Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich, wünsche Ihnen einen guten Morgen und uns
eine interessante Sitzungswoche.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich der
Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die am 21. November ihren 65. Geburtstag gefeiert hat, im Namen des
ganzen Hauses herzlich. Alle guten Wünsche für die
nächsten Jahre!
({0})
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt I:
Eidesleistung des Bundesministers für Arbeit
und Soziales
Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom
21. November dieses Jahres Folgendes mitgeteilt:
Gemäß Artikel 64 Absatz 1 des Grundgesetzes für
die Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf
Vorschlag der Frau Bundeskanzlerin den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn Franz
Müntefering, aus seinem Amt als Bundesminister
entlassen und Herrn Olaf Scholz zum Bundesminister für Arbeit und Soziales ernannt.
Nach Art. 64 Abs. 2 des Grundgesetzes leistet ein
Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56
vorgesehenen Eid.
Herr Bundesminister Scholz, ich darf Sie zur Eidesleistung zu mir bitten.
({1})
Herr Minister, ich darf Sie bitten, den Eid zu leisten.
Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des
deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze
des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann
üben werde.
({0})
Meine Damen und Herren, der neue Bundesminister
Olaf Scholz hat den vom Grundgesetz vorgeschriebenen
Eid geleistet. Ich darf Ihnen, Herr Minister Scholz, im
Namen all der Kolleginnen und Kollegen, die jetzt nicht
persönlich zur Regierungsbank vordringen konnten, alle
guten Wünsche für die Wahrnehmung Ihres Amtes aussprechen.
({0})
Lieber Kollege Müntefering, ich will die Gelegenheit
gern nutzen, Ihnen für die Arbeit als Vizekanzler und als
Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Sie in den
vergangenen Jahren geleistet haben, den herzlichen
Dank des ganzen Hauses auszusprechen.
({1})
Lieber Kollege Müntefering, die Art und Weise, wie
Sie Ihr Amt ausgeübt haben, und der Grund, aus dem Sie
es aus eigener Entscheidung aufgegeben haben, haben
vielen Menschen sehr imponiert, mir auch. Die Einsicht,
dass es jenseits der Politik Dinge gibt, die mindestens
genauso wichtig sind und manchmal eben noch wichtiger, stellt hoffentlich einen nachhaltigen Beitrag zur
politischen Kultur unseres Landes dar. Ihnen und insbesondere Ihrer Frau gelten alle guten Wünsche aller Mitglieder dieses Hauses. Wir freuen uns auf die weitere
Zusammenarbeit.
({2})
Ich rufe die Tagesordnungspunkte II.a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Redetext
Präsident Dr. Norbert Lammert
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2008 ({3})
- Drucksachen 16/6000, 16/6002 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2007 bis 2011
- Drucksachen 16/6001, 16/6002, 16/6426 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({5})
Dr. Gesine Lötzsch
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Ausspra-
che vorgesehen ist.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
- Drucksachen 16/6401, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Jürgen Koppelin
Dr. Dietmar Bartsch
Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss-
fassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Dann ist der Einzelplan 01 einstimmig ange-
nommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
- Drucksachen 16/6402, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Königshofen
Jürgen Koppelin
Anja Hajduk
Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-
fassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Dann ist der Einzelplan 02 mit breiter Mehr-
heit gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke ange-
nommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
- Drucksachen 16/6403, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Spahn
Johannes Kahrs
Dr. Dietmar Bartsch
Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss-
fassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
Damit ist der Einzelplan 03 wiederum mit breiter Mehr-
heit bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke ange-
nommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte II.4 a und b auf:
a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
- Drucksachen 16/6408, 16/6423 Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Bernhard Brinkmann ({6})
Dr. Gesine Lötzsch
b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
- Drucksachen 16/6423, 16/6424 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Petra Merkel ({7})
Michael Leutert
Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der FDP vor.
Außerdem rufe ich den Tagesordnungspunkt II.4 c
auf:
c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung eines Nachtrags zum
Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr
2007 ({8})
- Drucksachen 16/6390, 16/6391 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({9})
- Drucksache 16/6427 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({10})
Dr. Gesine Lötzsch
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.
Für die gerade genannten Beratungsgegenstände ist
eine Aussprache von insgesamt zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion.
({11})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
Beginn, Herr Bundesminister Scholz, auch von der FDPFraktion alles Gute für Ihre neuen Aufgaben, und Ihnen,
Herr Kollege Müntefering, den Respekt der FDP-Bundestagsfraktion!
({0})
Es ist aber nun einmal so: In dieser Sitzungswoche
sprechen wir über den Haushalt. Das heißt, zurückzukehren zu unserer täglichen Arbeit. Zwei Jahre Große
Koalition: Wir sind in der Halbzeit angekommen. Im
Fußball bedeutet Halbzeit, dass die Mannschaft bespricht, was gut war und was schlecht gelaufen ist. In
den Bereichen, in denen man Schwächen hatte, versucht
man, in der zweiten Halbzeit besser zu sein. Auf jeden
Fall will man erreichen, dass das Publikum am Ende mit
dem Einsatz der gesamten Mannschaft zufrieden ist.
Nicht so in der Großen Koalition. Für diese Koalition
bedeutet Halbzeit nicht, dass man bespricht, welche Fehler gemacht worden sind. Vielmehr bleibt die Mannschaft auf dem Spielfeld, und jeder wirft dem anderen
vor, zu viele Foulspiele begangen und gar keinen Mannschaftsgeist zu haben. Dass das geschieht, erleben wir
täglich in den Medien. Dieses Bild gibt unsere Regierungsmannschaft zur Halbzeit ab.
Interessant ist, dass jedes Mitglied dieser Mannschaft
erklärt, wenn das Spiel zu Ende sei, also auch die zweite
Halbzeit um ist, dann müsse eigentlich die Mannschaft
aufgelöst werden; denn unter diesen Voraussetzungen
könne man nicht weiter zusammenspielen. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn die
schwarz-rote Mannschaft so in die zweite Halbzeit geht,
wäre sie gut beraten, vorzeitig das Feld zu räumen.
({1})
Für die schlechte Aufstellung unserer Regierungsmannschaft ist der Bundeshaushalt 2008, den wir diese
Woche beraten, ein markantes Beispiel. Es ist richtig,
dass die Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2008 im
Vergleich zu früheren Zeiten geringer ausfällt. Festzuhalten bleibt aber, dass seit dem Amtsantritt dieser Regierung neue Schulden in Höhe von rund
58 Milliarden Euro gemacht worden sind, und das trotz
hoher Steuermehreinnahmen, die in den letzten zwei
Jahren jeweils etwa 50 Milliarden Euro betrugen. Das ist
die Bilanz dieser Koalition.
Am Wochenende hat die Kanzlerin erklärt, die Bundesregierung sei bei der Haushaltssanierung erfolgreich; denn, so die Kanzlerin, diese Regierung mache ja
weniger Schulden und belaste damit die kommenden
Generationen weniger. Aber, Frau Bundeskanzlerin,
Schulden bleiben Schulden, auch dann, wenn weniger
Schulden gemacht werden. Diese müssen von den kommenden Generationen bezahlt werden, wenn wir nicht
selber anpacken.
({2})
Dieses Anpacken vermissen wir beim Bundeshaushalt 2008.
Die Koalition hat die große Chance vertan, bereits im
Jahr 2008 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
({3})
Das hätte zwar noch keinen Abbau der Staatsschulden,
der dringend notwendig ist, mit sich gebracht, aber das
wäre das deutliche Signal an die Bürgerinnen und Bürger gewesen, dass sich die Bundesregierung die Haushaltssanierung tatsächlich zum Ziel gesetzt hat.
Die Dringlichkeit der Haushaltssanierung bestätigt
übrigens auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme
zum Haushalt 2008. Da ich weiß, dass der Bundesfinanzminister das, was die Opposition vorschlägt, aber
auch das, was viele aus der Regierung äußern, nicht so
ernst nimmt, weil er ja sowieso der Größte ist und keinen
Ratschlag annimmt, will ich die Stellungnahme des Bundesrates zitieren. In seiner Stellungnahme zum
Bundeshaushalt 2008 vom 10. Oktober dieses Jahres hat
der Bundesrat nämlich darauf hingewiesen,
dass die derzeit ausgesprochen günstige Entwicklung des Steueraufkommens kein Dauerzustand
sein wird.
In der Diskussion über das Haushaltsbegleitgesetz 2006 entgegnete der Bundesfinanzminister auf
eine Bemerkung meiner Kollegin Flach, dass es keine
Diät ohne Anstrengungen gebe. Deshalb meinen er und
die schwarz-rote Regierung, beim Bürger ordentlich abkassieren zu können; die Mehrwertsteuererhöhung ist
ein Beispiel dafür. Ja, es ist wahr: Eine Diät ohne Anstrengungen gibt es nicht. Wieso jedoch verordnet diese
Regierung unseren Bürgern, den Gürtel enger zu schnallen, wenn sie selbst das Geld mit vollen Händen ausgibt?
({4})
Davon, dass der Gürtel enger geschnallt wird, ist bei dieser Bundesregierung nichts zu merken. Stattdessen übt
sich die Koalition in Prasserei.
Ich will nur ein Beispiel für Prasserei nennen und für
die Tatsache, dass Sie nicht in der Lage sind, auf der
Ausgabenseite zu sparen, sondern noch draufsatteln: Sie
schaffen 73 neue Planstellen für Planungsstäbe in den
Ministerien, hoch bezahlt selbstverständlich. Wieso
muss eigentlich der deutsche Steuerzahler dafür zahlen,
dass sich mehrere Minister - egal, ob schwarz oder rot mit neuen Planstellen in ihren Planungsabteilungen für
den Wahlkampf fit machen wollen?
({5})
Wie wollen Sie eigentlich dem deutschen Steuerzahler
erklären, dass der neue Vizekanzler Steinmeier nun
plötzlich einen zusätzlichen Staatssekretär bekommt?
Der neue Staatssekretär - so heißt es - soll den Bundesaußenminister innenpolitisch beraten. Es ist schon sehr
merkwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein
deutscher Außenminister durch einen zusätzlichen
Staatssekretär innenpolitisch beraten werden muss. Weder Hans-Dietrich Genscher noch Klaus Kinkel, auch
nicht Joseph Fischer, brauchten einen solchen Staatssekretär.
({6})
Wie sagte der CSU-Landesgruppenchef, Peter Ramsauer,
zutreffend? „Dass Steinmeier einen dritten Staatssekretär
ins Auswärtige Amt holt, ist höchst anrüchig.“ - Recht
hat er.
({7})
Ich frage mich, weshalb die CSU-Abgeordneten im
Haushaltsausschuss dieser Stelle zugestimmt haben. Ich
bin gespannt, was der Kollege Ramsauer morgen in seiner Rede dazu erklären wird; denn er hat recht und wird
sicher noch darauf eingehen.
({8})
Wir haben beim Bundeshaushalt 2008, der uns heute
vorliegt, eine fast 5-prozentige Ausgabensteigerung zu
akzeptieren. Eine solche Ausgabensteigerung gab es
zum letzten Mal, als Oskar Lafontaine Finanzminister
war. Der Bundeshaushalt 2008 zeugt von einer Koalition
der Unwilligen, die nicht bereit ist, sich bei den Staatsausgaben wirklich nur auf das Notwendige zu beschränken.
Diese Koalition steht für die größte Steuererhöhung in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und
nimmt trotzdem neue Schulden auf. Das ist das Ergebnis
der Haushaltsberatungen 2008. Es bleibt festzustellen:
Diese Koalition lebt auf zu großem Fuß. Beim Geldausgeben sind Sie wirklich eine ganz große Koalition.
({9})
Der Bundesfinanzminister sagte kürzlich: Ein roter
Finanzminister legt endlich wieder schwarze Zahlen vor. Ich finde, davon sind wir noch weit entfernt. 2008 legt er
jedenfalls keinen ausgeglichenen Haushalt vor; den
verspricht er erst für 2011. Wie wollen Sie eigentlich
2011 - dann werden Sie ja gar nicht mehr regieren; aber
nehmen wir es einmal an, es wäre so - einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, wenn diese Koalition weiterhin laufend zusätzliche Ausgaben beschließt?
({10})
Wenn der Bundeszuschuss zur Gesundheitsreform eines
Tages auf 14 Milliarden Euro steigt, dann ist doch selbst
die Konsolidierung des Bundeshaushalts und damit ein
ausgeglichener Haushalt im Jahre 2011 stark gefährdet.
Man muss auch den stellvertretenden Parteivorsitzenden der Sozialdemokraten, Peer Steinbrück fragen, wie
er zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen will,
wenn alle Beschlüsse seines SPD-Parteitages verwirklicht würden. Würden Sie einmal auflisten, was die Umsetzung all dieser Beschlüsse kosten würde, dann müssten Sie wirklich im wahrsten Sinne des Wortes rot
werden. Das können Sie doch gar nicht verantworten.
({11})
Deshalb ist nach Meinung der Freien Demokraten
eine Diskussion über Möglichkeiten zur erfolgreichen
Begrenzung der Staatsverschuldung nötiger denn je.
({12})
Das sage ich auch mit Blick auf die Grünen und ihre Parteitagsbeschlüsse.
Der Bundeshaushalt 2008 ist durch vier starke Merkmale gekennzeichnet: Steuereinnahmen in bisher nie dagewesener Größenordnung, Bereicherung der Bundesregierung am Haushalt der Bundesagentur für Arbeit,
mangelnder Ehrgeiz bei der Haushaltskonsolidierung
mit erneuter Schuldenaufnahme von fast 12 Milliarden Euro und Disziplinlosigkeit auf der Ausgabenseite.
({13})
Statt auf der Ausgabenseite zu sparen, wie es notwendig
wäre, ist dieser Bundeshaushalt 2008 zum Selbstbedienungsladen der schwarz-roten Koalition geworden.
({14})
- Sie können sich die Anträge, die die Koalition in der
Bereinigungssitzung vorgelegt hat, gerne noch einmal
ansehen. Von der Schlacht bei Minden will ich gar nicht
reden; die haben wir nun schon oft genug erwähnt.
({15})
Dass Einsparungen auf der Ausgabenseite möglich
gewesen wären, haben die Haushälter der Freien Demokraten und die FDP-Bundestagsfraktion eindeutig bewiesen. Wir haben in mehr als 400 Anträgen aufgezeigt,
dass 11,8 Milliarden Euro auf der Ausgabenseite eingespart werden könnten.
({16})
Das ist fast genau der Betrag, den Sie als Schulden aufnehmen. Sie können das alles abtun; aber lesen Sie einfach die Anträge durch! Die Bürgerinnen und Bürger
sind vielleicht klüger als Sie; sie haben die Gelegenheit,
im Internetauftritt der Freien Demokraten jeden unserer
Anträge nachzulesen, und können dann sehen, dass wir
glaubwürdige und ernsthafte Arbeit als Haushälter betrieben haben.
({17})
Lassen Sie mich nun einige Sparvorschläge der Liberalen herausgreifen - aufgrund der Redezeit nur einige
wenige -: 5 Milliarden Euro könnten Sie einsparen
durch effiziente Arbeitsmarktpolitik, durch den Abbau
von Doppelstrukturen. Rund 600 Millionen Euro könnten Sie einsparen, wenn Sie die Finanzhilfe nur um
10 Prozent kürzen würden. 850 Millionen Euro könnten
Sie einsparen bei den Verwaltungskosten des Bundes.
Selbst - das muss man sagen - beim Etat des Bundesverteidigungsministers könnten Sie einsparen: Bei MEADS
und bestimmten anderen Beschaffungsmaßnahmen
könnten Sie mindestens 350 Millionen Euro einsparen.
Das sind unsere Vorschläge gewesen. Und - das sage ich
Ihnen auch - wir haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit der
hohen Summe für die Öffentlichkeitsarbeit dieser Bundesregierung. Wenn Sie das zumindest entgegennehmen.
Sie können sich die Etatliste ja gerne anschauen. Weitere
Einsparungen wären also möglich.
Die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD, die Minister von CDU/CSU und SPD verkünden landauf,
landab, dass nach Ende dieser Legislatur mit der Großen
Koalition Schluss sei. Das ist vielleicht noch die beste
Botschaft für die Menschen in unserem Land. Denn je
eher diese Koalition beendet wird, desto weniger Schulden werden später aufgenommen werden. Jede andere
Regierung wird den Ernst der Lage erkennen, wird erkennen, wie wir haushaltspolitisch dastehen.
({18})
Deshalb kann ich von diesem Pult aus den Bürgerinnen
und Bürgern nur zurufen: Haltet durch! In zwei Jahren
ist diese Koalition zu Ende.
({19})
Haushaltspolitisch ist diese Koalition schon am Ende,
oder, um beim Haushalt zu bleiben: Diese Große Koalition ist pleite.
({20})
Das Wort erhält der Kollege Carsten Schneider, SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Koppelin, Sie selbst haben das Bild des Fußballspiels bemüht. Wenn ich Trainer wäre und es wäre Halbzeitpause, würde ich sagen: Auswechseln!
({0})
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt 2008,
den wir Ihnen als Haushälter heute vorlegen und zur Zustimmung empfehlen, ist gekennzeichnet von einer starken wirtschaftlichen Dynamik in 2007, die 2008 weiter
fortschreiten wird. Wir sind in einer guten Verfassung:
2 Prozent Wirtschaftswachstum sind prognostiziert. Das
ist oberhalb des Potenzialwachstums unserer Wirtschaft.
Das ist eine Grundlage für eine solide Haushalts- und Finanzpolitik. Die trägt in dieser Regierung einen Namen:
Peer Steinbrück.
({1})
Ich bin dem Bundesminister der Finanzen sehr dankbar,
dass er schon mit dem Etatentwurf der Regierung einen
Haushalt vorgelegt hat, der durch zwei Maßgaben bestimmt ist: zum einen dadurch, das strukturelle Defizit
des Bundes, das noch bei über 20 Milliarden Euro liegt
- wir haben nämlich noch über 10 Milliarden Euro geplante Privatisierungserlöse zu berücksichtigen -, deutlich zu reduzieren. Dass das gelingt, wird bei einem Vergleich mit 2007 und vor allen Dingen dann deutlich,
wenn Sie als Bezugsgröße den Haushalt 2006 nehmen.
Zum anderen zeigt sich, dass wirtschaftliche Stimulierung - auch durch politisches Handeln - und maßvolle
Ausgabenpolitik einander bedingen. Konsolidierung nur
durch Sparen geht nicht, sondern Konsolidieren geht nur
in Verbindung mit starkem Wachstum.
Von daher bin ich sehr froh, dass der Entwurf - ich
habe das in der ersten Lesung bereits angekündigt durch die Weisheit des Parlaments noch verbessert werden konnte.
({2})
Wir senken die Kreditaufnahme um weitere 1 Milliarde
Euro. Das ist mehr als das, was uns durch die Steuermehreinnahmen - laut Steuerschätzung 800 Millionen
Euro - zur Verfügung stand.
Es gibt für die wirtschaftliche Entwicklung durch
den hohen Kurs des Euro gegenüber dem Dollar, durch
die Ölpreisentwicklung und auch durch die Finanzmarktkrise natürlich Risiken, die wir nicht beeinflussen
können; das zu sagen ist wichtig, gerade für eine große
Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik, die stark
von der Weltwirtschaft abhängt. Wir können nur hoffen,
dass sich diese Risiken nicht realisieren. Vor allen Dingen haben wir als Staat die Aufgabe, zu versuchen, das
zu kompensieren, und die Binnennachfrage zu stärken.
Auch die Wirtschaftsweisen haben in ihrem Gutachten
vor drei Wochen in der Binnennachfrage den Hauptakzent, den Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung
in 2008 gesehen. Mit diesem Haushalt führen wir zwei
Maßnahmen durch, die, so glaube ich, für die Binnennachfrage sehr entscheidend sind:
Das ist zum einen die Senkung des Beitragssatzes
zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 Prozent, was nahezu eine Halbierung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent aus dem Jahr 2005 darstellt. Das ist ein sensationelles Ergebnis.
({3})
Wann hat es eine Bundesregierung jemals zuvor geschafft, einen Sozialversicherungsbeitragssatz um die
Hälfte zu reduzieren? Das ist Ausdruck und Ergebnis der
klugen Reformpolitik - auch der rot-grünen Jahre. Sie
könnten ruhig klatschen.
({4})
Carsten Schneider ({5})
Das ist auch das Ergebnis der Arbeitsmarktreformen und
einer Steuerpolitik, die insbesondere für Familien mit
unteren Einkommen zu einer deutlichen Senkung der
Einkommensteuer geführt hat.
({6})
Eine Familie mit zwei Kindern kann heute 38 000 Euro
brutto verdienen, ohne einen Cent Lohn- und Einkommensteuer zu zahlen.
Die andere Maßnahme - neben der Entlastung der Arbeitnehmer durch die Senkung des Sozialversicherungsbeitrages - ist die Stärkung der Investitionen. Ich
denke, dass insbesondere auch der Bund vor der Aufgabe steht, die Qualität der Staatsausgaben zu verbessern. Qualität heißt hier, in die Zukunft zu investieren.
Bei Investitionen in die Zukunft denke ich nicht nur
an den blanken, pauschalen Investitionsbegriff, der im
Grundgesetz steht oder in der Finanzwirtschaft verwendet wird, nämlich an Investitionen in Beton, sondern vor
allen Dingen an Investitionen, die Bildungschancen und
Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche ermöglichen. Das sind wichtige Zukunftsaufgaben für
mich.
({7})
Das gelingt uns. Ich nenne zwei Punkte:
Insbesondere auch durch die Initiative meines Fraktionsvorsitzenden Peter Struck, dem ich sehr dankbar dafür bin, ist es uns erstens gelungen, das BAföG um
10 Prozent zu erhöhen.
({8})
10 Prozent sind in der heutigen Zeit - ich möchte es so
sagen - schon fast sensationell. Als Haushälter sage ich:
Ich habe dieser Erhöhung sehr gern zugestimmt,
({9})
weil ich glaube, dass es für einen Staat eminent wichtig
ist, jedem Jugendlichen und jedem Kind die gleichen
Chancen zu ermöglichen, egal, ob aus einem reichen
oder einem armen Elternhaus stammend. Jeder muss das
Beste aus sich machen können.
({10})
Durch BAföG wird ein Studium oftmals erst ermöglicht.
Das ist also ein wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer
Gerechtigkeit. Ich selbst weiß, wie es ist, wenn man aus
einem nicht ganz so reichen Elternhaus kommt und sich
fragt, ob man sich das leisten kann, und dann vielleicht
doch erst eine Lehre macht und dort hängen bleibt.
Der zweite Punkt betrifft die ganz Kleinen. Sie müssen erst einmal so weit kommen, dass für sie BAföG infrage kommen. Das können sie ja nur, wenn sie Abitur
machen. Die Ergebnisse der PISA-Studie waren ernüchternd: Gerade diejenigen, die es eigentlich am nötigsten
haben, erhalten die schlechtesten Chancen. - Aus diesem
Grund erhöhen wir mit dem Nachtragshaushalt die Investitionen in die Kleinsten. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist mit Sicherheit ein Meilenstein. Ich bin der
Auffassung, dass man das auch schon viel früher hätte
haben können und haben müssen. Wir tun das jetzt aber.
2,15 Milliarden Euro werden in den nächsten Jahren für
Investitionen in die Infrastruktur, sodass neue Kindergärten gebaut und die alten, die es gibt, saniert werden
können, sowie insgesamt weitere 2 Milliarden Euro bis
2013 für Investitionen in die Qualität der Betreuung verwendet.
Anlässlich des bundesweiten „Vorlesetages“ - das
war sehr spannend - war ich in der vorigen Woche auch
in Kinderkrippen. Ich konnte dort erleben, was es heißt,
wenn eine Erzieherin gemäß dem Betreuungsschlüssel
19 bis 20 Kinder aus der Gruppe der Fünf- bis Sechsjährigen zu betreuen hat. Das ist meines Erachtens nicht
hinnehmbar.
({11})
Um die Kleinsten zu fördern und um auch diejenigen,
die die größten Schwächen haben, die zum Beispiel gar
nicht Deutsch können, wenn sie in den Kindergarten
kommen, tatsächlich heranzuführen und ihnen die besten
Möglichkeiten zu geben, muss sich auch in der Qualität
der Betreuung einiges verbessern.
({12})
Deswegen beteiligen wir uns als Bund dort sehr stark. Das zur Zukunft.
Ich will noch zwei Punkte ansprechen, die Herr Kollege Koppelin eben erwähnt hat. Er sagte, es gebe eine
große Ausgabensteigerung und wir würden mit dem
Geld um uns schmeißen. Herr Koppelin, das ist nicht der
Fall.
({13})
Der größte Ausgabenblock ist mit 124 Milliarden
Euro der Bereich Arbeit und Soziales - dort wollen Sie
kürzen -, den der Kollege Scholz jetzt übernommen hat.
An die Leistungen für diejenigen, die die Schwächsten in
der Gesellschaft sind - ich denke, wir sind uns darüber
einig, dass das die Empfänger von Arbeitslosengeld II
sind -, wollen Sie herangehen. Sie haben so schön über
effiziente Strukturen gesprochen. Ich kann Ihnen einmal
sagen, welche Anträge Sie gestellt haben. Wir wollen die
Eingliederung und die Aktivierung von arbeitsuchenden
Menschen. Dafür haben wir 6,4 Milliarden Euro etatisiert, real 1 Milliarde mehr als in 2007. Wir wollen diese
1 Milliarde Euro mehr für Arbeitslosengeld-II-Empfänger, damit sie Lohnkostenzuschüsse, Weiterbildung und
Qualifizierung bekommen. Das ist gerade in Zeiten von
Fachkräftemangel absolut notwendig. Genau hier wollen
Sie kürzen. Sie wollen 1,5 Milliarden Euro weniger für
diejenigen ausgeben, die es am nötigsten brauchen. Damit ist in der SPD kein Staat zu machen. Das ist soziale
Kälte. Das machen wir nicht mit.
({14})
Wir legen ein neues Programm auf, KommunalKombi, nämlich 143 Millionen Euro für Regionen nicht
Carsten Schneider ({15})
nur im Osten, sondern auch im Westen, wo die Quote der
strukturellen Arbeitslosigkeit bei über 15 Prozent liegt.
Hier wollen Sie die Mittel komplett streichen und kein
anderes Angebot machen.
Sie wollen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger das Elterngeld streichen und so 360 Millionen Euro sparen.
Das ist mit uns nicht zu machen. Das ist keine soziale
Politik.
({16})
Der größte Ausgabenblock nach dem Sozialbereich,
den wir alle mitzuverantworten haben, sind die Zinsen,
nämlich 42 Milliarden Euro in 2008. Wenn wir diese
Ausgaben nicht hätten, dann könnten wir den Mehrwertsteuersatz um knapp 6 Prozent senken - das wäre sensationell - oder die Qualität der Ausgaben verbessern. Das
ist leider nicht möglich. Ich wünschte mir, dass wir das
Ziel, das der Finanzminister mit 2011 vorgegeben hat,
früher erreichten.
({17})
Das liegt aber vor allem an uns. Das sage ich nicht nur in
Richtung Finanzminister, sondern vor allen Dingen in
Richtung des Parlaments, weil wir die Leistungsgesetze
zum großen Teil beschließen.
Herr Bundesfinanzminister, die SPD-Fraktion steht
klar an Ihrer Seite. Die unsoziale Politik des Verteilens
von unten nach oben machen wir nicht mit. Wer sind
denn diejenigen, bei denen der Bund Schulden hat? Das
sind zu 98 Prozent Banken, Versicherungen, institutionelle Anleger.
({18})
Das ist nicht der Kleinanleger. Davon wollen wir weg.
Ich bin allerdings anderer Meinung als der Wirtschaftsminister. Er hat gesagt, er wolle noch keine Tilgung, sondern der Gesamtschuldenstand könne so bleiben; dies wachse sich relativ zum BIP heraus. Die
Zinsausgaben würden in dieser Größenordnung bestehen
bleiben. Ich will aber, dass wir auch mit der Schuldentilgung anfangen und die Schulden komplett abbauen. Ich
hoffe, dass uns auch die CDU auf diesem Weg folgt.
({19})
Die Ausgaben steigen um insgesamt 1,1 Prozent. Das
ist weniger als die Inflationsrate, wenn Sie die Sondereffekte herausrechnen. Das heißt, wir sind sehr maßvoll.
({20})
Des Weiteren sind wir nachhaltig. Die Kreditaufnahme
sinkt auf 11,9 Milliarden Euro. Das ist die geringste Kreditfinanzierungsquote seit 1973. Meine Damen und Herren, das ist eine Sensation. Die Kreditfinanzierungsquote
beträgt nur noch 4,2 Prozent. Der Gesamtschuldenstand
sinkt auf 63 Prozent.
Ich finde, dass wir mit dem Bundeshaushalt ein sehr
solides Paket - man nennt es manchmal auch das
Schicksalsbuch der Nation - auf den Weg gebracht haben, dass dies aber - wir sind ja in der Halbzeit der Legislaturperiode - noch nicht reicht. Hier möchte ich einen kritischen Punkt innerhalb der Koalition ansprechen,
wo wir noch gut sparen könnten. Sie wissen, es gibt
Meinungsunterschiede beim Postmindestlohn. Ich als
Sozialdemokrat bin der Auffassung, dass wir nicht nur
einen Postmindestlohn, sondern einen generellen Mindestlohn brauchen.
({21})
Das würde uns im Bundeshaushalt sehr viel Geld sparen.
Ich hoffe, dass wir uns als Koalition noch darauf einigen.
Nehmen Sie alleine den Bereich Arbeitslosengeld II.
Etwa 1,3 Millionen Menschen sind sogenannte Aufstocker. Über die Hälfte dieser Personen bekommt für ihre
normale Arbeit, 40 Stunden in der Woche, weniger, als
ihnen als ALG-II-Empfänger zur Verfügung stehen
würde. Diskussionen darüber, dass Menschen nicht arbeiten wollen und dass sie faul wären, gehen vollkommen an der Realität vorbei. Diese Menschen müssten
nicht arbeiten; sie würden das gleiche Geld bekommen.
1,3 Millionen Menschen arbeiten freiwillig für das gleiche Geld, nur um integriert zu sein.
({22})
Bei mir in Thüringen betragen die Löhne im Friseurbereich 3,50 Euro pro Stunde. Das ist unsozial.
({23})
Es ist auch nicht sozial, wenn im Endeffekt der Bund
die Zeche zahlt, denn die Aufstockung der normalen
Löhne zahlen wir aus dem Steueraufkommen.
({24})
Es wäre ein guter Sparbeitrag für den Bundeshaushalt,
wenn wir davon entlastet würden, indem die Arbeitgeber
einen entsprechend angemessen hohen Lohn zahlen würden und die Menschen von dem, was sie erarbeiten, auch
leben könnten. Dann wären wir, was die Schulden angeht, schneller bei null.
Vielen Dank.
({25})
Frau Kollegin Lötzsch ist die nächste Rednerin für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Viele Menschen haben die bittere Erfahrung gemacht, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei ihnen nicht ankommt. Sie fragen sich: Was
hat die Bundesregierung unternommen, damit an dem
Aufschwung alle teilhaben können? Wenn man sich die
geplanten Ausgaben der Koalition für 2008 anschaut,
dann stellt man fest, dass sich CDU/CSU und SPD diese
Frage erst gar nicht gestellt zu haben scheinen.
Der Haushalt 2008 ist vor allen Dingen ein Wahlkampfhaushalt. Bestes Beispiel ist die Arbeitsmarktpolitik der Koalition. Die Anhebung der Bezugsdauer des
Arbeitslosengeldes I für eine Gruppe von älteren Arbeitslosen ist ein sehr kleines Zugeständnis an die SPD.
Die Kriterien für die längere Zahlung des Arbeitslosengeldes I sind nämlich so rigide, dass nur wenige Menschen im Westen und kaum Menschen im Osten davon
profitieren. Auch Frauen und Mädchen in prekären
Arbeitsverhältnissen sind von einer Verlängerung der
Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I faktisch ausgeschlossen. Das ist keine soziale Arbeitsmarktpolitik,
sondern Sozialkosmetik.
({0})
Den Arbeitslosengeld-II-Empfängern, die zum größten Teil in Ostdeutschland leben, bietet die Koalition gar
keine Verbesserung an, nicht einmal einen Inflationsausgleich. In Anbetracht der Mehrwertsteuererhöhung und
der steigenden Preise für Grundnahrungsmittel ist aus
unserer Sicht die Anhebung des Arbeitslosengeldes II
jetzt - und nicht erst später - dringend notwendig.
({1})
Ich habe Herrn Müntefering in den Haushaltsberatungen darauf angesprochen. Eine Anhebung soll 2009 geprüft werden. Das heißt im Klartext: Wenn die Koalition
nicht vorher zusammenbricht, wird es erst zur Bundestagswahl 2009 einen Inflationsausgleich für die Empfänger von Arbeitslosengeld II geben. Wir als Linke fordern
die Anhebung auf 435 Euro, und zwar nicht erst 2009,
sondern 2008.
({2})
Die Bundesregierung will im nächsten Jahr die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken. Auch das
ist ein nettes Wahlkampfgeschenk, über das sich vor allen Dingen die Unternehmen freuen. Die Unternehmen
werden allein durch die überflüssige Unternehmensteuerreform 2008 um über 10 Milliarden Euro entlastet.
Durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden den Unternehmen weitere 3,8 Milliarden Euro geschenkt. Frau Barbara Höll aus meiner Fraktion wird darauf noch näher eingehen.
Die Unternehmensteuerreform und die Senkung der
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind jedoch nicht
die einzigen Geschenke an die Arbeitgeber. Viel zu wenig Beachtung findet die Tatsache, dass rund
8,5 Milliarden Euro - 8,5 Milliarden Euro! - an die sogenannten Aufstocker gezahlt werden. Carsten
Schneider ist darauf bereits eingegangen. Allerdings hat
seine Fraktion leider keine Konsequenzen gezogen. Weil
die Bundesregierung nicht bereit ist, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen, werden die Steuerzahler gezwungen, Hungerlöhne mit Steuermitteln aufzustocken. Das
ist wirklich ein Skandal in unserem Land.
({3})
Wir als Linke fordern - ich will das hier wiederholen einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8 Euro
pro Stunde. Der positive Nebeneffekt wäre die Einsparung von 8,5 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Das
entspricht fast den Gesamtausgaben des Bundes für Bildung und Forschung. Das muss man sich einmal vorstellen!
Wir als Linke haben eine Reihe weiterer Sparvorschläge in anderen Bereichen gemacht, zum Beispiel im
Rüstungsbereich. Ich habe die Bundesregierung gefragt,
welche großen Rüstungsprojekte nach Ende des Kalten
Krieges eingestellt wurden, da sich doch die gesamte
Weltlage und damit wohl auch die Bedrohungssituation
grundlegend geändert haben. Raten Sie einmal, welches
die Antwort der Bundesregierung war! Kein einziges
Rüstungsprojekt wurde beendet. Da entsteht doch der
Eindruck, dass es nicht um die Sicherheit geht, sondern
um die Bedienung der Rüstungslobby, die augenscheinlich sehr effektiv arbeitet. Dieses Geld können wir für
soziale Zwecke besser verwenden.
({4})
Wir als Linke sehen im Haushalt des Verteidigungsministeriums ein Einsparvolumen von mindestens
2,6 Milliarden Euro; dazu aber morgen mehr im Detail.
Wenn es um die Sparsamkeit der Koalition geht, wird
mit unterschiedlicher Elle gemessen. Zwei Beispiele: Ich
habe Verständnis dafür, dass ein langjähriger Ministerpräsident von der Bundesregierung ordentlich verabschiedet wird. Aber hätten es nicht auch ein Blumenstrauß und ein schöner Bildband über Berlin getan?
Nein, das Abschiedsgeschenk für Herrn Stoiber ist etwas
teurer ausgefallen: 925 Millionen Euro. Das muss man
sich einmal vorstellen. Das ist nämlich der völlig überflüssige Bundeszuschuss für den Münchener Transrapid. Das ist ein Abschiedsgeschenk, das mit einer sparsamen Haushaltsführung nichts zu tun hat. Da können
Sie, Herr Ramsauer, mir doch sicher recht geben.
({5})
Zweites Beispiel: Das Berliner Schloss soll
520 Millionen Euro kosten. Davon sollen 80 Millionen
Euro durch Spenden aufgebracht werden. Der zuständige Minister, Herr Tiefensee, hat bereits angekündigt,
dass dann, wenn die Spenden nicht kommen sollten, der
Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Auf meine Nachfrage hat mir Herr Tiefensee bestätigt, dass er weder einen Überblick hat, wie viele Spenden bereits gesammelt
wurden, noch eine Vereinbarung abgeschlossen hat, wie
viele Spenden zusammenkommen sollen - so seine Auskunft auf meine Frage. Es kann doch wohl nicht sein,
dass nur deshalb, weil einige Politiker sich ein Denkmal
setzen wollen, alle Regeln der sorgfältigen und sparsamen Haushaltsführung in den Wind geschrieben werden.
Das ist nicht hinnehmbar.
({6})
An einer Stelle allerdings will ich die Koalition loben.
Sie, liebe Kollegen, haben einen Fehler eingesehen, sind
unserem Vorschlag gefolgt und haben die Mittel für die
Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen
Wirtschaftsstruktur um 50 Millionen Euro angehoben.
Es hätte mehr sein können, aber diese 50 Millionen Euro
sind ein richtiger Schritt. Daran sehen Sie, dass wir Ihre
Leistung differenziert bewerten können und sie nicht
pauschal ablehnen.
Wir haben in einem Entschließungsantrag sehr genau
unsere Vorschläge aufgeführt. Abschließend will ich
feststellen: Dieser Haushalt produziert dort Armut, wo
schon Armut ist, und er schafft dort Reichtum, wo schon
Reichtum ist. Es ist ein Zweiklassenhaushalt. Der einfache Steuerzahler soll sparen, eine Minderheit wird weiter fürstlich bedient. Einen solchen Haushalt wird die
Linke selbstverständlich ablehnen.
({7})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Meister
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Lötzsch, wir haben
in den vergangenen zwei Jahren über eine Million Menschen neu in Arbeit gebracht. Wir haben jungen Menschen zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten eröffnet.
Damit schaffen wir über den Aufschwung Zukunftschancen. Die Menschen bekommen den Aufschwung
mit, und es wäre gut, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen
würden. Ihre Vorschläge zerstören Perspektive, wir
schaffen Perspektive.
({0})
Ich möchte zunächst einmal im Namen meiner Fraktion dem Bundesfinanzminister gratulieren. Er ist von
der Financial Times zum Finanzminister 2007 gewählt
worden. Dazu unseren herzlichen Glückwunsch.
({1})
- Lieber Herr Westerwelle, Herr Koppelin hat vorhin
darauf hingewiesen, dass beim SPD-Bundesparteitag in
Hamburg zusätzliche Ausgaben von über 10 Milliarden
Euro beschlossen worden sind. Ich möchte Herrn
Steinbrück zusagen: Wir als Unionsfraktion werden alles
dafür tun, dass er seine Titelchance für 2008 wahrt und
dass uns mehr Ausgaben in Deutschland erspart bleiben.
Wir werden uns als Stabilitätsanker der Koalition erweisen.
({2})
Ich darf vielleicht noch einmal den Ausgangspunkt
dieser Koalition deutlich machen, weil hier gesagt wird,
wir hätten noch keinen ausgeglichenen Haushalt. Wir
sind vor zwei Jahren mit einer Unterdeckung unseres
Budgets von 25 Prozent gestartet, und es ist eben von
Herrn Schneider zu Recht darauf hingewiesen worden,
dass wir jetzt bei unter 5 Prozent liegen. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne. Das ist die niedrigste Neuverschuldung, die der Bund seit der Wiedervereinigung
hat. Deshalb sollten wir zunächst einmal sagen: Das ist
eine positive und gute Entwicklung, die wir in den vergangenen zwei Jahren in Gang gesetzt haben.
({3})
Ich will auch darauf hinweisen, dass wir mittlerweile,
gesamtstaatlich gesehen, den Haushaltsausgleich im
Jahr 2007 erreicht haben. Ich sage aber auch: Der Bundesebene müssen jetzt die Länder, Kommunen und Sozialkassen folgen. Wir müssen das Ziel, in 2011 einen
Haushaltsausgleich zu erreichen, ernsthaft ins Auge
fassen. Ein Haushaltsausgleich soll aber nicht nur in
2011, sondern dauerhaft erreicht werden.
({4})
Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir zu Beginn der
Wahlperiode ein - wie ich meine - gutes Konzept vorgelegt, nämlich: sanieren, investieren, reformieren. Der
Haushalt 2008 folgt dieser Linie. Deshalb ist er für die
Menschen auch keine Zumutung; denn durch den Haushalt 2008 werden für die Menschen neue Perspektiven
geschaffen. Daher werden wir diesem Bundeshaushalt
aus fester Überzeugung zustimmen.
({5})
Das Herbstgutachten würdigt den Weg, den wir zurückgelegt haben. Der Titel, den die Sachverständigen
gewählt haben, besagt aber auch - ich will es einmal wie
folgt formulieren -: Wir verspielen das Erreichte, wenn
wir vom eingeschlagenen Kurs abweichen. Deshalb
möchte ich dazu auffordern, dass wir auch in der zweiten
Halbzeit Kurs halten.
({6})
Ich darf einmal auf das hinweisen, was heute in der
Bild-Zeitung steht. Einem kleinen Artikel ist zu entnehmen, dass man eine Umfrage unter 2 000 deutschen Unternehmen gemacht hat. Danach sagt ein Drittel der Unternehmen, dass sie die Absicht haben, in 2008
zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist eine gute
Botschaft für dieses Land. Damit eröffnen wir Zukunftschancen für die Menschen in unserem Land.
({7})
Ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent in 2008 wäre
aus meiner Sicht ein ordentlicher Wert. Das ist insbesondere im Vergleich zur ersten Hälfte dieser Dekade ein
gutes Ergebnis.
Wir werden uns mit einigen Gewitterwolken, die am
Horizont aufziehen, auseinandersetzen müssen: Frühindikatoren, die einen Rückgang anzeigen, dem hohen Öl13414
preis, der Währungsrelation Euro/Dollar und auch der
Nervosität, die mittlerweile an den Börsen eintritt. Wir
werden uns darauf konzentrieren müssen, trotz der Gewitterwolken Kurs zu halten und mehr in Richtung Sanierung, Investitionen und Reformen zu gehen, damit
wir trotz dieser Bedrohungen bei der Beschäftigung und
beim Aufschwung, das heißt: beim Wohlstand für die
Menschen, weiter vorankommen. Wir dürfen die Hände
nicht in den Schoß legen, sondern wir müssen in der
zweiten Halbzeit weiter kräftig arbeiten.
({8})
Ich glaube, dass das, was wir bei der Arbeitslosenversicherung getan haben, richtig war. Ich möchte an dieser
Stelle dem neuen Bundesarbeitsminister, Herrn Scholz,
namens meiner Fraktion zu seinem Amtsantritt ganz
herzlich gratulieren. Wir gehen davon aus, dass wir bei
der Frage, wie man mehr Menschen in Deutschland in
Beschäftigung bringen kann, konstruktiv zusammenarbeiten. Die Zahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen kann
uns nach wie vor nicht zufriedenstellen. An dieser Baustelle müssen wir gemeinsam arbeiten, um das Problem
zu lösen.
({9})
Wir haben einen gewaltigen Schritt vereinbart und
auch umgesetzt, nämlich die Senkung des Beitrags zur
Arbeitslosenversicherung. Dies senkt die Lohnnebenkosten zum ersten Mal auf unter 40 Prozent. Das ist ein
gewaltiger Schritt nach vorne, ein positives Signal für
den Standort Deutschland.
({10})
Er hilft aber auch den betroffenen Menschen. Ein Arbeitnehmer, der 2 500 Euro im Monat verdient, wird aufgrund der beiden Senkungsschritte, die wir beschlossen
haben, um 480 Euro pro Jahr entlastet. Man sollte hier
nicht nur über Belastungen und Zumutungen reden, wie
es vorhin geschehen ist, sondern auch einmal über die
größte Beitragssenkung in der Geschichte der Republik
und darüber reden, dass damit im Geldbeutel der Menschen direkt etwas ankommt. Wir hoffen, dass dies auch
ein Stück weit zur Stärkung der Binnenwirtschaft, die
nach wie vor notleidend ist, beiträgt.
({11})
Es gibt eine weitere Entwicklung, die positiv verläuft,
nämlich die Entwicklung hinsichtlich der Staatsquote.
Wir haben früher sehr intensiv darüber diskutiert. Ich
will darauf hinweisen, dass wir 2008 eine Quote von unter 44 Prozent erreichen werden. Das ist das beste Ergebnis seit drei Jahrzehnten. Das heißt, es gibt auch an dieser Stelle eine positive Entwicklung, indem wir private
Initiative stärken und dafür sorgen, dass mehr Freiheit
und individuelles wirtschaftliches Handeln zu mehr Investitionen und mehr Jobs in Deutschland führen. Deshalb sind wir hier auf dem richtigen Weg.
({12})
Ich habe jetzt viel über das Thema Konsolidierung gesagt. Wir stärken mit diesem Haushalt aber auch die Investitionen, zum Beispiel dadurch, dass wir mehr für den
Verkehr tun. Mehr tun wir darüber hinaus - auch darauf
hat der Kollege Schneider hingewiesen - in dem wichtigen Bereich Forschung und Entwicklung. An dieser
Stelle entscheidet sich, ob die Menschen in Deutschland
auch in Zukunft Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben,
ob unsere Volkswirtschaft auch in Zukunft Wohlstand garantieren kann. Deshalb ist das Geld, das wir hier für Forschung, Entwicklung und Innovationen ausgeben, gut
angelegt.
Wir müssen dem einen einen zweiten Schritt folgen
lassen. An dieser Baustelle setzen unsere Reformen an.
Wir müssen dafür sorgen, dass dem staatlichen Geld privates Geld hinzugefügt wird, damit diejenigen Firmen,
in denen Innovationen stattfinden, wachsen können,
Stichwort „Wagniskapital“. Wir müssen darauf hinwirken, dass innovative Ideen umgesetzt werden. Ich
möchte an dieser Stelle dazu aufrufen, etwas mutiger zu
sein, als wir es bisher gewesen sind, damit Erfolgsgeschichten wie beispielsweise die von SAP auch in diesem Jahrhundert in Deutschland möglich sind, damit
gute Ideen zu großen, weltweiten Erfolgen werden.
({13})
Ich komme auf das Thema „Privathaushalt als Arbeitgeber“ zu sprechen. Meine Fraktion hat dazu vor einigen
Wochen einen Vorschlag vorgelegt. Wir wollen versuchen, legale Arbeit in den Privathaushalten durch bessere steuerliche Rahmenbedingungen und durch eine
übersichtlichere Förderung attraktiver zu machen. Wir
sind jetzt aufgefordert, auch diesen Baustein umzusetzen, um neue Beschäftigungspotenziale im Bereich der
privaten Haushalte zu erschließen und damit letztendlich
einen positiven Return on Investment zu bekommen;
denn durch legale Beschäftigungsverhältnisse fließt
mehr Geld in die Sozialkassen und in die Steuerkassen.
Deshalb glauben wir, dass sich die Umsetzung dieser
Überlegungen für die Menschen, aber auch für den Staat
am Ende rechnen wird.
({14})
Wir möchten, dass die Menschen in diesem Land
nicht nur über ihren Lohn, sondern auch über die Teilhabe an dem Unternehmen, für das sie arbeiten, die
Chance bekommen, an diesem Wohlstandszuwachs, an
diesem Wachstum teilzuhaben. Deshalb diskutieren wir
in der Koalition - wir erhoffen uns auch dort einen Erfolg - über das Thema „Mitarbeiterbeteiligung an den
Unternehmen“. Ich glaube, die Verbesserung dieser
Mitarbeiterbeteiligung bietet Menschen die Chance, an
diesem Aufschwung, an dieser positiven Entwicklung
teilzuhaben. Deshalb setzt sich die Koalition dafür ein,
dass diese Teilhabe gestärkt wird.
Ich möchte auf das Thema Bürokratiekosten eingehen. Bei jedem Gesetz muss jetzt seitens der Bundesregierung darauf hingewiesen werden, welche Ent- oder
Belastung damit verbunden ist. Damit wird auf sauberer
Grundlage zunächst einmal in den Fokus gerückt, welDr. Michael Meister
che bürokratischen Konsequenzen die Verabschiedung
eines Gesetzentwurfs hat. Ich glaube, dass wir damit auf
dem richtigen Weg sind. Ich hoffe und wünsche, Frau
Bundeskanzlerin, dass wir auch bei den von uns verabredeten Zielsetzungen für 2011 - es geht um die Frage
„Welche Informationspflichten und Statistiken bestehen
schon?“ - vorankommen, damit die Unternehmen wirklich von Bürokratie entlastet werden.
Wir haben zwei Mittelstandsentlastungsgesetze auf
den Weg gebracht und verabschiedet. Das dritte soll jetzt
folgen. Ich wünsche mir, dass die Menschen sagen werden: Das ist eine wirkliche Erleichterung. Das, was man
aus einem Rucksack herausgenommen hat, spürt man
nicht mehr. Man spürt immer nur das, was in einem
Rucksack noch vorhanden ist. Wichtig ist, dass man zur
Kenntnis nimmt: Im Bereich Bürokratieabbau ist wirklich etwas vorangebracht worden.
({15})
Ich will abschließend zwei Themen ansprechen, die
aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung sind.
Es geht zunächst einmal um das Thema Public-Private Partnership. An dieser Stelle haben wir die
Chance, bessere Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Öffentlichen und Privaten zu setzen. Herr
Kollege von Stetten leitet eine Querschnittsarbeitsgruppe unserer Fraktion. Ich weiß, dass mit den Kollegen der SPD-Fraktion ein intensiver Dialog dazu stattfindet. Wir versuchen, noch bestehende Hindernisse zu
beseitigen und die Möglichkeit zu schaffen, dass mehr
öffentlich-private Partnerschaften gelebt werden. Damit
können wir auch im Bereich der Infrastruktur vorankommen. Trotz der Stärkung, die wir im Bundeshaushalt vornehmen, haben wir dort nach wie vor riesige Defizite.
Zur Nachhaltigkeit gehört, eine ordentliche Infrastruktur
aufzubauen und sie für künftige Generationen zu bewahren. Deshalb wollen wir auch an diesem Punkt etwas auf
den Weg bringen.
({16})
Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Föderalismuskommission II. Ich glaube, dass wir es an dieser
Stelle - mit dieser Koalition und angesichts der Situation, dass alle öffentlichen Körperschaften tendenziell
ausgeglichene Haushalte haben - mit einer historischen
Chance zu tun haben: Wir können jetzt dafür sorgen,
dass wir das, was wir 40 Jahre lang falsch gemacht haben, nämlich immer neue Schulden zu machen, durch
eine gemeinsame Vereinbarung von Bund und Ländern
unterbinden, damit die künftigen Generationen nicht zusätzlich belastet werden. Dadurch erreichen wir das, was
auch Sie erreichen wollen, Herr Koppelin: nicht nur die
Begrenzung der Neuverschuldung und eine Debatte über
die Schulden, die in der Vergangenheit angehäuft worden sind, sondern auch die Rückzahlung der vorhandenen Schulden.
({17})
In den nächsten beiden Jahren haben wir die Chance,
dieses Ergebnis zu erreichen. Dies sollten wir uns im Interesse künftiger Generationen, im Interesse von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit vornehmen;
wir dürfen diese einmalige Chance nicht vertun.
Ich bitte Sie alle, sowohl beim Haushalt 2008 als auch
bei diesem Zukunftsprojekt mitzuwirken. Herzlichen
Dank an den Finanzminister, aber auch an die Haushälter
der Koalition, die für den Haushalt 2008 Großes geleistet haben!
Danke schön.
({18})
Die Kollegin Anja Hajduk ist die nächste Rednerin
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und
Kolleginnen! Lieber Herr Kauder!
({0})
Ich will hier für die grüne Fraktion zum Haushalt Stellung beziehen
({1})
und will zunächst einmal auf das sogenannte 60-Milliarden-Euro-Paket eingehen, weil ich nicht kneifen, sondern - im Gegenteil - Missverständnissen vorbeugen
und auch ein bisschen Interpretationshilfe geben will.
({2})
Mehr als die Hälfte von den von meiner Partei beschlossenen 60 Milliarden Euro, die über einen mehrjährigen Zeitraum verausgabt werden sollen, nämlich 30 bis
35 Milliarden Euro, wollen wir in die Bildungsinfrastruktur investieren.
({3})
Wir wollen damit unseren unterdurchschnittlichen Platz
unter allen OECD-Ländern in der Bildungsfinanzierung
verlassen
({4})
und einen richtigen Sprung machen. Vielleicht werden
wir noch nicht an Norwegen und Schweden anschließen
können; aber wir wollen es mit diesen 30 Milliarden
Euro schaffen, bei den öffentlichen Bildungsinvestitionen einen deutlichen Sprung nach vorn zu machen.
({5})
Ich frage Sie: Wer von Ihnen ist dagegen, dass wir diesen Weg gehen? Herr Steinbrück, sind Sie dagegen?
Sind Sie von der CDU/CSU dagegen? Sind Sie von der
SPD dagegen? Ich denke, niemand.
({6})
Man muss diese Mittel durch Umschichtung gegenfinanzieren. Dieses Prinzip gilt für die Grünen. Dazu sage
ich Ihnen eines: Wir müssen eine solche Umschichtung
in Bildungsinvestitionen vornehmen, wenn wir in Anbetracht der demografischen Herausforderungen die öffentlichen Mittel effizienter einsetzen wollen. Dies können wir Grüne gar nicht alleine stemmen; dazu brauchen
wir Bund, Länder und Gemeinden.
({7})
- Sie sollten jetzt einmal etwas ruhiger werden und zuhören, weil dies ein Thema ist, das auch unsere Gesellschaft bewegt.
({8})
Wir brauchen hier auch einen großen Sprung in der
Föderalismuskommission; denn diese Aufgabe, was
die Bildung angeht, müssen insbesondere Länder und
Kommunen finanzieren. Ich erwarte von der Föderalismuskommission, dass die Bockigkeit eines niedersächsischen Finanzministers und die Bockigkeit eines hessischen Finanzministers aufgegeben wird und wir eine
einheitliche Bundessteuerverwaltung bekommen, die
laut Bundesrechnungshof einen um 14 Milliarden Euro
effizienteren Mitteleinsatz ermöglicht.
({9})
Über so etwas muss auch einmal in diesem Hause geredet werden, nicht nur über kleine Karos. Das sage ich an
dieser Stelle ganz selbstbewusst.
({10})
- Ich bitte die Kollegen von der FDP um ein bisschen
mehr Mäßigung bei ihrer Kritik an uns. Wir haben uns
noch nie gescheut, unsere haushaltspolitischen Vorstellungen zusammen mit unserer Steuerpolitik zu vertreten.
Sie aber reden immer nur von Haushaltsausgleich und
lassen Ihre steuerpolitische Nettoentlastung, die noch
mehr Schulden brächte, erst einmal weg.
({11})
- Da klatscht auch die Union. - Bringen Sie das erst einmal zusammen und verhalten Sie sich uns gegenüber etwas maßvoller.
Wir Grünen stehen dazu, dass wir am Wochenende
beschlossen haben - ein Punkt davon ist auch in die aktuelle Haushaltsplanung für 2008 eingegangen -, bei der
Existenzsicherung die Regelsätze für das Arbeitslosengeld II zum Zwecke der Armutsbekämpfung zu erhöhen.
Ja, das machen wir; dafür kann uns die SPD gerne kritisieren. Da sind Sie wohl falsch beraten; darauf komme
ich später noch zurück.
({12})
Für meine Partei gilt: Alles, was wir vorgeschlagen haben - das ist auch Gegenstand des Beschlusses -, wollen
wir gegenfinanzieren. Wir haben keine Angst, den Bürgerinnen und Bürgern auch zu sagen, wo wir umschichten wollen.
Ich komme jetzt zum Haushalt 2008. Die Ausgaben
steigen in diesem Haushalt um 4 Prozent, die Einnahmen
um 2,7 Prozent. Daran kann jeder erkennen, dass in gutem konjunkturellen Umfeld keine Vorsorge für schlechtere Zeiten getroffen wird, sondern Mehrausgaben produziert werden. An dem, was die Kollegen aus der
Großen Koalition seit September gemacht haben, ist erkennbar, dass die Höhe der Ausgaben, nämlich 283 Milliarden Euro, vom Anfang bis zum Ende der Beratungen
exakt gleichgeblieben ist.
({13})
Die Nettokreditaufnahme wurde um 1 Milliarde Euro
gesenkt, weil zum Glück mehr Steuereinnahmen da sind;
sonst hätten Sie die Kraft dazu gar nicht gehabt. Das entspricht ziemlich genau der Steuermehreinnahme. Was
Sie dann gleich wieder großzügig ausgeschüttet haben,
sind die anderen Windfall Profits, unter anderem dadurch, dass Sie auf eine konjunkturelle Entlastung bei
der Rentenversicherung setzen und mit weniger Zinsausgaben rechnen. Sie haben sich innerhalb dieser Beratungen rund 1 Milliarde Euro Mehrausgaben genehmigt.
({14})
Das ist ein Beweis von Schwäche, und das konterkariert
Ihre Aussagen, Herr Kampeter und Herr Schneider, das
muss ich leider sagen.
({15})
Wenn man Windfall Profits in guten Zeiten ausgibt,
dann muss man sich doch einmal Folgendes vergegenwärtigen: Wenn die Konjunktur schwächer wird, dann
werden die Einnahmen sinken und die Ausgaben im Bereich des Arbeitsmarkts und bei der Rente wieder ansteigen. Dafür muss man Vorsorge treffen.
({16})
Deswegen muss man eine strukturelle Gesundung des
Haushalts herbeiführen. Wissen Sie, was Sie machen?
Eine sehr genaue Betrachtung des Haushalts 2007 und
des Haushalts 2008 zeigt, dass Sie im Haushalt 2007
Folgendes erreichen werden: eine Nettokreditaufnahme
von 14,4 Milliarden Euro.
Wenn Sie die Privatisierungserlöse hinzurechnen, die
Sie in diesem Jahr nach Ihrem Nachtragshaushalt erreichen wollen, dann werden Sie sozusagen ein strukturelles Defizit von 19 Milliarden Euro haben, das sich durch
Privatisierungserlöse plus Nettokreditaufnahme errechnet. Bilden Sie die Summe der Privatisierungserlöse und
der Nettokreditaufnahme im Haushalt 2008, so erreichen
Sie über 22 Milliarden Euro. Das heißt, das strukturelle
Defizit im Bund liegt in 2007 unter 20 Milliarden Euro,
in 2008 aber deutlich über 20 Milliarden Euro. Ist das
strukturelle Gesundung eines Haushalts, Herr Steinbrück?
Das können Sie doch nur Leuten erzählen, die nicht
rechnen können, oder Sie sagen nicht die Wahrheit.
({17})
Sie sind hier nicht auf einem richtigen Konsolidierungspfad, sondern segeln mit konjunkturellem Rückenwind,
und das ist mit Blick auf die Zukunft zu wenig.
({18})
- Das sind keine Scheinrechnungen; das ist Ihr Nachtragshaushalt.
({19})
Jetzt möchte ich gern weitersprechen, auch wenn es
Herrn Poß wehtut, und auf die Gesamtstrategie Ihrer
Haushaltspolitik eingehen.
({20})
Herr Kollege Poß, ich glaube, Sie bekommen noch
die Gelegenheit, ausführlicher darzustellen, was Ihnen
an den Darlegungen alles nicht gefällt, sodass wir jetzt
vielleicht doch Frau Hajduk die Gelegenheit zu einem
zusammenfassenden Vortrag geben sollten.
({0})
Ich möchte weiterreden und bitte darum, dass die
Große Koalition erträgt, wenn die Opposition hier etwas
vorzutragen hat. Dann seien Sie doch einmal ganz ruhig!
({0})
Seit Regierungsbeginn haben Sie Steuermehreinnahmen in Höhe von 48 Milliarden Euro. Insofern müssen
Sie einmal erklären, warum diese 48 Milliarden Euro
nicht ausreichen, um ein Haushaltsdefizit von 30 Milliarden Euro zu schließen. Wir verlangen nicht, dass Sie
das schon in 2008 schaffen. Wir verlangen aber von
Ihnen, dass Sie einen großen Schritt machen, der nicht
nur eine Minireduzierung der Schuldenaufnahme auf
11,9 Milliarden Euro vorsieht - 2009 sollen es dann
10,5 Milliarden Euro werden -; nein, wir schlagen Ihnen
eine Halbierung der Nettokreditaufnahme auf rund 6 bis
7 Milliarden Euro vor, damit noch in dieser Legislaturperiode, nämlich in 2009, ein Haushaltsausgleich erreicht werden kann. Sie wollen diesen Haushaltsausgleich bis 2011 schleppen; ich halte das für eine riskante
Wette auf die Konjunktur. Bei den vier guten Jahren, die
Sie haben, hätte die Große Koalition mehr schaffen müssen.
({1})
Folgendes aber ist wichtig: Hören Sie auf, den Haushalt auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme zu
entlasten. Sie haben das schon ganz am Anfang der Legislaturperiode gemacht. Damals haben Sie über 2 Milliarden Kosten vom Haushalt in die Rentenkasse verschoben, um die Rentenbeiträge der Arbeitslosengeld-IIEmpfänger finanzieren zu lassen.
Heute haben Sie sich hier für die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung sehr gefeiert.
10,8 Milliarden Euro ist die zusätzliche Belastung für
die Bundesagentur für Arbeit im nächsten Jahr. Das
kommt zustande, weil Sie fragwürdige Verlagerungen
aus dem Bundeshaushalt in den Agenturhaushalt vornehmen und weil Sie den Beitragssatz auf 3,3 Prozent senken. Ich habe hier immer die Meinung vertreten, dass
das Senken der Beitragssätze zu den Sozialversicherungen im Prinzip richtig ist, aber Sie müssen doch zur
Kenntnis nehmen, Frau Merkel - Herrn Steinbrück ist
das doch persönlich von Herrn Rürup gesagt worden,
wenn ich richtig unterrichtet bin -: Alles das, was Sie in
der Koalitionsrunde zum Bereich Arbeitsmarktpolitik
beschlossen haben, war falsch.
Sie bringen die Bundesagentur durch die übermäßige
Senkung des Beitragssatzes auf 3,3 Prozent und durch
zusätzliche Belastungen in eine Situation, dass, sobald
sich die Konjunktur eintrübt, im Konjunkturabschwung
der Beitragssatz wieder erhöht werden muss. Das war
genau die Bedingung, Herr Steinbrück, unter der Sie zugestimmt haben. Sie wollen nämlich verhindern, dass
wieder Forderungen auf den Haushalt zukommen.
Um im Konjunkturhoch bei den Lohnnebenkosten irgendwie unter 40 Prozent zu kommen, führen Sie eine
Situation herbei, in der Sie bei einer konjunkturellen
Eintrübung im Abschwung den Beitragssatz erhöhen
müssen. Das ist doch keine vernünftige Politik. Das ist
nicht die Argumentation allein von Anja Hajduk oder
von den Grünen; das ist die Argumentation vom Sachverständigenrat. Deswegen ist die einseitige Belastung
der Sozialversicherungen, durch die Sie sich gesundrechnen, nicht glaubwürdig und nicht nachhaltig.
({2})
Ich möchte zu unseren grünen Alternativen kommen.
Wir Grünen schlagen Ihnen einen Zukunftshaushalt vor,
bei dem wir die Nettokreditaufnahme senken, und zwar
um die Hälfte.
({3})
Prioritäten für Bildung und Sozialpolitik sind in unserem
Finanztableau gegenfinanziert. Diejenigen, die hier immer rufen, gerade aus der SPD - darüber wundere ich
mich -,
({4})
dass das Luftbuchungen seien, frage ich: Wollen Sie
denn nicht darum kämpfen - da bin ich mit Ihrem Finanzminister vielleicht sogar mehr einig -, dass klimaschädliche Subventionen für die gewerbliche Wirtschaft
zurückgeführt werden und stattdessen lieber in Bildung
investiert wird?
({5})
Wollen Sie sich nicht auf diesen Weg machen? Wollen
Sie das wirklich „Luftbuchungen“ nennen? Herr Poß,
das ist doch ein sozialdemokratisches Armutszeugnis!
Sie können im Haushalt 2008 einen Subventionsabbau in Höhe von 3,7 Milliarden Euro leisten. Ich weiß,
dass ich mit Herrn Steinbrück nie einig werde, was die
Kohlesubventionen angeht.
({6})
Sie haben im Steinkohlefinanzierungsgesetz eine zusätzliche Ausnahmeregelung zugunsten der RAG gerade
noch eingefügt, nach der nicht die Weltmarktpreise Maßstab für die Höhe der Subventionen sind. Sie haben einen zusätzlichen Ausnahmetatbestand geschaffen, durch
den die RAG entlastet wird. Das summiert sich auf
700 Millionen Euro. Ich weiß, dass auch viele SPD-Mitglieder im Haushaltsausschuss da Bauchschmerzen hatten. Wir plädieren nicht für einen Subventionsabbau bei
der Kohle nach dem Motto „Von heute auf morgen ist
Schluss“, aber wir argumentieren im Sinne der Steuerzahler und nicht im Sinne der RAG, und das ist verantwortungsvoll.
({7})
Wir legen einen Klimaschutzhaushalt vor, der es
über die Finanzplanperiode ermöglicht, Subventionen in
erheblichem Maße abzubauen. Das summiert sich auf
28 Milliarden Euro. Ich fordere Sie auf, sich das anzuschauen! 28 Milliarden Euro Subventionsabbau - dabei
geht es gerade auch um umweltschädliche Subventionen
- und Neuinvestitionen von über 10 Milliarden Euro da wollen wir gar nicht kleckern; da wollen auch wir
klotzen -, das schafft eine Win-win-Situation. Das erste
„win“ bezieht sich auf das Klima. Dann gibt es noch das
zweite „win“: Damit schaffen wir auch einen Gewinn für
die öffentlichen Kassen, und zwar ebenso in Höhe eines
zweistelligen Milliardenbetrags.
({8})
Gerade Sie, Frau Merkel, die Sie sich das Thema Klimaschutzpolitik ja so gern zu Herzen nehmen, fordere
ich auf: Nehmen Sie sich unseren Klimaschutzhaushalt
zu Herzen! Dann kommen Sie weiter.
({9})
Für die Grünen gilt das Prinzip: Gegenfinanzierung
ist wichtig. Gegenfinanzierung ist nicht einfach. Da
muss man bereit sein, sich mit bestimmten Lobbys anzulegen. Das sollte Maßgabe für eine gute Politik sein. Unsere für die Kinderbetreuung vorgesehenen Mittel sind
durch eine Reform des Ehegattensplittings gegenfinanziert. Unsere Entwicklungshilfeausgaben sind durch die
Idee einer Ticket-Tax gegenfinanziert, wogegen man
wohl nichts haben kann. Zum Subventionsabbau habe
ich schon genügend gesagt.
Der Bundesfinanzminister hat sich im Handelsblatt
dazu geäußert, dass der Haushalt ausgeglichen werden
soll. Sie schlagen vor, dass das im Jahr 2011 erfolgen
soll; wir fordern das für das Jahr 2009. Sie sagen, wenn
das nicht gelinge, bedeute das einen großen Kompetenzverlust im Hinblick auf die Regierung. Ich glaube, dies
würde nicht nur für die Große Koalition, sondern für die
Politik insgesamt gelten.
Deswegen mahne ich Sie: Wir brauchen eine Schuldenbremse, sodass es zukünftig nicht gestattet ist, in
konjunkturell guten Zeiten die Ausgaben so wachsen zu
lassen, wie das leider im Moment geschieht.
({10})
Ich muss leider feststellen, dass Sie Ihre Ansprüche,
zwei Drittel der zusätzlichen Steuereinnahmen in die
Schuldentilgung zu stecken und nur ein Drittel zu investieren, nicht einhalten. Sie landen höchstens bei fiftyfifty. Insofern sage ich Ihnen noch einmal: Wir brauchen
einen wirklichen Mentalitätswandel, der darin besteht, in
guten Zeiten Überschüsse zu erzielen. Nur innerhalb der
Großen Koalition auf einen gemeinsamen Nenner zu
kommen, reicht nicht aus.
Wir dürfen die Reformdividende der Vorgängerregierung nicht verspielen, hat die Kanzlerin gesagt. Deswegen fordere ich Sie mit Blick auf den Arbeitsmarkt - ich
erinnere an die Verlängerung der Bezugsdauer des
Arbeitslosengeldes I; darüber wird am Donnerstag zu reden sein - auf, keine kontraproduktiven Entscheidungen
zu treffen. Es wird vielmehr darum gehen, die Menschen
weiter dazu zu aktivieren, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Wir Grünen stehen - das habe ich zu Beginn meiner
Rede gesagt - zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes II.
Frau Kollegin!
Ich komme zum Schluss. - Wir stehen dazu nicht, um
Transferleistungen auszuzahlen, sondern, um Existenzen
zu sichern. Wenn man das erfolgreich umsetzen will,
braucht man dazu die Einführung eines Mindestlohnes.
Ich freue mich schon, am Donnerstag über die lückenhafte Arbeitsmarktpolitik der Großen Koalition weiterzudiskutieren.
Ich danke Ihnen.
({0})
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Vor 400 Jahren hat ein britischer
Staatsphilosoph und Aufklärer, nämlich Thomas
Hobbes, gesagt, dass für den Wohlstand der Menschen
zweierlei Dinge nötig sind: Arbeit und Sparsamkeit. Das
war vor 400 Jahren und ist bis auf den heutigen Tag richtig und gültig. Wir würden das heute vielleicht etwas anders bezeichnen; wir würden von Wachstum und Beschäftigung sowie von Haushaltskonsolidierung reden.
Aber diese Vorgabe wurde schon vor 400 Jahren gemacht. Ich denke, dass die Arbeit der Großen Koalition
jenseits der sehr selektiven Wahrnehmung, die in Oppositionsreden immer eine Rolle spielt, in den letzten zwei
Jahren auf zwei Gebieten eine durchaus erfolgreiche
Bilanz vorzuweisen hat.
