Christival hat sich über viele Jahre entwickelt. Sicherlich wurden auch schon Positionen vertreten, die nicht jedem so richtig passen, um es einmal so zu sagen. Aber es ist völlig unstrittig, dass diese Großveranstaltung von christlich orientierten Jugendlichen besucht wird. Insofern sind wir der Meinung, dass wir hier absolut verantwortlich gehandelt haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Winkler, die Zeit für die Fragestunde ist erschöpft. Wenn Sie noch eine kurze Frage haben, ({0}) bin ich bereit, Ihnen eine zweite Frage zu ermöglichen. Keine Nachfrage. Kollege Beck, dieses Angebot ist nicht übertragbar. Ich habe diesen Vorschlag nur gemacht, weil wir schon bei der Beantwortung der Frage waren. Ich danke dem Staatssekretär. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Damit beende ich die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Computermesse CeBIT - IT-Forschung als Wachstumsimpuls für Deutschland Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Katherina Reiche für die Unionsfraktion. ({1})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CeBIT ist das Schaufenster der Welt für die Informations- und Telekommunikationstechnologie. Es ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, welche Anerkennung der IKT-Standort Deutschland dadurch erfährt, dass die Messe in Hannover ist und bleibt und sich immer noch steigender Beliebtheit erfreut. ({0}) Die Digitalisierung des beruflichen und privaten Alltags ist die wichtigste Triebfeder der Globalisierung. Sie hat die Globalisierung in ihrer jetzigen Form zum Teil erst ermöglicht. Immer mehr Waren und Dienstleistungen können an nahezu jedem beliebigen Ort der Welt produziert und auch an jedem beliebigen Ort konsumiert werden. Digitalisierung als Teil und Triebfeder der Globalisierung schafft Allgegenwärtigkeit, also die sprichwörtliche Aufhebung von Örtlichkeit und Grenzen des Raums. Der IKT-Branche kommt also bei der Herausforderung, die Globalisierung zu gestalten, eine Schlüsselrolle zu. In Deutschland sind die Branchen, die die meisten Innovationen gerieren, in hohem Maße IKT-getrieben. Neben der IKT-Wirtschaft selbst sind es der Automobilund der Maschinenbau, die Logistik, die Medizin und auch die Energie. Wesentliche Grundlage für Innovationen auf diesen Feldern sind Forschungs- und Entwicklungsergebnisse im Bereich von Basistechnologien, der Elektronikmikrosysteme, Softwaresysteme und der Wissensverarbeitung sowie Kommunikationstechnik und -netze. Teil eines innovationsorientierten Maßnahmenpakets zur Stärkung des Standortes Deutschland sind deshalb insbesondere eine effiziente Forschungsförderung, ein leistungsorientiertes Bildungswesen und ein wirtschaftspolitischer Rahmen, der Investitionen in arbeitsintensive und innovationsstarke Sektoren fördert. Innovationen sind branchenübergreifend der Schlüssel für Wachstum und Arbeitsplätze. Die Informationsund Telekommunikationsbranche liefert Spitzentechnologien für den Wettbewerb. Namen wie Karl Ferdinand Braun, Werner von Siemens oder Konrad Zuse sind unmittelbar mit dem Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Technologienationen verbunden. Die Zahlen, die der Fachverband im letzten Jahr veröffentlicht hat, sind vielversprechend. Der Markt ist um 2 Prozent gewachsen. Für das laufende Jahr werden Zuwächse um 1,6 Prozent auf 145,2 Milliarden Euro und im Jahre 2009 wird noch einmal ein Plus um 2 Prozent auf 148 Milliarden Euro erwartet. Auch das Wachstum wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Nach Berechnungen von BITKOM gibt Katherina Reiche ({1}) es noch einmal mehr als 816 000 Arbeitsplätze bzw. Beschäftigungsverhältnisse in diesem Bereich. Aber - auch das gehört dazu - es gibt viele offene Stellen, die nicht besetzt werden können. 43 000 Stellen für IT-Spezialisten gibt es, 18 000 im IKT-Sektor selbst und 25 000 in den Anwenderbranchen. Was heißt das politisch? Innovationen sind ohne Bildung undenkbar. Deshalb müssen wir das Thema „Mangel an Hochqualifizierten“ anpacken. Das beginnt in der Schule, in der wir uns stärker dem Bereich Informatik, Ingenieur- und Naturwissenschaften, aber auch Basiswissenschaften wie der Mathematik annehmen müssen. Da geht es neben einer verstärkten Förderung von Basiskompetenzen und Technikförderung auch an den allgemeinbildenden Schulen und an den berufsbildenden Schulen um die Qualifikation der Lehrkräfte. Hier sind Bund und Länder gemeinsam gefordert, auf Verbesserungen hinzuarbeiten. Das trifft auch für die Hochschulen zu. Ein durchschnittliches Informatikstudium dauert nach wie vor acht Jahre. In dieser Zeit hat sich die digitale Welt quasi dreimal verändert. Die Abbrecherquote liegt derzeit bei unakzeptablen 50 Prozent. Es gilt also, den Studienstandort Deutschland zu stärken, Studienzeiten zu verkürzen, Abbrecherquoten zu verringern und den Frauenanteil in naturwissenschaftlichen Studiengängen zu steigern. ({2}) Um den Fachkräftebedarf in der Wirtschaft auch auf mittlere Sicht zu sichern, müssen Hochqualifizierte aus aller Welt angeworben werden, aber vor allem auch die Qualifikationslücke der bereits im Berufsalltag stehenden Fachkräfte geschlossen werden. Die Weiterbildung hat für die IKT-Branche eine besondere Bedeutung. Die Halbwertzeit des dort generierten Wissens wird auf drei bis sechs Monate geschätzt. Gerade in diesem unglaublich dynamischen Bereich sind eine qualitativ hochwertige Weiterbildung und lebenslanges Lernen wichtig und müssen selbstverständlich werden. Es gibt in Deutschland viele kluge und kreative Köpfe. Wir müssen unser Potenzial ausschöpfen. Deshalb hat die Bundesregierung mit der Initiative „IKT 2020“ als einem der wichtigsten Bausteine innerhalb der Hightech-Strategie einen wichtigen Impuls gegeben, dass in Deutschland auch in Zukunft Leitmärkte die Welt bestimmen. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einem Geschäftsordnungsantrag hat der Kollege Volker Beck das Wort.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Große Koalition eine Aktuelle Stunde beantragt, dann sollte sie dieses Plenum - insbesondere auf der Regierungsbank - nicht mit Nichtachtung strafen. ({0}) Ich finde es einen Skandal, dass man zwar die CeBIT zum Thema macht, aber weder der Wirtschaftsminister noch die Forschungsministerin und schon gar nicht die Kanzlerin anwesend sind. Ich beantrage, die Bundeskanzlerin und den Wirtschaftsminister herbeizurufen. Ein Staatssekretär kann sie nicht angemessen vertreten. Die leeren Bänke zeigen eine gewisse Nichtachtung des Parlaments. Ich will es mir ersparen, die Beschlussfähigkeit des Parlaments feststellen zu lassen. Aber beschlussfähig sind Sie garantiert nicht. ({1}) Wir drohen aber nicht mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Denn wir wollen kein Theater veranstalten; wir wollen vielmehr, dass das Parlament ernst genommen wird. Dazu gehört eine angemessene Präsenz auf der Regierungsbank und im Plenum, insbesondere dann, wenn die Koalition, die sonst im Plenum keine eigenen Vorlagen mehr zu bieten hat, weil in der Reformpolitik Funkstille herrscht, zu dem Instrument der Aktuellen Stunde greift. Deshalb bitte ich, die Minister herbeizuzitieren. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich widerspreche für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Antrag des Kollegen Beck. Diese Aktuelle Stunde richtet sich an das Parlament. Das Parlament ist mit den Fachleuten der Ausschüsse vertreten, die mit diesem Bereich zu tun haben. ({0}) Die Aktuelle Stunde richtet sich aber auch an die Öffentlichkeit. Das Thema war uns in dieser Woche, in der die CeBIT in Hannover stattfindet, so wichtig, dass wir die Aktuelle Stunde beantragt haben. Ich wiederhole: Ich widerspreche diesem Antrag für die CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Als Nächste hat die Kollegin Enkelmann das Wort.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Die Fraktion Die Linke unterstützt den Antrag der Grünen und bittet um die Entscheidung des Präsidiums.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Ernstberger und dann die Kollegin Flach. Anschließend kommen wir zur Abstimmung.

