Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/23/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wünsche uns eine erfolgreiche Sitzungswoche. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung. - Bitte, Herr Minister.

Dr. Franz Josef Jung (Minister:in)

Politiker ID: 11003781

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in der heutigen Kabinettssitzung mit dem Ersten Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz beschäftigt. Dieser Erfahrungsbericht wird dem Deutschen Bundestag in den nächsten Tagen zugehen. Als Bundesregierung sind wir verpflichtet, die Situation der Soldatinnen mit der der Soldaten zu vergleichen und dem Parlament alle zwei Jahre diesbezüglich zu berichten. Sie wissen, dass das Gesetz 2005 in Kraft getreten ist und dass sich dieser Bericht auf den Zeitraum 2005 bis 2006 bezieht. Das heißt, bei diesem Bericht kann es sich nur um eine erste Erfahrungseinschätzung handeln. Ich will hier gegenüber dem Parlament sagen, dass der zunehmende Anteil weiblicher Soldaten in der Bundeswehr zeigt, dass im Hinblick auf das innere Gefüge unserer Streitkräfte die Fragen der Förderung und der Verhinderung von Benachteiligungen von Bedeutung sind. Die Dienstleistungen von Frauen in den Streitkräften sind seit 1975 schrittweise ausgedehnt worden. Zunächst waren es nur approbierte Ärztinnen und Apothekerinnen. Im Jahr 2001 wurde die Bundeswehr für Frauen geöffnet - auf freiwilliger Basis. 1985 waren lediglich 0,04 Prozent aller Berufs- und Zeitsoldaten Frauen. Im Jahr 2006 waren es schon 7 Prozent. Um das in Zahlen auszudrücken: Mittlerweile sind über 15 000 Soldatinnen bei der Bundeswehr aktiv. Ich kann nur sagen: Das ist ein Gewinn für die Streitkräfte. Überall, wo ich hinkomme, kann ich feststellen, dass das Engagement unserer Soldatinnen - sei es im Auslandseinsatz, zum Beispiel in Afghanistan, auf den Fregatten vor dem Horn von Afrika, sei es im Inlandseinsatz - einen besonderen Zugewinn für die Bundeswehr darstellt. Ich glaube, dass diese Zahl und die Anzahl der Bewerberinnen zeigen, dass der Dienst attraktiv ist und wir die Frage der Eignung und Befähigung ins Blickfeld rücken. Spezifische Probleme müssen aber deutlicher akzentuiert werden. Im Klartext heißt das: Im Rahmen der Vorschrift „Innere Führung“ haben wir das Thema „Familie und Dienst“ stärker in den Blick genommen; denn je mehr Soldatinnen in der Bundeswehr tätig sind, umso häufiger steht dieses Thema auf der Tagesordnung. Dies reicht bis zur Kinderbetreuung. All diese Themen sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung und werden verstärkt von uns behandelt. Ich will aber auch auf andere Themen zu sprechen kommen, über die teilweise kritisch diskutiert wird. Es wurde die Frage gestellt, warum es bei den Dienstbezeichnungen keine weiblichen Formen gibt. Hierzu will ich sagen: Es bleibt dabei, dass ein Hauptmann ein Hauptmann und nicht eine Hauptfrau ist. Das entspricht im Übrigen dem Wunsch unserer Soldatinnen und auch dem Wunsch unserer militärischen Gleichstellungsbeauftragten. Das Gesetz hätte zwar eine andere Regelung zugelassen, wir wollten diesbezüglich aber dem Wunsch der Soldatinnen entsprechen. Oft wird die Frage gestellt, wie sich die Situation im Hinblick auf Beförderungen in höhere Dienstgrade darstellt. Hierzu will ich Folgendes sagen: Natürlich ist es so - die Entwicklung begann mehr oder weniger erst im Jahre 2001 und danach -, dass es einige Zeit dauert, bis man Ergebnisse sieht. Aber wir haben mittlerweile eine Generalärztin in Ulm, eine Pilotin, die Tornados fliegt, und Frauen in anderen höheren Dienstgraden. Diese Redetext Entwicklung vollzieht sich erst. Ich habe es schon gesagt: Dies ist letztlich ein Gewinn für die Bundeswehr. Für die Streitkräfte insgesamt haben wir einen Frauenanteil von 15 Prozent festgelegt. Beim Sanitätsdienst soll die Quote 50 Prozent betragen. Wir wollen dieses Gesetz weiterhin den Erfordernissen der Tagesaktualität entsprechend umsetzen. Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit der militärischen Gleichstellungsbeauftragten. Das Thema „Familie und Dienst“, das ich schon angesprochen habe, umfasst natürlich auch Themen wie die Teilzeitarbeit und Telearbeitsplätze und erstreckt sich bis zu der Einrichtung von Familienbetreuungszentren. Hier hat der Generalinspekteur Mitte letzten Jahres die „Teilkonzeption Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften“ erlassen. In ihr werden Handlungsfelder zur Verbesserung aufgezeigt: Personalführung, Organisation des Dienstes, Führungskompetenz, Dienstzeit sowie finanzielle und sonstige Leistungen für Frauen. Ich möchte einen letzten Gesichtspunkt ansprechen. Einen besonderen Stellenwert hat die Kinderbetreuung. Sie wissen, dass die Bundesregierung ein Programm zum Ausbau der Kinderbetreuung aufgelegt hat. Wir sind mit den kommunalen und kirchlichen Trägern vor Ort im Gespräch, um unser Angebot zu erweitern und damit auch diesen Kriterien innerhalb der Streitkräfte Rechnung zu tragen. Insgesamt würde ich mich freuen, wenn der Bericht der Bundesregierung trotz seines durchaus erheblichen Umfanges auf Ihr reges Interesse trifft und als ein Baustein dazu beiträgt, weiteres Engagement und Aufgeschlossenheit für die Belange der Streitkräfte zu wecken. Ich denke, unsere Soldatinnen und Soldaten haben dies verdient. Besten Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Jung, recht herzlichen Dank für Ihren Vortrag. Es hat ja schon im Vorfeld einige Berichterstattungen dazu gegeben. Unter anderem gibt es einen Bericht der ddp. Dazu würde ich gern eine Frage an Sie richten, nämlich die, ob auch die Bundesregierung die Position vertritt, dass es im Ernstfall Probleme und Schwierigkeiten mit Soldatinnen gibt. Ich zitiere jetzt, aus welchem Grund es zu Schwierigkeiten kommen soll. In der ddp-Meldung steht: Es stellte sich heraus, dass die Männer in der Gefahrenlage einen Beschützerinstinkt für die Kameradinnen entwickelten und mehr darauf achteten, sie vor schlimmen Kriegsfolgen zu bewahren als genau die Befehle zu befolgen. Aus diesem Grund sei schon manche Einheit an den Rand der Kampfunfähigkeit geraten, ist in Militärberichten nachzulesen. Vertreten auch Sie diese Position, und, wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Dr. Franz Josef Jung (Minister:in)

Politiker ID: 11003781

Frau Abgeordnete, ich vertrete diese Position nicht. Meine Erfahrungen sind völlig anders. Ich habe gerade darauf hingewiesen: Immer wenn ich die Truppen im Auslandseinsatz besuche - sei es am Horn von Afrika auf unseren Fregatten, wo auch unsere Soldatinnen engagiert sind, sei es in Afghanistan oder im Kosovo -, kann ich eher das Gegenteil feststellen. Ich will allerdings Folgendes sagen: Wir müssen den kulturellen Situationen vor Ort ein Stück Rechnung tragen. Ich denke beispielsweise an Afghanistan. Dort stellt sich die Frage, wo man Soldatinnen, wenn ein Kontakt mit der Bevölkerung vorgesehen ist, einsetzen kann. Das ist ein Punkt, den wir berücksichtigen. Aber insgesamt unterstreiche ich noch einmal, dass unsere Soldatinnen einen sehr positiven Beitrag zur Entwicklung unserer Streitkräfte leisten und ihren Auftrag voll und ganz erfüllen, so wie ihn die Bundeswehr insgesamt für dieses Land zu leisten hat. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt erst einmal die Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, auch ich kenne das Papier des Generalinspekteurs, das jetzt ein Jahr alt ist und viele Ideen bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Dienst enthält. Aber aus der Sicht der Truppe kann ich Ihnen sagen, dass die Realität sehr wenig mit dem Bericht zu tun hat. In einiger Zeit soll nun schon wieder ein Bericht vorgelegt werden, und es soll geprüft werden. Sie sollten erst einmal dafür sorgen, dass in Ihrer Truppe Familie und Dienst wirklich vereinbart werden können. Wir alle wissen, dass Soldatenehepaare hier Schwierigkeiten haben. Da Sie bei der Kinderbetreuung wieder nur auf die Kommunen setzen, möchte ich Sie fragen, ob Sie bei großen Kasernen Möglichkeiten sehen, eine Kinderbetreuung zu organisieren. Es kann schließlich sein, dass beide Ehepartner ins Manöver ziehen müssen. Sie können es einem kommunalen Kindergarten - das ist ähnlich wie an einer Hochschule - nicht zumuten, die Kinderbetreuung auch für die Nacht zu organisieren. In dem Bericht lese ich: „Man soll …“, „Man kann …“, „Es muss überlegt werden …“ Ich frage Sie: Wie wollen Sie die vielen guten Dinge, die in dem BeIna Lenke richt stehen, in diesem oder auch im nächsten Jahr zumindest teilweise umsetzen?

Dr. Franz Josef Jung (Minister:in)

Politiker ID: 11003781

Der Generalinspekteur hat die Teilkonzeption bewusst erlassen, damit dies in die Praxis umgesetzt wird. Ich bin mit unserer militärischen Gleichstellungsbeauftragten diesbezüglich im Gespräch. Wir wissen, dass wir auf unterschiedliche Herausforderungen Antworten finden müssen. Wenn es beispielsweise vor Ort Möglichkeiten gibt, kommunale Einrichtungen oder kirchliche Träger zur Kinderbetreuung zu nutzen, dann ist es sinnvoll, diesen Weg zu gehen. Aber es gibt im Hinblick auf die Bundeswehr spezifische Fragen, auf die wir eigene Antworten finden müssen. Das gilt für viele Bereiche; ich darf das Thema Teilzeitarbeitsplätze und Telearbeitsplätze ansprechen. Wir haben, um diesen Kriterien Rechnung zu tragen, einen Prozess angestoßen, der sich - das sage ich Ihnen ganz offen - erst noch entwickeln muss.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt wiederum die Kollegin Schewe-Gerigk. - Bitte.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Jung, ich freue mich über Ihre positive Einstellung zu den Soldatinnen. Ich habe auch nichts anderes erwartet. Aber ich habe Sie nicht nach der Rolle der Soldatinnen, sondern nach der Rolle der Soldaten gefragt, die, wie es in dem Bericht steht, aus dem ich zitiert habe, statt ihre Befehle auszuführen, ihrem Beschützerinstinkt gegenüber den Soldatinnen nachkommen. Wäre da nicht von Ihrer Seite eine Klarstellung notwendig, damit solche Sätze nicht mehr auftauchen?

Dr. Franz Josef Jung (Minister:in)

Politiker ID: 11003781

Es gab in diesem Zusammenhang - das will ich hier nicht verschweigen - durchaus Startschwierigkeiten. Sie wissen, welche große öffentliche Diskussion teilweise stattgefunden hat, als es darum ging, Frauen als Soldatinnen in der Bundeswehr zuzulassen; das will ich jetzt nicht alles schildern. Aber ich muss Ihnen sagen: Die Praxis und die Erfahrung sind völlig anders. Es gibt zwar einzelne Dinge, zum Beispiel das, was Sie gerade angesprochen haben. Dies werden wir aber korrigieren. Meine Einstellung ist folgende - ich will dies hier im Parlament ganz offen sagen -: Das Verhalten der Männer hat sich in verschiedenster Hinsicht zum Positiven gewendet, als die Frauen dazukamen. Auch das ist ein Gewinn für die Bundeswehr. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt die Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, in diesem Bericht gibt es wie üblich Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen. Die letzten Sätze dieses Berichtes haben mich wirklich erstaunt; als Verteidigungsminister segnen Sie diesen Bericht ja ab. Wir wissen, dass der Anteil der Frauen bei den Teilstreitkräften 15 Prozent und bei den Sanitätern 50 Prozent betragen soll. Das ist eine von der alten Regierung festgesetzte Größe. Zum Thema Quoten lassen Sie schreiben, Schätzungen, wann die Quoten erreicht würden, seien nur schwer möglich, da sich die Bewerbungsund Einstellungslage vor dem Hintergrund der politischen/sicherheitspolitischen Situation, der Arbeitsmarktlage und der demografischen Entwicklung verändern könne. Dann heißt es hier noch: Selbst bei anhaltend guter Bewerbungslage würden die gesetzlichen Quoten nicht erreicht. Jetzt frage ich Sie: Welche Quoten wollen Sie erreichen? Diese Quote muss ja bei Teilstreitkräften unter 15 Prozent und bei den Sanitätern unter 50 Prozent betragen. Die Quote bei den Sanitätern ist kein großes Problem, aber bleiben wir bei der Truppe und damit bei den Teilstreitkräften. Welchen Prozentsatz meinen Sie in Ihrer Zeit als Minister zu erreichen? Das Schlusswort dieses Berichtes erscheint mir sehr schlecht; denn es ist gerade für die Soldatinnen sehr demotivierend, die sich von Ihnen mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Bundeswehr erwartet haben.

Dr. Franz Josef Jung (Minister:in)

Politiker ID: 11003781

Zunächst einmal möchte ich noch einmal darauf hinweisen, Frau Kollegin, dass das genannte Gesetz 2005 in Kraft getreten ist und dass dies nach einer relativ kurzen Zeit ein erster Erfahrungsbericht ist. Dass wir dieses Ziel erreichen wollen, ist klar; das ist vorgegeben. Es ist bisher noch nicht erreicht worden; das haben Sie hier gerade formuliert. Aber ich denke, wir kommen dorthin. Ich habe den Eindruck - das will ich klar und deutlich sagen -, dass im Hinblick auf Eignung, Leistung und Fähigkeit Voraussetzungen dafür gegeben sind, das zu erreichen. Wir haben übrigens bei der Bewerberlage - wenn ich es richtig im Kopf habe - ein Verhältnis von eins zu vier bei den Frauen und Männern, die zu uns wollen. Von daher bin ich durchaus optimistisch, dass wir diese Quote erreichen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schaue jetzt in die Runde. Mir sind bisher keine weiteren Fragen zum Bericht des Ministers angezeigt worden. - Es scheint auch jetzt keine zu geben. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Auch das ist nicht der Fall. Herzlichen Dank, Herr Minister. Ich beende die Befragung der Bundesregierung und unterbreche die Sitzung für zehn Minuten, bevor ich die Fragestunde aufrufe, da die Kolleginnen und Kollegen, die es betrifft, offensichtlich nicht damit gerechnet Vizepräsidentin Petra Pau haben, dass dieser umfängliche Bericht hier in so kurzer Zeit behandelt werden kann. ({0}) ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 16/7792, 16/7820 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 16/7820 auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung der dringlichen Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des Statistischen Bundesamtes vom Montag, dem 21. Januar 2008, dass im Jahr 2005 knapp 13 Prozent der Bundesbürger von Armut bedroht gewesen seien und dieser Anteil in den letzten Jahren deutlich zugenommen habe? Bitte, Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Abgeordnete Dr. Enkelmann, das Statistische Bundesamt berichtet in seiner Pressemitteilung vom 21. Januar 2008 nicht, dass der Anteil der von Armut bedrohten Menschen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Die amtlichen Daten zeigen, dass das statistische Risiko von Einkommensarmut von 2004 auf 2005 trotz der wirtschaftlich angespannten Situation nur geringfügig angestiegen ist, nämlich nur um rund 1 Prozentpunkt. In der Pressemitteilung werden aktuelle Ergebnisse der Erhebung „Leben in Europa 2006“ vorgestellt. Die neue Statistik wird mittlerweile in allen EU-Mitgliedstaaten sowie in Norwegen und Island einheitlich erstellt und liefert als einzige amtliche Quelle international vergleichbare Informationen zu Einkommensverteilung, Armut und Lebensbedingungen in Europa. Ausschlaggebend für die Armutsrisikoquote sind die erfragten Vorjahreseinkommen aus 2005. Auf dieser Grundlage hat das Statistische Bundesamt für Deutschland eine Armutsrisikoquote von genau 12,7 Prozent ermittelt. Damit liegt Deutschland deutlich unter dem EU-25-Schnitt von 16 Prozent und gehört zu den Staaten mit geringem Armutsrisiko. Lediglich die skandinavischen Länder, Tschechien und Slowenien schneiden noch besser ab. Im Übrigen ist inzwischen bereits der Dritte Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung in Arbeit. Dieser Bericht soll dem Kabinett im Frühjahr 2008 vorgelegt werden, da er nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages regelmäßig zur Mitte einer jeden Legislaturperiode vorzulegen ist. Daran schließt sich dann die Behandlung im Parlament an. In diesem Bericht wird ein umfassendes Bild der sozialen Lage in Deutschland beschrieben, das sich nicht nur auf die Analyse relativer Einkommensarmut beschränkt; vielmehr werden dort weitere Teilhabeformen und die Lebenslagen ausgewählter Gruppen analysiert sowie die Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung von Teilhabe und sozialer Integration beschrieben. Nur auf der Basis einer derart umfassenden Betrachtung und Bewertung können entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Dr. Enkelmann, Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Eine kurze Vorbemerkung, Herr Staatssekretär: Ich finde es schon erschreckend, dass Sie es offenkundig nicht als Problem begreifen, wenn 13 Prozent der Menschen von Armut bedroht sind. Ich komme zu meiner ersten Nachfrage: Inwieweit könnte ein gesetzlich garantierter Mindestlohn zur Armutsvermeidung beitragen? Ein Problem in diesem Land ist die Kinderarmut. 2,6 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut; das ist ein Skandal. Dazu meine zweite Nachfrage: Was will die Bundesregierung tun, welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Kinderarmut zu vermeiden?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das waren jetzt gleich beide möglichen Nachfragen. Bitte, Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Dr. Enkelmann, eine Anmerkung zu Ihrer Vorbemerkung: Damit befassen wir uns schon. Das macht Sorgen. Wir gehen mit diesem Thema sehr sorgfältig um. Dies hat bereits die Vorgängerregierung im Jahre 2003 mit der Einführung der Grundsicherung getan, und das tut die jetzige Koalition dadurch, dass sie die Armutsund Reichtumsberichterstattung fortschreibt. Das ist im Koalitionsvertrag so niedergelegt. ({0}) - Ich habe Ihnen gerade gesagt: Wir arbeiten daran. Man kann sich dabei nicht einfach nur auf eine statistische Erhebung und Bewertung konzentrieren, sondern wir müssen auch darüber sprechen, wie es mit den Teilhabechancen, der Bildung und der Arbeit aussieht. Im Dritten Armuts- und Reichtumsbericht wird ein umfassendes Bild beschrieben. Das zeigt, dass die Bundesregierung auch bei diesem Thema an entsprechenden Antworten arbeitet. Sie wissen auch: Es ist völlig klar, dass das Einkommen im Alter ein Spiegelbild des Einkommens in der Erwerbsphase ist. Das heißt, wir müssen alles dafür tun, dass es für die Menschen, die sich in der Erwerbsphase befinden, Bildung und Arbeit zu fairen Bedingungen gibt. Deswegen hat diese Bundesregierung erstens einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Dabei geht es darum, wie wir beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz mit den Mindestlöhnen umgehen und anhand welcher Kriterien dieses Gebiet weiterentwickelt wird, sodass die Tarifvertragsparteien Mindestlöhne für die Menschen und Branchen regeln können, die wollen, dass dieses Gesetz Anwendung für sie findet. Zweitens haben wir eine Reform für das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vorgelegt, um auch die Branchen zu erfassen - über einen Ausschuss geregelt -, die nicht unter das Arbeiternehmer-Entsendegesetz fallen, um zu gewährleisten, dass die Menschen fair und anständig entlohnt werden. Drittens halten wir weiterhin daran fest, konkrete Impulse zu geben, damit Deutschland auf dem Wachstumspfad bleibt. Dies haben wir mit dem 25-Milliarden-EuroInvestitionsprogramm getan, was mit dazu beiträgt, dass Arbeit und Beschäftigung in den verschiedenen Investitionsfeldern - Forschung und Entwicklung, Infrastruktur, CO2-Gebäudesanierung - entstehen. Das sind nur ein paar kleine Punkte. Viertens hat diese Regierung in den letzten sechs bis sieben Monaten Programme für den Bereich des Arbeitsmarktes beschlossen, die gut bis zu 400 000 Menschen betreffen, die es aufgrund ihrer persönlichen Situation und besonderer Vermittlungshemmnisse besonders schwer haben, Arbeit zu bekommen. Das sind die bis zu 100 000 Menschen, die im Rahmen des Kommunalkombi-Programms entlohnt werden, das sind die bis zu 100 000 Menschen, bei denen es große Vermittlungshemmnisse gibt, das sind die 100 000 Menschen, die hinsichtlich der Ausbildung jetzt eine zweite Chance bekommen, das sind die 40 000 jungen Menschen, für die wir zusätzliche Einstiegsqualifizierungsplätze entwickelt haben, das sind die 23 000 Plätze für junge Menschen, bei denen es hinsichtlich eines Ausbildungsplatzes schwere Vermittlungshemmnisse gibt, das sind die 4 000 Menschen, die wir im Bereich der Behindertenpolitik fördern - 500 Ausbildungsplätze, 1 000 Plätze für Menschen mit besonderen Behinderungen und 2 500 Plätze für Integrationsfälle -, usw. Ich habe diese Zahlen nur deshalb genannt, damit deutlich wird, dass diese Bundesregierung sehr viel Wert darauf legt, Beschäftigung zu organisieren und auch denen zu helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, damit sie in der Erwerbsphase Arbeit und ein gutes Einkommen haben. Das ist die beste Sicherung gegen Altersarmut. ({1}) - Dazu gehört auch der Bereich der Kinderarmut. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie auch daran noch einmal erinnern. Im Übrigen wird durch die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes sehr deutlich, dass gerade die Erwerbsfähigkeit und die Ausbildung ein ganz zentrales Risikopotenzial bergen. Wenn man keine Arbeit und keine Ausbildung hat, dann ist das Risiko, arm zu sein, besonders hoch. Ich habe gerade etwas zu den Ausbildungsplätzen gesagt. Die Integration von Jugendlichen ist das eine. Das andere ist, mit den besonderen Vermittlungs- und Kinderbetreuungsaktivitäten der Bundesregierung, der Schaffung von Ganztagsschulplätzen und der Schaffung von Krippenplätzen dafür zu sorgen, dass Alleinerziehende Arbeit finden, sodass auch die Kinder dieser Eltern aus der Kinderarmut herauskommen. Daneben arbeitet diese Bundesregierung an einem Konzept, die bisher schon herbeigeführte Regelung, nach der 140 000 Kinder sozusagen über ihre Eltern vom Kinderzuschlag profitieren, auszuweiten. Außerdem denken wir über einen Erwerbstätigenzuschuss nach. Es ist sehr kompliziert - auch der Komplex Arbeitslosengeld II muss berücksichtigt werden -, dies jeweils zu berechnen. Unsere Absicht ist es, über diesen Weg - Kinderzuschlag und Erwerbstätigenzuschlag - die Schwelle ins Arbeitslosengeld II für diese Menschen erheblich zu erhöhen, sodass die Kinder aus der Armut herauskommen. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine Nachfrage stellt nun die Kollegin Kornelia Möller.

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir bitte auch eine Vorbemerkung. Es ist, glaube ich, sehr fraglich, ob die von Ihnen benannten Kombilohnmodelle wirklich dazu beitragen, dass den betroffenen Menschen geholfen wird, oder ob sie nicht vielmehr den betreffenden Unternehmen nützen. Darüber können wir uns aber gern noch einmal im Ausschuss unterhalten. Zu meiner Frage: Sie haben bereits angemerkt, dass Sie tätig werden wollen.