Zum Faktor Arbeit. Als Hartz IV eingeführt wurde,
gab es 5,08 Millionen Arbeitslose. Als die Große Koalition die Regierung übernahm, gab es 4,53 Millionen Arbeitslose. Heute sind laut Oktoberstatistik 3,43 Millionen Menschen arbeitslos. 1,5 Millionen Menschen mehr
- bedenken Sie, was das für deren Familien bedeutet sind in Lohn und Brot im Vergleich zu dem Zeitpunkt,
als Hartz IV eingeführt wurde. Wir haben über 1,1 Millionen Arbeitslose weniger als zu dem Zeitpunkt, als
diese Regierung im November 2005 ihr Amt übernahm.
({0})
Wir haben zwischen Januar 2006 und Oktober 2007
insbesondere bei den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - sprich: bei den 50- bis 65-Jährigen - die
Arbeitslosenzahl um 400 000 abbauen können. Die Arbeitslosenzahl ist bei diesen Menschen von ungefähr
1,2 Millionen auf 800 000 heruntergegangen. Wir haben
gerade bei diesen Älteren die Erwerbstätigenquote - dies
gilt mehr denn je vor dem Hintergrund unserer demografischen Entwicklung und der uns willkommenen Fachkräfte - auf 52 Prozent anheben können, womit wir langsam wieder Anschluss an die Spitzenposition in Europa
im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden.
({1})
Viel wichtiger, als es diese Zahlen ausweisen - einschließlich der guten Perspektiven, die Herr Meister aufgrund der jüngsten Angaben der deutschen Wirtschaft
und deren Bereitschaft, zusätzliche Arbeitsplätze zu
schaffen, zum Ausdruck gebracht hat -, ist, dass es Millionen von Frauen und Männern gibt, die weniger Angst
haben müssen, den Job zu verlieren, den sie haben.
({2})
Das alles spielt in den Reden von Frau Lötzsch, aus
sehr durchsichtigen Gründen, keine Rolle. Aber dies ist
eine Teilhabe - in meinen Augen noch nicht zureichend,
aber immerhin - breiter Bevölkerungsschichten an dem
Aufschwung, an dem diese Bundesregierung mitgewirkt
hat.
Zweites Stichwort: Sparsamkeit. In diesem Parlament ist vor etwas mehr als anderthalb Jahren - wegen
des Zeitverzuges aufgrund der Bundestagswahl - ein
Haushalt debattiert worden, bei dem wir über eine Nettokreditaufnahme im Soll von 38,2 Milliarden Euro gesprochen haben.
({3})
Zwei Jahre später soll das Soll 11,9 Milliarden Euro betragen. Da bitte ich doch um ein etwas ausgewogeneres
Bild kritischer Darstellung der Oppositionsfraktionen.
({4})
Wir haben - für diejenigen, die Soll und Ist gerne unterschieden haben wollen - die Nettokreditaufnahme im
Haushaltsplanentwurf dieses Jahres von 38,2 Milliarden
Euro auf 14,4 Milliarden Euro gesenkt; im nächsten Jahr
sind es 11,9 Milliarden Euro. Wahrscheinlich wird das
diesjährige Ist ziemlich identisch mit dem Soll sein, also
das faktische Ergebnis von 2007 mit dem, was geplant
ist.
({5})
Wir haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine gesamtstaatliche Defizitquote von null in der Bundesrepublik Deutschland aufzuweisen.
({6})
Wir haben es mit positiven Finanzierungssalden der
Länder und der Kommunen sowie mit Rücklagenbildungen und Entschuldungen der sozialen Sicherungssysteme zu tun. Das darf in einer Rede vorkommen, Herr
Koppelin, unabhängig davon, dass die Rede immer nach
demselben Muster läuft, seitdem ich hier das erste Mal
ein Ministeramt übernehmen durfte.
Wir haben es inzwischen mit einer Steuerquote in
Deutschland zu tun, die im guten Mittelfeld Europas
liegt und daher mit Blick auf den Wettbewerb von Steuersystemen, wie ich glaube, Frau Lötzsch, wichtig ist,
um die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland zu erhalten.
Wir haben es mit einer Staatsquote zu tun - also bezogen auf das, was der Staat von der Wirtschaftsleistung in
Anspruch nimmt -, die in diesem Jahr wahrscheinlich
geringer sein dürfte als die Staatsquote des Vereinigten
Königreiches, also der Briten.
Wir haben es mit einer sinkenden Sozialversicherungsabgabenlast zu tun. Herr Meister hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Lohnzusatzkosten gestiegen
sind.
({7})
- Gesunken sind; das ist eine wichtige Verbesserung.
({8})
Ich könnte die Reihe der Beispiele fortsetzen; aber
das läuft dann vielleicht in einer Art Huberei auf eine
Bilanzierung hinaus, die zu langatmig ist und langweilig
wirkt. Aber mir ist daran gelegen, dass diese Realitäten
auch in einer politischen Auseinandersetzung nicht aus
dem Auge verloren werden.
({9})
Natürlich weiß ich, dass eine robuste konjunkturelle
Entwicklung dabei nach wie vor hilfreich ist. Niemand
bestreitet das. Niemand steckt sich da fremde Federn an
den Hut oder an irgendeinen anderen Teil, den er trägt.
({10})
Aber man darf darauf hinweisen, dass die Strategie der
Bundesregierung und der Großen Koalition - Sanieren,
Reformieren, Investieren - aufgegangen ist, und man
darf darauf hinweisen, dass das, was ich als die finanzund wirtschaftspolitische Doppelstrategie bezeichnet
habe - auf der einen Seite Impulse für Wachstum und
Beschäftigung zu setzen und eben nicht jeden Euro nur
in die Absenkung der Nettokreditaufnahme zu stecken,
({11})
aber auf der anderen Seite zu konsolidieren -, erfolgreich gewesen ist.
Dies belegen auch einige, die die Bundesregierung
gegebenenfalls durchaus kritisch ansprechen. Der Sachverständigenrat hat uns eine ganze Reihe von Mahnungen mit auf den Weg gegeben. Das stelle ich gar nicht in
Abrede, Frau Hajduk. Aber dann darf man den Sachverständigenrat auch zitieren, wenn er ausdrücklich den
Beitrag der Politik zu der derzeitigen guten Verfassung
der deutschen Wirtschaft lobt.
({12})
Ich zitiere:
Die Politik hat mit zum Teil sehr weit reichenden
Reformen auf den Feldern der Besteuerung, des
Arbeitsmarktes und der Sozialen Sicherung zum
wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen …
Im Übrigen sieht der Sachverständigenrat auch klare
Hinweise - daran ist mir sehr gelegen - auf eine tiefgehende, nicht nur zyklische Erholung unserer Wirtschaft.
Dies hat die Bundesbank auszurechnen versucht: Wie
entwickelt sich diese Wirtschaft stetig, auch jenseits von
Inflationsentwicklungen, in ihrem sogenannten Potenzialwachstum? Es hat viele Wirtschaftswissenschaftler
gegeben, die bedenklich eingeschätzt haben, vor fünf
Jahren sei das Potenzialwachstum in Deutschland auf
1 Prozent zurückgegangen. Heute stellt die Bundesbank
dar, dass dieses Potenzialwachstum inzwischen bei
1,75 Prozent liegt. Das bedeutet, dass der nächste konjunkturelle Abschwung - der kommen wird; das haben
Konjunkturen so an sich - nicht wieder auf ein so niedriges Niveau sinkt, dass wir erkennbar dieselben Schwierigkeiten zu vergegenwärtigen haben wie in den Jahren
2003, 2004 und 2005.
Ich will es mit anderen Worten sagen: Die deutsche
Wirtschaft ist gegenüber negativen konjunkturellen Einflüssen sehr viel widerstandsfähiger geworden, und sie
ist sehr viel wettbewerbsfähiger. Das begründet meine
Annahme, die sich aus einer realistischen Betrachtung
ergibt, dass der Aufschwung durch die höheren Risiken
in seiner Dynamik zwar etwas eingetrübt wird, wir es
aber nach wie vor mit einer robusten konjunkturellen
Erholung zu tun haben.
({13})
Wir sollten uns in diesem Zusammenhang nicht um
Kopf und Kragen reden. Dass die Stimmungslage - das
ist eine deutsche Neigung - innerhalb von drei, vier Monaten zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt schwankt, ist furchtbar. Etwas mehr Stetigkeit und
etwas mehr Kontinuität in den Einschätzungen sowie etwas mehr Selbstbewusstsein täten uns ganz gut. Wir
müssen betrachten, was gelungen ist, und nicht nur, was
misslungen ist.
({14})
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Bürger erwarten, dass wir den Haushalt konsolidieren. Sie gehen
dabei ziemlich stark von ihren privaten Lebensbedingungen aus. Sie sagen: Man kann nicht auf Dauer mehr ausgeben, als man eingenommen hat.
({15})
Sie sagen klipp und klar: Ich muss Schulden irgendwann
einmal zurückzahlen. Warum sollen die öffentlichen
Haushalte sie nicht zurückzahlen? Sie sagen: Gegebenenfalls müssen Anschaffungen je nach Portemonnaielage verschoben werden. Sie sagen: Meinen Kindern
soll es eines Tages besser gehen. Deshalb sind sie auch
bereit, etwas in die Ausbildung ihrer Kinder zu investieren.
({16})
- Das tun wir ja. Das tun wir alles.
({17})
Gegebenenfalls kommen sie manchmal zu dem Ergebnis, dass eine gewisse Vorsorge für das Alter, für die
Pflege und für die Gesundheit wichtiger ist als die Erfüllung des gegenwärtigen Wunschzettels.
({18})
Manchmal verhalten sie sich rationaler als wir Politiker.
Ich rufe noch einmal in den Raum: Schließt Riester-Verträge ab! Fast 10 Millionen Riester-Verträge wurden
schon abgeschlossen.
({19})
Auch wenn diesbezüglich mit vielen Oppositionspolitikern ewig ein Dissens bestehen wird, bedeutet das, dass
es richtig gewesen ist, dass die Bundesregierung für beBundesminister Peer Steinbrück
stimmte Schwerpunkte mehr Geld ausgegeben hat. Die
Tatsache, dass wir dieses Geld ausgegeben haben, war
nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich und strategisch.
({20})
Frau Hajduk, Sie fragen ewig: Wie hoch waren die
Steuermehreinnahmen? Könnten Sie die Nettokreditaufnahme ein oder zwei Jahre eher auf null fahren? - Nein!
Wir fanden es richtig, mehr für Forschung und Entwicklung auszugeben. Wir fanden es richtig, mehr für die Infrastruktur auszugeben. Wir fanden es richtig, dass wir
mehr für Kinderbetreuung und für das BAföG - wir
brauchen eine höhere Akademikerquote - ausgeben. Wir
fanden es richtig, dass wir im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen mehr für die Entwicklungshilfe
ausgegeben haben. Ja, all das ist von dieser Bundesregierung gewollt und reduziert den Spielraum für eine Reduzierung der NKA.
({21})
Erlauben Sie mir einen Hinweis: Ich habe gehört, dass
auf dem Parteitag der Grünen ein Zusatzprogramm mit
einem Volumen von 60 Milliarden Euro aufgelegt
wurde; übrigens einschließlich einer Erhöhung der
ALG-II-Regelleistungen um insgesamt 5 Milliarden Euro.
Ich finde es bemerkenswert, dass Sie mir mal eben über
den Tisch hinweg sagen, dass Sie in der Lage sind, die
Nettokreditaufnahme zu halbieren. Bevor Sie mir Anweisungen geben, wie ich die Nettokreditaufnahme reduzieren kann, müssen Sie mir erzählen, wie Sie die
60 Milliarden Euro gegenfinanzieren wollen.
({22})
Die Gegenfinanzierungsvorschläge sind sehr windig.
Angesichts dessen ist es, das muss ich ehrlich sagen,
couragiert, der Bundesregierung zu empfehlen, die NKA
mal eben auf 6 Milliarden Euro herunterzufahren. Das
war ein sehr mutiger Auftritt angesichts des Beschlusses
auf Ihrem Bundesparteitag.
({23})
Wir werden einiges auch in der fünften oder sechsten
Debatte nicht vom Tisch kriegen. Insofern sollten wir
das endlich einmal abhaken. Herr Koppelin und andere
von Ihnen wissen genau, dass das Ausgabenwachstum
auf drei Sondereffekten beruht, insbesondere dem einmaligen Zusammenlaufen von Erziehungsgeld und Elterngeld. Sie wissen natürlich auch, dass, wenn der BA
ein Mehrwertsteuerpunkt gegeben wird, es zu einer Teilhabe an der Dynamik des aufwachsenden Mehrwertsteuerpunktes kommt, wir also 1,1 Milliarden Euro mehr
überweisen müssen.
Ich habe schon einmal gesagt, dass die Rechnung
ganz einfach ist: Ich gebe Herrn Koppelin 20 000 Euro
als Spende an die FDP.
({24})
Und Sie leiten diese Spende natürlich, treu wie Sie sind,
an die FDP weiter. Das erhöht zwar Ihre Ausgaben, aber
Sie haben gar nichts davon.
Herr Minister, ich empfehle Ihnen aber dringend, bevor Sie dem Gedanken nähertreten, die Vereinbarkeit mit
dem Parteiengesetz noch einmal sorgfältig zu prüfen.
({0})
Ich werde mich streng danach richten, Herr Präsident,
und Sie vorher informieren.
Ich will auf Folgendes hinaus: Ja, wir sollten uns darauf einstellen, dass sich die sehr gute Entwicklung in
den Jahren 2006 und 2007 im Jahr 2008 nicht mehr in
dieser Dynamik darstellen wird. Sie wissen um die Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Sie wissen über die
Energiepreissteigerung Bescheid. Sie wissen, dass es in
der Tat zumindest in den USA eine Entwicklung gibt,
die dazu führt, dass man darauf setzen, vielleicht eher
hoffen muss, dass es aufgrund der Entwicklung in Asien
zu kompensatorischen Effekten kommt. Aber dieses Parlament sollte sich sehr bewusst sein, dass die zukünftigen Steuerschätzungen nicht mehr denselben Spielraum
vorsehen wie die vergangenen. Das bedeutet: Um diese
Doppelstrategie aufrechtzuerhalten, ist es in meinen Augen unvermeidlich und für diese Große Koalition von
konstitutiver Bedeutung, die Ziellinie einer Nettokreditaufnahme von null spätestens 2011 zu erreichen.
({0})
Ich plädiere sehr dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine
neue Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen
wird, die die Funktion eines Deckels hat, damit eine ähnliche Spiralbewegung wie in den vergangenen Jahrzehnten - übrigens zulasten der jungen Menschen; auch sie
hören uns hier zu - nicht wieder in Gang gesetzt wird.
({1})
Die Staatsverschuldung ist eine Verletzung der Generationengerechtigkeit. Darüber müssen wir uns, die wir
in dieser Generation die Verantwortung tragen, sehr bewusst sein. Denn es ist die folgende Generation, die in
der Zukunft andere Optionen hat als wir, weil sie den
Kapitaldienst für Schulden in Höhe von 1,5 bis
1,6 Billionen Euro zu leisten hat.
Insgesamt stelle ich fest, dass die Bundesregierung
mit ihrer Haushalts- und Finanzpolitik auf einem guten
Weg ist.
({2})
Wir sind noch längst nicht am Ziel angekommen, aber
wir sind diesem Ziel in den ersten zwei Jahren dieser
Großen Koalition sehr viel näher gekommen.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort erhält nun der Kollege Hermann Otto Solms
für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Steinbrück, bei einer Politik, die Schulden
zu reduzieren und den Haushalt dauerhaft zu sanieren,
hätten Sie die FDP-Opposition voll auf Ihrer Seite. Aber
das rosige Bild, das Sie hier zeichnen, hält doch den
Fakten, die wir in Ihrem Finanzbericht lesen können,
überhaupt nicht Stand.
({0})
Ich will nur einmal daran erinnern, wie das Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben aussieht. In dieser Legislaturperiode sind die Einnahmen durch dramatische Steuererhöhungen insgesamt um 47 Milliarden
Euro gestiegen. Die Neuverschuldung ist nur um
19 Milliarden Euro zurückgeführt worden. Was ist denn
mit den restlichen 28 Milliarden Euro passiert? Das ist
doch kein Sparvorgang gewesen. Sie haben vielmehr mit
vollen Händen Geld ausgegeben.
({1})
Das sind doch keine Sparpolitik und keine seriöse Haushaltspolitik.
Sie haben hier von Wunschzetteln gesprochen. Es
stimmt: Mit ihrer Forderung nach Mehrausgaben in
Höhe von 60 Milliarden Euro haben sich die Grünen aus
einer ernstzunehmenden ökonomischen Diskussion entfernt; sie sind den Linken nähergekommen, von uns haben sie sich entfernt.
({2})
Wenn Sie jedoch zusammenrechnen, was die Mitglieder
Ihres Kabinetts an Mehrausgaben gefordert haben, dann
kommen Sie auf 30 Milliarden Euro bis 2011. So viel
besser sieht es im Kabinett also nicht aus.
({3})
Das Problem ist, dass Aussagen immer von Fakten getragen werden müssen. Das scheint mir in diesem Fall
nicht so zu sein.
Herr Meister hat die Investitionsquote angeführt. Es
wäre ja schön, wenn es so wäre, wie Sie es darstellen,
aber die Investitionsquote als Anteil am Haushalt ist gesunken und nicht gestiegen,
({4})
und zwar exakt von 9,1 Prozent auf 8,6 Prozent. Auch
hier stimmt das Bild, das Sie zeichnen, nicht.
Wenn Sie das jetzt aus dem Blickwinkel des normalen
Bürgers betrachten - das ist das Entscheidende; wir sind
gewählt worden, um die Interessen der Bürger zu realisieren -, dann stellen Sie fest, dass für die Masse der
Bürger die ökonomische Entwicklung bis jetzt in ihrem
Portemonnaie überhaupt nicht stattgefunden hat. Sie
sind höher belastet und nicht weniger,
({5})
und zwar - trotz der Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung - im Schnitt um 1 400 bis
1 600 Euro pro Haushalt bei einem typischen Haushalt
mit vier Personen.
Natürlich ist es richtig, dass diejenigen, die arbeitslos
waren und jetzt Arbeit gefunden haben, besser dastehen.
Dies betrifft - wenn die Zahl stimmt - 1,5 Millionen.
Das ist - das gebe ich zu - aus unserer Sicht eine sehr erfreuliche Entwicklung. Aber die 27 bis 29 Millionen Arbeitnehmerhaushalte sind mehr belastet. Sie zahlen die
Zeche. Das dürfte doch nicht sein. Das Missverhältnis
von Steuererhöhungen und Steuerbelastungen für die
Bürger und Ausgabensenkung ist so groß, dass es keinen
Grund gibt, dass Sie sich hier stolz in die Brust werfen
und sagen: Wir haben alles richtig gemacht.
({6})
Im Übrigen: Wer ist denn für die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt verantwortlich?
({7})
Ich kenne keine Entscheidung dieser Regierung, die
dazu beigetragen hätte.
({8})
Da Sie darauf hingewiesen haben, dass die Lohnstückkosten gesunken sind, frage ich Sie: Wer ist denn dafür
verantwortlich?
({9})
Das sind die Tarifvertragsparteien, die mit ihrer maßvollen Tarifpolitik seit dem Jahr 2000 dafür gesorgt haben,
dass die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik im Vergleich zu unseren EU-Partnerländern am geringsten gestiegen sind; das ist richtig. Aber das ist nicht die Leistung der Bundesregierung.
Jetzt geht es darum, wie wir die Zukunft gestalten.
Wir haben erneut ein beeindruckendes Sparbuch
({10})
vorgelegt - dafür bin ich unseren Haushältern besonders
dankbar -, das 400 Anträge enthält, mit denen wir nachweisen: Es ist möglich, den Haushalt schon jetzt ausgeglichen zu gestalten. Dafür braucht man natürlich ein
bisschen Mut, und gelegentlich muss man auch einmal
Parteifreunde überzeugen. Sie haben diesen Mut nicht.
Obwohl Sie im Deutschen Bundestag über eine Mehrheit
von etwa 70 Prozent verfügen, legen Sie jetzt wieder einen Schuldenhaushalt vor. Das ist ein Armutszeugnis.
({11})
Meine Damen und Herren, für uns, die Freien Demokraten, kommt es darauf an, dass wir die Entlastung der
Bürger mit einer soliden Haushaltspolitik verbinden; das
ist machbar.
({12})
Man kann beide Ziele gleichzeitig verfolgen. Dafür
braucht man allerdings eine ökonomische Richtschnur,
an der man sich orientiert. Die einzelnen Entscheidungen, die man trifft, müssen immer daraufhin überprüft
werden, ob sie der Zielerreichung dienen.
Wir haben einen Vorschlag, der beide Ziele miteinander verbindet, vorgelegt. Wir schlagen vor, dort zu sparen, wo es nicht wehtut, wo es zumutbar ist und wo der
Investitionsprozess nicht gebremst wird. Gleichzeitig
wollen wir bei den normalen Arbeitnehmerhaushalten
für steuerliche Entlastung sorgen, damit die Bürger wieder mehr Geld in die Hand bekommen, das sie für den
Konsum, für Investitionen, zum Beispiel in ein Eigenheim oder in ein neues Auto, oder für die Ausbildung ihrer Kinder ausgeben können. Würden wir so vorgehen,
würde der konjunkturelle Aufschwung, den wir erleben,
bei den Bürgern ankommen. Genau das haben Sie verhindert. Der Aufschwung ist nicht bei den Bürgern angekommen. Die Bürger am Aufschwung teilhaben zu lassen, das ist unsere Aufgabe für die Zukunft.
Vielen Dank.
({13})
Eduard Oswald ist der nächste Redner, und zwar für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Solms, bei all dem, was Sie gesagt haben,
muss ich darauf hinweisen: Tatsache ist und bleibt, dass
der Bundesfinanzminister hier und heute nicht nur eine
gute Rede gehalten, sondern auch eine ausgezeichnete
Bilanz der Großen Koalition vorgelegt hat.
({0})
Herr Bundesminister Steinbrück, das haben wir gemeinsam erreicht. Ich sage Ihnen: Es ist doch gut, dass die
Union Ihr Partner ist.
({1})
Wenn wir wollen, können wir noch manches erreichen.
Ihre Rolle als stellvertretender SPD-Vorsitzender kann
Ihnen dabei durchaus behilflich sein. Denn um das, was
Sie vorhaben, umzusetzen, werden Sie noch den einen
oder anderen aus Ihren eigenen Reihen überzeugen müssen.
Deutschland steht heute so gut da wie seit langem
nicht mehr. Dies ist zuallererst der Erfolg der Menschen,
die diesen Aufschwung durch ihre Leistungen ermöglicht haben, also ein Erfolg der Arbeitnehmer und der
Arbeitgeber,
({2})
aber auch der Erfolg richtiger politischer Weichenstellungen und Entscheidungen.
({3})
Bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und
bei der gezielten Förderung des Wirtschaftswachstums
haben wir in den vergangenen zwei Jahren deutliche
Fortschritte erzielt. Wir haben Deutschland steuerpolitisch wettbewerbsfähig gemacht. Das Konzept des Dreiklangs von Sanieren, Reformieren und Investieren ist
und bleibt erfolgreich.
({4})
Diese positiven Entwicklungen müssen erwähnt werden, damit uns allen bewusst wird: Deutschland ist vorangekommen. Es muss aber auch klar sein: Es ist allenfalls ein Anfang gemacht. Wir haben noch eine gute
Wegstrecke vor uns. Deshalb muss unsere Richtschnur
für die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode sein, erstens die Wachstumskräfte weiter zu stärken und zweitens
den Beschäftigungsaufbau weiter voranzutreiben.
Unsere Finanzpolitik ist darauf ausgerichtet, gesamtstaatlich spätestens im Jahr 2011 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, also einen Haushalt
ohne neue Schulden; das ist heute bereits bestätigt worden. Schaffen wir dies, so bleiben gesamtstaatlich immer
noch die in den vergangenen Jahrzehnten aufgelaufenen
öffentlichen Schulden in Höhe von insgesamt
1 500 Milliarden Euro, die wir natürlich abtragen müssen. Ziel muss es sein, die öffentlichen Haushalte so zu
konsolidieren, dass wieder Zukunftsinvestitionen möglich werden. Für jeden Euro Staatsschulden, den wir abtragen, müssen wir in Zukunft keine Zinsen und Zinseszinsen mehr aus Steuergeldern zahlen.
Es kommt hinzu: Heute fließt jeder sechste Euro, den
der Bund einnimmt, in den Schuldendienst. Der Bund
müsste also beim jetzigen Zinsniveau selbst ohne Neuverschuldung jedes Jahr 40 Milliarden Euro Zinsen aufbringen. Wenn die Durchschnittsverzinsung für diese
Schulden nur um einen Prozentpunkt steigt, bedeutet das
Mehrausgaben von rund 15 Milliarden Euro. Angesichts dieser Zahlen wird jedem deutlich, dass es gut ist,
die Neuverschuldung schnellstmöglich und schleunigst
auf null zurückzuführen, dass es darüber hinaus aber für
unser Land und seine Zukunft auch wichtig ist, den
Schuldenberg abzutragen.
({5})
Liebe Kollegen und Kollegen, bei allen bisherigen Erfolgen und trotz der weiterhin ehrgeizigen Anstrengungen bei der Konsolidierung müssen nicht nur wir Finanzund Haushaltspolitiker eines im Auge behalten: Die steigende Inflation, im Wesentlichen verursacht durch die
Preisentwicklung bei Öl und Benzin, macht den Bürge13424
rinnen und Bürgern schon heute zu schaffen, und die
Kursentwicklung unserer Währung, des Euros, stellt insbesondere an unsere exportorientierte Wirtschaft große
Herausforderungen. Wir wissen uns hier bestens vertreten durch die Europäische Zentralbank und die Deutsche
Bundesbank. Der Finanzausschuss wird heute in einer
Woche in Frankfurt mit beiden entsprechende Gespräche
führen.
Finanzpolitik ist nur dann langfristig erfolgreich,
wenn strukturelle Konsolidierung und Förderung von
Wachstum und Beschäftigung Hand in Hand gehen. Deshalb war die beschlossene Reform der Unternehmensbesteuerung ebenso notwendig wie die Mehrwertsteuererhöhung und die Senkung der Beitragssätze in der
Arbeitslosenversicherung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen den
Erfolg der Föderalismuskommission II. Wir haben hier
die große Chance, eine Schuldenbremse einzuführen und
eine Regelung zum Schuldenabbau zu treffen. Hier liegt
für die Große Koalition eine sehr große Chance und Aufgabe. Es ist eine Herkulesaufgabe, die föderalen Finanzbeziehungen neu zu ordnen. Es bleibt also genug Arbeit
für die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode.
Für mich ist die Staatsquote ein Hinweis darauf, ob
Reformpolitik erfolgreich ist. Es ist gut, dass der Anteil
des Staates am Bruttoinlandsprodukt von 2003 bis 2006
um 3 Prozentpunkte gesenkt werden konnte. Trotzdem
ist die Quote heute noch immer zu hoch. International
liegen wir im Mittelfeld; Michael Meister hat darauf hingewiesen. Unser Motto muss sein: Wir setzen auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative und nicht auf die
Rundumversorgung durch den Staat.
({6})
Gleichzeitig nehmen wir uns auch der Sorgen der Menschen an, die sich selbst nicht helfen können. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass alle Menschen in unserem Lande Vertrauen in den Staat haben, dass sie aber
natürlich zuerst einmal Vertrauen in sich selbst haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Finanzstandort
Deutschland belegt im europäischen Vergleich in den
großen Segmenten der Bank- und Versicherungsgeschäfte den ersten oder zweiten Platz. Auch bei den Kapitalprodukten wie Aktien und Investmentfonds liegen
wir vorn. Wir haben das REITs-Gesetz auf den Weg gebracht. In der kapitalmarktnahen Unternehmensfinanzierung haben wir ungenutzte Potenziale. Ich bin davon
überzeugt, dass wir im Bereich von Beteiligungs- und
Wagniskapital vorankommen. Sie sind die Hauptfinanzierungsquellen für auf Innovation und neuer Technologie basierte Unternehmen und damit von hoher Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung. Hier müssen sich
manche eben noch ein bisschen bewegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute wissen wir:
Die Ursachen für die US-Hypothekenkrise und ihre rasche globale Ausbreitung sind vielschichtig. Wesentlich
dazu beigetragen haben dürften die Gewöhnung an lange
Zeit günstige globale Wachstumsperspektiven, eine international sehr großzügige Liquiditätsausstattung sowie
institutionelle Schwächen bei der Risikobewertung, die
durch Finanzinnovationen noch verschärft wurden. Für
mich gilt aber der Satz: In jeder Krise steckt auch eine
Chance. Ich glaube, dass sich die Finanzaufsicht in
Deutschland und Europa durchaus bewährt hat - was
nicht heißt, dass man in Einzelpunkten nicht nachjustieren muss. Für mich ist völlig klar: Wenn ein Kreditinstitut einen Kredit verleiht und schon bei der Vergabe weiß,
dass es diesen Kredit verkaufen, ihn also nicht bis zum
Ende der Laufzeit halten wird, dann wird es bei der Vergabe möglicherweise nicht so genau hinschauen.
({7})
Das heißt, für uns muss das Thema Kreditverkäufe ein
Thema sein, dessen wir uns weiterhin annehmen.
({8})
Es gilt, die gestaltende Finanzpolitik fortzusetzen,
den Weg, den Peer Steinbrück heute beschrieben hat.
Haushaltskonsolidierung schafft dann Spielräume für
eine durchschlagende Wachstumspolitik. Vom Aufschwung müssen alle profitieren - das ist der Wille von
CDU und CSU -, natürlich auch die, die ihn erwirtschaftet haben. Mit unserer soliden Finanz- und Haushaltspolitik stärken wir den Standort Deutschland, und ein starker Standort ist die beste Investition in die Zukunft.
Arbeitsplätze in unserem Land zu schaffen, das ist und
bleibt unser Ziel.
({9})
Das Wort erhält nun die Kollegin Barbara Höll, Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deutschland ist auf gutem Wege? 2,5 Millionen Kinder
leben in Armut. Alle zehn Jahre verdoppelt sich die Anzahl der Kinder, die in Armut leben müssen - in unserem
reichen Lande! Deutschland ist mit Ihrer Koalition auf
gutem Wege? 1,5 Millionen Menschen arbeiten täglich
mindestens acht Stunden, doch ihr Lohn reicht nicht aus,
um den eigenen Lebensunterhalt zu decken. Deutschland
ist auf gutem Wege? Bei immer noch - offiziell - über
3 Millionen arbeitslosen Menschen, und das trotz konjunktureller Belebung? Das kann es ja wohl nicht sein!
({0})
Ich finde es eine Unverschämtheit, wenn Herr
Steinbrück meiner Kollegin Frau Lötzsch sagt, wir seien
nicht bei den Problemen. Sie haben die Regierungsverantwortung. Stellen Sie sich den Problemen in diesem
Lande!
({1})
Wenn Herr Steinbrück hier verkündet, ein roter Finanzminister legt als Erster endlich wieder schwarze Zahlen
vor und diese Politik sei gut für unser Land, so kann man
nur sagen: Er ist weitab von der Realität. Er kann nicht
unser Land, nicht all die Menschen gemeint haben, die
ich eben aufgezählt habe.
Immer dann, wenn ein kleiner Restschimmer vom
Anspruch sozialer Gerechtigkeit aufscheint, wenn Herr
Steinbrück das Wort „rot“ in den Mund nimmt, muss geschaut werden: Was dann? Großspurige verbale Trommelwirbel, doch auf die politische Umsetzung können
wir lange warten - siehe Entfernungspauschale oder
siehe das Theater um den Mindestlohn. Beziehen Sie
hierzu klipp und klar Stellung! Sie hatten mehrmals die
Möglichkeit, entsprechend abzustimmen, meine Damen
und Herren von der SPD: Wir haben Ihnen unsere Anträge dazu vorgelegt. 8 Euro Mindestlohn könnten längst
Realität in Deutschland sein.
({2})
Nach zwei Jahren Konjunkturbelebung erklären Sie
hier, ein ausgeglichener öffentlicher Haushalt sei das Ergebnis Ihrer Politik. Da muss man fragen: Ja, welche
Ansprüche haben Sie denn an sich? In einer Zeit, wo
sich die Konjunktur belebt, ist es doch das Mindeste,
was die Bürgerinnen und Bürger erwarten können, dass
wir hier entsprechende Ergebnisse sehen. Ich muss allerdings auch feststellen, dass wir nur von Konjunkturbelebung reden können und nicht von Konjunkturaufschwung. Deutschland bleibt bei der realen
wirtschaftlichen Entwicklung unter dem Durchschnitt
der OECD-Staaten. Das ist nicht verwunderlich. Denn
wer in seiner Wirtschaftspolitik weiter nur auf Exportüberschuss setzt, alles dahin gehend für die Unternehmen tut und dafür in Kauf nimmt, dass die Binnennachfrage weiter stagniert, ja sie sogar durch 3 Prozent
Mehrwertsteuererhöhung schädigt, der braucht sich
nicht zu wundern, wenn wir keinen Aufschwung bekommen und wenn die Belebung, die wir haben, nicht wegen
der Politik, sondern trotz der Politik der Bundesregierung zu verzeichnen ist.
({3})
Die Steuerquellen sprudeln in diesem Jahr, und auch
für das nächste Jahr werden Mehreinnahmen erwartet.
Vor diesem Hintergrund muss man natürlich etwas genauer hinschauen, und man muss sich fragen: Warum ist
denn der Bundeshaushalt nicht ausgeglichen? Der gesamtstaatliche Haushalt ist ja nur deswegen ausgeglichen, weil Kommunen, Länder und Sozialversicherungen das Defizit des Bundes durch Überschüsse
kompensieren.
Der Finanzminister sagt jetzt, dass er 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt haben möchte. Ich vermisse schmerzlich die Angabe, ab wann wir wirklich
von einer Konsolidierung - sprich: einem realen Schuldenabbau - reden können. Sie wählen den Zeitraum bis
2011. Abgesehen davon, dass mindestens noch eine
Wahl zum Deutschen Bundestag dazwischenkommt, ist
klar, dass die konjunkturelle Belebung wohl kaum bis
2011 anhalten wird.
Es gibt die Finanzmarktkrise in den USA, die bei
Weitem noch nicht ausgestanden ist. Wenn man sich nur
einmal die Meldungen der letzten Woche anschaut, dann
weiß man, dass die Analysten der Investmentbank
Goldman Sachs sagen, dass in den nächsten Monaten
mit Abschreibungen von 15 Milliarden Dollar bei der
Citigroup zu rechnen ist. Sie gehen von einem Wertverlust von insgesamt 150 Milliarden Dollar aus und rechnen damit, dass die Weltwirtschaft mindestens ein Jahr
bis anderthalb Jahre für die Erholung der Finanzbranche
brauchen wird.
Wie sind Sie auf eine anstehende Konjunkturflaute
vorbereitet? Überhaupt nicht.
({4})
Sehen wir uns nur einmal die Bundesagentur für Arbeit
an. In diesem Jahr hat sie reale Überschüsse. Was fällt
Ihnen ein? Ihnen fällt nichts weiter als eine Absenkung
der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ein. Damit
nehmen Sie bewusst in Kauf, dass die Bundesagentur für
Arbeit in der Phase einer Konjunkturschwäche mit zu
niedrigen Einnahmen zu kämpfen hat. Das heißt, die
Prinzipien der finanziellen Nachhaltigkeit und der konjunkturellen Gegensteuerung lassen Sie völlig außer
Acht. Ihnen wird dann nichts weiter einfallen, als entweder den Beitragssatz wieder zu erhöhen oder die Leistungen weiter zu kürzen.
Was tun Sie denn konkret? Sie haben die Mittel für
die aktive Arbeitsmarktpolitik gekürzt. Herr Meister erwähnte eine Entlastung von 40 Euro im Monat. Das ist
sicher sehr hoch gegriffen. Wenn man einmal das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten heranzieht, dann kommt man auf eine Zahl
von 11 Euro im Monat. Das verkünden Sie jetzt hier als
große Entlastung.
Nehmen wir doch einmal die Änderungen bei der
Entfernungspauschale. Sie kosten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer monatlich viel mehr als Ihre im
Gegensatz dazu kleine Entlastung.
({5})
Sie haben den Menschen eine Verkürzung der Bezugsdauer des Kindergeldes vom 27. auf das 25. Lebensjahr
zugemutet. Sie muten den Menschen eine Zwangsverrentung zu, weil Sie nicht bereit sind, die 58er-Regelung
zu verlängern. Das bedeutet für diese Menschen einen
Rentenabschlag von 18 Prozent vom Zeitpunkt der
Zwangsverrentung an bis zum Lebensende. Das ist die
Realität Ihrer Politik.
Statt eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und
aktive Weiterbildungsangebote zum Beispiel auch für
die Nichtleistungsempfängerinnen und -empfänger - das
ist eine große Gruppe insbesondere von Frauen - zu machen, sagen Sie einfach, dass Sie senken müssen. Sie
müssen aber nicht senken, weil Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern etwas geben wollen; nein, Sie
wollen die Arbeitgeber entlasten. Das ist Ihre Politik. Sie
wollen hier praktisch eine indirekte Lohnsenkung durchführen. Mit dieser Politik setzen Sie einfach das fort, was
Sie mit der Unternehmensteuerreform schon beschlossen
haben.
Ich sage Ihnen: Sie nehmen damit weiter eine Schwächung der Binnennachfrage in Kauf und setzen alles auf
den Export. Ich frage Sie: Denken Sie wirklich, dass es
sich die anderen Ländern noch ewig gefallen lassen werden, dass wir unsere Probleme nach außen verlagern und
immer mehr Produkte exportieren wollen? Ich glaube,
die Dollarschwäche, die Kursentwicklung, ist schon ein
deutliches Zeichen dafür, dass das nicht unbegrenzt gehen wird. Sie sind hier auf dem falschen Weg, und es ist
notwendig, für den Haushalt 2008 endlich sofort zu handeln.
Es ist Geld für eine Grundsicherung in Höhe von
435 Euro, für eine reale Verlängerung der Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes I und für eine Fortsetzung der
58er-Regelung vorhanden.
({6})
Trauen Sie sich, die rote Farbe tatsächlich stärker zu betonen! Nehmen Sie reale Umverteilungen in Angriff,
und hören Sie auf, weiter von unten nach oben zu verteilen! Kehren Sie hier um!
Bei der Erbschaftsteuer haben Sie die erste gute Möglichkeit, hier etwas zu tun. Tun Sie etwas bei der Einkommensteuer! Heben Sie den steuerfreien Grundbetrag
real an! Das würde allen Menschen, die tatsächlich arbeiten und lohnabhängig beschäftigt sind, helfen.
({7})
Frau Kollegin Höll, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Sie können sich sicher sein: Wir werden nicht nachlassen. Je
stärker wir Sie mit unseren Forderungen konfrontieren,
desto größer ist unsere Chance, Rot tatsächlich wirken
zu lassen.
Diese Fragen stehen hier im Bundestag weiter auf der
Tagesordnung. Bekennen Sie sich endlich zu einer sozialen Politik, die der Mehrheit der Menschen dieses Landes wirklich nutzt!
Ich danke Ihnen.
({0})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Gunter
Weißgerber, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
eine Frage an den Kollegen Koppelin: Kommt in das
schöne Buch, das er uns jährlich zeigt, jedes Mal ein
neues Deckblatt hinein, oder ist das tatsächlich aktuell?
({0})
Vom Gewicht und vom Volumen her kommt mir das
ziemlich ähnlich vor.
Der Kollege Koppelin möchte gerne die gestellte
Frage beantworten, obwohl die Geschäftsordnung eigentlich die umgekehrte Versuchsanordnung vorsieht. Wollen
Sie die Frage zulassen, Herr Kollege Weißgerber?
Ja natürlich, weil mich das wirklich interessiert.
Bitte.
Herr Präsident, ich weiß gar nicht, wie Sie Gedanken
lesen können.
Im Laufe der Zeit hat man da eine gewisse Erfahrung.
Ich wollte nicht die Frage beantworten, weil mir das
nicht zusteht, sondern ich wollte eine Frage an den Kollegen Weißgerber stellen, nämlich ob er bereit wäre, das
Sparbuch entgegenzunehmen. Er kann dieses Buch natürlich auch als CD-ROM bekommen wie jeder andere
Bürger in Deutschland auch. Dann könnte er sich die
Frage selber beantworten. Es sind alles neue Anträge,
und das Deckblatt ist auch neu.
({0})
Wenn es der kleinen FDP eine große Freude bereitet,
dann gib es mir.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Konsolidierung
der öffentlichen Haushalte kommt voran. Die Steuereinnahmen steigen, und die Nettokreditaufnahmen sinken
in beachtlichen Größenordnungen.
Die Große Koalition, die vom Wahlergebnis 2005 zur
Zusammenarbeit verpflichtet wurde, hatte sich auf einen
haushaltspolitischen Dreiklang - Investitionssteigerung
in Wissenschaft, Technologie, Infrastruktur, Energieeinsparung; Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme
sowie Einnahmesteigerung und Schuldenabbau - geeinigt, der sich selbstverständlich auf dem Arbeitsmarkt
positiv niederschlagen sollte, was er auch getan hat. Wir
stellen fest, die Effekte sind auch unter günstigen Weltmarktbedingungen genauso eingetreten wie beabsichtigt.
Deshalb kann ich nur an die Bundesregierung appellieren, weiterhin zum vereinbarten Dreiklang zu stehen und
nicht jedem Ausgabenwunsch nachzugeben. Es bleibt
dabei: Jeder Euro, der statt in die Schuldentilgung besser
in Investitionen, Bildung und Wissenschaft gehen kann,
ist ein gut angelegter Euro. Privat würde sich jedenfalls
die große Mehrheit genauso verhalten.
Der Bundeshaushalt 2008 ist ein nächster Schritt zu
einem Haushalt ohne Neuverschuldung. Spätestens
2011 sollte dieses Ziel erreicht sein. Angesichts des jahrzehntelangen Anwachsens der Nettokreditaufnahme und
der damit verbundenen hohen Zinszahlungen kann die
wesentlich kürzere Phase des Abbaus der Nettokreditaufnahme nur zu großer Anerkennung führen.
Die wichtigsten Eckdaten des Haushaltes für 2008
sind: 283,2 Milliarden Euro gegenüber 270,5 Milliarden
Euro in 2007 für Ausgaben; 24,658 Milliarden Euro gegenüber 23,957 Milliarden Euro für Investitionen;
11,9 Milliarden Euro gegenüber 19,58 Milliarden Euro
für die Nettokreditaufnahme - der deutlich niedrigste
Wert seit 1990.
({1})
In den Ausschussberatungen konnten die Koalitionsfraktionen weitere Verbesserungen erreichen. Wir haben
die Eingliederungsleistungen bei der Grundsicherung
auf dem hohen Niveau von 6,5 Milliarden Euro stabilisiert. Diese Mittel stehen zudem ohne Einschränkung
zur Verfügung, da der Deckungsvermerk von 1 Milliarde
Euro zugunsten ALG II aufgehoben wurde. Die BAföGBedarfssätze wurden um 10 Prozent und die Freibeträge
um 8 Prozent erhöht. Der Wehrsold wird um 2 Euro pro
Tag erhöht. Gegenüber dem Regierungsentwurf wurden
die Investitionen um 362 Millionen Euro auf 24,658 Milliarden Euro gesteigert.
({2})
Zusätzlich haben wir Verpflichtungsermächtigungen
in Höhe von 300 Millionen Euro für den Bereich
Schiene und Straße sowie 80 Millionen Euro für den
Klimaschutz eingestellt. In den Verkehrsinvestitionen
sind zusätzlich 225 Millionen Euro für den Bereich der
Neubau- und Renovierungsmittel und für die Fortsetzung des Programms zum Lückenschluss und zur Staubeseitigung eingestellt.
Die Mittel der GA, die vorwiegend dem Aufbau Ost
zugute kommen, haben wir um 50 Millionen Euro erhöht.
Nach einem zähen und sehr langwierigen Vorlauf beschloss die Bundesregierung die Einrichtung eines Biomasseforschungszentrums in den neuen Bundesländern.
({3})
Das sind mindestens zwei gute Signale, eines für die
Ökologie und die Nachhaltigkeit, das andere für den
Forschungsstandort Ostdeutschland.
({4})
Für 2009 ist an dieser Stelle Klotzen statt Kleckern angesagt. Der nächste Betrag wird ein Vielfaches der
4 Millionen Euro bedeuten, die jetzt eingestellt sind.
Regelmäßig wird in der öffentlichen Debatte der Solidaritätszuschlag thematisiert. Wer diesen Zuschlag in
Abrede stellt, der muss sagen, wie er die 12,1 Milliarden
Euro anderweitig aufbringen will.
({5})
Denn eines muss allen klar sein: Es liegt im Interesse
ganz Deutschlands, dass die ostdeutschen Bundesländer finanziell auf eigenen Füßen stehen können.
({6})
Damit die neuen Bundesländer dauerhaft vom Dauertropf abgehängt werden können, müssen sie bis 2019 die
zugesagten Finanzhilfen bekommen.
Als Sachse sage ich: Auch mir wäre es lieber, mein
Bundesland wäre in der Lage, Geld in den Länderfinanzausgleich einzuzahlen, statt aus diesem Mittel zu erhalten. Allerdings gebe ich zu bedenken: Bayern war bis
1990 Versorgungsempfänger. Sollten die ostdeutschen
Länder ab 2020 auf eigenen Füßen stehen können, dann
werden sie bis zu diesem Stand ein Jahrzehnt weniger als
die Bayern benötigt haben. Das sollte dann schon unserer Anerkennung wert sein.
({7})
Inzwischen können wir konstatieren, dass die neuen
Bundesländer mit den Finanzhilfen verantwortlicher umgehen. Die verbesserte finanzielle Ausstattung wird zunehmend zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme statt
für konsumtive Zwecke verwendet. Einziger Ausreißer
an dieser Stelle ist Berlin. Doch auch hier wird die Einsicht wachsen müssen. Im Gesamtzusammenhang bleibt
festzustellen: Beispielsweise Sachsens Aussage, bereits
jetzt einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hat vornehmlich im Westen zu Irritationen geführt. Das klingt
nämlich wie „ausgesorgt“ und ist es doch überhaupt
nicht. Die Aussage, nur mit den Mitteln aus dem Solidarpakt den eigenen Haushalt ausgleichen zu können, ist
eine der Wahrheit näherkommende Mitteilung und
weckt keine Begehrlichkeiten. Denn noch ist es so, dass
mein Bundesland - genauso wie die anderen ostdeutschen - nahezu die Hälfte seiner Ausgaben aus Finanzhilfen finanzieren muss. Diese Hilfen versetzen die sich
noch im Aufbau befindlichen Bundesländer erst in die
Lage, ihre Nettokreditaufnahme nicht ständig erhöhen
zu müssen bzw. sogar abzusenken.
Wir haben uns im Bundeshaushalt 2008 viel vorgenommen. Packen wir es an!
Danke schön.
({8})
Übrigens, Jürgen, ich nehme das Sparbuch mit.
Ich bitte, die Unterlagen auf dem Pult immer vollständig wegzuräumen, damit die nächsten Redner eine vergleichbare Wettbewerbssituation vorfinden.
Der nächste Redner ist der Kollege Jochen-Konrad
Fromme für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert
werden.
({0})
Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrottgehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.
({1})
So schon Cicero 55 Jahre vor Christi Geburt.
({2})
Dass wir so entspannt in diese Haushaltsberatungen
eintreten können, hat mit der Lage zu tun, in der wir uns
befinden, mit der Regierungskoalition und ihrer Bilanz
nach zwei Jahren Arbeit. Das müssen wir wieder deutlich machen. Es ist klar, dass die Opposition sagt: Schöner, besser, größer. - Wer wollte nicht mehr Schulden
abbauen? Wer wollte nicht mehr für die Menschen tun?
Aber darum geht es nicht. Dass Sie sagen, es sei mehr
möglich, ist der Beweis dafür, dass wir große Fortschritte gemacht haben; denn sonst wäre das gar nicht
möglich. Aber wir wollen gezielt, nachhaltig und langfristig vorgehen. Wir wollen keine sprunghafte Politik
betreiben, sondern berechenbar sein.
Die Koalition hat viel erreicht. Alle Fakten sind bereits genannt worden. Ich will es noch einmal deutlich
machen: Mehr als 40 Millionen Menschen sind in sozialversicherungspflichtiger Arbeit und Beschäftigung. Das
ist ein Rekord und eine Leistung. Das hat positive Folgen, nämlich dass wir höhere Steuereinnahmen haben,
dass die Krankenkassenbeiträge stabil geblieben sind
und dass der Druck auf die Sozialversicherungen geringer geworden ist. Wir haben Kurs gehalten. Das werden
wir weiterhin tun. Es muss heißen: Arbeit für alle. Das
ist das oberste Ziel.
Kollege Schneider, ein Mindestlohn wird uns nicht
helfen, sondern eher Arbeitsplätze kosten.
({3})
Denn das Existenzminimum muss durch den Staat garantiert werden, während die Wirtschaft Arbeitsplätze
schaffen muss. Aber die Wirtschaft kann nur so viel an
Löhnen zahlen, wie sie erwirtschaftet.
({4})
Wenn Sie den Mindestlohn zu hoch setzen, dann werden
Arbeitsplätze verloren gehen und keine geschaffen. Deswegen werden wir diesen Kurs, bei dem es darum geht,
mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sauber durchhalten.
Nun komme ich zu dem berühmt-berüchtigten Sparbuch, lieber Kollege Koppelin. Damit betreiben Sie
Rosstäuscherei; denn ein Sparbuch ist eigentlich eine
Urkunde, die verbrieft, dass man bei der Bank Geld hat,
das man auf die Seite gelegt hat. In Ihrem Buch ist aber
kein Guthaben aufgelistet.
({5})
Insofern betreiben Sie Rosstäuscherei. Sie nehmen das
selber nicht ganz ernst; denn sonst wäre es mir möglich
gewesen, das Buch im Internet zu lesen.
({6})
- Ich habe heute Morgen ins Internet geschaut. Man
musste jede Seite einzeln aufrufen. Dabei ist mir die
Lust vergangen; denn in einem Buch kann man normalerweise blättern.
({7})
- Schönen Dank, ich nehme es gerne mit.
({8})
Jetzt habe ich wenigstens eine tragende Rolle, und Sie
haben bald keine Bücher mehr, die Sie verteilen können.
Ich glaube, es ist jetzt gut. Weitere Interessenten melden sich bei der Fraktionsgeschäftsstelle und werden
dann ganz gewiss beliefert.
Herr Kollege Koppelin, Sie müssen aber auch glaubwürdig bleiben. Ihre Kollegen haben in keinem Land, in
dem sie in der Regierung sitzen, daran mitgewirkt, dass
die Ausplünderung des Bundeshaushalts durch die Länder ein Ende nimmt. Keinem Antrag haben sie widersprochen; vielmehr haben sie im Bundesrat immer neue
Forderungen gestellt.
Der letzte Punkt ist eigentlich der gravierendste
Punkt. Sie müssen zunächst einmal sagen, dass das ein
Einsparbuch ist. Sie müssen den Leuten klarmachen,
dass Sie Eingriffe machen wollen, und dürfen nichts Positives versprechen. Eigentlich müssten Sie sagen, dass
das ein Beitragserhöhungsbuch ist; denn Sie wollen den
Zuschuss für die gesetzlichen Krankenkassen streichen,
und das bedeutet automatisch Beitragserhöhung. Dazu
haben Sie hier kein Wort gesagt. Sie erzeugen ein völlig
falsches Bild.
({0})
Die Kollegen von der Linken scheinen offensichtlich
noch nichts dazugelernt zu haben. Sie wollen immer nur
ausgeben, ohne deutlich zu machen, woher das Geld
kommt.
({1})
Ich sage Ihnen: Wie gut ginge es uns, wenn wir die Zinsen nicht dafür bezahlen müssten, dass wir 50 Jahre
Kommunismus beseitigen mussten.
({2})
Von den 43 Milliarden Euro Zinsen, die wir heute zahlen, könnten wir etliche Milliarden den Menschen geben.
Sie sind wenig glaubwürdige Zeugen.
({3})
Aber auch die Grünen sind wenig glaubwürdige Zeugen. Sie haben sich eigentlich die Nachhaltigkeit auf
Ihre Fahnen geschrieben. Trotzdem haben Sie keine
nachhaltige Finanzpolitik betrieben. Was Sie zugelassen
haben, als Sie sieben Jahre in der Verantwortung waren,
war Folgendes: Sie haben erhebliche Steuermehreinnahmen gehabt und nicht das gemacht, was Sie uns heute
empfehlen, was wir aber schrittweise durchaus tun. Sie
wollen ein neues Programm in Höhe von 60 Milliarden
Euro auflegen. Herr Raffelhüschen, der nicht gerade verdächtig ist, zu uns zu gehören,
({4})
hat gesagt, Sie müssten die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent anheben, um dieses Programm finanzieren zu können. Das sollten Sie den Menschen ehrlich sagen. Sie
sollten deutlich machen, was Sie wollen. Dann können
Sie dafür eintreten.
Auf Schuldenbergen können Kinder schlecht spielen.
Deswegen müssen wir mit einer nachhaltigen Finanzpolitik umsteuern und dafür sorgen, dass wir in unserer
Volkswirtschaft irgendwann - zu einem nicht allzu fernen Zeitpunkt - nur noch das ausgeben, was wir einnehmen. Der Abbau der Nettoneuverschuldung ist der
erste Schritt, aber noch lange nicht das Ziel. Das Ziel haben wir erst dann erreicht, wenn wir nicht mehr verbrauchen, als wir einnehmen. Wir haben die Investitionen gesteigert; das ist erfreulich. Aber vieles von dem, was wir
als Investitionen im Haushalt ausweisen, ist doch in
Wahrheit Konsum. Erst dann, wenn wir auch diesen aus
originären Einnahmen finanzieren können, haben wir einen sanierten Staatshaushalt.
Es ist gut, dass wir schrittweise vorankommen. Wir
haben den Primärhaushalt zunächst einmal so gestaltet,
dass wir nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Primärsaldo heißt aber: ohne Zinsen. Der zweite Schritt
muss sein, dass wir auch die Zinsen aus den Einnahmen
finanzieren. Davon sind wir noch eine ganze Ecke entfernt. Das werden wir nur schaffen, wenn wir tatsächlich
Arbeit für jeden schaffen; denn Arbeit für jeden bedeutet
erstens weniger Sozialaufwand und zweitens mehr Steuereinnahmen und mehr Einnahmen bei den Sozialversicherungen. Dann können wir einen ausgeglichenen
Haushalt erreichen.
Hier wurde kritisiert, dass wir Stellen geschaffen haben. Zunächst einmal: Per saldo haben wir Stellen abgebaut. Aber an einigen Stellen mussten wir mehr Stellen
schaffen. Wenn wir zum Beispiel im Geschäftsbereich
des Entwicklungshilfeministeriums die Zusage einhalten
und erheblich mehr Geld ausgeben, dann muss mit dem
Geld auch vernünftig umgegangen werden. Dafür
braucht man Personal. Das Gleiche gilt für das Umweltministerium und für das Kanzleramt.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt dabei: Wir
haben einen Haushalt aufgestellt, der einen großen
Schritt in die richtige Richtung weist. Aber wir sind
lange noch nicht am Ziel. Zum Ziel können wir nur mit
einer ordnungspolitischen klaren Haltung kommen, indem wir für Arbeit für alle sorgen. Ich sage es noch einmal: Wir sind einen großen Schritt weitergekommen. Es
gibt über 1 Million weniger Arbeitslose und 40 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das ist
ein Rekord. Folgen Sie uns bei den weiteren ordnungspolitischen Schritten! Unterstützen Sie uns! Stimmen Sie
diesem Haushalt zu! Dann geht es einen Schritt in die
richtige Richtung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Der Kollege Jörg-Otto Spiller spricht jetzt für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit
Haushaltskonsolidierung gelingt: Man braucht Disziplin
und eine gedeihliche gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Beides liegt vor.
Die Koalition hatte den Mut, den konjunkturellen Aufschwung zu fördern, als die Einhaltung der MaastrichtKriterien noch nicht so ganz selbstverständlich war; das
darf man sich zugute halten. Das war ein Beitrag für die
gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Vor allem aber
zahlen sich jetzt die strukturellen Reformen aus, die in der
vorangegangenen Legislaturperiode gegen viel Widerstand durchgesetzt worden sind.
({0})
Da ging es nicht um Strohfeuer, sondern um die strukturellen Bedingungen für nachhaltiges Wachstum und zunehmende Beschäftigung.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem letzten
Gutachten in bemerkenswerter Deutlichkeit darauf hingewiesen, wie sich diese strukturellen Reformen auszahlen. Der Bundesfinanzminister hat das vorhin schon erwähnt. Ich erlaube mir, daran anzuknüpfen.
Die Politik hat mit zum Teil sehr weitreichenden
Reformen … zum wirtschaftlichen Comeback
Deutschlands beigetragen, …
schreibt der Sachverständigenrat. Er präzisiert das dann,
indem er ausführt, es gebe klare Hinweise auf eine tiefergehende, nicht nur zyklische Erholung.
Der starke Anstieg der Vollzeitbeschäftigung, eine
höhere Beschäftigungsintensität des Aufschwungs,
der überdurchschnittlich hohe Rückgang der
Arbeitslosigkeit und eine deutliche Verbesserung
des Verhältnisses von offenen Stellen zu Arbeitslosen … sind Indizien, die in der Zusammenschau auf
mehr als eine nur konjunkturelle und damit lediglich
temporäre Belebung am Arbeitsmarkt hindeuten,
sondern auf eine nachhaltige Erhöhung des Arbeits13430
kräftepotenzials und einen Abbau der verfestigten
Arbeitslosigkeit.
Er fasst das dann in einem Satz zusammen:
Die … Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt, in
den Systemen der Sozialen Sicherung und bei der
Lage der Öffentlichen Haushalte sowie die deutlich
gestiegene Attraktivität des Wirtschaftsstandorts
sind … Befunde, die nicht allein durch zyklische
Faktoren erklärt werden können, sondern deutliche
Hinweise darauf, dass es eine Reformdividende gibt.
Eine Reformdividende!
({1})
So viel Lob ist selten, und ich sage ganz offen: Als
Bundeskanzler Schröder noch regiert hat, hat sich der
Sachverständigenrat so deutlich lobend noch nicht geäußert.
({2})
Es gibt vielleicht auch bei wissenschaftlichen Räten gelegentlich eine Erkenntnisverzögerung, die die Chance
eröffnet, dass der Sachverständigenrat in ein paar Jahren
mit gleicher Intensität auch die Politik der jetzigen Regierung lobt.
({3})
Er hätte jedenfalls Grund, dies zu tun.
Die Chancen, dass sich die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung 2008 fortsetzt, sind gut. Das
liegt unter anderem daran, dass die Breite der Auftriebskräfte zugenommen hat. Es sind eben nicht nur die
starke Auslandsnachfrage und die seit einiger Zeit sehr
lebhaften Ausrüstungsinvestitionen, sondern auch die
seit kurzem stärkere Nachfrage der privaten Haushalte,
die die Konjunktur tragen. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich das Wachstum und die Zunahme
der Beschäftigung 2008 fortsetzen.
Ich will allerdings nicht leugnen, dass es auch Risiken
gibt. Ein Risiko ist der Wechselkurs, die Schwäche des
Dollar und die Stärke des Euro. Ich darf aber darauf hinweisen, dass ein großer Teil unserer Exporte in dem eigenen Währungsraum getätigt wird: Gut 40 Prozent der
deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Betrachtet
man die Europäische Union insgesamt, dann sind es gut
60 Prozent. Nimmt man, was in diesem Fall möglich ist,
die Schweiz hinzu, dann kann man sagen: Zwei Drittel
unseres Exports gehen nach Europa. Das dämpft das Risiko von Wechselkursentwicklungen.
Ich will auch aufgreifen, was der Kollege Oswald
vorhin erwähnt hat. Natürlich machen uns die Finanzmarktturbulenzen Sorge, die sich auf den Wechselkurs
ausgewirkt haben und die weitere Folgewirkungen haben können. Ich will daraus nur eine einzige Schlussfolgerung ziehen: Wir müssen die Bankenaufsicht stärken.
({4})
Es hat überhaupt keinen Sinn, daraus abzuleiten, dass es
einen eifersüchtigen Streit zwischen der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, und der Deutschen Bundesbank gibt. Die Bundesbank ist seit eh und
je für die laufende Kontrolle der Banken zuständig.
Wenn es Schwächen gab, dann gab es sie bei der Bundesbank genauso wie bei der BaFin und wie bei allen
Aufsichtsbehörden dieser Welt. Wir müssen allerdings
auch Wert darauf legen, dass in den Instituten selbst das
Verantwortungsbewusstsein und das Risikobewusstsein
gestärkt werden. Die Wirtschaftsprüfer dürfen nicht nur
teure und wertlose Arbeit liefern, sondern müssen auch
auf Risiken hinweisen.
({5})
Sie sind ein Hilfsorgan der Aufsichtsgremien, und sie
müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Es darf nicht
sein, dass nur der Staat und das Parlament für Stabilität
zuständig sind, während die Banken sich zurücklehnen.
({6})
Der Kollege Norbert Barthle spricht jetzt für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang September berieten wir in diesem Hohen Hause den von der Regierung eingebrachten
Entwurf des Bundeshaushalts 2008. Seitdem sind Wochen und Monate vergangen, in denen wir diesen Entwurf intensiv diskutiert haben; 1 043 Änderungsanträge
mussten beraten und entschieden werden. In dieser Woche kann dieser Entwurf vom Parlament verabschiedet
werden. Man kann sicherlich sagen, dass dieses Parlament gut gearbeitet hat.
({0})
Um es in der Rhetorik des heute verabschiedeten ehemaligen Bundesarbeitsministers Franz Müntefering zu sagen: Arbeit gut, Haushalt gut!
Lassen Sie mich als letzter Redner zu diesem Bereich
ein kleines Resümee ziehen. Was haben wir heute gehört? Die FDP macht Einsparvorschläge in Höhe von
11,8 Milliarden Euro,
({1})
um mit brachialer Gewalt zu beweisen, dass eine Nullverschuldung bereits jetzt möglich wäre. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Luftnummer.
({2})
Man muss sich nur den Zuschuss an die gesetzliche
Krankenversicherung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro
anschauen. Wenn Sie ihn streichen, dann wissen Sie genau, was passiert:
({3})
Die Beiträge müssten steigen,
({4})
das kostete wieder Arbeitsplätze. Weniger Arbeitsplätze
bedeuteten höhere Sozialausgaben und weniger Steuereinnahmen. Damit wären wir genau dort, wohin wir
nicht wollen.
({5})
Alle anderen Vorschläge lasse ich einmal beiseite: Eingliederungstitel, Entwicklungshilfe, Elterngeld usw.
Herr Koppelin, nicht diese Koalition ist haushaltspolitisch am Ende; die Vorschläge der FDP sind so langsam
am Ende.
({6})
Lassen Sie mich noch etwas zu den Grünen sagen.
Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage
von Herrn Koppelin zu, bevor Sie zu den Grünen kommen?
Aber bitte, immer gern.
Lieber Kollege, damit Ihnen die Beantwortung nicht
so schwer fällt - ich will Ihnen gar nicht erst unser neues
Sparbuch schenken; Sie können es sich aber nachher abholen -, beschränke ich mich auf eine kurze Frage: Warum musste die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung noch einmal eine Steigerung erfahren, und warum
muss ein Friedhofsmuseum in Kassel mit einer halben
Million finanziert werden?
Herr Kollege Koppelin, ich erspare es Ihnen, alle Ihre
Änderungsanträge im Detail zu diskutieren. Sie sollten
zur Kenntnis nehmen, dass wir die Öffentlichkeitsarbeit
über Jahre hinweg in die pauschalen Kürzungen einbezogen haben.
({0})
Das war auch bei diesem Mal so. Im Übrigen habe ich in
den vergangenen Jahren schon gesagt: Wenn Sie mir ein
solches Sparbuch überreichen wollen, dann bitte in
Form einer CD-ROM und nicht in diesem veralteten Telefonbuchformat.
({1})
Ein Wort noch zu den Grünen: Frau Kollegin Hajduk,
Sie schlagen vor, mit einem Erhöhungsritual, das die
Maut, den Emissionshandel usw. betrifft, Ausgaben in
Größenordnungen zu finanzieren, die nach Ihren Parteitagsbeschlüssen, über die heute schon gesprochen
wurde, enorme Dimensionen annehmen. Das ist mit uns
nicht zu machen, zumal Sie auch bei den Beschaffungen
von Waffen und Munition streichen wollen. Wir dürfen
die Sicherheit unserer Soldaten nicht gefährden. Das ist
also mit unserer Fraktion mit Sicherheit nicht zu machen.
({2})
Nebenbei bemerkt: Einer Ihrer Vorgänger, der Kollege
Oswald Metzger, hat an dieser Stelle schon manche
Haushaltsrede gehalten und dabei durchaus bewiesen,
dass er von der Sache etwas versteht. Wenn er sich von
Ihren Parteitagsbeschlüssen öffentlich distanziert,
müsste es Ihnen eigentlich zu denken geben.
({3})
Zu den Linken oder der PDS oder der SED, oder wie
auch immer man die Kommunisten bezeichnen soll, will
ich nur sagen:
({4})
Steuerfinanzierte Mehreinnahmen von 30,7 Milliarden
Euro, um damit soziale Wohltaten zu finanzieren, die
letztendlich in den Ruin führen, bezeichnen eine Politik,
die in krassem Gegensatz zu dem steht, was Sie hier in
Berlin zeigen. Dort knicken Sie immer ein. Wenn Ihre
Politik so erfolgreich sein soll, wie Sie es beanspruchen,
dann zeigen Sie es in Berlin.
({5})
Lassen Sie mich zu unserem Haushalt zurückkommen. Der Entwurf der Bundesregierung, der schon gut
war, wies immer noch ein strukturelles Defizit von
23,6 Milliarden Euro und neue Schulden in Höhe von
12,9 Milliarden Euro auf. Wir haben sowohl das strukturelle Defizit als auch die Nettokreditaufnahme auf
11,9 Milliarden Euro reduziert. Vor zwei Jahren betrugen das strukturelle Defizit noch 54,4 Milliarden Euro
und die Nettokreditaufnahme 31,2 Milliarden Euro. Jetzt
ist das strukturelle Defizit mehr als halbiert, und die Nettokreditaufnahme ist auf ein Drittel dessen, was im
Durchschnitt der letzten Legislaturperiode zutage trat,
zurückgeführt. Angela Merkel hat als neue Kapitänin auf
dem Schiff gemeinsam mit Finanzminister Steinbrück
das Ruder entschlossen herumgerissen und uns auf den
Weg geführt, der erfolgreich ist. Dafür sind wir dankbar.
Dennoch ist es nicht einfach, diesen Kurs beizubehalten. Erinnern wir uns: Seit der Einbringung des Entwurfs
im September gab es Mehrforderungen in der Größenordnung von fast 7 Milliarden Euro. Einige dieser Mehrforderungen haben wir akzeptiert, weil sie sinnvoll sind:
bei den Familien, bei Bildung und Forschung, insbesondere aber auch bei der Infrastruktur. Ich sage auch als
Baden-Württemberger ganz bewusst: Bei der Infrastruktur, beim Straßenbau haben wir erheblichen Nachholbedarf. Wenn es künftig Spielräume für neue Ausgaben gibt, dann sollten sie dafür verwendet werden.
Damit erhöhen wir gleichzeitig unsere Investitionsquote,
was innerhalb des Gleichgewichts dieses Haushalts ausgesprochen sinnvoll ist.
({6})
Wir haben diesen Mehrforderungen entsprochen,
ohne das Limit von 283 Milliarden Euro erhöht zu haben. Die Ausgaben bleiben gleich, die Ausgabensteigerung ist moderat - der Finanzminister hat es dargelegt;
ich will es nicht wiederholen -; denn wir haben umgeschichtet und in einzelnen Etats - das vergisst die Opposition immer wieder zu erwähnen - ganz konkret gespart
und gekürzt. Nur so waren Mehrausgaben an anderer
Stelle möglich.
Insgesamt zeigen wir mit diesem Haushaltsentwurf,
dass wir die Leitlinien des Konsolidierens, des Reformierens und des Investierens ernsthaft umsetzen.
({7})
Das ist der Weg des Erfolges. Das schafft mehr Beschäftigung, mehr Arbeit, und jeder Arbeitende mehr erzeugt
mehr Steuereinnahmen und verursacht weniger Sozialausgaben. Das ist die Grundlage unseres Erfolgs. Auf
diesem Weg wollen wir fortschreiten.
({8})
Ich erlaube mir an dieser Stelle folgende Anmerkung:
Herr Kollege Spiller, Sie haben ja durchaus recht, wenn
Sie sagen, die Maßnahmen der vergangenen Legislaturperiode seien insbesondere in Bezug auf den Arbeitsmarkt erfolgreich gewesen. Dann ist es aber falsch, diesen Weg zu verlassen. Dann müssen wir auf diesem Weg
weitergehen, um auch weiterhin die Grundlagen für erfolgreiche Politik in diesem Lande zu schaffen.
Herr Minister Steinbrück, in den vergangenen Wochen und Monaten sind Sie mir manchmal vorgekommen wie ein Boxer im Ring, der es auch noch mit mehreren Gegnern gleichzeitig zu tun hat.
({9})
Jetzt, nachdem die Hälfte der Runden vorbei ist, kann
man sagen: Unser Finanzminister macht nach wie vor
den Eindruck eines gut Trainierten.
({10})
Er hat schon manche Treffer einstecken müssen, zum
Beispiel die bereits angesprochene Bankenkrise
- nimmt man die Äußerungen von Herrn Sanio von gestern ernst, dann sind sie durchaus als Warnung zu betrachten, dass dies auch in Deutschland noch nicht ganz
überwunden ist -, der Dollar-Euro-Kurs und der Ölpreis.