Petra Ernstberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002648, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich widerspreche dem Antrag der Grünen. Wir sind im Plenum angemessen vertreten. Der Wirtschaftsausschuss befindet sich gerade auf der CeBIT, weil er dort seiner Arbeit nachgeht. ({0}) Die Regierungsbank ist besetzt. Sie können sich nicht aussuchen, wer auf der Regierungsbank vertreten ist. Deswegen stimmen wir Ihrem Antrag nicht zu. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Flach.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Ich glaube, es gibt keine bessere Begründung dafür, dass wir die Minister herbeizitieren sollten, als die der Kollegin Ernstberger. ({0}) Der zuständige Ausschuss ist nicht anwesend. Auch die beiden zuständigen Minister sind nicht anwesend. Wir schließen uns selbstverständlich dem Antrag der Grünen an. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag zur Herbeirufung von Mitgliedern der Bundesregierung. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Der Geschäftsordnungsantrag ist gescheitert. Darin ist sich das Präsidium einig. ({0}) - Es tut mir leid, dass manche offensichtlich nicht schnell genug herbeieilen konnten, um sich an dieser Abstimmung zu beteiligen. Wir fahren mit der Aktuellen Stunde fort. Das Wort hat die Kollegin Flach für die FDP-Fraktion. ({1})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war sehr symptomatisch für die Situation. Kein Mensch weiß, warum wir in diesem Plenum eine Aktuelle Stunde zu einer Messe haben müssen, die von der privaten Wirtschaft dieses Landes getragen wird und weiß Gott keine Messe ist, die durch Regierungshandeln besonders begleitet wird. ({0}) Die CeBIT ist weltweit bekannt; das ist keine Frage. Die Informations- und Kommunikationstechnik trägt mit immerhin 50 Prozent zum Wirtschaftswachstum in Europa bei. Jeder in diesem Haus weiß zudem, dass aufgrund der boomenden Konjunktur erstaunliche Zuwächse im letzten Jahr verzeichnet wurden. Aber wir Liberale fragen uns natürlich, was das mit der Bundesregierung oder den Koalitionsfraktionen zu tun hat. Es wäre schön, wenn Sie die mit viel Steuergeld subventionierte IT-Politik der Großen Koalition wenigstens dafür in Anspruch nehmen könnten, dass die Wirtschaft boomt. Immerhin werden 1,5 Milliarden Euro an Fördermitteln ausgegeben. Aber außer dem wirklich nicht zu begrüßenden Umstand, dass mit Nokia eine der wichtigen Hightech- und IT-Firmen dieses Landes für negative Schlagzeilen gesorgt hat, haben Sie nicht mehr zu bieten als das, was Sie in den letzten Wochen in den Fernsehsendungen zu diesem Thema zum Leidwesen der Menschen gesagt haben. ({1}) Angesichts der Tatsache, dass hier viel Geld als Subventionen ausgegeben wird, frage ich Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen: Wo sorgen Sie für Hebelwirkungen auf dem Markt, wie es erforderlich ist und wie es die BITKOM als zuständiger Verband täglich einfordert? Wo nehmen Sie eine Leitfunktion für einen sehr wichtigen Markt ein? Schauen wir uns einmal Ihr Handeln an. Der Staat sollte Treiber und nicht Nachzügler sein. Als Haushälterin ist mir in diesem Zusammenhang aufgefallen: Sie brauchen bereits zweieinhalb Jahre, um einen sogenannten Chief Information Officer - ein wunderschöner englischer Titel -, der dafür sorgen soll, dass in diesem Lande endlich eine gemeinsame Beschaffung für die Regierungsinstitutionen stattfindet, zu benennen. Es gibt ein merkwürdiges, ausgesprochen diffuses Konzept, das mit viel Bürokratie verbunden ist. Nach wie vor nutzen Sie nicht die treibende Kraft der öffentlichen Beschaffung, um einen Schub auszulösen. Sie sollten hier etwas tun, anstatt Aktuelle Stunden mit mangelnder Beteiligung durchzuführen. ({2}) Ein weiteres Feld, auf dem Sie ebenfalls etwas tun könnten - darüber werden wir in dieser Woche noch diskutieren -, sind die Breitbanddienste. Wir sind ein Land in Europa, in dem nach wie vor 5 Millionen Menschen keinen Zugang zu den Breitbanddiensten haben. Wir versuchen im Augenblick krampfhaft, unsere Schulen an die Breitbanddienste anzuschließen. Was ist mit der Gesundheitskarte? Wir müssen in diesen Tagen erleben, dass die Kanzlerin zum dritten Mal auf der CeBIT erklärt, es sei Zeit, endlich die Gesundheitskarte in Deutschland einzuführen. Aber es gibt keine Gesundheitskarte. Es gibt nach wie vor Verzögerungen und nur Modellprojekte. Kein Mensch weiß, wie das im Endeffekt aussehen wird. ({3}) Ein weiterer Bereich, in dem Sie etwas tun könnten, ist die Unternehmensteuerreform. Herr Kollege Riesenhuber, das hätten Sie verhindern müssen. Das betrifft genau die Unternehmen, die Sie angeblich mit Ihrer Politik fördern wollen. ({4}) Wer auf der CeBIT war, weiß, dass es eine sogenannte grüne CeBIT sein soll. Der treibende Faktor, der dafür gesorgt hat, dass es eine grüne CeBIT ist, sind die hohen Strompreise. Wer ist denn für die hohen Strompreise zum großen Teil zuständig? Wer ist denn dafür verantwortlich? ({5}) Das sind doch Dinge, die Sie hier besprechen sollten. Frau Reiche, ich stimme Ihnen bei vielem, was Sie zum Fachkräftemangel gesagt haben, zu. - Leider ist sie gerade nicht da. ({6}) - Ach da, an der Regierungsbank, gut. Es wäre schön, wenn Sie sich wieder auf Ihren Platz setzen könnten. Dann sehe ich Sie auch sofort. - Liebe Frau Reiche, wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, und die Bundesagentur für Arbeit muss endlich die Möglichkeit haben, älteren Ingenieuren die Chance zu geben, sich mit Gutscheinen an Hochschulen weiterbilden zu lassen. Darum geht es doch. ({7}) All das haben Sie in den letzten Jahren nicht auf den Weg gebracht. Sie versuchen, die Messe zu vereinnahmen. Das tun Sie vor allem für die Öffentlichkeit. Das wird nicht reichen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition. Auch eine Kanzlerin mit SMS und iPod auf der Messe wird nicht reichen. Sie haben noch viel zu tun. Unsere fachliche Unterstützung werden Sie sicherlich haben, aber dass wir Ihrer jetzigen Arbeit zujubeln, das können Sie nicht von uns verlangen. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Jörg Tauss für die SPDFraktion.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dachten, wir machen der FDP einmal eine Freude und diskutieren ein richtig modernes Thema, bei dem wir etwas dazulernen können. Jetzt seid ihr unzufrieden. Das finde ich richtig schade. ({0}) Ich glaube, Sie werden mit dem, was Sie hier gesagt haben, dem, was sich auf der CeBIT tut, nicht gerecht. Es geht nicht darum, was bei dem Ausstellerstand in der siebten Halle stattfindet. Ich halte die Diskussion für richtig, und ich halte es für richtig, dass Kolleginnen und Kollegen von uns dorthin fahren; wir wissen nicht, ob diejenigen dort sind, die noch nicht alles wissen, und diejenigen, die hier im Saale sind, alles wissen. Es gibt den Spruch: Einmal sehen ist besser, als hundert Mal hören. - Ich halte es für richtig, dass der Wirtschaftsausschuss dorthin fährt und die Entwicklungen beobachtet, ({1}) und ich halte es für richtig, dass andere Kollegen sich hier in der Debatte mit einer der wichtigsten Branchen unseres Landes beschäftigen. Die Kollegin Reiche hat doch darauf hingewiesen, worüber wir hier reden. Wenn ich mir Aktuelle Stunden der FDP betrachte, dann muss ich sagen, dass wir schon über sinnlosere Themen diskutiert haben als über eine Branche, die einen Umsatz von 145 Milliarden Euro macht. Das nur nebenbei bemerkt. ({2}) In diesem Jahr haben wir ein Plus von 2 Prozent. Das waren die guten Nachrichten. Natürlich gibt es auch schlechte Nachrichten, zum Beispiel die Rückgänge bei der Telekommunikation trotz des Wachstums. Nokia ist ein miserables Beispiel dafür, wie in dieser Branche fahrlässig mit Arbeitsplätzen umgegangen und eine Zukunftsbranche desavouiert wird. Wir haben mit der Firma Siemens zu tun, die über Jahre hinweg Innovationen im Telekommunikationsbereich verschlafen hat, weshalb andere Länder aufholen konnten und wir Tausende von Arbeitsplätzen verloren haben. Da könnte man zornig werden. Es gibt noch einen Punkt, den man sicherlich kritisch sehen muss: Das Exportland Deutschland exportiert in diesem Sektor für 11 Milliarden Euro weniger, als es importiert. Das ist ein Thema, das im Bundestag diskutiert werden muss, auch wenn wir über Förderpolitik und Zukunftsprogramme reden. Liebe Kollegin Flach, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können