Not found (Kanzler:in)

Wir wollen, dass niemand wegen der Kinder in die Bedürftigkeit fällt. Dann sagte sie weiter: Deshalb werden wir den Kinderzuschlag erhöhen und vereinfachen. Ich möchte von Ihnen wissen, wann eine entsprechende Gesetzesinitiative vorliegen wird.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Präsidentin, ich enthalte mich jetzt einer Vorbemerkung, weil wir hier keine Debatte führen, sondern in der Fragestunde sind. Ich versuche daher, mich auf die Frage zu konzentrieren. Ich habe gerade ausgeführt, dass wir daran arbeiten. Sie wissen, dass mehrere Häuser, das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend und das Finanzministerium, davon tangiert sind. Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess. Ich kann Ihnen hier jetzt kein Datum nennen; aber wir arbeiten sehr zügig daran, weil wir wissen, dass dies ein Thema ist, auf das es zeitnah eine Antwort geben muss.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, es geht um den Kinderzuschlag. Meine Frage: Was hat die Bundesregierung bisher gemacht, und was will sie angesichts der Tatsache machen, dass nur 12 Prozent aller Antragsteller, die auf einen Kinderzuschlag hoffen, diesen Zuschlag gezahlt bekommen, während 88 Prozent aller Antragsteller eine Ablehnung erhalten? Außerdem haben wir von der Bundesregierung erfahren, dass 18 Prozent der Gesamtkosten, die der Kinderzuschlag ausmacht, Verwaltungs- und Bürokratiekosten sind. Was haben Sie gemacht, um beim Kinderzuschlag die Bürokratiekosten zu senken, und was haben Sie gemacht, um eine höhere Genehmigungsquote zu erreichen? - Das hat nichts mit der Entfristung der Monate des Kinderzuschlags zu tun; nicht, dass Sie auf meine Frage so antworten. Ich möchte von Ihnen eine klare Antwort.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Lenke, Sie wissen, dass die Frage nach dem Verhältnis von Antragstellern und Bewilligungen dann, wenn eine Ablehnungsquote von 88 Prozent beschrieben wird, nicht unbedingt auf einen prinzipiellen Misserfolg des Gesamtleistungspotenzials hinausläuft. Es geht hier auch darum, mit welcher Erwartung Anträge gestellt werden und ob Anträge möglicherweise auch dann gestellt werden, wenn von vornherein klar ist, dass sie nicht positiv beschieden werden können. Ich habe aber gerade bei Ihrer Vorfragerin ausgeführt, dass genau diese Erfahrungen aus der Vergangenheit berücksichtigt werden müssen, wenn wir jetzt den Erwerbstätigen- und Kinderzuschuss weiterentwickeln, und zwar auch hinsichtlich der Frage, wie sich dies so regeln lässt, dass Erwartungen entsprochen werden kann, dass möglichst viele Kinder dabei erreicht werden und dass die Menschen nicht in die Bedürftigkeit im Hinblick auf Arbeitslosengeld II hineinfallen. Das gehört alles mit in den Komplex hinein, nach dem Ihre Vorfragerin gerade gefragt hat und zu dem ich gesagt habe, dass wir zeitnah daran arbeiten und einen Abstimmungsprozess mit den anderen Häusern zu organisieren versuchen, um hier bald zu einer Lösung zu kommen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zu dieser ersten dringlichen Frage stellt die Kollegin Hirsch. - Bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Besten Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie zügig und zeitnah daran arbeiten. Das Ganze stand als Vorhaben auch schon in der Koalitionsvereinbarung. Seither sind weit über zwei Jahre vergangen. Was ist damit? Wir haben im November 2007 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet und zur Antwort bekommen, die Bundesregierung beabsichtige nicht, den Kinderzuschlag zu erhöhen. Wir sind da doch etwas verwirrt. ({0}) Erst will man es zeitnah und zügig machen, wie es schon in der Koalitionsvereinbarung steht, dann plötzlich wieder überhaupt nicht. Anschließend kommt die Ankündigung der Kanzlerin. Was stimmt denn an dieser Stelle eigentlich? ({1})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

So ist das eben mit der Fragerei und dem, was man hineininterpretiert. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte darum, die Antwort des Staatssekretärs erst einmal anzuhören.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich habe nicht von einer Erhöhung, sondern von einer Ausweitung der bisherigen Regelung zum Kinderzuschlag gesprochen. Wir wollen den Kreis derjenigen, die vom Kinderzuschlag profitieren - zurzeit wird er für ungefähr 140 000 Kinder gewährt -, erweitern. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass wir damit denjenigen helfen wollen, die sich hinsichtlich der Bedürftigkeit an der Schwelle zum Arbeitslosengeld II befinden. Wir wollen verhindern, dass sie diese Schwelle überschreiten. An dieser schwierigen Konstruktion, bei der es auch um die Anrechnung des Einkommens und die Klärung der Bedürftigkeit geht, arbeiten wir zurzeit, und zwar zügig. Tun Sie mir deshalb den Gefallen, nichts in die bereits gegebenen klaren Antworten auf die Fragestellungen hineinzuinterpretieren. Von einer Erhöhung ist nicht die Rede gewesen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur dringlichen Frage 2 der Abgeordneten Elke Reinke: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des Statistischen Bundesamtes vom Montag, dem 21. Januar 2008, dass Ältere - Menschen über 65 Jahre im früheren Bundesgebiet mit 14 Prozent überdurchschnittlich von Armut betroffen sind, sowie aus den jüngsten Warnungen der OECD vor einer Wiederkehr der Altersarmut für ihre künftige Rentenpolitik? Bitte, Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Antwort lautet wie folgt: Die Armutsrisikoquote der Älteren liegt auf Basis der amtlichen Erhebung EU-SILC von 2006 nicht unter dem Wert für die Gesamtbevölkerung, sondern mit 13,1 Prozent in etwa gleichauf. Ein Grund hierfür ist, dass in EU-SILC gegenwärtig selbstgenutztes Wohneigentum nicht als fiktives Einkommen in die Berechnung miteinbezogen wird. Ältere Haushalte weisen eine höhere Eigentumsquote und geringere Hypothekenbelastungen auf. Wie sich aus anderen Studien ergibt, führt eine Berücksichtigung dieses Einkommensvorteils zu einer unter der Gesamtquote für die Bevölkerung liegenden Armutsrisikoquote Älterer. Voraussichtlich wird selbstgenutztes Wohneigentum in die EU-SILC-Ergebnisse für das Jahr 2007 eingehen. Die Warnung vor einer Zunahme der Altersarmut bezieht sich auf die Ergebnisse der 2007 von der OECD veröffentlichten Studie „Pensions at a Glance“. Diese Publikation zeigt, dass Deutschland mit seinen Reformen im Bereich der Alterssicherung im internationalen Vergleich bereits weit vorangekommen ist und die eingeleiteten Maßnahmen angemessene Antworten auf die demografischen und gesellschaftlichen Herausforderungen sind. Aus den Ergebnissen der OECD geht hervor, dass als Folge der Reformen in Zukunft die gesetzliche Rentenversicherung, die private Rentenversicherung und die betriebliche Altersvorsorge gemeinsam dazu beitragen, dass der Lebensstandard gewahrt werden kann. Dies gilt auch für Geringverdiener, deren Renteneinkommen nach den Berechnungen der OECD im Übrigen oberhalb der Grundsicherung für Ältere liegen. Die Berechnungen der OECD zeigen aber auch, dass in Verbindung mit der geförderten zusätzlichen Altersvorsorge der Lebensstandard der Rentnerinnen und Rentner auch in Zukunft auf dem heutigen Niveau gehalten werden kann. Somit bestätigt die OECD den von der Bundesregierung eingeschlagenen Kurs, bei Wahrung der finanziellen Tragfähigkeit der Rentenversicherung einen angemessenen Lebensstandard der Älteren durch die Kombination von gesetzlicher Rentenversicherung und staatlich geförderter zusätzlicher Altersvorsorge zu sichern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage, bitte.

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine erste kurze Nachfrage lautet: Welche weiteren Erkenntnisse über die Zunahme von Altersarmut liegen der Bundesregierung vor?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich habe das eben erläutert. Wir werten zurzeit weitere Untersuchungen aus, die in den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht Eingang finden werden. Zu diesem derzeit laufenden Auswertungsprozess kann ich hier keine Daten nennen. Auch hierbei gilt, was ich in meiner Antwort auf die Frage von Frau Dr. Enkelmann ausgeführt habe: Wir arbeiten derzeit an dem Bericht, der im Frühjahr in das parlamentarische Verfahren eintreten wird. Wir werden mit Sicherheit im Laufe des ersten Halbjahrs Gelegenheit haben, im Deutschen Bundestag darüber zu diskutieren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine zweite Nachfrage lautet: Wie bewerten Sie die Einschätzung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, dass bis 2020 der Anteil der von Altersarmut Betroffenen auf bis zu 10 Prozent steigen könne? Wie wollen Sie diesen Trend stoppen? Die Variante RiesterRente zieht wohl nicht mehr.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Bundesregierung hat sich bei den von ihr in den letzten Jahren eingeleiteten Schritten zur Sicherung des Einkommens im Alter sehr stark darauf konzentriert, Chancen und Gelegenheiten zum Aufbau einer zusätzlichen privaten und betrieblichen Altersvorsorge zu geben. Ich erinnere an die Renaissance der betrieblichen Altersvorsorge mit dem Recht auf Entgeltumwandlung. Ich erinnere daran, dass wir noch vor kurzer Zeit im Deutschen Bundestag entschieden haben, die Sozialversicherungs- und die Steuerfreiheit für die hierfür aufgewendeten Beiträge fortzuführen. Ich erinnere daran, dass heute rund 17,3 Millionen Menschen einen Rechtsanspruch auf betriebliche Altersvorsorge haben. Ich erinnere an den rasanten Anstieg der Zahl derjenigen, die einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben. Das sind inzwischen über 10 Millionen Menschen. Das alles trägt zur Sicherung des Einkommens im Alter bei. Das sollten wir bei der Einschätzung zukünftiger Entwicklungen berücksichtigen. Das Einkommen im Alter ist das Spiegelbild des Einkommens in der Erwerbsphase. Faire Löhne, Mindestentlohnungsbedingungen und Mindestlöhne haben somit Einfluss auf das Einkommen im Alter. Die beiden entsprechenden Gesetzentwürfe hat Bundesarbeitsminister Scholz hier vorgelegt. Des Weiteren müssen wir Beschäftigung organisieren. Das ist die gleiche Argumentation wie eben. Noch ein Hinweis. Heute sind rund 2 Prozent der über 65-Jährigen auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Die Grundsicherung im Alter ist eine solidarische Leistung aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Menschen, die im Alter kein ausreichendes Einkommen haben, egal aus welchen Gründen. Darunter sind viele Menschen, die keine Gelegenheit hatten, zu arbeiten, wie ältere Frauen, die nach dem Krieg Kinder erzogen haben. Darunter sind auch welche, die keine Arbeit gefunden haben oder einer Arbeit nachgegangen sind, die nicht sozialversicherungspflichtig gewesen ist. 2003 haben wir geregelt, auf den Unterhaltsrückgriff auf Familienmitglieder weitestgehend zu verzichten. Man muss also beim Sozialamt nichts offenlegen, sondern hat Anspruch auf Grundsicherung. Diese beträgt im Schnitt für die über 65-Jährigen 627 Euro. Damit sind auch Wohnungs- und Heizungskosten abgedeckt. Das ist eine solidarische Leistung aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten können. Rund 2 Prozent der über 65-Jährigen kommt diese gesetzliche Regelung zugute; das sind ungefähr 370 000 Männer und Frauen in Deutschland. Das ist eine gute Leistung. Man darf aber von den heutigen Bedingungen keine Rückschlüsse auf die Zukunft ziehen. Wenn jemand heute 800 Euro verdient, dann bedeutet das nicht, dass er in seiner 30-jährigen Erwerbsphase dauerhaft 800 Euro verdienen wird. Man kann nicht voraussagen, wann Phasen der Selbstständigkeit und der Arbeitslosigkeit eintreten. Damit Sie die ganze Komplexität deutlich wahrnehmen: Wir haben im Rentenversicherungsrecht zum Beispiel geregelt, dass es für Kindererziehungszeiten zusätzliche Entgeltpunkte gibt. Da Sie nicht alle biografischen Verläufe konkret voraussagen können, können Sie auch nicht behaupten, in 30 Jahren liege die Altersarmut bei 10 Prozent. Ich halte nichts davon, mit solchen Zahlen zu operieren. Wir stehen heute in der Verpflichtung, alles dafür zu tun, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen sowie Menschen zu fairen und anständigen Löhnen in Beschäftigung zu bringen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die erste Nachfrage stellt der Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, geben Sie mir recht, dass das Risiko der Altersarmut insofern steigt, als eine Senkung des Rentennettoniveaus vor Steuern im RV-Nachhaltigkeitsgesetz vorgesehen ist? Gerade in den neuen Bundesländern gibt es viele Personen, die Phasen längerer Erwerbslosigkeit zu verzeichnen haben. Insgesamt gibt es in unserem Land zudem einen Trend hin zu mehr Teilzeitarbeit. Nur noch zwei Drittel der Beschäftigten verfügen heutzutage über eine Vollzeitarbeitsstelle. Der Anteil der gesetzlichen Rente wird also deutlich rückläufig sein. Sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit, den Anreiz für Geringverdiener und Personen mit gebrochenen Erwerbsverläufen zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge zu verstärken? Heute besteht das Problem darin, dass ein Anspruch auf Riester-Rente auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich glaube, die Frage ist deutlich geworden.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das führt aus unserer Sicht zu Fehlanreizen, die dringend beseitigt werden müssen. Sehen Sie das auch so?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich könnte jetzt einfach sagen: Nein. - Ich will das Nein gerne begründen, Kollege Kolb. Erstens müssen wir - das sage ich noch einmal deutlich - daran arbeiten, Arbeit und Beschäftigung zu fairen Löhnen zu erreichen. Das heißt im Kern: Vollzeitarbeit. Man muss dazu sagen, dass Menschen für die Zeiten, in denen sie in Teilzeit arbeiten, manchmal auch eigenverantwortlich und selbst entschieden, bei knapp 850 Euro Monatseinkommen einen Rentenanspruch erwerben, der über der Grundsicherung liegt, wenn man von der Riester-Förderung Gebrauch macht. Bei einem Einkommen von 850 Euro und Inanspruchnahme von RiesterFörderung erhält man im Alter mit gesetzlicher Rente und Riester-Rente mehr als 627 Euro. Wir haben die Förderbedingungen für die Riester-Rente so günstig gestaltet, dass auch Phasen der Arbeitslosigkeit mit einem Beitrag von 5 Euro im Monat überbrückt werden können, sodass die Riester-Verträge weiterlaufen. Im Bereich der unteren Einkommen, insbesondere bei Familien mit Kindern, werden teilweise Förderquoten von 70 bis zu 90 Prozent erreicht. Ich glaube, damit haben wir gute Voraussetzungen für ein angemessenes Einkommen auch im Alter geschaffen. Ich wiederhole: Man sollte nicht davon ausgehen, dass dauerhaft in Teilzeit gearbeitet wird oder dass wir es überwiegend mit gebrochenen Erwerbsbiografien zu tun haben. Ich glaube, dass eine vernünftige Abdeckung über die ganze Wegstrecke gewährleistet sein kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir haben noch zwei Nachfragen zu dieser zweiten dringlichen Frage. Als Erste hat die Kollegin Dr. Enkelmann das Wort.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, da Sie auf konkrete Fragen sehr unkonkret sehr viel reden, versuche ich es noch einmal. Stichwort Riester-Rente. Sie haben über Lebensstandardsicherung im Alter gesprochen, unter anderem durch geförderte private Altersvorsorge. Wie passt es zusammen, wenn dann bei Betroffenen, die Grundsicherung im Alter erhalten, das angerechnet wird, was sie mit der Riester-Rente angespart haben? Sind Sie bereit, diese Anrechnung endlich zu beenden?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Dr. Enkelmann, das passt wie folgt zusammen: § 2 des Sozialgesetzbuches XII beschreibt das Nachrangigkeitsprinzip der Sozialhilfe. Damit ist einfach Folgendes umschrieben: Das, was solidarisch von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern für jemanden aufgebracht wird, der aus eigener Kraft seine Existenz ökonomisch nicht sichern kann, wird erst aufgebracht, nachdem derjenige, sofern er eigenes Einkommen oder eigenes Vermögen hat, dieses eingesetzt hat. Erst dann kommen die Leistungen der Solidargemeinschaft, in dem Fall der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, zum Einsatz. Dieses Nachrangigkeitsprinzip zieht sich durch das ganze Sozialrecht. Darauf bitte ich immer sehr genau zu achten, Frau Dr. Enkelmann, weil wir an dieser Position Orientierung brauchen. Würde man hier eine Veränderung herbeiführen, käme sofort die nächste Frage: Wie behandeln wir in dem Zusammenhang die anderen Einkommensarten wie Rente, Lebensversicherung oder Vermögen, das möglicherweise aus Grund- und Hauseigentum besteht? Wenn Sie bei der Grundsicherung das, was an Riester-Rente angespart worden ist, nicht verrechnen, stellt sich automatisch die Frage: Darf eine andere Rente möglicherweise auch nicht angerechnet werden? Ich sage ganz deutlich: Es ist nicht möglich, auf den Grundsicherungsanspruch quasi noch ein Plus oben drauf zu setzen, ({0}) sodass am Ende derjenige, der nur die Möglichkeit hatte, sich eine geringe Rente zu erarbeiten, dadurch einen Nachteil hätte. Dieses Nachrangigkeitsprinzip müssen Sie beachten. Ich glaube, es ist ein gutes Prinzip, dann zu helfen, wenn jemand keine eigenen Einkommen hat und nichts Eigenes einbringen kann. Dann ist die Solidargemeinschaft da. Ist es anders und kann Einkommen eingebracht werden, dann muss dieses auch eingebracht werden. Daher wird es keine Änderung an dieser Stelle geben. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es drängt viele Kolleginnen und Kollegen, zu dieser Frage nachzufragen. Ich will Nachfragen gerne zulassen, appelliere aber an die Fragesteller, sich um präzise Fragen zu bemühen, sodass es dem Staatssekretär möglich ist, kurz zu antworten. ({0}) Das Wort hat der Kollege Rohde.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, bei der Frage, die eben aufgeworfen wurde, geht es darum, dass die Trennlinie zwischen gesetzlicher Verpflichtung und Freiwilligkeit gezogen werden muss. Wenn bei den Vorsorgeformen, die Sie aufgeführt haben, Freiwilligkeit herrscht, dann muss diese Freiwilligkeit geschützt werden. Meine Frage zielt auf Ihre Aussage, jemand mit einem Einkommen von 850 Euro könne mit seinen Einzahlungen in das gesetzliche Rentensystem und mit einer Riester-Rente schon den Grundsicherungsbetrag erreichen. In der Anhörung, die wir am Montag hatten, wurde gesagt, dass es die Möglichkeit gibt, dass genau jemand aus diesem Personenkreis mit 63 Jahren im Falle der Arbeitslosigkeit vorzeitig mit Abschlägen in Rente geschickt werden kann. Die Abschläge bewegen sich circa zwischen 7 und 14 Prozent. Dann gäbe es doch ein größeres Problem gerade für die Bezieher niedriger Einkommen. Hat die Bundesregierung vor diesem Hintergrund vielleicht nicht doch die Möglichkeit, die Gesetzeslücke zu schließen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Kollege Rohde, wir haben gerade heute Morgen im Ausschuss darüber debattiert, wie mit dem Prinzip umgegangen wird, dass man dann, wenn Rentenansprüche vorhanden sind, von der Möglichkeit des vorzeitigen Eintritts in die Rente Gebrauch machen sollte. Wir haben heute Morgen auch darüber diskutiert, dass das auch etwas mit dem Arbeitsplatzangebot zu tun hat. Ich glaube, bei den Erwerbsverläufen, die da sind, tritt an der Stelle bei denjenigen, über die wir heute sprechen, dieses Problem nicht auf; denn diese haben in der Regel Erwerbsphasen und, wenn sie arbeitslos waren, Anrechnungszeiten in der Rentenversicherung, die über 42, 43, bis hin zu 45 Jahren gehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Dr. Troost.

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, haben Sie gestern den Kommentar von Lucas Zeise in der Financial Times Deutschland mit der Überschrift „Genug geriestert“ gelesen? Für meine Begriffe wird dort das Grundproblem völlig richtig beschrieben. Die Riester-Förderung, die sehr viel Geld kostet, wird bei denjenigen, die im unteren Einkommenssegment arbeiten, letztlich nichts bewirken; sie ist vielmehr für die Katz, weil diese Menschen sowieso die Aufstockung bekommen. Diejenigen, die letztlich von der Riester-Förderung profitieren, sind die mit relativ hohen Einkommen. Da stellt sich die Frage, ob dieses Instrument überhaupt noch gebraucht wird. Ich glaube, dieser Kommentar - ich kann ihn auch allen Kolleginnen und Kollegen empfehlen - bringt das Gesamtproblem auf den Punkt. Vor dem Hintergrund muss die ganze Riester-Förderung für meine Begriffe neu überdacht werden.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wenn das der Tenor des Artikels ist - zu Ihrer ersten Frage: Ich habe ihn nicht gelesen -, dann teile ich die Meinung des Autors, so wie Sie sie wiedergegeben haben, nicht. Ich wiederhole: Bei einer Einkommenshöhe von 850 Euro und einer Einzahlung in die Rentenver14548 sicherung lohnt sich die Riester-Rente. Alle Berechnungen, die angestellt werden und die besagen, die RiesterRente würde sich nicht lohnen, implizieren immer die Aussage: Du hast sowieso keine Chance, auf deiner langen Wegstrecke irgendwann ein gutes Einkommen oder eine richtige Vollzeitbeschäftigung zu bekommen. - Das ist nicht unser Weltbild. Wir wollen vielmehr dazu beitragen, dass Menschen Arbeit bzw. Beschäftigung und eine faire Entlohnung bekommen. Das ist im Kern bei dem Großteil der Fall. Es gibt einige Arbeitnehmer - sonst würden wir die politische Debatte über Mindestlöhne nicht führen -, bei denen das nicht der Fall ist. Wir müssen darüber reden, wie wir andere Risiken im Bereich des Arbeitslebens besser absichern können. Daraus zu schlussfolgern, ein RiesterVertrag würde sich nicht lohnen, würde dem widersprechen, was zum Beispiel die Stiftung Warentest in der Zeitschrift Finanztest bewiesen hat: Riester lohnt sich für die Menschen. Ich kann nur hinzufügen: Einen Vertrag über eine Riester-Rente abzuschließen, muss ein persönliches Präjudiz sein. Wir sind davon überzeugt; sonst wären wir auch nicht zu dem Ergebnis gekommen, über die Aktion „Altersvorsorge macht Schule“ zusammen mit den Volkshochschulen die Riester-Rente bekannter zu machen und deutlich zu machen, dass die gesetzliche Rentenversicherung, private und betriebliche Altersvorsorge dazu beitragen, ein angemessenes Auskommen im Alter zu haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zu dieser dringlichen Frage stellt der Kollege Haustein.