So manche linke Gerade ist an Ihrem Kinn gelandet,
Herr Finanzminister, aber sie zeigen bisher Gott sei
Dank noch keine Wirkung.
({11})
Wenn in der zweiten Hälfte der Runden die Ermüdungserscheinungen eintreten, die da bei Boxern immer beobachtet werden, dann kann ich Ihnen nur empfehlen:
Kommen Sie in unsere Ecke, in die Ecke der CDU/CSUFraktion.
({12})
Wir stärken Ihnen den Rücken, wir bauen Sie wieder
auf, und dann werden Sie auch die weiteren Runden
überstehen.
({13})
Eines muss man immer wieder festhalten, bei allem
Erfolg, den wir verzeichnen können: Anlass zur Entwarnung besteht noch nicht. Auch 2008 haben wir noch ein
strukturelles Defizit von 22,6 Milliarden Euro. Wir
müssen diese Lücke schließen, im Interesse der nachwachsenden Generation, im Interesse der Menschen dieses Landes. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ausgeglichene Haushalte bekommen und den Schuldenabbau
angehen können. Dabei unterstützt uns die Bundeskanzlerin, dabei unterstützen uns die beiden Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und Peter Struck, und dabei unterstützen uns die Haushaltspolitiker der Koalition.
Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir dieses Ziel auch
erreichen werden.
Herzlichen Dank.
({14})
Nach dieser vorweihnachtlichen Bescherung schließe
ich die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Wir stimmen
zunächst über den Einzelplan 08 - Bundesministerium
der Finanzen - in der Ausschussfassung ab. Hierzu liegt
ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7293? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung der FDP, Gegenstimmen der Koalition und
Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 08. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 08 mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt
dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.
Wir kommen an dieser Stelle zur Abstimmung über
den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Nachtragshaushalts. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6427, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf den Drucksachen 16/6390 und 16/6391 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimVizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
men wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter
Beratung bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und
Ablehnung der Oppositionsfraktionen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmverhältnis wie vorher angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 16/7294. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist der Entschließungsantrag bei Zustimmung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der
FDP sowie Ablehnung des Hauses im Übrigen abgelehnt.
Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt II.5 auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und Forschung
- Drucksachen 16/6420, 16/6423 Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Hagemann
Ulrike Flach
Michael Leutert
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der
Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Einzelplan 30 hat erneut einen Aufwuchs zu verzeichnen, den wir als Liberale ausdrücklich begrüßen.
({0})
Wir haben aus diesem Grunde wie in den letzten Jahren
auf Kürzungsanträge weitgehend verzichtet. Die FDP
steht für eine Bildungs- und Forschungspolitik, die sich
dessen bewusst ist, dass wir steigende Investitionen in
diesem Bereich brauchen. Der Einzelplan 30 ist aus diesem Grunde der einzige Ressorthaushalt, den wir nicht
ablehnen.
Wir haben Erhöhungsanträge von Ihnen bewusst mitgetragen, zum Beispiel beim Hochschulpakt. Wir halten
es auch für gut, dass die Bundesregierung nach sechs
Jahren endlich einen Entwurf vorgelegt hat mit dem
Ziel, das BAföG zu erhöhen.
({1})
Ich habe mich allerdings etwas gewundert, als wir hörten, das sei eine besondere Leistung in diesem Jahr. Wir
haben zusammen mit den Studenten sechs Jahre auf
diese Erhöhung gewartet. Es ist wirklich Zeit gewesen,
dass dieser Schritt getan wurde.
({2})
- Wir hatten auch Anträge dazu. Ich erinnere zum Beispiel an das Jahr 1998, lieber Herr Tauss;
({3})
da haben wir milliardenschwere Erhöhungen gefordert.
Wir wollen die Mittel da kürzen, wo sie nicht abfließen, beispielsweise beim Programm „Neue Medien in
der Bildung“ oder bei der sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschung. Dort waren Ende Oktober erst
67 Prozent ausgegeben; übrigens waren auch nur
80 Prozent festgelegt. Ganz offensichtlich stimmt an diesem Programm etwas nicht, Frau Schavan; es ist unrund.
Unter dem Strich, Frau Ministerin, haben Sie einen
ordentlichen Haushalt vorgelegt. Trotzdem müssen Sie
sich natürlich fragen lassen, ob Sie damit den Anforderungen der Zukunft wirklich gerecht werden. Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang drei Fragen stellen, von
denen wir meinen, dass sie die entscheidenden für die
nächsten Jahre sind:
Erstens. Ist es Ihnen gelungen, den Arbeitsmarkt für
wissensbasierte Jobs zu vergrößern? - Nein, Frau
Schavan. Sie haben 1,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze versprochen. Die Ergebnisse sind nach wie vor
nicht messbar. Sie haben an dieser Stelle - das ist deutlich - keinen Erfolg gehabt.
Die nächste Frage lautet: Ist es Ihnen gelungen, den
kleinen und mittleren Unternehmen den Weg zur Forschungslandschaft zu ebnen? Dies ist eine Forderung,
die immer wieder in diesem Hause aufgestellt wird. Auf
diese Frage antworten wir: Nein, ganz offensichtlich
nicht. Nur 8 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen erhielten in den letzten fünf Jahren Forschungsfördergelder. Nachdem die Forschungsprämie jetzt endlich
eingeführt worden ist, stellt sich heraus, dass sie offensichtlich falsch konzipiert ist. Eine steuerliche Förderung gibt es ganz offensichtlich nur in Ihren Reden. Dies
alles wird übrigens gleichzeitig von einer Unternehmensteuerreform begleitet, die alles andere als forschungsfreundlich ist.
({4})
Wir, die FDP, sind der festen Überzeugung, dass wir
eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung, wie es sie übrigens in fast allen unseren Wettbewerbsländern gibt, brauchen. Sie muss unbürokratisch
sein. Sie muss Mitnahmeeffekte vermeiden, und vor allem muss sie - das ist wichtig für uns - einen Großteil
der Gießkannenprogramme ersetzen, die derzeit in den
technologiefördernden Ministerien dieser Regierung
gang und gäbe sind.
({5})
Die nächste Frage lautet, Frau Schavan: Ist es Ihnen
gelungen, den Hochschulpakt so zu gestalten, dass wir
langfristig international mithalten können? Ich muss Ihnen zugutehalten, dass es Ihnen im Gegensatz zu Ihrer
Vorgängerin ganz offensichtlich gelungen ist, mit den
Ländern überhaupt zu einem Pakt zu kommen. Das ist
definitiv ein Verdienst. Aber ich will in diesem Zusammenhang Frau Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, zitieren, die sagt, dass die deutschen Hochschulen trotz des Hochschulpaktes nach wie
vor chronisch unterfinanziert seien.
({6})
- Auch Sie sind dabei. Deshalb haben Sie doch einen
Pakt geschlossen, Herr Hagemann.
Nach den Erhebungen der OECD gibt der Hochschulbereich in Deutschland circa 8 500 Euro pro Studierenden und Jahr aus. In der Schweiz zum Beispiel sind es
19 000 Euro. Kanada kommt auf 14 700 Euro, lieber
Herr Hagemann. Deutschland finanziert sein Hochschulsystem also nicht nur relativ schlecht, sondern muss sich
natürlich besonders mit der Tatsache auseinandersetzen,
dass andere Industrienationen, aber auch Schwellenländer ihre Aufwendungen für höhere Bildung massiv erhöhen.
({7})
Die notwendige Schlussfolgerung kann nur eine deutliche Steigerung der Investitionen in den Hochschulbereich sein, will man in diesem Wettbewerb bestehen.
Diesem Ziel sind Sie - Länder hin, Länder her - wirklich
nur marginal nachgekommen. Dabei gibt es übrigens für
uns eine Möglichkeit - das sage ich auch mit Blick auf
Ihre Protestrufe gerade -, da besonders einzugreifen. Natürlich kann der Bund zum Beispiel die sogenannte Programmpauschale erhöhen, und zwar auf ein Niveau, wie
es in anderen Ländern gang und gäbe ist. Sie haben an
dieser Stelle gerade einmal eine Erstattung von
20 Prozent vorgesehen. Die internationale Konkurrenz
liegt inzwischen bei zum Teil 100 Prozent. Das ist eine
Sache, die Sie in diesem Haushalt stemmen könnten.
Wir fordern Sie auf, dies auch zu tun.
({8})
Sie haben die Exzellenzinitiative gefeiert; das war in
den Medien ein Erfolg für Sie.
({9})
Frau Schavan, Sie werden uns am Ende der beiden folgenden Jahre aber sagen müssen, wie Sie diese Initiative
fortführen. Sie werden uns sagen müssen, wie Sie mit
dem Pakt für Forschung vorankommen.
({10})
Genau dies steht noch aus. Wir wissen nicht, wie Sie
dies langfristig und nachhaltig finanzieren wollen. Auch
daran werden Sie zu messen sein.
Wir werden das, wie Sie wissen, weiterhin ausgesprochen positiv begleiten. Wir hoffen sogar, dass Sie erfolgreich sein werden. Das wäre für dieses Land und diesen
Wissenschaftsstandort von erheblicher Bedeutung. Aber
bisher sind wir nur einen kleinen Schritt weitergekommen. Ich hoffe, dass wir in den nächsten beiden Jahren
deutlich mehr erleben werden.
({11})
Der Kollege Klaus-Peter Willsch spricht jetzt für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war nun
wirklich ein Auftakt der Debatte um Bildung und Forschung nach Maß. Wenn die Opposition nur noch über
das Tempo der Schrittfolge der Regierung, aber nicht
mehr über die Richtung an sich spricht,
({0})
dann sind wir alle hier im Parlament auf dem richtigen
Wege.
({1})
So soll das auch in dem wichtigen Bereich Forschung
und Bildung sein.
Wir müssen uns in unserem Lande wesentlich stärker
der Zukunftsfinanzierung und weniger der Vergangenheitsfinanzierung stellen. Deshalb ist es wichtig, dass es
im Bereich des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung erneut zu einer deutlichen Steigerung der
Mittel kommt. Wir haben schon im Entwurf eine Steigerung um 8 Prozent vorgesehen gehabt und können nun,
nach der Bereinigungssitzung und den Einzelberatungen
im Haushaltsausschuss, feststellen, dass der Haushalt
des BMBF mit 9,35 Milliarden Euro, einem Aufwuchs
von fast 10 Prozent, ein Rekordniveau erreicht. Das ist
gut so; es ist wichtig, dass wir in diesem Bereich
Schwerpunkte setzen. Wir danken Ministerin Schavan
und dem ganzen Haus für die engagierte Arbeit, die in
diesem Bereich gemacht wird.
({2})
Ein Großteil dieses erneuten Aufwuchses im Rahmen
der Beratungen ist natürlich auf die BAföG-Erhöhung
zurückzuführen. Darauf werden meine Kolleginnen und
die Frau Ministerin sicher noch detaillierter eingehen.
Die Mittel für die Projektförderung werden um
18 Prozent auf 3,049 Milliarden Euro erhöht. Diese
Kennzahl verdeutlicht, dass die Bildungs- und Forschungspolitik dieser Regierung bei unserer Ministerin
Annette Schavan in der richtigen Hand ist.
Der größte Anstieg ist bei Forschung und Entwicklung zu verzeichnen. Hier sind für das nächste Jahr Ausgabensteigerungen um 580 Millionen Euro vorgesehen.
Die Instrumente der im letzten Jahr aufgelegten Hightech-Strategie wurden in diesem Jahr ausgestaltet und
sind auf den Weg gebracht worden; Stichworte:
Forschungsprämie I, Forschungsprämie II und Spitzencluster-Wettbewerb. Frau Flach, ich danke Ihnen für Ihre
Fokussierung in diesem Zusammenhang. Wir sind uns
miteinander einig, dass wir, auch durch entsprechende
Haushaltsvermerke dokumentiert, uns mehr Forschungsförderung beim Mittelstand wünschen. Wir werden beim
Ministerium abfragen, wie die Quoten, die wir festgeschrieben haben, erreicht werden.
Wir bewegen uns mit dem vorgelegten Haushaltsplanentwurf, den wir heute beschließen werden, weiter in
Richtung Umsetzung der Lissabon-Strategie; das
heißt, wir wollen bis 2010 erreicht haben, dass
3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und
Entwicklung aufgewendet werden. Die insgesamt günstige Konjunkturentwicklung und das stärkere Wirtschaftswachstum machen diese Aufgabe zu einer noch
größeren Herausforderung. Denn von einem gewachsenen Bruttoinlandsprodukt 3 Prozent aufzuwenden, ist
eine größere Herausforderung, als von einem gleichbleibenden Bruttoinlandsprodukt 3 Prozent aufzuwenden.
Wir haben - das erhöht für uns alle, die wir mit diesen
Zahlen hantieren, die Übersichtlichkeit - eine neue
Struktur des Haushalts. Neben den Kap. 3001, „Ministerium“, und 3067, „Versorgung“, ist in drei weiteren
Kapiteln klar strukturiert, wie die Mittel im Forschungsministerium veranschlagt werden. Im Kap. 3002, „Leistungsfähigkeit des Bildungswesens, Nachwuchsförderung“, sind alle Maßnahmen zusammengefasst, die dem
Einzelnen zugute kommen, sowie weitere strukturstärkende Maßnahmen. In Kap. 3003, „Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems“, sind
alle Maßnahmen zur Stärkung ebendieses Systems zusammengefasst. Neben dem Schwerpunkt Hochschulen
- Stichworte: Hochschulpakt und Exzellenzinitiative sind hier Geisteswissenschaften und Querschnittsmaßnahmen enthalten. Die Verknüpfung zu institutionellen
Einrichtungen wird durch Einbeziehung von DFG, MaxPlanck-Gesellschaft, Blaue-Liste-Einrichtungen sowie
europäischen Forschungseinrichtungen erreicht.
Im Kap. 3004 „Forschung für Innovationen, Hightech-Strategie“, sind alle Maßnahmen enthalten, die im
BMBF im Rahmen der Hightech-Strategie gebündelt
und koordiniert werden, ganz gleich aus welchem Haushalt sie im Einzelnen kommen. Mit der Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft haben wir
die anwendungsorientierte Forschung einbezogen.
Wir wissen um die Verantwortung für unsere Kinder. Sie sollen mit Blick auf die Berufswelt bestmögliche Startchancen erhalten. Wenn junge Menschen vor
der Frage stehen, welche Ausbildung für sie geeignet ist,
verspürt man immer wieder große Unsicherheit. Wir haben uns lange mit dem Thema der Altbewerber auseinandergesetzt, also mit der Frage: Wie finden wir für
junge Menschen, die noch keinen beruflichen Weg eingeschlagen haben, eine geeignete berufliche Verwendung? Hier haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen einen großen Schritt getan. Zusammen mit der
Handwerksorganisation wollen wir mit 15 Millionen
Euro vom Bund und 15 Millionen Euro von den Ländern
Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung
durchführen. In der 8. Klasse soll Schülerinnen und
Schülern Gelegenheit gegeben werden, durch praxisnahe
Einblicke und Berufserprobung in mindestens drei Berufsfeldern rechtzeitig ihre beruflichen Neigungen zu erkennen.
({3})
Ich glaube, es ist richtig, dass wir hier ansetzen. Wir
wollen Altbewerber gar nicht erst entstehen lassen. Wir
wollen, dass die Jugendlichen rechtzeitig, bevor sie ihre
Schullaufbahn beenden, in einen Beruf hineinschnuppern können, um zu schauen, was zu ihnen passt, wofür
sie geeignet sind. Sie sollen herausfinden, wie sie ihren
beruflichen Weg machen können, welche beruflichen
Fähigkeiten und Neigungen sie haben.
({4})
Der Hochschulpakt ist zwischen Bund und Ländern
geschlossen worden, um der erhöhten Zahl von Studienanfängern - die Kinder der Baby-Boom-Jahrgänge nehmen jetzt ein Studium auf - Rechnung zu tragen, um
angemessene Ausbildungsmöglichkeiten in den Hochschulen zu schaffen. Damit soll das Potenzial gehoben
werden, das in unserer Gesellschaft schlummert und das
angesichts der zurückgehenden Geburtenzahl dringend
gehoben werden muss. Die Bundesregierung und der
Haushaltsgesetzgeber stellen hierfür allein im Jahr 2008
241,5 Millionen Euro zur Verfügung und ermöglichen
gleichzeitig den Einstieg in die Vollkostenfinanzierung,
die sogenannte Overheadfinanzierung; Frau Flach, Sie
haben es angesprochen.
({5})
Wir gehen Schritt für Schritt den als richtig erkannten
Weg weiter, ohne uns aus dem Konzept bringen zu lassen. Wir machen Deutschland fit. Mit der Exzellenzinitiative zur Förderung von Wissenschaft und Forschung
an deutschen Hochschulen sorgen wir dafür, dass Elite,
dass Spitze bei uns wieder erkennbar ist und gefördert
wird.
({6})
Die neuen Instrumente in den Bereichen Forschung
und Innovation - Stichwort: Hightech-Strategie - sind
bereits angesprochen worden. Wir haben die Aufgabe,
bei den Firmen und Einrichtungen in unseren Wahlkreisen dafür zu werben, dass die neuen Instrumente auch
angenommen werden.
({7})
Wir müssen das zu unserem Anliegen machen. Wir müssen hinausgehen und den Firmen sagen: Es gibt diese
Möglichkeiten. Arbeitet mit der Fachhochschule zusam13436
men! Arbeitet mit dem Forschungsinstitut zusammen!
Arbeitet mit der Universität zusammen! Wir fördern das
ausdrücklich und fordern euch auf, diese Möglichkeiten
zu nutzen, weil wir wissen, dass Deutschland nur dann
eine Chance hat, wenn wir bei Verfahren, Technologien
und Produkten vorne sind. Wir müssen schneller werden. Der Weg von der Wissenschaft in die Produktion
muss kürzer werden.
({8})
Nur so haben wir eine Chance, Deutschland als
Hochlohnstandort zu erhalten, weiter auszubauen und
das Wachstum zu generieren, das wir brauchen, um unsere Zukunftsaufgaben bewältigen zu können.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. In der
Titelgruppe 40 haben wir die Bereiche Klima, Energie
und Umwelt zusammengefasst. Dazu gehört natürlich
auch das Thema „Zukunft der Energie“. Bei allen ideologischen Verhärtungen, die es bei diesem Thema gibt,
({9})
rate ich, gelegentlich einen Blick auf die europäische
Ebene zu werfen. Im Europäischen Parlament haben wir
eine Debatte über die friedliche Nutzung der Kernenergie geführt. Ein erheblicher Teil der dortigen Fraktion unseres Koalitionspartners sprach sich darin für einen realistischen Weg aus und nahm eine den
technologischen Herausforderungen gerecht werdende
Position ein.
Herr Kollege, wir sind noch ziemlich am Anfang der
Debatte, aber Sie wissen, dass diese Redezeit dann Ihren
Kollegen fehlt.
Das ist der letzte Satz.
Wir müssen uns gerade unter den Kautelen der Klimapolitik der Frage stellen, wie wir grundlastfähige
Energie, die die Voraussetzung für einen Wirtschaftsund Industriestandort ist, in Deutschland erhalten wollen,
({0})
ohne weiter CO2 in Massen zu produzieren. Langfristig
werden wir um eine friedliche Nutzung der Kernenergie
nicht herumkommen.
({1})
Diese Aufgabe bleibt bestehen. Diese Koalition wird sie
jetzt nicht lösen können, weil unterschiedliche Auffassungen vorherrschen. Das bleibt eine Aufgabe für
Deutschland. Es ist gut, dass wir in diesem Bereich forschungsmäßig auf der Höhe der Zeit bleiben; denn es
wäre fahrlässig, den Vorsprung, den wir auf diesem Gebiet haben, aufzugeben.
({2})
Abschließend danke ich dem Ministerium herzlich für
die gute Zusammenarbeit im Verfahren. Ich glaube, dass
wir in Deutschland aufgrund der Steigerung der Ausgaben in diesem Bereich auf einem guten Weg sind. Ich
wünsche mir eine breite Unterstützung im ganzen Haus
für diesen Einzelplan.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({3})
Volker Schneider hat das Wort für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Haushaltspolitik der Bundesrepublik, so wie sie sich hier niederschlägt,
({0})
ist doch im Wesentlichen durch zwei Merkmale gekennzeichnet. Einerseits spendieren Sie Ihren Leuchttürmen
neue starke Lichtanlagen, damit diese möglichst weit
und hell strahlen können.
({1})
Andererseits drehen Sie den Dörfern rund um diese
Leuchttürme die Beleuchtung auf Sparflamme. Im Großen und Ganzen scheinen Sie zu hoffen, dass die Einwohner schon froh darüber sein werden, dass sie ab und
zu ein besonders helles Licht streift.
Dabei ist die Exzellenz nur eine Zielsetzung Ihrer
Hochschulpolitik, wie Sie sie im Koalitionsvertrag beschreiben. Ich kann Ihnen bestätigen: Sie leisten ganze
Arbeit. Sie wenden immer mehr Milliarden Euro für die
von Ihnen bevorzugten elitären Projekte wie Exzellenzwettbewerb, Pakt für Forschung und Innovation,
Hightech-Strategie - und wie sie alle heißen - auf. Außerhalb des gleißenden Lichts dieser Leuchttürme liegen
die Hochschulen eher im trüben Licht bildungspolitischer Sparflammen. Angesichts der bescheidenen Mittel
für die Kompensationaufgabe Hochschulbau und Hochschulpakt muss von einer Unterfinanzierung der Hochschulen gesprochen werden.
({2})
Meine Kollegin Hirsch wird auf diesen Bereich noch
detaillierter eingehen.
Ich will in diesem Zusammenhang nur einen Aspekt
ansprechen. Von den zehn besten Universitäten dieser
Welt, so sagt man, stehen die meisten in den USA; die
meisten der 500 schlechtesten allerdings auch. Um hier
aufzuschließen, sind wir wirklich auf einem guten Weg.
Das meine ich allerdings leider eher für die Breitenwirkung Ihrer Politik.
Volker Schneider ({3})
Wie diese konkret wirkt, konnte man im März dieses
Jahres im Politmagazin Monitor unter dem Titel „Wie an
deutschen Hochschulen für 1 Euro geforscht und ohne
Lohn gelehrt wird“ bewundern. Während auf der einen
Seite für die Spitzenforscher nichts zu schade ist, wird
auf der anderen Seite Forschung und Lehre von einem
immer größeren Teil prekär Beschäftigter geleistet. Beschäftigte müssen in befristeten Stellen - nach Angaben
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW,
sind es zwischenzeitlich 70 Prozent - nebenberuflich
und zu Löhnen, die - berücksichtigt man Vor- und Nachbereitungszeiten - unter denen angelernter Arbeiter liegen, der Lehre und Forschung dienen.
Dabei markieren diese nicht einmal das untere Ende
der Skala. Dort finden wir die akademischen Sklaven,
die als 1-Euro-Jobber zum Einsatz kommen oder die als
Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren zur
unentgeltlichen Lehre verpflichtet sind, um ihren Status
nicht zu verlieren, weil sie nur so eine Chance haben, auf
eine Professur berufen zu werden. So also sieht es aus,
wenn Sie im Koalitionsvertrag versprechen:
Wir wollen junge Talente und Nachwuchswissenschaftler fördern und ihnen Karriereperspektiven
eröffnen. Die Besten aus aller Welt müssen in
Deutschland attraktive Studien- und Arbeitsbedingungen vorfinden.
Sie reden von Wettbewerb und stören sich nicht daran, dass die Hochschulen diesen auf dem Rücken der
Beschäftigten austragen.
({4})
Sie versprechen mehr Autonomie und Freiheit für die
Hochschulen und sehen weg, wenn diese Freiheit dafür
genutzt wird, dass Stellen nicht neu besetzt werden, Personal abgebaut wird, Löhne gedrückt und Tarife unterlaufen werden. Das ist die andere Seite Ihrer schönen
neuen Welt der Leitbilder für das Hochschulwesen der
Zukunft, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag propagieren.
Lassen Sie mich noch kurz auf einen zweiten Bereich
eingehen, in dem bei Ihnen Anspruch und Wirklichkeit
deutlich auseinanderklaffen.
Wir wollen mittelfristig die Weiterbildung zur
4. Säule des Bildungssystems machen und mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System etablieren.
Das schreiben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag. So wie ich
das sehe, sind Sie bei diesem Projekt bis heute nicht aus
den Startlöchern gekommen. Schlimmer noch, Sie sind
nicht einmal an den Start gegangen. Wahrscheinlich sitzen Sie noch immer in der Umkleidekabine. Ich befürchte, dort werden Sie bis zum Ende der Legislaturperiode nicht rauskommen.
Ich will mir ersparen, hier einmal mehr die Daten und
Fakten anzusprechen, die zeigen, wie sehr wir im Weiterbildungsbereich international hinterherhinken. Ich
will mir auch ersparen, erneut zu belegen, in welch hohem Maße die soziale Herkunft für die Inanspruchnahme
von Weiterbildung und für den Umfang, in dem Teilnehmer von dieser Weiterbildung profitieren können, wesentlich ist.
Es ist wie immer. „The same procedure as last year,
könnte man frustriert feststellen. Lesen Sie doch einmal
im Berichtssystem Weiterbildung:
Nicht nur die Teilnahmequoten gehen zurück. Auch
der Durchschnittswert der für berufliche Weiterbildung aufgewendeten Zeit sinkt deutlich. Es erscheint durchaus plausibel, dass die Kombination
aus einer verstärkten Sparpolitik öffentlicher Haushalte und des gestiegenen Kostendrucks in den Betrieben zu weniger förderlichen Rahmenbedingungen für eine Expansion der formal organisierten
beruflichen Weiterbildung geführt hat.
Reicht Ihnen das nicht als Hinweis darauf, dass die
Weiterbildung Opfer des öffentlichen Spardrucks ist?
Ich kann an Ihrem Haushalt nicht erkennen, dass Sie daran irgendetwas ändern wollen. Weder versuchen Sie,
die Fördermöglichkeiten beim Meister-BAföG auf weitere Personenkreise auszuweiten, noch heben Sie die
Ausgaben für die berufliche Weiterbildung im Einzelplan 30 an. Auch an der Weiterbildungspolitik der Bundesagentur für Arbeit, welche seit Jahren einer beispiellosen Mittelkürzung ausgesetzt ist, wird nichts geändert,
obwohl die Teilnehmerzahl zwischen 2001 und 2006
von 350 000 auf 120 000 Personen gesunken ist.
Stattdessen veranstaltet Frau Schavan eine Pressekonferenz, auf der sie eine Qualifizierungsorientierung verspricht, die konkret so aussieht, dass Haushaltsposten
neue Namen bekommen und die Mittel für Weiterbildung unter der neuen Überschrift „Stärkung des Lernens
im Lebenslauf“ von 40 Millionen Euro auf 25 Millionen
Euro gekürzt werden. Das versteht kein Mensch mehr.
Das Absurdistan Ihrer Weiterbildungspolitik tragen wir
Linken nicht mit.
Ich komme zum Schluss. Sie werden Ihre Leuchttürme nicht so hell erstrahlen lassen können, dass sie die
großen, hässlichen Flecken Ihrer Bildungspolitik überstrahlen. Jeder noch so kleinen und noch so vernünftigen
Änderung des Haushalts haben Sie Ihre Zustimmung
verweigert.
Wir, die Linke, werden diesem Haushalt daher nicht
zustimmen.
({5})
Der nächste Redner ist Klaus Hagemann für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Schneider, ich muss feststellen: In
Ihrer Rede war noch nicht einmal ein einziger Lichtfunke oder Lichtstrahl zu erkennen.
({0})
Alles, was Sie gesagt haben, war schwarz in schwarz,
obwohl der Haushalt, den wir heute vorlegen, in der
Breite viele Leuchttürme enthält, aber auch sehr weit ins
Feld ausstrahlt. Das sollte man zumindest anerkennen,
Herr Schneider.
({1})
Zu den Fakten gehört, dass wir beispielsweise das
BAföG deutlich erhöhen - darauf komme ich noch zu
sprechen - und die Berufsausbildung fördern. Diese
Fakten sollte man zumindest anerkennen, wie es Frau
Flach getan hat. Es ist keine Lösung, nur schwarz in
schwarz zu malen und Trübsal zu blasen.
({2})
Einzelplan 30 des Haushalts zeigt deutlich auf, dass
nicht gekleckert, sondern geklotzt wurde und dass wir
etwas geleistet haben. Von Frau Schavan ist ein guter
Entwurf vorgelegt worden, den wir in unseren Beratungen verbessert und aus dem wir einen sehr guten Entwurf gemacht haben. Diesen stellen wir jetzt zur Abstimmung.
({3})
Schon im Regierungsentwurf war eine Erhöhung der
Mittel dieses Einzelplans um 7,8 Prozent vorgesehen.
Die Beratungen im Haushaltsausschuss haben dazu geführt, dass diese Mittel jetzt um 9,8 Prozent erhöht werden.
({4})
Wir packen auf die bereits vorgesehene Erhöhung weitere 163 Millionen Euro obendrauf; das sollte man anerkennen.
({5})
Das hat die Koalition erreicht, obwohl sie bereits einiges
geleistet hat. Wir haben unter anderem die Nettokreditaufnahme zurückgeschraubt und die Investitionen gesteigert. Man muss anerkennen und zur Kenntnis nehmen, dass hier ein Versprechen erfüllt worden ist.
Noch nie - Kollege Willsch hat darauf hingewiesen war der Umfang der Mittel, der in einem Bundeshaushalt
für Bildung und Forschung vorgesehen war, so groß.
Noch nie wurde in den parlamentarischen Beratungen so
viel Geld obendrauf gepackt. Von diesem Haushalt gehen die starken Impulse aus, dass Zukunftsinvestitionen
in Bildung und Forschung getätigt werden können. Ich
kann für die SPD und, wie ich glaube, für die gesamte
Koalition sagen: Wir sind stolz darauf, dass wir das erreicht haben.
({6})
Mit diesen Leitzielen, die wir uns gesetzt haben, stärken wir den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort
Deutschland. Wir bauen ihn aus und fördern ihn. Mit
diesem Haushalt tragen wir dazu bei, dass die Ergebnisse der Grundlagenforschung besser und schneller in
weltmarktfähige Produkte umgesetzt werden können,
dass kleinere und mittlere Unternehmen gestärkt und Arbeitsplätze gesichert bzw. neue Arbeitsplätze geschaffen
werden. Schließlich erreichen wir durch die Erhöhung
und Verbesserung bei der Studienförderung, beim
BAföG, und durch die Ausweitung der Stipendien und
der Begabtenförderung sowohl im studentischen Bereich
als auch im Ausbildungsbereich, dass möglichst alle jungen Menschen ihre Begabungen und Fähigkeiten nutzen
und weiterentwickeln können. Das war ein weiteres
Leitziel, das wir erreichen wollten.
({7})
Meine Damen und Herren, wir beobachten im Gegensatz zu dem, was Herr Schneider vorgetragen hat, doch
eine Veränderung im Denken und auch in der Darstellung der Situation von Forschung und Bildung in unserem Lande. Lassen Sie mich nur wenige Zitate bringen,
die in den letzten Tagen und Wochen in den Medien zu
lesen waren: „Chancen werden besser bewertet als Bedenken.“ Für Deutsche ist das schon ein großer Fortschritt, meine Damen und Herren.
({8})
„Der Forschungsstandort ist längst besser als sein Ruf.“
Auch eine solche Meldung in der Presse ist ein riesiger
Fortschritt. Ein anderes Zitat, das erwähnt werden muss,
lautet: „Überall mischen deutsche Institute in der Weltspitze mit.“
({9})
Ich zitiere noch den Nobelpreisträger Ertl, der sagte:
„Die deutsche Forschung wird manchmal schlechtgeredet, aber sie braucht sich nicht zu verstecken.“ Recht hat
Herr Professor Ertl, meine Damen und Herren.
({10})
Diese positive Entwicklung wurde natürlich schon
unter der SPD-geführten Bundesregierung eingeleitet
und mit Bundesmitteln unterstützt.
({11})
Wir wollen diese Entwicklung fortsetzen und deshalb
die guten Ansätze im Regierungsentwurf ausbauen und
umschichten. Als Vertreter der SPD-Fraktion kann ich
sagen: Unsere Handschrift, unsere sozialdemokratische
Handschrift, kann man auch hier deutlich erkennen.
({12})
Als eines von wenigen Beispielen nenne ich die
Exzellenzinitiative, die bereits angesprochen wurde. Im
Rahmen der Exzellenzinitiative stellen wir 1,9 Milliarden Euro für Universitäten zur Verfügung. Dieses Programm, das wir jetzt umsetzen, wird - ich rufe Frau
Flach als meine Kronzeugin auf - auch weltweit zur
Kenntnis genommen; das konnten wir während unserer
Reise in den USA und in Kanada feststellen. Das ist gut
so, und das möchte ich noch einmal unterstreichen.
({13})
Dadurch wurden auch in den deutschen Universitäten,
die nicht zum Zuge gekommen sind, große Initiativen
ausgelöst. Da durch die Exzellenzinitiative nicht die
Breite der guten Universitäten erreicht wird, haben wir
ein neues Programm gestartet, auch auf Anregung unseres Sprechers Carsten Schneider und weiterer Kollegen
aus Ostdeutschland, mit dem auch die anderen guten
Universitäten erreicht werden. Wir haben für dieses neue
Förderinstrument einen Titel geschaffen und stellen in
den nächsten Jahren 45 Millionen Euro bereit, um auch
die Universitäten zu fördern, die von der Exzellenzinitiative eben nicht profitieren, sodass auch von dort eine gewisse Motivation ausgehen kann.
({14})
Meine Damen und Herren, die deutsche Grundlagenforschung genießt weltweit einen hervorragenden Ruf
- das sollten wir immer wieder in Erinnerung rufen -,
aber es fehlt oft am schnellen Transfer der bahnbrechenden Ideen in marktreife Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Hier brauchen die Wissenschaftler Unterstützung. Deshalb haben wir angeregt, auch in die
Validierungsforschung einzusteigen und einen entsprechenden Fonds zu gründen. Diese Anregung soll nun
umgesetzt werden.
({15})
- Ja, weil noch kein Programm vorliegt. Es ist doch logisch, dass die Mittel zunächst gesperrt sind. Das ist
keine Schande. Erst müssen Ideen entwickelt werden,
dann kann man sie darstellen, liebe Kollegin Flach.
({16})
Es darf nicht wieder so kommen, dass neue Ideen
zwar bei uns geboren werden, wie wir es beim MP3Player oder vor einigen Jahren beim Faxgerät festgestellt
haben, dann aber nicht in deutschen Betrieben umgesetzt
werden. Deshalb brauchen diejenigen, die sich hier engagieren wollen, Unterstützung. Wir wollen hierfür in
den nächsten Jahren, beginnend ab 2008, immerhin mehr
als 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen, damit
neue Ideen auch in der Praxis umgesetzt werden können.
({17})
Das gilt auch für kleine und mittlere Unternehmen, von
denen wir wissen, dass sie die meisten Arbeitsplätze
schaffen. Deswegen wollen wir das vom Ministerium
vorgeschlagene Programm „KMU innovativ“ entsprechend finanziell besser ausstatten und damit verstärkt
kleine und mittlere Unternehmen unterstützen.
({18})
- Jawohl, das findet auch die Unterstützung seitens der
CSU und der ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Das Gleiche gilt für die Forschungsprämie II, die wir auf
den Weg gebracht haben.
Auch die gesundheitlichen Herausforderungen für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz
müssen berücksichtigt werden. Deswegen haben wir für
das Programm „Humanisierung der Arbeitswelt“ mehr
Mittel zur Verfügung gestellt, damit in der Arbeitsforschung weitere Schritte gegangen werden.
({19})
Kollegin Ulla Burchardt ist hier mit an der Spitze.
Wir haben in diesem Haushalt auch eine Verstärkung
der Mittel für den Bereich „lebenslanges Lernen“ vorgenommen. Herr Schneider, man kann natürlich immer sagen, die Mittel reichen nicht aus.
Wir haben in diesen Haushaltsberatungen auch einen
gordischen Knoten durchschlagen, der uns lange Zeit beschäftigt hat.
({20})
- Genau, Frau Flach. - Es geht darum, dass die Lizenzerträge der Fraunhofer-Stiftung aus der Erfindung des
MP3-Players für eine verbrauchende gemeinnützige
Stiftung zur Verfügung gestellt werden. Wir haben uns in
der Koalition entschlossen, dem zuzustimmen.
({21})
Ich bin meinem Kollegen Klaus-Peter Willsch sehr
dankbar, dass wir es zusammen erreicht haben, dass
diese Mittel nicht mit anderen Bundeszuweisungen verrechnet werden, sondern dass sie für die Forschung eingesetzt werden. Das soll ein Präzedenzfall sein und zum
Nachahmen anregen.
({22})
Der Vorstandsvorsitzende der BASF in Ludwigshafen
hat kürzlich folgenden Satz gesagt: Land der Ideen zu
sein, ist gut, Land des tatkräftigen Unternehmertums zu
sein, ist noch besser. - Recht hat Herr Hambrecht.
({23})
Er soll seine Kolleginnen und Kollegen alle dazu aufrufen, diesem zu folgen, damit wir das Ziel, das wir uns
gemeinsam vorgenommen haben - 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung -, erreichen. Hier muss
auch die Industrie ihrer Verpflichtung nachkommen und
ihre 2 Prozent erbringen. Genauso müssen die Länder ihren Anteil erbringen. Ich freue mich darauf, Frau Ministerin, dass wir nächste Woche im Haushaltsausschuss Ihren Bericht dazu diskutieren können.
({24})
Es wurde schon festgestellt - ich möchte damit zum
Bildungsteil überleiten -, dass es nicht auf das Portemonnaie der Eltern ankommen darf, wenn es darum
geht, dass alle Reserven im Bildungsbereich ausgenützt
werden.
({25})
Deswegen haben wir uns stark gemacht, die Studierendenförderung auszubauen. Im Wahlkampf 2005 hieß es
noch bei der CDU/CSU, das BAföG solle abgeschafft
werden. Dann haben wir von Frau Schavan gehört, eine
kleine BaföG-Novelle sei notwendig. Später hieß es: Wir
erhöhen das BAföG im nächsten Jahr um 5 Prozent und
die Freibeträge um 4 Prozent. - Wir haben uns in der
Koalition - zusammen mit den Bildungspolitikern und
mit unserem Fraktionsvorsitzenden Peter Struck - durch
Argumente durchgesetzt und haben erreicht, dass wir die
Bedarfssätze um 10 und die Freibeträge um 8 Prozent
anheben.
({26})
Liebe Kollegin Hirsch, ich erinnere mich: Als ich das
bei unserer ersten Beratung angedeutet hatte, haben Sie
gelächelt, vielleicht auch ein bisschen hämisch.
({27})
Sie haben gesagt: Ihr bringt das sowieso nicht fertig. Nun, wir haben es hinbekommen, Frau Hirsch: Die Studentinnen und Studenten haben große Vorteile, ihre Situation wurde verbessert, sie können auf die SPD vertrauen.
({28})
Sie sagen natürlich wieder: Reicht nicht, es braucht wesentlich mehr.
({29})
Das ist klar. Aber woher Sie das Geld nehmen wollen,
das sagen Sie in diesem Zusammenhang natürlich nicht.
({30})
Es wird nicht nur das studentische BAföG erhöht, es
wird auch das Meister-BAföG erhöht,
({31})
die Stipendien werden erhöht, die Begabtenförderung
wird erhöht. Das macht die 2 Prozent, die wir mehr ausgeben, zu einem großen Teil aus.
Das gilt auch für die Berufsausbildung. Leider kann
ich aus Zeitgründen nicht näher darauf eingehen. Ich
verweise auf das Programm, das wir gemeinsam mit den
Kammern starten wollen. Kollege Willsch ist bereits darauf eingegangen.
Ich komme zum letzten Satz. Wir sind froh und dankbar, dass unsere Handschrift, die der SPD, auch in diesem Haushalt zu sehen ist. Deswegen werden wir ihm
voller Begeisterung zustimmen. Bildung und Forschung
sind Zukunftsinvestitionen und sichern unsere Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und somit auch Arbeitsplätze und tragen damit zu unserem Wohlstand und dem
unserer Kinder bei. Deswegen stimmen wir zu.
Herzlichen Dank.
({32})
Vielleicht müssen wir doch noch einmal den Unterschied zwischen „letztem Satz“ und „letztem Absatz“
klären.
Jetzt hat jedenfalls das Wort der Kollege Kai Gehring
für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Immer mehr Bildungsverlierer im selektiven Schulsystem, viel zu viele Jugendliche ohne Ausbildungsperspektive, viel zu wenig Studierende, wachsender Akademikerund Fachkräftemangel - das ist die traurige bildungspolitische Realität, vor deren Hintergrund wir heute über den
großkoalitionären Einzelplan 30 diskutieren.
({0})
Dass Sie sich für den Bildungshaushalt heute hier gegenseitig auf die Schultern klopfen, zeigt angesichts der
enormen Herausforderungen, dass Sie sich offensichtlich
mit zu wenig zufriedengeben.
({1})
Ja, Sie haben die Mittel erhöht. Genau betrachtet sind
Ihre Initiativen allerdings zögerlich und halbherzig. Die
junge Generation in diesem Land hat mehr Investitionen
in ihre Zukunft verdient. Das Motto der heutigen Debatte muss sein: Mehr Bildung und nicht mehr Selbstlob
wagen.
({2})
Nehmen wir das Beispiel Hochschulpakt. Er ist und
bleibt unterfinanziert, und er bleibt zu unverbindlich. Damit verbauen Sie Studienberechtigten den Weg auf den
Uni-Campus, anstatt breite Zugänge zu schaffen. Pro
Studierenden und Jahr wollen Sie nur 5 500 Euro in die
Hand nehmen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das
weder für ein Bachelorstudium im ingenieur- und naturwissenschaftlichen Bereich noch für einen anschließenden Masterabschluss reicht.
Meine Fraktion orientiert sich stattdessen an der Kostenschätzung des Wissenschaftsrates. Das bedeutet:
Wenn Sie mehr als Billigstudienplätze minderer Qualität
schaffen wollen, dann brauchen Sie allein im kommenden Jahr 320 Millionen Euro mehr für den Hochschulpakt. Das haben wir hier beantragt und im Übrigen auch
solide gegenfinanziert. Zulasten der Studierenden haben
Sie das leider abgelehnt.
({3})
Angesichts des erwarteten Ansturms auf die Hochschulen bleiben die von Ihnen zur Verfügung gestellten Mittel ein Tropfen auf den heißen Stein. Schauen Sie heute
einmal darauf, was in Frankreich beschlossen wurde.
Davon kann sich die Große Koalition wirklich eine
Scheibe abschneiden.
Ihr Hochschulpakt droht auch deshalb zum Luftschloss zu werden, weil gleichzeitig immer höhere Zugangshürden den Weg zur Hochschule versperren. Es
reicht nicht, einfach nur mehr Studierende zu wollen,
wenn gleichzeitig lokale NCs dramatisch steigen, Studiengebühren fällig sind, Schuldenberge aus Studienkrediten drohen und das BAföG viel zu zögerlich an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst wird.
({4})
Auch hier macht die Große Koalition nur kleine
Schritte. Ja, Sie haben sich endlich zu einer spürbaren
BAföG-Erhöhung durchgerungen. Gut so, kann man da
nur sagen. Den fast einjährigen schwarz-roten Konflikt
darüber haben Sie aber auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen. Wenn Sie sich nur halb so schnell auf
eine BAföG-Anpassung geeinigt hätten wie auf die Diätenerhöhung zum Beispiel, dann hätten alle BAföGEmpfänger das zusätzliche Geld längst in der Tasche. Da
Sie die BAföG-Sätze aber erst zum nächsten Herbst und
damit ein Jahr zu spät erhöhen, müsste man der Fairness
halber gleich noch 2 Prozent mehr drauflegen.
({5})
Alles in allem besteht also kein Grund, die Hände in den
Schoß und die Debatte über eine zukunftsfähige Studienfinanzierung ad acta zu legen.
Neben dem Hochschulpakt und dem BAföG ist die
Exzellenzinitiative ein drittes Beispiel für die große Koalition der Halbherzigkeiten. Exzellente Forschung zu
fördern, ist richtig; herausragende Lehre zu ignorieren,
ist aber falsch. Wir als Fraktion wollen die Lernbedingungen an den Hochschulen verbessern, das Ansehen
der Lehre steigern und stärkere Anreize für innovative
Hochschuldidaktik setzen.
Bereits vor über einem Jahr haben wir eine Qualitätsoffensive und einen Wettbewerb für herausragende
Lehre gefordert. Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, lassen keine Gelegenheit aus, die
Bedeutung guter Lehre zu betonen. Doch wenn es dann
wirklich um ganz konkrete Maßnahmen geht, dann regiert wieder der Hasenfuß. Unsere grünen Anträge haben Sie immer abgelehnt.
({6})
Was schlagen Sie, Herr Tauss, in der Großen Koalition
und Frau Schavan als Ministerin eigentlich vor, um
Lehre und Studienbedingungen an den Hochschulen zu
verbessern?
({7})
Es gibt in Ihrem schwarz-roten Bildungshaushalt übrigens auch Posten, bei denen Sie nicht nur halbherzig
agieren, sondern ganz falsch liegen. Ein Beispiel ist das
Freiwillige Technische Jahr. Ich möchte das hier noch
einmal ansprechen. Wir sagen ganz klar: Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels trägt ein staatlich alimentiertes Langzeitpraktikum nun wirklich nicht bei.
({8})
Anstatt 4 Millionen Euro für eine weitere Warteschleife
zwischen der Schule und der Ausbildung zu verschwenden und dafür das positive Markenzeichen „Freiwilliges
Jahr“ zu missbrauchen, sollten Sie sich endlich wirksam
gegen prekäre und unfaire Praktika einsetzen.
({9})
Mit Ihrer nationalen Qualifizierungsoffensive wollen
Sie den Fachkräftemangel bekämpfen. Wenn Ihnen die
Brücke über die Fachkräftelücke aber wirklich ein Anliegen ist, dann dürfen Sie als Bundesregierung auch vor
den Fallstricken von Studiengebühren nicht die Augen
verschließen; denn bis zu einem Drittel der Studienberechtigten, die nicht studieren wollen, führen dies auch
auf die Campusmaut zurück. Das ist ein dramatisches
Warnsignal. Dies müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
({10})
Die Bundesregierung erklärt sich aber für das Thema
Studiengebührenmonitoring schlicht für nicht zuständig,
und das bei Fachkräftemangel und 40-Prozent-Ziel hin
oder her.
({11})
- Wenn Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
richtig lesen, dann stellen Sie fest, dass Situationen eintreten können - ({12})
- Darin steht, dass eine gesamtstaatliche Verantwortung
besteht und sozial- und bildungspolitische Nebenwirkungen eintreten können, die ein Eingreifen des Bundes
erforderlich machen.
({13})
Die sind definitiv da. Lesen Sie einmal unsere Kleine
Anfrage. Über die Antwort des Ministeriums musste ich
mich ärgern. Wegducken geht bei Studiengebühren
nicht; denn dadurch werden sie nicht weniger abschreckend. Man muss sie vielmehr ganz klar evaluieren.
Wenn Sie die Bundeskompetenz für Bildungsforschung
haben, dann sollten Sie sie auch gefälligst nutzen.
({14})
Bundesfinanzminister Steinbrück hat hier vor zwei
Wochen im Rahmen der BAföG-Debatte gesagt, dass es
grotesk und unsinnig ist, dass Bildungsausgaben konsumtive statt investive Ausgaben sind.
({15})
- Da hat er recht. - Wir erwarten deshalb vom Bundesfinanzminister, dass er im Rahmen der Föderalismusreform II konkrete Vorschläge einbringt,
({16})
wie Bildungsausgaben künftig als Zukunftsinvestitionen
berücksichtigt werden können. Da müssen den Worten
auch wirklich Taten folgen. Eine Debatte darüber ist notwendig. Die Bundesregierung muss aus ihren eigenen
Ankündigungen Konsequenzen ziehen.
Herr Kollege.
Für künftige Bildungshaushalte und für zukunftsfähige Haushalte insgesamt ist das ein wichtiger Schritt.
Ich komme zum Schluss. Eine Bildungspolitik muss
Teilhabegerechtigkeit und Entwicklungschancen in den
Mittelpunkt stellen und darf die Augen vor Zugangshürden nicht verschließen, sondern sie muss entschlossener
in Studienplätze, Studienfinanzierung und Studienbedingungen investieren.
Herzlichen Dank.
({0})
Jetzt hat das Wort die Bundesministerin Dr. Annette
Schavan.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gehring,
Sie können froh sein, dass ich nicht für Studiengebühren zuständig bin. Wäre ich nämlich zuständig, gäbe es
sie überall.
({0})
Wir sollten in diesem Hause ehrlich sein. Es hat doch gar
keinen Sinn, darum herumzureden. Das ist schlicht eine
Frage der Gerechtigkeit. Ist es richtig, dass der Kfz-Mechaniker, und zwar schon der Auszubildende und dann
der Geselle, mit seinen Steuern das Studium des künftigen Ingenieurs bezahlt?
({1})
Ist es gerecht, dass die Krankenschwester mit ihren Steuern das Studium des künftigen Chefarztes bezahlt?
({2})
Jetzt seid mal nicht so zimperlich. Die Debatte muss
man führen. In allen Ländern, von deren Hochschulsystemen wir immer schwärmen, zum Beispiel USA und
Großbritannien, ist das selbstverständlich.
({3})
- Skandinavien, toll, da haben wir ein Beispiel. Wir messen uns aber bezüglich der Wissenschaftssysteme nicht
mit Skandinavien, sondern mit anderen Staaten dieser
Welt.
({4})
Frau Schavan, es gibt zwei Wortmeldungen zu Zwischenfragen.
Das war jetzt meine Vorbemerkung. Nun komme ich
zum Haushalt, nachdem Herr Tauss mir eine Frage gestellt hat.
Herr Tauss und Frau Sitte möchten gern je eine Frage
stellen. Zunächst Herr Tauss, bitte.
Ungeachtet der Tatsache, dass wir uns bezüglich der
Studiengebühren, selbst wenn wir 150 Jahre alt werden,
nicht einigen werden, möchte ich folgende Frage stellen:
Halten Sie es für gerecht, dass die Kinder der Krankenschwester wegen der Studiengebühren nicht mehr studieren können und die Hochschule dann dem Kind des
Universitätsprofessors vorbehalten bleibt?
({0})
Halten Sie es für richtig, dass in den Ländern, die Sie
angesprochen haben - genauso wie in den USA -, breite
Teile des Mittelstands nicht mehr in der Lage sind, ihre
Kinder in die Universitäten zu schicken, weil die Studiengebühren sie davon abhalten? Wenn wir über Gerechtigkeit diskutieren, dann sollten wir das insbesondere unter diesem Gesichtspunkt tun.
({1})
Erstens. Lieber Herr Tauss, wenn es so wäre,
({0})
wäre es nicht gerecht. Aber Sie müssten dann die Frage
beantworten, warum über 40 Jahre in Deutschland Kinder von Krankenschwestern im Schnitt deutlich seltener
studiert haben als Kinder von Akademikern, obgleich es
keine Studiengebühren gegeben hat.
({1})
Zweitens. Wie Sie wissen, gibt es überhaupt keinen
Zusammenhang zwischen den Studienanfängerzahlen
sowie der sozialen Herkunft und Studiengebühren.
({2})
Sie werden es sehen, wenn wir die Studienanfängerzahlen des Wintersemesters 2007/08 bekommen.
({3})
Das geht nicht.
Man kann sich die Dinge nicht immer so zurechtlegen, wie man sie braucht.
({0})
Herr Tauss, Sie sind nun fertig. - Jetzt haben wir noch
die Zwischenfrage von Frau Sitte. Bitte schön.
Frau Ministerin, sind Sie nicht der Meinung, dass Sie
mit Ihrer Politik einen neuen Widerspruch produzieren?
Wir hören oft, dass die Finanzierungspolitik in den Bereichen der Bildungsförderung und des Bildungssystems
in sich nicht stimmig ist. Viele Menschen fragen sich:
Warum soll ich für einen Platz in einer Kindertagesstätte
200 bis 300 Euro zahlen, während ein Studium gebührenfrei ist? Nun werden Studiengebühren eingeführt.
Ihre Bundesregierung diskutiert gemeinsam mit Landesregierungen darüber, wie man möglichst viele Plätze in
Kindertagesstätten kostenlos zur Verfügung stellen kann.
Wäre es nicht der bessere Weg gewesen, den letzten
Schritt, Studiengebühren einzuführen, auszulassen und
für eine stimmige Finanzierung im Bildungswesen insgesamt zu sorgen, sodass die Ungerechtigkeit nicht
schon in der Kindertagesstätte beginnt, sich im dreigliedrigen Schulsystem fortsetzt und nun aufgrund der
Studiengebühren in den Universitäten und Hochschulen
Einzug hält?
({0})
Frau Sitte, jeder in der Politik ist exakt für das verantwortlich, was er zu verantworten hat. Ob Kindergartengebühren erhoben werden, hängt von den freien Trägern
und den Kommunen ab. Interessanterweise tut im Moment niemand so viel für die Kindertagesstätten wie
diese Bundesregierung. Sie stellt nämlich 4 Milliarden
Euro zur Verfügung. Das ist nun einmal so.
({0})
- Wir bleiben unterschiedlicher Meinung; das ist überhaupt nicht schlimm. Wenn Herr Gehring aber schon bedauert, dass ich nicht die Kompetenz habe, dann sage ich
ehrlicherweise, was ich täte, wenn ich sie hätte.
Frau Schavan, Frau Flach möchte noch eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie diese zulassen?
Mir wird das ja nicht auf die Redezeit angerechnet,
oder?
Nein. Das kann über Stunden gehen, wenn es noch
mehr Zwischenfragen gibt, kein Problem.
({0})
Bitte, Frau Flach.
Danke schön, Frau Ministerin. - Wie Sie wissen, sind
wir bei den Studiengebühren mit Ihnen einer Meinung.
({0})
Aber wir haben die Einführung von Studiengebühren
immer mit der Forderung nach Stipendien verbunden.
Im Bundesrat gibt es zurzeit einen entsprechenden Vorstoß des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich möchte gerne
wissen, wie Sie sich positionieren. Was haben wir vonseiten des Bundes zu erwarten?
Ich kenne den Antrag, den Herr Pinkwart für das
Land Nordrhein-Westfalen in den Bundesrat eingebracht
hat. Ich habe mit Herrn Pinkwart darüber gesprochen.
Eine klassische FDP-Lösung wäre eigentlich, Stipendien
für 10 Prozent der Studierenden aus der Mitte der Bürgerschaft und von Unternehmen bereitstellen zu lassen.
Darin sind Herr Pinkwart und ich uns eigentlich einig.
({0})
Aber die Vorstellung, dass neben dem BAföG und der
Begabtenförderung - die Mittel hierfür sind gerade verdoppelt worden - sowie dem einen oder anderen Akzent,
der möglicherweise noch gesetzt wird - Stichwort „Aufstiegsstipendium“ -, 10 Prozent seitens des Staates für
Stipendien zur Verfügung gestellt werden, während der
Rest der Gesellschaft zuschaut, halte ich für falsch.
({1})
Unsere Unternehmen wollen mehr Akademiker und sagen, hier müsse noch viel mehr getan werden. Dazu kann
ich nur sagen: Tut das Gleiche wie in vielen anderen
Ländern und stellt Stipendien zur Verfügung!
({2})
Frau Schavan, langsam hat das ein bisschen Gag-Charakter, aber jetzt würde Herr Gehring gern eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie die zulassen?
Wir können das noch ein bisschen weiterspielen.
Bitte schön.
Sie bemerken die Erleichterung in über der Hälfte des
Hauses darüber, dass Sie für Studiengebühren nicht zuständig sind.
({0})
Das kann ich gut verstehen. Das finde ich okay.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich vorhin gemeint
habe, dass Sie für die Bildungsforschung zuständig sind
und Sie deshalb nicht die Antwort auf die Frage verweigern sollten, welche Auswirkungen Studiengebühren
- sie richten einen Schaden bei sozial schwachen, einkommensarmen und bildungsfernen Schichten an - haben, und Sie diese Auswirkungen untersuchen sollten?
Ich würde darüber hinaus gerne wissen, wie Sie das
Bund-Länder-Programm von Minister Pinkwart beurteilen. Ich habe es so verstanden, dass einerseits der Bund
die Zeche zahlen soll und andererseits Einnahmen aus
Studiengebühren, die eigentlich die Hochschulen zur
Verbesserung der Studienbedingungen erhalten sollen,
eingeplant werden. Er will sich komplett aus der landespolitischen Verantwortung ziehen. Wie stehen Sie eigentlich dazu? Es wäre doch absurd, wenn eine Quersubventionierung von Studiengebühren durch den Bund
erfolgen würde.
Erstens zur Bildungsforschung: Ich verspreche Ihnen,
dass ich mich der Pflicht, die Frage zu beantworten,
nicht entziehen werde. Ob daraus dann ein Problem wird
oder nicht, sollten wir beide heute offenlassen. Ich bin
sicher - es laufen längst Untersuchungen -, dass wir
hierzu schon anhand der Daten zum Wintersemester 2007/08 mehr Anhaltspunkte bekommen, als vielleicht dem einen oder anderen sympathisch ist.
Zweitens zum Pinkwart-Modell: Ich habe meine Position dargelegt. Ich finde, die reine FDP-Lehre wäre, dass
jetzt die Bürgergesellschaft gefragt ist. Wir warten nun
die Diskussion im Bundesrat ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus dem Bundesrat heraus - auch noch vom
Land Nordrhein-Westfalen - die Vorstellung kommt,
dass der Bund 100 Prozent einer neuen Stipendiensorte
zahlt; denn bekanntlich wird schon das BAföG gemeinsam von Bund und Ländern getragen. Ich sage Ihnen
aber auch: Der Anstoß, dass jetzt im ganzen System der
Bildungsfinanzierung auch die Säule der Stipendien stabiler werden muss, ist richtig. Egal wie der Anstoß angelegt ist, er wird zu einer Debatte führen. Das halte ich für
richtig. Die Vorstellung, dass die Finanzierung des Wissenschaftssystems zu 100 Prozent eine Sache nur der öffentlichen Hand ist, gibt es nur in Deutschland.
({0})
Wer erfolgreiche Systeme will, braucht mehr. Würden
amerikanische Universitäten nur von öffentlichen Mittel
existieren, wären sie in einer vollständig anderen Situation, als sie tatsächlich sind. All das Positive, das über
die Universitäten der Vereinigten Staaten gesagt wird,
könnte dann nicht gesagt werden. So weit meine Bewertung.
({1})
Im Einzelplan 30 für das Haushaltsjahr 2008 spiegeln
sich drei zentrale Zielsetzungen dieser Regierungskoalition und der sie tragenden Parteien wider, nämlich erstens die Zukunftschancen der jungen Generation zu sichern, zweitens das Wissenschaftssystem weiter zu
modernisieren und drittens den Forschungsstandort
Deutschland zu stärken. Die Bundesregierung hält Wort:
Wir erweitern nochmals die Investitionen für Forschung und Entwicklung im Blick auf das 3-ProzentZiel der Lissabon-Strategie. Die Bundesregierung leistet
mit der Steigerung der Ausgaben ihren Beitrag, damit
Deutschland im Jahr 2008 einen Anteil von 2,7 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung erreichen kann.
Es ist zu Recht von einigen gesagt worden, dass nun
die Frage entscheidend ist, wie es sich mit den Partnern,
nämlich den Ländern einerseits und den Unternehmen
andererseits, verhält. Alle Zahlen, die uns vorliegen, zeigen deutlich: Die Stimmung in den Unternehmen hat
sich deutlich verändert. Noch im Februar 2004 haben
nur 40 Prozent gesagt, dass die Innovationsbedingungen
einigermaßen sind. Heute sagen 83 Prozent: Die Innovationsbedingungen in Deutschland sind gut. - Das ist ein
wichtiger Indikator. Die Unternehmen fügen hinzu, dass
sich in den Unternehmen der Stellenwert der Investitionen für Forschung und Entwicklung deutlich verbessert
hat. Die Zahlen sind klar. Die Investitionen sind prozentual und in absoluten Zahlen deutlich gestiegen. Frau
Flach, selbstverständlich wird das Auswirkungen - die
gibt es bereits jetzt - auch auf die Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen haben.
({2})
Bei der Konferenz zur Bilanz der Startphase der Hightech-Strategie war sehr deutlich spürbar - das ist unisono
bestätigt worden -: Die Instrumente, die jetzt angeboten
werden, sind geeignet, um die Ziele zu erreichen, die wir
erreichen wollen.
({3})
Allein der Hochschulpakt und die Exzellenzinitiative
bedeuten in Deutschland in den nächsten Jahren faktisch
ein Plus von allein 10 000 Stellen im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung. Das wird nur
durch diese beiden Maßnahmen erreicht. Ich rede überhaupt noch nicht von den Innovationsallianzen, bei denen 1 Euro des Bundes 5 Euro der Unternehmen mobilisiert.
Daher muss man sagen: Das, was wir hier geschaffen
haben, ist in den Unternehmen angekommen. Aber ich
stimme allen zu - das liegt in der Natur der Sache -, die
sagen: Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir befinden uns in einer Startphase. Jetzt kommt es darauf an,
das, was sich an Stimmung verändert hat, was an Dynamik entstanden ist, in den nächsten Jahren zu halten und
die konkreten Maßnahmen weiterzuentwickeln.
({4})
Eines will ich auch noch einmal sagen: Am Anfang
Ihrer Rede, Herr Gehring, habe ich gedacht, jetzt beginnt
eine Beerdigungsrede. Wissen Sie, wenn jemand außerhalb Deutschlands einen solchen ersten Satz eines Parlamentariers über den Forschungsstandort Deutschland im
Jahre 2007 hört, dann hat er Mitleid mit uns.
({5})
- Minister können schon sagen, wie sie bestimmte Dinge
einschätzen. - Ich glaube, dass darin eine große Versuchung steckt, die generell auch zu dem gehört, was für
die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in
Deutschland und für die Motivation in der Wissenschaft
schwierig ist, nämlich den Eindruck zu erwecken, die
Verhältnisse in Deutschland seien so, dass sich für junge
Leute der Einstieg in die Wissenschaft eigentlich nicht
lohnt.
Ich sage mit Blick auf die Perspektiven der nächsten
Jahre: Aufgrund der Situation können wir nicht nur werben, sondern können guten Gewissens sagen: Da sind
Zukunftsperspektiven; da sind die Weichen richtig gestellt. Es ist wichtig, dass wir die nächste Generation
dazu motivieren, die Wege in Wissenschaft, Forschung
und Entwicklung zu gehen.
({6})
Ein zentraler Schwerpunkt dieses Haushalts ist mit
rund 2,6 Milliarden Euro all das, was das Paket Bildung
angeht. Wir unterstützen die frühkindliche Bildung, indem wir 80 000 Erzieherinnen in Weiterqualifizierungsmaßnahmen bringen. Wir werden wissenschaftlich das
begleiten - Stichwort „Bildungsforschung“ -, was an
neuen Ansätzen zur besseren Verbindung zwischen
Grundschulen und Kindertagesstätten entsteht. Ich bin
davon überzeugt, der Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit liegt in einem massiven Ausbau und der deutlichen Stärkung der frühkindlichen Bildung, und zwar
flächendeckend in Deutschland.
({7})
Wir haben - auch darüber ist gesprochen worden eine deutliche Verbesserung der Studienfinanzierung
und deutliche Akzente zur Modernisierung des BAföG:
Kinderbetreuungszuschlag, Auslandsstudien, die ab dem
ersten Semester gefördert werden und, was überfällig
war, BAföG auch für Studierende mit Migrationshintergrund.
Schließlich spiegeln sich in diesem Haushalt auch
neue Akzente wider; Stichwort „Professorinnenprogramm“, womit auch die Auswahl von besonders guten
und wirksamen Gleichstellungs- und Gleichberechtigungskonzepten in den Universitäten verbunden ist. Zu
nennen ist auch der Research in Germany Award, die
Möglichkeit also, mit erheblichen Finanzmitteln Spitzenwissenschaftler nach Deutschland zu holen.
Ich erinnere auch an die beiden Großprojekte Petra III
und XFEL in Hamburg und an FAIR in Darmstadt.
Deutschland geht voran, wenn es um europäische Großforschungsinfrastruktur geht.
({8})
Bei der Internationalisierung in Wissenschaft und
Forschung - auch das steht im Koalitionsvertrag - wollen wir weitere Akzente setzen. Dazu gehört zum Beispiel die finanzielle Unterstützung des Aufbaus einer
deutsch-vietnamesischen Universität gemeinsam mit
dem Land Hessen, um Internationalisierung nicht nur in
Form von Partnerschaften, Studentenaustausch und Forschungsprojekten zu befördern, sondern auch neue Kooperationen in Form von Universitäten zu schaffen, die
mit Konzepten arbeiten, die ganz stark deutschen Konzepten entsprechen.
({9})
Ich danke den Mitgliedern des Haushaltsausschusses.
Ich danke den beiden Regierungsfraktionen für die Unterstützung dieses Haushaltes, der ein gutes Fundament
zur Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation ist und der wichtige innovative Impulse für einen
starken Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland enthält.
Vielen Dank.
({10})
Jetzt hat Uwe Barth das Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! „Bildung ist die Zukunftsfrage des 21. Jahrhunderts.“ Diesen Satz hat jeder, der mit Bildungspolitik
zu tun hat, in dieser oder einer abgewandelten Form
schon einmal gesagt. Der Bundeshaushalt 2008 sieht nun
Ausgaben für Bildung und Forschung in Höhe von über
9,3 Milliarden Euro vor. Das sind fast 900 Millionen
Euro mehr als im laufenden Jahr.
({0})
Für sich betrachtet, ist das in der Tat sehr viel Geld.
Setzt man diese Zahl allerdings einmal ins Verhältnis,
dann sieht man, dass es gerade einmal 3,2 Prozent des
Gesamthaushalts sind. Das wiederum ist nicht sehr viel.
({1})
Andererseits geben wir in diesem Haushalt 125 Milliarden Euro für den Etat des Ministeriums für Arbeit und
Soziales aus. Das sind rund 14-mal mehr, als wir in Bildung und Forschung investieren.
({2})
Ich kann angesichts dieses Verhältnisses die Einschätzung nicht teilen, dass wir in diesem Land zu wenig
Geld für Soziales ausgeben.
({3})
Natürlich begrüßt die FDP-Fraktion die Erhöhung im
Einzelplan 30; schließlich sehen wir die dringende Notwendigkeit, Mittel in Bildung, Wissenschaft und Forschung zu investieren. Nur so hat Deutschland anerkanntermaßen eine Chance, im internationalen Wettbewerb
langfristig zu bestehen. Natürlich machen es die sprudelnden Steuereinnahmen dieses Jahres - Rekordsteuereinnahmen! - der Bundesregierung einfacher, zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen.
Allerdings muss man feststellen, dass eine klare Linie
bei der Ausgestaltung der Bildungs- und Wissenschaftspolitik nicht erkennbar ist.
({4})
Beispiel BAföG: Natürlich ist es für die Studentinnen
und Studenten erfreulich, dass sie nun etwas mehr Geld
zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung haben.
({5})
Eine nachhaltige Politik sieht aber anders aus. Wir haben
darüber hier in der BAföG-Debatte diskutiert. Das
BAföG ist eben kein Zukunftsmodell.
({6})
Statt ein Gesamtkonzept für eine zukunftssichere Studien- und Hochschulfinanzierung zu entwerfen, gibt sich
die Koalition mit Reparaturen am alten System zufrieden.
Frau Ministerin, es geht natürlich nicht darum, dass
100 Prozent der Stipendien von der öffentlichen Hand
vergeben werden. Das Geld, das wir durch den Bundeshaushalt ausgeben, ist aber ebenfalls Geld der Bürgergesellschaft und soll deswegen im Sinne der Bürger ausgegeben werden. Wir finden daher, dass der Staat sich
daran beteiligen sollte, auch im Sinne einer Vorbildwirkung.
({7})
Zum Thema Hochschulfinanzierung hat meine Kollegin Flach bereits vorhin das Wesentliche ausgeführt. Das
Hochschulwesen ist und bleibt dramatisch und chronisch
unterfinanziert. Der Hochschulpakt ist ein richtiger
Schritt; aber der Stein der Weisen ist er nicht.
({8})
Während wir das BAföG und die Hochschulfinanzierung trotz Bedenken mittragen und unterstützen, stellt
sich die Situation insbesondere in den Bereichen „lebenslanges Lernen“ und „Begabtenförderung in Schule,
Betrieb und Hochschule“ ganz anders dar. Diese Bereiche dümpeln trotz vollmundiger Proklamationen in Absichtserklärungen, in Zukunftskonzepten und in Innovationszirkeln vor sich hin.
Die hauseigene Öffentlichkeitsabteilung der Ministerin, die für diese Proklamationspolitik maßgeblich zuständig ist, schneidet im neuen Haushalt recht gut ab.
Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit werden um
150 Millionen Euro gesteigert. Das ist übrigens ein
Sechstel der gesamten Steigerung der Haushaltsmittel im
Einzelplan 30.
({9})
Schauen wir uns den Forschungsbereich an. Sehr geehrte Frau Ministerin, gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit
haben Sie die Zuständigkeit für so wichtige Bereiche wie
Energie, Luft- und Raumfahrt, Schifffahrt, Meerestechnik, aber auch Verkehr und Bau weitgehend kampflos
abgegeben.
All diese Bereiche sind jedoch Kernbereiche Ihrer
Hightechinitiative. Zersplitterung ist keine Stärke, liebe
Frau Ministerin, auch wenn Sie das Gegenteil noch so
oft wiederholen. Ich bitte Sie, nicht permanent zu versuchen, uns zu erklären, dass ausgerechnet in dieser Koalition viele Köche einen wohlschmeckenden Brei zubereiteten.