an dieser Stelle auch mit positiven Nachrichten weitermachen. Mehr als 80 Prozent der Innovationen in Deutschland, die wir in unseren starken Branchen haben - Automobilindustrie, Medizintechnik, Logistik -, sind Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie geschuldet. Darauf beruht der wichtige Ansatz unseres IKT-Programms. Ich verstehe nicht, wie Sie, Frau Kollegin Flach, auf die Idee kommen, dass hier zu wenig oder gar Falsches passiert. Jährlich fließen 300 Millionen Euro aus dem Ministerium für Bildung und Forschung und noch einmal 80 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsministerium in unser IKT-Forschungsprogramm. Ich kann überall, wo ich hinkomme, nur Lob konstatieren, sei es von der Wirtschaft, sei es von den Universitäten oder von anderen, die gesagt haben, dass erkannt wird, worin die Zukunft liegt. Das betrifft die Automobilbranche, die Energiebranche und viele andere Industrien in diesem Land. ({3}) Ich sage hier durchaus mit einem gewissen Stolz: Man kann an der Großen Koalition mäkeln, wie man will - das tue auch ich gelegentlich; auch die Opposition muss das tun -, aber in diesem Bereich haben wir eines der ganz starken Programme im Rahmen der HightechStrategie der Bundesregierung aufgelegt. Wir haben uns um die Metatrends gekümmert. Ich glaube, wir haben sie erfolgreich identifiziert. Ich weiß gar nicht, was Sie, Frau Flach, an einer privaten Messe auszusetzen haben. Soll das eine sozialistische Staatsmesse werden, oder was wollen Sie? ({4}) Auch auf der privaten Messe CeBIT können Sie besichtigen, dass die Förderprogramme, die wir haben, auch in der Vergangenheit genau die richtigen Trends erfasst haben. Geräte- und Übertragungstechniken gehören leider nicht mehr dazu. Die Allgegenwärtigkeit von IKT - leider nicht unbedingt in diesem Plenarsaal; da hat der Ältestenrat, nomen est omen, bei der Planung des Hauses manches verschlafen; aber das will ich jetzt nicht allzu kritisch anmerken ist aber ein solcher Trend. Das Gleiche gilt für die anwendungsbezogene Softwareentwicklung. Der Erfolg einer Firma wie SAP mit Tausenden von Arbeitsplätzen weltweit macht das deutlich. Wir hätten in Deutschland durchaus das Potenzial für zwei bis drei Firmen wie SAP. Aus diesem Grunde ist es richtig, in diesem Bereich zu fördern und zu forschen. Megatrends sind Embedded Systems: Das sind die in Produkte eingebauten Hard- und Softwaretechniken, wie man sie in immer mehr Autos sehen kann; ich denke an Bordcomputer und Ähnliches. Ich habe neulich nachts auf der Autobahn wieder einmal ein Auto zu Schrott gefahren. Mit etwas mehr IKT hätte ich das vielleicht vermeiden können. All das sind wirklich fortschrittliche Bereiche. Unter anderem kommt unsere Automobilindustrie dadurch voran. Wir werden uns über Sicherheit und Zuverlässigkeit von Netzen und Computern unterhalten müssen. ({5}) Das ist eine Herausforderung und übrigens auch ein Zielkonflikt mit manchen unserer Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der inneren Sicherheit, Stichwort „Datenschutz und IT-Sicherheit“. Ich bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu Onlinedurchsuchungen klar gesagt hat: Es gibt ein Grundrecht auf Integrität. Wenn wir das ernst nehmen, dann werden wir eine Riesenchance haben, auch in diesem Bereich mit neuen Produkten, mit Datenschutz und mit IT-Sicherheit weltweit voranzukommen. Es hätte sich gelohnt, der FDP noch vieles zu sagen, was die Notwendigkeit dieser Debatte anbelangt. Aber die Präsidentin will es leider nicht mehr zulassen. Liebe Kollegin Flach, dann sprechen wir darüber in irgendeinem Separee. Nochmals: Diese Debatte ist sinnvoll. Sie gilt einer richtigen Branche. Aus diesem Grund war es absolut richtig, hier zu reden. Alle, die in dieser Debatte noch reden werden, werden ebenfalls diesen Beweis erbringen. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun Professor Dr. Lothar Bisky das Wort. ({0})

Dr. Lothar Bisky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003739, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition hat das Thema CeBIT auf die Tagesordnung gesetzt, um ihre Politik, auch die IT-Forschungspolitik, in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Das sei Ihnen unbenommen. ({0}) Gestatten Sie mir aber, ({1}) dass ich drei Wermutstropfen in den Wein gießen werde. Erstens. Die milliardenschwere Forschung der Informations- und Kommunikationstechnologien durch die Bundesregierung erfolgt als industriegeführte Forschung. Die Industrie bestimmt im Wesentlichen die Forschungsziele ebenso wie die Mittelverwendung. Bei der berüchtigten deutschen Suchmaschine Theseus wurde die Projektführung ohne öffentliche Ausschreibung an die Bertelsmann-Tochter Empolis vergeben. So eine Projektführung ist aus unserer Sicht nicht in Ordnung. ({2}) Hier hört man, dass maßgebliche Firmen der deutschen Internetwirtschaft ebenso wenig einbezogen wurden wie auf diesem Feld führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ein Prinzip der industriegeführten IT-Forschung ist seitens der Bundesregierung, für die aus den Forschungsvorhaben gewonnenen Patente und Nutzungsrechte keinerlei Auflagen zu machen. Hier gilt offenbar: Die Kosten für Forschung und Entwicklung sind gesellschaftliche Kosten. Später anfallende Verwertungsgewinne sind privatwirtschaftliche Gewinne. ITForschung ist nach dem Verständnis der Bundesregierung daher vorrangig ein Programm zur Subventionierung von Informations- und Kommunikationstechnologie in ausgewählten Anwendungsbereichen, vor allem Automobilbau, Telekommunikation, Logistik und Medizintechnik. ({3}) Darauf allein, Herr Tauss, lässt sich die Basis für eine Informations- und Wissensgesellschaft nicht gründen. ({4}) - Da sind wir uns einig. - Die Träger der Informationsund Wissensgesellschaft sind ihre kreativen, innovativen Köpfe. ({5}) Die Basis für eine Informations- und Wissensgesellschaft bildet die Ausbildung solcher kreativen, innovativen Köpfe. Den Hochschulen kommt auf diesem Feld eine wichtige, wenn nicht entscheidende Aufgabe für die Zukunft zu. Ihnen muss daher nicht nur die Forschungshoheit und die Forschungsautonomie im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien zurückgegeben werden, sondern es sind auch ausreichend Mittel für Forschung und Lehre bereitzustellen. ({6}) Zweitens. In der Informations- und Wissensgesellschaft bilden Information und Kommunikation zunehmend Schlüsselressourcen. Dem Zugang zur technologischen Infrastruktur digitaler Kommunikation kommt eine ähnlich große Bedeutung zu wie der Herrschaft über informationelle Knoten und Schnittstellen im Kommunikationsnetzwerk. Der Zugang zum Internet als Zugang zu Kommunikation und Information von Gesellschaften berührt daher Grundfragen demokratischer Beteiligung. Ein Breitbandinternet für alle ist heute eine demokratische Notwendigkeit. ({7}) Dazu müssen Breitbandinternet in ganz Deutschland bereitgestellt und die bestehende Breitbandlücke im ländlichen Raum geschlossen werden. ({8}) Die Bundesregierung hat bislang nichts unternommen, um die Telekommunikationskonzerne zum Ausbau ihrer Netze in ländlichen Gebieten zu drängen. Dabei gäbe es wirksame und für die öffentliche Hand günstige gesetzgeberische Möglichkeiten, Druck auszuüben und dadurch die Breitbandlücke zu schließen. Ich nenne nur die Ausdehnung des Universaldienstes auf Breitbandanschlüsse im deutschen Telekommunikationsgesetz und die Einbeziehung von Breitbandinternet in die europäische Universaldienstrichtlinie. Drittens. Auch die Informations- und Wissensgesellschaft hat Rechenschaft abzulegen über den Energieverbrauch und den Verbrauch natürlicher Ressourcen. Die Computerindustrie selbst erkennt zunehmend die Notwendigkeit effizienter und energiesparender Computer und unternimmt erste Bemühungen, die Energieaufnahme zu mindern. Vor allem Betreiber großer Rechenzentren und Serverfarmen stellen zunehmend hohe Anforderungen an den Energieverbrauch ihrer Computersysteme. Das ist zu begrüßen. Nicht umsonst gibt es „Green IT“, ein Schwerpunktthema der CeBIT. Aber Maßnahmen dieser Art allein reichen nicht aus. Ich komme zum Schluss. Wir brauchen dringend ein gesetzlich verpflichtendes Energielabel für Computer. ({9}) Wir haben dazu in dieser Woche einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Machen Sie mit beim Stromsparen am PC! Ich bedanke mich. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel.