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass man 35 Jahre lang 1 850 Euro brutto braucht - so sind unsere Berechnungen -, um Grundsicherungsniveau zu erreichen? Wie kommen Sie darauf, dass man nur 800 Euro im Monat braucht, um dieses Niveau zu erreichen? ({0})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Rentenberechnungen sind im Kern darauf ausgelegt: 45 Jahre und durchschnittliches Einkommen; das durchschnittliche Jahreseinkommen im Jahr 2006 lag, glaube ich, bei knapp 30 000 Euro. Es ist notwendig, 27 Jahre Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen, um eine Leistung oberhalb der Grundsicherung zu erhalten. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur dringlichen Frage 3 der Kollegin Hirsch: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des Statistischen Bundesamtes vom Montag, dem 21. Januar 2008, dass Menschen, die 2005 781 Euro im Monat zur Verfügung hatten, als armutsgefährdet betrachtet werden müssen, für ihre Überprüfung der Regelsätze in den Grundsicherungssystemen? ({0}) - Liebe Kollegen aus der FDP-Fraktion, dieses Thema mag vertiefungswürdig sein, aber jetzt sind wir bei der dringlichen Frage 3 der Kollegin Hirsch, und das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Zwischen der Höhe des vom Statistischen Bundesamt errechneten Werts und der Höhe der Eckregelsätze gibt es keinen Zusammenhang. Die vom Statistischen Bundesamt berechnete Armutsrisikoquote bzw. die damit verbundene Schwelle sind statistische Messzahlen zur Erfassung der Einkommensverteilung. Anders als bei den Eckregelsätzen bzw. dem Grundsicherungsbedarf geht es bei dieser Statistik nicht darum, das gesellschaftlich notwendige Minimum an materiellem Lebensstandard und Teilhabemöglichkeiten zu definieren. In der Analyse des Statistischen Bundesamtes wird die im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten vereinbarte Definition des Armutsrisikos zugrunde gelegt. Damit ist die mittlere Einkommenssituation der Referenzpunkt. Dem Risiko der Einkommensarmut unterliegt derjenige, dessen Einkommen einen bestimmten Mindestabstand zum Mittelwert in der Gesellschaft aufweist. Als Konvention wurden dabei 60 Prozent des bedarfsgewichteten Medianeinkommens ausgewählt. Entscheidend ist, dass diese Armutsrisikogrenze nur eine statistische Kennziffer ist. Ihre Höhe hängt von verschiedenen normativen Festlegungen wie der Wahl eines Mittelwerts oder der Festlegung eines Gewichtungsverfahrens für Mehrpersonenhaushalte ab. So hat zum Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Armutsberichterstattung 50 Prozent des Durchschnittseinkommens als Schwelle definiert, wodurch der Wert dort deutlich niedriger ist. Die Armutsrisikoquote ist eine Messzahl, mit der ein Aspekt der Ungleichheit in der Einkommensverteilung statistisch gemessen wird. Die Armutsrisikoquote stellt nur eine Zwischengröße hin zu dem Berechnungswert dar. Dass diese statistische Maßzahl nichts mit der landläufigen Vorstellung von Armut zu tun hat, zeigt auch folgendes Beispiel: Würden sich die Einkommen aller Personen in Deutschland auf einen Schlag verdoppeln, so wäre auch die Armutsrisikogrenze, die ja in Relation zum Mittelwert errechnet wird, doppelt so hoch. Die Armutsrisikoquote, also der Anteil der Personen mit einem Einkommen unter dieser Grenze, bliebe also unverändert. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Hirsch hat das Wort zu einer Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir freuen uns zunächst einmal über Ihre fast schon politische Forderung, dass sich die Einkommen der abhängig Beschäftigten in Zukunft verdoppeln sollen. Ich glaube, das ist ein guter Ansatzpunkt. Es würde vielleicht schon helfen, mit dem gesetzlichen Mindestlohn zunächst einmal eine Untergrenze einzuziehen. Aber nun zu meiner konkreten Nachfrage. Offensichtlich hängen die Regelsätze und die beschriebene Gefährdung, in Armut hineinzufallen oder sich schon in Armut zu befinden, irgendwie zusammen. Wir können ganz deutlich feststellen, dass die aktuellen Regelsätze nicht ausreichen. Wenn ich mir das beispielsweise aus der bildungspolitischen Perspektive anschaue, komme ich zu dem Schluss, dass das, was anhand des Regelsatzes berechnet wird, nicht ausreichend ist, zum Beispiel das Mittagessen in Ganztagsschulen zu bezahlen. Meine Nachfrage lautet einfach, ob die Bundesregierung diese Feststellung des Statistischen Bundesamts zum Anlass nimmt, um vielleicht doch eine ganz deutliche Erhöhung der Regelsätze anzustoßen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Hirsch, es gibt hierzu einen gesetzlichen Rahmen, in dem wir uns bewegen - er ist von diesem Haus festgelegt worden und so auch mit den Ländern geregelt -, nach dem für die Festlegung der Eckregelsätze die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde gelegt wird. Diese Einkommens- und Verbrauchsstichprobe wird alle fünf Jahre in der Gruppe derjenigen in der Bevölkerung durchgeführt, die zu den unteren 20 Prozent im Einkommensbereich gehören. In der Vergangenheit wurden die Sozialhilfebezieher herausgenommen, um diesen Personenkreis nicht mitzuerfassen. Wir wollen nämlich ein Bild von dem Ausgabenverhalten der unteren 20 Prozent erhalten, auf dessen Basis das Statistische Bundesamt das soziokulturelle Existenzminimum für diejenigen berechnet, die aus eigener Kraft kein eigenes Einkommen erwirtschaften können. Das Ergebnis dieser Berechnung unterliegt dann noch den entsprechenden gesetzlichen Anpassungsvorschriften, gemäß denen die Eckregelsätze so wie die Renten angepasst werden müssen. Auf dieser Basis liegt der Betrag heute bei 347 Euro. Zusätzlich werden von den Kommunen und für Arbeitslosengeld-II-Empfänger auch anteilig vom Bund die Miet- und die Heizkosten übernommen. In den vergangenen Monaten haben wir nun eine Diskussion in diesem Hause geführt, ob man aufgrund der Preissteigerungen reagieren müsse, da die Eckregelsätze ja schon vor etwas längerer Zeit festgelegt wurden. Die Erhebungsbasis ist schon etwas älter. Zurzeit wird die Erhebung des Jahres 2008 durchgeführt. Da nun ein langer Zeitraum zwischen den Erhebungen liegt und für die Auswertung auch noch einmal zwei Jahre benötigt werden, debattieren wir im Moment darüber, ob es möglich ist, die Zeiträume zwischen den Erhebungen zu verkürzen oder die Auswertung zu beschleunigen. Eine weitere Frage ist, wie wir auf die Bedürfnisse von Kindern reagieren. Der Vorgänger von Bundesarbeitsminister Scholz, Franz Müntefering, hat hierzu in einer Debatte im Deutschen Bundestag sinngemäß gesagt: Wir müssen darüber reden, ob wir bei den Kindern etwas im Bereich des Mittagessens tun können, also wie gewährleistet werden kann, dass Kinder von Eltern, die von Grundsicherung, Arbeitslosengeld II leben, ein warmes Mittagessen in der Schule bekommen. Wir haben weiterhin darüber nachgedacht und denken auch noch darüber nach - das wurde auch schon damals von Franz Müntefering angekündigt -, ob man auch etwas zum Zeitpunkt der Einschulung machen kann, wenn Schulranzen und andere Dinge gekauft werden müssen. Die Debatte hierüber führen wir zurzeit intern. Wir arbeiten daran. Um hierzu etwas vorlegen zu können, bedarf es weiterer Abstimmungsprozesse. Das Thema steht also weiterhin bei uns auf der Tagesordnung. Das alles ändert natürlich nichts an der Prozedur, wie bisher die Regelsätze erhoben werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage. - Bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Kurze Vorbemerkung: Danke schön, dass Sie daran arbeiten und sich darüber Gedanken machen. Aber die Menschen brauchen jetzt Lösungen und Antworten. Dafür sind gesetzliche Maßnahmen von Ihrer Seite nötig. Danke schön auch, dass Sie noch einmal dargestellt haben, wie das Verfahren zur Festlegung der Eckregelsätze aussieht. Nun meine Nachfrage: Halten Sie das Verfahren zur Festlegung der Eckregelsätze grundsätzlich für ein sinnvolles Verfahren, wenn es dazu führt, wie wir vorhin gehört haben, dass 13 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land von Armut bedroht sind? Daran wird doch deutlich, dass irgendetwas mit diesem Verfahren nicht stimmt. Man müsste deshalb doch darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist. Denkt die Bundesregierung also über Alternativen nach, um eine armutsfeste Grundsicherung zu gewährleisten?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Hirsch, bis 1988/89 lag der Erhebung ein Warenkorbmodell zugrunde. Damals war man auf breiter politischer Front - Ministerpräsidenten und Deutscher Bundestag - der Meinung, dass dieses Modell nicht ausreicht, das soziokulturelle Existenzminimum zu bestimmen. Man ist zum Modell der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe übergegangen. Ich glaube, dass sich dieses bislang bewährt hat. Angesichts der Dynamik mancher Entwicklungen wird kritisch hinterfragt, ob der Zeitraum von fünf Jahren zu lang ist, und überlegt, wie der Auswertungsprozess beschleunigt werden kann. An beiden Punkten arbeiten wir. Ich wiederhole aber noch einmal, was ich schon in meinen vorherigen Antworten gesagt habe: Wir wollen nach Möglichkeit dafür sorgen, dass die Menschen nicht auf Grundsicherung und Arbeitslosengeld II angewiesen sind, weil Arbeit und Beschäftigung da ist. ({0}) Deswegen diskutieren wir vor dem Hintergrund der hohen Zahlen an Aufstockern über Mindestlöhne. Deswegen debattieren wir darüber, wie Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen haben, einen Hauptschulabschluss nachholen können, damit sie eine Chance auf einen Ausbildungsplatz haben. Deswegen haben wir Beschäftigungsprogramme aufgelegt. All das sind sozusagen Voraussetzungen dafür, um die Inanspruchnahme von Leistungen, die die Steuerzahlerinnen und -zahler finanzieren, im Bereich der Grundsicherung letzten Endes unnötig zu machen. In den Fällen, wo die Inanspruchnahme doch nötig wird, wollen wir, dass es sich dabei um einen möglichst kurzen Zeitraum handelt, indem wir den Menschen helfen, aus eigener Kraft wieder aus dieser Situation herauszukommen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass jemand, der 35 Jahre lang auf der Basis von 800 Euro brutto Rentenbeiträge gezahlt hat und am Schluss mit einer Rente von 300 Euro nach Hause geht, damit deutlich armutsgefährdet ist, dass jemand, der 45 Jahre 1 450 Euro brutto verdient und auf dieser Basis Beiträge gezahlt hat, am Ende eine Rente allenfalls auf Grundsicherungsniveau erzielt und dass in beiden Fällen der Abschluss eines privaten Riester-Vertrages keinen Sinn macht? ({0})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich kann die Zahlen und die Rechnungen, die Sie gerade vorgetragen haben, an dieser Stelle so nicht bestätigen; aber ich kann Ihnen sagen: 850 Euro und RiesterRente führen im Ergebnis dazu, dass man im Kern oberhalb der Grundsicherung liegt. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dr. Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie haben dankenswerterweise daran erinnert, dass der Kollege Müntefering tatsächlich das warme Mittagessen für Kinder gefordert hat. Nur, der Kollege Müntefering ist nicht mehr in dieser Regierung. Wann also wird aus den vielen Ankündigungen der Koalitionsvereinbarung von 2005 und den vielen Ankündigungen von heute, etwas gegen Armut zu tun, endlich konkrete Politik?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Enkelmann, Kollege Scholz setzt die Arbeit, die Bundesarbeitsminister a. D. Franz Müntefering eingeleitet hat, fort. Ich habe Ihnen gerade gesagt: Wir arbeiten sehr intensiv an dem Abstimmungsprozess zwischen den Häusern, was den Kinderzuschlag und den Erwerbstätigenzuschuss angeht. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir Programme für bis zu 400 000 Menschen aufgelegt haben, damit sie in Ausbildung, Arbeit und Beschäftigung kommen können. Ebenso habe ich Ihnen gerade gesagt, wie wir die Riester-Rente fördern. ({0}) Ich erinnere auch daran, dass wir hier gerade die Förderbedingungen für Kinder erheblich verbessert haben. Dies passiert zeitnah. ({1}) - Sie wollen ein Datum wissen? ({2}) - Ich kann Ihnen an dieser Stelle kein Datum nennen. Wir arbeiten zügig daran. ({3}) Ich denke, dass wir Ihnen an dieser Stelle bald die Ergebnisse präsentieren können. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Reinke.

Elke Reinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003829, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte noch einmal nachfragen zu dem Wann. Was bedeutet für Sie „zeitnah“? Heißt das, im Sommer, im Herbst, kurz vor den Bundestagswahlen? Auch das Jahr wäre nicht schlecht. Wir sind da hartnäckig; denn wir müssen den Leuten ja auch etwas sagen können, zum Beispiel: Haltet noch ein bisschen durch! Die Bundesregierung macht sich gerade einen Kopf. Zeitnah wird euer Hunger gestillt.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht. Ich habe diese Frage im Kern gerade zwei- oder dreimal beantwortet ({0}) und verweise auf das Protokoll.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir sind in der Fragestunde. Ich bitte darum, dass jeweils Fragesteller wie auch Staatssekretäre aussprechen können. - Herr Staatssekretär, waren Sie fertig? - Gut, dann hat für die letzte Nachfrage zu dieser Frage der Kollege Rohde das Wort.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich bin sehr verwundert, dass Sie die Frage des Kollegen Kolb eben mit Nichtwissen beantwortet haben. ({0}) Wir haben im Oktober in einer Anfrage an die Bundesregierung exakt diese Fragen formuliert und die Antworten in der Form erhalten, wie Herr Kolb sie vorgetragen hat. Das heißt, die Antwort der Bundesregierung war: Wenn 1 450 Euro brutto zugrunde gelegt werden, muss der Beitragszahler 45 Jahre lang in das gesetzliche Rentenversicherungssystem einzahlen, um das Grundsicherungsniveau zu erreichen. Eine weitere Frage von uns war: Wie viele der Riester-Sparer haben diese Einkommensklasse? Ein Drittel der Riester-Sparer liegt unterhalb von 1 450 Euro brutto, was bei 10 Millionen Riester-Verträgen ungefähr 3 Millionen Verträge ausmacht. Wir werden sicherlich einige Sonderfälle finden, zum Beispiel wenn der Ehepartner mit berücksichtigt wird, wo das nicht zutrifft. Aber es wird eine sehr große Gruppe übrig bleiben, die davon bedroht ist, dass ihre Riester-Rente komplett auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird. Um diese Gruppe sollten wir uns kümmern. Aufgrund dieser Ungerechtigkeit führen wir die Diskussion mit der Regierung. Die Frage an Sie ist: Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn die Bundesregierung uns das so sagt, die Zahlen fundiert sein und sich nicht auf das Durchschnittsniveau beziehen sollten, das Sie eben ins Feld geführt haben, sondern auf die Geringverdiener Bezug nehmen sollten, die von dieser Problematik betroffen sind?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Rohde, in Ihrer Frage spiegelt sich die Auffassung wider, dass diese Einkommensgrößen statisch seien. Weil Sie wissen, wie die Berechnungen erfolgen, haben Sie bemerkt, dass es nur sehr schwer ist, eine Prognose abzugeben, wie die Einkommenssituation im Alter aussehen wird. Dafür sind viele Punkte entscheidend: Wie sehen die persönlichen Lebensverhältnisse aus? Wie hoch sind die gezahlten Kinderzulagen und die Entgeltpunkte aus Kindererziehungszeiten? Ist eigenes Vermögen vorhanden? Lebt man in einer Bedarfsgemeinschaft, sodass noch jemand anderes herangezogen werden kann, um das Existenzminimum zu gewährleisten? All diese Fragen können Sie nicht auf die Zukunft projizieren, und Sie können daher nicht schon jetzt sagen, ob jemand in Zukunft auf Grundsicherung angewiesen ist und dementsprechend seine Riester-Förderung in seine Grundsicherung - in diesem Fall spricht man davon, dass sie angeblich umsonst gewesen ist - einbringen muss. Dies lässt sich für den Einzelfall nicht genau vorhersagen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 4 des Kollegen Dr. Axel Troost auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der um sich greifenden weltweiten Börsenkrise auf Beschäftigung und Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland, und mit welchen Maßnahmen - wie zum Beispiel einem umfassenden Konjunkturpaket auf den Gebieten Arbeit, Bildung, Forschung und Infrastruktur - will die Bundesregierung gegensteuern? Bitte, Herr Staatssekretär.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Herr Troost, die Antwort lautet: Die Schwankungen der Börsenkurse sind wiederkehrende Ereignisse der Kapital- und Finanzmärkte und in ihren Auswirkungen zunächst auf Kapitalvermögenswerte beschränkt. Die Bundesregierung sieht deswegen keine Notwendigkeit, aufgrund des jüngsten weltweiten Rückgangs der Aktienkurse die Wachstumserwartungen, die wir heute im Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt haben, von 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verändern. Im Übrigen gilt, dass hektische Reaktionen der Politik in solchen Situationen die bestehenden Unsicherheiten eher vergrößern als verkleinern. Wir planen kein Konjunkturprogramm.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Von Hektik war gar keine Rede. Wir wissen jetzt schon, dass die Finanzmarktturbulenzen dazu führen, dass kleine und mittelständische Unternehmen Schwierigkeiten haben, Bankkredite zu bekommen. Wir können jetzt schon die Konsequenz absehen - wir diskutieren darüber auch im Finanzausschuss -, dass es einen Wertberichtigungsbedarf bei deutschen Banken in der Größenordnung von wahrscheinlich 15 Milliarden Euro gibt, was zu Steuermindereinnahmen in der Größenordnung von 5 Milliarden Euro - möglicherweise noch in diesem Jahr - führt. Diese Konsequenzen sind ja schon absehbar. Die Frage ist: Sehen Sie nicht doch, ähnlich wie in den USA, die Notwendigkeit, zumindest darüber nachzudenken, wie man versuchen kann, das Wachstum auf einem solchen Niveau zu halten, dass es nicht bereits in diesem Jahr zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Ich bleibe bei meiner Bemerkung, dass hektische Reaktionen schädlich sind. Ich halte es für erstaunlich, dass Sie schon drei Tage nach den negativen Auswirkungen an den Börsen von Erfahrungen sprechen können und davon, welche Schäden der Realwirtschaft in Deutschland dadurch zugefügt wurden. Meiner Meinung nach gibt es Auswirkungen im psychologischen Bereich, aber keine, die sich in den Fakten widerspiegeln. Wir sehen keine Kreditprobleme für den deutschen Mittelstand. Deswegen bleibe ich dabei: Jetzt zu spekulieren, was man alles tun könnte, verstärkt nur die Problematik. Wir gehen davon aus, dass die Situation in Deutschland stabiler sein wird als in den Vereinigten Staaten von Amerika, weil es in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren in Deutschland in allen Bereichen unserer Wirtschaft Gott sei Dank einige Fortschritte bei der Prosperität gab. Unser Markt ist weniger finanzmarktgesteuert als angelsächsische Märkte. Wir sind Gott sei Dank näher an der realen Wirtschaft geblieben. Ich bleibe dabei: Jede Reaktion in der jetzigen Situation würde die Probleme nur vergrößern und nicht verkleinern. Auch weiter gehende Spekulationen würden diesen negativen Effekt haben. Deswegen beteilige ich mich weder in meinen Antworten noch in der Kommentierung von Sachverhalten an Spekulationen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage.

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie stimmen aber mit mir darin überein, dass das Problem der Finanzmarktturbulenzen nicht erst vor drei Tagen begonnen hat, sondern dass wir schon seit August in internationalen Finanzkrisen stecken. Die Entwicklungen bei der IKB, der Sachsen LB und der West LB sind gravierende Fälle. Ähnliches gilt auch für andere Banken. Insofern wird das natürlich Konsequenzen haben. Was die Kreditvergabe angeht, liegen meiner Ansicht nach durchaus Erfahrungen vor. Ich bleibe dabei: Bei einem Wirtschaftswachstum, das möglicherweise unterhalb der Beschäftigungsschwelle liegen wird, werden wir möglicherweise steigende Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen haben. ({0}) Ich warne davor, das durch Statistikmanipulationen zu korrigieren, zum Beispiel, indem man künftig alle 58-Jährigen aus der Arbeitslosenstatistik herausnimmt. Ich stelle die Frage noch einmal: Sie meinen, man ist auf einem stabilen Kurs und es bedarf keinerlei Handlungen?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Es gibt jedenfalls keinen Anlass, sich jetzt in Spekulationen zu verlieren. Ich bleibe bei meiner Auffassung - dann haben wir eben unterschiedliche Standpunkte -, ({0}) dass jede hektische politische Reaktion jetzt eher schädlich als nützlich wäre. Ich vertraue auf die Kraft des Standortes Deutschland und auf die Stabilitätserfolge, die wir in der Vergangenheit erzielt haben. Ich glaube, dass sich Deutschland stabiler präsentieren kann als viele unserer internationalen Mitwettbewerber.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dr. Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Diese Bundesregierung neigt offenkundig sowieso nicht zur Hektik. - Ich hätte eine Nachfrage: Das Europäische Parlament diskutiert gerade heute über Möglichkeiten der Finanzmarktkontrolle. Was hält die Bundesregierung von möglichen Kontrollmechanismen?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Dass die Bundesregierung noch keine Meinung zu einer Diskussion haben kann, die heute im Europäischen Parlament stattfindet, werden Sie nachvollziehen können. ({0}) Dass wir in der Vergangenheit eine sehr intensive Diskussion über die Stabilität des Finanzmarktes Deutschland geführt haben, können Sie daran ablesen, dass, so behaupte ich, trotz der engen Verflechtungen der internationalen Finanzmärkte der deutsche Finanzmarkt einer der stabileren im Vergleich aller wichtigen Player ist. Deswegen haben wir keine Veranlassung, über bereits eingeleitete Maßnahmen und getroffene Entscheidungen hinauszugehen und in Hektik zu verfallen. An den Stellen, wo wir in der Diskussion sind, werden wir in der Diskussion bleiben. Bezüglich Fragen, bei denen das Parlament zu fragen ist, werden wir in vernünftigen Zeitabständen mit dem Parlament gemeinsam überlegen, wie die eine oder andere Optimierung der Stabilität erreicht werden kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Börse hat seit Jahresbeginn bis zum gestrigen Tag 9 Prozent an Wert verloren. Nachdem gestern erneut ein Verlust von 6 bis 7 Prozent zu verzeichnen war, ist nun rund ein Sechstel der Marktkapitalisierung verloren gegangen. Mehr als 50 Milliarden Euro sind vernichtet worden. Glauben Sie wirklich, dass das keinen Einfluss auf das Konsumklima in Deutschland hat? Wie kann es sein, dass Sie sich in einer Situation, wo andere Länder über Steuersenkungen diskutieren bzw. die Zinsen senken, darauf beschränken, Ihre Wachstumsprognosen zu reduzieren? Das kann doch nicht die einzige Antwort der Bundesregierung sein.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Herr Kollege Kolb, ich habe auf die Frage der Linken, die das entgegengesetzte Aktionsprogramm als Reaktion auf die jetzige Lage erwartet, geantwortet, dass ich von Schnellschüssen und hektischen Entscheidungen gar nichts halte. ({0}) Das gilt genauso für Hoffnungen auf Steuersenkungen und ähnliche Gegenreaktionen. Wir bleiben auf Kurs. Der Jahreswirtschaftsbericht, den das Kabinett heute beschlossen hat, fordert genau das: Kurs halten. Wir werden die Veränderungen sorgfältig beobachten. Wir haben auch nicht reagiert, als der DAX im Verlauf des Jahres 2007 einen Zugewinn von 22 Prozent verzeichnet hat. Wir halten das, was jetzt passiert, für Toleranzen, für Schwankungen, die an Börsen möglich sind, ohne dass die Politik deswegen sofort Kernfragen stellen und beantworten müsste.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage stellt die Kollegin Koczy.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, es geht nicht um Hektik und auch nicht um Spekulationen. Meinen Sie nicht, dass es nötig ist, jetzt zu reagieren? Meinen Sie nicht, dass Handlungsbedarf besteht? Meinen Sie nicht, dass sich die Bundesregierung in der Diskussion, die schon seit Monaten in der Welt ist, bei der es um Transparenz, um Regulierungen, um Mechanismen und die Einbindung klarerer Regeln geht, nicht zurückzulehnen und das Problem aussitzen, sondern vorangehen sollte? Sollte sie nicht sagen: „Diese Krise, die wir seit Monaten begleiten, ist Anlass für einen echten Neuanfang in Richtung Schutz der Kleinanleger“? ({0})

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Ich bleibe dabei: Die Transparenzregeln, die wir in Deutschland haben, sind weitgehend. Es wird darüber diskutiert, ob sie optimiert werden können; aber das hat mit der gegenwärtigen Krise und ihrer Bekämpfung nichts zu tun. Die Ausgangsfrage, ob wir ein Konjunkturprogramm auflegen wollen, habe ich eindeutig beantwortet. Sie fragen ein neues Feld ab, nämlich ob es Überlegungen gibt, im Bereich des Finanzmarktes die Stabilität, die Transparenz und die Verlässlichkeit zu erhöhen. Das ist eine dauerhafte Aufgabe. Da beraten die Finanzpolitiker über eine Reihe von Maßnahmen, was man zusätzlich tun könnte. Aber wir haben keine Veranlassung, die bisherigen Beratungsergebnisse über Bord zu werfen und zu völlig anderen Ansätzen zu kommen. Diese Fragen werden vielmehr kontinuierlich weiterbearbeitet und sind, wie Sie ja wissen, nur noch sehr selten im engen Sinne national zu beantworten. Denn kaum ein Markt ist so international aufgestellt wie der Finanzmarkt. Insoweit ist da sehr viel internationale Abstimmung erforderlich. Auch hier gilt: Hektik schadet. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden sind, ({0}) rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 16/7792 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Erich Stather zur Verfügung. Wir kommen zu Frage 1 der Kollegin Ute Koczy. Bitte, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin, nach meiner Information beantwortet das AA den ersten Teil der Frage.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das ist mir nicht signalisiert worden. Steht denn jemand aus der Bundesregierung zur Beantwortung zur Verfügung? Denn die Bundesregierung entscheidet ja, wer antwortet. - Ich bitte einen kleinen Moment um Geduld. ({0}) Die Bundesregierung wird sich sicherlich abstimmen können.