({10})
Wie steht es also nun um die Hightechinitiative? Die
Energietechnologien leiden nach wie vor unter Forschungsverboten in der Kernenergie-, Sicherheits- und
Endlagerforschung.
({11})
Über dem Zukunftsfeld „Pflanzen“ liegt der Schleier des
Gentechnikgesetzes. Die Gesundheitsforschung ist im
Würgegriff der Debatte um die Stammzellenforschung,
und diese ist im Begriff, sich von der internationalen
Entwicklung abzukoppeln.
({12})
All diese Strategien nützen nichts, wenn die Politik nicht
bereit ist, ideologische Barrieren abzubauen und Freiheit
zu gewähren. Sie, liebe Frau Ministerin, und Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen in der Koalition, haben die
Möglichkeit, entscheidende Signale zu setzen. Wer jedoch einerseits eine Hightechinitiative propagiert und
andererseits die Forschungsfreiheit einschränkt, setzt
falsche Signale und verbaut sich wichtige Zukunftsfelder.
({13})
Auch zur Forschungsprämie hat Kollegin Flach vorhin das Wesentliche gesagt. Natürlich müssen wir über
die Forschungsprämie hinausdenken. Noch gilt für uns
das Lissabon-Ziel in der Forschungspolitik. Wir wollen
in Deutschland bis 2010 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für FuE aufwenden. Hier muss die Wirtschaft mitziehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir ein innovationsfreundliches Klima schaffen. Die steuerliche FuEFörderung wäre aus unserer Sicht hierzu ein ausgezeichneter Weg.
Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend noch eines anmerken: Immer wenn es um
Bildung geht, sprechen wir auch über Chancengerechtigkeit sowie darüber, dass wir jungen Menschen
Zukunftsperspektiven eröffnen wollen und müssen.
({14})
Wenn ich nun sehe, dass dieser Haushalt trotz erheblicher Steuermehreinnahmen, trotz Rekordsteuereinnahmen, eine Neuverschuldung in Höhe von 12 Milliarden
Euro vorsieht, dann erreichen wir in Wahrheit genau das
Gegenteil. Wir verbauen den nächsten Generationen Zukunftschancen. Meine Fraktion hat mit vielen Einzelanträgen, die gebunden und als CD-ROM erhältlich sind,
gezeigt, dass ein schuldenfreier Haushalt möglich ist.
({15})
Bei aller Freude über etwas mehr Geld für Bildung
und Forschung ist die steigende Verschuldung eine Belastung für die nächsten Generationen und eine Einschränkung der Gestaltungsspielräume für die nächsten
Jahrzehnte, die, gerade weil sie so unnötig ist, so unverantwortlich ist.
Herzlichen Dank.
({16})
Ulla Burchardt hat jetzt für die SPD-Fraktion das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege
Barth, Sie sprachen davon, dass diese Koalition den
Stein der Weisen nicht gefunden habe. Ich kann Ihnen
versichern: Harry Potter gibt es nicht wirklich, und wir
sind alle nur Muggels. Darin ist auch die FDP eingeschlossen.
({0})
- Wer die Muggels nicht kennt, sollte Harry Potter lesen.
({1})
- Ich wusste doch, dass Ihnen das Spaß macht.
Den Einzelplan 30 verbuchen wir als Erfolg für die
Koalition. Das Plus von fast 10 Prozent auf deutlich über
9 Milliarden Euro kann sich sehen lassen. Gutes kann
noch besser werden. Dafür haben sich die Koalitionsfraktionen im parlamentarischen Verfahren erfolgreich
stark gemacht. Über 40 Änderungsanträge belegen eindrucksvoll, dass das Haushaltsrecht das Königsrecht des
Parlaments ist und bleibt.
({2})
- Wir kommen auf die Details später noch zu sprechen,
Herr Kollege.
Geld ist wichtig, aber es ist nicht die einzige Voraussetzung für eine gute Forschungs- und Innovationspolitik.
Unlängst haben der Wissenschaftsrat und der Stifterverband Empfehlungen zur Kooperation von Wissenschaft
und Wirtschaft vorgelegt, was notwendige Bedingungen
für die Innovationsförderung sind. Eine dieser an uns alle
gerichteten Empfehlungen lautet: Das Wichtigste in der
Forschungspolitik ist Kontinuität. Da ich als Abgeordnete
auf eine ganze Anzahl von Jahren in diesem Hause zurückblicken kann, versichere ich Ihnen, dass diese Kontinuität 1998 durch die rot-grüne Politik begründet worden
ist, die Reformen auch im Bereich der Forschung auf den
Weg gebracht hat.
({3})
Ich empfinde es als gut, dass wir unter Schwarz-Rot
diese Kontinuität gewährleisten können, und bin den
Kolleginnen und Kollegen dafür ausgesprochen dankbar.
Dafür nenne ich folgende Beispiele: Die Exzellenzinitiative schreibt Wissenschaftsgeschichte, hat Frau
Ministerin nach der zweiten Wettbewerbsrunde zu Recht
erklärt. Ich nehme im Namen meiner Fraktion dieses
Lob gern an. Ich gebe zu: Als Frau Bulmahn damals diesen Meilenstein ins Rollen gebracht hat, waren wir noch
nicht alle ganz überzeugt; aber wir können dem Lob, das
Sie ausgesprochen haben, jetzt voll zustimmen.
({4})
Das damals begonnene Reformprogramm ist gut dokumentiert und liegt in der Antwort der rot-grünen Bundesregierung auf die Große Anfrage der Union - damals
noch Opposition - „zur Lage der Forschung in Deutschland“ aus dem Jahr 2005 vor. Ab und zu lohnt es sich,
auch einmal in diese Dokumente hineinzuschauen. Darin
ist nachzulesen, dass vom SPD-geführten Forschungsministerium die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft auf der Tagesordnung ganz nach oben gesetzt
und mit konkreten Maßnahmen unterfüttert wurde. Ich
begrüße es, wenn Frau Schavan jetzt mit der BLK 200
neue Professorinnenstellen schaffen will.
({5})
Auch verkrustete Strukturen haben wir schon vor Jahren aufgebrochen, mit dem Pakt für Forschung, der
Juniorprofessur, der W-Besoldung und mehr Eigenverantwortung für die Forschungsorganisationen. Das Programm EXIST und der Hightechgründerfonds sorgen bis
heute dafür, dass der Innovationsmotor - das sind die vielen innovativen Ausgründungen und Start-ups - gestartet
wurde und auch in der jetzigen Konstellation am Laufen
gehalten wird.
Auch die Clusterförderung ist keine Erfindung des
letzten Jahres, sondern geht auf die letzten Legislaturperioden zurück.
({6})
Deswegen begrüßen wir als SPD-Fraktion diese Förderung und unterstützen deren weitere Stärkung auch in
dieser Wahlperiode.
In dem Wissen, dass die besten Ideen wenig nützen,
wenn sie nicht in marktreife, anwendbare Produkte und
Lösungen umgesetzt werden - Kollege Willsch hat das
auch alles gesagt -, haben wir 1998 begonnen, entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen, zum Beispiel das Aktionsprogramm „Wissen schafft Märkte“.
Auch in dieser Koalition wollen und können wir deutsche Marktführerschaften in der Welt weiter ausbauen,
und wir knüpfen an unsere strategischen Weichenstellungen an: Die Hightech-Strategie ist der richtige Ansatz, privates Kapital für mehr Investitionen in Innovationen zu mobilisieren. Die Forschungsunion
„Wirtschaft Wissenschaft“ ist ein wichtiger Multiplikator. Die Forschungsprämie wird Wissenschaft und Unternehmen näher zusammenbringen; gut Ding will Weile
haben. Ich kann nur alles das unterstreichen, was Kollege Willsch vorhin dazu gesagt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist zur
Mitte der Legislaturperiode in vielen wichtigen Bereichen Kontinuität festzustellen. Die Hightech-Strategie ist
richtig, wir unterstützen sie, und es gibt auch andere
Maßnahmen, die unsere volle Unterstützung finden.
Aber wir müssen auch keinen Hehl daraus machen - Frau
Schavan hat es gerade vorgeführt -, dass es in zentralen
Fragen Kontroversen gibt. Das ist gut so, denn daraus
können auch in der öffentlichen Debatte die verschiedenen Positionierungen erkennbar werden, ebenso, wo bestimmte Ideologien bestimmte Maßnahmen begründen
oder auch nicht. Darauf komme ich später noch einmal
zurück.
In zahlreichen Publikationen der Innovationsforschung,
immer dann, wenn es um die Frage geht, was eigentlich
noch alles zu einer guten Innovations- und Förderpolitik
gehört, in Studien des TAB wie auch in der jüngsten Vergleichsstudie der Hans-Böckler-Stiftung zu Innovationsbedingungen ist gut belegt, dass Technologieförderung
eine notwendige, aber keine hinreichende Erfolgsbedingung für Innovationen ist. Innovationen werden von
Menschen gemacht, und deshalb gehört in eine systematische wie ganzheitliche Förderpolitik erstens das Ziel,
gute Arbeit auch mit Forschung zu fördern, und zweitens,
mehr und bessere Bildung für alle von Anfang an und ein
Leben lang voranzutreiben, und zwar ohne neue Hürden
aufzubauen.
({7})
Gute Arbeit, das heißt vor allem auch gute Arbeitsforschung. Es existiert eine exzellente Forschungslandschaft mit der richtigen Breite, nur leider zu wenig an
Wertschätzung des Ministeriums, wenn es um ganz konkrete Maßnahmen geht. Gute Arbeitsforschung ist mehr
als individuelle Kompetenzentwicklung, sagen wir mit
Blick auf die Neuformatierung des Programms und im
engen Schulterschluss mit den Gewerkschaften, auch mit
der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden, die der Unionspartei angehört.
Dank geht an Klaus Hagemann, dass der Titel noch
einmal um 1 Million Euro aufgestockt wurde. Wir werden die Verwendung der ESF-Mittel genau überprüfen,
um sicherzustellen, dass auch die Ansätze des präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht auf der Strecke bleiben.
({8})
Nun komme ich zu mehr Bildung und Chancengleichheit als einer Voraussetzung, um dem Facharbeitermangel zu begegnen und um wirklich alle Innovationspotenziale, die dieses Land hat, tatsächlich ausschöpfen zu
können. Wir wollen Aufstieg durch Bildung für alle;
das ist sozialdemokratische Kernkompetenz. Wir freuen
uns, dass Frau Ministerin unsere Semantik übernommen
hat, zuletzt im Interview mit der Passauer Neuen Presse.
Der kleine, aber entscheidende Unterschied ist, dass wir
sagen: „Aufstieg durch Bildung für alle“, das geht nur
mit Solidarität,
({9})
aber nicht dann, wenn man jedem Einzelnen erklärt: Sieh
doch zu, wie du klarkommst! Wir geben dir die Prämie,
und wir ermöglichen das Weiterbildungssparen. - Das
wird nicht ausreichen, um die Weiterbildungsbeteiligung der Benachteiligten drastisch zu erhöhen und im internationalen Vergleich mitzuhalten. Dafür ist eine ganze
Menge mehr zu tun.
Ich gebe zu: Wir sind ungeduldig. Wir haben schon
seit zwei Jahren gemahnt, dass endlich mehr passiert. Es
reicht nicht, einen neuen Gesprächskreis einzurichten,
wo doch alle Expertenvorschläge seit vielen Jahren auf
dem Tisch liegen. Wir haben kein Defizit an Wissen; wir
haben ein Defizit an Umsetzung.
Wir Sozialdemokraten haben darauf gedrängt, dass
der Weiterbildungsdschungel gelichtet wird. Weiterbildungstests der Stiftung Warentest werden auch nach
2007 fortgesetzt. Es gibt mehr Geld im Haushalt. Um die
Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen, wollen wir eine
Weiterbildung mit System.
({10})
Wir haben das BAföG im Koalitionsvertrag gerettet.
Frau Schavan, Sie haben in Koalitionsverhandlungen
festgestellt, das BAföG sei ein Auslaufmodell; wenn wir
mehr Geld dafür haben wollten, sollten wir es erbringen.
({11})
Wir haben dieses Geld erbracht, und deswegen ist das
ein sozialdemokratischer Erfolg.
({12})
Alle Potenziale ausschöpfen und mehr Chancengleichheit fördern - wer das wirklich will, der kann das
Hochschulrahmengesetz nicht ersatzlos abschaffen.
({13})
Wie unsere Anhörung im Ausschuss eindrucksvoll gezeigt hat, sind unbürokratische bundeseinheitliche Regelungen zur Sicherung von Qualität, Mobilität und
Transparenz dringend notwendig. Darin waren sich bis
auf Minister Frankenberg, glaube ich, alle anwesenden
Experten einig. Das war auch die Ausgangsfrage der
Fraktionen, als wir diese Anhörung konzipiert haben.
Deswegen sage ich im Namen der SPD-Fraktion:
Ohne bundeseinheitliche Regelungen für Zulassung und
Abschluss als Ersatz für das Hochschulrahmengesetz
wird es unsere Zustimmung zum vorgelegten Gesetzentwurf nicht geben.
Zum Schluss: Der Weg vom Talent zum Patent führt
über die Schulbank. Da wir hier gerade schon über Studiengebühren geredet haben
({14})
- ich greife das nur auf -: Es ist hinreichend belegt, dass
das größte Innovationshemmnis in der Bundesrepublik
das selektive dreigliedrige Schulsystem ist.
({15})
- Das ist eindeutig belegt. Das haben alle begriffen,
selbst CDU-regierte Gemeinden im Münsterland. In den
Gemeinden Schöppingen und Horstmar möchten CDUBürgermeister die Gemeinschaftsschule einführen.
({16})
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Sie können das nachlesen. - Die Gemeinden haben
den Antrag bei der Landesregierung gestellt. Herr
Rüttgers sagt njet ({0})
gegen die Freiheit, auf Kosten der Autonomie der Schulen und auf Kosten der Lebenschancen junger Menschen.
Zuletzt gehe ich noch auf das Stichwort Studiengebühren und die etwas eigenwillige Auslegung des Begriffs Gerechtigkeit ein. Ich empfehle Ihnen, einmal in
das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Zu den Umverteilungswirkungen staatlicher
Hochschulfinanzierung“ zu schauen.
({1})
Dort können Sie nachlesen, wie abenteuerlich diese Gerechtigkeitsbegründung ist. Dort können Sie auch nachlesen, was eine gerechtere Verteilung ermöglichen
würde als Studiengebühren, nämlich eine höhere Progression bei der Einkommensteuer.
({2})
Dies träfe Akademiker erst, wenn sie ihr Studium beendet und ein hohes Einkommen haben.
Studiengebühren verhindern, dass Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien ein Studium
aufnehmen können. Sie sehen das jetzt bei den Neuimmatrikulationen an den Universitäten, auch in Nordrhein-Westfalen. Sie sind unter dem Strich nichts anderes als eine Begründung dafür, dass die Privilegien von
bestimmten Schichten gesichert werden und alle anderen
außen vor bleiben.
({3})
Das kann sich dieses Land nicht mehr leisten.
({4})
Jetzt spricht Nele Hirsch für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Hagemann hat vorhin Wert darauf gelegt, dass
wir alle zusammen stärker die Fakten anerkennen und
keine Schwarzmalerei betreiben.
({0})
Ich gebe Ihnen da vollkommen recht. Deshalb möchte
hier genau so einsteigen.
({1})
Die Linke hält es allerdings nicht für Schwarzmalerei,
wenn an dieser Stelle von einer Ausbildungsmisere gesprochen wird. Wir sind nämlich in einer Situation, in
der jeder zweite Bewerber, jede zweite Bewerberin keinen Ausbildungsplatz findet, aber schon über ein Jahr
auf Suche ist. Das ist keine Schwarzmalerei. Das ist einfach Realität.
({2})
Wir halten es auch für richtig, darauf hinzuweisen,
dass entgegen den Beteuerungen der Ministerin, die Zahl
der Studienanfängerinnen zu steigern, diese Zahl in der
Realität zurückgeht. Das alles sind Fakten, die man zur
Kenntnis nehmen muss. Vor allen Dingen darf man die
Augen nicht vor dem Skandal im deutschen Bildungssystem verschließen, dass die soziale Herkunft ganz
maßgeblich über den Bildungserfolg entscheidet und wir
bei dieser Koppelung im Vergleich zu anderen Industrienationen traurigerweise an der Spitze stehen.
Das alles sind Realitäten. Wir Linke erkennen diese
Realitäten. Wir sagen Nein zu diesem Haushaltsentwurf,
weil er auf diese ganzen Schwierigkeiten keinerlei Antworten gibt.
({3})
Wenn man sich den Haushalt im Bildungsbereich und
Ihre Bildungspolitik, Frau Ministerin, anschaut, wird als
Erstes deutlich, dass sehr viele Bereiche von Nichtstun
geprägt sind und Sie sich schlichtweg jeglicher Verantwortung entziehen. Das beste Beispiel ist: Wir haben
über die Ausbildungsmisere diskutiert. Wie lautet die
Antwort darauf? Die Linke hat gesagt: Es ist dringend
notwendig, eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage
einzuführen, damit sich die Unternehmen nicht immer
weiter ihrer Verantwortung entziehen können und wir so
etwas wie ein Recht auf Bildung sicherstellen können.
({4})
Alle anderen Fraktionen haben diesen Vorstoß abgelehnt.
Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz hat
Deutschland besucht. Er hat in seinem Bericht festgestellt, dass das Recht auf Bildung in der Bundesrepublik
Deutschland missachtet wird. Wir haben die Bundesregierung gefragt, wir haben ganz speziell Sie, Frau Ministerin Schavan, gefragt, wie Sie mit einer solchen Aussage
umgehen. Ihre Antwort war: Tut mir leid, dafür sind die
Länder zuständig. Da kann ich nichts machen. - Ich frage
Sie wirklich, ob Sie nicht meinen, dass sich Menschen,
die solche Aussagen von Ihnen hören, reichlich veralbert
vorkommen, wenn ein so elementares Grundrecht missachtet wird, das vonseiten der UNO schwarz auf weiß anerkannt wird. Ihre einzige Aussage dazu aber ist: Da
müssen die Länder eben mehr tun.
Ein weiteres passendes Beispiel hierfür - darüber haben wir schon diskutiert - ist das Thema Studiengebühren; dieses Stichwort ist in Ihrer Rede bis auf ein Vorgeplänkel zu Beginn Ihrer Rede gar nicht mehr gefallen. Ich
möchte darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik den
sogenannten Sozialpakt der UNO unterzeichnet hat. Darin steht, dass das Studium gebührenfrei zu halten bzw.
Schritt für Schritt gebührenfrei zu gestalten ist. Wenn
Ihre Antwort, konfrontiert man Sie damit, einzig und allein lautet, dass Sie fest davon ausgingen, dass die Länder schon sozialverträgliche Studiengebühren einführen
würden, dann ist uns das deutlich zu wenig. Es ist uns
auch deutlich zu wenig, dass die SPD-Fraktion - nimmt
man einmal an, dass sie es mit ihrer Ablehnung von Studiengebühren ernst meint - eine solche Aussage vonseiten der Ministerin einfach so durchgehen lässt.
({5})
Wenn wir auf der einen Seite das Nichtstun in Ihrer
Bildungspolitik kritisieren, geben wir auf der anderen
Seite offen zu, dass teilweise etwas getan wird. Nur leider
sind es überwiegend nicht mehr als minimale Trippelschritte. Das ist beim BAföG so, das Kollege Hagemann
angesprochen hat und das erst im kommenden Jahr erhöht
wird, aber nicht um einen Betrag, der eigentlich notwendig wäre, um bedarfsdeckende Sätze zu ermöglichen. Als
ein zweites Beispiel ist der Hochschulpakt anzusprechen,
wozu sogar die Hochschulrektorenkonferenz, die Ihnen
doch eigentlich relativ wohlgesonnen ist, sagt: Das Ganze
ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein
drittes Beispiel ist: Im Berufsbildungsbericht wird Ihnen
nahegelegt, dass gerade in Ostdeutschland die Ausbildungssituation katastrophal ist. Sie aber kürzen die Mittel
für Ausbildungsförderprogramme im Osten radikal zusammen.
({6})
Das hat mit einer guten Bildungspolitik wirklich nichts
zu tun.
({7})
Schließlich haben wir neben diesem Nichtstun und
den Trippelschritten als Drittes noch Bereiche, in denen
Sie sehr aktiv sind. Nur leider werden hier komplett falsche Prioritäten gesetzt und wird eine falsche Politik gemacht.
Frau Burchardt, Sie sprechen von Kontinuität in dieser Politik. Das ist leider eine sehr traurige Kontinuität.
Begonnen wurde diese Politik in der Tat schon von RotGrün. Es wäre aus unserer Sicht aber wichtiger, eben
nicht auf dieser Kontinuität zu beharren, sondern vielleicht doch zu einer sozial gerechteren Politik zu kommen.
({8})
Das bezieht sich auf die Exzellenzinitiative und die Aufstockung der Mittel für die Begabtenförderung. Damit
zementieren Sie eine Spaltung im Bildungssystem. Damit zementieren Sie eine Zweiklassenbildung. Das
möchte die Linke definitiv nicht, und deshalb wird dieser Haushaltsplan von uns auch abgelehnt.
Besten Dank.
({9})
Katherina Reiche spricht jetzt für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Was die Tonalität aus Larmoyanz, Pessimismus, Jammer
und Weltuntergangsstimmung, die hier angeschlagen
wurde, betrifft: Welchen jungen Menschen wollen Sie
eigentlich erreichen? Denjenigen, der sich mit ein bisschen Optimismus in die Hochschulen begibt, in die Forschung begibt und etwas für unser Land erreichen
möchte? Mit dieser Tonalität drücken Sie das völlige Gegenteil von dem aus, was Sie möglicherweise erreichen
wollten. Es passt jedenfalls nicht zu diesem Land und
zur Stimmung, wie wir sie jetzt haben.
({0})
Wir haben ein großartiges Jahr für die Wissenschaft in
Deutschland erlebt: zwei Nobelpreise, einen für Physik
und einen für Chemie. Das sind die Vorbilder, die die
junge Forschergeneration braucht und an denen sie sich
orientieren möchte. Denn Nobelpreise sind Ausdruck für
intellektuelle und wissenschaftliche Leistungsfähigkeit
eines Landes. Wir brauchen diese exzellenten Leistungen; denn sie sind Grundstein für weitere wissenschaftliche Erkenntnisse, die wiederum bahnbrechend für die
Projekte und Produkte sind, die unser Leben bereichern.
({1})
Im Sport wie in der Wissenschaft gilt: Spitzenleistungen sind kein Zufall. Sie sind Folge von Begabung, Bildung und Ausstattung, aber eben auch von Anstrengung
und Ausdauer. Komischerweise kommen die Begriffe
Anstrengung, Ausdauer und Leistung bei Ihnen nicht vor.
Unter Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist
das Ministerium - da widerspreche ich Ihnen ganz ausdrücklich, Frau Burchardt ({2})
weiterentwickelt worden, nämlich von einem Schulministerium zu einem Bildungs- und strategischen Forschungsministerium.
({3})
Denn nur wenn Bildung und Ausbildung, Wissenschaft,
Forschung und Lehre, wenn lebenslanges Lernen und
Weiterbildung als großes Ganzes begriffen werden, dann
kann tatsächlich das Fundament von Innovationen für
Wachstum und für Wohlstand gelegt werden.
({4})
Wir können es uns nicht leisten, Talente brachliegen
zu lassen. Das ist nicht nur ökonomisch unvernünftig; es
gefährdet am Ende auch den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
({5})
Wir brauchen eine möglichst frühe individuelle Förderung für Kinder, ein begabungsgerechtes Schulsystem
und passgenaue Ausbildungsmöglichkeiten für unsere
Jugendlichen. Wir haben unser Augenmerk nicht nur auf
die neuen Länder gelegt, sondern eben auch auf die Altbewerber im Ausbildungsmarkt, um ihnen Chancen zu
ermöglichen.
Wenn eingefordert wurde, dass wir die Bereitschaft
zum lebenslangen Lernen steigern müssen, dann kann
ich nur sagen: Ein gemeinsamer Antrag zum Bildungssparen der Koalitionsfraktionen liegt vor. Wer auf der
Bremse steht, ist Herr Steinbrück. Vielleicht sollten Sie
mit Ihrem eigenen Minister reden, damit die Mittel zur
Verfügung gestellt werden.
({6})
Das Hauptaugenmerk des Ministeriums liegt aber auf
der strategischen Forschungsförderung, und das ist gut
so. Der wohl wichtigste und ein zukunftsweisender
Schritt ist die Umsetzung der Hightech-Strategie. Der
Präsident des Stifterverbandes, Arend Oetker, hat gesagt,
eine Innovationspolitik aus einem Guss, die das Neben-,
Gegen- und Durcheinander der Bundesressorts in der
Technologiepolitik beendet, war überfällig.
Frau Reiche, möchten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Tauss zulassen?
Nein, danke, sonst haben wir hier wieder eine endlose
Debatte, und ich glaube nicht, dass uns das jetzt weiterbringt.
({0})
Zum ersten Mal hat eine Bundesregierung über alle
Ressorts hinweg eine nationale Strategie entwickelt, um
Deutschland an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zurückführen. Alle Politikbereiche, die Forschung
und Entwicklung berühren, werden auf ein klares Ziel
ausgerichtet. Die Innovationspolitik rückt ins Zentrum.
15 Milliarden Euro werden wir insgesamt für Spitzentechnologien bereitstellen, um dem gemeinsamen 3-Prozent-Ziel näherzukommen. Wir setzen dabei auf Köpfe,
Konzepte, Kapital und ein positives Klima.
Der Einzelplan 30 steigt auf fast 9,35 Milliarden
Euro; das ist ein Plus von 832 Millionen Euro. Das ist
wirklich ein Spitzenhaushalt für Spitzenforschung. Die
Forschungsprämie wird privates Geld mobilisieren. Sie
kann das Eis zwischen Hochschulen und Unternehmen
Katherina Reiche ({1})
brechen. Aber wir haben hier definitiv noch Spielraum
für die Mobilisierung privaten Kapitals. Wir müssen Gas
geben, wenn es darum geht, Wagniskapital in Deutschland zu mobilisieren. Der Kollege Riesenhuber kann
hiervon ein Lied singen, sicherlich manchmal ein Klagelied. Hier haben wir jedenfalls Spielraum.
Zu den Konzepten: Deutschland genießt in der internationalen Forschung ein hohes Ansehen. Es gibt aber
nichts, was nicht noch besser werden kann. Deshalb haben wir einen ganzen Baukasten mit vielen Bausteinen
in Form von Maßnahmen und Initiativen entwickelt: die
Hightechstrategie - sie wurde schon angesprochen -, die
Exzellenzinitiative für die Hochschulen, den Spitzenclusterwettbewerb, den Hochschulpakt und das Hochschulfreiheitsgesetz, das jetzt auf den Weg gebracht
wird. All das wird uns wissenschaftspolitisch auf die
Überholspur bringen.
Es gilt aber auch, das zu stärken, was bis heute den
Erfolg Deutschlands ausmacht: den Ideenreichtum der
Menschen in unserem Land; ihren Willen, zu lernen und
zu forschen; die hohe Kunst unserer Ingenieure, für
komplexe Probleme Lösungen zu finden.
Folgendes möchte ich noch ergänzen: Es ist gut, wenn
man gemeinsam zu der Erkenntnis kommt, dass es sinnvoll ist, mehr für kleine und mittelständische Unternehmen zu tun. Ich möchte aber noch einmal deutlich
machen, dass es unsere Fraktion war, die gesagt hat: Wir
müssen mehr für kleine und mittelständische Unternehmen tun, sie stärker an die Forschung heranführen und
den Haushalt entsprechend anpassen.
({2})
- Ich habe ja gesagt, dass es gut ist, wenn wir gemeinsam zu der Erkenntnis kommen.
({3})
Wir haben allerdings den Anstoß gegeben.
Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist längst ein
globaler, auch angesichts der demografischen Entwicklung. Wohl dem Land, das selbst für gut ausgebildeten,
motivierten Nachwuchs sorgt. Das gilt sowohl für Facharbeiter in den Unternehmen als auch für Wissenschaftler an den Hochschulen. Erstmals seit sechs Jahren sind
wieder mehr als 300 000 Beschäftigte in den Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Um
genau zu sein: 305 000 Menschen arbeiten in diesem Bereich. Somit ist eine magische Schallgrenze überschritten worden. Das zeigt, dass die Unternehmen nicht nur
wieder investieren, sondern auch auf Forschung und
Entwicklung setzen.
({4})
Mittlerweile sind wir das drittattraktivste Land der
Welt für Studenten aus aller Welt. Jeder zehnte Studierende kommt aus dem Ausland.
({5})
Noch ein Wort zum Programm: Hochqualifizierte
Wissenschaftlerinnen gehören in Spitzenpositionen. Es
ist richtig, dass Frau Bulmahn auf das Problem hingewiesen hat - sie hat darüber gesprochen -, aber Annette
Schavan hat gehandelt. Jetzt werden diese Stellen geschaffen. Mit 9 Prozent weiblichen Führungskräften im
Bereich Wissenschaft ist Deutschland Schlusslicht.
Diese Position ist also ausbaufähig.
({6})
Ein letztes Wort zum Klima: Wir brauchen in diesem
Land ein Klima, in dem sich Forschung und Entwicklung lohnen. Die beste Strategie bleibt wirkungslos,
wenn es keine Innovationskultur gibt. Das heißt, wir
müssen positiv über neue Technologien und Strategien
sprechen, aber auch eindeutige gesetzliche Rahmenbedingungen dafür schaffen.
Es gilt, mit Ausdauer, Entschlossenheit und Mut zu
handeln. Wir brauchen Entschlossenheit, um eine Konzentration von Mitteln auf bestimmte Bereiche zu erreichen. Das haben wir gemacht. Wir müssen mit Ausdauer
nach neuen Erkenntnissen und besseren Lösungen suchen. Wir brauchen aber auch den Mut, kreative Forschungs- und Entwicklungsprojekte finanziell zu unterstützen, um sie nach vorne zu bringen. All das zeigen
wir in diesem Haushalt.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Anna Lührmann von
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Frau Reiche, als Sie vorhin das Thema
Klima ansprachen, dachte ich: Nun will endlich einmal
jemand von der Koalition etwas zum Thema Klimaschutz sagen.
({0})
Die Ministerin hat in der Presse ja eine groß angelegte
Klimaforschungsinitiative angekündigt,
({1})
im Haushalt sind dafür aber keine zusätzlichen Mittel zu
finden.
({2})
Meine Fraktion hingegen hat einen Klimahaushalt beantragt. Wir wollen allein im nächsten Haushaltsjahr 250 Millionen Euro für die Klimaschutzforschung ausgeben.
Das wäre zukunftsfähige Forschungspolitik. Von Ihnen
ist da allerdings nicht viel zu sehen.
({3})
Ich will mich in meiner Rede auf das wichtige Thema
Weiterbildung konzentrieren. Ich möchte zunächst auf
Aussagen der Vorsitzenden des Bildungsausschusses,
Frau Burchardt von der SPD, eingehen. Sie haben letzte
Woche in einem Interview zum Thema Weiterbildung
gesagt - ich zitiere -:
Die Halbzeit der Wahlperiode ist jetzt überschritten
und trotzdem kommt Bundesbildungsministerin
Annette Schavan nicht in die Puschen.
Weiterhin sagte sie:
Eine Gesamtstrategie ist überfällig.
Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken.
({4})
Ähnlich haben Sie das hier ja auch noch einmal wiederholt, Frau Kollegin. Nur, liebe Frau Burchardt, diesen
Schuh müssen auch Sie sich anziehen.
({5})
Ich weiß zwar noch, wie schwer es ist, als kleinerer
Koalitionspartner etwas durchzusetzen, aber Sie hätten
zumindest im Haushaltsausschuss, wo das Verfahren
konkret im Parlament auf der Tagesordnung steht und
nicht nur die Ministerin gefragt ist, Erhöhungen der Mittel für Weiterbildung durchsetzen können. Dazu kamen
keine Anträge vonseiten Ihrer Fraktion. Aber wir sind es
ja gewöhnt, dass es schöne Rhetorik von der Koalition
gibt, die selten in konkrete Taten mündet.
({6})
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte schön.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Liebe Frau Kollegin, ist es richtig, dass Sie in der letzten Legislaturperiode und in der davor nicht Mitglied des Bildungs- und
Forschungsausschusses waren?
({0})
Haben Sie vielleicht dennoch mitbekommen, dass es die
Bildungs- und Forschungspolitiker Ihrer Fraktion waren,
die alle Initiativen der SPD-Fraktion, im Bereich Weiterbildung voranzukommen und eine nationale Offensive
zu starten, torpediert haben?
({1})
Liebe Frau Kollegin, es ist richtig, dass ich Mitglied
im Haushaltsausschuss bin. Dort wird über das Geld für
Forschung entschieden. Ich habe nicht mitbekommen,
dass dort von unserer Seite etwas blockiert worden ist.
Im Gegenteil: Wir haben als einzige Fraktion jetzt ganz
konkrete Vorschläge vorgelegt, zum Beispiel für Bildungssparen.
({0})
Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen. Wir haben
auch ganz konkrete Gegenfinanzierungsvorschläge gemacht. Ich werde jetzt genauer darauf eingehen, was wir
uns darunter vorstellen.
({1})
Die Lage spitzt sich ja zu. Der Fachkräftemangel
steigt. Die Gruppe der Bildungsverlierer wächst ebenso.
Fast ein Viertel der Jugendlichen verlässt die Schule mit
Lese- und Schreibkompetenzen auf Grundschulniveau.
Die Abbrecherquote ist viel zu hoch. Schlechtqualifizierte haben, wie wir alle wissen, bekanntermaßen auch
schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. So hat sich die
Arbeitslosenquote von Menschen ohne Abitur und ohne
Berufsabschluss zwischen 1991 und 2005 fast verdreifacht.
Wenn die Kanzlerin - sie ist bei dieser Debatte ja
nicht anwesend - ihren Spruch „Sozial ist, was Arbeit
schafft“ wirklich ernst meint, dann sollte sie sich hier an
dieser Stelle vielleicht einmal darum kümmern; denn
jetzt ist eine Kraftanstrengung notwendig. Wir alle müssen uns gemeinsam dieser Aufgabe stellen. Jedem muss
klar werden: Lernen hört nicht mit dem Ende der Schulzeit oder dem Ende der Ausbildung auf, lernen muss
man das ganze Leben lang.
({2})
Deshalb - darauf bin ich eben schon kurz eingegangen - haben wir Grüne im Haushaltsausschuss eine umfassende Weiterbildungsstrategie mit einem Umfang
von 212,5 Millionen Euro vorgelegt. Wir haben entsprechende Änderungsanträge gestellt, die über Einsparungen vor allen Dingen bei den Kohlesubventionen mehr
als gegenfinanziert sind. Dazu nenne ich drei Beispiele:
Erstens. Wir wollen das Meister-BAföG zu einem Erwachsenen-BAföG ausbauen, damit alle Menschen, die
eine zweite Chance brauchen, im Erwachsenenalter die
Möglichkeiten haben, einen Schul- oder Berufsabschluss
nachzuholen.
({3})
Zweitens. Wir wollen die Einführung von Bildungssparen. Wir wollen nicht nur darüber reden, sondern es
auch konkret einführen, um einen Mentalitätswechsel zu
befördern, damit sich Investitionen in Bildung für jeden
Einzelnen lohnen. Gegenfinanziert werden kann das
zum Beispiel durch einen Wegfall der Wohnungsbauprämie.
Drittens. Wir schlagen spezielle Anreize und Beratung für kleine und mittlere Unternehmen vor, um Weiterbildung in den Unternehmen nachhaltig zu verankern.
Was macht die Große Koalition? Nichts Neues. Die
Titel zur Weiterbildung bleiben im Prinzip so, wie sie
waren. Sie haben sogar noch 4 Millionen Euro von den
Titeln zur Weiterbildung abgezweigt für ein Freiwilliges
Technisches Jahr, ein konzeptionell unausgegorenes
Langzeitpraktikum für Schulabgänger. Das wird ein ausuferndes Warteschleifenangebot.
({4})
Insgesamt scheint es mir so, dass sich der Fachkräftemangel auch in der Großen Koalition sehr deutlich zeigt.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Kollege René Röspel von der SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben schon von vielen meiner Vorredner
Gutes, Sinnvolles und sicherlich auch Erfreuliches über
den Haushalt gehört.
({0})
Das gilt auch für die Redner der Opposition. Ich sage
ausdrücklich: Frau Flach, das war fair, wie Sie das bewertet haben. Chapeau! - Ihr Kollege Barth kann an dieser Stelle sicherlich noch etwas dazulernen.
({1})
Ihre Aussage, dass der Haushalt für Bildung und Forschung einen Umfang von 9,5 Milliarden Euro hat, der
für Arbeit und Soziales hingegen von 125 Milliarden Euro, kann man so nicht stehenlassen. Denn allein
der Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung beläuft sich auf 80 Milliarden Euro.
({2})
- Wenn Sie sagen: „Ja, und?“, Herr Fricke, dann müssen
Sie den Rentnerinnen und Rentnern mitteilen, dass entweder ihre Rente gekürzt oder der Beitragssatz erhöht
wird. Hier machen Sie es sich etwas einfach.
({3})
Der Kollegin von den Grünen muss ich sagen: Wenn
Sie im Haushalt keinen Hinweis darauf gefunden haben,
dass wir mehr für den Klimaschutz tun, dann sollten Sie
ihn sich wohl einmal genauer ansehen. Einfach zu fordern, dass die Steinkohlesubventionen noch stärker gekürzt werden sollten, ist sehr einfach und populistisch.
Die Steinkohlesubventionen befinden sich nämlich schon
in einem regelrechten Sinkflug.
({4})
Hier müssen wir im Sinne derer, die in dieser Branche
abhängig beschäftigt sind, eine sozialverträgliche Regelung treffen. Wenn Sie fordern, dass wir noch stärkere
Kürzungen vornehmen sollten, dann müssen Sie sich
auch vor die Familien im Ruhrgebiet stellen und ihnen
sagen: Euer Arbeitsplatz ist in einigen Wochen weg.
({5})
Das brauchen Sie aber nicht zu tun, weil Sie Landeslistenabgeordnete sind.
Herr Kollege Röspel, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lührmann?
Bitte schön.
Da sie selbst gerade erst das Wort hatte, sollte das allerdings die Ausnahme sein. - Bitte schön.
Da ich direkt angesprochen worden bin, muss ich an
dieser Stelle nachfragen: Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass die Weltmarktpreise für Steinkohle deutlich
gestiegen sind und dass die rot-grüne Koalition mit RAG
die Vereinbarung getroffen hat, dass dann, wenn die
Weltmarktpreise steigen - das ist ja auch logisch -, geringere Subventionen gezahlt werden? Ist Ihnen bewusst,
dass Ihre Koalition von dieser Vereinbarung abgewichen
ist, indem sie nicht auf diese Regelung bestanden hatte,
und damit allein in diesem Haushaltsjahr auf Zuschüsse
in Höhe von mehr als 700 Millionen Euro verzichtet?
Das ist mir sehr wohl bewusst. Das hat mit Verlässlichkeit und mit getroffenen Absprachen zu tun. Wenn
die Weltmarktpreise sinken würden, wäre die Situation
nämlich wieder eine andere; dann müsste man nachfinanzieren.
({0})
Von daher glaube ich, dass Ihre Forderung eine sehr populistische Forderung ist, die sich immer dann sehr einfach aufstellen lässt, wenn man den Leuten, die davon in
erster Linie betroffen sein würden, nicht gegenübersteht.
({1})
Ohne allzu viel korrigieren zu wollen, möchte ich
auch noch der Kollegin Reiche einen kurzen Hinweis geben: Das Konzept zum Weiterbildungssparen hängt
nicht im Finanzministerium, sondern im Wirtschaftsministerium fest. Dort kommen wir nicht weiter, weil es im
Hinblick auf die Vermögensbildung Probleme gibt.
Wir haben heute schon über sehr viele Themen diskutiert.
({2})
Wir sind uns sicherlich einig, dass Investitionen in Bildung und Forschung unverzichtbar sind. Auch der Einsatz der öffentlichen Hand ist in diesem Bereich unverzichtbar; denn sie - leider nicht die Wirtschaft - ist
derjenige Akteur, der die Grundlagenforschung, die in der
Regel unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten
nicht erfolgreich ist, zum größten Teil finanziert. Lassen
Sie mich ein paar Beispiele anführen, um das konkret zu
belegen:
Erstes Beispiel. Bundesforschungsministerin Bulmahn
hat im Jahr 2005 den Bau von PETRA III auf den Weg
gebracht. Gestern hatte Frau Bundesministerin Schavan
die Gelegenheit, in Hamburg das Richtfest für die Experimentierhalle von PETRA III zu feiern.
({3})
Das ist ein erfreuliches Beispiel für Kontinuität im
Dienst der Sache. PETRA III wird die weltweit stärkste
Speicherringquelle für Synchrotronstrahlung sein. Mit
harter Röntgenstrahlung werden künftig kleinste Proben
untersucht werden können. Das ist noch Grundlagenforschung. Anwendungspotenziale sind aber vorhanden.
Der ganze „Spaß“ kostet uns 225 Millionen Euro. 90 Prozent davon zahlt der Bund, 10 Prozent das Land Hamburg. Die Wirtschaft beteiligt sich nicht an diesen Kosten.
Das zweite Beispiel. Morgen lädt das AlfredWegener-Institut für Polar- und Meeresforschung zur
Feier „25 Jahre Forschungs- und Versorgungsschiff
Polarstern“ ein.
({4})
Man könnte sich fragen: Warum muss ein Steuerzahler,
der im Sauerland oder in Bayern lebt, ein Polarforschungsschiff finanzieren? Die Antwort ist schnell gegeben: Dieses Schiff liefert wichtige Erkenntnisse, zum
Beispiel in den Bereichen Geologie, Biologie, Meteorologie, Geophysik, Chemie und Glaziologie. Diese Erkenntnisse sind für die Wirtschaft möglicherweise nicht
in jedem Fall interessant. Aber für die Gesellschaft und
für viele andere Länder, die davon profitieren, sind sie
unverzichtbar. Daher ist es Aufgabe des Staates, sich
hier zu engagieren.
({5})
Warum fördert der Staat die Erforschung des GMR
bzw. des Riesenmagnetowiderstandseffekts? Nicht nur,
damit Professor Grünberg vor einigen Wochen der
Nobelpreis zuerkannt werden konnte, sondern auch, um
dafür zu sorgen, dass schnellere Computer entwickelt
werden; dazu hat diese Technologie beigetragen.
Im Bundesforschungsbericht 2006 wird zu Recht festgestellt: Der Erfolg von Produkten „made in Germany“
war insbesondere auf die staatliche, mit der Wirtschaft abgestimmte Grundlagenforschung zurückzuführen.
Allerdings haben wir hier im Hause und in den Ausschüssen immer wieder gemeinsam festgestellt, dass es
Probleme beim Übergang von der Forschung in die Anwendung gibt. Da hapert es. Da gibt es eine strukturelle
Lücke. Wir haben zwar eine konkurrenzfähige Grundlagenforschung - ich glaube, das steht außer Frage -, aber
häufig fehlt den akademischen Forschungsergebnissen
die notwendige Reife für eine wirtschaftliche Umsetzung in Produkte.
An diesem Punkt hat die SPD angesetzt. Kollege
Klaus Hagemann hat schon angedeutet, dass wir die Initiative ergriffen haben, um mit der Validierungsforschung diese strukturelle Innovationslücke zwischen
Forschungsergebnis und anwendbarem Produkt zu
schließen. Zielsetzung ist eine schnellere Umsetzung
von Wissen in marktfähige Produkte und Verfahren.
Dass die Haushälter das auf den Weg gebracht haben,
dafür danke ich ihnen ausdrücklich noch einmal.
({6})
Der Haushaltsaufwuchs ist gut und erfreulich. Es
geht aber nicht nur um die Quantität - das ist die eine
Sache -, sondern auch um die Qualität. Darauf achten
wir. Es ist nicht nur die Frage, wie viel, sondern wofür
man Geld ausgibt.
({7})
Die Qualität von Forschung kann nur gesichert werden, wenn man weiter in Bildung und Ausbildung investiert. Das sind die zentralen Pfeiler unseres Erfolgs
und Wohlstands.
Die SPD hat dafür gesorgt, dass der Bund seine Verantwortung wahrnimmt. Wir haben einerseits vor einigen Jahren zusammen mit den Grünen ein Programm mit
einem Umfang von 4 Milliarden Euro zur Errichtung
von Ganztagsschulen auf den Weg gebracht. Auf der anderen Seite gehen wir auch mit der BAföG-Erhöhung
den richtigen Weg und investieren mehr in Bildung und
Ausbildung. Wir wollen Bildung unabhängig von der
Herkunft. Die Kollegin Schmidt hat mich in der letzten
BAföG-Debatte mit ihrem Satz beeindruckt, wir müssten mit dem Prinzip brechen, dass aus Akademikerkindern Akademiker und aus Arbeiterkindern Arbeiter werden. Das ist eine Verschwendung von Ressourcen und ist
ungerecht.
({8})
Mit Entsetzen schaue ich deswegen in einige Bundesländer, die genau das Gegenteil machen. Über die Einführung von Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen wird
wieder eine soziale Verschärfung herbeigeführt.
Ich bin froh darüber - das war ein wichtiger Erfolg -,
dass Vizekanzler Müntefering in Meseberg das Programm „Jugend in Arbeit und Ausbildung“ in der
Koalition durchgesetzt hat.
({9})
Wir wollen nicht hinnehmen, dass immer mehr Jugendlichen der Zugang in diese Gesellschaft dadurch verwehrt
wird, dass sie keine Ausbildung bekommen. Jeder einzelne Jugendliche ohne Ausbildungsplatz ist ein Skandal, aber wenn 300 000 Jugendliche Altbewerber sind,
also schon im letzten Jahr keine Ausbildungsstelle bekommen haben, dann besteht die Gefahr, dass sich hier
sozialer Sprengstoff entwickelt. Für uns als SPD bleibt
das Thema auf der Tagesordnung.
Der Haushalt ist in Ordnung. Wir werden mit Olaf
Scholz und zusammen mit der Ministerin an den Problemfeldern Altbewerber, Ausbildungsplätze und Chancen der Jugend weiterarbeiten. Wir freuen uns, dass wir
ab morgen für den nächsten Haushalt wieder gut arbeiten
können.
Vielen Dank.
({10})
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat die Kollegin Dorothee Bär von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau
Burchardt, diese Rede war doch wirklich nicht Ihr Ernst.
Ich finde, Sie sollten sich bei unserer Fraktion oder bei
der Koalition insgesamt für Ihren Auftritt hier entschuldigen.
({0})
Sie als Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und
Forschung haben hier eine ganz wichtige Chance vertan.
Wenn ich es mit Erlaubnis des Präsidenten dürfte, würde
ich den Auftritt als peinlich bezeichnen.
({1})
Herr Tauss, von Ihnen als Sprecher hätte ich mir an dieser Stelle Ihre sonst immer so empörten Zwischenrufe
gewünscht. Während Ihre Kollegin sprach, wären sie
wirklich angebracht gewesen.
({2})
Insgesamt finde ich es schade. Der Etat für Bildung und
Forschung ist wirklich einer der wichtigsten Etats, den
wir in dieser Woche zu beraten haben. Es wäre gut gewesen, wenn in dieser Beratung die Vorsitzende des
Ausschusses die nötige Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt
hätte.
({3})
Vorhin hat einer der Kollegen - ich weiß nicht, wer es
war und von welcher Fraktion er war - sinngemäß gefragt: Ist diese Frau, die da vorne spricht, bei Bildung
und Forschung für das „und“ zuständig, bei der Kompetenz, die da an den Tag gelegt wird?
({4})
Mir war es wirklich sehr unangenehm, Ihren Ausführungen zuhören zu müssen. Ich finde es schade, dass Sie
schon zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl meinen, ausschließlich Wahlkampf machen zu müssen.
({5})
- Das ist das Entscheidende, genau. Bei Ihren Ausführungen klatschte nur die Linke. Da weiß man dann ja,
woher das Gedankengut der Kollegin kommt.
({6})
Ich möchte mich bei unserer Ministerin ganz herzlich
bedanken. Unsere Ministerin hat ihren Haushalt mit der
nötigen Ernsthaftigkeit und mit dem nötigen Nachdruck
vorgestellt. Vielen herzlichen Dank, Annette Schavan!
Ich möchte mich persönlich bei Ihnen und Ihrem Haus,
aber auch bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses
bedanken, dass es bei den Mitteln für Bildung und Forschung im Bundeshaushalt im Vergleich zum Vorjahr einen so starken Aufwuchs gibt.
({7})
Ich unterstütze auch ausdrücklich Ihre Kritik an denjenigen Kollegen, die hier nur Schwarzmalerei betreiben.
Das bringt unseren Standort Deutschland im Bereich von
Bildung und Forschung nicht weiter.
Ich denke, dass uns allen daran gelegen sein sollte,
mehr Geld für Bildung und Forschung in die Hand zu
nehmen. Wir haben bei der Novellierung des BAföG
und bei der Exzellenzinitiative bewiesen: Wo ein Wille
ist, ist auch ein Weg. Dass die Bundesregierung selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den Koalitionsfraktionen, insbesondere unter großer Beteiligung
der Unionsfraktion - es geschafft hat, mehr Geld für die
Erhöhung des BAföG zur Verfügung zu stellen, hat
zunächst niemand glauben können. Ich bin froh, dass
wir den Bundesfinanzminister davon haben überzeugen
können.
({8})
Wir haben die BAföG-Leistungen - das konnten wir in
der letzten Sitzungswoche diskutieren - um 10 Prozent
erhöht. Deswegen wird jeder BAföG-berechtigte Student
ab nächstem Jahr wesentlich mehr Geld in der Tasche
haben.
Für die Exzellenzinitiative werden fast 2 Milliarden
Euro zur Verfügung gestellt; 75 Prozent davon allein der
Bund. Ich hätte mir gewünscht, dass das Haus diesem
Einzelplan 30 gemeinsam zustimmen könnte angesichts
der Tatsache, dass wir uns alle darin einig sind, dass wir
in den nächsten Jahren noch mehr Geld für großartige
Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung zur
Verfügung stellen werden.
Bayern zum Beispiel verfügt mit dem Forschungsreaktor Garching, der auf eine Idee des damaligen Bundesministers Franz Josef Strauß zurückgeht, über eines
der modernsten Forschungszentren der Welt. Der Forschungsstandort Deutschland wurde damals von Franz
Josef Strauß begründet. Wir haben das Ganze in den
letzten Jahren weitergeführt, auch wenn das die Grünen
in den letzten Jahren ihrer Regierung verhindern wollten.
({9})
Ich freue mich sehr, dass in Bayern durch CSU-Minister
gute Grundsteine in der Bildungs- und Forschungspolitik
gelegt wurden.
({10})
Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren wieder die Vernunft einziehen wird, auch bei den Kollegen von der
SPD, die heute Chancen vertan haben. Wenn nicht, freue
ich mich, in zwei Jahren mit der FDP regieren zu können.
Vielen Dank.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
({0})
- Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte; das ist
meistens so.
({1})
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 - Bundesministerium für Bildung und Forschung - in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den
Einzelplan 30 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 30 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
von der Linken und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.6 auf:
Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung
- Drucksachen 16/6412, 16/6423 Berichterstattung:
Abgeordnete Roland Claus
Norbert Königshofen
Dr. Claudia Winterstein
Zum Einzelplan 12 liegen drei Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den wir am
Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe als erster Rednerin das Wort der Kollegin Dr. Claudia Winterstein von
der FDP-Fraktion.
({2})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sehr geehrter Herr Minister Tiefensee, der Abschluss der Haushaltsplanberatungen ist immer ein guter
Anlass, um eine Bilanz der Regierungsarbeit zu ziehen.
Ihre Bilanz, Herr Tiefensee, sieht allerdings ziemlich
schlecht aus: Rücktrittsforderungen vom Koalitionspartner, Kritik aus den eigenen Reihen; selbst die Mitarbeiter
Ihres eigenen Ministeriums zweifeln an Ihrer Kompetenz.
({0})
Sie erleben eine politische Schlappe nach der anderen.
({1})
Da ist zunächst die Dauerbaustelle Bahnprivatisierung. Sie konnten sich mit Ihrem Eigentumssicherungsmodell gegenüber Ihren Genossen nicht durchsetzen.
Das war gut so; denn Ihre Niederlage auf dem SPD-Parteitag hat verhindert, dass ein Milliardenvermögen zum
Spottpreis verschleudert worden ist.
({2})
Dass Sie sich daraufhin aber um 180 Grad gedreht und
das Volksaktienmodell Ihrer linken Genossen einen klugen Vorschlag genannt haben, war alles andere als gut.
Die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien ist für Investoren nämlich völlig uninteressant. Damit ist das Modell nicht geeignet, um genügend Kapital für die Bahn
zu mobilisieren. Das sollten auch Sie wissen, Herr Minister. Nun haben Sie die Federführung beim Thema
Bahnprivatisierung an Ihren Kollegen Peer Steinbrück
abgegeben. Das war wiederum sehr gut.
({3})
Steinbrück favorisiert das Holdingmodell. Damit sind
wir endlich auf dem richtigen Weg; denn das Netz muss
beim Bund bleiben. Die Transport- und Logistiksparte
kann privatisiert werden. Dieses Modell entspricht überwiegend auch dem Vorschlag der FDP-Fraktion.
15 externe Gutachten zur Bahnprivatisierung hat Ihr
Ministerium in Auftrag gegeben. Diese haben insgesamt
5 Millionen Euro gekostet. Ich finde, das ist viel Geld
und verdeutlicht eigentlich nur den Mangel an Kompetenz in Ihrem Hause. Dieses ewige Hin und Her um die
Bahnprivatisierung ist beispielhaft für Ihre fehlende
Führungsqualität.
({4})
- Das kommt noch.
({5})
Auch auf der zweiten Großbaustelle, nämlich bei den
Verkehrsinvestitionen, haben Sie die Leitung verloren
und konnten Sie sich gegenüber Ihren Kollegen in der
Regierung nicht durchsetzen. Ihr Einzelplan umfasst
über die Hälfte der Investitionen des gesamten Bundeshaushaltes. Die Tatsache, dass deren Anteil am Gesamthaushalt seit Jahren kontinuierlich zurückgeht, spricht
nicht gerade für Sie, Herr Minister.
Im Haushalt 2005 lag die Investitionsquote noch bei
9 Prozent. Im Jahre 2008 wird sie schon auf 8,7 Prozent
rutschen, und für das Jahr 2011 sind 8,2 Prozent geplant.
Die Investitionsquote ist jedoch ein wichtiger Faktor für
den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes. Das wissen
Sie sehr wohl. Der Rückgang öffentlicher Investitionen
sollte von daher ein Alarmzeichen für uns sein. Bei den
öffentlichen Investitionen steht Deutschland in der Europäischen Union auf dem vorletzten, nämlich dem
26. Platz von 27. Die Regierung scheint das aber nicht
zu interessieren.
({6})
Hauptursache für diese peinliche Tatsache sind die zu
geringen Verkehrsinvestitionen. Trotz der Rekordeinnahmen aus der Lkw-Maut - das sind immerhin
3,4 Milliarden Euro, die ursprünglich ja als zusätzliche
Mittel für Verkehrsinvestitionen geplant waren ({7})
investiert der Bund heute unter Schwarz-Rot sogar weniger als zu Zeiten von Rot-Grün, als es die Maut überhaupt noch nicht gab.
({8})
Sie betreiben seit Jahren Mautbetrug, indem Sie mit
den Mauteinnahmen einfach Haushaltsmittel ersetzen.
Das belastet natürlich vor allem auch die Spediteure und
Logistikdienstleister. Diese sollen immer mehr zahlen,
müssen aber immer schlechtere Bedingungen hinnehmen.
({9})
Dabei bildet gerade die Logistikbranche eine wichtige
Grundlage für den Erfolg unserer Wirtschaft. Vor diesem
Hintergrund ist die jetzt geplante Mauterhöhung
schlichtweg eine einzige Frechheit.
Herr Minister, wir könnten weitere Millionen in die
Infrastruktur investieren, wenn Sie zum Beispiel der
Bahn Darlehen statt Zuschüsse gewähren würden. Ihr eigenes Ministerium beziffert die Einnahmeverluste aus
den fehlenden Rückzahlungen der Bahn auf
750 Millionen Euro jährlich.Wir haben deswegen den
Antrag gestellt, die Finanzierung der Schienenwege wieder von Zuschüssen auf Darlehen umzustellen.
({10})
- Genau.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Trend zu immer
weniger Investitionen muss gestoppt werden. 2003 lagen
die Investitionen in die Verkehrswege noch bei 9,7 Milliarden Euro. In den nächsten Jahren werden sie auf etwa
9 Milliarden Euro sinken. Insbesondere die Straße leidet
unter dieser Entwicklung. 2005 lagen die Investitionen
noch bei 5 Milliarden Euro. Bis 2011 sollen es dann nur
noch 4,5 Milliarden Euro jährlich sein. Dabei erlebt jeder Autofahrer täglich, wie dringend die Sanierung und
der Ausbau des Straßennetzes sind. Hinzu kommt die
Belastung durch die weltweit steigenden Rohstoffpreise.
Dadurch wird ein Teil der Investitionssumme aufgefressen, und die realen Investitionen sinken.
Seit Jahren schaut der Verkehrsminister zu, wie die
Gesamtausgaben des Bundes steigen, aber nicht die Investitionen. Weiterhin setzt die Regierung in der Haushaltsplanung die falschen Prioritäten. Der Anteil von
Zins-, Personal- und Sozialausgaben an den Gesamtausgaben ist weiterhin viel zu hoch, der Anteil der Investitionen viel zu niedrig. Ein schwacher Verkehrsminister,
der sich in der Regierung nicht durchsetzen kann, trägt
daran einen großen Teil der Mitschuld.
({11})
Das Wort hat der Kollege Dr. Frank Schmidt von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Frau Kollegin Winterstein, wenn man Ihre
Rede Revue passieren lässt, dann muss man sich fragen,
ob Sie wirklich Mitglied im Haushaltsausschuss sind.
({0})
Waren Sie nicht dabei, als wir die Verkehrsinvestitionen
hochgestuft, die Verpflichtungsermächtigungen heraufgesetzt und darüber gesprochen haben, wie wir mehr in
dieses Land investieren können?
({1})
Ich finde, Sie sollten den Realitäten ein bisschen mehr
Aufmerksamkeit schenken und nicht über Dinge reden,
die nicht zutreffen.
({2})
An dieser Stelle sollten wir dem Verkehrsminister
Dank sagen dafür, dass er und sein Haus die Dinge zur
rechten Zeit vorangebracht haben. Da bringt es auch
nichts, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
FDP, ab und zu etwas dazwischenzurufen. Ich danke Ihnen, lieber Herr Verkehrsminister, dafür, dass die Dinge
hinsichtlich der Verkehrsinvestitionen, der Bautätigkeit,
aber auch der Problembereiche Stadtschloss und Galileo
endlich auf den Punkt gebracht und gelöst werden.
({3})
Das ist Teil unserer Regierungsarbeit. Hier werden
Dinge angepackt und gelöst und nicht einfach so dahingesagt.
Es gibt Tage, an denen es richtig Spaß macht, über Investitionen vonseiten des Bundes zu reden. Heute ist ein
solcher Tag.
({4})
Denn wir können feststellen: Mit 13,2 Milliarden Euro
haben wir einen Rekordhaushalt, was die Investitionen
des Bundes betrifft.
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto Fricke von der FDP-Fraktion?
Aber natürlich.
Bitte sehr, Herr Fricke.
Lieber Kollege Schmidt, Sie haben eben gesagt,
Galileo sei ein Erfolg. Ich würde mich erstens freuen,
wenn Sie der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen, die die ganze Zeit etwas ganz anderes wollten,
kurz erklären würden, warum Galileo für die Bundesrepublik Deutschland, wie es jetzt vereinbart worden ist,
ein Erfolg ist.
Zweitens möchte ich Sie fragen, ob die Investitionsquote, die die Bundesregierung im Jahre 2008 erreicht,
eine Rekordinvestitionsquote ist.
Lieber Kollege Otto Fricke, zunächst muss festgestellt werden, dass wir in den Verhandlungen über
Galileo natürlich eine andere Position hatten. Unter dem
Strich ist aber klar, dass das Ergebnis in den Detailverhandlungen als sehr positiv anzusehen ist, wenn die Ausschreibung so abläuft, wie der Präsident der EU-Kommission es zugesagt hat. Das muss man als Erstes
feststellen.
({0})
Wenn man Galileo als notwendiges europäisches System ansieht, dann muss man im Hause eine klare Position zu diesem System haben. Dieses System ist für uns
wichtig. Wir brauchen in dieser Sache eine europäische
Lösung - es ist klar, dass wir nicht alles zahlen können -,
um nicht in Abhängigkeit von anderen Staaten zu geraten, was nicht wünschenswert wäre.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Verhandlungen
waren notwendig, um unsere Position deutlich zu machen, auch wenn das Ergebnis im Detail nicht zu
100 Prozent das ist, was wir wollen. Aber die Ziellinie,
dass Europa zu einer Einigung kommt, ist richtig.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Bezogen auf den Gesamthaushalt gebe ich Ihnen recht. Wenn ich mir aber
den Verkehrshaushalt anschaue, dann stelle ich fest, dass
die Investitionsquote bei 54,1 Prozent liegt. Es ist lange
her, dass in der Bundesrepublik Deutschland der
Einzelplan 12 einen so hohen Investitionsanteil hatte.
Das ist ein Rekord; darauf können wir stolz sein. Das
soll entsprechend dargestellt werden.
({1})
Ich stelle fest, dass wir einen Investitionsaufwuchs
von 4,1 Prozent im Vergleich zum Einzelplan im Jahr
2007 zu verzeichnen haben. Dies ist ein deutliches Signal für mehr Investitionen und nicht für weniger, Frau
Winterstein. Dies ist ein deutliches Signal für Mobilität.
Dies ist auch ein deutliches Signal für nachhaltiges
Bauen. Wohnungspolitik an sich ist wichtig. Aber sie
muss nachhaltig und innovativ sein. Eine solche Politik
betreibt diese Regierung.
Wir, die Koalition, haben im Rahmen des Dreiklangs
aus Konsolidieren, Reformieren und Investieren die richtigen Akzente gesetzt. Man hätte im Rahmen der Haushaltsberatungen auch andere Entscheidungen treffen können.
Aber aufgrund dessen, was nach der Steuerschätzung auf
uns zukam, haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen. Im Bereich der Verkehrsinvestitionen haben wir
einen deutlichen Aufwuchs zu verzeichnen. Es gibt nicht
nur - das war schon im Entwurf vorgesehen - einen Anstieg von 370 Millionen Euro im Vergleich zur Finanzplanung. Hinzu kommen im Haushalt 2008 200 Millionen
Euro und die Umwidmung der Transrapidmittel, die mit
150 Millionen Euro veranschlagt und im investiven Teil
geblieben sind. Sie hätten auch für andere Dinge ausgegeben werden können. Das heißt, insgesamt stehen 2008
für den Verkehrsbereich 11,35 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist ebenfalls Rekord. Darauf können wir stolz
sein.
({2})
Wir geben also für den Verkehrsbereich 650 Millionen Euro mehr aus, und zwar nicht nur im Haushaltsjahr
2008, sondern auch in den darauffolgenden Haushaltsjahren. Damit ist der Einzelplan 12, wie ich bereits sagte,
klarer Gewinner der Etatberatungen 2008. Das muss entsprechend herausgestellt werden. Wir handeln eindeutig,
nachhaltig und solide. Andere Fraktionen in diesem
Hause wie die Fraktion Die Linke wollten ausweislich
ihrer Anträge im Haushaltsausschuss mit den Verkehrsinvestitionen ganz anders umgehen. Danach sollten
2,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen aus der Maut eingestellt werden, ohne zu wissen, ob man diese Summe
überhaupt erzielt. Es ist sicher, dass wir 650 Millionen
Euro, solide finanziert, mehr für Verkehrsinvestitionen
aufwenden. Das ist ein deutliches Votum vonseiten des
Haushaltsausschusses für Verkehrsinvestitionen in
Deutschland.
({3})
Das bedeutet im Detail: Wir haben 300 Millionen
Euro mehr für Neubau und Erhalt im Straßenbereich. Es
ist nicht unwichtig, für den Erhalt mehr auszugeben. Sie
alle kennen die Situation auf unseren Autobahnen und
stimmen mir sicherlich zu, dass die Erhaltungsmaßnahmen ausgeweitet werden müssen. Wir schauen nicht zu,
sondern tun etwas. Wir stellen aber nicht nur 300 Millionen Euro mehr für die Straße ein, sondern auch 350 Millionen Euro mehr für die Schiene. Klare Priorität hat
dabei die Hinterlandanbindung der Häfen mit 250 Millionen Euro. Das ist ein Essential in diesem Haushalt;
das muss man so herausstellen. Das bedeutet, dass wir
die Container aus unseren Häfen gut abtransportieren
können. Dies ist ein Zukunftsprogramm. Wer in Europa
die richtigen Voraussetzungen schafft, hat die Zukunft
gewonnen. Das ist ein richtiger Akzent, der mit diesem
Haushalt gesetzt wird, eine richtige Entscheidung, die
diese Koalition getroffen hat.
({4})
Wir haben im Bereich des kombinierten Verkehrs mit
fast 110 Millionen Euro einen hohen Ansatz etatisiert.
Wir haben zudem wieder 100 Millionen Euro für die
Lärmsanierung an der Schiene eingestellt. Dabei werden
Mittel gebunden, die in den Bereichen K-Sohle und LLSohle Verwendung finden. Wir sind gerade den Anrainern am Rhein und in ähnlich engen Bereichen in unserer Republik schuldig, nicht nur zuzuschauen und abzuwarten, bis in Europa irgendetwas geschieht, sondern bei
unserem Wagenmaterial selber zu handeln. Wir haben
die Voraussetzungen in diesem Bundeshaushalt geschaffen, dass in diesem Bereich etwas getan wird. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass man bei der
Lärmsanierung nicht nur etwas vor Ort macht, sondern
auch beim Wagenmaterial ansetzt. Da steigen wir jetzt
ein, und das ist richtig.
({5})
Wir haben auch eine Menge für die Sanierung von
Bahnhöfen getan. Wir sanieren jetzt im Bereich des
Ruhrgebietes die Bahnhöfe Duisburg, Essen und Dortmund. Wenn man in den Haushalt schaut und sich die
Zuordnung ansieht, dann muss man sich allerdings fragen, ob Münster im Ruhrgebiet liegt. Denn auch der
Bahnhof Münster wird saniert. Diese Zuordnung soll
Münster nicht zum Schaden gereichen. Es war eine richtige Entscheidung der Koalition, diese Bahnhöfe zu sanieren.
Es ist wichtig, im Rahmen der Haushaltsberatungen
darauf hinzuweisen,
({6})
dass insbesondere im Bereich der Stadtsanierung und
Städtebauförderung wichtige Dinge entschieden worden sind. Hier werden deutliche inhaltliche Impulse
gesetzt. Zum einen haben wir die Verstetigung und Verstärkung der Maßnahmen im Bereich der Städtebauförderung, zum anderen die Verstärkung unseres Programms „Soziale Stadt“. Das ist in der Zwischenzeit ein
richtiger Renner in dieser Republik geworden, weil dem
nicht nur ein Bauansatz, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz zugrunde liegt. Es geht nicht um das
Bauen an sich, sondern es geht darum, diejenigen, die
dort leben und arbeiten, mit ins Boot zu holen. Deswegen ist dieses Programm ein richtiges Erfolgsprogramm,
das weitergeführt wird.
({7})
Wir haben des Weiteren neue Programme, die dem
gestiegenen Anspruch in Sachen Denkmalschutz insbesondere im Westen Deutschlands Rechnung tragen. Dafür stehen 30 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben
auch neue Programme mit aktiver Stadt- und Ortsteilzentrenförderung. Ferner gibt es Programme im Bereich
des Investitionspaktes von Bund, Ländern und Kommunen, der vonseiten des Hauses sehr stark gefördert
worden ist. Das ist gut so. Denn was nützt es, zinsverbilligte Kredite anzubieten, wenn die jeweilige Kommune
sie gar nicht nutzen kann, weil sie unter verschärfter Finanzaufsicht steht? Diese Frage verlangt eine Antwort.
Diese Antwort geben wir mit diesem Investitionspakt.
So bekommen die Kommunen, die sich noch nicht einmal Kredite leisten können, einen direkten Zuschuss, um
Städtebauförderung zu betreiben. Das ist die richtige
Antwort auf die Lage der Kommunen. Ich würde mir
wünschen, dass auch das eine oder andere Bundesland
diese Lage erkennt. Wir handeln auch für die Kommunen, die sich das sonst nicht leisten könnten.
({8})
Es ist vor allen Dingen noch darauf hinzuweisen, dass
wir unser Programm zur CO2-Gebäudesanierung ausweiten. Es gibt kaum ein anderes Erfolgsprogramm, das
so gut wie dieses Programm angenommen wird. Von
2001 bis 2005 haben wir im Rahmen dieses Programms
312 527 Wohnungen sanieren können. Allein im Haushaltsjahr 2006 sind es 265 000 Wohnungen gewesen.
Das bedeutet eine Einsparung an CO2-Ausstoß von
1 Million Tonnen nur im Jahr 2006. Es gibt kein einziges
Programm in diesem Bundeshaushalt, das so erfolgreich
ist wie dieses Programm. Darauf können wir stolz sein.
({9})
Damit komme ich auf das zu sprechen, was mein geschätzter Kollege Bartholomäus Kalb gerade gesagt hat:
Wer ist es denn, der davon profitiert? Es ist nicht nur die
Umwelt, es sind auch das Handwerk, der Mittelstand und
die Menschen, weil es um Arbeitsplätze und Wohnqualität geht. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, ein nachhaltiges
Programm für die Menschen und für die Gesellschaft.
Deswegen ist es gut für unser Land, dass wir dieses Programm mit 1,4 Milliarden Euro, durch die Steuerförderung ergänzt, aufgelegt haben. Das muss weiter ausgebaut werden.