Thomas Rachel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002754

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! DieCeBIT hat die Tore geöffnet. Das ist ein geeigneter Zeitpunkt für eine erste Zwischenbilanz der IKT-Forschungspolitik der Bundesregierung. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung die Hightech-Strategie gestartet, um unser Land an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zu führen. Hierbei spielt die Informations- und Kommunikationstechnologie innerhalb der insgesamt 17 Innovationsfelder der Hightech-Strategie eine ganz besondere Rolle. Denn die Informations- und Kommunikationstechnologien bilden praktisch die technologische Basis für unsere Informations- und Wissensgesellschaft. Sie sind der Innovationsmotor Nummer eins. ({0}) Bundesbildungs- und -forschungsministerin Annette Schavan hat bei der letzten CeBIT das Programm „IKT 2020 - Forschung für Innovationen“ vorgestellt. Wir stellen für den Zeitraum 2007 bis 2011 hierfür rund 1,4 Milliarden Euro an Projektfördermitteln zur Verfügung. Wir haben die Forschungsförderung auf die in Deutschland wichtigsten Anwendungsbereiche ausgerichtet, in denen Innovationen in hohem Maße IKT-getrieben sind. Neben der IKT-Wirtschaft selbst möchte ich den Automobil- und Maschinenbau, die Medizin, die Logistik und die Energie nennen. Drei Dinge stehen dabei für uns im Vordergrund: erstens eine klare Konzentration auf wenige Schwerpunkte, zweitens eine stärkere Einbindung gerade der kleinen und mittelständischen Betriebe und drittens eine stärkere Europäisierung und Internationalisierung. Lassen Sie mich die Umsetzung dieser Leitlinien an drei Beispielen verdeutlichen. Erstens. Wir haben bereits jetzt fünf umfangreiche Innovationsallianzen in den Leitmärkten Automobil, Telekommunikation und Logistik formiert. In diesen Projekten mobilisieren Fördermittel des BMBF im Rahmen des Programms „IKT 2020“ in Höhe von 274 Millionen Euro Investitionen der Industrie in einer Größenordnung von knapp 1,5 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Die Wirtschaft legt auf jeden staatlichen Euro 5 Euro aus der privaten Schatulle dazu. Dies ein richtiger Ansatz und ruft eine ordentliche Hebelwirkung hervor. ({1}) Ich will eine Innovationsallianz beispielhaft nennen: Sie ist aus dem Bereich der Automobilelektronik, an der sich Automobilhersteller, Zulieferer, aber auch die Wissenschaft beteiligen, und zielt auf eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs und damit auch des CO2-Ausstoßes ab. ({2}) Zweitens. Mit der BMBF-Förderinitiative „KMU-innovativ“, die in den Koalitionsfraktionen besprochen und entschieden wurde, haben wir praktisch eine Überholspur für die kleinen und mittelständischen Betriebe geschaffen. Die Beantragung und die Bewilligung von Fördermitteln wurden spürbar beschleunigt und vereinfacht. Da die bisherige Resonanz aus den KMU auf die Fördermaßnahme außerordentlich erfreulich war, ist beabsichtigt, die Fördermittel - dies sind allein 100 Millionen Euro in fünf Jahren - deutlich aufzustocken. Drittens. Wir nehmen verstärkt Einfluss auf die europäischen Programme. Wir wollen nationale und europäische Maßnahmen miteinander verzahnen. Beispielsweise setzen wir gemeinsam mit unseren Partnern aus Finnland, Schweden und Frankreich Maßstäbe für ein sicheres, zuverlässiges und schnelles Internet, um so einen entscheidenden Beitrag zum künftigen Standard im Internet zu leisten. Durch staatliche Unterstützung haben sich die neuen Bundesländer und vor allem Dresden in den letzten Jahren zum bedeutendsten Standort für Mikro- und Nanoelektronik in Europa entwickelt. Bei der derzeitigen Förderung legen wir ganz besonderen Wert auf die Kooperation der großen Chiphersteller, die in Dresden ansässig sind, mit den Forschungseinrichtungen und den kleinen und mittelständischen Betrieben, um mit den industriellen Partnern eine schnelle Umsetzung der Forschungsergebnisse in die industrielle Produktion zu erreichen - zum Vorteil des Standortes Deutschland und der neuen Bundesländer. Wir wollen Wettbewerbsvorteile schaffen und sie anschließend auch nutzen. ({3}) Diesen Gedanken der regionalen Clusterförderung, den ich hier am Beispiel Dresden deutlich gemacht habe, hat das BMBF im Rahmen seines Spitzenclusterwettbewerbs aufgegriffen. Ein weiteres Indiz für die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologie als Innovationstreiber ist, dass von 38 vorgeschlagenen Clustern im Spitzenclusterwettbewerb neun allein aus dem IKT-Bereich stammen. ({4}) Mit dem vor wenigen Tagen im Forschungszentrum Jülich eingeweihten neuen Superrechner JUGENE stellt Deutschland den weltweit schnellsten zivil genutzten Rechner der Welt. Ich denke, dies ist ein schöner Erfolg. Zusammen mit den Höchstleistungsrechenzentren in Stuttgart und Garching wird hier das Gauß-Centrum deutscher Höchstleistungsrechenzentren gebildet, das wiederum in das europäische Höchstleistungsrechnernetz eingebunden wird. Damit bieten wir beste Bedingungen für Forschung in Deutschland. ({5}) Eines ist ganz klar: Neben den bekannten Bereichen der Theorie und des Experiments ist nun als dritte Größe die Simulation komplexer Vorgänge zu einer unverzichtbaren Methode in Forschung und Entwicklung geworden. Nehmen Sie zum Beispiel die Klimaforschung oder die Entwicklung des Fahrzeugbaus. All dies ist ohne Computersimulation heute nicht mehr denkbar. Deswegen waren es wichtige Entscheidungen, die wir als Bundesforschungsministerium anzustoßen versucht haben. ({6}) Nur gut gebildete und ausgebildete Menschen können unser Land an der Spitze im globalen Wettbewerb halten. Es muss uns also gemeinsam um die Sicherung des Fachkräfteangebots gehen. Die Bundesregierung hat hierzu eine Qualifizierungsinitiative vorbereitet, die wir mit den Ländern besprechen und auf den Weg bringen wollen, um die Aus- und Weiterbildung in ihrer Breite zu verbessern. Lassen Sie mich aus einem Gesamtprogramm von vielen Maßnahmen zwei beispielhaft herausgreifen. Klar ist: Wir brauchen mehr Absolventinnen und Absolventen im Bereich der MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Wir werden deshalb mit dem freiwilligen technischen Jahr jungen Menschen nach dem Abitur die Möglichkeit geben, in diese Bereiche konkret hineinzuschauen, in den Betrieben und Forschungseinrichtungen Erfahrungen zu sammeln und so zu prüfen, ob die MINT-Fächer etwas für ihr eigenes Studium sind. Ich freue mich, dass die IKTBranche in der Zwischenzeit zugesagt hat, selber Plätze für interessierte Jugendliche in diesen Bereichen zur Verfügung zu stellen. ({7}) Zweitens muss es uns auch darum gehen, mehr Frauen für IKT-Studiengänge und -berufe zu gewinnen. Deswegen werden wir im Rahmen der Qualifizierungsinitiative in einem nationalen Pakt Maßnahmen zur Gewinnung von jungen Frauen für Hightechberufe bündeln. Auch dies ist eine wichtige Sache. ({8}) Ich sage an der Stelle aber auch ausdrücklich: Die Reformanstrengungen, die hier nötig sind, kann die Bundesregierung nicht alleine bewerkstelligen, sondern wir brauchen eine Zusammenarbeit mit den Unternehmen, den Sozialpartnern und den Ländern. Ich will hier beispielhaft die öffentlich geförderte Initiative „IT 50plus“ nennen, mit der wir zusammen mit den Sozialpartnern Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, damit auch ältere Beschäftigte ihr Potenzial besser nutzen und wieder einen qualifizierten Job finden können. Dies ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. ({9}) Lassen Sie mich abschließend hervorheben: Vor wenigen Tagen hat die Expertenkommission „Forschung und Innovation“ der Kanzlerin ihr Gutachten 2008 vorgestellt. Darin gibt es neben vielen anderen interessanten Informationen eine ganz wichtige, nämlich die, dass die Zahl der Studienanfänger in den Ingenieur- und Naturwissenschaften erstmals wieder angestiegen ist. Damit haben wir den kontinuierlichen Rückgang, den wir seit 2003 bedauerlicherweise verzeichnen mussten, gestoppt und eine Trendwende eingeleitet. Ich bin optimistisch, dass es uns gemeinsam - Bund, Ländern, Unternehmen und Bundesregierung - mit der Qualifizierungsinitiative gelingen wird, diesen neuen Aufwärtstrend zu verstetigen und so einen Beitrag zu leisten, um die dringend benötigte Fachkräftebasis zu verbreitern. Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Ziel arbeiten! Herzlichen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Peter Hettlich das Wort.