Not found (Staatssekretär:in)

Es sind zwei Fragen, die auf einem Blatt abgedruckt sind. Die erste Frage beantwortet nach meiner Information, da sie den Haushalt des AA betrifft, das AA. Die zweite Frage beantwortet das BMZ. Auf die bin ich vorbereitet.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es ist zwar unüblich, ich gebe jetzt trotz alledem der Bundesregierung die Chance, sich abzustimmen und uns zu benachrichtigen, wer die Frage 1 der Kollegin Koczy beantwortet. Ich bitte Sie, Kollegin Koczy, noch einmal Platz zu nehmen. Wir kommen in der Zwischenzeit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Fragen 2 und 3 der Kollegin Kirsten Tackmann werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir schon bim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung hätte der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung gestanden. Aber die Frage 4 des Kollegen Hans-Christian Ströbele soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Fragen 5 und 6 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 7 des Kollegen HansMichael Goldmann auf. ({0}) - Ich bitte, das vorher anzuzeigen. Unsere Regel besagt: Wer nicht anwesend ist bei Aufruf, bekommt keine Antwort. Die Fragen 7 und 8 werden also schriftlich beantwortet, die Fragen 9 und 10 der Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan ebenfalls sowie die Frage 11 des Kollegen Mücke. Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Christian Ahrendt werden bitte auch schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Uwe Barth auf: ({1}) Denkt die Bundesregierung darüber nach, im Rahmen der Neuordnung der Bundesbauverwaltung eine Bundesbauanstalt mit einem Bundesamt für Forschung und Entwicklung zu errichten, und, wenn ja, soll das Bundesamt für Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern angesiedelt werden? Bitte, Frau Staatssekretärin. ({2})

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, die Bundesregierung antwortet Ihnen wie folgt: Die beabsichtigte Neuordnung der Bundesbauverwaltung hat zum Ziel, das heute in Bonn und Berlin ansässige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in eine für operative Bauaufgaben zuständige rechtsfähige Bundesanstalt öffentlichen Rechts und in ein Bundesforschungsamt aufzuteilen. Dieses Amt soll aus den vorhandenen beiden wissenschaftlichen Abteilungen bestehen, in die ergänzend das vom Bund finanzierte Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e. V. Berlin integriert werden soll. Es handelt sich somit nicht um die Neuerrichtung einer Behörde, sondern lediglich um eine Umstrukturierung. Deshalb geht es nicht darum, einen Standort für eine neue Behörde zu finden. Vielmehr stehen die bisherigen Standorte Bonn und Berlin zur Verfügung. Einer Ansiedlung des Bundesamts in den neuen Ländern, etwa in Weimar, steht auch das Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands - Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 - entgegen; denn der heutige wissenschaftliche Bereich des BBR wurde 1998 aus der in Bonn ansässigen ehemaligen Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung gebildet. Das Gesetz legte 1994 fest, dass die Berliner Außenstelle der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung nach Bonn zu verlagern war. Vor diesem Hintergrund werden mit dem vorgesehenen Sitz in Berlin und in Bonn alle Spielräume ausgeschöpft, die neuen Länder zu stärken.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage, bitte.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich habe mir den Koalitionsvertrag herausgesucht; er ist ja für die Nachwelt schwarz auf weiß abgedruckt. Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: Neue Bundeseinrichtungen sollen in den neuen Ländern angesiedelt werden. Würden Sie mir recht geben, dass es gemäß dem Sinn dieses Vorhabens weniger darum geht, neue Einrichtungen in den neuen Ländern anzusiedeln, sondern überhaupt Einrichtungen des Bundes dort anzusiedeln, weil es um eine infrastrukturelle Unterstützung der neuen Länder geht? Insofern ist es gar nicht wichtig, ob es neu zu gründende, durch Umstrukturierungen neu entstehende oder vielleicht einfach nur umziehende Einrichtungen sind, die in den neuen Ländern angesiedelt werden sollten, um dieses Ziel zu erreichen. Daher geht der Verweis darauf, dass es sich hier nicht um eine Neugründung handelt, möglicherweise nicht nur am Sinn und Inhalt der Koalitionsvereinbarung, sondern auch am Verständnis der Menschen, die von der Entscheidung betroffen sind - an dieser Stelle die Bürger der Stadt Weimar -, vorbei.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Kollege Barth, es ist kein Zufall, dass in der Koalitionsvereinbarung „neue Bundeseinrichtungen“ steht. Die Bundesregierung möchte nämlich keinesfalls das Gesetz des Bundestages missachten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie können noch eine zweite Frage stellen.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Jawohl, Frau Präsidentin, ich habe das verstanden und danke für diese Möglichkeit. Frau Staatssekretärin, Sie haben ausgeführt, dass nach dem Berlin/Bonn-Gesetz der Schwerpunkt der Einrichtung in Bonn bleiben müsse. Würden Sie mir darin zustimmen, dass es angesichts des voraussichtlichen Anteils derer, die nach Weimar hätten umziehen können - das wären 150, vielleicht 200 Mitarbeiter der etwa 1 200 Mitarbeiter gewesen -, durchaus möglich gewesen wäre, den Schwerpunkt der Einrichtung in Bonn zu belassen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, wie schon gesagt, geht es nicht um die Frage „Was wäre, wenn?“, sondern um die Grundsatzfrage: Ist das eine neue Einrichtung, trifft hier das Berlin/Bonn-Gesetz zu oder nicht? Da es sich hier um keine neue Einrichtung handelt, gehen wir nach dem Berlin/Bonn-Gesetz so vor, wie ich es Ihnen beschrieben habe. Darüber hinaus will ich doch noch anmerken, dass eine Vielzahl von Einrichtungen im Geschäftsbereich unseres Ministeriums in den neuen Ländern angesiedelt wurde. Allerdings waren das auch vom Ziel her andere Institutionen, die dann schon dort waren. Ich verstehe, dass Sie gerne eine Ansiedelung in Weimar wollen. Aber wir haben Prinzipien einzuhalten, insbesondere den Bundestagsbeschluss, den ich zitiert habe.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Bodo Ramelow das Wort.

Bodo Ramelow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003824, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn im Raume steht, dass das erlassene Gesetz geändert werden müsste, frage ich mich natürlich, warum die Bundesregierung den Bundestag in dieser Angelegenheit nicht gefragt hat, wie es mein Kollege Barth gerade in seiner Frage formuliert hat. Wir hätten hier im Plenum des Bundestages jederzeit darüber debattieren und dann die Entscheidung treffen können, diese sinnvolle Einrichtung in Weimar anzusiedeln, in Synergie zur Bauhaus-Universität, angesichts all der Traditionen, die gerade in Weimar existieren. Deswegen frage ich mich, warum Sie uns als Gesetzgebungsorgan überhaupt nicht gefragt haben. Wenn Sie sagen, es handele sich nicht um eine neue Einrichtung, sondern um eine Neustrukturierung, frage ich mich, warum dann nicht einfach eine Zweigstelle in Weimar errichtet wurde, mit dem gleichen Effekt.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Ramelow, es ist ganz einfach: Es geht um eine Steigerung der Effizienz der Verwaltung, nicht um eine Ansiedlung an einem Ort wie Weimar oder Dresden oder einem anderen Ort in den neuen Ländern. Es geht vielmehr darum, die vorhandenen Einrichtungen zu optimieren und deshalb neu zu strukturieren. Das ist für uns der entscheidende Punkt. Wenn der Bundestag das Berlin/Bonn-Gesetz aufheben will, dann wird die Bundesregierung das zur Kenntnis nehmen; aber solche Initiativen kenne ich nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt die Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Warum nehmen Sie den Koalitionsvertrag so ernst, wenn es darum geht, dass explizit von einem neuen Amt die Rede ist, und erfüllen ihn an anderer Stelle nicht, beispielsweise bei der Festlegung, dass im Laufe der Legislaturperiode eine Großforschungseinrichtung in den neuen Bundesländern angesiedelt werden soll? Sind nicht auch Sie der Ansicht, dass da der Eindruck entsteht, dass die Bundesregierung die neuen Bundesländer kontinuierlich und in allen Politikbereichen hinten runterfallen lässt? ({0})

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin, die Frage nach einer neuen Einrichtung muss natürlich immer vor dem Hintergrund gestellt werden, an welchem Standort sie richtig, vernünftig und gut ist. Aber die neuen Länder haben - das hat man in den letzten Jahren gesehen dort, wo es möglich ist, bei neuen Einrichtungen Priorität. Insofern teile ich Ihre Meinung nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die beiden Fragen, die zu diesem Bereich gestellt sind, werde ich jetzt aufrufen und beantworten lassen. Danach werde ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und damit zur Frage 1 zurückkommen. Das nur als Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen. Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Uwe Barth auf: Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Stadt Weimar auch aufgrund der Bauhaus-Universität ideale Voraussetzungen für die Ansiedlung eines Bundesamtes für Forschung und Entwicklung in dieser Stadt bietet?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist jetzt nicht entscheidend. ({0}) Entscheidend ist, dass der Standort, den wir vorsehen - Bonn und Berlin -, aufgrund der dargestellten Begrün14556 dung gewählt worden ist. Wir sehen daher, bezogen auf Weimar, keinen Handlungsbedarf.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Frau Staatssekretärin, inwieweit haben andere Aspekte bei der Entscheidung eine Rolle gespielt? Wie bei der vorigen Frage schon diskutiert, glaube ich nicht, dass hier tatsächlich die explizite Festlegung auf eine neue Behörde den Ausschlag gibt. Mir liegt ein Schreiben des Kollegen Carsten Schneider vor, der ebenfalls der SPD-Fraktion angehört und dort als haushaltspolitischer Sprecher eine herausgehobene Stellung hat. In diesem Schreiben an den Thüringer Bauminister macht er auch Haushaltsbedenken geltend, da ein Umzug natürlich erhebliche Kosten verursachen würde. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob kalkuliert worden ist, wie hoch die Kosten dieses Umzugs wären und ob insbesondere berechnet worden ist, in welcher Größenordnung sich der Unterschied zwischen den Kosten eines Umzugs nach Berlin und den Kosten eines Umzugs nach Weimar bewegt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Staatssekretärin, bitte.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, da wir von dem ausgehen, was ich gesagt habe - dass es sich um keine neue Behörde, sondern um eine Umstrukturierung der Behörde zur Verbesserung der Effizienz, um eine Bündelung der Aufgaben an den jeweiligen Standorten Berlin und Bonn handelt -, haben wir das nicht geprüft. Wir handeln gesetzestreu, wir sind dem Berlin/Bonn-Gesetz verpflichtet.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - An dieser Stelle will ich nicht lockerlassen; denn Haushaltsüberlegungen spielen immer eine Rolle. Wenn es zur Neugründung einer Behörde kommen sollte, die, wenn es nach Effizienzgesichtspunkten ginge, in Berlin angesiedelt werden müsste - ich konstruiere diesen Fall einmal -, wie groß dürfte dann der Unterschied zwischen den Kosten einer Ansiedlung in den neuen Ländern, ob in Weimar oder an einem anderen Ort, Ihrer Einschätzung nach sein, damit man dem politischen Willen, der im Koalitionsvertrag zum Ausdruck kommt, gegenüber den strengen Effizienzüberlegungen Ihres Hauses noch den Vorzug geben könnte?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Die Frage, ob, wann und in welcher Weise neue Einrichtungen in Berlin angesiedelt werden, wird im Einzelfall geprüft, und zwar dann, wenn sie ansteht. Im Rahmen der Reform der Bundesbauverwaltung steht diese Frage nicht an. Die Frage „Was wäre, wenn?“ wird dann beantwortet, wenn es so weit ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 16 der Kollegin Bettina Herlitzius: Wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfang Tiefensee, in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Januar 2008, das Wohngeld spürbar zu erhöhen, und wie sehen die weiteren Planungen der Bundesregierung, insbesondere vor dem Hintergrund der einhelligen Meinung der Sachverständigen, dass es notwendig sei, das Wohngeld unter Einbeziehung der Heizkosten zu erhöhen und den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung ({0}) vor allem in den Bereichen Haushaltsbegriff, gesamtschuldnerische Haftung und Wegfall von Rechtsschutzmöglichkeiten zu überarbeiten, bezüglich einer Novellierung des Wohngeldrechts aus? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Kollegin Herlitzius, wir haben uns im Zuge der Diskussionen über die Neuordnung des Niedriglohnsektors, die heute schon eine Rolle spielte, mit den beteiligten Ressorts darauf verständigt, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, einschließlich des Wohngeldes. In diesem Zusammenhang ist auch über die Berücksichtigung der Heizkosten zu diskutieren. Die hierzu notwendigen Gespräche werden derzeit geführt. Wir haben das also aufgegriffen. Die in der Anhörung angesprochenen Themen, die Sie im Einzelnen aufgeführt haben, können im parlamentarischen Verfahren berücksichtigt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf befindet sich im parlamentarischen Raum. Die Bundesregierung nimmt die Diskussionen, die im Rahmen der Anhörung geführt wurden, zur Kenntnis. Ich bin mir sicher, dass die Koalitionsfraktionen den einen oder anderen Hinweis, der in der Anhörung gemacht wurde, aufgreifen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage, bitte.

Bettina Herlitzius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003887, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Jetzt muss ich genauer nachfragen, Frau Staatssekretärin. Insbesondere von Kabinettsmitgliedern wurden gegensätzliche Äußerungen gemacht. Herr Tiefensee hat gesagt - ich habe seine Aussage in meiner Frage erwähnt -, es bestehe die Notwendigkeit, die Regelungen zum Wohngeld zu verändern und das Wohngeld zu erhöhen. Einen Tag später hat der Bundesfinanzminister eine ganz andere Meinung vertreten. Das glich eher der „Muppet Show“ als einer Kabinettsvorlage. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie positionieren Sie sich? Welcher der beiden Minister hat denn nun recht? Schließlich gehören beide derselben Regierung an. ({0})

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Kollegin Herlitzius, das ist überhaupt nicht die Frage. Es geht nicht darum, ob das Wohngeld erhöht werden soll, ({0}) sondern darum, wie das finanziert werden soll. Das war die Frage, über die intern diskutiert wird, allerdings nicht kontrovers. An dieser Stelle bitte ich Sie um ein bisschen Geduld. Ich denke, dass wir hier bald einen Schritt vorankommen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage, bitte.

Bettina Herlitzius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003887, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann habe ich die Äußerungen von Herrn Steinbrück anscheinend falsch verstanden. Das heißt also: Beide Minister sind der Meinung - die Regierung ist der Meinung -, dass das Wohngeld angehoben werden muss, sie suchen jetzt nur nach Lösungen dafür. Dann wird der jetzige Gesetzentwurf, der das nicht beinhaltet, zurückgezogen, und wir können mit einer Neuvorlage rechnen. Darf ich auch noch fragen, wann?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Staatssekretärin, bitte.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin, im parlamentarischen Verfahren ist es üblich, dass Gesetzentwürfe nach Anhörungen noch verändert werden; das zum Thema „wann“. Es ist vonseiten der Bundesregierung nicht geplant, einen neuen Entwurf einzubringen. Es wird zurzeit in den Koalitionsfraktionen über dieses Thema diskutiert. Was das angeht, was Herr Steinbrück gesagt hat, möchte ich darauf verweisen, dass er sich in der Sache, was eine Erhöhung des Wohngeldes anbetrifft, nicht geäußert hat, sondern nur zur Frage der Abstimmung - und die erfolgt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt noch eine weitere Nachfrage. Die Kollegin Dückert hat das Wort.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, habe ich es gerade richtig verstanden, dass Sie mit Ihrer Antwort auf die Frage angedeutet haben, dass die Bundesregierung plant, im laufenden Gesetzgebungsverfahren eine Wohngelderhöhung aufzunehmen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Kollegin Dr. Dückert, die Bundesregierung hat einen Gesetzesvorschlag gemacht, der sich im parlamentarischen Raum befindet. Die Frage, ob und inwieweit im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens eine Wohngelderhöhung vorgesehen wird, wird geklärt. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Dückert, Sie haben nur die Möglichkeit zu einer Nachfrage; es tut mir leid. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin! Wir kommen zurück zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Staatssekretär Erich Stather beantwortet die Frage 1 der Kollegin Ute Koczy: Wie erklärt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen der Aussage des Koalitionsvertrages - 2005 -: „Zur Steigerung der Effizienz und Verbesserung der Strukturen der deutschen Entwicklungspolitik sind weitere Straffungen notwendig. Dies gilt insbesondere für eine bessere Verknüpfung von Technischer und Finanzieller Zusammenarbeit“, die auch von Staatssekretär Erich Stather laut FAZ-Interview vom 15. Januar 2008 als „klare Verpflichtung“ zur Reform der entwicklungspolitischen Institutionenlandschaft in Deutschland interpretiert wird, und der Tatsache, dass selbst nach Vorliegen vielfältiger Empfehlungen und Gutachten und der durch die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, im Herbst 2006 angekündigten Verschmelzung von KfW Entwicklungsbank und Deutscher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit zu einer neuen, schlagkräftigeren Organisation - vergleiche oben zitierten FAZ-Artikel - seitdem keine konkreten Reformschritte in die Richtung einer einheitlichen deutschen Entwicklungsagentur unternommen worden sind, und ist in diesem Jahr überhaupt noch damit zu rechnen, dass es eine Reform der deutschen Institutionenlandschaft der Entwicklungszusammenarbeit in Richtung einer einheitlichen deutschen Entwicklungsagentur geben wird? Bitte, Herr Staatssekretär.

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Frau Präsidentin, es tut mir leid, wenn ich ein bisschen Verwirrung gestiftet habe. Frau Abgeordnete Koczy, ich möchte Ihre Frage wie folgt beantworten: In der Koalitionsvereinbarung von 2005 steht zu Recht, dass Straffungen der Strukturen der deutschen Entwicklungspolitik notwendig sind. Daran halten die Bundesregierung und die beteiligten Ministe14558 rien unverändert fest. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit bewiesen, dass Straffungen möglich und umsetzbar sind; ich nenne nur als Beispiel InWEnt und die DEG. Die Bundesregierung lässt sich daran messen, was sie im Rahmen dessen, was in der Koalitionsvereinbarung steht, bis zum Ende der Legislaturperiode, 2009, umsetzt. Auf der Basis zweier Gutachten von 2006 und 2007 ist die Bundesregierung dabei, einen Reformvorschlag zu entwickeln, mit dem das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, umgesetzt wird. Dies wird, wie bereits erwähnt, im Verlauf der restlichen Legislaturperiode geschehen und entsprechende Handlungsschritte beinhalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke. - Das hört sich gut an. Ich will wie Sie, dass die Zusammenführung der Entwicklungsdurchführungsorganisationen ein Erfolg wird. Meine Frage ist deshalb: Können Sie uns bestätigen, dass dies in diesem Jahr geschehen wird?

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Frau Abgeordnete, ich kann Ihnen weder bestätigen, dass dies in diesem Jahr geschehen wird, noch, dass es im Frühjahr 2009 geschehen wird. Es wird, wie gesagt, während der Restlaufzeit der Legislaturperiode geschehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das stimmt mich sehr nachdenklich. Wir fragen seit einem Jahr immer wieder nach, wann das passieren wird, und werden immer wieder vertröstet. Stimmen Sie mir zu, dass Sie das, wenn Sie es dieses Jahr nicht hinbekommen, vermutlich auch 2009 nicht schaffen werden?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich stimme Ihnen nicht zu, dass das nicht geschehen wird. Sie wissen selbst: Bei der Vielzahl der Beteiligten ist ein Zeitplan nicht immer einhaltbar. Ich bin deshalb nicht in der Lage, zu sagen: Es ist der 15. Juli oder der 17. September. - Wir befinden uns mitten in diesem Prozess, und ich glaube, dass wir auf einem erfolgreichen Weg sind. Es gibt einen Grundkonsens; aber es gibt noch keinen Endkonsens.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege HansChristian Ströbele das Wort.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Stather, geben Sie mir recht, wenn ich Ihnen vorhalte, dass in der Vergangenheit - insbesondere im letzten Jahr - bereits für Herbst 2007 eine Entscheidung der Bundesregierung angekündigt bzw. in Aussicht gestellt worden ist und dass die Tatsache, dass diese Entscheidung bisher offenbar nicht getroffen oder jedenfalls nicht bekannt gegeben worden ist, in den Durchführungsorganisationen zu erheblicher Verunsicherung führt, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen wird - werden einzelne Durchführungsorganisationen zusammengelegt oder nicht und, wenn ja, nach welchen Modalitäten -, und dieser Schwebezustand für die Betroffenen auf die Dauer nur schwer erträglich ist?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Ströbele, ich bin durchaus zur Selbstkritik bereit. Wenn wir uns darauf verständigen können, dass eine entsprechende Entscheidung in Aussicht gestellt, aber noch nicht angekündigt worden ist, dann stimme ich Ihnen zu. Ich bedauere das selbst. Ich glaube, dass auch die Bundesregierung bedauert, dass die Schritte etwas mühsamer sind, als sie manchmal eingeschätzt werden. Ich spüre auch, dass es aufseiten der Mitarbeiter in allen beteiligten Durchführungsorganisationen zwar keine Unruhe, aber doch den Wunsch nach konkreten Lösungsvorschlägen gibt. Ich glaube aber nicht, dass es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer irgendeinen Grund zu Befürchtungen hinsichtlich ihrer Arbeitsplätze oder sonstiger entscheidender Veränderungen gibt. Noch einmal: Ich stimme Ihnen zu. Bei einer Vielzahl von Beteiligten ist der Prozess aber oftmals etwas mühsamer, als er vom Grundsatz her angedacht ist. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das geht nicht, Kollege Ströbele. Sie haben nur die Möglichkeit zu einer Nachfrage. Die Kollegin Heike Hänsel stellt noch eine Nachfrage.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich habe auch noch eine Nachfrage. Sie haben den Grundkonsens erwähnt, den es mittlerweile gibt. Wir haben von Ihnen die sehr kostspielige Studie über die verschiedenen Modelle von Pricewaterhouse-Coopers vorgelegt bekommen. Mich würde interessieren, ob der Grundkonsens noch die Präferierung eines der Modelle, die in dieser Studie vorgeschlagen wurden, umfasst. Oder gibt es jetzt ganz neue Vorstellungen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, gemäß dem Grundkonsens gibt es ein Grundverständnis darüber, dass die Strukturen mit Blick auf einen einheitlichen Auftritt der deutschen Entwicklungspolitik - insbesondere nach außen - verändert werden müssen. Inzwischen sind auf der Basis der Gutachten zusätzliche und, wie ich finde, auch umfassendere Überlegungen hinzugekommen, die weitere Teile der Durchführungsorganisationen betreffen; in der Koalitionsvereinbarung wird ja eigentlich nur von der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit gesprochen. Es gibt also ein Gesamtpaket, über das ein Grundkonsens herrscht. Haben Sie aber bitte Verständnis dafür, dass ich, solange noch kein Endkonsens besteht, über Details hier nicht sprechen kann und möchte.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. - Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung. Die Frage 17 des Kollegen Hans-Josef Fell wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Ist es nach Erkenntnissen der Bundesregierung zutreffend, dass eine von der Strahlenschutzkommission, SSK, geplante Arbeitsgruppe zur Bewertung der Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz über die epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken, KiKKStudie, vom bisherigen Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission, Professor Dr. Wolfgang-Ulrich Müller, geleitet werden soll, der sofort nach Veröffentlichung der KiKK-Studie bekannt gab, dass die darin festgestellte erhöhte Kinderkrebsrate nicht auf atomare Strahlung zurückgeführt werden könne? Bitte, Herr Staatssekretär.