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Bitte sehr.
Frau Höhn.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben gesagt, es gebe kein
einziges Programm, das den CO2-Ausstoß so stark reduziert wie das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Sie haben recht, das ist ein ganz gutes Programm. Aber ich
frage Sie: Warum hat die Große Koalition nicht ein
zweites Programm, das zweieinhalb Mal so viel CO2 reduzieren würde, gestartet und sofort ein Tempolimit von
130 Stundenkilometern auf Autobahnen eingeführt?
({0})
Das wäre nämlich ohne Kosten möglich gewesen.
Liebe Frau Kollegin Höhn, nicht alles, was Sie hier
zum Besten geben, muss sofort umgesetzt werden. Tatsache ist, dass wir hier über den Einzelplan 12 und die
Bauinvestitionen sprechen. In diesem Bereich ist das,
was dieses Programm liefert, bahnbrechend. Über alles
andere kann man im Detail dann reden, wenn man die
entsprechenden Mehrheiten hat. Dabei begrüße ich Sie
dann gerne.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dieser
Bundeshaushalt zeigt - im Gegensatz zu dem, was Frau
Kollegin Winterstein hier gesagt hat -: Die Regierung
handelt. Der Bundesminister handelt. Die Staatssekretäre handeln. Die Regierungskoalition handelt.
({1})
Es gibt die beste Symbiose aus Investitionen, Innovationen und Nachhaltigkeit. Man kann in der Tat feststellen:
Der Haushalt ist gut, die Innovationen sind es ebenfalls.
Die Koalition steht. Heute ist ein guter Tag für Innovationen.
Danke.
({2})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothée Menzner
von der Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Der Einzelplan 12 sieht vor, für den Transrapid München in den
kommenden Jahren jeweils 100 Millionen Euro auszugeben. Nun ja, wir wissen alle, Minister Tiefensee versucht, den Ländern den Verkauf der Bahn schmackhaft
zu machen. Statt 550 Millionen Euro will er für das verkehrspolitisch aberwitzige Prestigeprojekt Transrapid
nun über 900 Millionen Euro verplempern. Eine solide
Bahnanbindung des Münchner Flughafens wäre aber für
Reisende und für die Region viel wichtiger.
({0})
Baden-Württemberg soll Stuttgart 21 erhalten, Thüringen den Thüringer-Wald-Tunnel einige Jahre früher. Allein diese drei Projekte kosten weit mehr, als der Verkauf
von Bahnaktien jemals einbringen könnte. Die Linke
lehnt diese Milliardenverschwendung ab. Deshalb stellen
wir heute den Antrag zur Streichung der Transrapidgelder.
({1})
Werte Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt
ist kein Selbstzweck, sondern eine Vorgabe, um Steuergelder sinnvoll einzusetzen. Trotzdem stand im Haushalt
nichts von dem, was angeblich so dringend nötig ist,
nämlich Sofortmaßnahmen im Gleisnetz der Bahn. Herr
Mehdorn und seine Vorstandskollegen werden nicht
müde, uns zu erläutern, dass sie dringend 300 Millionen
Euro extra brauchten.
Stattdessen regiert die Große Koalition scheinbar mit
dem Zauberstab. Ein Strauß dringend nötiger Verkehrsausgaben für Schiene und Straße wurde aus dem Hut
gezogen und - Simsalabim - dafür eine zusätzliche Milliarde bereitgestellt. Diese soll aus den geschätzten Steuermehreinnahmen fließen. Doch wir sind hier nicht bei
Harry Potter. Keiner von uns hat einen Zauberstab. Was
ist dann, wenn die Steuermehreinnahmen deutlich geringer ausfallen? Unter seriöser Haushaltsführung verstehe
ich etwas anderes, nämlich das, was wirklich notwendig
ist, auch solide zu finanzieren.
({2})
Kolleginnen und Kollegen, was wir brauchen, ist ein
klares Bekenntnis zum System Schiene, und zwar aus
ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen. Das
muss sich im Haushalt widerspiegeln, was aber leider
nicht zu erkennen ist.
Die aktuellen Spritpreise schaffen für viele Anreiz
und auch Notwendigkeit, auf öffentliche Verkehrsmittel
umzusteigen. An uns liegt es nun, die Voraussetzungen
dafür zu schaffen und attraktive Angebote realisieren zu
helfen.
Im Güterverkehr steht das Barometer schon länger
auf Sturm. Der Containerboom überrollt uns schon heute
sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße. In zehn
Jahren werden doppelt so viele Stahlkisten durch das
Land rollen, hoffentlich alle auf der Schiene. Aber dafür
müssen wir jetzt die Voraussetzungen schaffen. Längere
Züge wären eine schnell umzusetzende Maßnahme. Außerdem brauchen wir - es ist schon angesprochen worden - leisere Drehgestelle unter den Güterwaggons,
mehr Gleisanschlüsse für das produzierende Gewerbe
und mehr lokale Güterzentren. Das alles sind dringend
notwendige Gemeinschaftsaufgaben, die kein privater
Investor lösen wird.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Privatisierung der Autobahnraststätten und -tankstellen, die
ohne die Parkplätze privatisiert wurden. Die Firma Tank
& Rast schöpft jetzt die Erträge ab, und der Bund darf
zusehen, wie er die dringend notwendigen neuen LkwStellplätze finanziert. Kein Kaufmann würde solche Geschäfte machen.
Wer die bundeseigene Bahn den Renditevorgaben privater Investoren unterwirft, wird am Ende draufzahlen.
Die Bahn ist heute längst nicht so, wie wir es uns alle
wünschen. Nur wenn sie im öffentlichen Eigentum
bleibt, können wir bestimmen, in welche Richtung die
Reise geht, und dem Verfassungsauftrag gerecht werden.
({3})
Die Linke schlägt deshalb vor - da bitte ich um Ihre
Aufmerksamkeit -, erstens die DB Holding aufzulösen,
zweitens die Schenker-Logistik auszugliedern und, getrennt von der Bahn, in der globalisierten Logistikwelt
als sprudelnde Einnahmequelle beim Bund zu belassen
sowie drittens die übrigen Teile der Deutschen Bahn in
zwei - und zwar bundesunmittelbare - Unternehmen zusammenzufassen, in eines für Infrastruktur und in ein
weiteres für den rollenden Betrieb. Nichts von der Bahn
gehört in die Hände von privatem Kapital und seiner
Renditeinteressen.
({4})
Damit schließt sich der Kreis. Nicht in Einzelplan 12,
sondern in Einzelplan 60 steht, was die Bundesregierung
2008 an Erlösen aus Privatisierungen erwartet: mehr als
10 Milliarden Euro. Den Löwenanteil nach Einzelplan 60 sollen Erlöse aus der Kapitalprivatisierung der
Bahn bringen. Die aber ist - das erscheint nicht nur uns
so - fraglicher denn je. Damit werden beim Bund einige
Milliarden Euro an Einnahmen fehlen. 3 oder 4 oder
5 Milliarden Euro, die fehlen, sind kein Pappenstiel, sondern ein großes Haushaltsloch.
Dieser Haushalt ist löchrig wie ein Schweizer Käse.
Privatisierung oder Aktienverkauf würden diese Luftblasen allenfalls für ein Jahr füllen können. Danach ist das,
was Generationen von Steuerzahlern und Bahnern geschaffen haben, aber verschleudert. Demokratischer Einfluss auf die Gestaltung von Verkehr ist dann gleich mit
weg. Es geht um Verkehr, den sich jeder leisten können
muss, um Verkehr, der die Bedürfnisse der Menschen
und der produzierenden Betriebe aufgreift, um Verkehr,
der ökologisch sinnvoll ist.
Danke.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Bartholomäus Kalb
von der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Einzelplan 12 ist mit über 24 Milliarden
Euro nun einmal der Investitionsetat des Bundes. Wir
haben versucht - Kollege Dr. Frank Schmidt hat es
schon dargestellt -, die Investitionen weiter zu stärken,
und es ist uns auch gelungen. Ich werde darauf ebenfalls
eingehen. Wir mussten natürlich auch das Oberziel beachten, nämlich die Nettokreditaufnahme des Bundes
weiter zu senken. Wie in der Debatte heute Vormittag
dargestellt, wollen wir in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreichen.
Wir konnten die Investitionsquote etwas anheben.
Frau Kollegin Winterstein, ich gebe zu, dass eine Investitionsquote von 8,7 Prozent noch nicht das ist, was wir
erreichen wollen und müssen. Wir werden in den nächsten Jahren stetig daran arbeiten, dieses Ziel zu erreichen,
das heißt, die Investitionsquote zu erhöhen.
({0})
Die Verkehrsinfrastruktur ist nach wie vor einer der
ganz positiven Standortfaktoren der Bundesrepublik
Deutschland. Deswegen tragen wir hier eine ganz besondere Verantwortung. Auf der anderen Seite haben wir
angesichts der sich positiv entwickelnden Wirtschaft
feststellen müssen, dass die Verkehrsinfrastruktur mittlerweile auch in der Bundesrepublik Deutschland da und
dort zum begrenzenden Faktor wird. Deswegen haben
wir im Haushaltsausschuss gern alle Anstrengungen unternommen, um weitere Verstärkungen im Bereich der
Straßenbauinvestitionen vorzunehmen - Kollege Schmidt
hat es bereits dargestellt -, aber auch im Bereich der
Schienenwege, Stichwort Seehafenhinterlandverkehre
usw. Dies bezieht sich aber nicht nur auf Norddeutschland; es geht nämlich im Grunde genommen darum, alle
bekannten Engpässe auf den Schienenwegen möglichst
schnell zu beseitigen, um das Schienennetz insgesamt
leistungsfähiger zu machen.
({1})
Wir haben bereits im Haushaltsentwurf eine Verstärkung der Investitionen im Bereich Binnenwasserstraßen vorgefunden. Mit einer entsprechenden Personalentscheidung haben wir dafür gesorgt, dass die verfügbaren
Mittel in Anspruch genommen werden können. Wir
müssen gerade die Binnenwasserstraßen noch mehr nutzen. Ich hoffe, dass es gelingt, die Ideologie etwas beiseitezuschieben, damit im Hinblick auf die wichtigen
Wasserstraßen wie Elbe und Donau auch in Zukunft
tragfähige Entscheidungen getroffen werden können.
({2})
„Nicht in Beton, sondern in Bildung investieren“ war
aus meiner Sicht einer der dümmsten Sprüche, der je von
klugen Leuten gekommen ist;
({3})
denn die Verkehrsinfrastruktur - dazu kommen heute natürlich die modernen Daten- und Kommunikationsnetze ist die notwendige Voraussetzung für wirtschaftliche und
für regionale Entwicklung. Wir brauchen nur in die
neuen Bundesländer zu schauen, die sich wirtschaftlich
entwickeln mussten; erst mit der Infrastruktur kam dort
die Entwicklung. Die Verkehrsinfrastruktur ist auch die
Voraussetzung dafür, dass mehr in Bildung, Forschung
und soziale Absicherung investiert werden kann. Die
Bildung selbst erfordert natürlich auch Mobilität.
Ziel muss es sein, dass wir unsere Infrastrukturinvestitionen weiter verstetigen und verstärken, damit wir
Engpässe beseitigen und die Substanz erhalten können.
Wir müssen Substanzverzehr verhindern. Deswegen haben wir im Haushaltsausschuss, Herr Staatssekretär
Diller, über das Problem gesprochen, den Finanzplan insbesondere bei den Fernstraßeninvestitionen entsprechend
anzupassen und dabei darauf Rücksicht zu nehmen, dass
wir mittlerweile über Einnahmen aus der Lkw-Maut verfügen, die den Verkehrsinvestitionen zugeführt werden
sollen. Wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, die uns die
VIFG bietet, hier noch effizienter und flexibler zu werden.
Im Haushaltsausschuss haben wir ferner haushaltsrechtliche Vorkehrungen dafür getroffen, dass die Privatisierung der Bahn vorgenommen werden kann. Ich
hoffe, dass sie im Interesse des Unternehmens, des Bundes und des Verkehrs- und Logistikstandortes Bundesrepublik Deutschland gelingen wird.
Auch haben wir im Haushaltsausschuss gern nachvollzogen, was die Bundesregierung mit dem Freistaat
Bayern zum Thema Transrapid vereinbart hat. Damit
sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass
in Deutschland eine nationale Anwendungsstrecke gebaut werden kann, die wir dringend brauchen. Natürlich
braucht auch der Raum München dringend diese Strecke, weil dort zwei große Verkehrsdrehscheiben des Südens, der Flughafen München und der Hauptbahnhof
München, miteinander verbunden werden müssen. Der
Flughafen München hat keine Fernbahnanbindung; sie
ist, realistisch betrachtet, auch kaum herzustellen. Aber
es muss Verbindung zum Flughafen geben, und dafür
eignet sich der Transrapid in ganz besonderer Weise. Er
stellt die günstigste, attraktivste und umweltschonendste
Möglichkeit dar, um dieser Aufgabe nachzukommen.
({4})
- Wenn Sie in Rechnung stellen, dass Sie ein anderes
System ebenfalls laufend subventionieren müssen, ja.
Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass wir aus den
Kassen des Bundes 1,37 Milliarden Euro bereits in Forschung und Entwicklung investiert haben.
({5})
Es wäre doch töricht, diese Forschungsergebnisse ungenutzt anderen zu überlassen und nicht im eigenen Land
zur Anwendung zu bringen, zumal wir damit ein verkehrspolitisches Problem lösen können, ohne andere
Nahverkehrsmaßnahmen in Bayern zu verdrängen. Es
liegt ganz eindeutig im industriepolitischen, technologiepolitischen und wirtschaftspolitischen Interesse des
Standorts Bundesrepublik Deutschland, über eine nationale Anwendungsstrecke zu verfügen.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht
sollten wir gerade in dieser Frage ein bisschen mehr
nach Frankreich schauen. Mir fällt schon auf, dass es die
Franzosen verstehen, wichtige Technologiefelder zu besetzen, beginnend mit der Luft- und Raumfahrt über
Kernenergie und Kernfusion bis hin zur Bio- und Gentechnologie, weil sie eine ganz entschiedene Industrieund Technologiepolitik betreiben.
Da meine Redezeit leider abgelaufen ist, will ich zum
Schluss nur noch Ihnen, Herr Minister Tiefensee, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses für
die angenehme Zusammenarbeit während der Beratungen ganz herzlich danken. Einen ebenso herzlichen Dank
sage ich den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern
für den Einzelplan 12.
({7})
Das Wort hat der Kollege Winfried Hermann von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Heute findet die 7. Jahreskonferenz des Rates
für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung statt,
und während wir hier über Verkehrs- und Baupolitik
sprechen, hält die Bundeskanzlerin gerade erneut eine
große Rede zum Thema Klimaschutz und nachhaltige
Entwicklung.
({0})
- Danke für den Beifall.
Sie wird auf dieser Konferenz sagen, dass die Bundesregierung alles tut, um den Klimawandel zu bekämpfen, dass man bis zum Jahr 2020 auf jeden Fall ein
Minus von 40 Prozent bei Treibhausgasen erreichen
muss und ihre Regierung alles tun wird, um das tatsächlich zu schaffen. Dafür wird sie viel Beifall bekommen. Bei Ihnen bekommt sie ihn nicht, und das zeigt, dass bei
den Verkehrspolitikern das Thema eben nicht angekommen ist,
({1})
denn tatsächlich ist eigentlich dieser Haushalt der Kernhaushalt der Klimaschutzpolitik im Gebäude- wie im
Verkehrsbereich.
Was bedeutet ein Minus von 40 Prozent? Das sind
etwa 250 Millionen Tonnen CO2. Unsere Aufgabe ist es,
Maßnahmen zu ergreifen, die diese Reduktion erbringen.
Gut 100 Millionen Tonnen davon - Herr Minister, Sie
werden die Zahl bestätigen können - muss der Gebäudewärmebereich bis 2020 erbringen, und der Verkehrsbereich wird eine Verminderung um etwa 50 Millionen
Tonnen erbringen müssen.
Ich sage dies bewusst so, weil vorhin der Kollege
Schmidt von der SPD mit stolzer Brust verkündet hat:
Wir haben ein richtig tolles Erfolgsprogramm,
({2})
das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Dann haben Sie
ausgeführt, was dieses Programm bringt: 1 Million Tonnen CO2 weniger Jahr für Jahr. Schön, aber das ist verdammt wenig, und dies ist Ihre einzige Maßnahme, von
der Sie sagen können, dass sie 1 Million Tonnen weniger
bringe.
Wissen Sie, was das Schlimme ist? Diese 1 Million ist
gar nicht sicher; vielmehr bezieht sie sich auf das
Jahr 2006. Auf unsere Kleine Anfrage, in der wir nachfragten, wie die Situation in diesem Jahr ist und ob die
Mittel abgerufen werden, hat die Bundesregierung geantwortet, man habe festgestellt, dass bis zur Mitte des
Jahres im Vergleich zum Vorjahr nur die Hälfte der Mittel abgerufen wurde. Die Antwort lautete, das sei halt so,
weil im Jahr zuvor Investitionen vorgezogen worden
seien, womit Mehrwertsteuer gespart werden sollte, die
Leute also mehr gebaut und beantragt hätten. Faktisch ist
also Ihr Flagschiff des Klimaschutzes, die Reduktion um
1 Million Tonnen CO2, nicht einmal sicher; es könnte
diesmal auch nur die Hälfte sein. Angesichts dessen
frage ich mich: Was ist mit all den anderen Bereichen?
Kommen wir einmal zu anderen Feldern der Verkehrspolitik, beispielsweise zum Flugverkehr. Alle von
Ihnen wissen genau, dass wir hierbei Wachstumsraten
haben, die hinsichtlich des Klimaschutzes besorgniserregend sein müssen. Wo bleiben Ihre Maßnahmen, um in
diesem Bereich irgendetwas zu steuern, irgendetwas zu
reduzieren? Sie setzen darauf, dass in technischer Hinsicht irgendetwas kommt; wir hingegen haben Vorschläge gemacht. Man könnte zumindest an die Steuerbegünstigungen - Stichworte: Mehrwertsteuer für
innereuropäische Flüge und Kerosinsteuer, ein Skandal
der ungleichmäßigen Besteuerung - herangehen. Sie
machen nichts.
({3})
Sie haben aber auch keine Gegenvorschläge.
({4})
Kommen wir zum Bereich Pkw-Verkehr. Sie haben
mit großem Tamtam die kleine Maßnahme Tempolimit
abgelehnt, denn 2,5 Millionen Tonnen Reduzierung
seien ja nicht wirklich viel. Dann heißt die Gegenfrage:
Wo sind Ihre Maßnahmen, die 2, 3, 4 oder 5 Millionen
Tonnen CO2 einsparen? Es gibt keine; nicht in einem
einzigen Bereich haben Sie irgendetwas vorgelegt.
Bei der Kfz-Steuer könnte man sagen, deren Umstellung auf eine CO2-Steuer bringe etwas. Was liegt vor?
Ein Eckpunktepapier, in dem man nur erkennen kann,
dass es sich um eine lineare Besteuerung handelt. Wissen Sie, wenn Sie das so umsetzen, wie es bisher geplant
ist, wird es nicht wirklich eine Reduktion bringen, sondern nur eine Umstellung sein. Also gilt auch hier: Fehlanzeige.
({5})
Nehmen wir den dritten Bereich, die Bahninfrastruktur. Wir haben jetzt den Unterausschuss eingerichtet, und alle Fraktionen sind sich einig: Wir haben in den
vergangenen Jahren den Güterschienenverkehr vernachlässigt. Wir müssen dringend etwas tun; wir müssen da
nachlegen.
Sie haben im Ausschuss ein Programm zur Förderung des Hafenhinterlandverkehrs vorgelegt. Sie wollen 300 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen und
lassen das im Ausschuss beschließen, übrigens nebst
zahlreichen anderen Maßnahmen, zum Beispiel Erhöhung der Mittel für den kombinierten Verkehr. Ich
könnte Ihnen alle Zahlen vorlesen, die Sie im Verkehrsausschuss beschlossen haben. Jetzt kann man im Einzelnen feststellen, was im Rahmen der Haushaltsberatungen davon wirklich übrig geblieben ist. Von der
1 Milliarde Euro insgesamt sind gerade mal 350 Millionen Euro übrig geblieben.
({6})
Der Rest sind Verpflichtungsermächtigungen. Kollege
Barthle, wie Sie wissen, ist das aber keine Erhöhung für
das nächste Jahr, sondern das ist lediglich eine Zahlenspielerei; es steht nur fest, dass das kommt.
({7})
Es ist nicht wirklich mehr, sondern es ist ein Rechentrick, um uns vorzugaukeln, Sie würden in dem Bereich
insgesamt mehr ausgeben.
Tatsache ist: Beim Hafenhinterlandverkehr sind von
300 Millionen Euro plus nur 25 Millionen Euro plus
übrig geblieben. Das ist ein Witz. Damit haben Sie nicht
einmal ein Zehntel der Bauplanungskosten für „Stuttgart 21“ beieinander. Das ist eine lächerliche Summe,
die dem, was wir gemeinsam als Problem ausgemacht
haben, nicht annähernd gerecht wird.
({8})
Wer hier umsteuern will, der muss wirklich mehr tun;
der darf nicht nur Geld ausgeben, sondern muss sich
auch darum kümmern, dass die Rahmenbedingungen
stimmen. Zum Beispiel muss meines Erachtens die Situation bei der Maut dringend verändert werden. Man kann
nicht nur die Schwerlaster mit der Maut belegen. Man
kann die Maut nicht auf die Autobahnen beschränken.
Sie muss auch auf autobahnähnlichen Bundesstraßen erhoben werden.
Weil Sie von der SPD eben dagegengeschossen und
gesagt haben, das mit der Maut sei ein unvernünftiger
Vorschlag, weise ich darauf hin: Sie haben auf Ihrem
Parteitag selbst beschlossen, dass die Lkw-Maut erhöht
werden soll, weil das vernünftig sei. Hier wird es so dargestellt, als wäre das Unvernunft pur.
({9})
Ich muss zum Schluss kommen. - Gemessen an der
Herausforderung, dass man im Verkehrs- und Gebäudebereich ziemlich viel an CO2-Ausstoß reduzieren muss,
ist außerordentlich mager, was das Ministerium und
auch die Große Koalition vorgelegt haben. Es ist außerordentlich peinlich, wie Sie als Einziges kleine Projekte,
die man ganz gut finden kann, hochhalten, um vorzutäuschen, Sie würden wirklich etwas tun. Aber das, liebe
Kolleginnen und Kollegen, wird zum Klimaschutz nicht
reichen.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaas Hübner von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Menzner, Sie haben unter anderem
über solide Haushaltsführung gesprochen. Sie haben im
Haushaltsausschuss einen Finanzierungsvorschlag für
die von Ihnen beantragten Ausgaben in Höhe von
2,5 Milliarden Euro eingebracht. Die Mittel erwarten Sie
aus einem Schiedsgerichtsverfahren zur Maut. Wir kennen das Ergebnis noch gar nicht, und Sie setzen das sozusagen als echten Einnahmetitel an. Das ist das Gegenteil von solider Haushaltsführung. Sie verabschieden
sich damit aus dem Kreis derjenigen, die sich wirklich
bemühen, hier einen ordentlichen Haushalt vorzulegen.
({0})
Die wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen
Monaten brachte in vielen Bereichen Entspannung.
Bund, Länder und Kommunen freuten sich über steigende Steuereinnahmen, Beschäftigung suchende Menschen freuten sich über den Zuwachs an Arbeitsplätzen
und Unternehmer über die gut gefüllten Auftragsbücher.
Das ist sicherlich nicht nur, aber auch der Politik der
Großen Koalition geschuldet.
({1})
In jedem Fall aber ist es der Tatsache geschuldet, dass
wir eine funktionsfähige Infrastruktur haben. Ohne
eine funktionsfähige Infrastruktur ist eine gute Wirtschaftspolitik bzw. Industriepolitik nicht machbar. Darum ist der Etat, den wir gerade besprechen, nicht nur
der Verkehrsetat, sondern ein Etat mit einer ganz starken
wirtschaftlichen und industriepolitischen Bedeutung.
Wir tragen dem Rechnung.
({2})
Wir haben gesehen, dass es im Bereich der Logistik
zu Engpässen kommt. Wir hatten gerade den Streik der
GDL. Man möchte meinen, dass die Spediteure hierüber
erfreut gewesen wären; waren sie aber nicht. Sie haben
gesehen, dass sie gar nicht genügend Kapazitäten haben,
um all das abzudecken, was möglich gewesen wäre.
Wenige Zahlen zeigen den Ernst der Lage. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden im kombinierten
Verkehr fast 20 Prozent mehr Container bewegt als im
Vorjahr. Bereits heute haben wir im Hafenhinterlandverkehr die Prognosezahl für 2015 erreicht. Bis 2050
- so eine aktuelle Studie - wird sich die Güterverkehrslast in Deutschland mehr als verdoppeln. Darum bin ich
den Haushältern dieser Koalition ganz besonders dankbar, dass sie etwas getan haben, dass sie 255 Millionen
Euro sozusagen in die Hand genommen haben, um die
Seehafenhinterlandanbindung zu ertüchtigen. Denn das
ist die einzige Möglichkeit, den dort bestehenden Engpass zu beseitigen. Die Häfen können nicht mehr wachsen. Wir müssen daher einen schnelleren Durchlauf hinbekommen. Vielen Dank, dass die Haushälter der
Großen Koalition diese Mittel zur Verfügung gestellt haben! Das ist ein positives Signal für die deutsche Wirtschaft.
({3})
Damit wird deutlich: Verkehrspolitik ist und bleibt
der Schlüssel für wirtschaftliche Entwicklung. Für ausländische Investoren ist die Qualität der Infrastruktur der
wichtigste Faktor bei Standortentscheidungen. Für den
Handel und die produzierende Wirtschaft sind Verkehrswege schlichtweg Lebensadern. Dem tragen wir in unserem Verkehrsetat dadurch Rechnung, dass wir die Mittel
dort hinlenken, wo Engpässe vorhanden sind. Über
13,2 Milliarden Euro investieren wir im kommenden
Jahr. Wichtiger noch: Auch in den Folgejahren werden
wir dieses Investitionsniveau halten. Wir setzen damit
also den Schwerpunkt unserer Politik auf Investitionen,
auf Wachstum.
Wir haben diese guten Ansätze in der Bereinigungssitzung noch einmal um insgesamt 650 Millionen Euro
anheben können. Damit machen wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens klar, dass wir auf der einen
Seite durchaus die Nettokreditaufnahme gesenkt und auf
der anderen Seite dennoch die Investitionen gesteigert
haben. Das ist doch ein guter Ausweis von Parlamentarismus. Hiermit hat das Parlament bzw. die Große Koali13466
tion gezeigt, dass es sehr sorgfältig mit den Mitteln
umgeht, die richtigen Akzente setzt und einerseits Generationengerechtigkeit durch Schuldenreduzierung und
andererseits Investitionen in Zukunft und Wachstum
durch den Aufwuchs des Verkehrsetats verwirklicht.
({4})
Mindestens genauso wichtig ist aber die Vorsorge.
Wir wollen die Verkehrspolitik stärker zukunftsorientiert
ausrichten. Das Instrument dazu ist der Masterplan
Güterverkehr und Logistik. Das Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung arbeitet an einem
Meilenstein der Verkehrspolitik. Deshalb war es richtig,
die Mittel hierfür für das kommende Jahr um
600 000 Euro aufzustocken. Es kann nämlich nicht darum gehen, den Verkehr künftig durch Preis- und Lenkungsmaßnahmen zu bremsen; denn damit wird auch die
wirtschaftliche Entwicklung gebremst. Das Gegenteil ist
richtig: Wir müssen den Verkehr der Zukunft möglichst
effizient und flüssig organisieren. Nur wenn der Verkehr
fließt, kann die Wirtschaft wachsen. Wenn er steht, kann
sie es nicht.
({5})
Zum wirtschaftlichen Erfolg hat auch die Entwicklung in den neuen Bundesländern beigetragen. Sie wissen, dass der Minister sowie ich und andere immer wieder gefordert haben: Lasst uns das zielgenaueste
Instrument der Wirtschaftsförderung für die neuen Bundesländer, die sogenannten GA-Mittel, auf dem Niveau
dieses Jahres verstetigen. Ich bin sehr dankbar, dass der
Haushaltsausschuss eine Korrektur der ursprünglichen
Pläne des Wirtschaftsministers vorgenommen hat und
die Mittel um die 50 Millionen Euro, die gefehlt haben,
wieder aufgestockt hat. Damit haben wir jetzt eine gute
Plattform, weiterhin in den neuen Bundesländern ein
entsprechendes Wachstum zu generieren. Es gibt kein
Instrument, das zielgenauer sowie besser auf Investitionen und Arbeitsplätze ausgerichtet ist als die GA-Mittel.
Insofern: Herzlichen Dank! Hier haben wir etwas sehr
Gutes getan - nicht nur für die neuen Bundesländer, sondern auch für Deutschland insgesamt.
({6})
Dennoch möchte ich bei dieser Gelegenheit darauf
hinweisen, dass ein zweites wichtiges Instrument für die
neuen Bundesländer die Investitionszulage ist. Ich
möchte darum bitten, dass wir diese Investitionszulage
über das Jahr 2009 hinaus erhalten. Die Investoren brauchen Planungssicherheit. Sie müssen ihre Investitionen
auch langfristig planen können. Insofern hoffe ich, dass
das Haus sich durchringen wird, diese Mittel auch über
2009 hinaus zu verstetigen.
Insgesamt hat der Einzelplan 12 einen klaren roten
Faden. Für eine gute wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir eine gute Infrastruktur. Dafür brauchen wir Investitionen in die Zukunft. Dafür stehen wir mit diesem
Etat.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Patrick Döring von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich die Gelegenheit bekomme, auf den Bundesminister zu antworten, wie das
in den Debatten vorher üblich war. Aber mit seinen drei
Staatssekretären im Rücken zieht er es vor, am Ende der
Debatte zu reden. Das soll mir auch recht sein.
Herr Kollege Hübner, Sie haben eben erneut fälschlicherweise von einem Anstieg der Mittel im Einzelplan 12 gesprochen. Offenbar berauschen sich einige zu
sehr an dem Unterschied zwischen dem Entwurf und den
jetzt vorliegenden Zahlen.
({0})
Als jemand, der als Unternehmer tätig ist, möchte ich
mich mehr an den Istzahlen orientieren. Die Wahrheit
ist, dass der Einzelplan 12 in 2007 ein Volumen von
24,6 Milliarden Euro hat und in 2008 ein Volumen von
24,1 Milliarden Euro haben soll.
({1})
Damit sind die Mittel im Einzelplan 12 nicht gestiegen,
sondern gesunken. Wenn Sie behaupten, Herr Kollege
Schmidt, dass der Minister ein Gewinner der Etatberatungen sei, obwohl der Gesamthaushalt um insgesamt
5 Prozent ansteigt und dies einer der wenigen Einzelpläne - wahrscheinlich der einzige Einzelplan - ist, der
in diesem Umfang sinkt, dann ist das Hohn gegenüber
dem eigenen Minister und hat mit der politischen Wirklichkeit nichts zu tun.
({2})
- Ich kann sehr wohl rechnen, Herr Kollege; denn nur
darum geht es.
({3})
- Nein, es geht eben nicht nur um Investitionen, wie wir
an einigen Stellen deutlich gemacht haben; aber es geht
auch um Investitionen. Wir können also gerne über Investitionen sprechen.
Sprechen wir über die Entwicklung in den letzten Jahren. Der Kollege Hübner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wirtschaftliche Entwicklung nur erfolgreich
verlaufen kann, wenn wir gute Verkehrswege haben. Angesichts der Tatsache, dass in diesem Jahr die Wirtschaft
um 2,3 Prozent und der Güterverkehr auf der Straße um
8 Prozent wächst und dass für das nächste Jahr
2,4 Prozent Wirtschaftswachstum und ein Wachstum des
Güterverkehrs auf der Straße von mehr als 5 Prozent
prognostiziert werden, sind die Antworten, die Sie hier
geben, einfach zu mickrig. Sie machen deutlich, dass Sie
den Akzent in Ihrer Investitionspolitik nicht richtig setzen.
({4})
Ich will dafür ein Beispiel geben. Sie haben beim
Thema Schiene ebenfalls einen Aufwuchs vorgesehen.
Mit Blick auf die Hafenhinterlandanbindung ist das ja
auch völlig richtig. Insgesamt sind das über 3,6 Milliarden Euro. Dann gibt es eine Stelle im Haushalt, die - ich
habe es mir extra aufgeschrieben, um keinen Fehler zu
machen - „Überwachung und Bewertung … des Netzzustandes“ heißt. Über dieses Thema haben wir im Unterausschuss, aber auch im Verkehrsausschuss in den letzten Wochen intensiv diskutiert: dass der Deutsche
Bundestag, obwohl er jährlich mehr als 3,6 Milliarden
Euro in das System Schiene gibt, keinerlei Vorstellung
vom Zustand des Netzes hat. Dieser Titel ist mit 0 Euro
versehen. Das macht deutlich, dass Sie nicht begreifen,
an welcher Stelle die wirklichen verkehrspolitischen
Probleme existieren. Es sind zwar Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten beiden Jahre von 5 Millionen Euro zur Feststellung des Netzzustandes enthalten. Aber das zeigt mir: Sie, auch die Verkehrspolitiker
der Koalition, haben nicht verstanden, deutlich zu machen, dass wir einen eigenen Netzzustandsbericht brauchen, unabhängig von der DB AG.
({5})
- Das ist kein dummes Zeug; das beweisen die Zahlen.
Jetzt will ich noch einen Punkt aufgreifen, den Sie
beim Thema Straße erwähnt haben; denn es lohnt sich,
sich die Zahlen einmal im Detail anzuschauen. Es gibt
Aufwüchse bei den Investitionen, aber es gibt auch Verminderungen bei den einzelnen Titeln. Ich nehme einmal
den Titel „Erhaltungsmaßnahmen an Bundesautobahnen“. Gegenüber dem Entwurf ist da ein Aufwuchs zu
verzeichnen; das ist nicht streitig. Aber für Erhaltungsmaßnahmen an Bundesautobahnen werden 130 Millionen Euro weniger geplant als im Ist 2007. Das ist die
Wirklichkeit.
({6})
Das ist ein Umgang mit Substanz, den man in diesen
Zeiten einfach nicht durchgehen lassen darf.
Deshalb ist es einfach nicht vernünftig, die Zahl von
650 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre immer
wieder zu betonen, wenn man nicht akzeptieren will,
dass die Wirklichkeit im Jahr 2007 - die schon traurig
genug war - noch weiter unterboten bzw. nicht wesentlich überboten wird.
Ich stelle fest: Der Verkehrsminister - allein über die
Spitznamen des Herrn Tiefensee hätten wir hier sechs
Minuten lang debattieren können; der Herr Kollege
Kampeter, der jetzt nicht da ist, hat heute einen weiteren
hinzugefügt - ist mit diesem Etat, dem Kerninvestitionsetat dieses Haushaltes, garantiert nicht der Gewinner
dieser Haushaltsplanberatungen. Das ist auch ein Ausweis der politischen Bedeutung derjenigen, die an der
Spitze dieses Hauses stehen.
Wir lesen jeden Tag Meldungen in den Zeitungen
über neue Programme zur Verminderung von CO2 und
Feinstaub im Haushalt und an Gebäuden; zu Recht, wie
die FDP-Fraktion meint. Man kann über Einzelmaßnahmen streiten, aber die Grundrichtung ist richtig. Ich frage
mich nur: Ist der Bundesbauminister eigentlich Herr Minister Gabriel, oder ist der Bundesbauminister Herr Minister Tiefensee? Ich habe das Gefühl, dass wesentliche
Teile dessen, was eigentlich in diesem Etat beraten und
konzeptionell unterlegt werden müsste, im Bundesumweltministerium behandelt werden. Das zeigt mir, dass
zu den Gewinnern der Etatberatungen 2008 sicher nicht
dieses Ministerium gehört und sicher auch nicht der
Einzelplan 12.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Norbert Königshofen von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Natürlich denke ich an den
Bahnhof in Essen.
({0})
Ich finde, dass es eine Großtat bei diesen Haushaltsberatungen war, dass wir in den Erläuterungen die Bereitstellung von Mitteln für die Sanierung der Bahnhöfe von
Essen, Duisburg, Dortmund und Münster - aus dem Orbit gesehen ist ja alles dicht beisammen - bis 2010 aufgenommen haben. Ich darf mich auch im Namen der Essener noch einmal herzlich dafür bedanken.
Im Haushaltsplan 2008, den wir am kommenden
Freitag hier beschließen werden, sind 10,7 Milliaren Euro
Privatisierungserlöse vorgesehen. Das ist ein gewaltiger
Brocken. Das entspricht fast der Nettokreditaufnahme.
Ein Großteil dieser Privatisierungserlöse soll aus dem
Verkehrsbereich stammen. Über den Daumen gepeilt bezieht sich rund ein Drittel auf die Deutsche Bahn AG und
die DFS, die Deutsche Flugsicherung GmbH.
Bei Einbringung des Haushaltes im September habe
ich mich kritisch zum Gesetzentwurf zur Neuordnung
der Eisenbahnen geäußert.
({1})
Ich kann nur noch einmal sagen, dass ich ebenso wie
viele Kollegen, ich glaube sogar, wie die Mehrheit der
Kollegen hier im Haus, möchte, dass die Infrastruktur
der Eisenbahn zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes
bleibt. Das ist, glaube ich, nach wie vor über alle Fraktionsgrenzen hinweg Konsens.
({2})
Kollege Hermann, dem Bürger könnte man nicht erklären, warum wir beispielsweise 3,8 Milliarden Euro pro
Jahr in das Schienennetz stecken, wenn bei einem Überschuss - das Netz hat im Jahr 2006 100 Millionen Euro
Überschuss, Gewinn, wie man sagt, erwirtschaftet - das
Geld als Dividende an die neuen, privaten Miteigentümer
flösse. Das will sicherlich niemand hier.
({3})
Sicherlich will auch niemand, dass wir, falls wir das
Netz zurückkaufen müssten, 7,5 Milliarden Euro zahlen
müssten, nachdem wir vorher die Hälfte der DB AG für
nur 3 bis 4 Milliarden Euro verkauft haben. Das will niemand. Ich glaube, dass das mittlerweile Konsens ist. Inzwischen gibt es ja auch einen Beschluss des SPD-Bundesparteitages und damit eine neue Situation.
Sprechen wir über das sogenannte Steinbrück-Holdingmodell.
({4})
Ich sage, das ist ein vertretbarer Kompromiss. Mir wäre
- das sage ich deutlich - eine klare Trennung von staatlicher Infrastruktur und unternehmerischer Transportverantwortung lieber.
({5})
Man muss aber gemeinsam eine Lösung finden. Mit dem
Steinbrück-Modell, sofern es realisierbar ist, könnten
wir zweierlei erreichen: Einerseits bliebe das Eigentum
am Netz und an den Bahnhöfen zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes, und andererseits könnten die Transport- und Logistikbereiche teilkapitalprivatisiert werden.
Das bedeutet Einnahmen für den Bund und fresh money
für die DB AG.
Ich glaube, dass das die letzte Chance ist, die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Deswegen kann ich insbesondere die beiden tragenden Parteien
der Koalition nur bitten, diese Chance zu nutzen.
({6})
- Sie haben recht. So viel Zeit muss sein. Mit „beide
Parteien“ meinte ich natürlich die Unionsfraktion und
die SPD-Fraktion. Damit auch Sie von der FDP es mitbekommen: CDU und CSU bilden eine Einheit.
({7})
Längst überfällig ist ein neuer Vorschlag für die Weiterentwicklung der Deutschen Flugsicherung. Wir benötigen eine Rechts- und Strukturanpassung. Die EUVerordnungen zur Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Luftraumes, Single European Sky, bedeuten
eine radikale Abkehr von dem bislang fast ausschließlich
national orientierten und organisierten Flugsicherungsumfeld.
Wir haben dort eine Trennung regulativer und operativer Aufgaben. Ich glaube, dass wir, wenn wir das im
Auge haben, trotz des Parteitagsbeschlusses der SPD
eine Lösung finden können.
Die Harmonisierung der Strukturen, der Verfahren
und der eingesetzten Technik der europäischen Flugsicherungsanbieter ist geboten. Die Flugverkehrskontrolldienste sollen nicht mehr durch nationale Grenzen beschränkt sein, sondern sich an den europäischen
Verkehrsströmen orientieren. Wir bilden sogenannte
funktionale Luftraumblöcke. Alle zertifizierten Anbieter,
also auch die DFS, sollen überall dort tätig sein können,
wo es betrieblich und im Sinne einer besseren Verkehrsabwicklung vernünftig ist.
Die Ziele sind eine grenzenlose Steuerung von Verkehrsströmen, dadurch die Vermeidung von Umwegen
und, lieber Kollege Hermann, dadurch auch eine Begrenzung der Schadstoffemissionen, man spricht von einer CO2-Ersparnis in Höhe von 10 Prozent.
({8})
Nach geltendem Recht ist der DFS ein derartiges kooperatives und grenzüberschreitendes Engagement faktisch durch das Bundeshaushaltsrecht verwehrt. Deswegen muss dort etwas getan werden. In Deutschland sind
bereits heute neben der DFS verschiedene Flugsicherungsorganisationen tätig, so die österreichische Austro
Control und die schweizerische Skyguide.
Herr Kollege Königshofen, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner von den Linken?
Aber gerne. Immer.
Bitte schön.
Herr Kollege Königshofen, verstehe ich Sie richtig,
dass nicht nur das Bundeshaushaltsgesetz dem entgegensteht, sondern dass Sie auch darauf anspielen, dass für
eine Privatisierung der Flugsicherung eine Änderung des
Grundgesetzes notwendig wäre?
Sie sind außerordentlich eilig. Von einer Privatisierung habe ich noch nicht gesprochen. Es geht jetzt zunächst einmal darum, die DFS überhaupt in die Lage zu
versetzen, am europäischen Gestaltungsprozess teilzuhaben. Es geht zweitens darum - das wollte ich noch ausführen; das mache ich jetzt mit Ihrer Erlaubnis -,
({0})
den gesetzwidrigen Zustand, den wir im Augenblick haben, zu beenden. Es heißt ja, dass bei uns in Deutschland
nur in bundeseigener Verwaltung Flugsicherungsdienste
betrieben werden dürfen. Tatsächlich machen es aber die
Skyguide, Austro Control, die Dänen usw. Da müssen
wir Abhilfe schaffen. Die Privatisierung ist ein nächster
Schritt. Auf den komme ich dann in meinem letzten Absatz zu sprechen.
({1})
- Nein, das ist nicht arrogant. Ich wollte es nur erklären.
Ich verstehe mich mit Frau Menzner sehr gut.
({2})
- In vielen Dingen verstehe ich die Einwände. Ich verstehe auch manche Einwände der Grünen, auch wenn sie
immer an einem scheitern: Sie bringen das Geld, das
man dafür benötigt, nicht mit, obwohl von ihnen der
Satz stammt: Ohne Moos nix los.
({3})
Das geltende Verfassungsrecht deckt diesen Zustand
nicht. Grenzüberschreitende arbeitsteilige Zusammenarbeit ist aber gerade in grenznahen Lufträumen sinnvoll
und sachgerecht. Auch deswegen brauchen wir eine
Rechtsanpassung.
Herr Kollege Königshofen, Herr Beck würde auch
noch gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ach, wenn er eigens dafür gekommen ist, gerne.
Bitte schön. - Aber anschließend müssen Sie zum
Schluss kommen.
Ja, ich bin praktisch schon bei den letzten Sätzen,
Herr Präsident.
Sie haben gerade gesagt: Ohne Moos nix los. Die Mittel in diesem Haushaltstitel wurden ja, wie man hört, erhöht.
Welcher Haushaltstitel? Sagen Sie einmal die Nummer!
Es geht um den Einzelplan, der hier zur Diskussion
ansteht. Ich habe die Einzelpläne nicht auswendig gelernt. Wir sind beim Einzelplan 12, falls Sie die Übersicht verloren haben.
Nein, habe ich nicht! Da gibt es eine ganze Reihe von
Titeln! Sie haben recht!
Ich habe gehört, dass das zu Diskussionen in Ihrer
Fraktion geführt hat. Ich möchte gern wissen, ob die Information der Bild-Zeitung stimmt, dass der Kollege
Kampeter gesagt hat, man habe das erhöht, obwohl der
Minister eine Transuse sei. Es würde uns interessieren,
ob das der Diskussionsstand der Fraktion der CDU/CSU
ist.
Erstens will ich Ihnen sagen, Herr Beck, dass ich die
Bild-Zeitung nicht lese.
({0})
Zweitens weiß ich deshalb nicht, was heute in der
Bild-Zeitung steht.
Drittens kann ich mir gar nicht vorstellen, dass Herr
Kampeter so etwas sagt; ich denke, dass das aus dem Zusammenhang gegriffen ist.
({1})
Viertens. Gehen Sie davon aus, dass zwischen uns
und dem Herrn Minister kein Blatt passt.
({2})
Herr Präsident, darf ich noch einen Schlusssatz sagen?
Bitte, natürlich.
Wir erwarten eine Gesetzesinitiative der Regierung,
durch die der rechtswidrige Zustand innerhalb des deutschen Hoheitsgebietes beseitigt wird und die es der
Deutschen Flugsicherung ermöglicht, am Europäisierungsprozess teilzunehmen. Und, Frau Menzner: Wenn
es darüber hinaus gelingt, mit der SPD eine Teilkapitalprivatisierung zu beschließen, dann hätte sogar unser
Haushalt etwas davon. In diesem Sinne wünsche ich uns
weiterhin gute Beratungen.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Heidrun Bluhm von
der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Gäste! Wie die Haushalte der Länder und Kommunen ist auch der Haushalt des Bundes die in Zahlen
gegossene Politik der Regierung. Aus der Sicht meiner
Fraktion lässt sich festhalten, dass dieser Guss eine
Menge schadhafter Einschlüsse enthält.
Die Linke stellt fest: Der Haushalt 2008 enthält insgesamt zu wenige Investitionen. Selbst wenn der Nachtragshaushalt berücksichtigt wird, gibt die Bundesregierung weniger aus als 2007. Im Jahr 2007 waren es
26,5 Milliarden Euro, im Jahr 2008 sollen es nur noch
24,7 Milliarden Euro sein, und die Mittel, die für den
Einzelplan 12 veranschlagt sind, sind noch viel geringer;
darauf hat Herr Döring in seinen Ausführungen bereits
hingewiesen.
Lieber Herr Kollege Schmidt, auch die Linke hat sich
natürlich an den Haushaltsberatungen beteiligt.
({0})
Genau deshalb sagen wir: Bei den Verkehrsinvestitionen
werden 300 Millionen Euro mehr ausgegeben als 2007.
Es müsste aber mindestens 1 Milliarde Euro sein, Herr
Schmidt; hier ist Herrn Knipper vom Hauptverband der
Deutschen Bauindustrie voll und ganz zuzustimmen.
Denn die jetzige Anhebung reicht in der Tat nicht einmal
aus, um, wie Herr Knipper formulierte,
den realen Gehalt der Investitionslinie Verkehr auf
dem Vorjahresniveau zu erhalten.
Herr Knipper meint weiter, in der Bundesregierung
hätten sich die Verteilungspolitiker durchgesetzt. Und da
teile ich seine Meinung ausdrücklich nicht. Durchgesetzt
haben sich diejenigen, die von unten nach oben umverteilen wollen. Die zu niedrige Investitionssumme geht
auch auf zu niedrige Einnahmen zurück, die den längst
bekannten Steuergeschenken an Großunternehmen, an
Spitzenverdiener und große Vermögen geschuldet sind.
In der Folge der zu niedrigen Investitionssumme
kommt es gerade dort zu einer einschneidenden Kürzung, wo es um die infrastrukturelle Daseinsfürsorge
und um ökologische Verträglichkeit geht: beim Bahnverkehr, bei der Schiene. Von diesem Mangel ist vor allem
der Osten betroffen. In Thüringen zum Beispiel stehen
pro Kilometer Schiene in der Summe aller Fonds
301 Euro zur Verfügung, in Hessen hingegen sind es
720 Euro; das ist nachweisbar. So ist ein Streckennetz
nicht zu erhalten, und so ist schon gar nicht der Aufholprozess des Ostens gegenüber dem Westen zu organisieren.
({1})
- Die Zahlen sprechen für sich, Herr Beckmeyer.
({2})
Staatsnahe Monopolisten machen uns auch an anderer
Stelle das Leben schwer. Es ist beschämend, dass sich
die Bundesregierung auch da vorführen lässt. DaimlerChrysler und die Deutsche Telekom haben in Sachen
Autobahnmaut schlechte Arbeit geleistet; das wissen wir
alle. Das hat dem Staat Einnahmeverluste in Milliardenhöhe gebracht. Von Reue oder Wiedergutmachung ist bei
den Konzernen aber auch heute nichts zu hören.
({3})
Herr Hübner und Herr Schmidt, Sie beide haben darauf hingewiesen, dass wir an dieser Stelle
2,5 Milliarden Euro gefordert haben. Das sind die Gelder, die uns heute fehlen. Sie waren in der Kalkulation
angesetzt, sind aber nach wie vor nicht da.
({4})
Stattdessen gibt es Anzeichen dafür, dass die Verzögerung der Schiedsverfahren von Ihnen mitgetragen wird.
({5})
Es muss dem Parlament erlaubt sein, von der Bundesregierung zu fordern, zumindest diese beiden Unternehmen von allen staatlichen Förderungen auszuschließen.
Sehr geehrter Herr Minister, der Stadtumbauprozess
in den neuen Bundesländern rechtfertigt aufgrund des
Tempos des demografischen Wandels und aufgrund des
enormen Anpassungsdrucks auf den Wohnungsbestand
keine Kürzung der Fördermittel. Dennoch haben Sie, zumindest was den Osten des Landes betrifft, erneut eine
Kürzung der Mittel zugelassen. Deshalb haben wir an
dieser Stelle auch einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt.
Abriss, Rückbau und Wohnumfeldverbesserung sind
zudem wichtige Instrumente zur Schaffung bedarfsgerechten Wohnraums vor allem in den Städten, und das
nicht nur in Ostdeutschland. Immer wieder betonen wir,
die Erfahrungen Ost auch zu Erfahrungen West zu machen, und zwar ausdrücklich und namentlich. Warum
nutzt die Bundesregierung nicht endlich die Chance, ihre
Feiertagsreden über die deutsche Einheit einmal mit
ganz konkreten Beispielen der Technologie- und Erfahrungstransfers von Ost nach West zu untersetzen? Das
würde den Bürgerinnen und Bürgern im Westen des Landes auch einmal das Gefühl vermitteln, in den Genuss
der Erfolge im Osten zu kommen.
Meine Damen und Herren, wir haben aber auch ein
Trostpflaster für Sie gefunden. Ohne Frage ist das CO2Gebäudesanierungsprogramm ein sinnvolles Projekt
des Bundes, eine Erfolgsstory, wie unser Minister immer
zu sagen pflegt. Es verbinden sich mit der Umsetzung
dieses Programms klima- und umweltpolitische Ziele
zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in Deutschland und
zum sparsamen Umgang mit Energieressourcen. Wir sehen ebenso die Potenziale für die deutsche Bauwirtschaft
und das Handwerk und die Beschäftigungseffekte durch
ein solches Programm.
Wir haben angesichts zum Teil drastisch gestiegener
und weiter steigender Energiepreise aber auch die Erwartung, dass die Belastungen durch Heizkosten insbesondere für jene Mieterinnen und Mieter mit kleineren
Einkommen sinken. Gerade sie wohnen in preiswertem,
meist kaum oder schlecht saniertem Wohnraum. Das vor
allem stellen wir heute auch im Westen der Republik
fest.
Wir fordern deshalb mit unserem Änderungsantrag
eine weitere Aufstockung der Zuschüsse für Investitionen im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms
und verbinden damit die Forderung, Heizungssysteme
auf Basis regenerativer Energieträger und Blockheizkraftwerke zu fördern.
Abschließend bleibt zu sagen, dass dem Verkehrsund Bauhaushalt insgesamt der besondere Charakter
nachhaltiger, sozial ausgewogener Politik fehlt. Deshalb
wird meine Fraktion ihn ablehnen.
Danke schön.
({6})
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Wolfgang
Tiefensee.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 12 ist ein guter Einzelplan. Wir haben einen hervorragenden Haushalt, einen Haushalt für
die Zukunft. Ich möchte mich sehr herzlich bedanken bei
den Haushältern, insbesondere bei den Berichterstattern,
und dafür, dass wir in den letzten Wochen und Tagen
noch eine zusätzliche Verstärkung erfahren haben. Herzlichen Dank dafür! Ein Dank auch an meine Mitarbeiterschaft, die so hervorragend mitgearbeitet hat.
Dass ich in der Rednerfolge ein wenig später dran bin,
gibt mir endlich einmal Gelegenheit, auf dieses oder jenes zu reagieren.
({0})
Als Erstes freue ich mich, dass Sie, Herr Königshofen
- für mich einigermaßen überraschend, aber immerhin
doch -, gesagt haben, zwischen uns beide passe kein
Blatt Papier. So viel Lob von Ihrer Seite - ganz prima.
Vielen herzlichen Dank!
({1})
Schwieriger ist es mit dem, was ich insbesondere aus
der FDP und von der Linken zu diesem Haushalt gehört
habe. Ich gestatte mir, ein paar Dinge gerade zu rücken.
Frau Winterstein, Herr Döring, wie kann man hier
ernsthaft behaupten, dieser Haushalt sei allein deshalb
schlecht, weil er in der Summe sinkt, obwohl die Investitionen steigen? Was ist das für eine Darstellung? Endlich ein Haushalt, der Bürokratie abbaut, der bei der Verwaltung den Gürtel enger schnallt und mehr
Investitionen tätigt - und das soll kein Beleg dafür sein,
ob ein Minister erfolgreich ist oder nicht? Ich kann nur
sagen: Es ist ein Erfolg, mit weniger Personal und weniger Konsumtion mehr investive Leistungen hinzubekommen.
({2})
Wie kann man in diesem Hause sagen, es habe keinen
Aufwuchs gegeben? Wir beraten den Haushalt 2008 und
nicht den Haushalt 2011. Im Jahre 2008 legen wir für die
drei Verkehrsträger 9,4 bis 9,5 Milliarden Euro in die
Waagschale. Wie viel hatten wir 2007? Da waren es
8,9 Milliarden. Deshalb muss man sich hier hinstellen
und sagen: Das ist ein Aufwuchs, der sich sehen lassen
kann. Er ist gut, und wir haben ihn aushandeln können,
obwohl wir konsolidieren müssen.
({3})
Das Gleiche gilt in Richtung der Linken. Ich kann
überhaupt nicht verstehen, wie man zum Beispiel die
Verkehrsprojekte Deutsche Einheit 8.1 und 8.2 in einem
Atemzug mit möglichen Einsparungen nennt. Was ist
das für eine Ostpolitik? Warum formulieren Sie in Ihrem
Antrag nicht, dass Sie auf die Finanzierung der A 14 von
Magdeburg nach Schwerin verzichten wollen? Sagen Sie
in der Öffentlichkeit, dass das Ihre Unterstützung für die
Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des Aufbaus Ost
ist.
Wir machen das anders, und die Regierungskoalition
will auf diesem Wege weiter fortfahren.
({4})
Es ist Zeit nach einem halben Jahr, Bilanz zu ziehen.
Den Meckerern und Nörglern, die das am Haus oder sogar an Namen festmachen, sei gesagt: Die Erfolgsbilanz
ist da, ob sie in der Zeitung steht oder nicht. Wir haben
den Masterplan „Güterverkehr und Logistik“ auf den
Weg gebracht, damit wir Strategie betreiben. Wir haben
ein nationales Stadtentwicklungsprogramm und die
Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt niedergeschrieben, damit wir auch dort Strategie betreiben.
Wir haben im letzten Monat den Jahresbericht zum
Stand der deutschen Einheit vorgestellt, in dem wir die
strategischen Linien für den Aufbau Ost beschreiben.
Dahinter stehen Einzelmaßnahmen, die sich sehen lassen
können, auch auf europäischer Ebene. „Galileo“ ist angesprochen worden. Das ist auf gutem Wege,
({5})
allein weil wir dadurch für die deutsche Industrie die
Aufträge sichern, die sie braucht, damit die Technologieentwicklung auch in Deutschland weiter zusammen mit
Europa geschehen kann.
({6})
- Ich bin froh um eine Zwischenfrage, damit sich die Redezeit, die knapp bemessen ist, etwas verlängert. Vielen
Dank.
Bitte schön, Kollege Hermann, stellen Sie die Zwischenfrage.
Vielen Dank, Herr Minister. Es freut mich, dass Sie
sich freuen. Sie haben jetzt über Infrastruktur gesprochen und darüber, was alles erreicht wurde. Nun ist Ihr
Ministerium auch für andere Fragen zuständig, zum Beispiel für Fragen des Umweltschutzes im Verkehr. Heute
geht ja der Skandal mit den nicht funktionierenden Dieselrußfiltern durch die Medien, und die Vorwürfe sind
groß, dass die Regierung nicht rechtzeitig davor gewarnt
hat.
Mir stellt sich die Frage: Wann war Ihr Haus, wann
waren Sie mit der Sache befasst? Schließlich sind diese
Filter vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt worden.
Jetzt ist für die nicht funktionierenden Filter die Genehmigung entzogen worden. Doch mittlerweile sind etwa
40 000 nicht funktionierende Dieselrußfilter verkauft
worden. Die Leute haben Geld ausgegeben, die Leute
haben Geld bekommen von der Regierung; aber sie haben jetzt einen nicht funktionierenden Katalysator. Sie
haben sogar die grüne Plakette bekommen, die sie dazu
berechtigt, in die Umweltzone hineinzufahren. Das ist
ein Skandal ersten Ranges. Da stellt sich mir schon die
Frage, warum Sie dazu nichts sagen, obwohl das gerade
in aller Munde ist.
Vielen Dank für die Frage; sie gibt mir Gelegenheit,
auf den konkreten Fall einzugehen und ganz nebenbei
die CO2-Politik im Verkehr anzusprechen.
Der Skandal ist, dass solche Filter produziert und eingebaut wurden. Der Skandal liegt bei denjenigen, die
solche Filter in Verkehr bringen.
({0})
Unser Haus hat sofort reagiert, zusammen mit dem Umweltministerium, als wir im August von diesem Skandal
gehört haben. Wir sind dabei - das ist sicherlich auch in
Ihrem Interesse -, für diejenigen, die geschädigt worden
sind - das gilt sowohl für die Kfz-Besitzer als auch für
die Werkstätten -, eine gute Lösung zu finden. In unserem Interesse ist es, dass Dieselrußfilter eingebaut werden, weil wir die Belastung mit Feinstäuben minimieren
müssen. Wir arbeiten unter der Federführung meines
Kollegen Gabriel intensiv daran, das fortzusetzen.
Das ist im Übrigen nicht die einzige Maßnahme, die
wir im Sinne der Minimierung des CO2-Ausstoßes ergreifen wollen. Wir wollen im Luftverkehr - auch das ist
eine strategische Maßnahme - die Landeentgelte emissionsabhängig machen, abhängig vom CO2-Ausstoß
bzw. vom Schadstoffausstoß. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass der Luftverkehr in den Emissionshandel einbezogen wird. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass mit
Single European Sky - das ist von Herrn Kollegen
Königshofen angesprochen worden - Warteschleifen
verhindert werden. Wir wollen uns dafür einsetzen - Sie
haben es angesprochen -, dass eine Kerosinsteuer eingeführt wird; das müssen wir allerdings europaweit machen. Wir wollen uns dafür einsetzen, die Kfz-Steuer
nach dem CO2-Ausstoß zu staffeln. Wir wollen uns dafür
einsetzen, einen Kfz-Klimapass einzuführen. Das sind
alles Maßnahmen im Verkehrsbereich, die dazu führen
werden, dass wir den Ausstoß von CO2, Stickoxiden,
Kohlenmonoxid und Feinstäuben verringern.
({1})
Lassen Sie mich neben dem Verkehrssektor und neben dem Projekt „Galileo“, das ich angesprochen habe,
kurz mit Stichworten benennen, was wir geschafft haben: Wir haben große Bauprojekte, die lange nicht vorangekommen sind, endlich in trockenen Tüchern: Die
Finanzierung der Fehmarnbelt-Brücke ist geklärt, die Finanzierung von Stuttgart 21 ist geklärt. Stuttgart 21 gehört, wie Sie wissen, Frau Menzner und Frau Bluhm, zu
einer europäischen Transversale, nämlich zum transeuropäischen Netz Nr. 17 - einem Projekt, das von immenser Bedeutung ist, um die neuen EU-Mitgliedstaaten,
zum Beispiel Ungarn, anzuschließen.
({2})
Im Stadtbereich gilt das Gleiche. Wir haben neben unserem nationalen Stadtentwicklungskonzept dafür Sorge
getragen, dass die Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm - ein wichtiges Instrument, um Klimaverbesserungen zu schaffen - weiter verstetigt werden.
Wir haben uns darum gekümmert, dass das Projekt „Soziale Stadt“ zur Beseitigung von Disparitäten zwischen
den Stadtteilen auf hohem Niveau fortgeschrieben wird.
Wir haben uns auch darum gekümmert, dass Pilotprojekte für den familien- und den altersgerechten Bau von
Wohnungen und Stadtquartieren in Gang gesetzt werden.
Das alles ist für die städtische Entwicklung wichtig.
({3})
- Herr Präsident, lassen Sie mich noch eine Zwischenfrage beantworten?
Das ist jetzt aber die letzte Zwischenfrage, weil das
kein Dialog sein soll; vielmehr sollen hier Reden vorgetragen werden. - Bitte schön.
({0})
Herr Minister, Sie sprachen gerade die FehmarnbeltQuerung an. Als unmittelbar betroffener schleswig-holsteinischer Bundestagsabgeordneter habe ich dazu eine
Nachfrage.
Sie sagten, dass die Finanzierung der FehmarnbeltQuerung jetzt in trockenen Tüchern ist. Tatsächlich
wurde in der letzten Woche ja verkündet, dass die Europäische Union über die TEN-Mittel 350 Millionen Euro
zur Verfügung stellen will.
({0})
Nun wurde im Vorfeld aber immer gesagt, dass für die
Fehmarnbelt-Querung 1,5 Milliarden Euro beantragt werden. Können Sie mir sagen, wo der Rest der Summe herkommen soll? Haben Sie mit der Europäischen Union
für die nächste Periode ab 2013 schon verabredet, dass
dann die restlichen 1,15 Milliarden Euro kommen?
Das kann ich Ihnen gerne beantworten. Es gibt eine
klare Schnittlinie zwischen dem, wofür Deutschland, und
dem, wofür Dänemark verantwortlich zeichnet. Diese
Schnittlinie ist der erste Pfeiler der Fehmarnbelt-Querungsbrücke auf deutschem Gebiet.
Die TEN-Gelder sind für die Brücke, die den Fehmarnbelt überspannt, und die Hinterlandanbindung in Dänemark beantragt. Diese Angelegenheit hat mit Deutschland
nichts zu tun. Wir haben das so klug und so gut verhandelt,
dass die Fehmarnbelt-Querung mit relativ geringen TENZuschüssen gebaut wird - verbürgt durch das dänische
Königreich - und dass die Hinterlandanbindung von Dänemark erstellt wird. Auf deutscher Seite führen wir die
sowieso nötigen Maßnahmen durch, nämlich die Verbreiterung der Straße von zwei auf drei Spuren und die Elektrifizierung einer eingleisigen Eisenbahnstrecke, die ohnehin notwendig ist, wenn man bedenkt, dass jetzt von der
Elektrolok auf die Diesellok umgespannt werden muss,
was selbst dann ein unhaltbarer Zustand gewesen wäre,
wenn weiterhin Fährverkehr betrieben worden wäre.
Das ist eine ganz wunderbare Einigung. Das Geld,
das außerhalb der TEN-Finanzierung aufgebracht werden muss, nämlich etwa 4 Milliarden Euro für die Brücke und die dänische Hinterlandanbindung, wenn ich das
richtig im Kopf habe, muss von der dänischen Regierung, vom dänischen Volk, zur Verfügung gestellt bzw.
über die Mauteinnahmen, die auf dieser Brücke und der
Hinterlandanbindung anfallen, refinanziert werden. Ich
meine, das ist eine gute Lösung für unseren Haushalt
und für dieses Projekt.
({0})
Ganz zum Schluss darf ich auch noch einmal auf den
Aufbau Ost zu sprechen kommen. Die Gemeinschaftsaufgabe und deren Verstetigung ist ein großer Wurf. Er
hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren Tausende von Arbeitsplätzen neu entstanden und stabilisiert
worden sind. Wir kämpfen darum, dass die Dauer der Investitionszulage verlängert wird, und es bestehen gute
Aussichten, dass das gelingt.
Wir reden immer über Milliardenbeträge, aber wir haben auch solch kleine Programme wie „Wirtschaft trifft
Wissenschaft“ aufgestockt und mit 6 Millionen Euro
verstetigt, und wir haben der Helmholtz-Gemeinschaft
45 Millionen Euro mehr gegeben, damit sie in den neuen
Bundesländern investieren kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Verkehrsbereich, im Städtebau und im Baubereich haben
wir, genauso wie beim Aufbau Ost, die strategischen Linien gelegt. Wir wissen, was wir wirtschaftlich, ökologisch und in Bezug auf die Lebensqualität und die sozialen Standards tun müssen. In den ersten zwei Jahren
dieser Legislaturperiode ist Immenses geleistet worden,
was es vielleicht nicht auf die Titelseiten schafft, für die
einzelnen Menschen und Regionen aber trotzdem von
eminenter Bedeutung ist. Wir haben es nicht dabei belassen, sondern ganz konkrete Projekte in Gang gesetzt, auf
die wir stolz sein können.
Dieser Einzelplan 12 ist eine hervorragende Grundlage für das Jahr 2008.
Ich will nicht verhehlen: Sollte es im Jahre 2009 wiederum einen Aufwuchs über das hinaus geben, was wir
bereits jetzt im Soll 2008 stehen haben, sollte also 2009,
2010 ein deutlicher Aufwuchs stattfinden, sehr verehrte
Haushälter, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, dann ist das Geld in unserem Haus und im Einzelplan 12 sehr gut angelegt.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Anton Hofreiter
von Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Auch die Bundeskanzlerin hat inzwischen
eingesehen, dass der Klimawandel ein reales Problem
ist. Wir haben das bereits vor 20 Jahren erkannt und
freuen uns, dass die beiden großen Fraktionen inzwischen diese Erkenntnis nachvollzogen haben. Wir wären
dankbar, wenn es bei den weiteren Erkenntnissen nicht
wieder 20 Jahre dauern würde, bis Sie sie nachvollziehen.
({0})
Herr Bundesminister, wenn man sich Ihren Haushalt
betrachtet, dann könnte man denken, wir leben in diesem
Land in interessanten Parallelgesellschaften. Auf der einen Seite gibt es eine Debatte über den Klimawandel
und auf der anderen Seite einen Verkehrshaushalt, der
das nicht im Geringsten abbildet. Sie loben sich hier dafür, dass Sie viel Geld, Milliarden, für Investitionen ausgeben; die Rede war von 9,4 Milliarden Euro für Verkehrswege. Man muss sich natürlich fragen, ob das Geld
verkehrlich und volkswirtschaftlich sinnvoll angelegt
wird. Bringen diese Investitionen etwas für den Klimaschutz, oder betoniert man nur den falschen Weg weiter
fort?
({1})
Schauen wir uns einmal den Straßenbau an! Dort
werden für mehrere Milliarden Euro Neubau- und Ausbaumaßnahmen vorgenommen. Jetzt könnte man sagen:
Wunderbar, das ist ja wenigstens verkehrlich sinnvoll.
Aber fragen Sie doch einmal bei den Speditionen nach,
ob es dort verkehrlich sinnvoll ist, wo die teuersten Projekte stattfinden. Nein, die finden dort statt, wo am lautesten geschrien wird, wo man glaubt, politisch etwas
holen zu können, und nicht dort, wo es verkehrlich sinnvoll ist.
({2})
Wenn man sich anschaut, nach welchen Prioritäten diese
Projekte ausgewählt werden, dann stellt man fest, dass
im Straßenbauplan Projekte mit einem Nutzen-KostenFaktor - von Ihrem eigenen Ministerium ausgerechnet von drei in den vordringlichen Bedarf aufgenommen
wurden und Projekte mit einem Nutzen-Kosten-Faktor
von 27 überhaupt nicht im Straßenbauplan enthalten
sind, sondern in den weiteren Bedarf verschoben sind.
Ist es verkehrlich sinnvoll, dass man die sinnvollen Projekte nach hinten schiebt und die unsinnigen Projekte
vorzieht? Lesen Sie doch in Ihren eigenen Plänen nach!
({3})
Was den demografischen Wandel und den Unterhaltungsrückstand von 25 Milliarden Euro angeht, wird es
noch spannender, was dieses Ministerium macht.
Herr Kollege Hofreiter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?
Ja, sehr gerne.
Bitte schön, Herr Kalb.
Herr Kollege, jetzt bin ich richtig neugierig geworden. Ich würde gerne wissen, welche konkreten Projekte
Sie nennen können, die einen Kosten-Nutzen-Faktor von
eins zu 27 haben.
({0})
Das sind unterschiedliche Projekte im Ausbaubereich.
({0})
Ein Projekt mit einem Nutzen-Kosten-Faktor von eins zu
27 ist, glaube ich, ein Ausbauprojekt an der A 6. Dann
haben wir noch Projekte im weiteren Bedarf mit einem
Nutzen-Kosten-Faktor von 20 und 30. Wir haben das alles in einer schönen Liste zusammengestellt, die ich Ihnen gerne überlassen kann. Es sind fünf, sechs Projekte
mit einem solch hohen Faktor zwischen 20 und 27, die
alle im weiteren Bedarf sind. Wenn Sie es nicht glauben,
dann kann ich es Ihnen schriftlich geben. Sie können die
PRINS-Daten nachlesen. Das ist alles nachprüfbar. Es ist
schade, dass Sie das anscheinend nicht wissen.