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann meine Kollegin Flach sehr gut verstehen. Vielleicht fragen Sie sich auch, warum ausgerechnet ich, der ich ja nicht einmal mehr stellvertretendes Mitglied im Forschungsausschuss bin, hier heute stehe und für meine Fraktion rede. Das liegt daran, dass der Wirtschaftsausschuss in Hannover weilt und gleichzeitig der Ausschuss für Kultur und Medien mit Bundestagspräsident Lammert tagt. Insofern stellt diese Aktuelle Stunde jetzt für mich eher einen Ehemaligentreff dar. Ich freue mich natürlich, hier einige Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen, die in der letzten Legislaturperiode Mitglied des Forschungsausschusses waren. Aber dafür braucht man, wie gesagt, keine Aktuelle Stunde. Das hätte man auch anders haben können. ({0}) Meine Damen und Herren, über die Bedeutung von Informationstechnologie in unserem tagtäglichen Leben brauche ich nicht mehr zu sprechen. Diese haben alle Kolleginnen und Kollegen vor mir schon hervorgehoben. Dass die CeBIT heute eine der weltweit führenden Leitmessen im Bereich der Informationstechnologie ist, brauche ich auch nicht noch einmal zu betonen. Ich finde, dass die Diskussion, ob die CeBIT öffentlich oder nur dem Fachpublikum zugänglich sein soll, sehr wichtig ist. Denn auch so eine Messe trägt dazu bei, dass sich junge Menschen dazu entscheiden, einen entsprechenden Beruf zu ergreifen. ({1}) Es wird ja auf den Messen immer despektierlich über die sogenannten Beutelratten gespottet, die dann mit Plastikbeuteln bepackt eine Unmenge an Prospekten abschleppen. ({2}) Ich war auch so eine Beutelratte. ({3}) Aber ich bin ganz ehrlich: So eine Messe kann einen sehr stark in der Entscheidung beeinflussen, welchen Beruf man später ergreift. Deshalb sollte man auf der CeBIT vor allem seitens der Aussteller nicht so sehr über diese jungen Besucher klagen, sondern sie eher für die entsprechenden Berufe interessieren und anwerben, um so für die Ingenieure und Facharbeiter von morgen zu sorgen. Der erste Computer, mit dem ich zu tun hatte, war eine Olivetti P101; die kennt vermutlich kein Mensch mehr. Sie kostete 1970 25 000 D-Mark und wurde in meiner Schule in einem Raum aufbewahrt, der so gut wie Fort Knox gesichert war. Wir als Achtklässler durften gerade einmal ehrfurchtsvoll durch die Glasscheibe den Computer bestaunen. Drei Jahre später hatten wir alle schon einen kleinen programmierbaren Taschenrechner, und von Ehrfurcht vor dem erwähnten Computer, den wir alle nur den „flotten Wilhelm“ nannten, war keine Rede mehr. Wir haben damals nicht geglaubt, dass es eine so rasante Entwicklung geben würde und wir im Jahre 2008 über so große Fortschritte im Bereich der Informationstechnologie sprechen würden. Es war ein weiter Weg dorthin. Allerdings haben wir damals auch nicht daran gedacht, dass wir einmal über solche Dinge wie den Energieverbrauch von Computern, den Umgang mit Elektroschrott und die Frage der Arbeitsbedingungen sowie über durchaus mögliche kriegerische Auseinandersetzungen um die Rohstoffe, die diese Branche benötigt, sprechen würden. CeBIT goes green. Das Schlagwort lautet Green IT: Der Vorstand der Hannover-Messe jubelte, dies sei ein Megatrend der diesjährigen Messe. Selbst die Automobilbranche hat im letzten Jahr das Green Car entdeckt. Das Wort „Green“ ist also in aller Munde. Wir hören die Worte; natürlich wollen wir aber Taten sehen. Das betrifft verschiedene Aspekte. Kollege Bisky hat zu Recht auf den Energieverbrauch hingewiesen. Herr Staatssekretär Rachel, der schnellste Rechner der Welt ist nicht mehr JUGENE, sondern der Rechner Ranger in Texas, der am gleichen Tag eingeweiht wurde. ({4}) Der Unterschied beim Energieverbrauch ist hochinteressant: Ranger erbringt zwar die doppelte Rechenleistung, verbraucht dafür aber fünfmal so viel Energie. Ich denke, es sollte gar nicht mehr um die Entwicklung des schnellsten Rechners, sondern um intelligente Entwicklungen gehen. JUGENE ist ein Beispiel dafür, dass beim Energieverbrauch gerade im Bereich der Computer noch eine ganze Menge geht. Wir haben die Debatte über Stand-by gerade erst begonnen und längst noch nicht abgeschlossen. Es gibt eine ganze Reihe von Themen, die wir besprechen müssen. Zum Beispiel stellt sich die Frage, wie in den Herkunftsländern produziert wird. Die Wertschöpfungsketten sind heute so unübersichtlich, dass wir sie gar nicht mehr verfolgen können; selbst die Chinesen können sie nicht verfolgen. China hat zwar sehr strenge Richtlinien zur Verwendung gefährlicher Inhaltsstoffe erlassen; aber spätestens in der nächsten Produktionsstufe weiß man eigentlich gar nicht mehr, ob diese Richtlinien eingehalten werden. Wir müssen hier Transparenz schaffen. Wir müssen auch über die Frage der Rohstoffausbeutung diskutieren, zum Beispiel beim Coltan-Abbau im Kongo. Das ist keine Petitesse, sondern eine wichtige Sache, mit der wir uns beschäftigen müssen. Wir können auch nicht einfach sagen, dass uns die Frage der Verwertung von Elektroschrott nicht interessiert; denn Elektroschrottfirmen in der Dritten Welt beuten Menschen unter unzumutbaren Bedingungen aus. Diese Firmen verpesten nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen. Wir können nicht sagen, das interessiere uns nicht, weil wir das schon mit der Elektroschrottverordnung der EU geregelt hätten. Wir müssen uns politisch mit dieser Frage auseinandersetzen. ({5}) Vielleicht kann man das - Kollege Bisky hat das vorgeschlagen - über Zertifikate und Labels regeln. Ich bin also der Meinung, dass es nicht reicht, sich über den Energieverbrauch zu unterhalten; wir müssen das Thema weiter spannen. Greenpeace veröffentlicht den Guide to Greener Electronics. In Zukunft sollten bei Computertests auch die sozialen Standards in den Herkunftsländern unter die Lupe genommen werden. Noch ist es ein weiter Weg, bis sich Green IT und Fair IT durchgesetzt haben, doch der Anfang ist gemacht. In allen Zeitungen steht in der Werbung für die CeBIT, die Technik der Zukunft sei grün; ich hoffe, das trifft tatsächlich irgendwann zu. Übrigens gibt es den „flotten Wilhelm“ immer noch; er steht bei mir zu Hause, die Schule hat ihn mir geschenkt. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihn zum Elektroschrott zu bringen. Vielleicht wird er irgendwann einmal reaktiviert. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dieter Grasedieck für die SPD-Fraktion.

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Peter Hettlich, die CeBIT fördert genau das, was Sie aufgeführt haben. Sie haben die Entwicklung von Olivetti zu den jetzigen Computern beschrieben und den „flotten Wilhelm“ erwähnt. Es ist wichtig, dass wir uns hier über die CeBIT unterhalten; denn sie ist ein Impulsgeber für die internationale Zusammenarbeit. Auf der CeBIT können internationale Cluster gebildet werden; eine internationale Zusammenarbeit in Netzwerken ist denkbar. Liebe Frau Flach, es ist entscheidend, dass der Staat hierbei als Treiber fungiert, dass er also die internationale Zusammenarbeit unterstützt. Insgesamt präsentieren 5 600 Unternehmen ihre Produkte auf der CeBIT; 3 000 davon kommen aus 77 verschiedenen Nationen. Auf der größten Messe dieses Bereichs kommt man zusammen und kann zusammenarbeiten. Herr Bisky, es werden digitale Lösungen für den Bereich Arbeitswelt, aber auch für den Bereich der Lebenswelt angeboten. Hierbei geht es nicht allein um die Technik für den Automobilbau, die Schweißtechnik und die Elektrotechnik. Es werden neue Wege beschritten. Schauen Sie sich das einmal auf der CeBIT an! Auf 40 Prozent der Fläche der CeBIT werden andere Dinge präsentiert, zum Beispiel - darauf wurde hingewiesen Lösungen für die Bereiche der Geisteswissenschaften, der Pädagogik und der Gesellschaftswissenschaften. Ich möchte hier einige Beispiele nennen. Im vergangenen Jahr habe ich die CeBIT besucht. Ich war überrascht, welch gute Angebote es in den Bereichen E-Learning und Wissensmanagement gibt. Wir als Wissensgesellschaft benötigen in der kommenden Zeit diese Informationen. In den vielen Fachvorträgen, die auch dieses Jahr wieder auf dem Messeprogramm stehen, wird auf die Chancen und Rahmenbedingungen für das individuelle Lernen mittels Computer hingewiesen. Es ist viel diskutiert worden. Interessant waren da die Vorschläge zu neuen Lehrmethoden oder Lernmethoden im berufsbildenden Bereich. Dadurch können wir unter anderem den Fachkräftemangel reduzieren. Auch hier sind also gute Möglichkeiten zu finden. Unsere Bundesregierung fördert das ebenso wie viele andere europäische Staaten. Wir fördern zum Beispiel das E-Learning-Verfahren. Einige andere Staaten gehen dazu über - das ist auf der CeBIT diskutiert worden; dies ist ausgesprochen interessant -, eine Verbindung zwischen dem traditionellen Lernen auf der einen Seite und dem individuellen Lernen am Computer auf der anderen Seite zu schaffen. Dabei werden Präsenzseminare durchgeführt. Die kreative Aufgabe wird von dem Schüler oder dem Studenten zu Hause am Computer erarbeitet. Dabei gibt es eine intensive Beratung und Betreuung durch den Professor im Chatroom, per E-Mail und per Telefonaktion. Genau das müssen wir in der Zukunft ausbauen, um diese neuen Chancen zu nutzen. Die Angebote müssen in Deutschland verstärkt werden. Vor allem darauf hat der Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, Professor Scheer, auf der CeBIT hingewiesen. Wir brauchen mehr Ingenieure; der Herr Staatssekretär hat das vorhin dargestellt. Wir brauchen aber auch eine Reduzierung der Abbrecherquote bei den Studierenden im Bereich der Technik. Das ist wichtig; dafür müssen wir sorgen. Die Frauenquote muss erhöht werden. Der Präsident hat dafür eine Lösung. Wir brauchen eine Förderung, eine individuelle Beratung und eine individuelle Betreuung der Studierenden. Das Bildungssystem muss stärker ein Dienstleistungssystem werden. Wir brauchen Angebote für 20-jährige Studenten und für 60-jährige Spitzeningenieure. Sie sehen, wir brauchen hier eine bessere und intensivere Beratung, um die Abbrecherquote zu reduzieren. ({0}) Ich freue mich insofern ganz besonders, als es auf der CeBIT ein solches Angebot im Hinblick auf Bildung und Qualifikation gibt. Das ist eine wichtige Plattform. Das muss in der nächsten Zeit weiterentwickelt werden. Die CeBIT ist ein Ort für internationalen Forschungsaustausch. Ein wichtiges politisches Signal ist, dass die Messe hier in Deutschland stattfindet. Deutschland muss die Ideenschmiede Nummer eins in Europa bleiben. Glück auf! ({1}) Alte Technologie muss mit neuen Technologien verbunden werden. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Marion Seib das Wort. ({0})