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Erstens. Die Bewertung der KiKK-Studie - so heißt sie in der Kurzform - haben wir in Abstimmung mit der Begleitkommission Herrn Professor Dr. Wolfgang-Ulrich Müller von der Universität Essen übertragen. Dies ergibt sich auch aufgrund seiner Funktion als Vorsitzender der Strahlenschutzkommission, die er übrigens längere Zeit bis Ende 2007 ausübte. Zweitens. Die von Ihnen unterstellte Aussage ist von Herrn Professor Müller so nicht getroffen worden, wie Nachfragen ergeben haben. Sie hätten übrigens dasselbe Ergebnis bekommen, wenn Sie die Nachfrage, die beispielsweise im Interview von Stern-online veröffentlicht wurde, nachgelesen hätten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Müller, ich beziehe mich jetzt nicht auf das Interview von Stern-online; es gibt auch andere Interviews Ihres Namenskollegen WolfgangUlrich Müller. Ich beziehe mich nun auf seine Aussagen in einem Interview der Frankfurter Rundschau vom 10. Dezember. Auf die Frage „Am heftigsten wird über die Krebsfälle in der Elbmarsch bei Krümmel gestritten. Ist die dortige starke Häufung anders als mit Radioaktivität zu erklären?“ antwortete Herr Müller: Es gibt derzeit keine Antwort. Der Krümmel-Dauerbetrieb kann die Ursache nicht sein. Und dass ein vertuschter Störfall der Grund ist, wie behauptet wird, halte ich für unwahrscheinlich. Welchen anderen Schluss lässt das zu, als dass Herr Müller die Radioaktivität als Ursache ausschließt? Ich gebe Ihnen noch ein zweites Beispiel. Auf eine zweite Frage, bei der es um den Vergleich der Strahlenbelastung durch Röntgen, Fliegen und AKW geht, antwortet er, man könne dies nicht eins zu eins vergleichen. Dann sagt er: Beim Röntgen und Fliegen ist die Einwirkungszeit kurz, bei den AKW ist es eine chronische Exposition. Letztere liegt aber so niedrig, dass dies für eine Krebsauslösung in dem von der Studie festgestellten Umfang nicht infrage kommt. Welchen anderen Schluss lässt dies zu?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

In dem von mir genannten Interview ist auf die Frage „Scheidet Strahlung bei Ihnen also aus?“ von Herrn Müller geantwortet worden: Nein, wir werden die Strahlung nicht ausschließen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich muss an dieser Stelle noch ein bisschen bohren. Es mag ja sein, dass eine Aussage in einem Interview ein bisschen vorsichtiger als eine Aussage in einem anderen Interview getroffen wird; nichtsdestoweniger negiert die Aussage in dem einen Interview nicht die Aussage in dem anderen. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel und frage Sie, ob das BMU die folgende Einschätzung teilt; denn das muss ich unterstellen, wenn Sie diesem Mann jetzt eine so verantwortungsvolle Aufgabe geben. Auf die Frage „Die internationale Strahlenschutzkommission hat neue Richtlinien angekündigt. Es heißt, das Leukämierisiko bei Kindern wurde unterschätzt. Doch eine neue Bewertung?“ antwortet Herr Müller: Nein. Die Veränderungen sind minimal, denn es gibt keine sensationellen neuen Erkenntnisse. Die Bewertung verändert sich nicht substanziell. Ich frage Sie: Teilt das BMU diese Einschätzung?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Ich weiß, dass Sie unsere Stellungnahme in der Aktuellen Stunde mitbekommen haben. Insofern erübrigt sich eigentlich Ihre Frage. Aber ich gebe den Ball einfach zurück: Herr Professor Müller ist unter dem Umweltminister Jürgen Trittin zum Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission gemacht worden. Seine Amtszeit ist Ende 2007 ausgelaufen. Wenn Sie Ihre Frage so stellen, bezieht sie sich auf die gesamte Amtszeit. Sie wissen, dass wir die Strahlenschutzkommission sehr pluralistisch besetzt haben und dass diese Frage zumindest von einem Vertreter Ihrer Fraktion in der Vergangenheit nie gestellt worden ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 19 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl: Ist der Bundesregierung bekannt, welche Epidemiologen in die genannte Arbeitsgruppe berufen werden sollen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Auf Ihre zweite Frage kann ich Ihnen sagen, dass drei Epidemiologen angefragt worden sind: Dr. Martin Röösli vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern, Frau Dr. Tirmarche vom IRSN, einem französischen Institut, und Frau Sarah Darby aus Oxford, drei ausgewiesene Strahlenepidemiologen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich schicke voraus, dass die Berufung von Herrn Müller als Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission durch den vormaligen Umweltminister diesen ehemaligen Umweltminister wahrscheinlich nicht davon abgehalten hätte, nach diesem Interview Herrn Müller nicht zum Vorsitzenden dieses neuen Expertengremiums zu machen. Aber wir können ihn ja gern einmal gemeinsam fragen. Nun meine Nachfrage zu den Epidemiologen: Was hat sie besonders ausgezeichnet, um in dieses Gremium berufen zu werden?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Unabhängig davon, dass die Meinung von Herrn Müller schon immer bekannt war - ich bin länger als Sie im Parlament und weiß, wie er auch in der Zeit der vorigen Bundesregierung bewertet wurde -, sollten wir hier nicht am Thema vorbeireden. Der entscheidende Punkt war in der Vergangenheit der Pluralismus, woran man sich gehalten hat. Wir werden darauf Wert legen, dass er auch in der Arbeitsgruppe eingehalten wird. Alle drei Epidemiologen haben konkrete Erfahrungen auf dem Gebiet der Wirkung von radioaktiver Strahlung auf Kinder und Krankheitsbilder im Bereich von Krebs.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich beziehe mich auf den zweimal von Ihnen erwähnten Pluralismus in der Strahlenschutzkommission. Hat die Strahlenschutzkommission keine eigenen Epidemiologen, die die gleichen Erfahrungen mitbringen wie die ausländischen Experten, die Sie jetzt berufen wollen?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Sicherlich gibt es die auch, aber ich weiß nicht, inwiefern das gegen die anderen Experten spricht. Ich sehe den Sinn Ihrer Frage nicht ganz. Was spricht dagegen, dass Experten mit sehr viel Erfahrung auf dem Gebiet aus einem anderen Land kommen? Sie müssten schon näher erläutern, was Sie konkret meinen. ({0}) - Sie hätten in Ihrer Frage angeben müssen, ob Sie gegen irgendjemanden etwas haben. Darüber kann man reden. Aber so geht es nicht. ({1}) - Okay.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sie können das gerne bei anderer Gelegenheit vertiefen. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Wir kommen zu Frage 20 der Kollegin Ina Lenke: Zu welchen Anteilen soll sich die geplante Fortbildungsinitiative für 80 000 Personen auf Tagesmütter und -väter bzw. Erzieherinnen und Erzieher erstrecken, und wie viele von ihnen sollen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bzw. bei Wiedereinstieg nach einer Erwerbsunterbrechung für diese Fortbildungsinitiative gewonnen werden?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Lenke, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Für den geplanten bedarfsgerechten Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren sind rund 50 000 Erzieherinnen und Erzieher sowie bei einem Anteil der Tagespflege von rund 30 Prozent etwa 27 000 Tagespflegepersonen zusätzlich zu gewinnen. Zur Unterstützung dieses Prozesses starten das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine gemeinsame Qualifizierungsoffensive Kinderbetreuung mit einem Internetportal zur frühkindlichen Bildung. Dieses Informations- und Weiterbildungsangebot richtet sich sowohl an berufstätige als auch arbeitslose Erzieherinnen und Erzieher sowie Tagesmütter und -väter, aber ebenso an Quereinsteiger mit beruflicher Bildung. Es wird grundsätzlich allen offenstehen, die an diesen Bildungsinhalten interessiert sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte sehr.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich finde es sehr erstaunlich, dass Ihnen dazu nicht mehr als ein Internetportal eingefallen ist. Ich glaube, dass die Erzieherinnen und Erzieher noch andere Erwartungen an die Bundesregierung hatten. Ist das alles, oder gibt es zusätzliche Angebote? Schließlich stellen Sie viel Geld zur Verfügung.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Nein, Frau Abgeordnete Lenke, das ist nicht alles. Zunächst zur Bedeutung des Internetportals: Es geht darum, einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung der Qualifizierungsmöglichkeiten der Erzieherinnen und Erzieher durch Schaffung von Infrastruktur zu leisten. Es wird beispielsweise darum gehen, Angebote zugänglich zu machen, die über Tutorien oder Lerngruppen IT-Qualifizierungsmaßnahmen begleiten. Wie Sie wissen, sind im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zuständigkeit in diesem Bereich sehr stark die Länder und Kommunen gefordert. Der Bund ist aber zur Verbesserung der Qualifikation im Bereich der frühkindlichen Bildung auf weiteren Feldern aktiv, zum Beispiel indem wir Forschung zu frühkindlicher Bildung fördern. Ich nenne noch ein weiteres Beispiel. Wir leisten seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einen wichtigen finanziellen und organisatorischen Beitrag, um das „Haus der kleinen Forscher“ - dabei handelt es sich um eine Public-Private-Partnership zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zur Stärkung von naturwissenschaftlichen Kompetenzen im Bereich der frühkindlichen Bildung - in kurzer Zeit möglichst bundesweit zu verbreiten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Frage, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zu dieser geplanten Fortbildungsinitiative in Form eines Internetportals habe ich folgende Frage: Ist das nur ein Informationsportal, oder haben die Erzieher und Erzieherinnen sowie die Tagesmütter und -väter die Möglichkeit, dort interaktiv eine Zertifikation zu bekommen? Wenn sie eine solche nicht haben, dann ist das Ganze nur von allgemeinem Interesse. Es gibt viele Internetportale, die sich zum Beispiel mit Bildungsforschung bei unter Sechsjährigen befassen. Man kann sich vieles aus dem Internet besorgen. Ist das, was Sie anbieten, nur ein Informationsportal?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Lenke, ich habe schon in der Antwort auf Ihre erste Zusatzfrage deutlich gemacht, dass es über die Bereitstellung der Infrastruktur mit diesem Internetportal hinaus Aktivitäten gibt. Zuerst muss dieses Internetportal mit Inhalten durch die Anbieter gefüllt werden, die auch für die Bereitstellung von begleitenden Gruppen sorgen sollten; das nennt man Blended Learning. Das heißt, es geht um Betreuung des E-Learning. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Es soll Möglichkeiten geben, die so erworbenen Fortbildungsinhalte nachzuweisen und zertifizieren zu lassen. Dieses Internetportal ist also nur ein Element eines Bündels zahlreicher Maßnahmen zur Stärkung der frühen Bildung von Kindern und der Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher, der Tagesmütter und Tagesväter.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zu Frage 21 der Kollegin Ina Lenke: Welcher zeitliche und finanzielle Umfang der Fortbildung ist für die einzelne Tagespflegeperson bzw. die Erzieherin bzw. den Erzieher jeweils für die einzelnen Weiterbildungsmodule und Präsenzangebote vorgesehen, und wie soll gerade in kleineren Einrichtungen und im Rahmen der Tagespflege die Vertretung gewährleistet werden? Herr Staatssekretär, bitte.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Lenke, diese Frage schließt unmittelbar an den ersten Sachverhalt an. Ich antworte wie folgt: Grundsätzlich obliegt es den Trägern der Einrichtungen, den Kommunen und den Ländern unter Berücksichtigung der Bildungspläne der Länder die Modalitäten zur Weiterbildung des Personals in der Kindertagesbetreuung festzulegen. Ziel der Initiative der Bundesregierung ist es, diesen Institutionen ebenso wie interessierten Einzelpersonen den Zugang zu besten Standards, qualitätsgesicherter Weiterbildung und berufsbegleitender Qualifizierung zu ermöglichen. Das Angebot von Qualifizierungsmodulen über neue Medien in Kombination mit Präsenzangeboten ermöglicht dabei ein hohes Maß an Flexibilität bei der individuellen Zeiteinteilung für die Fortbildung. Zur Sicherstellung der Vertretung in Fehlzeiten des Personals wird im Aktionsprogramm „Kindertagespflege“ in Abstimmung mit Ländern, Kommunen und Trägern die Anbindung von Tagespflegepersonen an Einrichtungen bzw. die Arbeit in Großpflegestellen gezielt erprobt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nach diesen Antworten fallen mir dazu keine Fragen mehr ein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frage 22 des Kollegen Jan Mücke wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Die Fragen 23 und 24 des Kollegen Dr. Seifert werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 25 des Kollegen Markus Kurth auf: Wann wird die zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie des Fakultativprotokolls zugänglich gemacht, und wie geht die Bundesregierung mit dem Vorwurf um, die gute Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den Menschen mit Behinderungen und deren Verbänden im Vorfeld der Erarbeitung der UN-Konvention nicht auch im Zuge des Übersetzungsprozesses fortgesetzt zu haben? Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Kurth, meine Antwort lautet wie folgt: Am 10. Januar 2007 hat die Bundesregierung die mit Österreich, der Schweiz und Liechtenstein abgestimmte deutsche Fassung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und des dazugehörigen Fakultativprotokolls auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales veröffentlicht. Die Bundesregierung wird auch die notwendigen Schritte einleiten, um Versionen des Übereinkommens und des Fakultativprotokolls in Gebärdensprache sowie in leichter Sprache erstellen zu lassen. Auch bei der Übersetzung des Übereinkommens hat die Bundesregierung die Verbände behinderter Menschen eng eingebunden. Die deutsche Arbeitsübersetzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurde den Verbänden behinderter Menschen frühzeitig zur Verfügung gestellt, die sich dazu schriftlich und mündlich gegenüber dem Ministerium äußerten. Am 5. Juli 2007 wurde auf einer Fachkonferenz des Deutschen Instituts für Menschenrechte mit Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Behindertenrates über Fragen der Übersetzung diskutiert. Die Anregungen des Deutschen Behindertenrates hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen mit den Stellungnahmen der Bundesländer und der Ressorts in die Verhandlungen mit den anderen deutschsprachigen Staaten bei der Übersetzungskonferenz am 4. und 5. September 2007 eingebracht. Die Abstimmung über eine einheitliche deutsche Übersetzung des Übereinkommens zwischen diesen Staaten war erforderlich, weil das Übereinkommen nur in den sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen ausgefertigt wurde; das sind Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch und Arabisch.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist es bei der Rücksprache mit den anderen deutschsprachigen Ländern etwa dazu gekommen, dass mögliche Empfehlungen des Deutschen Behindertenrates nicht übernommen wurden? Haben die anderen deutschsprachigen Länder Einwände erhoben?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Im Verlauf eines Prozesses im Rahmen der Konferenz mit den Behindertenverbänden wurde seitens des Behindertenrates angeregt, das Wort „Inklusion“ für „inclusion“ zu wählen. In dem ganzen Prozess hat sich herausgestellt, dass man sich sowohl mit den anderen deutschsprachigen Ländern als auch mit den Bundesländern auf „integrativ“ verständigt hat, um zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Als ein Element hat auch die 1994 abgestimmte Salamanca-Erklärung dabei eine Rolle gespielt, die die Bereiche Bildung und Schule umfasst und in der auch immer wieder das Wort „integrativ“ verwendet wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Zusatzfrage?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nun besteht - das werden wir vermutlich auch bei der Beantwortung der nächsten Frage noch sehen - ein großer Unterschied zwischen „Integration“ und „Inklusion“. Das wissen Sie auch. Welche Möglichkeiten gibt es denn für die Bundesrepublik Deutschland, die ja ein souveräner Staat ist, abweichend eine Übersetzung nur für die Bundesrepublik Deutschland vorzulegen, in der jene für den Behindertenrat wichtigen Punkte berücksichtigt werden?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir wollen jetzt den Ratifizierungsprozess einleiten. Voraussetzung dafür ist diese gemeinsame Übersetzung, weil darin auch eine gemeinsame Sprache und Bewertung zum Ausdruck kommt. Im Verlauf des Ratifizierungsprozesses werden wir hier im Deutschen Bundestag darüber beraten, und auch im Bundesrat muss darüber gesprochen werden, um die Zustimmung der Länder zu bekommen. Von daher war es gut, schon in den Vorbereitungsprozess alle mit einzubeziehen und auch die Positionen der Länder zu hören. Auf dieser ganzen Strecke haben sich alle an den Entscheidungen Beteiligten auf das Wort „integrativ“ verständigt, weil sie glauben, damit den Komplex abgedeckt zu haben, den wir in der gesamten Behindertenpolitik diskutieren. Wir wollen, dass die Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben, dass sie in die Gesellschaft integriert und eben nicht ausgeschlossen sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit kommen wir zur Frage 26 des Kollegen Markus Kurth: Ist die Annahme richtig, dass bei der offiziellen Übersetzung der UN-Konvention die Begriffe „Inklusion“, „selbstbestimmt leben“ und „Barrierefreiheit“ nicht vorkommen, und wie geht die Bundesregierung mit dem Vorwurf um, diese Begriffe genau deshalb nicht aufgenommen zu haben, da ansonsten die Bundesländer mit Vorbehalten bei der Ratifizierung drohen würden?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die mit Österreich, der Schweiz und Liechtenstein abgestimmte Übersetzung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und des dazugehörigen Fakultativprotokolls wird die Grundlage für das Gesetzgebungsverfahren zur Ratifizierung des UN-Übereinkommens sein, das die Bundesregierung derzeit vorbereitet. In dieser Übersetzung haben die Begriffe „Inklusion“, „selbstbestimmt leben“ und „Barrierefreiheit“ wörtlich keinen Eingang gefunden. Die Übersetzung von „independent living“ lautet in der deutschsprachigen Übersetzung „unabhängige Lebensführung“. Die Formulierung „selbstbestimmt leben“ wurde auf der Fachkonferenz des Deutschen Instituts für Menschenrechte von keiner Seite vorgeschlagen. Sie war daher auch nicht Gegenstand einer ausdrücklichen Erörterung auf der Übersetzungskonferenz mit den anderen deutschsprachigen Staaten Anfang September 2007. Mit diesen Staaten hat sich die Bundesregierung auf die Begriffe „integrativ“ und „Integration“ sowie durchgehend auf „zugänglich“ und „Zugänglichkeit“ geeinigt. Damit konnte eine für die deutschsprachigen Staaten einheitliche Sprachfassung erreicht werden. Die Bundesländer und die Kultusministerkonferenz wurden im Übrigen wie die Verbände behinderter Menschen vor der Übersetzungskonferenz mit den deutschsprachigen Staaten an den fachlichen Überlegungen zur Übersetzung beteiligt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bei der Aushandlung dieser UN-Konvention in besonders starkem Maße eingebracht, namentlich auch der damalige Beauftragte der Bundesregierung für die Rechte der Menschen mit Behinderung, Karl Hermann Haack. Meines Wissens ist sehr viel Wert darauf gelegt worden, dass nicht der englische Begriff „integration“, also „Integration“, im Vertragstext stand, sondern der Begriff „inclusion“, den man ins Deutsche mit „Inklusion“ übersetzen kann und bei dessen Anwendung sich sehr weitreichende Mitbeteiligungsrechte - ich denke an den Bereich der Beschulung - ergeben würden. Wie gehen Sie jetzt damit um? Sehen Sie unterschiedliche Rechtsfolgen durch den Begriff „Integration“ statt „Inklusion“? Wird das etwa für die Bundesländer, was Beschulung anbelangt, dazu führen, dass im Prinzip alles beim Alten bleiben kann?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Kurth, wir gehen so damit um, dass wir auf der Basis eines zwischen allen deutschsprachigen Staaten abgestimmten Übersetzungstextes, bei dessen Erarbeitung die Bundesländer einbezogen gewesen sind, den Prozess der Ratifizierung einleiten. Das habe ich gerade erläutert. Ich habe auch gesagt, dass eine der Arbeitsbasen, die wir haben und bei der auch immer auf die Wörter „Integration“ und „integrativ“ verwiesen wird, die Salamanca-Erklärung von 1994 ist, die sich im Wesentlichen mit Fragen der integrativen Erziehung und der Beschulung befasst. Vor diesem Hintergrund besteht weiterhin das Postulat und auch die Erwartung bei den Ländern, eine integrative Beschulung vorzunehmen und keine Trennung zwischen den jungen Menschen mit Behinderung und den jungen Menschen ohne Behinderung zuzulassen, weil wir im Kern wollen, dass die jungen Menschen gemeinsam aufwachsen und nicht frühzeitig in der Gesellschaft ein Auseinanderdividieren stattfindet. Das ist unser Anspruch, und der lässt sich auch aus dem Wort „integrativ“ ableiten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch eine letzte Frage zu dem Begriff der Barrierefreiheit, den ich gerne näher erläutert sähe. Alle Fraktionen dieses Hauses haben sich in den vergangenen Jahren sehr stark darum bemüht, den Begriff „behindertengerecht“ durch „barrierefrei“ zu ersetzen bzw. das Substantiv „Barrierefreiheit“ zu benutzen, um deutlich zu machen, dass es hier nicht nur um die Gruppe der Menschen mit Behinderung geht, sondern um die Beseitigung von Hürden für alle Menschen, etwa auch für alte Personen. Warum ist jetzt der Begriff der Barrierefreiheit, den Sie noch in der Presseerklärung vom 30. März 2007 hervorgehoben haben, nicht in der deutschen Übersetzung der UN-Konvention?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Es ist so: Der Art. 9 des Übereinkommens trägt in der amtlichen englischen Fassung die Überschrift „Accessibility“. Festgelegt wird hier, welche Maßnahmen die Vertragsstaaten treffen sollen, um für Menschen mit Behinderung unter anderem den gleichberechtigten Zugang zu Transportmitteln, Gebäuden oder auch zu Kommuni14564 kationsmitteln zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat sich gemeinsam mit den deutschsprachigen Staaten Österreich, Schweiz und Liechtenstein auf die Übersetzung mit dem Begriff „Zugänglichkeit“ verständigt. Dieser Begriff wird auf internationaler Ebene regelmäßig verwendet und findet auch in den deutschen Unterlagen der Europäischen Union seine Verwendung. Wir glauben, dass zusammen mit den anderen deutschsprachigen Staaten der Zielperspektive, die wir dabei haben, mit dem Wort „Zugänglichkeit“ entsprochen wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Volker Schneider ({0}) werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zur Frage 29 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb: Wie kann es nach Ansicht der Bundesregierung einer Person mit einem Verdienst von 850 Euro brutto gelingen, im Alter zu einer Gesamtaltersversorgung zu kommen, die über dem Grundsicherungsniveau nach dem SGB XII von 681 Euro monatlich liegt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Antwort lautet wie folgt: Anders als in der Fragestellung angegeben, beträgt der durchschnittliche monatliche Bruttobedarf bei Grundsicherung im Alter für Personen ab 65 Jahre nach den zuletzt verfügbaren statistischen Daten nicht 681 Euro, sondern 627 Euro. Für alle Bezieher der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beträgt der durchschnittliche monatliche Bedarf sogar nur 614 Euro. Rechnerisch erreicht ein Versicherter mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 850 Euro nach 45 Beitragsjahren auf Basis heutiger Werte eine monatliche Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von knapp 410 Euro. Werden darüber hinaus Beiträge in einen Riester-Vertrag eingezahlt, ergibt sich nach 45 Jahren eine zusätzliche Riester-Rente in Höhe von 260 Euro. Insgesamt liegt das Alterseinkommen dann also bei rund 670 Euro. Berücksichtigt man die von der Rentnerin oder dem Rentner zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, beträgt das Nettoalterseinkommen gut 630 Euro und liegt damit über dem heutigen Grundsicherungsniveau.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich kann aber nicht nachvollziehen, wie man bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 850 Euro nach 45 Jahren auf eine Rente von 410 Euro kommen soll. 850 Euro entsprechen etwa einem Drittel des Durchschnittsverdienstes. Nach Adam Riese erreicht man dann nach 45 Jahren 15 Entgeltpunkte. Wenn man die 15 Entgeltpunkte mit 25 multipliziert - der entsprechende Wert beträgt nämlich jetzt knapp 25 Euro -, kommt man auf 375 Euro. ({0}) Würden Sie mir zumindest in diesem Punkt schon einmal recht geben wollen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich kann einen anderen Vergleich anstellen. Bei einem Bruttoeinkommen von 820 Euro im Monat ergibt sich eine Nettorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Größenordnung von 355 Euro. Wenn man zusätzlich einen Riester-Vertrag hat, erhält man - dabei gehe ich von 4 Prozent Verzinsung aus - eine RiesterRente von 250 Euro. Damit erreicht man ganz leicht 96 Prozent des von mir eben genannten Grundsicherungsbedarfs. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Würden Sie mir denn darin zustimmen, dass es doch eine Ungerechtigkeit darstellt, wenn jemand 45 Jahre lang riestern muss, um am Ende eine Leistung zu erhalten, die anderenfalls als Grundsicherung im Alter ohne jedes eigene Zutun gewährt wird?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Nein, ich glaube nicht, dass das eine Ungerechtigkeit ist. Das Prinzip in unserer Gesellschaft ist, aus eigener Kraft, mit eigener Leistung den Versuch zu unternehmen, in der Erwerbsphase ein gutes Einkommen zu erreichen. Wo das unter den Bedingungen, wie sie zurzeit gegeben sind, in Teilbereichen nicht möglich ist, versuchen wir - das habe ich schon vorhin bei der Beantwortung der dringlichen Fragen gesagt -, über die Regelungen des Entsendegesetzes und des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen dazu beizutragen, dass es zu Mindestlöhnen kommt. Ich glaube, dass die Menschen im Prinzip immer ein Interesse daran haben, einen guten Verdienst zu erzielen, auch die Möglichkeit zu haben, voll zu arbeiten. Von daher ist die Perspektive, 45 Jahre lang mit einem Einkommen von 850 Euro zu arbeiten, eine solche, von der ich glaube, dass sie in den meisten Fällen so nicht eintritt. Die Frage, die Sie zur Ungerechtigkeit gestellt haben, impliziert ein Stück weit die Frage der Anrechnung der Riester-Rente beim Grundsicherungsbedarf. Hier muss ich noch einmal auf das Prinzip der Nachrangigkeit hinweisen. Ich will das an einem Beispiel beschreiben, weil man versuchen muss, beim Prinzip der Gerechtigkeit Folgendes im Auge zu haben: Ich nehme ein einfaches Zahlenbeispiel. Bei einem Grundsicherungsbedarf von 600 Euro hätte jemand, der eine gesetzliche Rente von 500 Euro erhält, Anspruch auf Grundsicherung in Höhe von 100 Euro, um auf diese 600 Euro zu kommen. Bei einer anderen Person - Grundsicherungsbedarf wieder 600 Euro -, die eine relativ kleine gesetzliche Rente von 250 Euro bezieht und 250 Euro aus einem Riester-Vertrag erhält, ergäbe sich die Situation, dass natürlich die gesetzliche Rente von 250 Euro angerechnet wird. Um nun auf den Grundsicherungsbedarf von 600 Euro zu kommen, müssten 350 Euro Grundsicherung draufgelegt werden. Jetzt führen wir einmal einen politischen Dialog: Sie fordern nun eine Freistellung der Riester-Rente. Der Betreffende hätte nun 600 Euro, bekäme seine 250 Euro, die er aus der Riester-Rente hat, anrechnungsfrei dazu und hätte insgesamt 850 Euro. Ich glaube, das ist nicht zu vermitteln. Hier gilt, wie ich schon vorhin sagte, das Nachrangigkeitsprinzip: Hast du selbst etwas einzubringen, dann musst du es einbringen. - Stellt man die Riester-Rente nun anrechnungsfrei, tritt automatisch die Fragestellung auf, wie mit anderen erarbeiteten Rentenansprüchen, Erträgen aus Lebensversicherungen oder sonstigen Anlageformen verfahren werden soll.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat der Kollege Rohde.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, um den politischen Dialog fortzuführen: Es stand ja schon mehrmals die Thematik im Raum, dass dann, wenn es einen Freibetrag gibt, dieser für alle Sparformen und nicht nur für die Riester-Rente gelten muss. Die Riester-Rente muss allerdings als Flaggschiff herhalten, weil sie, wie von uns allen gemeinsam gewollt, sehr populär ist. In dem Fall eines Bruttoeinkommens von 850 Euro, den Sie beschrieben haben, müsste sich der Betreffende ja sehr staatsdienlich verhalten, wenn er sich die RiesterRente auszahlen ließe und damit eine geringere Grundsicherung in Anspruch nähme. Wenn er sich nun aufgrund der Tatsache, dass sein Nachbar, der die gleichen Voraussetzungen hatte, nicht gespart hat, entscheidet, seinen ganzen Riester-Vertrag aufzulösen, alle staatlichen Zuschüsse, die er bisher erhalten hat, zurückzuzahlen und nur das eingesetzte Kapital, das ja gesetzlich als Schonvermögen behandelt wird, zu behalten, dann vermeidet er die Anrechnung auf die Grundsicherung und der Staat muss mit höheren Grundsicherungszuschüssen für seinen laufenden Unterhalt im Alter aufkommen. Der Vorteil, den er sich durch seine eigene Entscheidung verschafft hat, entspricht dann dem Vermögen, das er im Riester-Vertrag angespart hat. Wir empfinden das natürlich als ungerecht; aber das ist legal. Möchte die Bundesregierung an diesem Umstand etwas ändern?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Man kann solche Berechnungen anstellen, aber man sollte bedenken, dass uns viele Menschen zuhören. Das Vermögen, das dort aufgebaut worden ist, ist auch dank immenser staatlicher Förderung aufgebaut worden. Die Förderquote liegt bei dem Beispiel, das ich in der Antwort genannt habe, bei 38 Prozent. Der Versicherte erhält eine Zulage von 154 Euro im Jahr, also knapp 13 Euro im Monat. Der Eigenbeitrag beläuft sich auf knapp 21 Euro im Monat, also nicht ganz zwei Drittel der Gesamtsumme. Ich denke - da wiederhole ich mich -, dass auf einen derartigen Fall perspektivisch im Verlauf des Erwerbslebens nicht hingearbeitet wird, sondern immer versucht wird, im Schnitt mehr Einkommen zu verdienen. Es ist auch, wie vorhin erläutert, das Grundprinzip des Sozialstaates gemäß § 2 Sozialgesetzbuch XII zu beachten, gemäß dem die solidarische Leistung aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nur dann eintritt, wenn keine eigenen Einkommen eingesetzt werden können. Deshalb muss man sich auch bei der Entscheidung über die Frage, ob man hier möglicherweise etwas freistellt, an diesem Prinzip orientieren. Wir sagen deshalb: Alles, was anrechenbar ist - dazu gehören in dem Fall auch Einkommen aus einem Riester-Vertrag und anderen Anlagearten sowie vorhandenes Vermögen -, wird entsprechend angerechnet, weil sonst alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einspringen müssten. Dies entspricht nicht dem Sozialstaatsprinzip der Nachrangigkeit, das sich im genannten § 2 findet.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage dazu hat der Kollege Kurth.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich teile Ihre grundsätzlichen Ausführungen zum Prinzip der Nachrangigkeit. Ihr Rechenbeispiel aber kann nicht überzeugen. Haben Sie bei dieser Berechnung überhaupt berücksichtigt, dass von dem Endbetrag auch noch Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung gezahlt werden müssen? Damit läge der Betrag ja noch einmal um 10 Prozent und in 30 Jahren vielleicht sogar um noch mehr als 10 Prozent niedriger.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Das ist insofern mitberücksichtigt, als man dann nicht bedürftig ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir bleiben bei der Thematik. Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb: Welche Aufwendungen zur privaten Vorsorge, etwa einer Riester-Rente, wären dafür erforderlich, und welchen Verzinsungssatz legt die Bundesregierung ihrer Berechnung zugrunde?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Bei einem monatlichen Bruttolohn von 850 Euro betragen die Beiträge zu einer Riester-Rente bei Inanspruchnahme der maximalen Förderung rund 34 Euro pro Monat; das sind 4 Prozent von 850 Euro. Zusammen mit der Grundzulage von 154 Euro pro Jahr - auf den Monat umgerechnet rund 13 Euro - verbleibt ein Eigenbetrag von nur 21 Euro im Monat, die der Arbeitnehmer tatsächlich aus seinem Lohn zu zahlen hat. Bei der Be14566 rechnung werden eine jährliche Verzinsung des eingezahlten Kapitals von 4 Prozent sowie Verwaltungskosten in Höhe von 10 Prozent unterstellt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir denn zustimmen, dass Ihr Berechnungsbeispiel, das Sie eben genannt haben, insofern hinkt, als der Geringverdiener keine 350 Euro Riester-Vorsorge aufbauen kann, weil die Förderung auf 4 Prozent des Bruttoverdienstes - Sie haben es gerade vorgetragen - begrenzt ist? Würden Sie mir also zustimmen, dass jemand, der 850 Euro brutto hat, nicht so viel Riester-Förderung erzielen kann, dass er tatsächlich am Ende über die Grundsicherung kommt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wie gesagt, er bekommt außerdem die Zulagen des Staates, und hinzu kommt die jährliche Verzinsung. Daraus ergibt sich bei diesem Rechenbeispiel das Ergebnis, das ich Ihnen genannt habe. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich die Frage 31 des Kollegen Jörg Rohde auf: Sieht die Bundesregierung für Personen mit 10 000 Euro Jahresverdienst nicht auch eine Gefahr, später Grundsicherungsbezieher zu werden, wenn sie zum Beispiel auch einmal Zeiten der Arbeitslosigkeit aufzuweisen haben?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Antwort lautet: Aus der momentanen Einkommenssituation einer erwerbstätigen Person lassen sich keine Rückschlüsse auf das Einkommen während der gesamten Erwerbsphase und damit auch nicht auf die Höhe der Alterseinkünfte ziehen. Die Ursachen für geringe Erwerbseinkommen sind vielfältig. Dazu zählen zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Kindererziehung oder Ausbildungszeiten. Diese Lebensphasen sind jedoch zeitlich begrenzt und können deshalb nicht für die gesamte Erwerbsphase unterstellt werden. Unstrittig ist jedoch, dass Altersarmut bereits in der Erwerbsphase bekämpft werden muss, da eine unzureichende Altersvorsorge im Alter nicht mehr ausgeglichen werden kann. Deshalb sind eine gute Beschäftigungssituation und ausreichende Entgelte Voraussetzung für die Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Altersvorsorge.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. - Ich fasse mich kurz, weil wir darüber schon einen umfassenden Dialog geführt haben. Aber Sie haben mir einige Fragen noch nicht oder nur sehr unzureichend beantwortet, sodass wir große Lücken in der Argumentation der Bundesregierung sehen. Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage zeigte auch, dass im Moment für 20 Prozent der Riester-Verträge ein Zuschuss gezahlt wird, für Personen, die weniger als 10 000 Euro Jahresverdienst haben. So wenig, wie Sie bezüglich der Erwerbsphasen annehmen können, dass ein Betroffener zum Beispiel nicht durchgehend arbeitet, so wenig können Sie voraussetzen, dass er durchgehend arbeitet, dass es keine Zeiten gibt, in denen er arbeitslos ist. Sie müssen beispielsweise auch den Umstand berücksichtigen, dass er aufgrund der gesetzlichen Vorgaben mit 63 Jahren vorzeitig in Rente geschickt werden kann, wodurch er große Abschläge in Kauf nehmen müsste, die eine Lücke hinterließen. Das heißt, Sie sollten zumindest sehen, dass hier eine sehr große Gruppe betroffen ist, um die wir uns kümmern müssen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Rohde, ich teile diese Einschätzung nicht. Sie gehen - ich wiederhole es - in Ihrer Fragestellung von 10 000 Euro Jahresverdienst aus. Ein Jahresverdienst von 10 200 Euro bedeutet im Schnitt 850 Euro im Monat. Damit sind wir wieder bei dem Beispiel, das ich genannt habe. Bezüglich der Phasen der Kindererziehung wissen Sie, dass wir insbesondere bei denjenigen, die Teilzeitarbeit leisten, eine erhebliche Höherbewertung des Einkommens unter Zugrundelegung des Durchschnittsentgeltes in Deutschland vornehmen. Sie wissen, dass pro Kind drei Entgeltpunkte hinzukommen. Phasen der Arbeitslosigkeit sind Phasen, durch die eine Erwerbsbiografie unterbrochen wird. Ich habe gesagt, wir arbeiten daran, diese Phasen möglichst kurz zu halten. Aus den Unterbrechungen kann aber nicht geschlossen werden - das ist in dem Prozess beschrieben -, dass am Ende des Arbeitslebens Grundsicherungsbedarf besteht. Da kommt es auf die gesamten Einkommensverhältnisse an, auf die Lebensverhältnisse, auf die Bedarfsgemeinschaft. Das alles spielt dabei eine Rolle. Von daher habe ich diese negative Perspektive, die in Ihrer Frage impliziert ist, nicht.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Möchten Sie eine weitere Zusatzfrage stellen? ({0}) Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Energie- und Klimapaket der EU-Kommission Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Marco Bülow das Wort für die SPDFraktion.