({1})
In Ihrem Haushalt finden wir weitere unsinnige Projekte. 925 Millionen Euro sind für den Transrapid veranschlagt, und das vor dem Hintergrund, dass die EU
sagt: Wir haben bereits 20 Zugsicherungssysteme, sechs
verschiedene Stromspannungen, vier Spurbreiten. Sie führen ein weiteres inkompatibles Projekt für 925 Millionen
Euro durch. Das ist letztendlich sinnlos und nichts anderes als Geldverschwendung.
({2})
Wir haben einen Alternativhaushalt vorgelegt. Danach widmen wir im Straßenbaubereich 500 Millionen
Euro für den Neubau zu Mitteln für Unterhaltsmaßnahmen um. Der Straßenbauansatz sinkt auch bei uns nicht
signifikant; das geben wir zu. Aber wir sehen den hohen
Unterhaltsbedarf und geben entsprechend Geld aus. Sie
hingegen verschieben alles immer weiter in die Zukunft,
lassen Brücken verfallen und Autobahnen weitgehend
verkommen. Sie wollen ständig neu bauen, was in klimapolitischer Hinsicht negativ ist.
({3})
Unser Haushalt berücksichtigt auch Vorschläge für
die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans. Dafür
stellen wir 30 Millionen Euro ein, unter anderem für eine
Fahrradakademie. Ich gebe zu, dass das nicht sehr viel
Geld ist. Aber in diesem Bereich könnte man auch mit
wenig Geld sehr viel erreichen. Aber nicht einmal dazu
reicht es bei Ihnen.
({4})
Innovative Ideen wie ein bundeseinheitliches ÖPNV-Ticket - hier wollen wir 5 Millionen Euro in die Hand nehmen, um das durchzusetzen - würden den Fahrgästen
sehr viel nutzen. Aber auch hier: Fehlanzeige bei Ihnen.
Ihr Haushalt ist ein schönes Beispiel dafür, dass Sie
zwar vom Klimaschutz reden, dass es sich aber, wenn es
darauf ankommt, ihn mit harten Zahlen zu unterlegen,
um eine Nullstelle handelt.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Hofbauer von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Die Bedeutung des Einzelplans 12 ist
heute bereits hinreichend unterstrichen und dargelegt
worden. Der Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur ist
von entscheidender Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Er sichert und schafft Arbeitsplätze.
Deswegen müssen wir die Verkehrsinfrastruktur stärken
und weiter ausbauen.
Wir alle haben mitgeholfen, dass die Investitionen im
Einzelplan 12 gestärkt werden. Sehr geehrter Herr Kollege Döring, es ist richtig, dass wir Verkehrspolitiker
noch mehr wollten; darüber müssen wir nicht diskutieren. Wir haben aber im Zusammenwirken mit Herrn Minister Tiefensee einiges erreicht. Bereits im Haushaltsansatz sind 400 Millionen Euro zusätzlich gegeben worden.
Nun haben wir dankenswerterweise 350 Millionen Euro
zusätzlich bekommen, genauso wie 305 Millionen Euro
als VE-Mittel. Natürlich ist das nicht ausreichend. Ich
habe bereits zugegeben, dass wir Verkehrspolitiker wesentlich mehr wollten. Aber wir sind auf einem guten
Weg, unheimlich viel zu erreichen. Das sollte man betonen.
({0})
Der Verkehrshaushalt, der Einzelplan 12, ist einer der
wenigen Haushalte, die deutlich aufgestockt wurden.
Das sollten wir nicht vergessen.
({1})
Der Bau von Straßen, insbesondere von Umgehungsstraßen, um Stau abzubauen und die Menschen zu schützen, trägt ganz entscheidend zur Minderung des CO2Ausstoßes bei. Dadurch erreichen wir einiges.
({2})
- Herr Kollege Hermann, das CO2-Programm, das ein
großer Erfolg ist, lassen wir uns von den Grünen nicht
kleinreden.
({3})
- Das CO2-Programm hilft den Menschen, spart Energie
ein und trägt vor allen Dingen dazu bei, dass im mittelständischen Bereich Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden. Deshalb ist dieses Programm ein großartiger
Erfolg. Das will ich hier deutlich unterstreichen.
({4})
Ich möchte im Bereich Wohnungsbau noch einen
Punkt ansprechen, und zwar die Programme zur Stadtsanierung und zum Stadtumbau. Ich möchte das ergänzen, was Sie, Herr Minister, gesagt haben. Ich stelle fest,
dass gerade in kleinen Kommunen ganze Netzwerke entstehen, dass die Menschen aufeinander zugehen und versuchen, das Programm umzusetzen, dass eine Bewegung
von unten entstanden ist. Die Programme sind so wertvoll, weil sie vor Ort ankommen und dort einiges bewegen. Wir können stolz darauf sein, was die Bundespolitik
in den Gemeinden umsetzt.
({5})
Natürlich haben wir noch einiges zu tun; der Minister
hat es angesprochen. Wir haben einige Schwierigkeiten.
Wir brauchen insgesamt für die Verkehrsinfrastruktur
mehr Geld. Schauen Sie sich den zusätzlichen Verkehr
an, der allein im Rahmen der EU-Osterweiterung entstanden ist. Wenn Europa zusammenwachsen und wirtschaftlich eine Einheit werden soll, dann brauchen wir
optimale Verkehrsverbindungen. In den letzten zehn Jahren gab es beispielsweise am Grenzübergang Waidhaus
eine Zunahme des Güterverkehrs von 300 000 auf
2,1 Millionen. Das kann man mit dem jetzigen Straßennetz nicht bewältigen. Wir brauchen hier eine gewaltige
Zunahme.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Es
handelt sich zwar um ein kleineres Thema, aber wir
müssen auch das Thema „Parkplätze entlang der Bundesautobahnen und an Bundesstraßen“ angehen. Wir haben die Lenk- und Ruhezeiten eingeführt. Das war eine
Maßnahme zur Verkehrssicherheit. Aber die Situation
auf den Parkplätzen und um die Parkplätze herum ist unerträglich geworden.
({6})
Wir sind dem Ministerium daher sehr dankbar, dass eine
Bestandsaufnahme gemacht und Initiative ergriffen
wird. Es geht nämlich nicht an, dass wir Lenk- und Ruhezeiten einführen, die Lkw aber keine Parkplätze mehr
finden und zum Teil auf den Autobahnen und Nebenstrecken stehen müssen.
({7})
Wir werden auch das Thema Lärmschutz weiter verfolgen. Hier geht es um Akzeptanz, hier geht es um das
Zusammenwirken der Menschen mit den Anliegern.
Ich möchte noch eine Bemerkung zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, zur sogenannten VIFG, machen. Wir, die Koalitionsfraktionen, sind
dabei, diese Einrichtung zu stärken. Wir brauchen neue
Wege in der Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur.
Wir brauchen neue Möglichkeiten, damit wir flexibler
werden. Wir müssen in längeren Zeiträumen denken und
handeln, nicht nur in Haushaltsjahren. Ich glaube, das ist
von entscheidender Bedeutung.
({8})
Meine letzte Bemerkung darf ich in drei Punkten zusammenfassen: Wir brauchen eine angemessene finan13476
zielle Ausstattung für die Verkehrsinfrastruktur, wir
müssen die erfolgreichen CO2-Programme fortsetzen,
und wir müssen die VIFG stärken, um die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zukunftsfähig zu gestalten.
Herzlichen Dank.
({9})
Für die SPD-Fraktion hat nun Kollege Uwe
Beckmeyer das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Debatte verfolgt hat, stellt man fest,
dass - möglicherweise auch funktionsbedingt - Opposition und Koalition hier unterschiedliche Wahrnehmungen zum Ausdruck bringen. Nur, an Fakten kommt man
nicht vorbei. Die Fakten sind, so glaube ich, das Entscheidende,
({0})
gerade wenn man sich zur Verkehrsinfrastruktur äußert.
Herr Döring, es kann nicht angehen, dass Ihr Fraktionsvorsitzender heute Morgen und gestern - durch
Presseverlautbarungen vorbereitend - ankündigt: „Wir
als FDP haben das große Sparbuch mit allem Drum und
Dran“
({1})
und Sie in die Bütt gehen und genau das Gegenteil erzählen. Morgen werden wir wieder erfahren, dass Ihre
Fachkollegen in anderen Haushaltsbereichen keine Einsparungen, sondern Mehrausgaben fordern. Das genau
ist die Spreizung, die Sie hier ständig vorführen. Auf der
einen Seite gaukelt die FDP dem deutschen Volk vor, sie
sei die Sparpartei, und auf der anderen Seite fordert sie
vom Minister und von den Fachkollegen zusätzliche Investitionen, um Politikgestaltung aus ihrer Sicht vornehmen zu können.
({2})
Das ist unaufrichtig.
Ich denke, in ähnlicher Form gilt das auch für die
Linkspartei, die in dieser Frage ein sehr diffuses Bild abgibt. Auf der einen Seite sagt sie, der Osten sei zu
schlecht weggekommen. Auf der anderen Seite lehnt sie
Verkehrsinfrastrukturprojekte im Osten dezidiert ab. Dabei nimmt sie nicht zur Kenntnis, dass wir gerade in den
vergangenen 15 Jahren in großem Maße Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in den ostdeutschen Ländern durchgeführt haben. Wir haben neue Bundesstraßen, neue Autobahnen und neue Eisenbahnverbindungen geschaffen.
Die Infrastruktur ist da, und sie ist - Gott sei Dank - neu.
Das ist wichtig für die Mobilität von Gütern und von
Menschen.
({3})
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat hier
schon zum Ausdruck gebracht, dass wir mit diesem
Haushalt eine besondere Aufgabe für Deutschland wahrnehmen. Ich will das, was ich bei der ersten Lesung des
Haushaltsentwurfs gesagt habe, nicht wiederholen, sondern es nur noch einmal auf den Punkt bringen: Im
Grunde ist dieser Ressorthaushalt der konjunkturstimulierende Bereich, mit dem Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze in Deutschland überhaupt erst ermöglicht
werden.
Wenn der Blutkreislauf, die Mobilität in Deutschland
zusammenbricht - wir sehen es aktuell daran, wie wichtig die Frage ist, ob bei der Bahn gestreikt wird oder
nicht -, dann haben wir die größten Probleme, was die
Ökonomie und die Aufrechterhaltung von wirtschaftlichen Strukturen angeht. Insofern darf die Bedeutung
dieses Bereichs für den Standort Deutschland nicht
kleingeredet werden. Wir sind Motor für das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Wir sorgen für Beschäftigung. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten
eine Verdoppelung der Güterverkehrsleistungen zu vergegenwärtigen haben. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Es ist auch unsinnig, wenn gesagt wird - wie es hier
geschehen ist -, dass wir nur neu bauen, Herr Hofreiter.
Mehr als 50 Prozent der Straßenbaumittel werden für
Unterhaltung und Sanierung eingesetzt. Das ist es
doch, was wir momentan in überwiegendem Maße tun.
({4})
Wenn Sie über deutsche Autobahnen fahren, werden Sie
feststellen, dass schon sehr viele Baukolonnen unterwegs sind, die Brücken reparieren, Strecken erneuern
und dafür sorgen, dass das, was da ist, künftig in einem
guten Zustand ist.
Zum Klima. Herr Hermann, natürlich haben wir auch
die Klimafolgen zu beachten. Auch der Verkehr muss für
den Klimaschutz einen wichtigen Beitrag leisten. Aber
ich fordere Sie auf: Leisten Sie ihn mit uns gemeinsam!
({5})
Der Kollege Königshofen hat vorhin etwas sehr Bedenkenswertes ausgeführt, als er darüber sprach, was aktuell
im Luftverkehr passiert. Die Strecke von Frankfurt nach
Madrid ist, wenn Sie die reine Luftlinie nehmen,
1 100 Kilometer lang. Die Flugzeuge der Lufthansa oder
anderer Gesellschaften fliegen aber 1 500 Kilometer. Mit
jedem Flug fliegen sie rund 400 Kilometer mehr. Wenn
man diese Umwege abschaffen will, braucht man in Europa einen funktionalen Luftraumblock, in dem es nicht
nationale Flugsicherungen gibt, die auch noch Sicherheitsprobleme mit sich bringen. Auf diese Art und Weise
- hören Sie zu ({6})
könnten pro Jahr 11 Millionen Tonnen CO2 eingespart
werden. Das ist ein Fünftel dessen, was wir im Verkehrsbereich insgesamt einsparen müssen.
({7})
Ich bitte Sie, in dieser Frage nicht blind zu sein und
nur einseitige Forderungen zu stellen, sondern uns auch
bei dieser Angelegenheit zu unterstützen,
({8})
damit wir in dieser Frage gemeinschaftlich vorgehen. Es
geht hier nicht um Teilprivatisierung. Es geht um Funktionalitäten, es geht ums Sparen. Es geht um die Minderung von CO2-Emissionen und darum, dass wir grundgesetzlich unhaltbare Zustände beseitigen. Wenn ich höre
und lese, dass wir circa 20 - im Grunde illegale - Luftraumzuständigkeiten in Deutschland haben, die mit dem
Grundgesetz nicht übereinstimmen, dann muss ich mich
doch fragen, ob da irgendetwas falsch läuft.
({9})
Das bedeutet, dass wir in dieser Frage in Deutschland
Handlungsbedarf haben.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Wir müssen
zusätzlich zu dem, was ich eben ausgeführt habe, dafür
sorgen - der Haushalt des Bundesverkehrsministers ist
dementsprechend ausgestaltet -, dass die Akzeptanz der
Verkehrsinfrastruktur seitens der Bevölkerung erhöht
wird, und zwar durch Lärmschutz, Minderung der CO2Emissionen, Staubminderung und durch all das, was damit zusammenhängt. Ich glaube, wir sind auf diesem
Wege gut vorangekommen. Die Investitionen, die wir
zum Zwecke der Minderung des Lärms an Schienen und
Straßen getätigt haben, können sich sehen lassen. Ich
denke, da müssen wir weiterarbeiten.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({10})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Kollege Arnold
Vaatz das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube, der Einzelplan 12 ist keiner der
schlechtesten. Wir haben meines Erachtens eine gute Basis für die Arbeit im Jahre 2008 gelegt. Ich halte es auch
für wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir bei den wichtigsten Förderprogrammen tatsächlich Kontinuität erreicht haben. Das ist etwas, worauf wir stolz sein können.
Allerdings hätten wir uns insbesondere für den Verkehrsbereich noch etwas mehr Mittel gewünscht. Wie jeder weiß, sollten die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ ursprünglich etwas schneller durchgeführt werden.
Insbesondere die Strecke Berlin-Prag sowie die
Ost-West-Strecke Leipzig-Dresden-Breslau sind für uns
sehr wichtige Erschließungsadern. Wir haben ein großes
Interesse daran, dass sie schnellstmöglich fertiggestellt
werden. 913 Millionen Euro für diesen Bereich, das ist
eine durchaus beachtliche Summe, für die wir dankbar
sein können.
Frau Bluhm hat auf den leichten Rückgang der Mittel
im Rahmen des Wohnraumförderprogramms hingewiesen. Frau Bluhm, das, was Sie da festgestellt haben, ist
sicher nicht ganz falsch. Dies aber aus Ihrem Munde zu
hören, ist eine Unverschämtheit. Ich will Ihnen erklären,
warum: Sie waren ausweislich des Bundestagshandbuchs seit 1977 Mitglied der SED. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit - das habe ich Ihnen vor 15 Jahren vorgeworfen, das habe ich Ihnen vor zehn Jahren
vorgeworfen, das werfe ich Ihnen heute vor, und das
werde ich Ihnen auch in zehn Jahren noch vorwerfen -:
Hätte Ihre Partei nicht ein katastrophales Fehlplanungsprogramm des gesamten Wohnungsbaus hingelegt, hätten wir das heutige Problem, den Stadtumbau in Ostdeutschland, gar nicht.
({0})
Hätten Sie das Eigentum geachtet, hätten Sie nicht zentralistisch geplant, hätten Sie nicht am Bedarf vorbeigebaut, hätten wir in jedem Jahr mindestens eine halbe
Milliarde Euro sparen können. Das ist die Realität.
({1})
Blicken Sie einmal zurück auf die Zeit bis zum Jahre
1990! Dann stellen Sie fest, wie viele Mittel für soziale
Wohltaten Sie den Ostdeutschen nur durch das, was Sie
zu DDR-Zeiten verbockt haben, entzogen haben.
Herr Kollege Vaatz, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Menzner von der Linksfraktion?
Wird mir das auf meine Redezeit angerechnet?
Nein. Sie kennen doch die Regeln. - Frau Menzner,
bitte.
Herr Kollege Vaatz, teilen Sie mit mir die Auffassung, dass die wirtschaftliche Entwicklung und die Abwanderungsbewegung in den letzten 17 Jahren auch
Gründe für den Stadtumbau Ost sind? Dieser Stadtumbau hat beileibe nicht nur mit eventuellen Fehlentwicklungen in früheren Jahren zu tun, die es, ganz nebenbei
gesagt, auch in den alten Bundesländern gab.
Frau Kollegin, diese Auffassung teile ich. Ich weise
aber ausdrücklich darauf hin, dass der Hauptgrund für
die Abwanderungen in den letzten Jahren die infrastrukturellen und die gesellschaftlichen Differenzen sind,
({0})
die in 40 Jahren in Ostdeutschland entstanden sind.
Auch dafür tragen Sie die Verantwortung.
({1})
- Eine weitere Zwischenfrage gestatte ich nicht, weil ich
mir nicht vorstellen kann, dass die nach unten offene
Richterskala eine weitere Steigerung zulässt.
Meine Damen und Herren, wir dürfen den Einzelplan 12 nicht isoliert betrachten. Auch in einer Reihe anderer wichtiger Einzelpläne, die wir ebenfalls noch beschließen werden, sind große Teile des Aufbaus Ost versteckt. Wir können die Qualität des Einzelplans 12 in
Bezug auf den Aufbau Ost nur dann richtig beurteilen,
wenn wir erkennen, wie er mit anderen Einzelplänen
korrespondiert. So ist es im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums gelungen, die geplante Kürzung der GAMittel um 50 Millionen Euro rückgängig zu machen und
damit die Mittel auf dem Niveau des vorigen Jahres zu
verstetigen. Das haben wir uns vorher fast selbst nicht
zugetraut; deshalb kann man hier von einer großen
schwarz-roten Leistung reden. Insofern ist in dem roten
Faden, von dem Sie gesprochen haben, Herr Kollege
Hübner, auch noch ein schwarzer Faden enthalten. Das
ist also eine gute Gemeinschaftsleistung gewesen.
({2})
Es gibt aber auch noch Investitionsförderleistungen
allein für Ostdeutschland von über 120 Millionen Euro
und im Bildungs- und Forschungsministerium ein Ausbildungsplatzsonderprogramm für Ostdeutschland in
Höhe von 71 Millionen Euro. Ferner gibt es eine regionenorientierte Innovationsförderung in Höhe von 52 Millionen Euro, die ebenfalls hundertprozentig nach Ostdeutschland fließt.
Nicht vergessen dürfen wir etwas, was viel zu wenig
erwähnt wird: Allen Treuhandnachfolgefinanzierungsnotwendigkeiten wird bis heute Jahr für Jahr treu und
brav nachgekommen. Dies macht im Haushalt des Finanzministeriums insgesamt immerhin 280 Millionen
Euro aus. Dafür, dass dies möglich ist, sind wir ebenfalls
sehr dankbar; denn dies hält sehr viele Menschen in Arbeit und verändert die Regionen in Ostdeutschland zum
Positiven.
Des Weiteren ist es gelungen, beim Bundeskulturminister einen Nachtragshaushalt für Ostdeutschland zu erreichen, wofür insbesondere dem Kulturausschuss zu
danken ist. Die Zuteilung für die Klassik-Stiftung
Weimar kann im nächsten Jahr mit 45 Millionen Euro
beginnen, und für die Stiftung Preußische Schlösser und
Gärten sind insgesamt 77,5 Millionen Euro vorgesehen.
Wichtig ist auch, dass der für den Aufbau Ost zuständige Bundesverkehrsminister deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er für eine Verlängerung der Frist für die
I-Zulage bis zum Jahr 2009 kämpfen wird. Dies sollte
unser gemeinsames Anliegen sein; denn es ist ein sehr
wichtiges Instrument zur Revitalisierung unserer Wirtschaftsinfrastruktur in Ostdeutschland.
({3})
All dies kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen,
dass in Ostdeutschland noch eine ganze Reihe struktureller Probleme gelöst werden müssen. Dies nehmen wir mit
diesem Haushalt in Angriff. Hartz IV greift; die Arbeitslosigkeit bewegt sich langsam, aber stetig und unübersehbar zurück. Auf der anderen Seite werden hochqualifizierte Arbeitskräfte in Ostdeutschland rar. Deshalb
sind hier sehr viel Fantasie und Tatkraft gefragt. Deshalb
wird es auch sehr darauf ankommen, mit welcher Qualität
das Ausbildungsplatzsonderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung umgesetzt werden
wird.
Die Länder sind in der korrekten Verwendung von
Solidarpaktmitteln - auch dies sollte hier einmal deutlich
gesagt werden - beträchtlich vorangekommen. Sie sind
besser als in den Vorjahren, was Anerkennung verdient
und letztlich auf unseren Druck zurückzuführen ist. Die
Steuerdeckungsquote hat sich nach jahrelanger Stagnation bei 45 Prozent zum ersten Mal über die 50-ProzentMarke bewegt, aber das ist noch lange nicht genug. Wir
bleiben dabei, dass der Solidarpakt im Jahre 2019 auslaufen wird. Wenn bis dahin das Ganze im Osten funktionieren soll, dann brauchen wir einen Aufwuchs der
Steuerdeckungsquote um mindestens 15 Prozent. Dafür
müssen wir alle Anstrengungen unternehmen.
Außerdem ist es notwendig, dass wir auf die demografische Entwicklung in Ostdeutschland angemessen
reagieren. Hier kann ich nur an die Länder appellieren,
frühzeitig entsprechende Strukturen zu schaffen, sodass
nicht die demografische Entwicklung neue finanzielle
Engpässe und Bürden für die Länder schafft, auf die sie
nicht vorbereitet sind. An dieser Stelle ist es meines Erachtens sehr wichtig, die Dinge, die auf uns zukommen,
frühzeitig anzugehen.
Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass wir einige
Wachstumskerne etablieren konnten. Allerdings reicht
es nicht aus, solche Kerne in Ostdeutschland zu etablieren; wir müssen sie auch konkurrenzfähig halten. In der
gegenwärtigen Situation behindern uns die europäischen
Beihilferegelungen, die ursprünglich dafür bestimmt waren, Konkurrenzverzerrungen innerhalb Europas einzudämmen, jetzt, da wir weltweit konkurrieren, zum Beispiel mit Amerikanern und Japanern. An dieser Stelle
muss etwas geschehen, damit wir unsere Standorte erhalten können.
Zum Schluss habe ich noch die dringliche Bitte an
Sie, Herr Verkehrsminister, den Korridor von Rostock
bis nach Prag doch noch in die TEN-Anmeldung 2008
einzufügen. Kombinieren Sie das mit EFRE-Mitteln, so
wie Sie das bei den Streckenabschnitten 8.1 und 8.2 getan haben! Dann sind wir uns beide einig. Das wäre ein
großer Erfolg für uns alle.
Vielen Dank.
({4})
Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Heidrun
Bluhm das Wort.
Herr Kollege Vaatz, anhand Ihrer Aussprache stelle
ich fest, dass Sie auch aus den neuen Bundesländern
kommen müssten.
({0})
Deshalb frage ich Sie hier, wo Sie in der Zeit bis 1990
gewohnt haben.
Es ist richtig, wenn Sie feststellen, dass ich seit 1977
Mitglied der SED war. Ich bin heute in der Linken, weil
ich kein Wendehals werden wollte.
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die DDR permanent unter Wohnungsnot gelitten hat, und zwar bis zur
Wende - daher auch meine Frage, wo Sie sich in der Zeit
aufgehalten haben -; denn erst der XII. Parteitag 1990
sollte das Wohnungsproblem als soziales Problem in der
DDR lösen. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis,
({1})
dass der Überschuss an Wohnraum erst nach der Wende
entstanden ist,
({2})
und zwar im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch
der Wirtschaft in Ostdeutschland, spätestens Ende der
90er-Jahre, 1998, 1999 und 2000. Auch weil zudem der
demografische Wandel zugeschlagen hat, müssen wir
feststellen, dass der Wohnungsüberschuss heute nicht
mehr nur ein Phänomen der ostdeutschen Länder ist, sondern mittlerweile längst auch ein Phänomen der westdeutschen Bundesländer geworden ist. Deshalb habe ich
meine Ausführungen in diesem Zusammenhang so gemacht, wie ich sie tätigte. Ich wollte hier nur die Geschichte geraderücken, damit Sie mit Ihren laxen Bemerkungen nicht so durchkommen.
Danke schön.
({3})
Kollege Vaatz, Sie haben die Möglichkeit zur Reaktion.
Frau Kollegin Bluhm, Sie haben gefragt, woher ich
komme. In der Tat - Sie haben meine Aussprache richtig
geortet -, ich bin in Thüringen geboren und wohne in
Sachsen.
Meine Wohnsituation, auf die Sie hier abheben, gestaltete sich so, dass ich bis zu meiner Inhaftierung im
Jahr 1982 mit meiner Frau und einem Kind in der Futterküche eines Bauernhofes gewohnt habe. Nach meiner Inhaftierung wurde mir mit meiner Familie - inzwischen
hatte ich zwei Kinder - eine Wohnung außerhalb des Dorfes zugewiesen, die während unserer Anwesenheit - zwölf
Jahre haben wir dort gewohnt - nach und nach zerfallen
ist und am Ende bis zur Decke mit Schimmel und Pilz bedeckt war, weil es unten leider nicht trocken war. Sie ist
jetzt nach langer Zeit endlich ordentlich renoviert worden; allerdings wohnen wir nicht mehr dort. Dieses ganze
Martyrium hat ungefähr 16 Jahre lang gedauert.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor,
über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7295? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken und
der Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7296? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit Stimmen von CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken bei
Stimmenthaltung der Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7297? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor abgelehnt.
Wer stimmt nun für den Einzelplan 12 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Einzelplan 12 ist mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.7 auf:
Einzelplan 10
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- Drucksachen 16/6410, 16/6423 Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Schirmbeck
Ernst Bahr ({0})
Roland Claus
Zum Einzelplan 10 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der FDP vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor,
über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung
abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kollegen Hans-Michael Goldmann, FDP-Fraktion.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen im Liberalen Sparbuch will die FDP die äußerst günstige Einnahmesituation des Bundes nutzen, um schon jetzt einen
schuldenfreien Haushalt zu erreichen.
({0})
- Kollege Kelber, auch Sie können sicherlich durch Zuhören schlauer werden.
({1})
Der Kollege Beckmeyer hat das eben schon durcheinandergebracht. - Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn der
Haushalt des Bundes 2008 insgesamt 283 Milliarden
Euro umfasst und wir Einsparungen im Umfang von
12 Milliarden Euro vorschlagen, dann ist das genau der
Beitrag, der dazu führt, dass schon dieser Haushalt wesentlich solider finanziert ist, als Sie das im Moment und
möglicherweise auch zukünftig vorhaben.
({2})
Wir schlagen diese Einsparungen nicht zum Schaden
wichtiger Weichenstellungen vor, sondern mit der notwendigen Gewichtung, um den Haushalt für den Ernährungsbereich, den landwirtschaftlichen Bereich und den
Verbraucherschutz insgesamt qualitativ zu steigern. So
fordern wir beim Verbraucherschutz zusätzliches Geld,
damit die Bürgerinnen und Bürger sich informieren und
qualifizierte Marktentscheidungen treffen können.
Ihre Haushaltsansätze, Herr Minister Seehofer, sind
zum Teil kurzatmig - wie bei der Sicherung bzw. Nichtsicherung der agrarsozialen Sicherungssysteme -, sie
sind zum Teil auch Augenwischerei. So haben Sie darauf
hingewiesen, dass 10 Millionen Euro eingesetzt werden
sollen, um die Breitbandverkabelung im ländlichen
Raum voranzubringen. Allein im Landkreis Emsland, in
dem ich zu Hause bin, kostet diese Verkabelung
30 Millionen Euro.
({3})
Das ist noch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen
Stein. Das sind Dinge, die uns meiner Meinung nach in
diesem Bereich nicht weiterhelfen.
Lassen Sie mich die Gelegenheit heute ein Stück weit
zu einer generellen Halbzeitbilanz nutzen. Die Große
Koalition ist mit dem Versprechen angetreten, große Lösungen herbeizuführen. Leider ist das Gegenteil der Fall.
({4})
Aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung von Sozialdemokraten und CDU/CSU müssen Sie sich immer auf
den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, was sehr
schmerzhaft ist für den einen oder anderen aus den Reihen der CDU/CSU. Sie sind eine Koalition der Zerstrittenheit. Diese Zerstrittenheit - bei allen positiven Entwicklungen, die es im Agrarbereich durchaus gibt schlägt durch und führt zu Verunsicherung. Vertrauen in
Ihre Politik im Agrarbereich, insbesondere im Verbraucherschutz, kommt nicht zustande. Die Menschen sind
verunsichert. Es gibt keine guten Weichenstellungen in
diesem Bereich.
({5})
Das ist sicherlich auch für Sie relativ einfach nachzuvollziehen. Schauen Sie sich einmal Ihren Standpunkt
zum sogenannten Health-Check zur Halbzeitbewertung
an. Der eine Teil von Ihnen möchte eine Deckelung der
Ausgleichszahlungen. Der andere Teil sagt: Auf keinen
Fall eine Deckelung! Der eine Teil sagt: Die Modulationsmittel müssen angehoben werden. Der andere Teil
sagt: Die Modulationsmittel dürfen auf keinen Fall zum
Schaden der Landwirtschaft angehoben werden. Der
eine Teil möchte mehr Geld für den ländlichen Raum,
und der andere Teil sagt: Wir brauchen Planungssicherheit; das haben wir den Bauern versprochen.
Oder nehmen Sie Ihre Position zur Milchmarktreform. Der eine Teil schreit: Wie furchtbar, die Milchpreise steigen. Der andere Teil sagt: Was machen wir
denn jetzt eigentlich mit der Milchmarktreform? Gehen
wir dieses Thema an, oder lassen wir es weiter schleifen? - Die gleiche Situation besteht bei Ihren Positionen
zur Gentechnik, zu den Biokraftstoffen und dem Pflanzenschutzgesetz. Vor kurzem hatten Sie sogar die Idee,
am Montag um 10 Uhr eine Sondersitzung abzuhalten.
Kurz nach 10 Uhr wird diese Sondersitzung dann wieder
abgesagt. Sie bekommen die Dinge nicht voreinander.
Nehmen Sie das Thema Nährwertkennzeichnung.
Herr Seehofer sagt: auf keinen Fall eine Ampel! Einige
aus den sozialdemokratischen Reihen sagen: Wir brauchen auf jeden Fall die Ampel. Herr Seehofer sagt: Es
soll eine freiwillige Kennzeichnung geben. Andere sagen: So weit kommt das noch, jeder Hersteller muss
kennzeichnen.
({6})
Diese Dinge sind sehr strittig bei Ihnen; das ist völlig
klar. Sie haben es vorhin wieder deutlich gemacht: Sie
keilen sich zum Teil wie die Kesselflicker und glauben
dann, dass draußen im Land eine saubere Botschaft
überkommt. Das alles brauchen wir nicht.
({7})
Herr Minister Seehofer, ich glaube, Sie wissen, dass
ich Sie schätze.
({8})
- Warum nicht? - Sie machen aber fachliche Dinge, von
denen ich zum Teil schon erschüttert bin; ich habe das
eben zum Ausdruck gebracht. Darüber sollten Sie wirklich nachdenken. Wenn zum Beispiel der Stern sagt, dass
Sie ein Minister im Aussitzstreik sind, und wenn dann
die Bild-Zeitung bei allen Peinlichkeiten, die sie zum
Teil aus Ihrem privaten Bereich transportiert, im Ministervergleich bei Ihnen mit dem Daumen nach unten
zeigt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass Sie im Grunde
genommen in der Verbraucherpolitik sowie im Bereich
des wirtschaftsbezogenen und des rechtlichen Verbraucherschutzes total abgetaucht sind.
Wenn wir darüber diskutieren, wie wir verhindern,
dass Spielzeug, das in China hergestellt worden ist und
zum Schaden der Kinder ist, unter dem Weihnachtsbaum
landet, dann sind Sie nicht dabei. Wenn wir darüber diskutieren, wie wir es hinbekommen, dass gute und
schlechte Kredite nicht willkürlich zum Nachteil der
Kreditnehmer, der Mittelständler, weiterveräußert werden, dann sind Sie nicht dabei. Sie werden Ihren Ansprüchen, die im Koalitionsvertrag stehen - „Die Position
der Verbraucher stärken“, „Lebensmittelsicherheit hat
Priorität“ -, nicht gerecht. Das ist sehr bedauerlich.
({9})
Lassen Sie mich als Letztes ein aktuelles Beispiel ansprechen: das Thema Weinmarktreform. Wenn die Reform der Weinmarktordnung auf europäischer Ebene
nicht deutlich verbessert wird, dann werden Sie Ihren
Ansprüchen, die in Ihrer Aussage: „Wir brauchen ein
Reinheitsgebot für Wein“, zum Ausdruck kommen und
die hoffentlich dazu beitragen, dass es der Weinwirtschaft in Deutschland dauerhaft gut geht, nicht gerecht.
({10})
Zerstrittenheit schafft kein Vertrauen. Liebe Parteifreunde von der Großen Koalition, werden Sie sich erst
einmal einig und machen Sie dann eine gute Politik! Die
Agrarwirtschaft, die Ernährungswirtschaft und der Verbraucherschutz werden es Ihnen danken.
({11})
Ich erteile das Wort Kollegen Georg Schirmbeck,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn
Minister Seehofer und seinen Mitarbeitern aus dem
Ministerium sowie bei den Mitarbeitern aus dem Rechnungshof für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken. Ich darf mich auch ganz herzlich für die Zusammenarbeit mit dem Kollegen Bahr bedanken.
Kollege Goldmann hat von Zerstrittenheit gesprochen. Wir haben bei den Beratungen nachgewiesen, dass
man uns zwar alles vorwerfen kann, aber gerade dies
nicht. Dazu stehen wir auch.
({0})
Heute habe ich gelernt: Wir haben in dieser Woche
zwar Haushaltsberatungen; aber man kann in diesem Zusammenhang eigentlich über alles sprechen, zu all dem,
was einem gerade einfällt. Ich werde mich bemühen, etwas zu den Zahlen zu sagen, die im Bundeshaushaltsplan 2008 aufgeführt sind.
Der Einzelplan 10 umfasst 5,28 Milliarden Euro; das
ist ein Aufwuchs von 2,1 Prozent oder 109 Millionen
Euro. Aus Sicht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht das in die richtige
Richtung. Die Investitionen betragen 547 Millionen Euro;
davon sind etwa 9 Millionen zusätzliche Investitionen.
Auch das geht in die richtige Richtung.
Wir haben in der Vergangenheit wiederholt über die
dauerhafte Finanzierung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gesprochen. Aufgrund der unterschiedlichen Agrarstruktur in Deutschland war es sehr schwierig, dort einen Weg zu finden. Wir haben einen
Kompromiss gefunden, der so aussieht, dass wir in den
Jahren 2008 und 2009 zusätzlich 400 Millionen Euro in
die Hand nehmen. Damit können wir Klein- und Kleinstrenten herauskaufen. Wenn alle mitmachen, wenn alle
dafür werben, sind wir in der Lage, die Beiträge in
Deutschland dauerhaft auf dem jetzigen Stand zu halten.
Wenn nicht alle mitmachen, haben wir in der Tat ein
Haushaltsrisiko von 100 Millionen Euro. Das könnte
schlimmstenfalls bedeuten, dass Beitragserhöhungen
notwendig werden. Deshalb lohnt es sich, wenn alle in
der Land- und Forstwirtschaft mitmachen und dafür werben.
({1})
Ein zentraler Punkt bei den Investitionen schließlich
ist die Gemeinschaftsaufgabe, die GAK. Dort haben wir
in diesem Jahr einen Aufwuchs von 615 Millionen auf
660 Millionen Euro zu verzeichnen. Das sind Mittel, die
ganz wesentlich der Strukturverbesserung im ländlichen
Raum dienen.
Hier ist eben die Breitbandverkabelung angesprochen worden. Die Breitbandverkabelung ist in der Tat
gerade im ländlichen Raum ein großes Problem. Dass
man, wie angesprochen worden ist, mit 10 Millionen
Euro die Probleme nicht bundesweit lösen kann, ist sicherlich richtig. Ich habe aber festgestellt, dass, nachdem dieses Stichwort auf Bundesebene gefallen ist, in
vielen Landkreisen jetzt an Konzepten gearbeitet wird,
mit denen man die Probleme im ländlichen Raum lösen
kann. In dem Entwurf, den wir gleich beschließen werden, ist vorgesehen, dass wir mindestens 10 Millionen
Euro von den 660 Millionen Euro für die GAK zur Verfügung stellen wollen. Das heißt, der PLANAK ist sehr
wohl in der Lage, erheblich mehr Mittel in die Hand zu
nehmen. Wir erwarten natürlich auch eine Mitfinanzierung durch die Länder. Ich füge hinzu, dass wir uns gerade diesen Punkt im nächsten Jahr noch einmal vornehmen müssen; dann wollen wir erheblich mehr Mittel
dafür ansetzen. Wenn wir Chancengleichheit in den verschiedenen Strukturen, in den verschiedenen Räumen
haben wollen, dann müssen wir mittelfristig noch erheblich mehr Mittel zur Verfügung stellen.
({2})
Von der Opposition ist in der Vergangenheit immer
aufgezeigt worden, was wir weniger tun als die Vorgängerregierung. Ich kann hier feststellen, dass wir aufgrund
von Fraktionsbeschlüssen für den Ökolandbau 6 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.
({3})
Diese Mittel sollen besonders in die Forschung und Entwicklung fließen. Das heißt, wir haben hier mehr Mittel
zur Verfügung, als Frau Künast eingeplant hatte. Auch
dies geht also in die richtige Richtung.
({4})
Wir haben eine vergleichbare Entwicklung bei der
Verbraucherinformation. Hier werden wir weitere
3 Millionen Euro zur Verfügung stellen, besonders für
den Aktionsplan „Ernährung und Bewegung“. Es wäre
schön, wenn diese zusätzlichen Mittel nicht nur in Papier
fließen würden, sondern das eine oder andere in gesellschaftlichen Gruppen, vielleicht in Schule oder Familie
getan würde, damit wir das umsetzen können, was wir
eigentlich alle schon wissen, nämlich dass man sich mäßiger und richtig ernähren und sich mehr bewegen soll.
Das ist das Beste, was man für ein gesundes Leben tun
kann. Das muss nicht unbedingt mehr Geld kosten.
({5})
Wir werden die nachwachsenden Rohstoffe weiter
auf einem hohen Niveau fördern. Das ist, wenn wir über
allgemeine Agrarpolitik in Deutschland sprechen, ein
Thema, zu dem es sicherlich unterschiedliche Meinungen zwischen SPD und CDU/CSU, aber vielleicht auch
innerhalb der einzelnen Parteien gibt.
Ich glaube, dass wir ohne Grüne Gentechnik den
Hunger in der Welt dauerhaft nicht besiegen werden.
({6})
Deshalb tun wir gut daran, wenn wir uns ein umfangreiches Wissen auf diesem Gebiet erarbeiten, weiter forschen und entwickeln und mit diesen Erkenntnissen
dann die Grüne Gentechnik in der Welt durchsetzen.
Wir werden auf der Insel Riems in der Ostsee das
Friedrich-Loeffler-Institut weiter ausbauen. Wir haben
mit dem Friedrich-Loeffler-Institut heute schon eine
Forschungsstätte zur Tiergesundheit eingerichtet - Tierseuchen sind weltweit zu einer Plage geworden -, in der
Weltklasseleistungen vollbracht werden.
Wir werden diese Forschungsstätte in einem beispiellosen Kraftakt weiter ausbauen. Wir werden sie zum
Mekka oder, wenn man so will, zum Rom der Forschung
machen. Mittelfristig werden wir mehr als 119 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.
Wie offen wir dem Umwelt-, dem Landschafts- und
dem Naturschutz gegenüberstehen, sehen Sie daran, dass
wir den Deutschen Verband für Landschaftspflege institutionell fördern werden. Dieser Verband hat in der
Vergangenheit schon immer Mittel bekommen. Durch
die institutionelle Förderung wird er zukünftig aber in
der Lage sein, eine berechenbare Personalplanung vorzunehmen. Das wird zu einer Verstetigung und zu einer
weiteren Verbesserung seiner Arbeit führen.
Schließlich und endlich stehen uns in unserem Einzelplan erstmalig Mittel aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate zur Verfügung. Sie sollen in den Gartenbau fließen.
Ich gehe davon aus, dass wir auch in den folgenden Jahren Mittel aus dem Zertifikatsverkauf erhalten werden,
sodass in den Bereichen Gartenbau und Forstwirtschaft
weitere Initiativen gefördert werden können.
Der Umbau der Ressortforschung geht in der Öffentlichkeit ein wenig unter. Man kann, glaube ich, sagen,
dass dies ein Aufbruch in eine neue Zeit ist. 2 700 Menschen sind an vielen Standorten in Deutschland in diesem Bereich beschäftigt. Es gibt auch den einen oder anderen, der Danke sagt. Wenn Standorte umorganisiert
werden müssen, heißt das, dass viele Menschen ihren
Wohnort verlegen müssen und an der einen oder anderen
Stelle Standorte geschlossen werden müssen. Der Kollege Carsten Müller aus Braunschweig beispielsweise
hat mir gesagt: Danke für das, was ihr für den Forschungsstandort Braunschweig tut. Das darf man einmal
positiv erwähnen.
({7})
Insgesamt ist zu sagen, dass dieser Umbruch erforderlich
ist, um die Spitzenstellung der Forschung in Deutschland weiter auszubauen.
Zum Schluss möchte ich einem Mann, der die Politik
in den vergangenen Jahrzehnten besonders gut beraten
hat, etwas ganz Persönliches sagen. Die Ressortforschung ist ein Gebiet, auf dem er sich besonders engagiert hat. Er hat viele Jahre dafür gearbeitet, dass diese
Neukonzeption umgesetzt werden kann. Seit 1988 hat er
als Leiter des Haushaltsreferates, seit 1998 als Beauftragter/Unterabteilungsleiter für den Haushalt gearbeitet.
Quasi nebenbei, aber mit ganzer Hingabe, wie es in Beamtengesetzen steht, hat er sich in den Wendejahren um
die Verwirklichung der deutschen Einheit gekümmert
und nebenbei drei Jahre lang die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe kommissarisch geleitet. Die Zusammenarbeit mit ihm hat
nicht nur mir, sondern allen, die konkret beteiligt waren,
immer Spaß gemacht. Er war auch sachlich erfolgreich.
Deshalb möchte ich mich im Namen vieler in diesem
Hohen Haus ganz außerordentlich bei Herrn Fritz
Johannes für seine Arbeit bedanken und ihm unseren Respekt und unseren Dank aussprechen. Alles, alles Gute
für die Zukunft, lieber Fritz Johannes!
({8})
Ich erteile nun das Wort Kollegin Kirsten Tackmann,
Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Die Sache mit dem Aufschwung
hat immer etwas mit der Perspektive zu tun, vor allen
Dingen bei der Antwort auf die Frage, wer von diesem
Aufschwung profitiert.
Ja, es gibt landwirtschaftliche Betriebe, die als Kronzeuge für den Aufschwung dienen. Vor allem reine
Ackerbaubetriebe profitieren von den steigenden Erzeugerpreisen. Die Verlierer dieses Aufschwunges sind die
Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV, Niedriglöhnen und Armutsrenten und ihre Familien.
Ja, die Linke ist für kostendeckende Erzeugerpreise,
aber die müssten auch bezahlt werden können.
({0})
Deshalb darf die Agrarpolitik nicht die Augen vor der
wachsenden Armut in diesem Land verschließen. Ein
Blick auf die Ferkelerzeuger, die Milchviehbetriebe und
die kleinen Biokraftstoffproduzenten zeigt: Der Aufschwung hat nur einige Gewinner, aber viele Verlierer.
Dafür sind auch bundespolitische Entscheidungen verantwortlich. Ein Beispiel: Wer den gesetzlichen Mindestlohn verhindert, trägt dazu bei, dass erstens die
Kaufkraft in den Dörfern zunehmend schwindet, zweitens fehlende existenzsichernde Arbeitsplätze die Landflucht beschleunigen und drittens sich der Fachkräftemangel auch in der Landwirtschaft zuspitzt. Auf meiner
Sommertour durch landwirtschaftliche Betriebe in der
Prignitz, meinem Wahlkreis, habe ich die Standardfrage
gestellt: Wie stehen Sie zum Mindestlohn? Die Antwort
lautete unisono in allen Betrieben: Wir würden gern
8 Euro zahlen, aber wir können das nur, wenn alle das
müssen. Ein so klares Votum ist für mich ein klarer
Handlungsauftrag.
({1})
Andererseits ist aber auch richtig: Auf die eigentliche
Agrarpolitik hat die Bundesebene nur begrenzten Einfluss. Hier dominieren Brüssel und die Bundesländer. Insofern ist der Bundesagrarhaushalt relativ schnell besprochen.
Die Linke begrüßt die Beibehaltung des Bundeszuschusses an die landwirtschaftliche Sozialversicherung
von 3,7 Milliarden Euro. Damit ist bei einem Gesamtetat
von 5,3 Milliarden Euro das meiste Geld gebunden. Der
Ausbau der Breitbandversorgung in den ländlichen Räumen - das ist schon genannt worden - ist sehr wichtig.
Aber auch wir sehen das - da sind wir mit der FDP einer
Meinung - mit 10 Millionen Euro absolut unterfinanziert.
Außerdem ist das nicht nur ein Problem der ländlichen
Räume. Deswegen, denken wir, gehört es eigentlich in
den Etat von Herrn Tiefensee.
Beim Blick auf die Agrarressortforschung muss ich
erneut meine Verwunderung bezeugen. Die Verdoppelung der Bausumme für den Institutsneubau auf der Insel
Riems - Herr Schirmbeck hat das schon genannt - von
151 Millionen Euro auf 315 Millionen Euro ist relativ
großzügig. Ja, auch die Linke befürwortet diesen Neubau. Wir erwarten dieselbe Flexibilität aber auch bei anderen Projekten, die nicht Prestigeobjekte und nicht
Exzellenzforschung sind. Die größten Wissensdefizite
haben wir nämlich im Moment nicht in der Exzellenzforschung, sondern in der angewandten Forschung. Ich
denke, auch die muss aus dem Schattendasein heraustreten können. Wir brauchen hier also dringend eine Neubewertung. In einigen Fällen könnten wesentlich größere
Probleme mit weniger Geld gelöst werden.
Unter dem Strich kann man über den Einzelplan 10
sagen: Er ist wenig ambitioniert, aber er richtet auch keinen großen Schaden an.
({2})
Es reicht nicht, damit wir ihm zustimmen, aber ist angesichts des Gesamthaushaltes schon fast ein Lob.
({3})
Die aktuellste Bedrohung für die Landwirtschaft
kommt allerdings aus Brüssel. Die ländlichen Räume haben seit 2005 20 bis 40 Prozent der EU-Fördermittel und
jährlich 60 bis 100 Millionen Euro Bundesmittel plus
Kofinanzierungsmittel der Länder verloren. Nun will die
EU-Kommission vorzeitig die Direktzahlungen an
landwirtschaftliche Betriebe kürzen. Allein Mecklenburg-Vorpommern würde dadurch über 80 Millionen
Euro verlieren. Dieser Vorschlag bedroht die wirtschaftliche Existenz vor allem ostdeutscher Betriebe. Er verkennt völlig ihre real schwierige wirtschaftliche Situation und die Besonderheiten Ostdeutschlands. Durch die
sogenannte Modulation geben die Landwirtschaftsbetriebe bereits jetzt Direktzahlungen an den ländlichen
Raum ab. Laut aktuellem Agrarbericht reduziert das bei
den ostdeutschen Betrieben den durchschnittlichen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent. Altschulden, Flächenerwerb, Eigenkapitalschwäche und die
Vielzahl von Eigentümern sind weitere Stichworte für
die ostdeutsche Landwirtschaft.
Deshalb meine dringende Aufforderung an Minister
Seehofer: Verhindern Sie diesen Wortbruch! Die Betriebe brauchen Verlässlichkeit, und die Dörfer brauchen
die Betriebe. Sie sind oft die letzten sicheren Arbeitsplätze im ländlichen Raum.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Das Wort hat nun Kollege Ernst Bahr, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Situation, in der wir leben, ist
heute schon mehrfach geschildert worden. Wir haben
eine Wirtschafts- und Konjunkturentwicklung, die sich
erfreulich darstellt. Auch der Landwirtschaftssektor hat
einen Anteil daran und hat sich gut entwickelt.
Ernst Bahr ({0})
Was gerade zur Situation der ostdeutschen Landwirtschaft gesagt wurde, ist aus meiner Sicht ganz anders.
Das ist aber jedes Mal in einer solchen Debatte hier so.
Alle Eigentumsformen der ostdeutschen Landwirtschaft
haben sich sehr gut entwickelt, haben sich stabilisiert,
sind in einer Situation, die sich von der Produktivität,
von der Auslastung und von der Zuverlässigkeit her sehen lassen kann. Das schwarzgemalte Bild, das hier eben
geschildert wurde, kann ich absolut nicht bestätigen. Ich
freue mich, dass es so ist.
Ich sehe, dass wir immer wieder durch verschiedene
konkrete Maßnahmen, zum Beispiel die Versorgung mit
Breitbandkabeln, dazu beitragen, dass der ländliche
Raum als solcher gefördert und unterstützt wird. Denn
nicht nur die Landwirte leben dort, sondern auch ein
ganz großer Teil der Bevölkerung lebt dort bzw. möchte
dort leben. Dafür wird dieses Ministerium mit seinem
Haushalt einen Beitrag leisten.
({1})
Dass die Erzeugerpreise in den letzten Wochen und
Monaten gestiegen sind, hat natürlich zu öffentlichen
Diskussionen geführt. Ich möchte aber darauf hinweisen,
dass die Landwirte dadurch zum Teil in die Situation
kommen, endlich kostendeckend produzieren zu können.
({2})
Nun können sie wieder mit etwas mehr Sicherheit investieren. Zum ersten Mal seit 40 Jahren sind die Preise auf
dem Weltmarkt höher als die Preise in Europa. Diese Besonderheit wird in den öffentlichen Diskussionen oft
übersehen. Die Nachfrage nach Lebensmitteln auf dem
Weltmarkt hat auch dazu geführt, dass der Wert von Lebensmitteln in Deutschland nun etwas höher eingeschätzt wird, als es bisher der Fall war. Seit über
20 Jahren sind die Lebensmittelpreise fast nur gesunken. Das hat zwar den Verbraucher gefreut, aber die
Landwirte sind dadurch eher in Schwierigkeiten geraten.
Dass sich ein gestiegener Rohstoff- bzw. Erzeugerpreis sofort auch im Preis des Endprodukts, beispielsweise des Brotes, widerspiegeln muss, würde ich eher
bezweifeln. Der Rohstoff Mehl zum Beispiel hat an einem Laib Brot, den man produziert, einen Anteil von
etwa 4 Prozent. Es stellt sich die Frage, ob sich eine Erhöhung des Mehlpreises zwingend in einer drastischen
Brotpreiserhöhung niederschlagen muss. Dies ist eher zu
bezweifeln.
({3})
Die Entwicklung der Preise für landwirtschaftliche
Produkte trägt erfreulicherweise zunehmend dazu bei,
dass sich die Landwirte selbst um ihre Existenzsicherung
kümmern können. Das führt auch im ländlichen Raum
zu Wachstum. Ich denke, darüber sollten wir alle sehr
froh sein. Wenn die Landwirte das gesamte Spektrum
von Nahrungsmittelproduktion, Rohstoffproduktion und
neuerdings auch Energieproduktion nutzen können, dann
wird es auch hier zu mehr Sicherheit kommen. Mit den
Agrarreformen der letzten Jahre haben wir darauf hingearbeitet. Nun zeigt sich auch bei den Landwirten ein Bewusstseinswandel. Sie stellen sich diesen Veränderungen
und versuchen, ihnen Rechnung zu tragen.
Das wollen wir auch im Rahmen des Haushalts tun.
Der Aufwuchs im Vergleich zum vorigen Haushaltsplan
in Höhe von 100 Millionen Euro macht deutlich, dass
wir uns den neuen Herausforderungen stellen wollen. Da
der Kollege Schirmbeck dankenswerterweise schon alle
Zahlen genannt hat, kann ich dazu vielleicht noch an der
einen oder anderen Stelle interpretierend Stellung nehmen.
Ich möchte unterstreichen, dass wir einen immer größer werdenden Teil für Zukunftsinvestitionen bereitstellen. Dabei geht es um Forschung und Entwicklung,
um die agrarsoziale Sicherung, um eine zuverlässige
Verbraucherpolitik und nicht zuletzt um den ländlichen
Raum, für den wir im Rahmen zukunftssichernder Maßnahmen Geld zur Verfügung stellen.
Die Ressortforschung nimmt hier einen besonderen
Stellenwert ein. Sie ist innerhalb der Landwirtschaft
wichtig, hat aber auch außerhalb der Landwirtschaft im
Sinne des Verbraucherschutzes für die gesamte Gesellschaft eine Bedeutung. Deshalb ist es ein erfreuliches
Ergebnis, dass es Ihnen, Herr Minister, in sehr konstruktiver Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gelungen ist,
die Diskussionen über die Standorte und über die Neugestaltung der Ressortforschung so reibungslos über die
Bühne zu bringen, dass die Ergebnisse jetzt umgesetzt
werden können. Ich hoffe, dass es uns gelingt, diese
Strukturveränderungen in den nächsten Jahren so zu gestalten, wie wir es uns vorgestellt haben.
Die Mittel für die Forschungsinstitute werden in eigenen Haushaltskapiteln veranschlagt. Insgesamt geht es
bei den vier Säulen Pflanze, Tier, Ernährung und Lebensmittel sowie ländliche Räume um 250 Millionen Euro.
Das, was gerade zum Friedrich-Loeffler-Institut gesagt wurde, stimmt so nicht. Es wird immer von einer
Verdopplung der Kosten gesprochen. Das ist aber nicht
richtig. Es gab verschiedene Projektideen, deren jeweilige Kosten ermittelt wurden. Für das neueste Projekt,
das seit etwa einem halben Jahr in Rede ist, fand eine
einmalige Kostenabschätzung statt, die im Vergleich zu
früheren Projekten eine deutliche Erhöhung der Kosten
zum Ergebnis hatte. Dabei handelt es sich aber nicht um
eine Verdopplung der Kosten eines einzigen ursprünglich einmal erstellten Projekts. Insofern ist das richtigzustellen. Wer die Ressortforschung in diesem Bereich so
gestalten will, wie wir sie aufgrund der weltweiten Warenströme haben müssen - es gibt eine größere Gefahr
von Tiersuchen und eine größere Gefährdung der Lebensmittel und damit der Menschen -, der muss investieren. Wir brauchen einen weltweit anerkannten Standort.
Es lohnt sich, dafür Geld zur Verfügung zu stellen.
({4})
Es ist erfreulich, dass wir die Mittel für die GAK erhöhen konnten. Auch ist es erfreulich, dass wir die
Ernst Bahr ({5})
Verbraucherschutzzentralen der Länder weiter fördern
können; das ist ein wesentlicher Punkt. An dieser Stelle
müssen wir allerdings sagen: Hier müssen auch die Länder ihrer Verpflichtung nachkommen und ihren Beitrag
leisten. Sie sind gefordert, sich an der Finanzierung der
Erhöhung, die wir vornehmen, zu beteiligen.
({6})
Wir werden die Bedingung formulieren, dass wir unsere
Zahlungen nur dann fortsetzen, wenn sich auch die Länder angemessen beteiligen.
Zum Schluss möchte ich mich dem Dank des Kollegen
Schirmbeck an den Minister, an seine Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter und auch an die Berichterstatter insgesamt anschließen. Lieber Kollege Schirmbeck, herzlichen Dank für die straffe Führung der Verhandlungen, in
denen wir deutlich machen konnten, dass wir um konstruktive Arbeit bemüht sind und die Berichterstattergespräche da führen, wo sie geführt werden müssen.
Einen letzten Gruß noch an Herrn Fritz Johannes auch
von mir.
({7})
Wir werden uns nachher noch sehen.
({8})
- Ich denke, der Gruß kommt so an, wie ich ihn gemeint
habe.
({9})
Ich danke jedenfalls sehr für die konstruktive Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Wir werden uns
sicherlich hier und da wieder treffen, auch wenn du jetzt
aus dem Dienst ausscheidest.
Herzlichen Dank Ihnen allen, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
({10})
Das Wort hat nun Kollegin Ulrike Höfken, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bedanke mich - die anderen mögen es mir verzeihen - bei
Herrn Johannes. Er hat sehr charmant immer tapfer jeden Cent des Bundes verteidigt. Er kann ja nichts dafür,
dass die Weinbauressortforschung in Bernkastel-Kues
zum Dienstleister mit Mindeststandard mutiert wurde
({0})
oder dass in Traben-Trarbach die Arbeitsplätze abgebaut
wurden. Herr Johannes, vielen Dank!
({1})
- Ja, das tut weh.
({2})
Jedenfalls ist es so, dass Herr Seehofer sich feiert und
sagt, er habe vieles erreicht. Wir suchen immer noch die
Erfolge, und auch die Verbraucher scheinen hier Probleme zu haben; denn nur 40 Prozent sind mit der Arbeit
von Herrn Seehofer zufrieden.
Die Unzufriedenheit wird sich noch verstärken,
wenn die Verbraucher jetzt zu Weihnachten in ihren Taschen kramen und merken: Da ist nichts. Dann werden
sie sich noch einmal daran erinnern, dass diese Bundesregierung den Verbrauchern durch die Mehrwertsteuererhöhung 22,5 Milliarden Euro weggenommen hat. Das
ist eine Menge Geld, und es trifft vor allem die sozial
Schwachen.
({3})
Man kann auch mit wenig Geld erfolgreiche Politik
machen. Man muss nicht immer Milliarden bewegen.
Wir, die Kollegin Dobrinski-Weiß, Frau Klöckner und
andere, waren gerade mit dem baden-württembergischen
Minister Hauk in Dänemark und haben dort die dänische
Politik für die Verbraucher begutachten können. Bei der
Umsetzung des „Smiley“ sieht man, dass eine erfolgreiche Verbraucherpolitik sehr wohl möglich ist. Sie haben
ja leider aus dem Verbraucherinformationsgesetz, einem vielleicht einmal scharfen Schwert gegen die
schwarzen Schafe im Betrugsbereich, ein Häkeldeckchen gemacht, und das übrigens ganz besonders im Bereich der Produktsicherheit bei den Spielzeugen. Heute
lesen wir wieder in der Zeitung über die Plüschtiere. Daran sieht man, wie recht wir hatten, übrigens auch die
Kollegen von der SPD,
({4})
mit unseren Hinweisen, dass eine vernünftige Ausgestaltung des Verbraucherinformationsgesetzes, die Ausdehnung auf alle Produktbereiche, wirklich etwas bewirkt
hätte.
({5})
Bei uns kommt auf 1 Million Einwohner - so sagt die
Bundesregierung in Beantwortung unserer Anfrage - ein
Kontrolleur. Letztendlich werden durch diese Waren, die
in unseren Geschäften lagern, Milliardenschäden angerichtet und die Sicherheit unserer Kinder gefährdet.
Auch bei der Nährwertkennzeichnung muss man
leider sagen: Sie ist mehr eine Verbraucherdesinformation. Eine einfache Ampelkennzeichnung hätte dazu beigetragen, auch die großen, übrigens sehr teuren Probleme
wie Folgekosten ernährungsbedingter Krankheiten zu
beheben. Heute finden die Verbraucher nur einen Wirrwarr von Kennzeichnungen in den Regalen vor.
({6})
Ich erwähne auch noch einmal den Abbau der Schutzstandards beim Gentechnikgesetz. Wir können schon
jetzt absehen, dass als Folge dieses Gesetzes eine Flut
von Klagen und Problemen, übrigens auch kostenmäßig,
auf diejenigen zukommen wird, die gentechnikfreie Erzeugung betreiben wollen.
Kommen wir zur Agrarpolitik. Viele neue Herausforderungen wie Ernährungssicherheit, Qualität, Klimaschutz, erneuerbare Energien, Arbeitskräfte, ländlicher
Raum, Tierseuchen sind erwähnt worden. Was macht
Herr Seehofer, was macht die Bundesregierung? Da
kommen wir dann zur GAP. Frau Kollegin, es ist immer
noch so, dass die Mitgliedsländer entscheiden, was in
Brüssel passiert. Es ist nicht so, dass die „Bedrohung“
über uns käme. Was passiert also bei der GAP? Sehen
wir uns einmal die Verteilungswirkung an!
({7})
Die Transparenz will Herr Seehofer ja partout nicht herstellen, höchstens zwangsweise.
({8})
Aber wenn man den Stern-Artikel liest, sieht man: Wer
hat, dem wird gegeben: Campina Köln bekommt
12,7 Millionen Euro, Humana 3,87 Millionen Euro,
VanDrie Group 3,4 Millionen Euro, Denkavit 2,3 Millionen Euro, RWE Power 2,14 Millionen usw. usf. Und das
sollen unsere Steuerzahler bezahlen!
({9})
Ich denke, wenn wir hier jetzt den Anlass haben, auch
die Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik, die
ansteht, zu behandeln, muss doch gefordert werden: Wir
brauchen eine vernünftige Verteilungswirkung. Die Zuwendungen müssen ja nicht gekappt werden. Aber wir
brauchen eine Bindung an die Arbeitskraft, damit das
Geld da ankommt, wo es hin soll. Denn die Verbraucher
sind ja bereit, die Bauern zu unterstützen, etwas für
Klima, etwas für Landwirtschaft, etwas für Ernährungssicherheit zu tun.
Das heißt, die zweite Säule zu stärken und die Kommission zu unterstützen, dieser mehr Geld zu geben.
Dann kommt auch der Ökolandbau besser weg. Dazu
will ich noch einmal ganz konkret sagen: Sie haben dieser zweiten Säule und dem Ökolandbau genauso wie den
qualitätsorientierten Landwirten mit Ihren Aktionen in
Brüssel die Planungssicherheit völlig genommen: Etwa
500 Millionen Euro an Mitteln, die in diese Bereiche, in
die umweltverträgliche und verbraucherfreundliche
Landwirtschaft, geflossen wären, fehlen jetzt jedes Jahr.
Die paar Millionen, die Sie jetzt drauflegen, retten das
alles nicht. Wir müssen umsteuern, auch bei der GAK.
Da macht gleich mein Kollege weiter.
Danke schön.
({10})
Das Wort hat nun Kollege Peter Bleser, CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
Agrarhaushalt 2008 ist die konsequente Finanzierung einer perspektivischen Politik,
({0})
einer Politik, die nach zwei Jahren CDU-geführter Koalition
({1})
erfolgreich für die Beschäftigung und das Einkommen in
der gesamten Agrarbranche ist, erfolgreich bei der Verbesserung der Lebensmittelsicherheit,
({2})
erfolgreich bei der Stärkung der Verbraucherrechte.
({3})
Wir haben, liebe Frau Höfken, nach Künast die
Agrarwende und die Verbraucherschutzpolitikwende geschafft. Darauf können wir alle zusammen stolz sein.
({4})
Dieser Stolz, dem an einem solchen Tag, nach der Halbzeit, durchaus einmal Ausdruck verliehen werden darf,
wird natürlich von vielen reklamiert. Ich darf an erster
Stelle unseren Minister Seehofer nennen, der mit seiner
vorausschauenden Politik einen wesentlichen Anteil daran hat. Ich bin aber auch so selbstbewusst, das Verdienst
unserer beiden Arbeitsgruppen, der Arbeitsgruppen der
Koalitionsparteien, zu erwähnen.
Herr Kollege Goldmann, wenn Sie bei uns Zerstrittenheit entdecken wollen,
({5})
dann muss man den Zusammenhang sehen: Wenn es bei
Sachfragen darum geht, in einem öffentlichen, demokratischen Disput um den besten Weg zu ringen, dann ist
das keine Zerstrittenheit, sondern eine gute demokratische Kultur, bei der es darum geht, das Beste für die
Menschen in diesem Land zu erreichen.
({6})
Wenn es dabei nach der Maxime geht: „Nichts, was
gegen die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
geht!“, wenn es dabei nach der Maxime geht: „Nichts,
was die Lebensmittelsicherheit verschlechtert!“ und
wenn es dabei nach der Maxime geht: „Den Verbraucherschutz verbessern!“, dann ist das eine gute Ausrichtung. Das haben wir bei allen Gesetzesvorhaben und
sonstigen Beschlüssen immer eingehalten. Auch darauf
sollten wir stolz sein.
({7})
Die Dynamik der letzten zwei Jahre wird auch mit
dem Haushalt 2008 dokumentiert. Wir haben - das ist
schon genannt worden - die Finanzierung der Verbraucherschutzzentralen für den wirtschaftlichen Verbraucherschutz wieder mit 2,5 Millionen Euro sichergestellt.
Wir haben den Schwerpunkt in diesem Haushalt auf Investitionen gelegt. So ist erstmals seit Jahren der Titel
für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ von 615 auf
660 Millionen Euro angehoben worden. Das ist ein Zeichen für Investitionen und für eine Politik, die an die Zukunft dieser Branche glaubt. Es werden erstmals
10 Millionen Euro für die Breitbandverkabelung des
ländlichen Raumes ausgewiesen: Da mag man sagen,
dass das eine verhältnismäßig geringe Summe ist. Das
ist in der Tat so.
({8})
Ich habe aber wie Sie alle festgestellt, welche Initiativen
durch die Bereitstellung dieser Mittel im ländlichen
Raum ausgelöst werden. In allen Bundesländern beschäftigt man sich jetzt mit diesem Thema. Durch den
Agrarhaushalt wurden hier die Initiativen ergriffen.
Auch darauf können wir stolz sein.
({9})
Verlässlichkeit ist das zweite Markenzeichen unserer
Politik. Das ist durch die wiederholte Zurverfügungstellung von 200 Millionen Euro für die Finanzierung der
Altenlast in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung deutlich geworden. Zum dritten Mal hintereinander ist damit die Beitragssatzstabilität garantiert, Kollege
Kampeter. Auch dafür ein Dankeschön der Arbeitsgruppe Haushalt.
({10})
Wir haben aber noch eines draufgesetzt. Wir machen
die landwirtschaftliche Unfallversicherung zukunftsfähig. 400 Millionen Euro wurden bereitgestellt, um Altrenten herauszukaufen, mit dem Ziel, Beitragssatzstabilität für viele Jahre in der Zukunft zu sichern. Unsere
Hoffnung ist sogar - da wollen wir aber vorsichtig sein -,
rückläufige Beiträge zu erreichen. Das ist ein ganz toller
Erfolg, den wir gemeinsam in dieser Koalition erreicht
haben. Das hilft den Landwirtinnen und Landwirten
draußen sehr.
({11})
Ich will in diesem Zusammenhang einen weiteren
Punkt ansprechen, der nicht im Fokus der allgemeinen
Betrachtung liegt, nämlich die Neuorganisation der
Ressortforschung. Herr Kollege Herzog, es ist richtig,
dass gerade das, was im Bereich des Weinbaus in Zusammenarbeit mit dem Land Rheinland-Pfalz getan
wird, zukunftsweisend ist, weil man dort die Kapazitäten
bündelt. Das hilft den Betroffenen und muss für uns der
Grund zur Ausrichtung sein.
Wir haben die Säulen Pflanze, Tier, Ernährung und
Lebensmittel sowie ländliche Räume, Wald und Fischerei neu eingerichtet und damit die Forschung in diesem
Bereich perspektivisch neu geordnet. Auch das dient
dazu, die Wettbewerbsfähigkeit und die Lebensmittelsicherheit in diesem Land zu verbessern.
Meine Damen und Herren, all diese Entscheidungen,
die wir in den letzten zwei Jahren getroffen haben, haben
zu einer Bewertung aus dem Mund von Bankern geführt, die, so glaube ich, besondere Beachtung finden
kann. Die DZ-Bank schreibt nämlich aufgrund einer
Umfrage wörtlich, dass sich die Stimmung in der Landwirtschaft explosionsartig aufgehellt hat. Mehr kann
man dazu nicht sagen.
({12})
Der Anteil der Agrarunternehmen, die von einer guten
und sehr guten Geschäftsgrundlage sprechen, liegt jetzt
bei 86 Prozent. Das ist kaum noch zu steigern. Ich weiß
gar nicht, was ich in den nächsten Jahren hier erzählen
soll. Das kann kaum noch besser werden.
({13})
Das ist gegenüber dem Vorjahr wiederum eine Steigerung von 13 Prozent.
({14})
Ich will jetzt nicht das Agrarkonjunkturbarometer anführen, das bei 38 Punkten steht. Bei Künast stand es bei
minus 18 Punkten.
({15})
Wir machen weiter. Deswegen bin ich sehr froh, dass
Staatssekretär Müller gestern ein Veterinärabkommen
mit China unterzeichnet hat, das uns weitere Exportchancen in diesem sehr lukrativen Markt ermöglicht.
({16})
Das ist ein toller Erfolg in der konsequenten Fortsetzung
unserer Exportinitiativen.