Marion Seib (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen ist unser Kollege Johann-Henrich Krummacher verstorben. In seinem Antrag vom Juli 2007 zur gezielten Forschungsförderung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien hat er ganz klar benannt, welche Felder in der IKT-Forschung wichtig sind: erstens Sicherheit, zweitens Zuverlässigkeit, drittens Benutzerfreundlichkeit, viertens Wirtschaftlichkeit und fünftens Ressourceneffizienz. Er hat die Herausforderungen an die IKT-Entwickler und -Forscher in folgendem Satz zusammengefasst: Informatik für den Menschen ist die größte Herausforderung für die Informatik in den nächsten Jahren. Dieser Satz von Jo Krummacher gilt heute und er wird noch in den nächsten Jahren gelten. ({0}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist ein schöner Dreiklang, der durch die CeBIT ausgelöst wird. Die Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss informieren sich auf der CeBIT. Wir hier im Plenarsaal debattieren über IKT-Forschung. Die Entwickler und Anwender diskutieren auf der CeBIT. ({1}) Sie diskutieren über die Thematik Web 2.0/Web-Meeting. Sie diskutieren über Nutzerfreundlichkeit und Nutzerakzeptanz, über Sicherheit, Zuverlässigkeit und maschinelles Lernen, über Identifikation und innovative Spambekämpfung, über elektronische Personalausweise, über die IKT-Forschung und auch darüber, ob diese Sinn für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die KMUs, macht. Die kleinen und mittleren Unternehmen haben einen besonderen Stellenwert innerhalb des Programms „IKT 2020“. Mit der „KMU-Innovationsoffensive IKT“ können nach der neuesten Richtlinie, die gestern veröffentlicht wurde, die Bewilligungsverfahren beschleunigt und vor allem vereinfacht werden. ({2}) Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, ist es bei Fördergemeinschaften in der Vergangenheit immer wieder zu Reibungsverlusten gekommen. Diese entfallen aufgrund der neuen Förderrichtlinien. Wichtig ist, dass jetzt auch junge Unternehmen ihre Ideen unbürokratisch verwirklichen können. Bis jetzt haben sich 825 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft an diesem Projekt beteiligt. Davon waren 482 kleine und mittlere Unternehmen. Ich hoffe sehr, dass sich durch die beabsichtigte Verdoppelung der Fördermittel noch sehr viel mehr kleine und mittlere Unternehmen, vor allem aber junge Unternehmen an dem Programm beteiligen können. Ich wünsche mir sehr, dass die Förderung künftig für 1 000 kleine und mittlere Unternehmen Gutes leistet. Ich hoffe, dass die Zahl „1 000“ eine magische Zahl sein wird, die zu überschreiten sich lohnen wird. Gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, die für diese Branche geradezu typisch sind, sind die Förderung von Ideenreichtum und die Entwicklung von modernen, energiesparenden Geräten wichtig. So können auch KMUs an dem Wettbewerb um die besten Ideen teilnehmen. ({3}) Wenn wir uns vor Augen halten, dass ein Server einer kleinen IKT-Firma mit circa zehn Mitarbeitern 300 bis 400 Kilowatt Strom verbraucht, wobei der Strom für die Kühlung noch nicht einmal berücksichtigt ist, wird uns klar, dass der Hunger nach sparsamen Geräten groß ist. Klare, leicht lesbare Umweltsiegel wären hilfreich; denn die kleinen und mittleren Unternehmen könnten ihre Geldressourcen durch niedrigeren Stromverbrauch schonen. Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz hören aber nicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen auf. Ein Beispiel: Wenn wir wollen, dass die technische Ausstattung am jeweiligen Standort des Forschers nicht mehr der limitierende Faktor sein soll, dann müssen wir die Forschung im Bereich des Grid-Computing beschleunigen. Der weltweite Zugriff auf Hochleistungsrechner und Datenspeicher, auf spezialisierte Programme, Messdaten und Messinstrumente ist unabdingbar, wenn wir Modellierungs-, Simulations- und Optimierungskompetenzen zusammenführen wollen. Allein dieses Forschungssegment zeigt, dass es unabdingbar ist, dass Deutschland seine Innovationskompetenz durch internationale Kooperation und internationale Vernetzung stärkt. Dies ist am schnellsten und nachhaltigsten dadurch zu erreichen, dass wir Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern Auslandsaufenthalte ermöglichen. Internationale Nachwuchsprogramme, am besten mit Rückkehrvereinbarung, sind die Instrumente der ersten Wahl. ({4}) Wenn diese Nachwuchsprogramme mit Stipendien der Wirtschaft oder von Stiftungen ausgestattet werden könnten, wäre das perfekt. Erfreulich ist auch, dass das Interesse von Frauen an technischen Studiengängen wächst. Im Wintersemester 2007/2008 haben gegenüber dem Wintersemester 2006/ 2007 immerhin 13 Prozent mehr Frauen einen technischen Studiengang begonnen. Das lässt hoffen. ({5}) Daran sollten wir gemeinsam weiterarbeiten. Besten Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die SPD-Fraktion. ({0})

Manfred Zöllmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CeBIT ist nach wie vor so beeindruckend wie die Zahlen, die die Informations- und Kommunikationsbranche seit Jahren produziert. Die Hightechbranche hat im vergangenen Jahr mit 143 Milliarden Euro Umsatz wieder einmal ein beeindruckendes Ergebnis hingelegt. In diesem Jahr soll es sogar noch eine weitere Steigerung geben. Die Branche ist ein äußerst wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Standort Deutschland. Viele Menschen können sich überhaupt nicht vorstellen, dass es ein Leben vor dem Internet und dem Handy gegeben hat. In dieser Woche hat der Chef von Microsoft, Steve Ballmer, gesagt, dass wir wieder vor einer Computerrevolution stehen, die in den kommenden Jahren nicht nur die Softwareindustrie prägen werde. Die inzwischen fünfte Revolution werde die allumfassende Vernetzung sein, da sich jedes Gerät automatisch mit dem Internet werde verbinden können und die Daten noch freier, noch einfacher und zugänglicher abgerufen, gespeichert oder verschoben werden können. Fragen der Kompatibilität würden dann der Vergangenheit angehören. Die technische Revolution, die sich in den vergangenen Jahren aufgetan hat, ist in der Tat sehr beeindruckend. Leider wird manchmal vergessen, dass es nicht nur um Technik an sich geht, sondern auch um deren Anwendung, nicht nur durch Ingenieure und studierte Techniker, sondern auch durch ganz normale Menschen von acht bis über 80 Jahre. Gestatten Sie mir ein paar Anmerkungen aus der Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie sind im Übrigen alles andere als technikfeindlich. Der Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur für die Jahre 2006 und 2007 weist dies deutlich aus. Im Jahre 2007 nutzten 39,2 Millionen Menschen regelmäßig das Internet. Damit sind über 60 Prozent der über 14-Jährigen in Deutschland online. Mitte 2007 wurde im Bereich der Mobiltelefondienste die Penetrationsrate von 110 Prozent bereits überschritten. Im Jahre 2007 wurden 16 Milliarden Gesprächsminuten über Internettelefonie abgerechnet, 2006 waren es nur 9 Milliarden. Das ist eine Steigerung von über 75 Prozent. Diese umfangreiche und breite Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie birgt natürlich auch Probleme, denen sich die Politik, aber in besonderem Maße auch die Branche selbst stellen müssen. Damit werden Herausforderungen für Unternehmen und Politik definiert und Ziele für Forschung und Entwicklung vorgegeben. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher nutzen das Internet als Handels- und Shoppingplattform weltweit. Hier stellen sich natürlich Fragen hinsichtlich der Gültigkeit von Rechtsvorschriften, hinsichtlich des Vertragsrechts und hinsichtlich der Haftung. Über unser nationales Recht hinaus muss es europaweite und mittelfristig auch internationale Vereinbarungen geben. Wir sind damit konfrontiert, dass mehr und mehr Verbraucher im Internet in Abonnementverträge gelockt werden. Wir sind mit Identitätsdiebstahl, mit Knebelverträgen, mit Warteschleifen bei Hotlines, mit belästigenden Werbeanrufen, Phishing, Pharming, Trojanern und Viren konfrontiert. All diese Erscheinungen trüben massiv die Freude an der Nutzung dieser Technologien. Es muss deshalb zukünftig erhebliche zusätzliche Anstrengungen geben, um die Sicherheit im IT-Bereich deutlich zu erhöhen. ({0}) Die Bundesregierung macht hier etwas. Hier sind in besonderem Maße auch die Unternehmen gefordert. Die IT-Produkte müssen endlich nutzerfreundlicher werden. Viele Produkte werden mit Gebrauchsanleitungen ausgeliefert, deren Lektüre Tage erfordert, die häufig ohne ein ingenieurwissenschaftliches Studium nicht zu verstehen sind, die Antworten auf Fragen geben, die keiner gestellt hat, ({1}) und einfache wichtige Hinweise zur Bedienung verschweigen. Forschung und Entwicklung dürfen nicht allein den Ingenieuren überlassen werden, die miteinander wetteifern, wie viele unterschiedliche Funktionen in einem Gerät untergebracht werden können, Funktionen, die überwiegend niemand braucht, die niemand nutzt, die aber mitbezahlt werden müssen. Die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sehr viel stärker in Forschung und Entwicklung einfließen. In ihrer aktuellen Ausgabe testet die Stiftung Warentest erstmals Seniorenhandys. Wie lange hat es gedauert, bis hier einem Markt, der durch die demografische Entwicklung längst entstanden war, Rechnung getragen wurde? Im Jahre 2050 wird es statt 4 Millionen 10 Millionen Menschen geben, die über 80 Jahre alt sind. Es darf keine digitale Spaltung der Gesellschaft geben. Technik darf kein Selbstzweck sein. Sie muss das Leben der Menschen erleichtern, Teilhabe ermöglichen und nicht Ausgrenzung produzieren. ({2}) Informations- und Kommunikationstechnologie soll Innovation, Fortschritt, neue Arbeitsplätze, Umsatz, Erleichterungen im Alltag und einfach auch Spiel und Spaß bringen. Das gelingt dann, wenn bei Forschung und Entwicklung diejenigen nicht vergessen werden, die die Produkte kaufen und nutzen sollen. In diesem Sinne wünsche ich der CeBIT weiterhin einen großen Erfolg. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Michael Kretschmer für die Unionsfraktion.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können stolz sein, dass in Deutschland eine so gewaltige und starke Messe wie die CeBIT stattfindet. ({0}) Es ist gut, dass wir darüber im Deutschen Bundestag einmal diskutieren. ({1}) - Frau Kollegin Flach, wir sollten heute der Frage nachgehen: Welche Bedeutung hat diese Messe eigentlich für die deutsche Politik? Es wäre ein Zeichen von Seriosität und inhaltlicher Schwere gewesen, wenn sich die Opposition daran beteiligt und nicht einfach nur kritisiert hätte, dass wir diese Debatte heute führen. ({2}) Das ist in der Tat ein bisschen einfach und billig, Frau Flach. ({3}) Eines ist klar: Die Entwicklungen im IT-Bereich haben das Leben der Menschen in diesem Land und auf der ganzen Welt so sehr beeinflusst und verändert wie kaum etwas anderes, und sie haben das Leben in vielen Fällen einfacher und preiswerter gemacht. Viele Probleme, auch im Bereich der Medizin, wären nicht zu lösen gewesen, hätten uns nicht die umfassenden IT-Möglichkeiten zur Verfügung gestanden. Deswegen ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung mit dem Aktionsprogramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2010“ und mit dem Programm des Bundesforschungsministeriums „IKT 2020“ starke Akzente setzt und sehr viel Geld investiert. ({4}) Meine Damen und Herren, wir wollen, dass Deutschland auf diesem Sektor wie zum Beispiel im Bereich der Unternehmenssoftware und bei vielen anderen komplexen Anwendungen weiterhin führend ist. Die Spezialität Deutschlands besteht ja darin, komplexe Systeme und Anwendungen zu „handeln“. Das ist eine der wesentlichen Fähigkeiten, die deutsche Ingenieure haben. Auf diesem Gebiet sind wir gut, auch deshalb, weil wir hier teurer sein können als andere. In dieser Disziplin wird grenzüberschreitend gearbeitet; das gilt für die Medizin, die Automobilindustrie, die Automatisierungstechnik und viele andere Bereiche. Für die IKT-Branche ist Deutschland weltweit der drittgrößte Markt. Mehr als jeder zweite in Europa hergestellte Halbleiter ist „made in Germany“ und kommt aus Dresden; darauf sind wir stolz, und das zu Recht. ({5}) Der Herr Staatssekretär hat schon darauf hingewiesen: Sachsen ist die Schmiede der Mikroelektronik. ({6}) - Frau Kollegin Flach, jeder dritte Prozessor, der weltweit produziert wird, kommt aus Dresden. ({7}) Das ist so, weil dort kluge Menschen leben. Vor allen Dingen aber ist das so, weil dort durch eine kluge Politik über einen langen Zeitraum die richtigen Schwerpunkte gesetzt wurden, weil wir dort in Forschung und Entwicklung investiert haben und weil wir die Möglichkeit haben, über das Beihilferegime Unternehmensansiedlungen zu unterstützen; das ist ein entscheidender Punkt. ({8}) - Die verschiedenen Bundesregierungen haben diesen Standort in allen Legislaturperioden seit 1990 unterstützt; das ist vollkommen richtig. Das müssen wir allerdings auch in Zukunft tun. Dafür muss auf europäischer Ebene ein geeigneter Beihilferahmen geschaffen werden. Derzeit heißt es dort allerdings, dass wir keine Subventionen zahlen dürfen. Man will verhindern, dass sich die europäischen Staaten durch die Zahlung von Subventionen einen Konkurrenzkampf liefern. Eines ist aber klar: Die IT-Industrie und der Bereich der Mikroelektronik hat im Wesentlichen nichts mit Europa zu tun. Das ist ein Wettbewerb zwischen Amerika, Europa und Asien. Wir müssen unseren Standort fit halten. Aus diesem Grunde diskutieren wir derzeit auf europäischer Ebene, wie es im Hinblick auf das Beihilferegime gelingen kann, wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich bitte die Bundesregierung, unsere Anstrengungen nach Kräften zu unterstützen. Meine Damen und Herren, Dresden bzw. Sachsen ist ein Beispiel dafür, wie man durch eine kluge Politik auch beim Aufbau Ost erfolgreich sein kann. 70 Unternehmen, die auf der CeBIT vertreten sind, kommen aus Sachsen. Heute hat die Bundeskanzlerin dort die KOMSA AG besucht, ein Unternehmen aus Chemnitz mit 1 000 Beschäftigten. Diese Firma war vor 15 Jahren noch sehr klein. Damals arbeiteten dort nur eine Handvoll Leute. Heute hat dieses Unternehmen 1 000 Beschäftigte, es macht einen gewaltigen Umsatz, und 40 Prozent seiner Führungskräfte sind Frauen. Das ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte. Darauf sind wir stolz. Das muss man hier auch einmal feststellen. ({9}) All diejenigen, die gerade applaudiert haben, freuen sich mit mir über unsere Erfolge beim Aufbau Ost; das ist auch gut so. Hier wollen wir weiterhin Akzente setzen. Ich glaube, die CeBIT und die Entwicklungen im IKT-Bereich machen deutlich, dass man dann, wenn man kluge Ideen hat und eine kluge Politik betreibt, im Sinne des Standortes Deutschland erfolgreich sein kann. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Heinz Schmitt für die SPDFraktion. ({0})

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die CeBIT - wir haben es mehrfach gehört - hat gestern begonnen. Diese Messe bringt in diesem Jahr 6 000 Aussteller aus 77 Ländern zusammen. Das zeigt, dass Deutschland weiterhin ein wichtiger Standort, der Leitstandort für die IuK-Technologien ist. Es wird geschätzt, dass das Wirtschaftswachstum der Branche dieses Jahr bei 1,6 Prozent liegen wird. Der Jahresumsatz wird bei ungefähr 145 Milliarden Euro liegen. Einen weiteren wirtschaftlichen Schub wird sicherlich das DVD-Nachfolgeformat Blu-Ray bringen. Ein weiterer Wachstumstreiber, sagt der Präsident der BITKOM, Dr. August-Wilhelm Scheer, werden dieses Jahr besonders energiesparende und umweltfreundliche IT-Geräte sein. Das ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass Green IT ein Schwerpunktthema der diesjährigen CeBIT ist. Laut BUND ist der Stromverbrauch von ITGeräten für 43 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Handy, Computer, Fernseher - moderne Informationstechnik benötigt immer mehr Energie. IBM-Deutschland-Chef Martin Jetter hat es auf den Punkt gebracht: Um den Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln, müssen wir quer durch alle Wirtschaftsbereiche energieeffiziente Produkte konstruieren, produzieren, nutzen und - ein ganz wichtiger Punkt recyclen. Und dies ist nur mit innovativer Hightech machbar. Moderne Informationstechnik und Umweltschutz müssen also miteinander kombiniert werden. Davon profitiert die Umwelt; mit Green IT lässt sich aber auch viel Geld verdienen bzw. viel Geld einsparen. Der Präsident der BITKOM, Herr Scheer, hat in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass sich ein „grünes“, das heißt energieeffizientes Rechenzentrum allein durch die Stromeinsparungen bereits nach zwei Jahren rechnet. Umweltschutz im Betrieb schlägt sich also auch in der Bilanz positiv nieder. Dass umweltfreundliche IT-Produkte beim Verbraucher gut ankommen, zeigt eine aktuelle Umfrage, der zufolge die Deutschen bereit wären, 20 Prozent mehr zu zahlen, wenn sie dafür umweltfreundliche IT-Produkte bekommen. Von der Entwicklung bei Biolebensmitteln kann die IT-Branche lernen, dass mit nachhaltigen Produkten gutes Geld zu verdienen ist. ({0}) Dass noch viel zu tun ist, damit IT-Produkte umweltfreundlicher werden, zeigt sich besonders beim Thema Stand-by. Der Stand-by-Betrieb elektrischer Geräte belastet die Umwelt mit 10 Millionen Tonnen CO2 und kostet die privaten Haushalte ungefähr 2,3 Milliarden Euro pro Jahr - Kosten, die