Marco Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003512, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist eines der erfolgreichsten Gesetze, das zur Förderung von erneuerbaren Energien und zur Bekämpfung des Klimawandels verabschiedet worden ist. Es ist wichtig, immer wieder auf die Rahmendaten hinzuweisen, die durch dieses Gesetz beeinflusst werden. Wir haben in Deutschland über 235 000 Arbeitsplätze in dem Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen. In diesem Bereich wurde im letzten Jahr in Deutschland 110 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung liegt mittlerweile bei über 14 Prozent und der Anteil am Gesamtenergieverbrauch bei ungefähr 9 Prozent. Wir haben in diesem Bereich die Technologieführerschaft übernommen und exportieren diese Technologien in viele Länder dieser Welt. Es gibt immer mehr Befürworter der erneuerbaren Energien, die dieses Instrument nach dem Vorbild Deutschland ausrichten. 40 Länder haben sich uns bereits angeschlossen. Erst vor kurzem hat Hillary Clinton lobend erwähnt, wie vorbildlich das deutsche System sei und dass auch sie nach einem gewonnenen Wahlkampf es einführen werde. Ähnlich äußern sich weitere führende Politiker in den USA. In Europa haben sich Gott sei Dank diejenigen durchgesetzt, die der Meinung sind, dass es in den Nationalstaaten möglich sein muss, erfolgreiche Einspeisesysteme beizubehalten. Das bestätigt, was in den Berichten der Europäischen Kommission immer wieder stand, nämlich, dass das Einspeisegesetz das beste, das wirtschaftlichste und das effizienteste ist. Ich denke, genau das ist der richtige Weg. Wir können aufatmen, dass die Entscheidung in Europa entsprechend getroffen wurde. ({0}) Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich bei der Bundesregierung und bei dem Minister, diesen Druck mit ausgeübt zu haben. Ich will deutlich machen, warum es nicht nur für die deutsche Wirtschaft, sondern insgesamt gesehen wichtig ist, dass das System der erneuerbaren Energien nicht nur weiterhin eine Chance hat, sondern die führende Rolle spielen muss. Manche Länder sind Gott sei Dank auf unser erfolgreiches System umgeschwenkt. Aber es gibt immer noch Länder wie Großbritannien und Italien, die das Mengensystem haben. Leider ist auch die FDP immer noch Anhänger dieses Systems. Es wird gesagt, es sei sehr viel ökonomischer und wirtschaftlicher. Schauen wir uns doch einmal die Preise an. In Großbritannien kostet eine Megawattstunde Stromenergie aus Windkraft 120 Euro. In Italien sind es 162 Euro. In Deutschland kommen wir mit unserem Einspeisesystem auf einen Preis von 75 Euro. In Irland, wo es noch mehr Wind gibt, liegt man schon bei 58 Euro. Allein dieser Vergleich zeigt: Unser System ist das effizienteste und das kostensparendste. Deswegen werden wir daran festhalten. ({1}) Dieses System hat dazu geführt, dass die erneuerbaren Energien in Deutschland kontinuierlich ausgebaut wurden. Die entsprechenden Anteile habe ich gerade genannt. In Großbritannien dümpelt man weiterhin bei einem Anteil von 1,5 Prozent für die erneuerbaren Energien herum - und das seit Jahren. Diejenigen, die an dem alten System in Großbritannien festhalten, werden irgendwann sagen: Wir haben es versucht, aber wir können die erneuerbaren Energien nicht ausbauen; deswegen müssen wir vielleicht auf Atomkraft setzen. - Genau das wollen wir nicht. Wir brauchen die erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Dann haben wir die große Chance, die Atomenergie loszuwerden und die Lücke zu kompensieren. Auch deshalb, aber nicht nur deshalb müssen wir an unserem System festhalten. Wir brauchen weiterhin das EEG. Es garantiert Versorgungssicherheit, weil die heimischen Energiequellen Sonne, Wind usw. immer und überall zur Verfügung stehen, nicht nur in Deutschland. Das Gesetz garantiert, dass dieser Bereich immer effizienter und die so gewonnene Energie immer günstiger wird. Ich glaube, wir haben das richtige Instrument. Die Maßnahmen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, über die wir in den nächsten Monaten im parlamentarischen Verfahren zu diskutieren haben, komplettieren diesen Ansatz. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich dafür einsetzen, dass die Beschlüsse der Regierung umgesetzt werden, damit es zu einer Verbesserung kommt, damit wir unsere Klimaschutzziele, die jetzt auch von der Europäischen Union vorgegeben werden, nicht nur erfüllen, sondern übertreffen können. Wir wollen Vorbild sein und Europa mitziehen. Wir hoffen, dass Europa insgesamt - das ist sehr wichtig - eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 30 Prozent erreicht. Ich glaube, das ist der richtige Weg, weil wir so in der Lage sind, die anderen in der Welt mitzuziehen. So machen wir deutlich, dass man durch die Nutzung erneuerbarer Energien effizienter sein kann, wirtschaftlichen Gewinn erzielen und Klimaschutz realisieren kann. In diesem Sinne: Vielen Dank. ({2})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Michael Kauch für die FDP-Fraktion.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP unterstützt die Zielsetzungen des Europäischen Rates vom März 2007, nach denen bis zum Jahr 2020 mindestens 20 Prozent Treibhausgase eingespart werden sollen und der Anteil erneuerbarer Energien um 20 Prozent gesteigert werden soll. Diese Zielsetzungen des Rates werden nun von der EU umgesetzt. Das ist wichtig für den Klimaschutz. Es kommt aber darauf an, auf welche Art und Weise die richtigen Klimaschutzziele verfolgt werden, wie das Gesetzespaket der EU-Kommission umgesetzt wird. Die Kommission hat aus unserer Sicht nicht ausreichend bedacht, dass sie damit über den Wettbewerb auf den Märkten, über die Arbeitsplätze in unserer Industrie und vor allem über die Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher entscheidet. Deshalb fordern wir als Liberale eine Überarbeitung dieses Gesetzespaketes. Das ist in den nächsten Monaten Aufgabe der Bundesregierung. ({0}) Deutschland wird beim Emissionshandel benachteiligt. Es ist völlig unklar, warum das boomende Spanien einen Sonderzuschlag an Emissionsrechten braucht. Das ist eine Umverteilung zulasten Deutschlands. Das ist eine Umverteilung, die die Bundesregierung so nicht akzeptieren kann. Völlig inakzeptabel ist zudem, dass die EU Vorgaben für die Verwendung der Versteigerungserlöse machen will. Die FDP setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher vom Emissionshandel profitieren. Wenn wir die Emissionsrechte im Stromsektor vollständig versteigern, dann muss das Geld an die Verbraucher zurückgegeben werden, dann muss die Stromsteuer gesenkt werden. Das würde den Emissionshandel tatsächlich verbraucherfreundlich machen. Das ist genau der Punkt, den der Umweltminister in der vergangenen Woche erkannt hat. Darum hat er Sozialtarife für den Bezug von Strom gefordert und gesagt, es dürfe keine Energiearmut geben. Es war aber der deutsche Staat, der in Form von Steuern eine Last von 40 Prozent auf die Stromtarife draufgesattelt hat. Diese Bundesregierung hat das zu verantworten. Die Stromkonzerne sind dafür nicht allein verantwortlich. ({1}) Solange wir kein Kioto-Nachfolgeabkommen haben, darf die deutsche Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren. Ob die geplante kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten an energieintensive Branchen der Weisheit letzter Schluss ist, muss bezweifelt werden. Es wäre möglich, sie in die Versteigerung einzubeziehen, indem man das mit einem sinnvollen System, das die Rückerstattung an die betroffenen Branchen regelt, verbindet. Geradezu schädlich für das Exportland Deutschland sind die Überlegungen, die Herr Barroso heute in Brüssel verkündet hat. Er überlegt, auf Importe aus Staaten, die das Kioto-Protokoll nicht unterzeichnet haben, Zölle zu erheben. Meine Damen und Herren, Sie glauben doch nicht wirklich, dass das ohne Reaktion bleiben wird. Diese Vorschläge von Herrn Barroso sind ein Anschlag auf den Freihandel und gefährden die Exportwirtschaft in Deutschland und damit Arbeitsplätze in unserem Land. ({2}) Wir müssen noch einmal die Frage aufwerfen, ob es richtig ist, dass wir neben der Quote von 20 Prozent für erneuerbare Energien eine Sonderquote von 10 Prozent für Biokraftstoffe anstreben. Wenn wegen der vermeintlich guten Biokraftstoffpolitik in Europa die Regenwälder in Asien und Afrika abgeholzt werden, dann haben wir dem Klimaschutz und der Artenvielfalt einen Bärendienst erwiesen. Die Nachhaltigkeitskriterien, die heute von der EUKommission vorgeschlagen wurden, drohen ein Papiertiger zu werden. Deshalb appelliere ich ganz eindeutig an die Koalition: Zunächst einmal müssen Zertifizierungssysteme nachgewiesen werden. Dann können wir die Ziele für die Biokraftstoffe erhöhen. Wir dürfen nicht erst die Ziele erhöhen und die Regenwälder abholzen lassen und anschließend die Nachhaltigkeitskriterien umsetzen. Deutsche Sonderwege bei den erneuerbaren Energien machen keinen Sinn. Die FDP setzt sich dafür ein, dass Deutschland beim europäischen Handel für erneuerbare Energien mitmacht. Wir glauben, dass dies langfristig der günstigere Weg ist. Herr Bülow hat die Windenergiepreise angesprochen. Aber was ist denn mit den anderen Stromarten, die Sie hier beim Kostenvergleich nicht genannt haben? Ich finde ich es besonders skandalös - Frau Dött wird ja gleich reden und hat sich heute schon in einer Presseerklärung geäußert -, dass die CDU/CSU, die in der Opposition das EEG massiv kritisiert hat, es jetzt mit aller Kraft und um jeden Preis verteidigen will. ({3}) Ich finde es unglaublich, wie Sie die Linie verlassen, die Sie einmal ordnungspolitisch für richtig gehalten haben. ({4}) Wir Liberale werden Kurs halten. Kurs halten sollten wir auch in der generellen Frage der Energiepolitik. Herr Clement hat zu Recht gesagt, dass das, was Herr Scheer und Frau Ypsilanti in Hessen planen, eine Geisterfahrt für den Industriestandort Deutschland ist. Ich frage Herrn Gabriel, der hier die Linke dafür angreift, dass sie im Bundestag die Kohlekraftwerke ablehnt und in Sachsen-Anhalt befürwortet: Wann stoppen Sie endlich die Politik von Frau Ypsilanti, die Ihrer Politik bezüglich Kohlekraftwerken in Deutschland völlig widerspricht? Vielen Dank. ({5})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin Marie-Luise Dött.

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem jetzt von der EU-Kommission vorgelegten Energie- und Klimapaket sollen die im März 2007 von den Staats- und Regierungschefs der EU verabschiedeten Ziele zur europäischen Klimapolitik umgesetzt werden. Das ist wichtig, um nach den ambitionierten Verhandlungen der Europäischen Union auf Bali international Motor der Klimapolitik zu bleiben. Wichtige und richtige Ansätze einer europäischen Klimapolitik sind nun von der KomMarie-Luise Dött mission eingeleitet worden. Konkret sind das die Aufteilung der Minderungsziele auf die Mitgliedstaaten, die Regelungen zum Emissionshandel nach 2012, der Ausbau der erneuerbaren Energien durch Handel mit Zertifikaten sowie die Einführung von verbindlichen Regelungen zum Ausfiltern und Einlagern von CO2. Es ist heute noch zu früh, eine umfassende Aussage zur Qualität des Gesamtpakets zu machen. Gleichwohl zeigt bereits ein erster Blick auf die Vorschläge, dass weitere Diskussionen und wohl auch Überarbeitungen notwendig sind. So muss man noch einmal die Festlegung des Basisjahres 2005 für die Emissionsminderungen hinterfragen. Mitgliedstaaten, die bis 2005 kaum Anstrengungen unternommen haben und von ihren eigenen Klimazielen noch weit entfernt sind, würden dadurch bevorteilt. Länder, die bereits vor 2005 erhebliche Minderungen erreicht haben - dazu gehört Deutschland -, würden dagegen benachteiligt. Auch über die Aufteilung der Minderungsvorgaben auf die Mitgliedstaaten muss noch einmal diskutiert werden. Die derzeit augenscheinliche Sonderbehandlung, zum Beispiel von Portugal, Griechenland und Spanien, muss gerade unter dem Aspekt einer fairen Lastenteilung geprüft werden. Wir brauchen bei der Versteigerung der Emissionszertifikate Lösungen, die technologische Bedingungen und die internationale Wettbewerbssituation gerade energieintensiver Branchen berücksichtigen. Klimaschutz darf nicht zur Abwanderung von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Drittländer führen. ({0}) Die Einbeziehung der Aluminiumindustrie und von Teilen der chemischen Industrie in die Versteigerung ist ein industriepolitischer Eingriff, den wir so nicht mittragen werden. Es ist auch nicht sinnvoll, funktionierende Instrumente der Klimapolitik durch neue, gegebenenfalls sogar teurere Instrument zu ersetzen. Ein Beispiel - hören Sie jetzt genau zu, Herr Kauch - ist der Handel mit Zertifikaten für die erneuerbaren Energien. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz jetzt gegen einen europäischen Zertifikatehandel auszutauschen, der voraussichtlich teurer wird und anderen Staaten die Möglichkeit gibt, sich von den eigenen Verpflichtungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien auf Kosten der Erreichung unserer nationalen Ausbauziele freizukaufen - die Betonung liegt auf nationalen Zielen, nicht auf Branchenzielen -, kann nicht der richtige Weg sein. ({1}) Nationale Ziele müssen national kontrollierbar und beeinflussbar bleiben. Nachweisbar funktionierende nationale Instrumente müssen auch künftig genutzt werden dürfen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Kommission nun anerkennt, dass eine Harmonisierung der Instrumente verfrüht ist. So wie wir in Deutschland daran arbeiten, die Energie- und Klimapolitik im Zieldreieck von Ökonomie, sozialer Verantwortung und Klimapolitik zu justieren, so erwarten wir das auch bei den Vorschlägen aus Brüssel. Eine Industriepolitik im grünen Mantel zulasten des Standorts Deutschland ist mit uns nicht machbar: nicht beim Automobilbau und schon gar nicht in der Energiepolitik. ({2}) Eine ambitionierte Klimapolitik in Europa werden wir dagegen uneingeschränkt unterstützen. Hier werden wir unsere Erfahrungen als europäischer und globaler Vorreiter beim Klimaschutz und beim Ausbau der erneuerbaren Energien einbringen. Vielen Dank. ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Eva BullingSchröter für die Fraktion Die Linke. ({0})