Aufgrund der vielen Möglichkeiten der Belobigungen, die ausgesprochen werden sollten, bin ich leider am
Ende meiner Redezeit. Ich will nur so viel sagen: Wir
haben in den nächsten Jahren noch vieles vor uns. Sie
können sich darauf verlassen, dass unsere Koalition im
Sinne der Ziele, die Verbraucherrechte zu stärken, die
Lebensmittelsicherheit zu verbessern, die Zahl der Beschäftigten in der Agrarwirtschaft zu erhöhen, und damit
den Menschen in diesem Bereich eine Zukunft zu bieten,
weiterarbeiten wird.
Herzlichen Dank.
({17})
Als nächste Rednerin spricht Kollegin Christel
Happach-Kasan, FDP-Fraktion, zu uns.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
§ 28 der Geschäftsordnung besagt, dass nach der Rede
eines Mitgliedes der Bundesregierung eine abweichende
Meinung - sprich: ein Oppositionspolitiker - zu Wort
kommen soll. Offensichtlich trauen Sie Ihren Ministern
nicht zu, dass sie so überzeugend für die Regierungspolitik eintreten, dass Sie den Oppositionspolitikern gestatten können, danach zu reden. Ich muss sehr deutlich sagen: Ich finde, das ist ein Armutszeugnis.
({0})
Landwirtschaft hat Zukunft. Landwirtschaft ist aus
dem Mauerblümchendasein heraus. In den ländlichen
Räumen können Landwirte bessere Einnahmen erzielen.
Ich finde das gut. Bei landwirtschaftlichen Produkten
bestimmt die Nachfrage den Preis. Die Preise sind gestiegen. Dieses kommt den landwirtschaftlichen Betrieben bei uns in Deutschland zugute.
({1})
Dies ist beileibe kein Erfolg Ihrer Politik. Wir haben
schlechte Regierungspolitik und gute Preise für die
Landwirtschaft. Sie sollten sich nicht mit fremden Federn schmücken.
({2})
- Herr Kollege Schirmbeck, Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. Das macht sich einfach wesentlich
besser. - Ich wollte mich gerade bei Ihnen bedanken,
dass Sie einmal hervorgehoben haben, wie wichtig die
Grüne Gentechnik und das, was hier in Deutschland
geforscht wird, für die Welternährung und für die weitere Entwicklung unseres Hightechstandortes Deutschland ist.
({3})
Ich finde es gut, dass Sie die Traute hatten, das hier zu
sagen, und freue mich, dass es auch den einen oder anderen Kollegen in der CDU/CSU-Fraktion gibt, der sich
dafür ausspricht. Schade, dass Minister Seehofer diese
Überzeugung nicht teilt und dass Sie keine Überzeugungskraft gegenüber Ihrem roten Koalitionspartner haben. Das ist ein Armutszeugnis.
({4})
Im Rahmen der gestrigen Anhörung ist sehr deutlich
geworden, Herr Kelber, dass gerade die DFG - anders,
als Sie hier im Plenum behauptet haben - und die MaxPlanck-Gesellschaft mit Ihrem Gentechnikgesetz nicht
zufrieden sind. Ich glaube, dass dies dem Wissenschaftsstandort Deutschland schadet.
({5})
Mein Kollege Michael Goldmann hat sehr deutlich
gemacht: Diese Regierung ist zerstritten. Wie zerstritten
sie ist, das hat man gestern auf dem Kongress „Kraftstoffe der Zukunft 2007“ sehr deutlich gemerkt. Noch
nicht einmal über den Kraftstoffbericht kann sich diese
Regierung einigen. Dieser ist vor sechs Wochen vom Finanzminister vorgelegt worden, und noch immer gibt es
keinen abgestimmten Bericht. Ich halte dies für ein Armutszeugnis. Der Kollege Schindler hat sehr deutlich
gemacht, dass Sie sich über Ihre weitere Biokraftstoffstrategie vermutlich bis Weihnachten nicht einigen
werden.
({6})
Ich meine, dass Sie den Betrieben einen wirklichen
Tort antun. Bedenken Sie bitte, dass wir 2004 im Deutschen Bundestag mit der Steuerbefreiung für Biokraftstoffe sehr deutlich gemacht haben, dass wir diese Entwicklung wollen, und dass Sie bereits 2005 durch die
Ersetzung der Steuerbefreiung durch den Beimischungszwang diese Entwicklung total kaputt gemacht haben.
Anfang des Jahres gab es den Zusammenbruch der Aktienkurse und erste Unternehmenspleiten. Wir müssen
feststellen, dass bestimmte Betriebe stillgelegt sind und
damit die Kapazitäten nicht ausgenutzt werden. Ich halte
dies für eine falsche Politik.
Frau Kollegin, gestatten Sie zwei Zwischenfragen,
zunächst Kollege Kelber und dann Kollegin Höfken?
Ich gestatte.
Frau Kollegin, Sie haben angeführt, dass aus Ihrer
Sicht die Maßnahmen, die die Große Koalition im Bereich der Biokraftstoffe getätigt hat, nicht ausreichen.
Ich möchte Sie daher fragen, ob Sie die Debatte in der
letzten Sitzungswoche verfolgt haben, als Ihr umweltpolitischer Sprecher, Herr Kauch, vorgetragen hat, dass die
Förderung der Biokraftstoffe durch die Große Koalition
maßlos übertrieben sei und die FDP als Fraktion beschlossen hätte, diese zurückzuführen, insbesondere die
steuerliche Förderung. Würden Sie mir, da Sie gerade
über Zerstrittenheit geredet haben, bitte erläutern, welchen Teil der FDP Sie heute vertreten und wie die Beschlusslage Ihrer Fraktion exakt ist?
Michael Kauch und ich haben eine gemeinsame Stellungnahme zur Regierungserklärung sowohl von Herrn
Seehofer als auch Herrn Gabriel herausgegeben. Hier
haben wir deutlich gemacht, dass wir die Steuerbefreiung so, wie sie im Deutschen Bundestag beschlossen
wurde, bis 2009 wollen und danach eine proportionale
Besteuerung, wie sie auch die Verkehrsministerkonferenz möchte.
({0})
Das ist Beschlusslage der FDP-Bundestagsfraktion.
({1})
Kollegin Höfken.
Frau Happach-Kasan, ich möchte Sie fragen, ob Sie
auch den Artikel „Von der Zukunftsfabrik zur Millionenruine“ gelesen haben. Wie beurteilen Sie das? Sind Sie
nicht auch der Auffassung, dass die Beschlüsse der Bundesregierung dazu führen, dass statt einer Entwicklung
im mittelständischen Bereich eine Entwicklung zugunsten der Mineralölkonzerne stattfindet, sodass es vielleicht besser wäre, die Erhöhung der Besteuerung auszusetzen und von dem Beimischungszwang, der
stattdessen eingesetzt wurde, Abstand zu nehmen, weil
dieser zu höchstproblematischen Importen führt, die wir
eigentlich nicht wollen können?
Frau Kollegin Höfken, ich freue mich, dass wir in einem Punkt absolut einer Meinung sind. Durch die Beschlüsse der Großen Koalition ist genau das eingetreten,
was Sie beschrieben haben: Die mittelständische Biokraftstoffbranche gerät letztlich in die Abhängigkeit der
großen Mineralölkonzerne und hat damit keine Möglichkeiten, sich am Markt zu behaupten. Wir haben schon
jetzt eine Importrate von 66 Prozent bei den Biokraftstoffen, insbesondere bei subventionierten Biokraftstoffen des B-99-Bereiches aus den USA. Es ist zu
befürchten, dass aufgrund des bei uns geltenden Beimischungszwangs Regenwälder abgeholzt werden, um die
Soja- und Palmölproduktion voranzubringen. Damit ist
meines Erachtens dem Klimaschutz in Deutschland in
keiner Weise gedient. Das ist ein Armutszeugnis für
diese Bundesregierung.
({0})
- Herr Kollege Kelber, Sie sollten bedenken, dass B-99Kraftstoffe aufgrund ihres Beimischungszwangs zunehmend importiert werden. Das ist die Ursache für die fatale Situation.
({1})
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zu sprechen
kommen, der bereits erwähnt wurde: die Ressortforschung. Ich kann mich dem Dank an Herrn Johannes
nicht anschließen. Herr Kollege Schirmbeck, in der
Haushaltspolitik darf man nicht nur auf die Haushaltszahlen schauen, sondern man muss auch die Entscheidungen der Bundesregierung berücksichtigen.
({2})
- Können Sie nicht einmal den Mund halten?
({3})
- Kollege Schirmbeck, das kann man durchaus einmal
sagen.
Ich möchte deutlich machen, dass es haushaltspolitisch falsch ist, gut funktionierende Strukturen, wie sie
beispielsweise an der Universität Kiel und in der dortigen Ressortforschung bestanden haben, zu zerschlagen
und die Institute, die dort bestens verankert sind, zu verlagern. Die Politik hat enorme Fehler gemacht und hat
sich überhaupt nicht an dem orientiert
({4})
- habe ich das Wort? -, was in den letzten zehn Jahren in
Kiel, aber auch an anderen Standorten gewachsen ist.
Man kann nicht nach einem Modell von 1995 die Ressortforschung im Jahr 2007 reformieren. Man muss vielmehr das Wissenschaftsgutachten aus dem Jahr 2006 berücksichtigen, das klare Leitlinien vorgibt.
Das alles haben Sie nicht getan. Daher meine ich,
dass Ihre Reform der Ressortforschung für die Forschung in Deutschland schlecht ist, Strukturen zerschlagen und die landwirtschaftliche Forschung kaputtgemacht hat.
({5})
So kann Forschung nicht gefördert werden, Herr Kollege
Schirmbeck.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Ich erteile das Wort Kollegen Gustav Herzog, SPDFraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe gerade bei den beiden Vorrednerinnen den Eindruck, dass es eher um Standorte als um Konzepte in der
Forschungspolitik geht. So viel dazu.
({0})
Die Zeiten sind gut und werden besser. Ich habe mir
einmal das zweifelhafte Vergnügen gemacht und die
Haushaltsreden des letzten Jahres nachgelesen. Damals
hat sich insbesondere die Opposition über den Fleischskandal, die Kontrolle der Kühlhäuser und die Geflügelpest ereifert. Das waren damals die bestimmenden The13490
men in der Haushaltsdebatte. Heute sieht es ganz anders
aus. Wir diskutieren viel näher an der Sache und beschreiben die Realität viel besser. Die Wirtschaft wächst.
Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Wir haben mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Wir hören, dass viel mehr junge Menschen eine Ausbildung in
den sogenannten grünen Berufen beginnen. Das ist ein
Zeichen dafür, dass wieder Zuversicht da ist.
({1})
Eine Folge dieser guten Entwicklung ist, dass wir
mehr Geld zur Verfügung haben.
({2})
Der Bundesfinanzminister ist zusammen mit den Haushältern gut beraten gewesen, zwei Drittel für eine geringere Schuldenaufnahme und ein Drittel für zukunftsweisende Investitionen zu verwenden. Wenn ich mir das
Sparbuch der FDP anschaue, dann muss ich sagen: Bargeld in den Sparstrumpf der Oma und dann das Ganze
unter das Bett legen, das ist wohl eine effizientere Anlagemöglichkeit als das FDP-Sparbuch für den Haushalt.
({3})
Heute Morgen, um 3.40 Uhr, hat dpa eine Meldung
herausgegeben, aus der ich zwei Sätze zitieren möchte:
„Die Landwirtschaft boomt. Die Stimmung unter den
Bauern verbessert sich stetig“, und das unter dieser Koalition! Wir sind dafür verantwortlich, auch wenn der
Bauernverband meint, das sei auf weniger Einfluss der
Europäischen Union und mehr Dynamik auf den Weltmärkten zurückzuführen. Das Argument, dass die Europäische Union weniger Einfluss hat, ist schon richtig;
man muss aber auch sehen, dass wir, als wir 1999/2000
über mehr Marktnähe gesprochen haben, dafür heftig
vonseiten des Berufsstandes kritisiert worden sind. Es ist
auch richtig, dass mehr Dynamik auf den Weltmärkten
herrscht, wenn wir auch nicht vergessen dürfen, dass die
gestiegenen Futterkosten dem einen oder anderen Landwirt schon Probleme bereiten. Aber auch wir als Politiker haben unseren Anteil an der deutlich besseren Lage
und besseren Stimmung. Dies spiegelt sich in diesem
Haushalt wider. Meine Kollegin Waltraud Wolff wird
noch etwas zu der landwirtschaftlichen Sozialversicherung sagen, die den größten Posten einnimmt. Vieles andere ist ebenfalls festgelegt.
Wenn ich über zwei im Verhältnis zum Gesamthaushalt kleine Positionen rede, dann ist dazu zu sagen, dass
es auch das Geld des Steuerzahlers ist, das wir sinnvoll
ausgeben wollen. Ich nenne das Stichwort „Breitbandversorgung“. Herr Kollege Goldmann, ich bin über Ihre
Äußerung dazu schon etwas irritiert. Sie haben da offenbar etwas missverstanden. Glauben Sie wirklich, wir
würden den großen Versorgungsunternehmen der Telekommunikation diese 10 Millionen Euro hinterherwerfen, damit diese das Emsland verkabeln? Welche wirtschaftspolitischen Vorstellungen haben Sie?
({4})
Ich nenne Ihnen zur Erklärung ein Beispiel. Ich war
letzte Woche in einer kleinen Gemeinde meines Wahlkreises, in der - Stichwort „demografische Entwicklung“ jetzt ein Schulhaus frei geworden ist. Der Bürgermeister
der Gemeinde Essweiler, Peter Gilcher, hat mir geschildert,
({5})
dass er eine Anfrage aus der Stadt hatte. Ein Architekturbüro aus Kaiserslautern will aufs Land, weil es dort
wirklich schön ist. Auf die Frage, wie es mit der Breitbandversorgung aussehe, musste der Ortsbürgermeister
sagen: Es tut mir leid, mehr als ISDN können wir nicht
bieten. - Dann war es aus, Feierabend. Deswegen ist das
wirklich ein zentrales Thema. Wir müssen schauen, dass
wir diese Versorgung im Sinne der Entwicklung des
ländlichen Raumes hinbekommen. Wir brauchen das
Geld nicht, um Investitionen zu fördern, sondern wir
brauchen ein Instrumentarium, um für die Leute vor Ort,
für die Landräte und die Bürgermeister, eine maßgeschneiderte Lösung zu finden.
Was den ökologischen Landbau betrifft, Frau Kollegin Höfken, so sind wir unserem Wort treu geblieben.
Während in der mittelfristigen Finanzplanung noch
10 Millionen Euro vorgesehen waren, beläuft sich der
Betrag jetzt auf 16 Millionen Euro.
({6})
Wir haben die Haushälter beraten, dieses Geld überwiegend in die Forschung zu stecken. Wir brauchen das, um
die gestiegene Nachfrage wieder in ein Gleichgewicht
zum Angebot zu bringen. Als Letztes sage ich an die
Kolleginnen und Kollegen aus der FDP: Frau Kollegin
Happach-Kasan, wenn Sie im Bereich GVO ein solches
Vertrauen und solche Zuwachsraten hätten, wie wir sie
im ökologischen Landbau haben, dann würden Sie hier
Pirouetten wie ein Brummkreisel drehen. Ich denke, wir
haben den richtigen Weg eingeschlagen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({7})
Das Wort hat nun Kollegin Karin Binder, Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Meine Damen und Herren! In der ersten Lesung zu diesem Haushalt hatte ich noch kritisiert, dass die Arbeit
der Verbraucherzentralen im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes gefährdet sei. Ich bin hocherfreut, dass diese Arbeit nun durch den Einsatz von
Restmitteln des Bundes weiter finanziert wird. Gerade in
diesem Bereich wächst der Bedarf von vielen Menschen
nach einer unabhängigen und qualifizierten Beratung.
Hohen Beratungs- und Aufklärungsbedarf gibt es allerdings auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel
über das zum nächsten Jahr in Kraft tretende Verbraucherinformationsgesetz, über die Nährwertkennzeichnung, über die Lebensmittelkontrolle, über den Allergieplan usw. Leider liegt der dafür zur Verfügung stehende
Betrag im Haushalt des Ministeriums im Promillebereich. Daran wird deutlich, dass große Vorhaben zunächst einmal vor allem aus großen Überschriften bestehen. Oft wird am lautesten dort getönt, wo Sie, Herr
Seehofer, aufgrund der Länderkompetenz gar nicht unmittelbar in der Verantwortung stehen.
Angesichts meiner begrenzten Redezeit kann ich
diese Kritik leider nur an einem Beispiel deutlich machen. Erfreulicherweise werden mit diesem Haushalt des
Ministeriums zusätzliche Mittel für den Aktionsplan
„Ernährung und Bewegung“ eingesetzt. In der Beschlussfassung zu diesem Aktionsplan wurden unter anderem zu erwartende hohe Kosten für unser Gesundheitssystem als Folgen von Übergewicht und seinen
Begleiterscheinungen angeführt. Wir müssen derzeit davon ausgehen, dass bundesweit vermutlich 1,9 Millionen
Kinder und Jugendliche übergewichtig oder gar fettleibig sind. Deshalb muss hier dringend etwas getan werden.
So weit, so gut, Herr Seehofer. Aber das reicht nicht.
Ein weiterer Aspekt wurde im Bericht des Ausschusses
zum gerade beschriebenen Aktionsplan aufgeführt: die
Mangelernährung. Da heißt es nämlich:
Auch die Zahl der unterernährten Kinder und Jugendlichen in Deutschland wächst ständig und hat
sich zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem
entwickelt.
Und weiter:
Vor dem Hintergrund der Fehl- und Mangelernährung ist der Prävention und der Gesundheitsförderung ein hoher Stellenwert einzuräumen.
({0})
Aufgabe der Politik ist es hierbei, Rahmenbedingungen zu schaffen.
({1})
Das war es dann aber auch zum Thema Mangelernährung in dem mehrseitigen Papier. Nun frage ich Sie, Herr
Minister: Wie sieht denn Prävention gegen Unter- und
Mangelernährung vor dem Hintergrund aus, dass in
Deutschland um die 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche an bzw. unter der Armutsgrenze leben und dass immer mehr Kinder vom Schulessen abgemeldet werden,
weil ihre Eltern die Mittel für die damit verbundenen
Kosten nicht mehr aufbringen können? Damit werden
sämtliche guten Ansätze für eine gesunde und hochwertige Gemeinschaftsverpflegung in Schulen und Kitas für
diese Kinder zunichte gemacht.
({2})
Die Kinder, die dieses Angebot am dringendsten
brauchen, können nicht daran teilnehmen. Hier ist die
Politik gefordert, die die vorher erwähnten Rahmenbedingungen zu schaffen hat.
({3})
Sie darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen und
das Thema auf die jeweils andere politische Ebene abschieben, wie es vor wenigen Tagen die zuständige baden-württembergische Staatssekretärin in einer Pressemitteilung gemacht hat.
Ich frage Sie, Herr Minister, welche Vorschläge Sie
haben, um Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern und in den Kommunen in den Aktionsplan einzubinden; denn dies wird nötig sein, um die hehren Ziele,
die von Ihnen gesteckt wurden, zu erreichen. Kinder aus
einkommensschwachen Familien - das sind weit mehr
als 2,8 Millionen - haben von diesen Plänen nur etwas,
wenn Gemeinschaftsverpflegung in Schulen und Kitas
kostenfrei abgegeben wird.
({4})
Das ist nach meiner Auffassung das Ziel, das voraussichtlich jedoch nur mit einem weit höheren Einsatz
auch von Bundesmitteln zu erreichen wäre. Damit würde
die beste Grundlage für Theorie und Praxis einer hochwertigen Ernährungsbildung an unseren Schulen geschaffen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({5})
Nun hat Kollege Alexander Bonde, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
erleben in dieser Debatte einen Landwirtschaftsminister,
wie wir ihn seit Jahren kennen: In den Medien drängelt
er sich nach vorne, und im Parlament kann es gar nicht
lange genug gehen, bevor er den Mund aufmacht. So
setzt er sich auch heute an das Ende der Debatte. Unsere
Kritik, Herr Minister, können Sie damit allerdings nicht
aussitzen.
({0})
So, wie Sie sich heute der Debatte verweigern, haben
Sie sich in Ihrem Haus den zentralen Fragen nicht gestellt. Sie stellen sich nicht den zentralen Fragen des
ländlichen Raumes. In Sachen Klimaschutz ist Ihr Haus
inzwischen zum Totalausfall mutiert.
({1})
Es wurde bereits die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ angesprochen. Dazu haben Sie zu Beginn der Legislaturperiode eine große Reform angekündigt. Es haben
Kongresse stattgefunden. Die Buffets sind leergegessen,
die Spesen bezahlt. Aber auf die Ergebnisse und die Re13492
form warten wir noch immer. So, wie wir es sehen, werden wir darauf wohl auch noch nach dieser Legislaturperiode warten müssen.
Sie wissen, dass Sie im Zusammenhang mit der zweiten Säule der Agrarpolitik eigentlich viel gestalten können und viel gestalten müssen. Uns allen ist bekannt,
dass die mit den ländlichen Räumen verbundenen Herausforderungen weit über das hinausgehen, was bisher
zu leisten war. Wir stehen in den ländlichen Regionen in
einer erheblichen Verantwortung: Es geht darum, mehr
Wertschöpfung zu schaffen und die Arbeitsplätze in der
Landwirtschaft zu stabilisieren. Wir müssen das aktiv
angehen. Von Ihnen erleben wir da wenig.
Was wir erleben, ist ein systematischer Abbau der
Gemeinschaftsaufgabe. Diese Gemeinschaftsaufgabe
wandeln Sie nicht in eine Gemeinschaftsaufgabe „ländlicher Raum“ um. Sie bringen sie also qualitativ nicht
voran. Sie haben die zweite Säule in den letzten Jahren
durch Kürzungen auf europäischer Ebene, die Sie mit
verantworten, und durch Kürzungen der Mittel für die
Gemeinschaftsaufgabe systematisch ausbluten lassen.
({2})
Sie wissen, was Sie damit anrichten. Ich rede hier als
Schwarzwälder. Auch viele andere aus ländlichen Regionen wissen genau, wie wichtig diese Mittel sind. Gerade zu Fragestellungen wie „Agrarumweltmaßnahmen“
und „Übergang zwischen Landwirtschaft, Klimaschutz
und Umweltschutz“, genau an dieser wichtigen Schnittstelle, die sofortiges Handeln verlangt, schweigen Sie,
Herr Minister.
({3})
Sie schweigen an einer Stelle, die für den Klimaschutz von entscheidender Bedeutung ist. Sie wissen,
dass die Landwirtschaft der drittgrößte Emittent von
Treibhausgasen ist. Wir reden nicht nur über den CO2Ausstoß, sondern auch über andere Emissionen. Wenn
wir die Maßnahmen der Bundesregierung anschauen,
dann stellen wir fest, dass nichts passiert. Es passiert
nichts im Bereich der Gewächshäuser; das Öl wird dort
sprichwörtlich zum Glasdach herausgeheizt. Sie unternehmen keine Anstrengungen, um der Branche dabei zu
helfen, sich umzustellen und sich den mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen positiv anzupassen.
({4})
- Wenn die FDP da lacht, dann kann ich nur sagen: Wer
im Glashaus heizt, darf nicht mit Klimaankündigungen
um sich werfen.
({5})
Das Gleiche erleben wir in Sachen Ökolandbau. Der
Minister ist munter mit einem Haushalt angetreten,
durch den der Ökolandbau richtig rasiert wird.
({6})
Es brauchte erheblichen Druck, um die Mittel für das
Bundesprogramm „Ökologischer Landbau“ wieder aufzustocken. Offensichtlich haben Sie Ihren Koalitionspartner nicht einmal informiert. Anders kann ich mir das
Geschrei aus der SPD hier gar nicht erklären.
({7})
Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie stolz darauf
sind, dass Sie diese Kürzungen auf unseren Druck und
den der Fachverbände hin zurückgenommen haben.
({8})
Das kann ich gut verstehen. Aber erlauben Sie nicht
auch noch, dass wir Sie hier als Helden feiern. Ich finde,
Sie sollten hier als reuiger Sünder auftreten. An dieser
Stelle ist ein bisschen Abbitte zu leisten. Sie sollten sich
nicht auch noch dafür feiern lassen, dass wir Sie von einer Katastrophe abgehalten haben, liebe SPD.
({9})
- Es ist interessant, zu sehen, wie sich die SPD an dieser
Stelle immer wieder aufregt. Es ist natürlich das Einzige,
worin Sie sich hier noch einig sein können: in einer platten Verteidigung einer Regierungslinie, von der Sie
selbst am besten wissen, dass sie auf Dauer nicht trägt.
Wir machen uns große Sorgen darüber, dass Sie nicht
erkannt haben, dass die Landwirtschaft ein wichtiger
Akteur im Klimaschutz ist. Wir stellen fest, dass die
Menschen in dieser Erkenntnis wesentlich weiter sind,
dass auch die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig
sind, wesentlich weiter sind.
Ich fordere Sie auf: Setzen Sie endlich die anständigen Programme um, um den Menschen zu helfen. Sie
wissen: Wir brauchen Agrarumweltprogramme. Sie
wissen: Die Umrüstung in Richtung Biolandbau ist notwendig. Sie wissen auch, dass wir der Branche der Betreiber von Gewächshäusern Umstellungshilfe gewähren
müssen. Sie sitzen das alles aus. Auch an dieser Stelle
wird deutlich, wie wenig ernst man die Klimapolitik dieser Bundesregierung nehmen kann. So geht es nicht weiter. Wir erwarten da deutliche Änderungen. Springen Sie
an dieser Stelle einmal nicht immer nur dann in die Medien, wenn es um Kandidaturen geht, sondern kümmern
Sie sich um Ihr Haus und um die anstehenden Aufgaben!
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat nun Kollegin Mechthild Rawert, SPDFraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte die heutige Debatte zum Anlass nehmen, den
Bereich Verbraucherschutz, für den wir, die Sozialdemokratie, uns - auch mit Ihnen gemeinsam - besonders
eingesetzt haben, zu würdigen. Verbraucherpolitik ist
Gerechtigkeitspolitik und gehört somit ganz originär zur
Sozialdemokratie. Aus diesem Grunde war es für uns
sehr wichtig, diesen Bereich auch im Haushalt zu stärken. Dies ist uns gemeinsam gelungen.
Als Verbraucherschützerin begrüße ich es sehr, dass
wir in der Titelgruppe 2, Verbraucherpolitik, 3 Millionen Euro mehr angesetzt haben. Die entsprechende
Summe liegt bei 17 Millionen Euro. Wir tun dies, um
eine Forderung umzusetzen, nämlich dafür zu sorgen,
dass Verbraucherschutz und Wirtschaft auf gleicher Augenhöhe agieren können. Dies werden wir erreichen.
({0})
Ich möchte dies an vier kleinen Beispielen deutlich
machen. Jede und jeder von uns spürt Verbraucherschutz
und Verbraucherrechte im Alltag. Es ist uns gelungen,
das Thema Aufklärung und Beratung im Bereich der
häuslichen Pflege und der Pflegeversicherung in den
Haushaltsplan aufzunehmen. Im kommenden Jahr wird
die Pflegeversicherung in Kraft treten.
({1})
Zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Standards müssen noch viele Informationen gegeben werden.
Dieser Förderschwerpunkt hilft der Bevölkerung sehr.
Wir nehmen auch noch eine weitere gesellschaftspolitische Herausforderung, bei der es der Aufklärung
bedarf, in den Blick. Jeder fünfte Jugendliche in
Deutschland hat Schulden: bei der Bank, beim Mobilfunkanbieter, bei den Eltern oder Freunden oder beim
Versandhaus. Viele wissen nicht, dass sie bei der Schufa
mit Negativmerkmalen gemeldet sind. Sich zu verschulden scheint bei einigen so dazuzugehören wie bei anderen das Sparen. Die Vermittlung von Finanzkompetenz
ist extrem notwendig. Wir werden hier einen weiteren
Aufklärungsschwerpunkt setzen, weil der gegenwärtige
Zustand im Hinblick auf die Zukunft der betroffenen Jugendlichen auf Dauer nicht hingenommen werden kann.
Der wirtschaftliche Verbraucherschutz wurde schon
erwähnt. 2008 stehen weitere 2,5 Millionen Euro für die
Verbraucherzentralen zur Verfügung. Als Berichterstatterin für diesen Bereich bin ich darüber besonders
froh; auch freue ich mich, dass dies die Zustimmung der
Opposition gefunden hat. Über dieses Thema haben wir
in der Anhörung am 20. Juni ausführlich diskutiert. Eines, was meine Kolleginnen und Kollegen hier schon erwähnt haben, bedarf der Wiederholung: Wir dürfen die
Bundesländer nicht aus der Pflicht entlassen, da sie für
die Finanzierung der Verbraucherzentralen originär verantwortlich sind.
({2})
Es ist nicht die vorrangige Aufgabe des Bundes; aber
dieses Thema ist uns wichtig. Ich wiederhole die Forderung des Kollegen Bahr: Wir brauchen eine Finanzierung durch die Länder. Dann werden wir uns auch unserer Pflicht nicht entziehen.
Der Aktionsplan „Ernährung und Bewegung“ wurde
schon erwähnt. Wir haben hier die Mittel um 3 Millionen
Euro aufgestockt. Das Ziel dieser Maßnahme ist ebenfalls bereits genannt worden: Es sollen das Ernährungsund Bewegungsverhalten nachhaltig verbessert, die Zunahme des Übergewichts bei Kindern gestoppt und die
Verbreitung von Übergewicht verringert werden. Auch
hier freue ich mich als zuständige Berichterstatterin für
Sport und Bewegung über diesen Erfolg.
Kollegin Binder, ich freue mich, dass Sie unseren Antrag so intensiv gelesen haben. In ihm haben wir niedergelegt, dass wir die „Soziale Stadt“-Programme unterstützen, den Bereich Verbraucherbildung stärken und
insbesondere Maßnahmen für Kinder und Jugendliche
durchführen wollen. Infolgedessen sage ich Ihnen:
Nachplappern allein bringt es auch nicht.
({3})
Wir wissen aber auch, dass das Verhalten und die Verhältnisse in eine Beziehung zu bringen sind. Dies bedeutet, dass eine Aufforderung an die einzelnen Individuen
nicht ausreicht, sondern dass wir tatsächlich verschiedenste gesetzliche Regelungen brauchen, insbesondere
das Präventionsgesetz, um hier langfristig Strukturen
aufbauen zu können.
Verbraucherpolitik ist Gerechtigkeitspolitik. Ich habe
aber noch einen Traum. Politikerinnen dürfen durchaus
einen Traum haben, solange sie ihn mit Leidenschaft,
mit Verantwortungsgefühl und, was das Bohren dicker
Bretter angeht, auch mit Geduld verfolgen. Mein Traum
ist, dass wir im nächsten Jahr gemeinsam das Thema
Gender Budgeting auch beim Ressort Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aufgreifen.
({4})
Insoweit freue ich mich auch schon auf die Debatte im
Jahr 2008.
({5})
Das Wort hat nun Bundesminister Horst Seehofer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe auch einen Traum,
({0})
nämlich, dass nichts so überzeugend ist wie die Realität
und dass wir uns, Herr Goldmann, mehr an der Realität
orientieren sollten.
Mir liegen die neuesten Zahlen über die Gewinnentwicklung der Haupterwerbsbetriebe im landwirtschaftlichen Bereich im Vergleich der Wirtschaftsjahre 2006
und 2007 vor. Dort zeigt sich ein Plus von 13,8 Prozent.
Das heißt, die Einschätzung - das Konjunkturbarometer
in der Landwirtschaft zeigt so hoch nach oben wie nie
zuvor, die Stimmung in der Landwirtschaft ist so gut wie
nie zuvor - wird jetzt auch durch die ganz konkreten Ergebnisse gestützt: plus 13,8 Prozent.
({1})
Das zeigt: Die Landwirtschaft ist ein Leistungsträger unserer Volkswirtschaft, und wir haben mit unserer Politik
und ihren Entscheidungen in den letzten Monaten richtig
gelegen.
({2})
Es wird immer gefragt, was die Politik damit zu tun
habe. Nun will ich Sie nicht mit den Maßnahmen der
letzten 24 Monate konfrontieren.
({3})
- Von der Vorsteuerpauschale bis zur Aufstockung der
GAK; ich wiederhole es nun doch.
Ich komme jetzt nur auf die jüngste Maßnahme zu
sprechen, denn wenn man so in Europa unterwegs ist,
wie ich es gestern war, und über Gentechnik, die Kennzeichnung, die Förderung, über Health Check und vieles
andere diskutiert und dann zurückkommt, ist man schon
erstaunt, warum die Europäer oft über unsere Diskussion
im Lande den Kopf schütteln, denn in den meisten Fällen folgen sie uns.
({4})
Die jüngste Maßnahme, die dazu beitragen wird, dass
wir auch in einem Jahr solche Zahlen haben werden, besteht darin, den Bauern angesichts der schwierigen Verhältnisse auf dem Schweinemarkt zu helfen. Viele haben dies vor wenigen Wochen für unmöglich gehalten;
selbst bei mir im Hause war die Meinung, das sei ordnungspolitisch und marktpolitisch ein bisschen bedenklich. Wir haben es trotzdem gemeinsam mit den Franzosen in Europa betrieben,
({5})
und ich kann heute sagen: Die Europäische Union wird
den Bauern helfen, und zwar erstens - das steht schon
seit einigen Tagen fest - bei der Lagerhaltung und zweitens - das ist seit heute bekannt - auch durch Exportsubventionen. Das sind ganz konkrete politische Entscheidungen, die den Bauern helfen, nicht wie die schönen
Worte hier, die oft von der Realität etwas entfernt sind.
Außerdem haben wir jetzt mit China in einer nicht
ganz einfachen gesamtpolitischen Situation ein Abkommen über Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit und
Pflanzensicherheit abgeschlossen. All diese Maßnahmen
sind notwendig, damit wir in der Landwirtschaft und bei
deren ökonomischer Entwicklung im positiven Bereich
bleiben.
({6})
Das ist eine schöne Geschichte. Manchmal hat man
aber den Eindruck, je besser die Lage, desto kleiner sind
die Probleme, mit denen sich die Politik plötzlich beschäftigt.
Ich beziehe dies, Frau Kollegin, auf die Situation in
Kiel. Mich wundert schon, wenn die FDP auf der einen
Seite bei wirtschaftspolitischen Debatten immer über die
große Mobilität und die Bereitschaft zur Mobilität, zur
Innovation und zur Flexibilität spricht, uns aber nicht
unterstützt, wenn wir die Ressortlandschaft reformieren
und die Ressortforschung mit struktureller Rücksichtnahme auf die einzelnen Bundesländer verbinden. Das
heißt jetzt in Bezug auf Kiel: Es bleibt beim gleichen
Personal, die Forschung bleibt in Kiel;
({7})
das Einzige, was wir konzentrieren, weil wir hierbei an
den weltweiten Maßstab anschließen wollen, sind die Inhalte der Forschung an verschiedenen Standorten. In
Kiel bleiben aber der Standort und das Personal; es wird
nur der Inhalt der Forschung etwas verändert. Wenn man
jetzt pausenlos als politische Kraft für Flexibilität, für
Innovation und für Mobilität eintritt, dann darf man doch
den Wissenschaftlern vor Ort einmal im Leben zumuten,
dass sie den Inhalt und die Ausrichtung ihrer Forschung
verändern. Sozial ist damit überhaupt nichts verbunden;
da bleibt alles.
({8})
Ich lasse da auch keine Zwischenfrage zu, weil das
immer wieder missbraucht wird.
Auch das haben wir schon im Bundesrat gesagt: Die
dort begonnenen Projekte - es geht um die Milch - können auch zu Ende geführt werden.
({0})
Selbst so großzügig sind wir noch. - Ich sage dies nur,
damit wir in den Problemen, die wir hier diskutieren,
nicht zu klein werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, weil ich möchte, dass wir über die großen Linien diskutieren.
({0})
Es bleibt beim Inhalt, es bleibt beim Standort, es bleibt
beim Personal.
Herr Kollege Bonde, bevor Sie ans Rednerpult gingen, habe ich gesagt: Das ist ein ganz netter Kollege, ein
ganzer guter Kollege. - Ich bleibe trotz Ihrer Rede dabei.
Herr Bonde, das können Sie nicht ernst gemeint haben.
({1})
Ich habe einen Haushalt der GAK übernommen, der in
den Jahren zuvor so stark gekürzt worden war wie nie in
der Geschichte der GAK.
({2})
Es waren weit über 800 Millionen Euro. Ich habe ihn mit
615 Millionen Euro übernommen. Zum ersten Mal seit
15 Jahren werden die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur“ wieder erhöht, nämlich von
615 Millionen Euro auf 660 Millionen Euro; das ist richtige Politik für die ländlichen Räume.
({3})
- Nein, wir haben gar nichts weggenommen. Es wurde
von 615 Millionen Euro auf 660 Millionen Euro erhöht.
In diesen 660 Millionen Euro sind nicht nur die
10 Millionen Euro für die Breitbandverkabelung enthalten. Künftig - das werden wir morgen mit dem Wirtschaftsminister vorstellen - werden wir Energieleitungen im ländlichen Raum, die Einspeisung von Biogas in
die Erdgasnetze und den Anschluss des ländlichen
Raums an das Zukunftsnetz Internet fördern.
({4})
Das - nicht die Kürzungen, die Sie vorgenommen haben ist Politik für den ländlichen Raum.
({5})
Ich verweise auf unserer jetzt modernes und zukunftsfestes Sozialsystem. Da bin ich den Haushältern besonders dankbar. Dies ist seit 15 Jahren die erste Regierung
bzw. Koalition, die die Zuschüsse zur Sozialversicherung um keinen einzigen Cent kürzt
({6})
- das gilt für mehrere Koalitionskonstellationen -, weder
in der Altershilfe noch in der Krankenversicherung,
noch in der Unfallversicherung. Ich bin dem Haushaltsausschuss in cumulo sehr dankbar - übrigens auch dem
Finanzminister -, dass er bereit war, vom Bund dafür
670 Millionen zusätzlich einzusetzen. Herzlichen Dank
an den Haushaltsausschuss!
({7})
Also keine Kürzung, sondern eine Erhöhung! Damit haben wir ein modernes, zukunftsfestes Sozialversicherungssystem.
Wir wenden 50 Millionen Euro für nachwachsende
Rohstoffe auf.
Überhaupt nicht erwähnt worden ist, was die Grünen
längst hätten realisieren können, nämlich ein BiomasseForschungszentrum. Das ist in Leipzig eröffnet worden.
({8})
Es wird immer gesagt, wir täten nichts für den Klimaschutz. Das ist eine ganz konkrete Maßnahme, weil zwei
Drittel der regenerativen Energien aus dem Anbau von
nachwachsenden Rohstoffen stammen. Das ist die Realität. Wir haben die Biomassenutzung eingeführt.
({9})
Die Mittel für den ländlichen Raum werden also erhöht. Ich habe die nachwachsenden Rohstoffe genannt.
Das Biomasse-Forschungszentrum wurde in Leipzig gegründet. Wir haben ein modernes und zukunftsfähiges
Sozialversicherungssystem. Es gibt optimale Zahlen für
die Landwirtschaft insgesamt.
Jetzt sage ich noch etwas zum Verbraucherschutz
- ich kann gar nicht alles aufführen -: Das Verbraucherinformationsgesetz ist nach sechseinhalb Jahren Diskussion in Kraft getreten.
({10})
Der Nichtraucherschutz ist durch die Bundesregierung
durchgesetzt. Der Allergieplan ist vorgelegt.
({11})
Der Aktionsplan „Ernährung und Bewegung“ ist vorgelegt. Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelkennzeichnung wurden durchgesetzt.
({12})
Ich nenne den digitalen Verbraucherschutz. Fahrgastrechte: Da kämpfen wir dafür, dass die Kunden für eine
Verspätung besser entschädigt werden. Dazu sind wir
mit der Justizministerin in einem guten Gespräch. Illegale Telefonwerbung und Bußgeld: Da ist eine Bestätigungslösung auf dem besten Weg.
({13})
Nährwertkennzeichnung: Da wundere ich mich schon.
({14})
Der Vorschlag, den die deutsche Regierung gemacht hat,
wird jetzt von der Europäischen Kommission übernommen.
({15})
Die Ampel, die da gelegentlich genannt wird, wird in
Großbritannien gerade abgeschafft. Das ist die Realität.
({16})
- Doch, das ist die Realität. Sie wird gerade abgeschafft,
Frau Höfken; nur, damit wir da auf dem richtigen Stand
sind.
Jetzt komme ich noch zum Health-Check. Ich hätte
gern auch noch etwas zur Gentechnik gesagt, aber das
verkneife ich mir vor Weihnachten.
Wir haben eine ganz klare Linie. Erstens sind wir für
eine Vereinfachung des Europarechts. Wir haben da mit
der Landwirtschaft begonnen.
({17})
Das wird jetzt nicht nur formalrechtlich, sondern auch
materiell-rechtlich vereinfacht.
Zweitens werden wir dafür sorgen - das haben die
Deutschen gestern eingebracht; das ist von allen anderen
Mitgliedstaaten übernommen worden; damit muss die
Kommission jetzt beginnen -, dass die hohen Umweltund Tierschutzstandards, die wir den bayerischen, deutschen und europäischen Bauern auferlegen, auch unseren Hauptwettbewerbern in den Drittländern abverlangt
werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, damit in der
Landwirtschaft faire Wettbewerbsregeln entstehen.
Drittens bin ich allen dankbar, die die Diskussion
über die Finanzierung der Landwirtschaft sachlich
und fair führen. Liebe Freunde, wir erlegen den Landwirten in Europa Pflichten auf - vom Umwelt- bis zum
Gewässerschutz, vom Boden- bis zum Tierschutz -, wie
sie kein anderes Land auf dieser Welt seinen Bauern abverlangt.
({18})
Deshalb ist eine solche Finanzierung kein Almosen, sondern ein Ausgleich für die landeskulturelle Pflege und
die Umweltstandards, die die Bauern in Europa einzuhalten haben.
({19})
Daher ist diese Ausgleichsleistung durch die EU auch
gerechtfertigt.
({20})
Die Kommission wird auf diesen Weg einschwenken.
Ich warne davor, allein auf das Stichwort „groß“ abzustellen, weil es in den neuen Bundesländern größere Betriebe gibt als in weiten Bereichen der alten Bundesländer. Ich würde vielmehr darauf abstellen, wie viele
Personen ein Betrieb beschäftigt.
({21})
Wenn ein großer Betrieb investiert hat und viele Leute
beschäftigt, dann kann ich ihn nicht deshalb in der Öffentlichkeit an den Pranger stellen.
({22})
Ich bin dafür, dass wir diese Firmen weiterhin fördern.
Herr Minister, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende.
Mit Ausnahme des Standortes in Kiel wüsste ich eigentlich nicht, wo es eine substanzielle Kritik gegeben
hat. Der Standort Kiel bleibt erhalten.
Herr Goldmann, Sie haben die Landwirtschaftspolitik
dankenswerterweise völlig ausgeblendet. Ich war in Niedersachsen und in Hamburg im Wahlkampf. Die Stimmung ist prächtig.
({0})
- Ja, selbst bei den Schweineleuten.
Herr Minister, Sie müssen zum Ende kommen.
Auch beim Verbraucherschutz können wir Leistungen
vorweisen.
Ich bedanke mich zum Schluss bei den beiden Berichterstattern, bei Georg Schirmbeck und Ernst Bahr. Es
ist immer schwierig mit dem Aufsichtsrat. Aber wir haben uns nach sorgfältiger Diskussion wieder auf einen
sehr guten Haushalt verständigt, der gewährleistet, dass
wir auch in einem Jahr sehr positive Bilanzen und Zahlen werden vorlegen können.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Christel Happach-Kasan.
Herr Minister, ich bedanke mich dafür, dass Sie eingestanden haben, dass es zur Entscheidung über den
Standort Kiel eine substanzielle Kritik gibt. Ich glaube,
dass diese Kritik sehr substanziell ist.
Wir, die FDP-Bundestagsfraktion, haben von Anfang
an mitgetragen, dass es eine veränderte Ressortforschung geben muss und dass wir eine Reform brauchen.
Als wir vor langer Zeit in einer schwarz-gelben Koalition waren, haben wir uns auf ein entsprechendes Konzept verständigt. Von einer Bundesregierung, die 2005
ins Amt gekommen ist, erwarten wir aber, dass sie die
neuen Entwicklungen sehr wohl aufnimmt und dies 2007
in einem Konzept auch tatsächlich umsetzt.
Dies ist von Ihrer Seite in keiner Weise erfolgt. Ich
bin bereits seit Ende 2006 mit dem Ministerium in Diskussion insbesondere über den Standort Kiel. Ich bedauere die Entscheidung, die Sie getroffen haben, sehr.
Diese Entscheidung richtet sich nicht nach der Zahl der
Stellen. Sie richtet sich auch nicht danach, ob in Kiel
noch etwas stattfindet oder nicht, sondern nach den
Strukturen im Max-Rubner-Institut. Wenn wir die Ressortforschung im Bereich der Ernährung ernst nehmen,
dann müssen wir dafür sorgen, dass es einen Standort
gibt, der über eine Universität wie die ChristianAlbrechts-Universität, eine Tierversuchsstation, um bestimmte Tierversuche durchzuführen, und ein Krankenhaus verfügt. Ich finde es sehr seltsam, dass die vom
Wissenschaftsrat 2006 am meisten gelobte Institution,
nämlich die Institute der Ressortforschung in Kiel, abgewickelt und nach Karlsruhe verlagert wird, obwohl klar
ist, dass bestimmte Bereiche der Ressortforschung dort
nicht durchgeführt werden können, weil es dort kein entsprechendes Krankenhaus gibt.
Ich bin entsetzt darüber, dass gerade derjenige Bereich der Ernährungsforschung, der wirklich bedeutend
ist, nämlich die vorbeugende Ernährung im Bereich
Diabetes zum Beispiel, damit völlig abgewickelt wird.
Das heißt, dass die Forschung im Hinblick auf eine
Krankheit wie Diabetes, die die höchsten Kosten überhaupt in Deutschland verursacht, nicht mehr im Ressortforschungsbereich stattfinden kann.
Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie die Clusterbildung in einem nördlichen Bundesland - möglicherweise
aufgrund eines größeren Interesses für den Süden - aufbrechen. Dies wird nicht billig. Schauen Sie schlicht und
ergreifend, was dort geleistet worden ist. Schauen Sie
einmal dort hin, wo die beste Forschung im Bereich der
Ressortforschung stattgefunden hat. Dass diese Standorte aufgelöst und verlagert werden, halte ich für nicht
leistungsgerecht.
Deswegen habe ich den Kollegen Schirmbeck dahin
gehend kritisiert, dass er im Hinblick auf den Haushalt
nur Erbsen zählt, statt auf die richtigen Strukturen zu
achten.
Ich bedauere die Entscheidung der Bundesregierung, die
Institute in Kiel abzuziehen, sehr. Ich halte das für eine
falsche Entscheidung.
({0})
Herr Minister, wollen Sie darauf reagieren? - Das ist
nicht der Fall.
Dann erteile ich das Wort der Kollegin Waltraud
Wolff, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Einzelplan 10 des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
macht auch im Jahr 2008 wieder deutlich, dass wir ein
verlässlicher Partner sind. Gleichzeitig haben wir wichtige Weichen gestellt. Das ist in der ganzen Debatte
deutlich geworden. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie mich eines sagen: Die Anmerkungen von der
Opposition betreffen marginale Dinge; sie wollte sich
einfach an unserem guten Haushalt aufreiben.
({0})
Lassen Sie mich in Richtung des Kollegen Bonde einen Satz zum Ökolandbau sagen; alles andere hat dankenswerterweise Herr Minister Seehofer - ich sage es
mal so - abgefrühstückt. Herr Kollege Bonde, in der mittelfristigen Planung unter Rot-Grün - Sie waren schon in
der letzten Legislaturperiode Mitglied dieses Hauses; ich
habe es extra noch einmal nachgelesen - haben wir die
Haushaltsmittel für den Ökolandbau auf 10 Millionen
Euro festgeschrieben.
({1})
Diese Mittel sollten nach und nach abgeschmolzen werden; das Bundesprogramm sollte auslaufen. Was haben
wir getan? Wir haben auf diese 10 Millionen Euro noch
einmal 6 Millionen Euro draufgesattelt. Sich hier so zu
echauffieren, ist einfach lächerlich. Da sieht man, wie
gut unser Haushalt eigentlich ist.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dort, wo wir Verantwortung übernehmen konnten, haben wir es getan.
Ich wünschte, auch die Länder würden ihre Verantwortung wahrnehmen - darum jetzt auch der Blick in Richtung der Länder - und nicht nur immer neue Kompetenzen fordern. Meine Kollegin Mechthild Rawert hat das
für den Bereich Verbraucherschutz bereits angespro13498
Waltraud Wolff ({3})
chen: Wenn es darum geht, die Verbraucherberatung
zu unterstützen, dann ist das eben Ländersache.
({4})
Da kann man von dieser Stelle aus nur sagen: Liebe Länder, nehmt diese Verantwortung wahr! Diese Aufgabe
kommt euch zu. Wer hier kürzt, der betreibt Politik gegen Verbraucherinnen und Verbraucher.
({5})
Dasselbe gilt für die landwirtschaftliche Sozialpolitik. 3,7 Milliarden Euro stellen wir für das Jahr 2008 zur
Verfügung. Dazu kommen noch die Erlöse aus den Forderungsverkäufen. Wir, Schwarz-Rot, stehen zu diesem
Sondersystem. Deswegen haben wir ja auch die Landwirtschaftliche Sozialversicherung reformiert.
Was allerdings mittlerweile wirklich nur noch entsetzlich klingt, ist die Haltung der Länder.
({6})
Wer eine noch so kleine Reform verhindern will, wer das
landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem an dieser Stelle infrage stellt, der macht letztendlich auch Politik gegen die Bauern.
Wir machen eine Politik für die Landwirtschaft, für
die ländlichen Räume und für die Verbraucherinnen und
Verbraucher. Das bedeutet Verlässlichkeit, keine Frage.
Das bedeutet aber auch, dass man Herausforderungen
annehmen muss, dass man Lösungen entwickeln muss.
Auch das spiegelt sich in unserem Haushalt wider. Wir
stellen uns den Herausforderungen, und wir stellen die
Weichen richtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht erst seit im
März die OECD ihren Prüfbericht zur Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ vorgestellt
hat, wissen wir, dass wir die Ausrichtung unserer Politik
für die ländlichen Räume neu diskutieren müssen. Wir
haben mit dem Wettbewerb „Regionen aktiv“ beispielhafte Konzepte in der ganzen Bundesrepublik entwickelt. Hier ist es natürlich wichtig, die Strategie auch an
der neuen ELER-Verordnung auszurichten. Politik für
die ländlichen Räume ist für uns Politik für die Menschen, die dort leben.
Aus diesem Grund ist auch die ganze Diskussion, die
hier schon zum Thema Breitband geführt worden ist,
vollkommen richtig. Die Anmerkung, die Kollegin
Tackmann und Kollege Goldmann gemacht haben, das
sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, ist in der Diskussion schon eindeutig widerlegt worden. Wir bündeln
die verschiedenen Fördermöglichkeiten und haben auch
hier einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.
Wenn die Opposition meckert, dann nur, weil sie nicht
selbst auf diese gute Idee gekommen ist.
({7})
Der Klimawandel stellt im Moment und auf absehbare Zeit sicherlich die allergrößte Herausforderung für
die Landwirtschaft dar, und zwar nicht nur in der Bundesrepublik, sondern weltweit. Die Landwirtschaft befindet sich in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite
können wir mit der landwirtschaftlichen Produktion
Strom und Wärme erzeugen und von den Produkten etwas in die Motoren gießen. Auf der anderen Seite trägt
die Landwirtschaft aber auch zum Klimawandel bei. Gerade der Verlust von CO2-Speichern, zum Beispiel durch
den Humusabbau oder die Rodung von Wäldern, belastet die Klimabilanz der Landwirtschaft. Doch nicht zuletzt auch die Landwirtschaft selbst wird stark vom Klimawandel betroffen sein.
Das sind gute Gründe für die Förderung von Energieeffizienz in der Landwirtschaft, für die weitere Förderung
des Ökolandbaus und für den Ausbau der Forschung. Gerade durch die Errichtung des Biomasseforschungszentrums in Leipzig sind die Weichen so gestellt worden, wie
es notwendig ist. Es stand, Herr Minister Seehofer, durchaus auf meiner Agenda, hier auf das Biomasseforschungszentrum in Leipzig zu sprechen zu kommen.
Ich glaube, auch das macht wieder einmal deutlich, dass
die Opposition Erfolge, die die Regierungskoalition erreicht hat, nicht akzeptieren kann.
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Woche hat die EU-Kommission ihre Vorstellungen zur weiteren Entwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgelegt. Ich unterstütze die Kommission bei ihrem Ziel,
mehr Mittel für die zweite Säule zur Verfügung zu stellen. Dabei ist es richtig, verstärkt Mittel aus der ersten
Säule dazu zu verwenden, um eine klima- und umweltschonende Landwirtschaft zu fördern.
({9})
Ich weiß, dass wir innerhalb und außerhalb der Koalition
noch über viele Details streiten werden. Das ist ganz
klar. Eine Stärkung der zweiten Säule steht für mich
aber außer Frage.
({10})
Um noch einmal auf den Anfang der Debatte zu sprechen zu kommen: Sehr geehrte Frau Kollegin HappachKasan, Sie sprachen § 28 der Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages an. Ich möchte hier darauf aufmerksam machen, dass wir, wenn es darum geht, die
Gelder verstärkt im Bereich der zweiten Säule einzusetzen, mit Herrn Minister Seehofer nicht unbedingt einer
Meinung sind.
({11})
Diesbezüglich besteht noch viel Diskussionsbedarf, auch
innerhalb der Großen Koalition.
({12})
Waltraud Wolff ({13})
Unumgänglich ist für mich aber auch ein Verzicht auf
Kappungsgrenzen und Degressionen. Es geht nicht darum, ob große oder kleine Betriebe besser sind. Es geht
doch vielmehr darum, welche Leistungen ein Betrieb erbringt. Es geht an dieser Stelle auch überhaupt nicht darum, die Landwirtschaft gerade dort zu schwächen, wo
eine Stärkung der ländlichen Räume nötig ist. Das Festhalten an Kappungsgrenzen und Degressionen steht auf
jeden Fall für eine Politik gegen die Betriebe in Ostdeutschland und auch gegen die großen Betriebe in den
alten Bundesländern. Dem können und wollen wir nicht
zustimmen.
({14})
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss.
({0})
Alles in allem handelt es sich um einen abgerundeten
Haushalt. Das haben wir an der Diskussion gesehen. An
dieser Stelle danke ich Herrn Minister Seehofer, seinem
Haus und den Berichterstattern im Haushaltsausschuss
noch einmal ausdrücklich für die geleistete Arbeit. Wir
haben fachlich und haushalterisch gut zusammenarbeiten können. Herzlichen Dank! Jeder kann diesem Haushalt eigentlich nur zustimmen.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10, den Einzelplan des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in der
Ausschussfassung.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
FDP vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7298? - Wer
ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Wer stimmt nun für den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Der Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen
angenommen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.8 auf:
Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
- Drucksachen 16/6414, 16/6423 Berichterstattung:
Abgeordnete Ewald Schurer
Dr. Claudia Winterstein
Anja Hajduk
Zum Einzelplan 15 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion der FDP und drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich
sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Dann werden
wir so verfahren.
Ich würde gern die Aussprache eröffnen, bitte aber
vorher diejenigen, die der weiteren Debatte nicht folgen
wollen, ihre Gespräche nach Möglichkeit draußen fortzusetzen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Dr. Claudia Winterstein das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der mit Abstand größte Ausgabeposten im
Haushalt der Gesundheitsministerin ist der 2,5 Milliarden Euro schwere Steuerzuschuss an die gesetzliche
Krankenversicherung. Dieser Posten bedeutet auf Jahre
eine schwere Hypothek für den Steuerzahler. Jahr für
Jahr soll dieser Zuschuss um 1,5 Milliarden Euro anwachsen, bis auf die Summe von 14 Milliarden Euro im
Jahr 2016.
({0})
Bis dahin entstehen im Bundshaushalt also Kosten in
Höhe von 76,5 Milliarden Euro. Vorschläge, wie diese
Summe finanziert werden soll, hat die Regierung bisher
nicht vorgelegt. Wir halten es für verantwortungslos,
Milliardenausgaben über Jahre hinweg ohne eine solide
Gegenfinanzierung festzulegen. Das ist keine vernünftige Haushaltspolitik.
({1})
Wir lehnen den GKV-Zuschuss nicht nur aus haushaltspolitischen Gründen ab. Unser Gesundheitssystem
braucht statt Pseudoreformen eine echte Reform, wenn
wir auch in Zukunft für die Bürger eine umfassende Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau garantieren wollen. Wir halten es daher für falsch, immer mehr Geld in
ein marodes System zu pumpen. Dadurch sinkt nur der
Druck, die Gesundheitsfinanzierung grundsätzlich zu
reformieren und zukunftsfest zu machen. Statt dies zu
machen, laden Sie, Frau Ministerin, die Kosten einfach
beim Bürger ab und verschieben die Lasten in die Zukunft. Die erhofften Effekte Ihrer sogenannten Gesundheitsreform sind nämlich nicht eingetreten. Der Beitragssatz ist mit durchschnittlich 14,8 Prozent auf
Rekordhoch. Von Wettbewerb zwischen den Krankenkassen kann überhaupt keine Rede sein.
({2})
Von einem effizienten Gesundheitswesen sind wir nach
wie vor weit entfernt.
Die gleiche kurzsichtige Politik erleben wir auch
beim Thema Pflege.
({3})
Auch hier machen Sie nichts weiter, als über höhere Beiträge mehr Geld ins System zu pumpen. Ein Konzept für
eine langfristige Finanzierung bleiben Sie auch hier
schuldig.
({4})
Da ist es schon bemerkenswert, wenn die Kanzlerin nur
wenige Tage nach dem Beschluss der Pflegereform im
Kabinett feststellt:
Wir wissen, es kommt der Tag, da müssen wir eine
Kapitaldeckung einführen.
Ja, wann soll dieser Tag denn nun eigentlich kommen?
({5})
Wie lange wollen Sie die Pflegeversicherung denn noch
von der Hand in den Mund leben lassen? Bis zum Jahr
2030 werden wir etwa 3 Millionen Pflegebedürftige zu
versorgen haben - ein Drittel mehr als heute.
({6})
Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung müsste dann bei
etwa 4 Prozent liegen, also doppelt so hoch wie heute.
Sehr geehrte Frau Ministerin, der Tag, an dem wir in
die Kapitaldeckung einsteigen müssen, ist schon längst
gekommen. Je früher wir das System umstellen, desto
besser.
({7})
Die FDP hat schon längst ein Konzept vorgelegt, mit
dem wir das umlagefinanzierte System nach und nach
auf ein System mit Kapitaldeckung umstellen können.
({8})
So schaffen wir eine nachhaltige Finanzierung von Pflegeleistungen.
({9})
Meine Damen und Herren, all diese gescheiterten Reformvorhaben aus dem Hause Schmidt lassen sich im
Kern auf eine einfache Ursache zurückführen: Es handelt sich um die Unfähigkeit von SPD und Union, wirkliche Reformen zu schaffen.
({10})
Bei all den Machtspielchen bleiben als politische Ergebnisse der Großen Koalition nur fade Kompromisse und
Einigungen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. In
der Gesundheitspolitik ist dies besonders deutlich geworden. Mitunter kommt es überhaupt nicht zu Kompromissen, und Gesetzesvorhaben werden gleich wieder begraben, wie es jüngst bei der geplanten Errichtung der
Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur,
der DAMA, der Fall war.
Gesundheitsmurks, Pflegemurks, gescheitertes DAMAErrichtungsgesetz! Der nächste Flop aus dem Gesundheitsministerium kündigt sich auch schon an: Nach jahrelanger Diskussion liegen nun wieder einmal neue
Pläne für ein Präventionsgesetz vor. Wie bereits bei der
Gesundheitsreform wählen Sie auch hier den Weg der
zentralistischen Einheitslösung. Ein Fonds soll es wieder
einmal richten. Stolze 400 Millionen Euro wollen Sie
einsammeln, überwiegend von den Krankenkassen. Über
die Verwendung dieser Mittel soll dann aber zentral eine
Bundesstiftung entscheiden. Das bedeutet mehr Bürokratie und weniger Mitsprache für die Kassen und die
Länder. Dabei findet Prävention vor Ort statt. Sie wollen
Gelder unter Ihre Kontrolle bringen, um weiterhin Ihre
Strategie der Volksbevormundung verfolgen zu können.
({11})
Aber auch beim Präventionsgesetz sind die Misstöne
zwischen Union und SPD schon wieder verdächtig laut.
Es darf also bezweifelt werden, ob in dieser Legislaturperiode überhaupt noch ein Gesetz zustande kommt.
({12})
Schon zur Halbzeit von Schwarz-Rot lässt sich für
den Bereich der Gesundheitspolitik feststellen: Ob Gesundheit, Pflege oder Prävention - gestritten wurde viel,
geschaffen wurde wenig, und zu tun bleibt noch eine
ganze Menge. Dazu fehlt dieser Koalition allerdings die
Kraft.
Danke.
({13})
Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege
Ewald Schurer.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Einzelplan
Gesundheit des Haushalts 2008 werden die bisher bekannten und bewährten Schwerpunktsetzungen beibehalten. Die Kollegin Winterstein hat die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für
gesamtgesellschaftliche Aufgaben als nicht verantwortungsvoll bezeichnet. Im Gegensatz zu dieser Aussage
sehe ich darin ein sehr verantwortungsvolles Vorgehen.
Dieser Posten wird jetzt mit 2,5 Milliarden Euro ausgestattet. Bis 2016 kommen jährlich jeweils 1,5 Milliarden Euro hinzu, bis der anvisierte Betrag von 14 Milliarden Euro erreicht ist.
({0})
Die Gegenfinanzierung, meine Damen und Herren, ist
durch die Einnahmen des Bundeshaushalts jetzt und für
die Zukunft definitiv sichergestellt.
({1})
Lassen Sie mich an dieser Stelle zunächst einmal dem
Ministerium, der Frau Ministerin, den Staatssekretären
und den Mitarbeitern des Hauses für die gute Zusammenarbeit recht herzlich Danke sagen. Bedanken möchte
ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern und innerhalb der Koalition beim Kollegen Barthle.
Um das Gesamtvolumen des Haushalts in Höhe von
knapp 2,9 Milliarden Euro richtig einschätzen zu können, muss man erst einmal die bereits erwähnten 2,5 Milliarden Euro veranschlagen. Wenn man das getan hat,
kommt man zu dem Schluss, dass der eigentlich substanzielle Teil dieses Einzelplans die verbleibenden 400 Millionen Euro sind.
Die Strukturanalyse zeigt Folgendes auf:
Circa 70 Millionen Euro sind für das Ministerium
selbst eingeplant.
124 Millionen Euro werden für die allgemeinen Bewilligungen ohne den Pauschbetrag benötigt. Damit Sie
sich das vorstellen können: In diesem Bereich sind beispielsweise Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz angesiedelt, hiervon wird der Aktionsplan „Gesundheitliche Prävention durch Ernährung/Bewegung“ finanziert,
hiervon werden Modellmaßnahmen zur Verbesserung
der Versorgung Pflegebedürftiger und die so wichtigen
Ausgaben für die Aidsbekämpfung finanziert.
186 Millionen Euro sind für die fünf sogenannten
nachgelagerten Institute des Bundesgesundheitsministeriums vorgesehen.
Weitere 18 Millionen Euro stehen für Versorgungsausgaben des Gesundheitsministeriums zur Verfügung.
Für Titel mit eigentlichem Programmcharakter werden insgesamt 66 Millionen Euro veranschlagt.
Der finanzielle Schwerpunkt wird bei der Prävention
gesetzt. Unsere Anstrengungen in diesem Bereich setzen
wir also fort, verbunden sogar mit gewissen Erhöhungen.
({2})
Allein 21,4 Millionen Euro werden zur Bekämpfung
von HIV/Aids und zur Bekämpfung des Suchtmittelund Drogenmissbrauchs ausgegeben. Dies ist vor dem
Hintergrund leider nach wie vor steigender Ansteckungszahlen insbesondere im Bereich HIV/Aids zu sehen.
Lassen Sie mich deshalb, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, in der heutigen Debatte darauf hinweisen, dass
das Robert-Koch-Institut für das erste Halbjahr 2007
1 334 neu diagnostizierte HIV-Infektionen vermelden
musste, immerhin 9 Prozent mehr als im entsprechenden
Vergleichszeitraum von 2006. Das sind natürlich alarmierende Zahlen. Deswegen ist es sicherlich angebracht,
zu sagen, dass auch den Menschen draußen immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden muss: HIV/Aids ist
und bleibt absolut tödlich. Es ist zu einer globalen Bedrohung geworden, und der nationale Kampf muss in internationale Maßnahmenbündel eingebettet sein.
Für uns zählt bei dieser Debatte das Erreichen der
internationalen Millenniumsziele. Die Zunahme der Infektionen muss gestoppt werden. Insgesamt gesehen
brauchen wir eine Trendumkehr bei dieser lebensbedrohenden Epidemie, die sich weltweit ausbreitet.
Die Maßnahmen der Politik bedürfen einer massiven
Unterstützung vonseiten aller, die im Gesundheitswesen
tätig sind. Das sind aber nicht nur die Kassen oder die
üblichen Verdächtigen wie Gesundheitsagenturen. Nein,
ich rufe an dieser Stelle alle in diesem Lande auf, die
professionell mit Kommunikation zu tun haben - das
sind die Medien, die Presse, die Kommunikationsagenturen -, sich diesem Thema noch mehr als bisher zu widmen, es aktiv aufzugreifen und den Menschen wirksam
und verantwortungsvoll nahezubringen.
({3})
Meine letzte Aussage hierzu: Egal, welche sexuelle
Orientierung oder Disposition Menschen in diesem
Lande oder anderswo in der Welt haben - es hilft nur eines: Die Menschen müssen sich wirksam und verantwortungsvoll schützen. HIV/Aids bedarf ganzjährig einer
großen Aufmerksamkeit, die weit über den am 1. Dezember wieder ins Haus stehenden Welt-Aids-Tag hinausgeht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, einen großen Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung leisten die fünf schon erwähnten
nachgelagerten Behörden des Gesundheitsministeriums.
Das sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information, das Paul-Ehrlich-Institut, das
Robert-Koch-Institut und nun doch wieder, entgegen den
ursprünglichen Planungen, die noch in der ersten Lesung
hier im Mittelpunkt standen, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, also das BfArM. Für
alle Institute gemeinsam haben wir, wie schon gesagt, im
Haushalt 186 Millionen Euro in Ansatz gebracht.
Leider ist der an dieser Stelle in der ersten Lesung angekündigte Transfer des BfArM in eine Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur nicht gelungen. Das DAMA-Errichtungsgesetz war schon sehr weit
gediehen. Der Bundesrat hatte bereits am 16. Februar
dieses Jahres seine Zustimmung signalisiert. Ziel dieser
Agenturlösung war es, bessere und schnellere Zulassungsverfahren zu erreichen und trotzdem die Arzneimittelsicherheit nicht zu verringern, sondern zu erhöhen
sowie die Wettbewerbsfähigkeit einer deutschen Agentur auf dem europäischen und internationalen Markt entsprechend zu verbessern.
Wir Sozialdemokraten wollten und wollen dabei immer eine eigenständige Pharmakovigilanz, zwar unter
dem Dach einer neuen Agentur DAMA - so war es angestrebt -, aber rechtlich und steuerfinanziert als unabhängige Bundesstelle. Kurzum: Wir wollten eine eigenständige und öffentlich finanzierte Pharmakovigilanz,
die die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Arzneimittelrisiken absolut sicherstellt. Alle anderen Interpretationen, leider auch in Pressemeldungen des geschätzten Koalitionspartners CSU, waren an der Stelle nicht
richtig und lagen von der Tendenz her eher etwas - so
würde ich sagen - daneben.
({4})
Das kurzfristige Veto unserer Freunde von der CSU
stoppte unsere Pläne. Als Hauptberichterstatter für Gesundheit im Haushaltsausschuss bedauere ich dies sehr.
Wir haben deshalb in der Bereinigungssitzung vom
15. November das Kapitel 1510 wieder aktiviert. Das
war die einzige Chance, die wir nach dieser Aktion hatten. So ergeben sich jetzt wieder Ausgaben in Höhe von
insgesamt 60,6 Millionen Euro für das revitalisierte
BfArM. Diesen Ausgaben stehen Einnahmen in Höhe
von 42 Millionen Euro gegenüber, sodass die Wiederaktivierung des Kapitels 1510 haushaltsneutral abgelaufen ist.
Zum Schluss möchte ich noch betonen: Wir werden
an den Zielen festhalten. Auch künftig müssen die Prozessabläufe der Zulassung optimiert werden. Wir brauchen verbesserte Zulassungsbedingungen. Wir brauchen
zeitlich attraktive Bedingungen, und wir müssen international auch mit einem BfArM absolut konkurrenzfähig
sein.
Lassen Sie mich abschließend hinzufügen, dass eines,
was uns als Haushältern sehr wichtig war, geräuschlos
und gut gelaufen ist: Es ist uns gelungen, das RobertKoch-Institut mit 49 neuen Stellen auszustatten, dies
deswegen, weil die Herausforderungen bei der Gesunderhaltung der Bevölkerung gestiegen sind. Die Bundesregierung muss zur Bewältigung bekannter und neu
hinzukommender Krankheiten oder Erreger oder Resistenzen oder möglicher biologischer Anschläge in der
Lage sein, entsprechende Vorsorge zu treffen. Deswegen
war es richtig und wichtig, das RKI mit 49 Stellen zu
verstärken. Weitere Stellen werden folgen.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Fazit: Der Haushalt ist solide. Er entspricht den inhaltlichen Anforderungen an eine moderne Gesundheitspolitik.
Ich bedanke mich ganz herzlich.