vermeidbar sind. Besonders ärgerlich sind Geräte, die sich nicht ausschalten lassen. Dazu gehören Produkte mit dem sogenannten Schein-ausModus. Der BUND hat den Energieverbrauch von Tintenstrahldruckern im Aus-Modus gemessen. Die Ergebnisse sind für viele Hersteller wenig schmeichelhaft. Besonders schlimm sind Geräte, bei denen man, weil die Kontrolllämpchen ausgeschaltet sind, gar nicht merkt, dass sie immer noch Strom verbrauchen. Dieser schleichende Stromverbrauch kann sich über die Lebensdauer eines Druckers auf 100 Euro summieren - teuer für den Verbraucher und schlecht für die Umwelt. Abhilfe gegen solche Stromverschwender bieten, wie wir schon gehört haben, besondere Siegel. Der Energy Star wäre eine Möglichkeit, Geräte auszuzeichnen, die im Stand-by- bzw. im Schein-aus-Modus höchstens 3 Watt verbrauchen. Aber auch diese 3 Watt sind noch zu viel. ({1}) Es geht aber auch darum, Computer, Handys ohne gefährliche Stoffe zu produzieren. Denn Halbleiterprodukte enthalten immer Galliumarsenid und andere hochgefährliche Stoffe, die trotz Elektroschrottverordnung nicht immer vorschriftsgemäß entsorgt werden. Es geht Heinz Schmitt ({2}) also auch um eine umweltbewusste Entsorgung des anfallenden Elektroschrotts. Meine Damen und Herren, Deutschland ist, was die Umwelttechnik angeht, immer noch weltweit führend und wird es noch lange Zeit bleiben. Der Informationsund Kommunikationsmarkt ist ein riesiger Markt. Er wird weiterhin - wir haben es heute schon mehrfach gehört - anwachsen. Wir, die Politiker und die Unternehmen, sollten dafür sorgen, dass unser Know-how in der Umwelttechnik noch viel stärker in diesen boomenden Markt eingebracht wird. Das wäre gut für die Umwelt, gut für die Wirtschaft und am Ende natürlich gut für die Verbraucher. ({3}) Ich denke, wir setzen mit der heutigen Diskussion anlässlich der CeBIT ein wichtiges Signal. Ich könnte mir vorstellen, dass man unsere Debatte jetzt auf mancher Großleinwand auf der CeBIT verfolgt. ({4}) - Ich gehe einmal davon aus, dass wir dort wahrgenommen werden, egal wie gut die Beiträge waren. Wir machen nämlich deutlich, dass uns dieses Thema wichtig ist. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Heinz Riesenhuber für die Unionsfraktion. ({0})

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Herr Schmitt, über Ihre Botschaft an die CeBIT habe ich mich besonders gefreut. Ich bin sicher, dass das hier allgemeine Begeisterung ausgelöst hat. Was wir hier heute diskutieren, ist - entgegen der Befürchtung des Kollegen Volker Beck - eine durchaus interessante Debatte geworden. ({0}) Selbst von Ihnen, Herr Hettlich, habe ich einiges gelernt. Ich habe das mit Vergnügen gesehen. Nun hat Frau Flach eingangs die Frage gestellt, warum wir eigentlich über eine Messe reden, die von Privaten veranstaltet wird. Ich muss sagen: Ja, IT findet bei den Privaten statt. Wollen Sie es lieber vom Staat haben? ({1}) Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft zu erfinden. Es ist aber unsere Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diejenigen in der Wirtschaft und in der Wissenschaft, die die Arbeit für die Zukunft machen wollen, dies tun können. Da haben wir noch nicht alles erreicht; das weiß ich schon. ({2}) Wenn wir alles erreicht hätten, brauchten wir nicht hier zu sein. Wir machen Politik, weil wir noch um einiges weiterkommen wollen. ({3}) Wir haben für die Voraussetzungen, die der Staat schaffen kann, bereits einen vernünftigen Weg eingeschlagen. Die Bundesregierung in ihrer weitschauenden Weisheit ist genau an den richtigen Themen dran. Zu den Voraussetzungen, die der Staat hier schaffen kann, gehört, dass er Rahmen setzt. ({4}) Er kann über Standardisierung sprechen. Er kann Recht in diesem Bereich setzen. Er kann über Digital Rights Management entscheiden. ({5}) Er kann Urheberrecht schaffen. Er kann Normen und Standards international vereinbaren. Überall ist man da dran. Der Staat kann Programme machen, die die Unternehmen fördern. Hier haben mehrere Redner mit Begeisterung erwähnt, dass wir für die kleinen und mittleren Unternehmen eine Vielzahl von maßgeschneiderten und intelligenten Programmen haben. ({6}) Ich finde, es ist eine vorzügliche Sache, dass wir uns hier so einig sind. Wenn wir uns bei allen Techniken so einig wären, was glauben Sie, wie schwungvoll Deutschland in die Zukunft marschieren würde. ({7}) Wenn der Streit nur noch darum geht, wie man so etwas am besten macht, dann haben wir eine andere Welt. Ich sehe mit Vergnügen, dass das, was die Bundesregierung mit allgemeiner Unterstützung - wie ich feststelle voranbringt, tatsächlich wirkt. Wir haben einige Sachen, bei denen es langsam voranging. Bei der Maut sind wir erst etwas gestolpert. Aber jetzt ist es ein Erfolgsprogramm und ein glanzvolles Projekt mit internationaler Spitzentechnik. Bei E-Government können wir noch ein bisschen von anderen lernen. ({8}) Aber der Riesenvorteil, von anderen lernen zu können, liegt darin, dass es sehr viel schneller geht, als wenn wir alles selber erfinden müssten. Bei E-Health führen wir mit der Gesundheitskarte in Baden-Württemberg einen Feldversuch durch. Die Sache läuft in einer ermutigenden Weise. Das geht dann weiter bis zum Disease Management - das heißt nun leider so -, also bis zum Management von Krankheiten, und bis zur Telemedizin. Das eröffnet eine ganz neue Welt von Hilfe für die Menschen. Das sind Dienstleistungen, die neue Märkte schaffen. Das heißt, aus dem, was der Staat in vielfältiger Weise unternimmt, können die Privaten etwas machen. ({9}) Wir sagen den Privaten nicht, was sie tun sollen, und wir wollen sie nicht daran hindern, das zu tun, was sie tun wollen. Das ist der entscheidende Punkt. ({10}) Damit haben wir mit der Rahmensetzung, den Leuchtturmprojekten, der gezielten Förderung dessen, was wir als strategische Linie vertreten, und der gesamten Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ein System aufgebaut, das das gesamte Gebiet voranbringt. Von der Initiative D 21 bis zu den IT-Gipfeln wird das Thema mit den Betroffenen so diskutiert, dass jeder in seinem Bereich die Rahmenbedingungen kennt und daran mitwirkt, dass der richtige Weg beschritten wird. ({11}) Hier entsteht eine Welt, die wir noch nicht kennen und nicht prognostizieren können. ({12}) Das Wichtigste, das passieren wird, liegt ohnehin jenseits jeder Vorausschau. Zum Beispiel hat niemand den Walkman vorhergesehen. Da ist jemandem etwas eingefallen, mit dem er die Wirklichkeit verändert hat. ({13}) Wie man die Zukunft angeht, ist kein Thema, das der Staat vorgeben kann. Wir müssen nur denjenigen einen Rahmen bieten, die Ideen und Unternehmungsgeist haben, und ihnen helfen, dass sie bei guter Laune bleiben. ({14}) Zurzeit erleben wir einen schwungvollen Aufbruch in eine neue Wissensgesellschaft. Auf der CeBIT sind Systeme zu sehen, die zusammenwachsen. Telefon, Fernsehen und Computer wachsen zu einem einzigen System zusammen. Mit einem Handy kann man fotografieren und sogar telefonieren, so unwahrscheinlich das klingt. ({15}) Man kann damit E-Mails austauschen und rechnen. Es kann alles, was von ihm verlangt wird. Die Systeme wachsen zusammen. Was Sie an Dienstleistungen brauchen, können Sie sich aus einem Teich herausfischen, in dem alles zusammengeflossen ist. Daraus entsteht eine Wissensgesellschaft, in der Wissen überall und zu jeder Zeit für jeden verfügbar ist und in der man vernünftig damit umgehen kann. Es kommt zu einem Wachstum des guten Gewissens. Bei diesem Wachstum werden nicht Rohstoffe und Energie verbraucht und die Umwelt belastet; es basiert vielmehr auf Intelligenz. Intelligenz ist nach Auskunft von Experten unbegrenzt vorhanden. In der Praxis ist sie gelegentlich knapp, aber sie wächst nach. Insofern bleibt Hoffnung. ({16}) Durch die von uns aufgelegten nationalen Programme zur Förderung junger Frauen - diese Programme sind mir ungemein sympathisch - werden wir noch einen ganzen Pool an Intelligenz, die wir noch nicht in die gemeinsamen Aufgaben einbezogen haben, erschließen können. Auch dies ist ein prächtiger Schritt. ({17}) Wenn wir die notwendigen Voraussetzungen in der Wissenschaft, Wirtschaft und Organisation schaffen, dann ist es entscheidend, dass wir dies mit frohem Mut und einem zuversichtlichen Geist angehen. Diesen Geist kann man auf der CeBIT erleben. Die Menschen sind fröhlich. Sie haben Freude an der Arbeit und gehen mit Mut und Unternehmungsgeist an die Aufgaben heran. Dieser Geist, die Aufgaben mit Vernunft, Fröhlichkeit und Entschlossenheit zu bewältigen und etwas aus unserer gemeinsamen Zukunft zu machen, strahlt bis in die Debatten dieses hochehrwürdigen Parlaments aus. ({18}) An diesem Geist erkennen auch die anderen Partner, dass Deutschland, weil es an seine Zukunft glaubt, mit Freude vorangeht, mit Ideen die Wirklichkeit mitgestaltet und daraus eine gute Zukunft für uns selbst und die anderen schafft. ({19})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Mit diesem optimistischen Redebeitrag ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für morgen, Donnerstag, 6. März 2008, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.