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn jetzt nichts passiert, wird der Ausstoß von Treibhausgasen EU-weit bis 2020 höchstens um lächerliche 6 Prozent sinken. Das ist quasi ein Beitrag zur Erderwärmung, nicht zum Klimaschutz. Jetzt ist die Frage: Kann uns das vorgelegte Paket weiterhelfen? Wir, die Linke, haben da Zweifel. Das Klimapaket wurde zwar gelobt. Wir aber meinen, sein Kardinalfehler ist das niedrige Klimaschutzziel bis 2020. Darum dreht sich letztendlich alles. Der Ausstoß der Emissionen soll lediglich um 20 Prozent gegenüber dem Ausstoß von 1990 reduziert werden. Notwendig ist aber seitens der EU eine Minderung um wenigstens 30 Prozent. Ansonsten können wir das 2-Grad-Ziel vergessen; das wissen wir alle. Langsam wird deutlich, dass die 30-Prozent-Marke, die die Bundeskanzlerin im letzten Sommer mit dem EURatsbeschluss präsentierte, nie ernst gemeint war. Wir meinen, dies ist eine Mogelpackung. Die Kommission hat sich gar nicht erst die Mühe gemacht, ein 30-ProzentSzenario aufzunehmen. Deshalb werden auch die Latten für den Emissionshandel ab 2012 sowie für die Nichtemissionshandelsbereiche, wie Verkehr und die Haushalte, zu niedrig gehängt. Gut ist, dass die Kommission nun die Emissionsrechte für die Stromwirtschaft ab 2013 vollständig versteigern will. Doch was passiert bis dahin? Sollen tatsächlich so lange alle Stromkonzerne davon profitieren, dass der Staat ihnen die wertvollen Rechte geschenkt hat? Wir fordern nach wie vor - das müssen Sie sich immer wieder anhören - eine Abschöpfungsteuer für die Sondergewinne, die aus der Einpreisung der Zertifikatsmarktpreise in den Strompreis herrühren. ({0}) - Warum regen sich die Herren von der CDU/CSU so auf? ({1}) Die Windfall-Profits sind der Grund, warum wir nicht wollen, dass die Zertifikate ab 2013 an die Industrie weiterverschenkt werden. Zum Thema Wettbewerb. Wenn der von der Kommission vorgeschlagene „Klimagaszoll“ kommt, können damit europäische Firmen vor Ökodumping geschützt werden, etwa vor US-Produkten, falls Washington weiter querschießt. Ich halte das für sinnvoll. Zu erwarten war, dass der deutsche EU-Kommissar und Sozialdemokrat Günter Verheugen wieder einmal den Cheflobbyisten für die Chemie-, Stahl- oder Aluminiumindustrie gibt. Im Klimapaket sieht er „wirtschaftlichen Selbstmord“; das lief heute über den Ticker. Ich meine, wir sollten da aufpassen, und Sie sollten aufpassen, was Sie den Beschäftigten hier erklären. Ich denke, eine solche Politik ist sehr gefährlich. ({2}) Dass aber Umweltminister Gabriel kürzlich in Bezug auf die CO2-Vorgaben der Kommission im Fahrzeugbereich einen Wettbewerbskrieg gegen die deutschen Autohersteller ausmacht, halte ich für starken Tobak. Anstatt Angst vor höheren Belastungen der Wirtschaft durch den Klimaschutz zu haben, sollte die SPD besser den großen Versorgern auf die Finger klopfen. ({3}) So fordert ja selbst der Chef der Monopolkommission, ausschließlich den Konkurrenten von RWE, Eon, EnBW und Vattenfall Genehmigungen für neue Kraftwerksbauten zu erteilen. Wettbewerb belebt halt die Preisfindung. Wenn dann noch die Netze in öffentliche Hand kommen, dürfte sich das auch für die Endverbraucher lohnen. ({4}) Deutschland soll nun den Anteil erneuerbarer Energie am Primärenergieverbrauch bis 2020 auf 18 Prozent steigern. Wir denken, auch dies ist nicht ambitioniert genug. Wir meinen, 30 Prozent sind möglich und mit Blick auf die Erderwärmung auch erforderlich. ({5}) Zu den Agrokraftstoffen. Die angestrebte EU-Quote von 10 Prozent ist viel zu hoch und niemals durch EUinternen Anbau zu erfüllen. Sie muss auf ein realistisches Maß gesenkt und auf alle Energien vom Acker ausgeweitet werden. Gleiches gilt für das völlig unrealistische Deutschlandziel der Bundesregierung von sogar 20 Prozent. Richtschnur muss sein, sämtliche Agroenergien durch nachhaltigen Anbau auf EU-Flächen zu erzeugen. Wir kennen die Zahlen, und wir wissen, was hier passiert. Schon jetzt werden für Agrosprit Urwälder gerodet und Kleinbauern in Brasilien oder Indonesien vertrieben. Immer mehr Menschen in diesem Land befassen sich mit diesen Themen. Sie sollten dem endlich Rechnung tragen. ({6}) Zum Schluss, Herr Gabriel: Wenn Sie ernst gemeint haben, was Sie in Bali gesagt haben, dann sorgen Sie bitte dafür, dass die Richtlinien in einigen Punkten nachgebessert werden. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat der Kollege Steffen Reiche für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Steffen Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung der Kommission ist historisch; sie schreibt Geschichte. Der größte Wirtschaftsraum der Erde macht ein einseitiges Angebot und ist bereit, es zu erhöhen, wenn es ein internationales Abkommen gibt, also ein Nach-Kioto-Abkommen beschlossen wird. Bisher waren die beiden Hauptziele der EU: Frieden erhalten, Globalisierung gestalten. Jetzt kommt ein drittes hinzu: den Klimawandel stoppen. Die EU zeigt: Wirtschaftliches Wachstum und umwelt- und klimabewusstes Produzieren sind kein Widerspruch. Das ist ein langfristig gutes Investment; denn 3 Euro pro Woche und Bürger für das Handeln zu zahlen, ist besser, als 30 Euro für das Nichthandeln zu zahlen. ({0}) Klimapolitische Schwarzfahrer müssen mehr bezahlen. Ich vertrete den Wahlkreis, der von dieser Entscheidung vermutlich am stärksten betroffen ist: die Niederlausitz. Dort sind knapp 5 000 Megawatt Leistung auf Braunkohlebasis installiert. Bisher haben wir knapp 50 Millionen Euro Mehrkosten; demnächst werden es 500 Millionen Euro Mehrkosten für den Zertifikatserwerb sein. Mit dieser Entscheidung wird es weitere Steigerungen geben. Trotzdem trage ich dieses Paket mit. Wir produzieren fünfmal mehr Strom, als wir in Brandenburg verbrauchen. In fünf Monaten werden wir das erste CO2arme Kraftwerk - mit einer Leistung von 30 Megawatt ans Netz gehen lassen. Ich habe vier Kritikpunkte. Erstens. Die Verlegung der Berechnungsbasis auf das Jahr 2005 ist zu überdenken. Wer sich früh bewegt, darf dafür nicht bestraft werden. Early Action muss sich lohnen. ({1}) Die Verlagerung der Berechnungsbasis trifft kein Land so hart wie Deutschland. Das Basisjahr des Kioto-Protokolls, also 1990, sollte als Bezugsjahr beibehalten werden. Steffen Reiche ({2}) Zweitens. Wichtige Bereiche wie die Stahl-, die Zement- und die Chemieindustrie auszuklammern, ist nur eine Übergangsregelung. Was wir brauchen, ist eine Border-Tax, einen Zoll für alle, die sich am Nach-KiotoProzess nicht beteiligen; ({3}) denn sonst kommt es zu einer klaren Wettbewerbsverzerrung. Hier brauchen wir eine Richtlinienfolgenabschätzung. ({4}) Die EU muss im Rahmen der Doha-Runde über die Einführung von Border-Taxes diskutieren. Sie sollten ab dem Jahre 2013 eingeführt werden. Dann könnten auch Industriebereiche wie die Stahl- und Zementproduktion berücksichtigt werden. Drittens. Nur 25 Prozent der Zertifikate im Rahmen von Joint-Implementation- und CDM-Projekten zuzulassen, ist ein Fehler. ({5}) Die Auslastung der CDM-Projekte beträgt schon jetzt 20 Prozent, und das bei Zertifikatekosten von nur 20 Cent. Die Kosten für die Zertifikate haben sich aber auf 25 Euro verhundertfacht. JI und CDM sind die klügsten Antworten auf ein globales Problem. Sie sind Teil eines globalen Marshallplans. Mit optimalen Kosten erreichen wir den maximalen Nutzen. ({6}) Die CDM-Zertifikate sind preiswerter als die auktionierten Zertifikate und haben einen nachhaltigeren globalen Nutzen. Der europäische Innovationsdruck bleibt auch bei einem Anteil der CDM-Zertifikate in Höhe von 50 Prozent erhalten. Ich bitte deshalb zu prüfen, ob in der Richtlinie der EU-Kommission nicht zumindest die Möglichkeit eröffnet werden sollte, den Anteil der CDM-Zertifikate gemeinsam mit dem Rat auf bis zu 50 Prozent zu erhöhen. Im Jahre 2013, also in fünf Jahren, könnten wir dieses Sicherheitsventil auf diesem unter hohem Druck stehenden Kessel dringend brauchen. Mein vierter Kritikpunkt. Wer erneuerbare Energien will, braucht effiziente Speicher, auch Pumpspeicherkraftwerke. Die Regulierungsbehörde hat, wie ich denke, eine Fehlentscheidung getroffen, durch die der Neubau dieser Kraftwerke und die Nutzung dieser vorhandenen Technik zur Speicherung von Windenergie massiv behindert werden. Die Braunkohle ist und bleibt der wichtigste heimische Energieträger. Sie braucht nicht nur im Hinblick auf die Sicherung der Arbeitsplätze, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit eine mittel- und langfristige Perspektive. ({7}) Die beim Zertifikatehandel anfallenden Gewinne müssen deshalb auch in den Aufbau neuer CO2-freier bzw. -armer Kraftwerke investiert werden. ({8}) Das Innovationslabor Deutschland kann nur bestehen, wenn wir wirtschaftlich stark bleiben; hier hat Günter Verheugen recht. Insofern besteht bei dieser Richtlinie Gesprächs- und Änderungsbedarf. Vielen Dank. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Renate Künast das Wort.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An dieser Debatte wundert mich, wie sehr sich manche Leute in die einzelnen Details „hineinfräsen“. ({0}) - Das habe ich schon lange vor Ihnen gemacht. Sie brauchen mich also nicht darauf hinzuweisen, dass ich mich mit Details beschäftigen muss. ({1}) Auch wenn Sie hier gerade, schick drapiert, über den Klimaschutz geredet haben, muss man feststellen: Die CDU/CSU hat beim Klimaschutz keine Kompetenz. Das hat man auch an Ihrer Rede gemerkt. ({2}) Andere halten das große Ganze für richtig. Am Ende wird aber immer die Ideologie der Ausnahmen und Tricksereien propagiert. Ich glaube, man kann zum Vorschlag der Kommission nur sagen: Er geht zwar in die richtige Richtung, entspricht aber nicht dem 40-ProzentZiel, von dem die Bundesregierung immer geredet hat. ({3}) Außerdem kann durch Umsetzung dieser Richtlinie nicht gewährleistet werden, dass die Erwärmung, die stattfindet, nur 2 Grad betragen wird. Es gibt keinen Anlass, das in den Himmel zu loben. Vielmehr muss man dazu, wie sich die Vertreter der Bundesregierung in den letzten Wochen in Brüssel verhalten haben, feststellen: Diese Regierung predigt Klimaschutz, aber an allen Ecken und Kanten bremst sie und sorgt für Ausnahmeregelungen. ({4}) Auf Bali haben Sie gefordert, dass die Industriestaaten ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 30 Prozent reduzieren. Jetzt - auch eine Vorlage dieser Bundesregierung ist allenfalls noch von 20 Prozent die Rede. Da kann ich nur sagen: Bei dieser Bundesregierung weiß man nicht, welche Rolle sie einnehmen will. Auf der internationalen Bühne spielen Sie den Retter des Weltklimas, während Sie in Brüssel, hinter verschlossenen Türen, eine Lobbymarionette sind, die für Ausnahmen kämpft. ({5}) Wir haben das beim Thema Auto gesehen. Sie haben davon gesprochen, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission „eine Kriegserklärung an uns“ seien. Jetzt kann man schon mit Abgasgrenzwerten jemandem den Krieg erklären. Ich finde, das ist ein bisschen dick aufgetragen. Auch in der Frage, ob man Netze und Stromproduktion trennen soll, kämpfen Sie gegen die Europäische Kommission, obwohl gerade hier Wettbewerb hilfreich wäre, um niedrigere Preise für die Verbraucher durchzusetzen. Beim Klimaschutz in der Landwirtschaft stehen Sie ebenfalls auf der Bremse. ({6}) Einer der spannendsten Punkte und der am meisten zu kritisierende Punkt in dieser Vorlage der Kommission ist eine Sache, für die sich Herr Gabriel rühmt, und zwar sind das die Ausnahmen für die energieintensive Industrie. Wer bei der Versteigerung der Zertifikate die energieintensive Industrie schützt, wer nicht einmal einen Prozentsatz festsetzt, damit der Zwang entsteht, effizienter zu werden, wer einfach davon ausgeht, dass sich diese Industrie schon modernisieren wird, der ist nicht der Retter des Weltklimas, sondern jemand, der Politik im Sinne der Lobby der alten Industriezweige macht. Industriepolitisch ist das ein Fehler. ({7}) Herr Gabriel redet immer von der dritten industriellen Revolution. Dann muss man aber auch an alle ran. Dann geht es nicht nur um die Stromerzeugung, dann geht es auch um Stahl, Chemie und Aluminium. Dann muss man ohne Wenn und Aber den Menschen Rückendeckung geben - für ihr Portemonnaie und für die Zukunft der Arbeitsplätze. Wir alle wissen doch, dass Energie in Zukunft teurer werden wird. Da können Sie von der FDP nicht weiter zwischen Export und Import unterscheiden und sich das jeweils Schönere heraussuchen. Man kann im Denken nicht bei den Vorschlägen und Beschlüssen der Regierungskonferenz vom März 2007 bleiben, man muss davon ausgehen, dass Energie endlich ist und immer teurer wird. ({8}) - Ohne Wenn und Aber. Deshalb müssen wir vom fossilen ins solare Zeitalter eintreten, wir müssen viel effizienter werden. ({9}) Wir haben andere wirtschaftliche Interessen als die, die jetzt in den Vorstandsetagen sitzen. Wir müssen die Machtfrage stellen. Wir dürfen nicht immer und immer wieder vor den Lobbyisten in die Knie gehen. Wir müssen das Land modernisieren und dürfen keine Rücksicht darauf nehmen, wenn wieder einmal ein Industriezweig Druck macht. Wir müssen anders wohnen, anders produzieren, anders transportieren. Das ist eine klare Absage an die Atomkraft. ({10}) Auch wenn die CDU/CSU und Teile der SPD im Europäischen Parlament das anders sehen: Solche Schrottmeiler wie Biblis und Brunsbüttel müssen endlich vom Netz. Sie schützen weder das Klima, noch bringen sie niedrige Energiepreise. ({11}) - Das rufen die Ideologen immer dazwischen. Wir wollen auch keine neuen Kohlekraftwerke. Wenn, wie vorgeschlagen, die Emissionszertifikate zu 100 Prozent versteigert werden, wenn der Handel durchgesetzt wird, gibt es nämlich nicht nur den guten Klimagrund, keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen, sondern auch einen finanziellen Grund: Kohlekraftwerke werden sich dann definitiv nicht mehr rechnen. ({12}) Es ist eine Fehlinvestition, wenn in Kohlekraftwerke investiert wird, weil der Ausstoß von CO2 viel Geld kosten wird. Die Kohlekraftwerke werden Milliardengräber. Wir müssen stattdessen in Wind-, Sonnen- und Wasserkraft sowie in Effizienz investieren. All dies fehlt hier.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. Die Bundesregierung muss die Kommission dazu bewegen, sich ein Reduktionsziel von 40 Prozent zu setzen. Die Bundesregierung muss damit aufhören, Lobbyismus zu betreiben und Ausnahmen zu fordern, damit es keine Fehlinvestitionen gibt. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich möchte Vorschläge von Ihnen sehen statt Lobbypolitik in Brüssel. Denn dieser Vorschlag der Kommission wird definitiv nicht ausreichen. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Klimaschutz ist natürlich ein europäisches Thema par excellence. Es geht um die Erfolge, die man nur auf europäischer Ebene erreichen kann, aber es geht auch darum, dass wir einen hohen Harmonisierungsbedarf haben, weil das natürlich auch Einflüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit hat, Frau Künast. ({0}) Damit bin ich bei dem Punkt, den Sie angesprochen haben. Im Vorfeld dessen, was uns heute vorgestellt worden ist, haben wir intensive Diskussionen erlebt, die für die Politik der Europäischen Union exemplarisch sind. Manche fahren nämlich nach Brüssel, um dort vorrangig nationale Interessen zu vertreten. Wir müssen dagegenhalten. Das hat diese Bundesregierung auch ganz entschieden und richtig getan. Insbesondere geht es dabei um die deutsche Automobilindustrie. Sie können jetzt sagen, dass das Lobbybzw. Interessenpolitik ist. Ich sage Ihnen aber eines: Nur dann, wenn es uns gelingt, auf der einen Seite das Klima zu schützen und auf der anderen Seite wirtschaftlich voranzukommen und Wachstum zu sichern, wird das, was wir politisch tun, von den Bürgerinnen und Bürgern dauerhaft akzeptiert werden. Wir brauchen für unsere Politik doch die Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen sie doch mitnehmen. ({1}) Es ist nun einmal Fakt, dass es in Deutschland Premiumautomobilhersteller gibt, die mit dem, was man uns vorgeben will, Probleme haben. Es ist entscheidend, dass man diese besondere Ausgangslage berücksichtigt. Herr Gabriel, an dieser Stelle müssen wir auf der europäischen Bühne auch politisch weiterarbeiten. ({2}) Allerdings haben wir auch erlebt, dass es an dieser Stelle seitens der EU-Kommission Versuche gibt - das ist exemplarisch für die europäische Politik -, Umsetzungskompetenzen an sich zu ziehen. So weit darf es nicht gehen. Dass wir die Ziele auf der europäischen Ebene miteinander vereinbaren, ist richtig, dass man aber, wie bei diesem unsäglich diskutierten Zertifikatehandel, so weit gehen will, den Nationalstaaten vorzuschreiben, wie das umgesetzt werden muss, ist falsch. Wir brauchen doch den Wettbewerb der Systeme. Deshalb müssen wir ganz deutlich machen, dass wir am Erfolgsmodell EEG festhalten wollen. Alles andere wäre ein falscher Weg. ({3}) Ich sage auch, dass die EU an dieser Stelle Kompetenzen an sich ziehen will, die sie überhaupt nicht braucht. Ich spreche die Charta der Rechte der Energieverbraucher an. Ich weiß, dass es den einen oder anderen im Haus gibt, der sagt: Ein Sozialtarif wäre doch prima; wenn er auf europäischer Ebene verordnet wird, dann ist es umso besser. - Nein, so weit darf die europäische Politik an dieser Stelle nicht gehen. ({4}) Beim Thema Sanktionszahlungen im Automobilbereich sprechen manche mittlerweile unverhohlen von EU-Steuern. ({5}) Auch das ist nicht im Sinne eines nationalen Parlaments. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die Kompetenzen nach Brüssel gehen und die Verantwortung dafür bei uns bleibt. Wir müssen unsere Kompetenzen und unsere Verantwortung auch wahren. Ich spreche das Thema Biokraftstoffe an. Wenn wir hier vorankommen wollen und wenn wir andere Ziele vorgegeben bekommen, dann heißt das in der Konsequenz, dass wir in diesem Parlament jetzt schnellstens dafür sorgen müssen, dass die Kapazitäten Deutschlands, die wir aufgebaut haben, auch erhalten bleiben, damit am Schluss nicht alles aus dem Ausland kommt. ({6}) - Liebe Frau Künast, das werden wir jetzt in Angriff nehmen. Wir werden das Thema erneuerbare Energien ausweiten, und wir werden das EEG und das ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz im parlamentarischen Prozess evaluieren. Aber - jetzt komme ich zu dem, was hier verschiedentlich angesprochen worden ist - wenn wir im Jahre 2020 über die Ziele hinaus, die uns die EU vorgegeben hat, bei einem Anteil der erneuerbaren Energien von 30 Prozent liegen werden, dann bleibt die Frage offen, woher die anderen 70 Prozent kommen. Wenn man gegen Kohle und gegen die Kernenergie ist, dann kann man diese Frage nicht beantworten. Es ist aber Pflicht und Aufgabe des Deutschen Bundestages, die Frage, woher sie kommen, auch zu beantworten. ({7}) Herr Kollege Reiche von der SPD, ich hätte mir gewünscht, dass wenigstens der Kollege Scheer, der ja noch Mitglied dieses Parlaments ist und das im Übrigen auch bleiben wird, ({8}) hier gewesen wäre und Ihre Rede zum Thema Kohle gehört hätte. Das wäre doch spannend gewesen. Der Frau Ypsilanti schicken Sie nach Möglichkeit einen Abdruck dessen, was Sie hier heute gesagt haben. ({9}) Der Kollege Scheer kann und darf nicht so tun, als kämen wir in diesem Land in der absehbaren Zukunft ohne Kohle und ohne Kernenergie aus. Das ist die Realität, meine Damen und Herren. Politik beginnt jedenfalls bei uns, bei der Union, mit dem Betrachten der Realitäten. Herzlichen Dank. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort Kollege Dr. Axel Berg für die SPDFraktion. ({0})

Dr. Axel Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003036, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorschläge der EU-Kommission sind im Großen und Ganzen zu begrüßen. Mit den Entwürfen in allen vier Bereichen - CO2-Minderung, Emissionshandel, erneuerbare Energien und Rechtsrahmen für CCS können wir so weit arbeiten. In der Vorlage der Kommission zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Ausbauziele wird es den Mitgliedstaaten überlassen, mit welchen Instrumenten sie ihre Ziele erreichen. Damit ist das erfolgreiche deutsche EEG, das zigfach in vielen Ländern rund um die Welt kopiert wurde, eben nicht infrage gestellt. Das ist konsequent und richtig von der Kommission. Schon 2005 hatte sie ja selbst bestätigt, dass das EEG das effektivste und kosteneffizienteste Instrument zur Einführung von erneuerbaren Energien ist. Seit der Einführung des EEG im Jahr 2000 wurden in der gesamten Branche 250 000 neue Arbeitsplätze geschaffen - notabene in Zeiten, in denen in allen Branchen aus vollen Rohren Personal gefeuert wurde, in Zeiten, in denen der letzte Handyhersteller Deutschland verlässt. Ende 2007 machte der Anteil der erneuerbaren Energien beim Strom schon 14 Prozent aus. Das sind 4 bis 5 Prozent des deutschen Gesamtenergieverbrauchs; das ist deutlich mehr, als zwei Atomkraftwerke produzieren, deren Betreiber leider immer noch die erneuerbaren Energien bekämpfen, die sich selbst inzwischen Klimaschützer nennen, aber weiter das Volk belügen und der deutschen Volkswirtschaft schaden. ({0}) Das vorgegebene Ziel der Kommission für Deutschland, bis 2020 auf 18 Prozent erneuerbare Energien am Gesamtenergieverbrauch zu kommen, ist ambitioniert. Aber wir können es hinkriegen, wenn alle mitmachen und wenn die vier Großen endlich aufhören zu mauern. Lieber Dr. Nüßlein, Steffen Reiche sprach auch die großen Energieverbraucher an. Ich denke ebenfalls wie er, dass wir über Ausnahmen und Härtefallregelungen für energieintensive Industrien noch einmal im Licht der Kommissionsvorschläge diskutieren sollten. ({1}) Warum sollte nicht an vielen Stellen auf sehr viel energieärmere Materialien gesetzt werden? Man kann Häuser, Brücken oder Bundesgartenschauen energiearm und reich an Ästhetik auch mit Steinen oder Holz bauen. Doch die Härtefallregelung macht Zement attraktiv. Wie schaut es mit Aluminium aus? Alu ist ein großartiger Hightechwerkstoff. Lasst uns doch langlebige Motoren aus ihm bauen, aber nicht jede Aluhausfassade subventionieren; der Metzger muss auch nicht jede Leberkässemmel in Alupapier einwickeln. Hierfür gibt es doch Alternativen. Deshalb kann eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten, von der ich eben hörte, dass sie die Kommission verabschiedet habe, keine Lösung sein. Lasst uns lieber über eine Nachhaltigkeitszertifizierung nachdenken wie bei der Biomasse. Hier hat Steffen Reiche die Wahrheit gesprochen, lieber Dr. Nüßlein. Auch die vorgeschlagene Einbeziehung des Luftverkehrs ist eine sinnvolle Erweiterung des Emissionshandels. Wir müssen, wenn wir ehrlich gemeinten Klimaschutz wollen, Flugreisen zu Taxitarifen eindämmen. Letztlich wird die Fliegerei wettbewerbsverzerrend gegenüber Auto und Zug subventioniert. Eine Verteuerung der aktuell genutzten Treibstoffe durch den Emissionshandel wird hier sicherlich größere Forschungsanstrengungen mit sich bringen. Das wiederum ist auch dringend notwendig, wenn Airbus wettbewerbsfähig bleiben soll, weil Boeing wiederum schon die ersten Biospritprototypen in der Luft hat. Ein Umstieg auf biologische Treibstoffe ist technisch vielleicht gar nicht so wild, wird aber von den europäischen Flugzeugbauern bisher noch nicht einmal angedacht oder ernsthaft angegangen, weil Kerosin so billig ist. ({2}) - Das wollen wir ja verhindern. Die von uns geforderte einhundertprozentige Auktion aller Zertifikate ab 2013 ist von der Kommission aufgenommen worden. Die Einnahmen werden in den nationalen Haushalten landen, um für weitere Klimaschutzmaßnahmen genutzt zu werden. Das ist der richtige Weg, der uns weiterbringt. Außerdem sollten die erneuerbaren Energien - das ist ein wichtiger Punkt - Emissionszertifikate zugeteilt bekommen. Ihnen sind doch die größten CO2-Reduktionen zu verdanken. Erst dann kann man von einem ganzheitlichen, vernetzt gedachten, sinnvollen Mechanismus sprechen. Es müssen alle CO2-produzierenden und auch CO2-vermeidenden Branchen einbezogen werden. ({3}) Nur so kommen wir meines Erachtens zu einem Wettbewerb, der diesen Namen auch verdient. So kommen wir zu sinkenden Preisen. Nur so kommen wir zu einer Zukunftsfähigkeit unseres Landes ebenso wie der EU. Ich danke Ihnen. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Franz Obermeier. ({0})

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ist es zu begrüßen, dass die Europäische Kommission ein umfassendes Energiepaket vorgelegt hat, mit dem wir uns aber aus energie-, wirtschafts- und klimapolitischen Erwägungen intensiv auseinandersetzen müssen. Der Kommissionspräsident hat heute verkündet, dass die CO2-Emissionen bezogen auf Fahrzeuge, Haushalte, Gewerbe, Landwirtschaft und Abfälle um 14 Prozent gesenkt werden sollen. Interessant ist dabei, dass das Jahr 2005 als Basisjahr gewählt wird. Hier setzt meine Kritik an. Wir müssen sehr genau prüfen, ob wir dem ohne Weiteres zustimmen können; denn bezogen auf unser bisheriges Basisjahr 1990 bedeutet das im Grunde genommen eine Reduzierung der CO2-Emissionen in diesem Bereich um 33 oder 34 Prozent. Welche Implikationen eine derartige Reduzierung hat, ist durchaus erwägenswert. Die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf 18 Prozent bezogen auf den gesamten Primärenergieverbrauch ist meines Erachtens möglich, wenn wir klug handeln. Dies würde in etwa eine Verdoppelung des jetzigen Bestandes bedeuten. Das ist unter normalen Bedingungen hinzubekommen. Interessanterweise lässt sich der Kommissionspräsident auch über die Kostenverteilung aus. Er ist der Meinung, die Kosten für die Reduzierung der CO2-Emissionen würden im Jahre 2020 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Ich teile diese optimistische Einschätzung nicht. Insgesamt ist ihm zuzustimmen; gemessen an den Kosten, die ohne eine entsprechende Klimapolitik auf uns zukämen, ist das relativ günstig. An den Ausführungen des Kommissionspräsidenten finde ich auch interessant, dass er Klimawandel, Energiepreise und Maßnahmen für die europäische Wirtschaft miteinander verknüpft. Das habe ich in der Form noch nicht gehört und finde es sehr bemerkenswert, zumal er in seinen weiteren Ausführungen eine kostenlose Zuteilung an bestimmte Branchen wie die Stahl-, Aluund Kupferindustrie vorschlägt, solange diese Branchen im internationalen Wettbewerb keinen ähnlichen Restriktionen hinsichtlich der CO2-Emissionen unterliegen. Ich halte diese Verfahrensweise für angemessen. ({0}) Wir müssen bedenken, dass es um Festsetzungen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments geht. Deswegen müssen wir die gesamte Entwicklung besonders aufmerksam verfolgen. Ich sehe es äußerst kritisch, dass die Auktionserlöse dem EU-Haushalt zugeführt werden sollen, statt in die Nationalstaaten zurückzufließen. Damit müssen wir uns noch intensiv auseinandersetzen. Interessant fand ich Ihre Bemerkungen zum Thema Joint Implementation, Herr Reiche, und den Vorschlag, den Anteil der CDM-Zertifikate auf bis zu 50 Prozent zu erhöhen. Das ist eine Basis, über die sich durchaus reden lässt; denn wir müssen die Preise im Rahmen halten. Das, was Frau Künast hier vorgetragen hat, ist hanebüchen. ({1}) Die grüne Klimapolitik ist nicht von Kompetenz getragen. Sie ist alles andere als ausgewogen. Wir sagen zwar Ja zur Klimapolitik, fordern aber auch eine Klimapolitik unter Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Was unserer Wirtschaft extrem schadet, müssen wir in diesem Hause mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, vermeiden. ({2}) Für die energieintensive Industrie Ausnahmen zu machen, bedeutet nicht Lobbypolitik, sondern Klimapolitik. Bedenken Sie: Wenn die energieintensive Industrie ins Ausland abwandert, dann wird die Produktion nicht zu den günstigen und guten Bedingungen durchgeführt wie in Deutschland. Frau Künast, Ihre Ideologie sorgt für weniger Arbeit und mehr Arbeitslosigkeit in diesem Land. ({3}) In Ihrer siebenjährigen Regierungszeit ist die Arbeitslosigkeit ständig gestiegen. Die Ursache sind eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik und Klimapolitik. Herzlichen Dank. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort dem Herrn Bundesminister Sigmar Gabriel. ({0})

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Aufwärmphase des Jahres 2007 kommen wir nun in Europa und insbesondere in Deutschland zum Start des Marathonlaufs beim Klimaschutz. Das, was die EU-Kommission vorgelegt hat, ist aus unserer Sicht ein ausgezeichneter Vorschlag zur Erreichung der europäischen Klimaschutzziele. Um gleich mit ein paar Missverständnissen bei der Opposition aufzuräumen: Die EU-Kommission schlägt nicht vor, bis 2020 den Ausstoß der Treibhausgase um 20 Prozent zu reduzieren. Vielmehr soll Europa, wenn wir zu einem internationalen Abkommen kommen, den Ausstoß um 30 Prozent senken. Übrigens, Frau Künast, die Europäische Union hat niemals 40 Prozent versprochen. ({0}) - Nein, das wäre nicht nötig. Das bestätigen auch internationale Wissenschaftler. Sie sprechen von 30 Prozent. Gleichzeitig zeigt die EU-Kommission auf, wie die Stellschrauben aussehen müssen, um in der Zielsetzung von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen. Was die EU-Kommission macht, ist richtig. Deutschland bleibt bei seinem Ziel, bis 2020 den Ausstoß um 40 Prozent zu senken, und gibt somit der Europäischen Union faktisch die Möglichkeit, im Falle eines internationalen Klimaschutzabkommens die Emissionen um 30 Prozent zu senken. Da wir über den Zeitraum von 2013 bis 2020 in der EU reden, die internationalen Verhandlungen aber bereits im Jahr 2009 abgeschlossen sein werden, braucht man die Kommission nicht zu kritisieren, da sie für beide Ziele Maßnahmen vorschlägt. Die EU-Kommission schafft endlich ein Emissionshandelssystem - dafür haben viele im Haus lange geworben - mit einheitlichen Strukturen im Europa der 27 und einer 100-prozentigen Auktionierung, dem Verkauf der Verschmutzungsrechte. Durch den Emissionshandel sinkt der Anteil der CO2-Emissionen, die in die Atmosphäre entweichen dürfen, deutlich. Der Kollege hat völlig recht, Frau Künast: Was Sie vorhin erzählt haben, ist hanebüchen. In Ihrer Regierungszeit ist in der Landwirtschaftspolitik im Hinblick auf den Klimaschutz gar nichts gemacht worden. ({1}) Sie haben im Rahmen des Emissionshandels den CO2Ausstoß gerade einmal um 2 Millionen Tonnen gesenkt. Wir sorgen nun für eine Senkung um 53 Millionen Tonnen. Jetzt schlägt die EU-Kommission eine weitere Senkung um 78 Millionen Tonnen vor. Das sind insgesamt 131 Millionen Tonnen. Erzählen Sie also nicht, das EUPapier sei wenig ambitioniert! Sie haben nicht mehr durchsetzen können. Nun läuft es Gott sei Dank anders. Freuen Sie sich darüber, und kritisieren Sie nicht die Europäische Union! ({2}) Das Gleiche gilt beim Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie dachten noch, ein 20-prozentiges Ausbauziel bei erneuerbaren Energien sei ambitioniert. Jetzt kommen wir in Deutschland im Stromsektor auf 30 Prozent, und mit dem Vorschlag der Kommission verdoppeln wir insgesamt in Deutschland den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020. Das ist vernünftig. ({3}) - Das ist doch Unsinn. Herr Fell, Sie machen Volksverdummung. ({4}) Sie erzählen den Leuten, die Europäische Union hätte gesagt, für jeden mache sie 20 Prozent erneuerbare Energien. Das ist doch Quatsch! ({5}) - Sie fühlen sich getroffen. Das kann ich verstehen. ({6}) - Ich verstehe das, Frau Künast. Ich würde an Ihrer Stelle bei so viel Versagen und so wenig Detailkenntnis bei dem Thema, über das wir hier reden, auch so reagieren, wie Sie reagieren. Sie haben wirklich keine Ahnung, wovon Sie sprechen. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Minister, darf ich Sie einen Moment unterbrechen! - Wenn ich es richtig gehört habe, ist gerade von „Volksverdummung“, aber auch von „Schnösel“ gesprochen worden. ({0}) Ich denke, beides sollte aus unserem parlamentarischen Sprachgebrauch gestrichen werden. Herr Minister, bitte sehr.

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Frau Präsidentin, vielen Dank für die Erinnerung an den parlamentarischen Sprachgebrauch. Ich werde jedenfalls für meinen Teil versuchen, mich daran zu halten. Trotzdem stimmt, dass Frau Künast zu Recht gesagt hat, sie habe sich nicht mit Details befasst. Das, finde ich, ist richtig. ({0}) Sonst wüsste sie, dass es in dem Papier der Europäischen Kommission eine einzige Ausnahme gibt, und sonst wüsste sie vielleicht auch, dass sie in einigen Bereichen aus physikalischen Gründen CO2 nicht weiter senken können, zum Beispiel in der europäischen Stahlindustrie. Es ist aber nicht schlimm, dass sie das nicht weiß; denn es wird wohl kein Facharbeiter in der Stahlindustrie Grün wählen. Aber den Kolleginnen und Kollegen von den Linken würde ich gern Folgendes sagen, weil es ja Gefahren bei den Wahlen gibt: Ich werde mir die Freiheit nehmen, in ein paar Stahlunternehmen zu gehen und dort den Betriebsräten zu sagen, dass Sie der Überzeugung sind, es sei richtig, auch für die deutsche Stahlindustrie zur Auktionierung der Emissionszertifikate zu kommen, obwohl völlig klar ist, dass diese Unternehmen nur durch eine einzige Maßnahme ihre Gichtgasemissionen senken können: durch den Abbau der europäischen Stahlproduktion, durch die Verlagerung in andere Länder. ({1}) Wer das fordert, der ist, ohne dass er es will, ein Klimakiller und ein Jobkiller zugleich. Das ist das Ergebnis dessen, was Sie hier vortragen. ({2}) Als einzige Ausnahme sieht die Kommission bei den Industriezweigen, die keine wirkliche Chance zur Senkung der CO2-Emissionen haben, in denen die Unternehmen aber im internationalen Wettbewerb stehen mit Unternehmen, die nicht den Stand der Technik haben, eine hundertprozentige Zuteilung vor. Das ist eine kluge Entscheidung. Das ist absolut richtig. Ich finde, wir sollten den davon Betroffenen sagen: Wir zeigen damit das, was die Entwicklungsländer und viele Industrieländer sehen wollen. Wir zeigen, dass zwei Dinge zusammenpassen: wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand sichern und dabei den Klimaschutz erreichen, den wir nach den Erkenntnissen der internationalen Wissenschaft erreichen müssen. Das ist der Beweis, den wir sehen wollen. Die ganze Kritik an den Ausnahmen ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil wir doch gerade zeigen, dass wir trotz dieser Sonderbehandlung für die Industriezweige, die die Emissionen nicht senken können, die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen. Das haben uns doch viele Entwicklungsländer nicht geglaubt. Die Europäische Kommission zeigt, dass es möglich ist. Wir werden über Details der Regelung zu reden haben, aber diesen Beweis wollten wir antreten. Wir sollten denjenigen in Deutschland, die manchmal Sorge haben, dass Klimaschutz ihre Jobs bedroht, zeigen: Nein, das ist nicht so. - Was die Grünen und die Linkspartei hier vorschlagen, würde in der Tat darauf hinauslaufen, dass wir, sozusagen gegen die Physik, versuchen, CO2 zu senken. Es würde aber im Ergebnis zu einem Abbau der Produktion bei uns in einigen wenigen, aber beschäftigungsintensiven Branchen und zur erhöhten Klimabelastung in anderen Teilen der Welt führen und wäre damit Klimakiller und Jobkiller zugleich. Ich sage es noch einmal: Darüber werden wir öffentlich reden, meine Damen und Herren, damit die Leute wissen, was Sie mit Ihrer Politik vorhaben. ({3}) Nur einige wenige Bemerkungen zu den anderen Teilen. Beim Thema erneuerbare Energien sollten wir kritisieren und nachbessern bei der Frage: Warum gilt eigentlich die Nachhaltigkeitsverordnung nach Vorstellungen der Europäischen Union nur für Kraftstoffe? Herr Kauch, ich glaube, wir sollten diese Verordnung kräftigen, aber wir sollten sie für alle Biomassebereiche kräftigen. Die EU sollte das tun, was Deutschland macht, nämlich nur den Nettosenkungsbetrag von CO2 anrechnen, also den Anteil der CO2-Emissionen bei der Produktion von Biokraftstoffen und Biomasse abziehen, damit wir uns nicht in die Tasche lügen. Ich finde, da müssen wir noch nachbessern. ({4}) An all diejenigen, die jetzt den Regenwald anführen, richtet sich meine Bitte: Sagen Sie auch öffentlich, worin das Hauptproblem bei der Zerstörung des Regenwaldes besteht! Das ist nach wie vor zu über 95 Prozent der Sojaanbau. Die Sojaproduktion geht in die Futtermittelindustrie. Das ist ein Thema der Landwirtschaft. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie, Frau Künast, in Ihrer Regierungszeit wenigstens einmal den Versuch unternommen hätten, das mit derselben Energie zu stoppen, mit der Sie heute gegen die Anwendung von Biokraftstoffen protestieren. ({5}) Da liegt das Hauptproblem bei der Abholzung des Regenwaldes. Der größte Importeur von Soja ist Europa, in Europa ist der größte Importeur Deutschland. Da müssen wir etwas ändern. ({6}) Letzte Bemerkung, Frau Präsidentin: Ich glaube, worauf wir insbesondere Wert legen sollten, ist, dass wir von der Kommission auch praktische Vorschläge zur Steigerung der Energieeffizienz einfordern. Auch das ist im Europäischen Rat beschlossen worden. Dafür hat es bislang keine Vorschläge gegeben. Top-Runner-Modell, dynamische Effizienzstandards - all das fehlt. Das müssen wir nachholen. Ich glaube, dass wir dann insgesamt ein gutes Paket auf den Weg bringen können. Ich jedenfalls meine, dass die Kommission nicht nur den richtigen Weg eingeschlagen, sondern auch die richtigen Ziele gesetzt hat, nämlich im Ergebnis das 30-Prozent-Ziel. Deutschland wird mehr als ursprünglich gedacht übernehmen müssen. Das wollen wir tun. Aber dafür brauchen wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die der Kollege Nüßlein angesprochen hat. Wir müssen sicherstellen, dass die Grundstoffindustrie in Europa ihren Standort behält, um die Kraft und am Ende die finanziellen Möglichkeiten zu haben, die Vorreiterrolle im Klimaschutz in Deutschland und Europa weiter spielen zu können. Ich finde, es ist ein guter Vorschlag, den die Kommission vorgelegt hat. Insbesondere beim Emissionshandel kommen wir endlich zu klaren Marktpreisen. Diese regeln dann auch, welche Energieformen in Deutschland auf dem Markt angeboten werden. Der Druck, CO2-frei oder CO2-arm zu produzieren, wird dadurch deutlich steigen, auch durch die Einbeziehung von CCS. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion.

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Verabschiedung des integrierten Energie- und Klimaschutzprogramms in Deutschland nach der Weltklimakonferenz in Bali hat nun heute die Europäische Kommission kräftig auf die Klimaschutzpauke gehauen. Präsident Barroso hat heute im Europäischen Parlament seine Vorschläge erstmalig vorgelegt und erläutert. Die Europäische Union will wieder einmal Vorreiter in der Welt werden. Das ist auch gut so; denn Klimaschutz geht letztendlich uns alle an. ({0}) Wir wollten immer eine europäische Klimaschutzpolitik, die die Lasten, aber auch die Gewinne des Klimaschutzes gerecht für alle verteilt. Außerdem wollten wir nicht, dass wir uns hier in Deutschland mit guten Gesetzen abmühen und mit guten Aktionen glänzen, die anderen aber mit verschränkten Armen im Kreise stehen und zuschauen, ob Deutschland es denn schaffen wird. ({1}) Insofern ist es heute ein guter Tag; denn Europa als Ganzes oder als fast Ganzes bekennt sich zu diesen ehrgeizigen Zielen. ({2}) Das war sicherlich auch der Grund, warum die Fraktionen des Europäischen Parlaments sich überwiegend positiv zu diesem Paket geäußert haben. Wir wissen aber auch, dass der Teufel bzw. die vielen kleinen Teufelchen im Detail liegen. Deswegen ist die strikte Einhaltung der EU-eigenen Vorgaben und Ziele unabdingbar. Ich nenne erstens die Einhaltung der beschlossenen Ziele für alle Mitgliedstaaten. Man darf wirklich gespannt sein, ob das funktioniert. Wir haben eine Menge einschlägiger Erfahrungen mit solchen gemeinsamen Proklamationen gemacht, wo hinterher einige Staaten versuchten, sich aus dem Programm zu verabschieden. Oftmals schon ist die EU als Löwe losgesprungen und letztendlich als Papiertiger liegen geblieben. Wird es denn Missbrauchs-, Ausschluss- oder Sanktionsverfahren gegen Staaten geben, die sich nicht beteiligen? Zweitens. Wir brauchen Fairness für alle Mitgliedstaaten. Die Verteilung der Lasten muss transparent darstellbar sein. Das hat Barroso heute versprochen; wir dürfen darauf sehr gespannt sein. ({3}) Eine Berechnung nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf oder Energieverbrauch pro Kopf wird die Industriestaaten natürlich deutlich mehr belasten. Drittens. Wir brauchen die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit; verschiedene Redner haben das heute schon deutlich gemacht. Das ist für mich übrigens auch eines der wichtigsten Kriterien. Daran wird sich mittelund langfristig der Erfolg der Klimapolitik zeigen. Die Weltwirtschaft ist globalisiert. Europa ist nur ein Drittel der Weltwirtschaft; die anderen Zentren - Amerika und Asien - müssen mitziehen. Ein Weiteres ist beim Stichwort Wettbewerbsfähigkeit zu nennen: der Energiemix. Selbst wenn wir noch 5 Prozent mehr erneuerbare Energien einsetzen, bleiben die fossilen Brennstoffe und die Kernenergie in Deutschland Hauptlieferanten für den Strom. Das wird auch noch lange Zeit so sein. ({4}) Wir brauchen den Energiemix. Sonne - wenn sie denn scheint - Wind und Wellen sind zwar umsonst, aber die Spitzenkandidatin in Hessen irrt, wenn sie glaubt, dass die Gewinnung dieser Energien umsonst sei. Die Gewinnung von regenerativen Energien ist teurer als die Gewinnung von Energie aus fossilen Brennstoffen oder von Atomenergie. ({5}) Deswegen brauchen wir für die Wettbewerbsfähigkeit auch weiterhin den Energiemix in Deutschland und in Europa. ({6}) Viertens. Die Vorschläge der EU-Kommission müssen in internationale Abkommen münden. Was nützt es, wenn wir in Europa wieder mehrere Schritte vorangehen, aus Peking, Neu-Delhi oder Washington aber keine Reaktionen erfolgen? Das Vorangehen der Europäischen Union muss gekoppelt sein mit Druck in den internationalen Verhandlungen mit dem Ziel, hierbei voranzukommen. Fünftens. Die Menge der globalen Emissionen - das hängt mit dem vierten Punkt zusammen - muss halbiert werden. Das muss das Ziel der Verhandlungsführer der Europäischen Union sein. Klimaschutz in der Welt kann nur dann wirklich zum Erfolg werden, wenn die Menge der globalen Emissionen halbiert wird. Die Kommission hat heute auch gleich die Rechnung für den Bürger präsentiert: 3 Euro pro Kopf. Für eine vierköpfige Familie sind das knapp 50 Euro im Monat oder 600 Euro im Jahr - zusätzlich zu dem, was in Deutschland schon an Belastungen zu tragen ist. Das heißt: Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassen: Kopenhagen wird die nächste Station der Beratung der Vorschläge sein. Ich kann nur hoffen, dass die weitere Verhandlung über das heute vorgeschlagene Energiepaket erfolgreich ist und dass wir in Deutschland keine weiteren Benachteiligungen in diesem Bereich hinnehmen müssen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Frank Schwabe für SPD-Fraktion. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt ({0})

Frank Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003846, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Das ist nun heute in der Tat eine Aktuelle Stunde im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist so aktuell, dass all das, was da gedruckt wurde, noch gar nicht trocken ist. Es ist allerdings eine Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen der EU-Kommission zu Energie und Klima. Es ist keine Aktuelle Stunde zur Hessen-Wahl. So war das jedenfalls nicht gedacht, Herr Dr. Nüßlein, Herr Kauch und Herr Lämmel; Sie haben sich da ja auch noch eingeordnet. Es muss einem der Allerwerteste schon ziemlich auf Grundeis gehen, wenn man versucht, das hier so umzufunktionieren. ({0}) Ich bin mir sicher: Die Wählerinnen und Wähler in Hessen wollen den Atomausstieg und werden deshalb dafür sorgen, dass Frau Ypsilanti Ministerpräsidentin wird. ({1}) Ich will zum Paket der EU drei Dinge sagen: Erstens. Ich habe überhaupt nicht verstanden, wieso Sie von der geschätzten Opposition von Grünen und Linken eigentlich von 20 Prozent ausgehen. Entweder haben Sie die Vorschläge nicht richtig gelesen, oder Sie machen hier in - Entschuldigung - sehr billigem Oppositionsstil ein Stück weit in Populismus. ({2}) Wir wollen 30 Prozent. Es ist ganz klar festgelegt, dass es 30 Prozent dann sein werden, wenn es ein internationales Abkommen geben wird. Davon gehen wir alle aus. ({3}) Deswegen waren wir auf Bali. Deswegen verhandeln wir in Kopenhagen. Wenn Europa auf 30 Prozent kommt - so ist es auch ausgerichtet -, dann kommt Deutschland auf mehr als 40 Prozent; das ist jedenfalls die Zielsetzung. ({4}) - Nein, das hört sich nicht anders an. Der zweite Punkt: Deutschland hat im Vorfeld wichtige Positionen durchgesetzt, vor allem bezüglich der Weitergeltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, aber auch bezüglich der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Industriezweige. Insofern haben diejenigen unrecht, die sagen - man konnte das ja heute zum Teil lesen -, dass Deutschland für sein besonderes Engagement, das der Kanzlerin und das des Umweltministers, bestraft würde. Das Gegenteil ist der Fall. Unsere hohe Glaubwürdigkeit und unser starkes Engagement erlauben es uns, auf solche Vorlagen der Kommission schon im Vorfeld Einfluss zu nehmen, und das ist gut so. Als dritten Punkt möchte ich die Thematik CCS erwähnen. Diese ist heute etwas zu kurz gekommen. Ich glaube, dass die Vorschläge der Kommission neuen Schwung in die Debatte bringen und den Sprung vom Glauben zum Wissen ermöglichen, ob diese Technologie realisiert werden kann. Ich denke, es ist richtig, wenn der Deutsche Bundestag das, was die Kommission heute vorgeschlagen hat, im Grundsatz begrüßt. Es war nämlich nicht einfach für die Kommission, die Quadratur des Kreises hinzubekommen. Was nun zum Emissionshandel vorgelegt wurde, ist wirklich wegweisend. Dass es jetzt EU-weit eine Obergrenze geben soll und zukünftig das Geschachere um die nationalen Allokationspläne aufhören wird, stellt einen riesigen Fortschritt dar. Es ist auch ein riesiger Fortschritt, dass es zu einer 100-prozentigen Versteigerung von Emissionsrechten für den Energiebereich kommen wird. Es ist auch ein Fortschritt, dass wir uns demnächst darauf verlassen können, dass im Industriebereich die besten verfügbaren Technologiestandards eingesetzt werden. Ich glaube, dass der Deutsche Bundestag - ich habe es hier schon einmal gesagt - sehr viel Selbstbewusstsein an den Tag legen kann. Wir haben ein gutes Konzept für die zweite Periode des Emissionshandels vorgelegt. Bezüglich der Frage der Versteigerungen haben wir auch eine wegweisende Funktion der Kommission gegenüber ausgeübt. Ich meine, das hat sich auch konkret auf die Vorschläge für die dritte Handelsperiode ausgewirkt. Ich will es noch einmal sagen: Die Hoffnung einiger, dass wir uns jetzt europaweit und deutschlandweit von ambitionierten Zielen verabschieden würden, ist sehr trügerisch. Wir gehen in Deutschland nach wie vor von 40 Prozent aus. Wir müssen eher sogar die Latte noch etwas höher legen, nämlich bei 42 Prozent, um gemäß den Vorschlägen der Kommission zukünftig europaweit das 30-Prozent-Ziel zu erreichen. Deswegen müssen wir sehr strikt das umsetzen, was wir uns im Rahmen von Meseberg I und Meseberg II vorgenommen haben. Darüber hinaus sind auch noch weiter gehende Maßnahmen notwendig. Die SPD wird dazu entsprechende Vorschläge machen. Zu diesen Vorschlägen wird im Übrigen auch die Einführung eines Tempolimits gehören. Das möchte ich an der Stelle noch einmal betonen. ({5}) - Ja, so wird das sein. Kleinvieh macht auch Mist. Es sind eben keine Peanuts. ({6}) Dadurch sind durchaus maßgebliche Reduktionswerte zu erreichen. Als Letztes möchte ich noch etwas zum Thema Bezahlbarkeit sagen. Auch darauf ist Herr Lämmel ja gerade noch einmal eingegangen. Ich finde es gut, dass die Kommission ehrlicherweise sagt, Klimaschutz kostet Geld. Die Frage ist nur, was es kosten würde, wenn wir keinen ordentlichen Klimaschutz betrieben. Hierzu hat Herr Barroso zu Recht gesagt: Wir können den Kopf nicht in den Sand stecken. Wenn wir nicht handeln, wird es zehnmal so teuer, als wenn wir handeln. - Das kann sich niemand leisten, niemand in Deutschland und niemand in Europa. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit ist nun die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 24. Januar, 9 Uhr, ein. Ich schließe die Sitzung.