({0})
Nun hat das Wort der Kollege Frank Spieth für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 15, Gesundheit, ist einer der eher kleineren Haushalte im Bundeshaushalt; aber die in diesem Bereich gemachte oder
unterlassene Politik ist für die Menschen in diesem Land
mit erheblichen Folgen verknüpft. Frau Ministerin - das
sage ich an dieser Stelle auch -, wir werden sehr wahrscheinlich mit unseren Vorschlägen scheitern. Dabei hätten wir Ihnen gern mehr Geld für Ihren Haushalt zur Verfügung gestellt, um die großen Projekte, die in der
Koalitionsvereinbarung vorgeschlagen sind, tatsächlich
zu realisieren.
({0})
Ich glaube nicht, dass sich insbesondere die Kollegen
aus der CDU/CSU hier dazu hinreißen lassen. Aber wir
werden es sehen.
({1})
Wir werden heute sehr kritisch Bilanz ziehen. Ich
habe mir vorgenommen, auch im Namen meiner Fraktion, auf einige Punkte einzugehen.
Ich möchte damit beginnen, dass ich auf das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz eingehe,
das vor einem Jahr quasi als Wunderwaffe gegen Preissteigerungen im Arzneimittelsektor angepriesen wurde.
Heute können wir feststellen: Ziel verfehlt. Die Ausgaben der Kassen für Medikamente steigen im Jahr 2007
um weitere 2 Milliarden Euro, also um schlappe 8 Prozent. Die gesetzlichen Krankenkassen geben mittlerweile für Medikamente mehr aus als für alle Arztpraxen
zusammen - ein unerträglicher Zustand!
({2})
Einige Maßnahmen des Gesetzes waren ja richtig,
zum Beispiel die Möglichkeit, Rabattverträge abzuschließen, und die Regelung, dass die Patienten für besonders günstige Medikamente nichts zuzahlen müssen.
Dennoch wird der Preistreiberei der Pharmakonzerne
nicht ausreichend Einhalt geboten. Die Pharmafirmen
können den Krankenkassen bei Neuzulassungen nach
wie vor die Preise diktieren. Die 15 000 Pharmareferenten nehmen täglich massiv Einfluss darauf, was Ärzte
verschreiben. Der Beitragszahler muss blechen, und die
Patienten können nur noch schlucken.
({3})
Die Fraktion Die Linke fordert deshalb, dass endlich die
Positivliste eingeführt wird. Dann müssen nur noch die
Medikamente von den Kassen bezahlt werden, deren
Nutzen belegt ist. Damit beenden wir außerdem den Unsinn, dass der Arzt im letzten Monat eines Quartals keine
Medikamente mehr verschreiben kann, weil sein Budget
überschritten ist.
({4})
Ein anderes Thema: Die Zweiklassenmedizin in den
Krankenhäusern hat sich durch die Einführung der
Fallpauschalen noch weiter verschlimmert. Die Krankenhäuser können bei den Kassen nicht mehr die Zahl
der Behandlungstage abrechnen, sondern nur noch einen
pauschalen, je nach Krankheit festgelegten Eurobetrag,
egal wie lange der Patient im Krankenhaus liegt. Gewinne machen damit die Krankenhäuser, die die Leute
möglichst frühzeitig nach Hause schicken, weil die Aufenthaltsdauer zum Kostenfaktor geworden ist. Wir haben
deshalb die Bundesregierung gefragt: Führt dieses
Finanzierungssystem zur sogenannten blutigen, also vorzeitigen Entlassung, ohne dass die Patienten genesen
sind, und welche Folgen hat das für die gesundheitliche
Versorgung der Patienten? Die Antwort der Bundesregierung ist erschreckend: Sie besitze dazu keine belastbaren Informationen.
Seit drei Jahren gibt es aber den gesetzlichen Auftrag,
die Folgen dieser neuen Finanzierung durch Fallpauschalen für die Patienten und für die Qualität der Versorgung zu erforschen. Wir haben den Eindruck, dass
infolge der Fallpauschalen die gesetzlich Krankenversicherten in den Krankenhäusern anders behandelt werden
als privat Versicherte. Auch das ist ein Skandal in
Deutschland.
({5})
Mit der zunehmenden Kommerzialisierung des Gesundheitswesens steigt die Gefahr, im Krankenhaus richtig krank zu werden. Die Bundesregierung versagt dabei,
das Problem der multiresistenten Keime in Krankenhäusern zu lösen. Das bewirkt, dass Menschen, deren
Abwehrkräfte geschwächt sind, zum Teil kranker aus einem Krankenhaus herauskommen, als sie hineingegangen sind, weil allgemein anerkannte Hygienestandards,
zum Beispiel die Händedesinfektion zwischen zwei Patientenkontakten, schlicht und ergreifend nicht eingehalten werden. In den Niederlanden funktioniert das besser.
Dort hatte man das gleiche Problem, und man hat dieses
Problem gelöst. Wir haben deshalb die Bundesregierung
auch gefragt, warum das Problem bei uns immer größer
wird und was sie dagegen macht. Antwort: Die Zuständigkeit liege bei den Ländern. - Frau Ministerin, das
reicht nicht aus. Der Bund ist in der Pflicht und hat dafür
zu sorgen, dass dieses Problem auch in Deutschland gelöst wird. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
({6})
Noch etwas läuft schief: Etliche Krankenhäuser sind
mittlerweile in einem erbärmlichen Zustand. Die Deutschen Krankenhausgesellschaft geht von einem Investitionsstau in Höhe von über 50 Milliarden Euro aus. Die
Länder und Kommunen sind völlig überfordert, diesen
Batzen alleine zu schultern. Im Interesse der Patienten
und der dort Beschäftigten haben wir deshalb den Antrag
gestellt, dass sich der Bund über ein Zukunftsinvestitionsprogramm an den Kosten zur Hälfte beteiligen soll.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren soll damit der Investitionsstau abgebaut werden. Das heißt, der Bund
müsste jährlich 2,5 Milliarden Euro dafür bereitstellen.
Das würden wir ihm gerne geben.
({7})
- Dazu haben wir auch Gegenfinanzierungsvorschläge
gemacht. Das müssten Sie wissen. In den Bereinigungssitzungen im Ausschuss haben Sie das ja ausführlich behandelt.
({8})
Wenn unser Gesundheitssystem auch in 20 Jahren
noch funktionieren soll, dann muss die Gesundheitspolitik endlich präventiv ausgerichtet werden. Ich musste
meinen Redebeitrag kurzfristig ändern, weil wir vorhin
aus der Presse erfahren haben, dass Sie, Frau Ministerin,
jetzt offenkundig auf die CDU/CSU zugegangen sind
und wesentliche Positionen der SPD aufgegeben haben.
Offenkundig soll ein zukünftiges Präventionsgesetz
jetzt doch auf den Weg gebracht werden. Die Blockadehaltung der CDU/CSU, die das Gesetz schon unter RotGrün blockiert hat - im Bundesrat ist es am schwarzen
Veto gescheitert -, soll so überwunden werden. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir dieses Präventionsgesetz bekommen; denn die Lebenserwartung des ärmsten Fünftels der Bevölkerung liegt etwa neun bis zehn Jahre
niedriger als die des reichsten Fünftels in dieser Gesellschaft. Auch dies ist aus unserer Sicht unerträglich.
({9})
Es ist an der Zeit, dass nicht nur Krankheiten, sondern
auch krankmachende Verhältnisse bekämpft werden. Erfolgreiche Prävention muss deshalb insbesondere bei
Menschen mit geringem Einkommen ansetzen.
({10})
Weitere Musterbeispiele der unbefriedigenden Politik
sind der Bundeszuschuss an die Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben - davon war hier schon
die Rede - und die Senkung der Beiträge für Arbeitslose.
Auch dies sollte genannt werden.
Die Absenkung der Beiträge für Arbeitslose an die
Krankenkassen hat dort zu einem Einnahmeausfall von
7,1 Milliarden Euro geführt. Diese zusätzliche Belastung
muss die Versichertengemeinschaft über höhere Beiträge
solidarisch schultern. Wir hatten deshalb vorgeschlagen,
dass anstelle der Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung den Krankenkassen wieder der erforderliche höhere Beitrag zugeführt wird. Davon hätten viel
mehr Menschen einen Nutzen. Das wurde aber abgelehnt.
({11})
Der von Rot-Grün eingeführte Bundeszuschuss zur
Finanzierung gesellschaftlicher Leistungen ist im letzten Haushalt auch geändert worden. Den Kassen sollten
damit ursprünglich die Mutterschaftsleistungen aus
Steuermitteln ersetzt werden. Nur 2006 haben sie einmalig den vollen Zuschuss erhalten. Im Haushalt 2007
wurde ihnen jedoch eine massive Kürzung in Höhe von
über 2,5 Milliarden Euro zugemutet. Dies ist keine verlässliche Politik, sondern eine Politik der Unzuverlässigkeit auf dem Rücken der Patienten und der Versicherten.
Das können wir nicht akzeptieren.
({12})
Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag eine
Wiederaufstockung um 1,7 Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden Euro gefordert.
Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens
führt zunehmend zur Rationalisierung sowie zur Rationierung, und sie macht Angst. Dies wurde mir in Briefen
und Veranstaltungen - zum Beispiel gestern Abend in
Dresden - von vielen Beschäftigten und Patienten geschildert. Die Regierung redet zwar darüber, ändert aber
nichts an der Entwicklung - im Gegenteil. Die Linke
wird es nicht akzeptieren, dass privat Krankenversicherte mehr Leistungen erhalten, weniger zuzahlen und
nie warten müssen, während gesetzlich Krankenversicherte immer weniger Leistungen bei gleichzeitig immer
höheren Zuzahlungen erhalten, immer länger auf einen
Termin warten müssen und bei manchen Spezialisten
schon gar nicht mehr vorgelassen werden. Kollege
Lauterbach hat dies in seinem jüngsten Buch richtig beschrieben.
Aber die Regierung treibt den Keil mit den Wahltarifen noch tiefer. Sie tragen mit dem Teilkaskotarif für
Gesunde und dem Vollkaskotarif für Kranke zu einer
zusätzlichen Spaltung bei den gesetzlich Krankenversicherten bei. Sie machen damit aus der Zweiklassenmedizin, die bisher gesetzlich und privat Versicherte spaltete,
eine Dreiklassenmedizin. Die Linke will das nicht.
({13})
Wir wollen eine solidarische und soziale Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, damit Privilegien, Rosinenpickerei und Spaltung beendet werden - in der Kranken- wie in der Pflegeversicherung.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({14})
Der nächste Redner ist der Kollege Norbert Barthle
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Bevor ich in den Einzelplan 15 einsteige, möchte ich mich zunächst bei Frau Ministerin
Schmidt, ihrem Hause, allen Beteiligten, die an der Erstellung dieses Haushaltsentwurfs beteiligt waren, und
vor allem auch bei meinen Mitberichterstatterkollegen
unter Führung von Ewald Schurer bedanken. Wir waren
uns mit wenigen Ausnahmen in den meisten Punkten immer einig, wie wir vorgehen wollen. Das prägt unsere
Zusammenarbeit. Dies zeigt sich auch daran, dass es mit
einer Ausnahme zu diesem Etat keine Änderungsanträge
aus unserem Kreise gab.
Der Regierungsentwurf mit einem Volumen von
2,9 Milliarden Euro war ein recht guter Entwurf. Rechnet man die 2,5 Milliarden Euro Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung heraus - aber nicht im Sinne
einer Streichung, wie es die FDP macht; das wäre ein
riesengroßer Fehler -, dann bleiben wir mit 398 Millionen Euro bei einem überschaubaren, aber wichtigen Etat.
Eine ganz zentrale Rolle innerhalb dieses Etats nimmt
die Vorsorge und die Aufklärung ein. Dafür geben wir
66 Millionen Euro aus. Wichtigster Posten dabei ist die
Aidsbekämpfung. Auch ich - mein Kollege Schurer hat
bereits darauf hingewiesen - möchte für meine Fraktion
betonen, dass dies für uns ein Schwerpunkt ist. Deshalb
haben wir die dafür zur Verfügung stehenden Mittel sukzessive auf jetzt 15,8 Millionen Euro erhöht, natürlich
auch deshalb, weil die Zahl der Neuinfizierten in
Deutschland von Jahr zu Jahr zunimmt. Lagen wir 2004
noch bei 2 300 Neuinfizierten, so schätzt das RKI für das
Jahr 2007 bereits 3 000. Das muss uns zu denken geben.
Wer mit der Aidshilfe vor Ort spricht - ich habe das
in meinem Wahlkreis gemacht -, der erfährt, dass sich
zunehmend eine Präventionsmüdigkeit breitmacht, dass
das Risikobewusstsein mehr und mehr sinkt und dass
eine Bedrohung aus Osteuropa hinzukommt, die sich
insbesondere im Bereich der Hausfrauenprostitution niederschlägt.
Schaut man sich dann noch die dramatische Situation
hinsichtlich Aids in Afrika an - rund 3 Millionen Tote
im Jahre 2006, rund 5 700 Tote pro Tag -, dann wundert
man sich, warum in der deutschen Öffentlichkeit diese
Katastrophe so sehr im Stillen vor sich geht. Dabei erkennt man in Afrika, dass die Frage, wie man mit dieser
Bedrohung umgeht, einen ganz entscheidenden Einfluss
auf die Zahl der Neuinfizierten hat. Deswegen legen wir
so großen Wert auf Aufklärung und Prävention.
Ein zweiter Bereich, in dem Aufklärung und Prävention sehr bedeutsam ist, ist der Drogen- und Suchtmittelmissbrauch. 16,3 Millionen Euro stellen wir für Aufklärung und Prävention zur Verfügung. Das sind
300 000 Euro mehr als im Vorjahr, obwohl nach Auskunft der Drogenbeauftragten der Drogenkonsum zurückgeht. Allerdings steigt der Alkoholmissbrauch vor
allem bei Jugendlichen - Berichte über Flatrate-Partys
gingen durch die Presse - an. In dem Bereich müssen
wir dafür sorgen, dass ein verantwortungsvoller, pflichtbewusster und mäßiger Umgang mit Alkohol auch bei
den Jugendlichen Platz greift.
Ein weiterer Punkt, in dem Prävention ganz entscheidend ist, ist das Übergewicht. Rund 50 Prozent unserer
Bevölkerung sind übergewichtig. Zunehmend mehr Jugendliche und Kinder müssen leider dazugerechnet werden. Oft treten bei ihnen motorische Defizite auf. Auch
hier ist Aufklärung von ganz entscheidender Bedeutung.
Anderenfalls droht uns eine Lawine einzuholen, deren
Kosten in den Folgejahren unabsehbar sind.
Lassen Sie mich auf zwei Dissenspunkte innerhalb
unserer Beratungen eingehen. Ich will ganz kurz die
Diamorphinsubstitution ansprechen. Ich habe mich zusammen mit den Fachpolitikern davon überzeugt, dass
es sinnvoll ist, das nicht zur Regelleistung in der GKV
zu machen, sondern den Modellversuch fortzuführen,
({0})
weil es noch offene Fragen gibt, insbesondere was die
Zahl der Anspruchsberechtigten, aber auch was die Ausstiegsszenarien und die Therapiemöglichkeiten anbelangt. Es kann nicht sein, dass Heroin auf Krankenschein
eine Dauerlösung auf Lebenszeit ist. Ich denke, hier gibt
es bessere Rezepte.
({1})
Ich möchte noch das Drama um die DAMA ansprechen. Ich hatte in der ersten Lesung zwei Kriterien aufgestellt und gesagt: Einerseits muss aus der Umformung
mittelfristig ein Gewinn für den Haushalt resultieren. Es
muss also ein Einsparvolumen geben.
({2})
Andererseits muss die Leistung besser werden. Wenn die
Leistung nicht besser wird, braucht man nichts umzubauen. So lauteten meine Worte im September. Schaue
ich mir nun die Fakten an, die das Bundesministerium
für Gesundheit veröffentlicht hat, komme ich zu dem Ergebnis, dass kein Handlungsdruck mehr besteht; denn
das BfArM konnte seine Position im europäischen Vergleich deutlich verbessern.
({3})
Bei den zentralen Zulassungsverfahren lag es 2005 auf
Position zwei und 2006 bereits auf Position eins. Im europäischen Vergleich gehört das BfArM bereits heute in
die Spitzengruppe der Zulassungsstellen.
({4})
Ich habe mich von meinem Fachkollegen unterrichten
und belehren lassen, dass es in der DAMA einen Konflikt zwischen den Bereichen Zulassung und Pharmakovigilanz hätte geben können. Die Stellungnahmen der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Bundesärztekammer und der GKVen muss ich nicht noch einmal
zitieren. Die Bedenken der Union konnten jedenfalls
nicht ausgeräumt werden. Demzufolge bleibt das BfArM
erhalten. Ich wünsche an dieser Stelle dem neuen Leiter
des BfArM, Herrn Professor Löwer, guten Erfolg für
seine Arbeit. Unsere besten Wünsche begleiten ihn. Ich
will nicht verschweigen, dass die DAMA aus Sicht des
Haushälters, aus wirtschaftlicher und finanzieller Perspektive vielleicht noch effektiver hätte arbeiten können.
Das mag sein, aber im Gesundheitsbereich muss immer
die Devise gelten: Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit.
({5})
Als letzten Posten innerhalb des „großen“ Haushalts
möchte ich die Personalkosten ansprechen. Über
166 Millionen Euro bzw. rund 41 Prozent des gesamten
Etats werden für Personal aufgewendet. Wir haben im
Bereich des BMG das Robert-Koch-Institut mit
49 neuen Stellen ausgestattet. Wir wollen bis zum Jahr
2011 weitere 98 Stellen schaffen, weil wir der Auffassung sind, dass das Robert-Koch-Institut eine Behörde
ist, die besonders gefördert und zu einem Bundesinstitut
ausgebaut werden muss, damit es umfassende Gesundheitsaufgaben für die Bevölkerung wahrnehmen kann.
Damit beweist die Große Koalition, dass sie mit Augenmaß spart und dort investiert, wo es notwendig ist. Wir
nehmen auch im Bereich des Gesundheitswesens unsere
Devise „Investieren, Sanieren, Reformieren“ ernst und
sind auf einem guten, erfolgreichen Weg.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Birgitt Bender
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was in
den Reden der Koalitionshaushälter nur zart aufscheint,
wird bei den Gesundheitspolitikern eher im O-Ton formuliert: So macht Gesundheitspolitik keinen Spaß. Das
sagt nicht etwa die Opposition, sondern einer der Gesundheitspolitiker der Union - ich schaue Sie an, Herr
Spahn -,
({0})
und das nicht etwa nachts in der Kneipe, sondern am
helllichten Tag, sodass alle es nachlesen können.
({1})
Die SPD keilt inzwischen zurück. Was wir in der Gesundheitspolitik, so wie auf vielen anderen Politikfeldern auch, besichtigen können, sind Szenen einer zerrütteten Ehe.
({2})
Schon am Anfang der Legislaturperiode haben wir
gesehen, dass „Große Koalition“ eben nur „kleine Reformen“ heißt, Frau Widmann-Mauz. Inzwischen muss
man schon bezweifeln, dass Sie überhaupt das noch zustande bringen. Sehen wir uns an, was allein in den letzten Monaten angewachsen ist: eine Liste des Scheiterns.
Die Überführung des Bundesinstituts für Arzneimittel
und Medizinprodukte in eine moderne Agentur ist gescheitert.
({3})
Im Dauerclinch liegen Sie bei der Behandlung von Drogenkranken. Sie kommen da einfach nicht heraus. Abgebrochen wurden die Koalitionsverhandlungen zum Präventionsgesetz. Die Ministerin muss schon damit
drohen, einen nicht konsentierten Gesetzentwurf einzubringen.
({4})
Schließlich: Dass in dieser Wahlperiode noch eine umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung zustande
kommt, glauben selbst notorische Optimisten nicht
mehr.
Trotzdem wird die Koalition in dieser Legislaturperiode die Arbeit auf dem Feld der Gesundheitspolitik nicht
einfach einstellen können, das schon deswegen nicht,
weil sie sich selber mit dem GKV-WSG einen Tornister
mit Hausaufgaben vollgeladen hat, an dem sie jetzt
schwer trägt. Besonders deutlich wird das bei der erstmaligen Festsetzung eines Einheitsbeitrags für die Krankenversicherung; denn dafür muss die Bundesministerin
im nächsten Herbst die notwendige Verordnung vorlegen. Dann werden die unterschiedlichen ordnungspolitischen Ausrichtungen und Zielkonflikte in der Koalition
wieder deutlich werden.
Die Ministerin hat mehrfach erklärt, der Beitrag solle
so festgesetzt werden, dass im Wahljahr vermieden wird,
dass eine Krankenkasse den Zusatzbeitrag erheben
muss. Die Union hingegen wird darauf drängen, dass
dieser Einheitsbeitrag möglichst niedrig angesetzt wird,
weil die Arbeitgeber nicht belastet werden sollen
({5})
und weil es ihr gerade recht wäre, wenn ein Zusatzbeitrag erhoben wird; denn sie will, dass aus dem kleinen
Zusatzbeitrag möglichst bald eine große Kopfpauschale
wird.
Darüber hinaus stehen beide Koalitionspartner bei
den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im Wort.
Denen haben sie kräftige Honorarsteigerungen versprochen. Von 2,5 Milliarden Euro war zuletzt die Rede. Die
Koalition steht also im nächsten Jahr vor den Herausforderungen, erstens den Ärzten höhere Honorare zu ermöglichen, zweitens die Lohnnebenkosten stabil zu halten und drittens die Versicherten nicht weiter zu
belasten.
({6})
Das alles soll geschehen, ohne dass eine Finanzreform
zustande kommt. Da kann ich Ihnen nur empfehlen:
Vielleicht ersetzen Sie die Ministerin lieber durch den
Magier David Copperfield. Der könnte das vielleicht bewirken. Politisch wird das kaum möglich sein.
({7})
Angesichts der ineinander verbissenen Koalitionspartner sind größere Reformen in den nächsten beiden
Jahren nicht zu erwarten. Insbesondere - das ist besonders bedauerlich - wird die Sicherung einer nachhaltigen
und gerechten Finanzierung der Gesundheitsversorgung auf Wiedervorlage in der nächsten Wahlperiode
liegen. Stattdessen werden wir eine missmutige Umsetzung Ihrer Gesundheitsreform erleben: Einheitsbeitrag,
Einheitskassenverband, Gesundheitsfonds und krankheitsbezogener Risikostrukturausgleich. Auf all diesen
Baustellen werden Sie wieder anfangen, sich zu streiten.
Die Gefahr ist, dass Sie allein um des Machterhalts willen wieder schiefe Kompromisse formulieren. Kompromisse aber - das haben wir jetzt vielfach erlebt -, die allein aus Gründen der koalitionspolitischen Optik
geschlossen werden, hinterlassen im Gesundheitswesen
tiefe Flurschäden.
({8})
Wir werden als Opposition wachsam sein, um
Schlimmeres zu verhüten. Im Übrigen wird es darauf
ankommen, sich auf den Tag vorzubereiten, an dem
endlich wieder politische Handlungsfähigkeit in die
deutsche Gesundheitspolitik einzieht. Wir als grüne
Opposition werden das tun - ganz ohne magische
Kräfte, aber mit viel politischem Sachverstand.
Danke schön.
({9})
Für die Bundesregierung hat nun die Bundesministerin Ulla Schmidt das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Kollegin Bender, das unterscheidet uns vielleicht:
Ich bin nicht in die Politik gegangen, um mich immer
wohlzufühlen.
({0})
Ich finde, dafür werden wir zu gut bezahlt.
Das Zweite ist: Ich habe immer nach schweren Tornistern getrachtet und nicht nach leichten.
({1})
Sie sehen, ich bin daran nicht zerbrochen. Das geht alles
ganz gut.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich
zunächst einmal bei den Haushältern und vor allem auch
bei den Berichterstattern der Koalitionsfraktionen bedanken. Ich glaube, ihre Aufgabe, angesichts der einzuhaltenden Haushaltsdisziplin nach einem geeigneten
Weg zu suchen, war nicht einfach. Aber sie haben durch
ihre Beratungen und Entscheidungen dazu beigetragen,
dass wir einen Haushalt auf den Weg bringen können,
der wichtige Weichenstellungen für die Zukunft im Gesundheitswesen enthält.
Ich glaube, es ist mit diesem Haushalt gelungen, die
zur Verfügung stehenden Mittel in Projekte zu investieren, die uns Anregungen für eine gute Gesundheitsversorgung geben können, die uns helfen, Untersuchungen
darüber zu finanzieren, wie denn in dem immer schwieriger und komplexer werdenden Gesundheitswesen gute
Hilfe am besten möglich ist und wie wir auf neue Herausforderungen reagieren müssen. Es sind überall im
Haushalt Eckpunkte dafür gesetzt worden, dass wir in
diesem Bereich weitergehen können. Herzlichen Dank
dafür.
Sicherheit und Bezahlbarkeit guter Gesundheitsleistungen sind die Leitlinien der Politik der Bundesregierung. Dazu gehört für uns, dass wir so viel Vorsorge wie
möglich und so früh wie möglich auf den Weg bringen,
dass wir Rehabilitation auch im hohen Alter so früh wie
möglich zur Verfügung stellen und dass wir medizinische Behandlung in bester Qualität durch gut ausgebildete Ärzte und Ärztinnen und gut ausgebildete Pflegekräfte sicherstellen. Das ist der Weg, den die von der
Koalition zu verantwortende Gesundheitspolitik einschlägt. Gerade in einer Gesellschaft, die immer älter
wird, wird es immer wichtiger, die Weichen dafür zu
stellen, dass Gesundheitspolitik bezahlbar bleibt, dass
sie für die Menschen sicher und auch kalkulierbar bleibt.
Eine solche Kalkulierbarkeit und Sicherheit gibt es letztlich nur auf der Grundlage von Gerechtigkeit.
({3})
Kollegin Winterstein, zur Gerechtigkeit gehört auch,
dass gesamtgesellschaftliche Leistungen, Leistungen für
die Familien nicht allein von Beitragszahlerinnen und
Beitragszahlern, sondern auch über Steuermittel finanziert werden. Deshalb ist der Weg, den wir eingeschlagen haben, richtig, die Mittel für Leistungen innerhalb
der gesetzlichen Krankenversicherung Schritt für Schritt
und planbar über Steuern zu erhöhen, um das, was für
Familien jenseits der direkten medizinischen Versorgung
getan wird, von der gesamten Gesellschaft mitfinanzieren zu lassen. Das ist der Weg, den wir gehen.
({4})
Wir haben uns hier zu einem Schritt entschlossen, durch
den auch für die zukünftigen Haushalte sichergestellt
wird, dass wir nach vorne gehen werden.
({5})
Ich bleibe dabei und sage das ganz deutlich auch für
meine Person - auch wenn dies derzeit nicht mehrheitsfähig ist -, dass Gerechtigkeit auf Dauer im Gesundheitswesen nur umgesetzt werden kann, wenn sich alle
in diesem Land entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an den Kosten der Gesundheitsversorgung beteiligen.
({6})
Ich besuche sehr viele Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und andere medizinische Einrichtungen. Entgegen dem, was oft geredet wird, treffe ich dort auf viele
engagierte, tüchtige und ihre Ideale bewahrende Menschen jeder Altersgruppe. Das sind Ärztinnen und Ärzte,
Pflegerinnen und Pfleger und viele andere. Dazu gehören auch Menschen in nicht medizinischen Berufen, die
sich dort engagieren. Ich möchte an dieser Stelle sagen:
Die Menschen, auf die wir dort bauen können, sind ein
ganz großer Schatz in unserer Gesellschaft. Ich möchte
ihnen auch von dieser Stelle aus im Namen der Bundesregierung einmal unseren herzlichen Dank aussprechen.
Wenn es diese Menschen nicht gäbe, wäre unsere Gesellschaft um vieles ärmer. Bei allen unseren Diskussionen
über Dinge, die besser oder anders gemacht werden können, ist zu bedenken: Tag für Tag und Nacht für Nacht
gibt es Menschen in diesem Land, die für andere einstehen, die sich um sie sorgen, die sie medizinisch und pflegerisch behandeln. Viele setzen sich ehrenamtlich dafür
ein, dass das Gesundheitswesen funktioniert. Ich glaube,
wir sind ihnen allen an dieser Stelle zu Dank verpflichtet.
({7})
Ich habe auch viel Vertrauen in diese Menschen. Wir,
die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen, wollen, dass die Rahmenbedingungen für die Arbeit dieser
Menschen verbessert werden. Wir setzen uns daher intensiv dafür ein, dass es eine neue Honorarordnung für
Ärztinnen und Ärzte gibt. Das Anliegen der Ärztinnen
und Ärzte, in einem transparenten und kalkulierbaren
System zu arbeiten, ist berechtigt. Transparenz, Kalkulierbarkeit, angemessene Bezahlung medizinischer Leistungen und Beachtung der Tatsache, dass in einer älter
werdenden Gesellschaft mehr Menschen medizinische
Hilfe brauchen, setzen voraus, dass das entsprechende
Geld zur Verfügung gestellt wird, auch wenn es Mehrkosten bedeutet. Ein gutes Gesundheitswesen wie das
unsere hat seinen Preis, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({8})
- Auch für die Krankenschwestern. Das ist absolut richtig, Herr Kollege Spieth. Auch wenn ich mit Ihnen sonst
nie einer Meinung bin: In dieser Frage bin ich es wirklich.
({9})
Es geht um die Frage, was die Pflege wert ist, Stichwort „Honorierung der Ärzte“. Ich bin fest entschlossen,
dass wir uns intensiv damit befassen. In Meseberg ist
uns ein Auftrag erteilt worden: Die Bundesregierung hat
beschlossen, dass wir uns intensiv damit befassen, wie
wir den Dienst am Menschen in dieser Gesellschaft besser honorieren und besser achten können.
({10})
Denn wir brauchen Menschen, die ihre Arbeit im Bereich der Pflege leisten.
Wir müssen entbürokratisieren; das werden wir tun.
Wir müssen darüber hinaus verhindern, dass mancher,
der Tag und Nacht sehr schwere Arbeit macht, mit relativ wenig Geld nach Hause geht. Ich finde, unser Gesundheitssystem ist weltweit spitze. Aber das, was den
Menschen gezahlt wird, die in der Pflege oder in ähnlichen Berufen tätig sind, ist leider nicht spitze.
({11})
Darüber müssen wir uns unterhalten. Wir müssen Wege
finden, damit sich das ändert; sonst gibt es in Zukunft
nicht genug, die diese Arbeit machen.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der für mich
wichtig ist. Wir müssen in Prävention investieren. Wir
werden ein Präventionsgesetz vorlegen.
({12})
Wir sind uns darin einig, dass es notwendig ist, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Wir diskutieren
über Mechanismen und Instrumente, aber nicht über
grundsätzliche Punkte. Allen, die etwas anderes glauben,
kann ich sagen: Wir werden uns in der Koalition über
neue Wege der Gesundheitsvorsorge einigen.
Wir müssen dafür sorgen, dass vermeidbare Krankheiten nicht auftreten. Wir müssen alles dafür tun, dass
alle Kinder in diesem Land die gleichen Chancen haben,
gesund aufzuwachsen. Gesunde Kinder lernen besser,
und Kinder, die gut lernen, haben bessere Chancen im
Leben. Das wollen wir, und dafür werden wir die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Bundesregierung hat beschlossen, ein Präventionsgesetz vorzulegen. Wir werden darüber debattieren. Wir werden vor
diesen Problemen nicht zurückschrecken. Die Große
Koalition ist sich da ihrer Verantwortung bewusst,
({13})
und wir werden gemeinsam voranschreiten.
({14})
Das Gleiche gilt für die Pflegereform. Hier haben wir
mittlerweile vieles auf den Weg gebracht, damit Menschen, die andere zu Hause pflegen, unterstützt werden.
Wir müssen alles tun, dass diejenigen, die diese Arbeit
machen, nicht von Pontius zu Pilatus laufen müssen, und
dass ihre Leistungen besser honoriert werden. Wir müssen denjenigen, die demenziell Erkrankte betreuen, Hilfe
anbieten. Die Familien müssen diese Aufgaben und vieles mehr wahrnehmen können.
Kollegin Winterstein, zwei Punkte dazu: Ich empfehle Ihnen erstens, unsere Gesetze in beiden Bereichen
zu lesen, und zweitens, auseinanderzuhalten, ob Frau
Dr. Merkel etwas als Kanzlerin und damit als Vertreterin
der Bundesregierung sagt oder ob sie als CDU-Vorsitzende spricht. Dann nämlich beschreibt sie die Positionen ihrer Partei so wie es der SPD-Vorsitzende für seine
Partei tut, wenn er die Einführung der Bürgerversicherung fordert. Das sind zweierlei Paar Schuhe. Wenn aber
zwei Parteien eine Koalition eingehen, haben sie noch
lange nicht das gleiche Programm.
({15})
Wir bleiben bei unseren unterschiedlichen Programmen
und werben darum, dafür Mehrheiten zu gewinnen.
({16})
Als Letztes bedanke ich mich dafür, dass es gelungen
ist, die Mittel für die Bekämpfung von HIV/Aids zu erhöhen. Das ist sehr wichtig, weil wir wieder feststellen
mussten, dass es in Deutschland auch in diesem Jahr
wieder mehr Neuinfektionen gibt. Bis heute gibt es
nichts, was diese Krankheit bekämpft und heilt.
({17})
Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass wir zusätzliche
Mittel bekommen haben, um unseren Nachbarn in Osteuropa zu helfen, geeignete Infrastrukturbedingungen zu
schaffen. Überall geht es darum, dass Menschen, die infiziert sind, Hilfe bekommen, dass ihnen bezahlbare
Arzneimittel, die auf der Höhe des medizinischen Fortschritts sind, zur Verfügung stehen und ihnen der Zugang zu Tests ermöglicht wird. Wir sind dort auf einem
guten Weg, auf einem besseren, als ich im März noch geglaubt hatte.
Auch bei uns werden wir in Prävention und in die Bereitstellung von Angeboten investieren müssen; denn eines ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt
noch keine Heilung, es gibt keine Hilfe zur Rettung der
betroffenen Menschen. Wir können die Menschen nur
aufklären und gegen Diskriminierung und Stigmatisierung kämpfen. Deshalb sage ich: Danke schön, dass Sie
uns dazu Gelegenheit geben und uns das benötigte Geld
zur Verfügung stellen; wir werden es gut einsetzen.
Vielen Dank.
({18})
Das Wort hat nun der Kollege Daniel Bahr für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Rede der Bundesgesundheitsministerin hat
gezeigt, dass Union und SPD immer noch keine gemeinsame Richtung finden.
({0})
Die Koalition beschäftigt sich weiterhin mit sich selbst,
kümmert sich aber nicht um die Probleme im Lande.
({1})
Frau Schmidt, es geht nicht darum, dass CDU/CSU
und SPD von unterschiedlichen inhaltlichen Konzepten
ausgehen, sondern darum, dass nach zwei Jahren dieser
Koalition CDU/CSU und SPD gerade in der Gesundheitspolitik immer noch darüber streiten, welche Richtung sie eigentlich einschlagen wollen. Sie haben keine
Vision über das zukünftige Gesundheitswesen.
({2})
Schauen wir uns einmal die Projekte an, die Sie sich
vorgenommen haben. Da sieht es sehr dünn aus. Das
DAMA-Errichtungsgesetz und damit die Umwandlung
Daniel Bahr ({3})
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte - das ist schon erwähnt worden - sind gescheitert.
Die Gesundheitsreform, bei der die Richtung nicht klar
war, zeigt, wie schwer die Punkte umzusetzen sind, auf
die Sie sich geeinigt haben. Die kontrollierte Abgabe
von Heroin an Schwerstabhängige, für die wir uns immer eingesetzt haben, weil dies den Betroffenen hilft, ist
in der Koalition gescheitert.
({4})
Das Präventionsgesetz ist zumindest zunächst einmal
auf Eis gelegt. Die elektronische Gesundheitskarte,
die in dieser Legislaturperiode eines der Megaprojekte
für Sie sein sollte, ist, was den Zeitplan angeht, noch
lange nicht in der Umsetzungsphase. Ich kann nur erkennen, dass die Projekte, die Sie sich selbst vorgenommen
haben, noch weit davon entfernt sind, wirklich erfolgreich umgesetzt zu werden.
({5})
Nehmen wir das Präventionsgesetz: Hier sollten Sie,
meine Damen und Herren von der CDU/CSU, höllisch
aufpassen. Ich weiß, dass Sie sich dagegen wehren, dass
Beitragsgelder für Aktionismus - damals rot-grünen Aktionismus - und Modellprojekte verwendet werden sollen. Mit Interesse habe ich gestern wahrgenommen, dass
ein Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium in der Öffentlichkeit gestreut wird, in dem
eine wesentliche Änderung vorgenommen worden ist.
Jetzt heißt es zwar nicht mehr „Stiftung für Prävention“,
sondern „Nationaler Rat für Prävention“. Im Endeffekt
geht es aber um dasselbe, nämlich darum, das Geld der
gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung wegzunehmen, um damit Aktionismus und
Modellprojekte zu finanzieren. Weil es unverändert bei
diesem Problem bleibt, sollten Sie von der CDU/CSU
höllisch aufpassen, dass nicht irgendwelche Wunschprojekte der SPD vom Ministerium zweckentfremdet finanziert werden.
({6})
Frau Ministerin Schmidt, auch wir haben applaudiert,
als Sie gesagt haben, dass wir uns alle für die Menschen
einsetzen sollten, die sich Tag für Tag in der Pflege wie
im Gesundheitswesen um das Leben anderer Menschen
kümmern. Das unterstützen wir, dazu haben wir unsere
Vorstellungen geäußert. Aber wo sind denn die Ansätze
und die Debatten, die Sie auf die Tagesordnung setzen,
wenn es um Ärztemangel und die Frustration gerade junger Kräfte im Pflege- und Gesundheitswesen geht, die
darunter leiden, dass sie von Ihnen immer mehr Vorgaben bekommen, und denen immer weniger finanzielle
Mittel zur Verfügung gestellt werden?
Ich verweise nur auf das Thema Arbeitszeitgesetz:
Unser Ansatz, Frau Widmann-Mauz, geht aus dem
Antrag hervor, den wir in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Darin führen wir aus, wie wir die Krankenhäuser finanziell unterstützen wollen, das Arbeitszeitgesetz umzusetzen, damit junge Ärzte eine
attraktivere Tätigkeit im Krankenhaus bekommen. Was
macht diese Koalition? Sie belastet weiter die Krankenhäuser. Schauen Sie sich einmal an, wie sie finanziell dastehen, wie sie händeringend junge Ärzte suchen und im
Moment Stellen nicht besetzen können, wie sie zum Teil
gar nicht die Finanzmittel haben, das Arbeitszeitgesetz
umzusetzen, damit der Arztberuf auch im Krankenhaus
attraktiv ist.
Das, was Sie hier sagen, sind doch nur Allgemeinplätze. Die konkreten Probleme in den Krankenhäusern
und im Pflegewesen zeigen, dass gerade Ihre Ansätze
diejenigen sind, die die Situation im Gesundheitswesen
und im Pflegewesen für die jungen Ärzte und die jungen
Pflegekräfte eher erschweren und die Perspektive für sie
immer weiter verschlechtern.
({7})
Ferner haben Sie angesprochen, Probleme einer alternden Bevölkerung lösen zu wollen. Ich mag ja gar
nicht aussprechen, wie der vollständige Titel des GKVWSG heißt. Mit Wettbewerb hat dieses Wettbewerbstärkungsgesetz nichts zu tun.
({8})
Sie haben den Krankenkassen den Wettbewerbsparameter weggenommen. Sie dürfen ihren Beitragssatz nicht
selbst festlegen, stattdessen wird die Politik, die Bundesregierung, demnächst entscheiden, wie viel Geld dem
Gesundheitswesen quasi zugeteilt wird. Das ist eine Gesundheitspolitik nach Zuteilung und Kassenlage. Prost
Mahlzeit! Ich freue mich auf die Debatten, wenn wir uns
streiten, wie viel Geld dann dem Gesundheitswesen zur
Verfügung gestellt wird.
({9})
Das GKV-WSG, die große Gesundheitsreform, hat es
nicht geschafft, erstens die Bürokratie abzubauen und
zweitens die Lohnzusatzkosten zu senken. Im Gegenteil,
die Krankenkassenbeiträge sind auf das Rekordniveau
von 14,8 Prozent gestiegen. Drittens ist die Nachhaltigkeit mitnichten ins System gekommen.
({10})
Das, was die alternde Bevölkerung betrifft, wird doch
von Ihnen gar nicht thematisiert, sondern weggedrückt.
Die Lasten werden durch Ihre Gesundheitspolitik weiter
auf kommende Generationen verschoben.
({11})
Wir ziehen die Lasten überhaupt nicht vor, wir stärken
Vorsorge nicht, wir stärken den Bereich der Altersrückstellungen nicht.
Letzter Punkt: Sie haben den Zusammenhang von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben und Steuermitteln angesprochen. Auch wir als FDP haben immer gesagt, gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie beispielsweise
Mutterschaftsleistungen und Kinderkosten sollen auch
von der gesamten Gesellschaft über Steuermittel finanziert werden. Aber das machen Sie doch nicht. In Ihrem
Gesetzentwurf stehen drei unterschiedliche Begründun13510
Daniel Bahr ({12})
gen, wofür das Geld bestimmt sein soll. Erstens ist davon die Rede, es sei für versicherungsfremde Leistungen
vorgesehen. Auf Seite 3 des GKV-WSG heißt es, es sei
für gesamtgesellschaftliche Aufgaben bestimmt, und auf
Seite 580 der Begründung heißt es, es sei für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern gedacht. Wenn
es für die Kinderkosten bestimmt ist, dann muss es
selbstverständlich auch für diejenigen Kinder bezahlt
werden, deren Eltern privat versichert sind.
({13})
Weil Sie sich das nicht trauen, ist der Zuschuss, den Sie
an die gesetzliche Krankenversicherung zahlen, nichts
anderes als ein Kaschieren des an sich höheren Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung.
({14})
Ihnen geht es nur darum, keinen hohen Beitragssatz zu
haben. Ihnen geht es doch gar nicht darum, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben auch gesamtgesellschaftlich
getragen werden.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({15})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette WidmannMauz für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Moment könnte man in der Debatte wirklich den
Eindruck gewinnen, in der Opposition sei der finanzund sozialpolitische Sachverstand ausgebrochen.
({0})
Wenn wir uns aber anschauen, was sich vor den Türen
dieses Hauses abspielt, dann stellen wir fest, dass Ihnen
selbst Ihre Experten davonlaufen. Ich denke an den ehemaligen Kollegen Oswald Metzger, der die Grünen aus
Protest gegen deren sozialpolitische Vorstellungen verlässt.
Lieber Kollege Bahr, auch Sie sind noch meilenweit
von Ihrem Projekt 18 entfernt, und deshalb sollten Sie
hier im Haus mit konkreten, guten Vorschlägen überzeugen. Ich glaube, dann wären wir schon viel weiter, denn
dann hätten wir etwas Konkretes zu diskutieren.
({1})
Meine Damen, meine Herren, wir halten am Kurs der
Haushaltssanierung fest. Nach zwei Jahren der Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel haben wir mehr
Wachstum, mehr Arbeit und mehr soziale Gerechtigkeit
in unserem Land erreicht. Wir sanieren den Haushalt,
um in unserem Land Generationengerechtigkeit zu
schaffen und die Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder zu sichern. Das gilt auch für andere Bereiche als
den Haushalt im engeren Sinne. Der Dreiklang aus Sanieren, Reformieren und Investieren zieht sich auch
durch unsere Gesundheitspolitik und ist ein ganz wesentlicher Teil der Reformarbeit der Großen Koalition.
Wir sanieren das Gesundheitswesen, indem wir zum
Beispiel die Schulden bei den Krankenkassen abbauen. Herr Bahr, Sie und Ihre Kollegen erinnern sich
vielleicht noch: Über 8 Milliarden Euro betrugen die
Schulden im Jahre 2003. Für das nächste Jahr besteht die
Erwartung, dass wir den Schuldenstand abgebaut haben
werden. Das sind Erfolge. Das sind Leistungen, die diese
Regierung mit möglich gemacht hat.
Wir reformieren die Strukturen bei der gesetzlichen
und bei der privaten Krankenversicherung, indem wir
Verantwortung, Transparenz und Wettbewerb stärken.
Wir investieren in mehr Lebensqualität und Leistungsgerechtigkeit, indem wir die Budgets abbauen, Bürokratie verringern und die Versorgung der Menschen
durch mehr Pflege, Rehabilitation und Prävention verbessern.
Die Halbzeitbilanz der Großen Koalition ist gut,
und die Arbeit lohnt sich. Ich sage das, auch wenn die
Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner in den vergangenen zwei Jahren nicht immer leicht war. Das ist
kein Geheimnis. Doch, das will ich auch in Anwesenheit
der Gesundheitsministerin ausdrücklich sagen: SPD und
Union kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Wir
haben unterschiedliche Überzeugungen. Niemand hat
geglaubt - Sie hier im Hause schon gar nicht -, dass wir
es zusammen schaffen können, aber wir haben immer einen neuen Weg gefunden,
({2})
um unserer Verantwortung gerecht zu werden. Das werden wir auch in der Zukunft schaffen.
({3})
Wir sanieren. Die neuesten Finanzschätzungen auf
der Grundlage der Rechnungsergebnisse des dritten
Quartals in der gesetzlichen Krankenversicherung prognostizieren für dieses Jahr einen Überschuss von bis zu
1,5 Milliarden Euro.
({4})
Die Orts- und die Ersatzkassen - Sie sitzen doch in einer,
lieber Kollege - gehen von Beitragssatzstabilität im
Jahr 2008 aus.
({5})
Das heißt, die Entschuldung ist vorangekommen. Wir
werden hier weiter fortschreiten. Die Entschuldung ist
der erste Schritt zu einer nachhaltigen, generationengerechten Finanzierung. Ich sage auch ganz klar: Weitere
Schritte müssen folgen. Das Ziel kann nur erreicht werAnnette Widmann-Mauz
den, wenn die Sozialversicherungen von der demografischen und vor allem von der konjunkturellen Entwicklung unabhängiger werden.
({6})
Lassen Sie mich zum Stichwort Reformieren etwas
sagen. Wir können jetzt schon feststellen, dass mit der
Gesundheitsreform der Wettbewerb in der gesetzlichen
Krankenversicherung konsequent ausgebaut wurde. Das
Wettbewerbsstärkungsgesetz hat seinen Namen verdient.
Es wurde ein wichtiges gesundheitspolitisches Ziel der
Union umgesetzt. Transparenz, Wettbewerb und Wahlfreiheit, das sind für uns wesentliche Elemente eines zukunftsfähigen Gesundheitswesens.
({7})
Mit der neuen Finanzierung über den Fonds und den
Zusatzbeitrag schaffen wir ab 2009 Transparenz über die
Leistung und die Wirtschaftlichkeit der Kassen - und
das in Euro und Cent. Diese Transparenz ist auch die
Grundlage für die Vergleichbarkeit. Das stärkt die Wahlmöglichkeiten der Versicherten und die Verantwortung
der Kassen für die Kosten und für die Verträge.
({8})
Wir haben damit die große Chance, durch gute Qualität zum besseren Preis die Versorgung wirtschaftlicher
und effizienter zu gestalten und vor allen Dingen den
Nutzen für die Versicherten und für die Patientinnen und
Patienten zu vergrößern.
({9})
Es lässt sich jetzt schon feststellen, dass die Möglichkeiten, die wir in der Gesundheitsreform eröffnet haben, von
den Akteuren zunehmend genutzt werden. Die Marktmechanismen zeigen schon erste positive Wirkungen. Wirtschaftlich agierende Krankenkassen nutzen ihre Chancen
durch die Möglichkeiten der größeren Vertragsfreiheit
ganz konsequent aus. Wir werden insbesondere erleben,
wie Qualitätsangebote der Versorgung im Wettbewerb
zum Durchbruch kommen.
Schauen wir uns die Situation bei den Arzneimitteln
an! Sie erinnern sich an die heißen Diskussionen um das
AVWG im letzten Jahr. Was ist die Folge? Wir haben
eine Preisreduzierung zu verzeichnen mit der Folge, dass
24 000 Arzneimittel in Deutschland mittlerweile zuzahlungsfrei sind. Das sind 78 Millionen Euro weniger an
Zuzahlungen. Das sollte sich die PDS bzw. die Linke
einmal hinter die Ohren schreiben! Das sind nämlich
Entlastungen für Menschen mit geringem Einkommen.
({10})
Schauen wir uns die Ausschreibungen und die Rabattverträge an, die zwischen den Kassen und den Herstellern jetzt möglich sind!
({11})
Mittlerweile haben 238 Kassen Rabattverträge abgeschlossen - mit Hunderten Millionen Euro Einsparpotenzial. Die großen Tanker sind also in Bewegung gekommen. Sie haben einen Kurswechsel in Richtung
einer Politik niedrigerer Preise geschafft, und das ist
auch gut so.
Es gab natürlich Anlaufschwierigkeiten; das wollen
wir nicht verschweigen. Ich hätte mir gewünscht, dass
gerade dann, wenn sich alle Beteiligten auf neue Rahmenbedingungen einstellen müssen, die Betroffenen
frühzeitig einbezogen und vor allen Dingen rechtzeitig
informiert worden wären.
Viel Ärger, Verunsicherung und auch manches Unbehagen hätten dadurch verhindert werden können. Aber
diese ersten Schwierigkeiten sind überwunden. Die Patienten profitieren insbesondere von den vielfältigen Zuzahlungsbefreiungen.
„Wahltarife“ ist ein weiteres Stichwort. Durch die
neuen Wettbewerbs- und Vertragsmöglichkeiten werden
sie Realität. So viel Freiheit war nie.
({12})
Ob Hausarzttarife, Kostenerstattung oder integrierte Versorgung - vieles ist machbar, und immer mehr wird angeboten. Das ist für viele - zugegebenermaßen - eine
große Umstellung. Aber völlig klar ist: Das ist kein
Zwang, sondern ein Kann. Unabhängig davon, wie sich
die Menschen heute oder in Zukunft entscheiden: Es
bleibt bei einem umfassenden Versicherungsschutz. Dafür stehen wir als Union.
({13})
Kommen wir zu einem weiteren Bereich: zu den Investitionen. Wir wissen, dass im Gesundheitswesen Kostendämpfung allein nicht weiterführt. Wir müssen die
Ursachen für Krankheit und damit die Ausgabensteigerungen bekämpfen und deshalb in Gesundheit investieren. Daher verbessern wir gerade die Prävention und
die Rehabilitation.
Schutzimpfungen sind zur Pflichtleistung geworden.
Es ist doch schön, dass mittlerweile 40 Prozent der Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren in Berlin die Impfung
gegen Gebärmutterhalskrebs erhalten haben. Das sind
doch wirklich Fortschritte. Dafür haben wir gekämpft;
dies haben wir umgesetzt.
Stichwort „medizinische Rehabilitation“. Wir haben
sie zur Pflichtleistung gemacht. Jetzt muss es sich bis zur
letzten Krankenkasse herumsprechen, dass die alten Regeln nicht mehr gelten und Pflichtleistung auch heißt,
dass bewilligt werden muss, außer der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung erhebt Einwände. Wir
wissen, hier können und müssen wir vorankommen. Das
hilft den Menschen.
Zur Budgetierung. Wir wissen, dass dies auf Dauer
Rationierung bedeutet und in der Zweiklassenmedizin
und in Abwanderung endet. Deshalb investieren wir in
die Köpfe, in diejenigen, die eine hochqualifizierte Versorgung erbringen und in der Fläche gewährleisten. Hier
hat die Selbstverwaltung im Oktober bewiesen, dass sie
ihre Hausaufgaben machen kann. Wir sind auf einem guten Weg zu mehr Verlässlichkeit und mehr Leistungsbereitschaft sowie zu einer leistungsgerechten Honorierung
der Ärzteschaft. Das ist wichtig, das brauchen wir; denn
das ist die Grundlage dafür, dass die medizinische Versorgung in unserem Land überhaupt funktionieren kann.
({14})
Lassen Sie mich einen Ausblick in die Zukunft geben.
Wir legen eine Pflegeversicherungsreform vor, in der wir
das Thema anpacken, das die Menschen in der Pflege am
meisten berührt: das Thema Demenz. Wir verbessern
zum ersten Mal seit Einführung der Pflegeversicherung
die Pflegeleistungen und werden am Ende zu einer Dynamisierung kommen. Das hat die Vorgängerregierung
nicht geschafft. Wir kommen hier voran. Denken Sie an
das Leuchtturmprojekt Demenz, das die Bundesregierung voranbringt und für das wir umfangreiche Mittel
aufwenden, um zur Entwicklung und Erprobung neuer
Pflegekonzepte beizutragen.
({15})
Auch die Prävention ist für uns ein zentrales Koalitionsprojekt; denn Prävention stärkt die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitswesens.
({16})
Wir wollen Prävention und Gesundheitsförderung an
prioritären Zielen orientieren und keine unsinnigen
Wellnessangebote finanzieren.
({17})
Wir wollen die Kooperation der Akteure und der Maßnahmen fördern und dabei Bewährtes stärken und weiterentwickeln, anstatt bestehende erfolgreiche Strukturen
zu zerschlagen. Wir wollen die Qualität in der Prävention voranbringen, ohne neue aufwendige Bürokratie
aufzubauen. Wir wollen mit unserem Konzept die Verantwortung des Einzelnen in der Gesellschaft stärken.
Darauf kommt es an. Wir wollen keinen Flickenteppich,
keinen Einheitsbrei. Wir wollen keinen Etikettenschwindel, sondern Prävention, Vorbeugung und Gesundheitsvorsorge im Interesse der Menschen in unserem Land.
({18})
Auch wenn es manchmal im Gebälk kracht: Erfolg
lässt sich nicht am Weg, sondern am Ende nur am Ergebnis feststellen, und das ist gut.
({19})
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Elisabeth
Scharfenberg für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor etwa zwei Monaten haben
wir in der ersten Beratung zum Haushaltsplan 2008 unter
anderem über die Pflegereform gesprochen. Ich habe
nicht damit hinter dem Berg gehalten, dass der Entwurf
eines Gesetzes zur Pflegereform einige wirklich gute
Ansätze enthält. Schon damals war aber klar, dass „gut
gedacht“ nicht gleichbedeutend mit „gut gemacht“ ist.
({0})
Gerade die Umsetzung muss stimmen; denn wir alle hier
werden letztendlich an unseren Taten und nicht an unseren Worten gemessen.
Leider ist die derzeitige Diskussion um den Entwurf
des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes überaus erschreckend. Positive Ideen und Überlegungen werden
schlechtgeredet und vermutlich schlecht umgesetzt. Ich
will hier nur zwei Beispiele nennen: Vernünftige Lösungen für die Pflegestützpunkte und die Pflegeberater
rücken in immer weitere Ferne.
({1})
Wir brauchen solche Strukturen der individuellen Begleitung und Beratung. Das weiß wirklich jeder hier im
Haus, der im Land unterwegs ist und mit den Menschen
spricht.
({2})
Aber diese Strukturen müssen unabhängig und neutral
sein. Sie wollen diese Beratungen an die Kranken- und
Pflegekassen anbinden. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Kranken- und Pflegekassen können als Finanzier nicht unabhängig sein, selbst wenn sie es vielleicht wollten.
({3})
Mit dieser Umsetzung werden Pflegeberaterinnen und
Pflegeberater zu Kontrolleuren und Kosteneinsparern
gemacht. Das hat mit Beratung nichts mehr zu tun.
Die Unionsfraktion will die Pflegestützpunkte am
liebsten gar nicht haben und kommt stattdessen mit in
meinen Augen abwegigen Gutscheinmodellen.
({4})
Damit lassen Sie die Menschen im Regen stehen, die
wirklich Beratung brauchen.
({5})
Diese Menschen brauchen nicht irgendwelche Berater,
die sich auf dem Markt tummeln; sie brauchen verlässliche und unabhängige Unterstützung. Ich habe solche Situationen der Hilfs- und Kopflosigkeit in einer für die
Bedürftigen absoluten Ausnahmesituation erlebt. Beratungsgutscheine sind - das kann ich Ihnen wirklich sagen - da wenig hilfreich.
({6})
Apropos Unterstützung: Ambulant vor stationär, Unterstützung der Angehörigen - ich höre bei Ihnen immer
nur warme Worte.
({7})
Wenn es an die Umsetzung geht, schaut die Realität für
die Betroffenen ganz anders aus: gesetzliche Pflegezeit
sechs Monate ohne Lohnersatzleistung. Wo leben Sie
denn? Weiter weg von der Realität geht es ja nun wirklich nicht. Wer soll sich denn das leisten können?
Auch weiterhin soll die Pflegezeit bei Ihnen zur
Übernahme von Pflege genutzt werden. Wenn wir aber
die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wirklich fördern
wollen, müssen wir Angehörige dabei unterstützen,
Pflege zu organisieren, nicht dabei, sie zu übernehmen.
Sonst wird die Pflegezeit zum Einstieg in den Berufsausstieg. Ich wiederhole gerne meine Frage vom letzten
Mal: Wer eigentlich soll es sich leisten können, eine unbezahlte Pflegezeit in Anspruch zu nehmen und bis zu
sechs Monate auf sein Gehalt zu verzichten?
Frau Ministerin, die zehntägige bezahlte Freistellung
in akuten Pflegefällen, den sogenannten Pflegeurlaub,
haben Sie gegen die Union nicht durchsetzen können.
Ich zitiere hier gerne einmal Herrn Spahn. Am 13. September diesen Jahres gab er Folgendes zum Besten:
Wenn nahe Angehörige im plötzlichen Pflegefall
der eigenen Eltern zum Beispiel - wenn auch nicht
jeder Pflegefall plötzlich eintritt - drei oder vier
Tage ihres eigenen Urlaubs aufwenden müssen, um
eine Unterkunft für sie zu finden, finde ich das zumutbar.
({8})
Herr Spahn ist im Moment nicht hier. Mit dieser Aussage hat er aber gezeigt, wes Geistes Kind die Union
wirklich ist.
({9})
Denn es geht doch hier überhaupt nicht darum, eine Unterkunft zu organisieren. Es geht darum, eine neue Lebenssituation zu gestalten. Gerade da sitzen doch zu
Recht die großen Ängste bei uns allen. Wir wollen auch
im Alter eine menschenwürdige Versorgung, ob in der
Wohnung, der Wohngemeinschaft oder einem Pflegeheim. Ebenso wollen wir dies mitbestimmen. Nur „eine
Unterkunft finden“ entspricht da nicht meinem Begriff
von menschenwürdiger Pflege.
({10})
Sehr geehrte Damen und Herren, da dies eine Haushaltsberatung ist, komme ich jetzt noch aufs Geld zu
sprechen. Wir Grüne schlagen eine Pflegezeit von bis zu
drei Monaten vor. Das reicht aus, um eine gute Pflege zu
organisieren. In dieser Zeit sollen die freigestellten
Beschäftigten eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung von 50 Prozent des Nettogehaltes, maximal aber
1 000 Euro erhalten.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit.
Ja. - Nach unseren Schätzungen kostet das circa
200 Millionen Euro pro Jahr. Das wäre allemal sinnvoller verwendetes Steuergeld als so manches Geschenk,
das diese Koalition verteilt.
({0})
Als bayerische Abgeordnete kann ich da wohl den
Transrapid in München als besonders plastisches Beispiel anführen. Ich höre schon die Rufe: Alles viel zu
teuer! Das Geld in der Pflegeversicherung reicht nicht
aus! - Das stimmt.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. - Haben Sie uns nicht eine
umfassende Finanz- und Strukturreform in Aussicht gestellt? Auf die Finanzreform warten wir. Machen Sie
endlich Ihre Hausaufgaben!
Wir Grünen werden einen Antrag einbringen. Wir
hoffen, dass Sie im Sinne der Sache entscheiden, das
heißt, den Antrag unterstützen und nicht nur Klientelpolitik betreiben werden. Frau Ministerin, Ihnen wünsche ich, dass Sie den guten Gesetzentwurf durchbringen, und den Kolleginnen und Kollegen von der SPD
wünsche ich ein bisschen mehr Mut und Durchsetzungskraft.
Danke schön.
({0})
Nun hat das Wort die Kollegin Jella Teuchner für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Zu Beginn dieses Jahres wurden mit der Verabschiedung der Gesundheitsreform die Weichen im Gesundheitssystem neu gestellt. Heute beraten wir erneut
über einen sehr zentralen Punkt der Gesundheitspolitik,
nämlich über den Haushalt 2008 und seine Ausgestaltung.
Zunächst einmal möchte ich kurz auf meine Vorredner von der Opposition eingehen. Wie ich den Reden
entnehmen kann, scheint es zwischenzeitlich üblich ge13514
worden zu sein, dass man einfach nur grundsätzlich sagt:
Wir sind dagegen. Sie befinden sich diesbezüglich in
Gesellschaft mit einigen Verbänden, verschiedenen Organisationen und anderen Institutionen, die beleidigt
sind, weil sie entweder nicht beteiligt wurden oder ihre
Interessen nicht durchsetzen konnten, und deswegen alle
Vorschläge zur Bewältigung der gesundheitspolitischen
Herausforderungen für falsch halten.
({0})
Denjenigen, die dagegen sind, möchte ich hier in aller
Deutlichkeit sagen: Ihnen haben die Wählerinnen und
Wähler keinen Regierungsauftrag erteilt. Mit ihrer Wahl
haben sie der Großen Koalition den Auftrag gegeben,
Reformen auf den Weg zu bringen und die Probleme in
unserem Land zu lösen.
Das Gesundheitssystem steht vor ganz wesentlichen
Herausforderungen: die demografische Entwicklung,
die Veränderung der Erwerbsbiografien und der medizinische Fortschritt. Diesen Herausforderungen müssen
wir gerecht werden, damit das Ziel unseres Regierungshandelns gesichert bleibt: Alle Menschen in diesem
Lande müssen unabhängig von ihrem Geldbeutel eine
gute gesundheitliche Versorgung erhalten. Alle müssen
unabhängig von ihrem Geldbeutel am medizinischen
Fortschritt teilhaben können. Für alle Menschen in unserem Lande, egal ob sie im Norden, Osten, Süden oder
Westen leben, müssen Medizinerinnen und Mediziner
für die Versorgung da sein. Das Gleiche gilt für Menschen, die in der Pflege tätig sind. Das sicherzustellen,
ist unsere Aufgabe.
({1})
Wie Sie wissen, werden die strukturellen Veränderungen, die von der Vorgängerregierung in Gang gesetzt
wurden, konsequent fortgesetzt. Das beinhaltet, dass die
integrierte Versorgung fortgesetzt wird, dass medizinische Versorgungszentren gefördert werden und dass die
Patientenbeteiligung und der Bereich der Prävention
ausgebaut werden. Das beinhaltet auch, dass wir die Bindung der Beiträge an sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse lockern werden. Diese Bindung
trägt nicht mehr, weil es in den letzten Jahren - leider einen starken Abbau an sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen gab. Daher ist es zu begrüßen, dass Steuermittel in das Gesundheitssystem fließen.
({2})
Ich bin sehr froh, dass die gesundheitliche Aufklärungsarbeit auf konstant hohem Niveau weitergeführt
wird. Kurz vor dem 1. Dezember will ich HIV/Aids erwähnen: Trotz moderner Medikamente ist noch niemand
geheilt worden. Die Sorglosigkeit bei jungen Menschen
nimmt leider weiter zu.
Auch die Probleme im Drogen- und Suchtbereich
werden von uns ernst genommen. Die erfolgreiche
Politik wird fortgesetzt. Wir stärken die Arbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Für Aufklärungsarbeit und Modellprojekte stehen weiterhin 13 Millionen Euro zur Verfügung. Wir sind uns bewusst, dass
wir nur durch stetige Arbeit eine Verhaltensänderung bewirken können.
Leider werden immer mehr Menschen von den legalen Drogen Tabak, Alkohol und Medikamente abhängig.
Es war geplant, dass das DAMA-Errichtungsgesetz im
kommenden Jahr in Kraft tritt. Im Vorfeld gab es aber
leider keine Einigung mit unserem Koalitionspartner.
Das bedauere ich sehr; denn wir standen kurz vor dem
Ziel. Mit dem Umbau des Bundesinstitutes für Arzneimittel- und Medizinprodukte zur DAMA wäre das Personal entsprechend der Auftragslage besser einsetzbar
gewesen. Diese Chance wurde leider vertan.
({3})
Wahrscheinlich wird jeder zustimmen, wenn ich sage,
wie wichtig die Prävention für einen selbst ist. Auf der
einen Seite haben wir eine Erhöhung der Lebenserwartung. Das ist erfreulich für jeden von uns. Prävention ist
die Voraussetzung dafür, dass unsere Gesellschaft wettbewerbsfähig bleibt und dass schwere Erkrankungen im
Alter weniger häufig auftreten. Das ist ebenso erfreulich
für die Ausgabenstruktur des Gesundheitswesens. Auf
der anderen Seite wissen wir, dass chronische Krankheiten zunehmen. Falsche Ernährung und zu wenig Bewegung sind unter anderem die Ursachen.
Das Präventionsgesetz wurde auf den Weg gebracht
mit dem Wissen, dass das Gesundheitssystem kein reiner
Reparaturbetrieb bleiben soll. Wir wollen der Prävention
genauso viel Bedeutung beimessen wie der Behandlung,
der Rehabilitation und der Pflege. Ansonsten steigen die
Kosten, oder es besteht die Gefahr, dass bei einer solidarischen Finanzierung Leistungen gestrichen werden
müssen.
Ich will daran erinnern, dass das Gesundheitsministerium bei der Kabinettsklausur in Meseberg den Auftrag
erhielt, noch 2007 einen Gesetzentwurf für ein Präventionsgesetz vorzulegen. Ich wünsche mir, dass Sie sich
mit uns zusammen für eine verbesserte Prävention stark
machen unabhängig von der Frage: Stiftung ja oder
nein? Ich denke, die Menschen erwarten das zu Recht
von uns.
({4})
Wenn wir nach vorne schauen, sehen wir, dass wir die
Reform der Pflegeversicherung noch vor uns haben.
Auch da erwarte ich, dass die Union nicht kurz vor der
Zielgeraden alles infrage stellt. Diese Reform ist dringend notwendig. Wir wollen die Finanzierung der Pflegeversicherung auf tragfähige Fundamente stellen und
notwendige Anpassungen vornehmen.
Wir wollen vor allem die Menschen unterstützen, die
oft bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu Hause, im
Familien- oder im Verwandtenkreis pflegebedürftige
Angehörige, Partnerinnen und Partner oder Freundinnen
und Freunde, zum Beispiel demenziell erkrankte Menschen, rund um die Uhr betreuen. Ohne die Leistungen
der Familien wäre gar nicht daran zu denken, das zu
schultern, was die Gesellschaft im Pflegebereich zu tun
hat.
({5})
Wir werden deshalb die Pflege reformieren und das
Präventionsgesetz auf den Weg bringen. Für die zukünftigen Haushalte wird es daher eine große Aufgabe sein,
den Anforderungen unserer Gesellschaft an die Gesundheitspolitik gerecht zu werden.
Vielen Dank.
({6})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Max
Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
In der heutigen Debatte über den Gesundheitshaushalt
wird deutlich, welch großartige Leistung in den vergangenen zwei Jahren im Gesundheitssystem erbracht worden ist.
({0})
- Ja natürlich, Frau Kollegin Bender.
Es war eine große Herausforderung. Ich glaube, dass
wir feststellen können: Die Bürgerinnen und Bürger haben eine gute gesundheitliche Versorgung, um die sie in
vielen Ländern wohl beneidet werden. Das muss man
bei allen Kritikpunkten, die man vielleicht in einzelnen
Bereichen anführen kann, einmal feststellen. Die Menschen in vielen anderen Ländern der Welt wären froh,
wenn sie eine so herausragende und vor allen Dingen unabhängig ihres Standes und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit so gute gesundheitliche Versorgung hätten wie
die Bürgerinnen und Bürger, die in Deutschland leben.
({1})
Diese Herausforderung wird mit zwei Entwicklungen
bestätigt. Kollegin Widmann-Mauz hat bereits darauf
hingewiesen, dass sich erstens die Versicherten im
nächsten Jahr auf stabile Beiträge einstellen können. Es
ist entscheidend und wichtig, dass es Gesundheit zu bezahlbaren Preisen gibt, und zwar in höchster Qualität,
und dass die Kassen auch in diesem Jahr wieder einen
Überschuss erwirtschaftet haben, um letztendlich die
Grundlagen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes zu
erfüllen, das vorsieht, dass am Ende des nächsten Jahres
alle Kassen entschuldet sind. Ich glaube, dass es auch
wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen
Krankenkassen 2003 mit rund 8 Milliarden Euro verschuldet waren, dass 2006 aber bereits 185 Kassen keine
Schulden mehr hatten und dass wir im Jahr 2008 das gesteckte Ziel erreichen werden. Das ist ein Beitrag zur
nachhaltigen Finanzierung und vor allen Dingen zur
Generationengerechtigkeit. Herr Kollege Bahr, es ist
meines Erachtens entscheidend, dass die Schulden abgebaut worden sind.
({2})
Zweitens. Die Entwicklung der Arzneimittelkosten
ist immer im Blickfeld der Öffentlichkeit. Mit dem
Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz haben wir dafür gesorgt - Kollegin Widmann-Mauz hat
darauf hingewiesen -, dass die Versicherten bzw. die
Patientinnen und Patienten mittlerweile 24 000 Arzneimittel ohne Zuzahlung erhalten können. Das ist ein
großartiger Erfolg, den man diesem Gesetz seinerzeit
gar nicht zugetraut hatte; das muss man zur Kenntnis
nehmen.
({3})
Hätten wir diese gesetzlichen Maßnahmen nicht ergriffen, Herr Kollege Spieth, wäre bei den Arzneimittelausgaben heute eine ganz andere Entwicklung festzustellen.
({4})
Dann würden wir wahrscheinlich entweder mit Defiziten
oder mit zusätzlichen Beitragserhöhungen zu kämpfen
haben. Ihr Reformvorschlag, die Einführung einer Positivliste, erinnert mich im Prinzip an die Rationierung der
Arzneimittel in der früheren DDR; das ist völlig klar.
({5})
Wir wollen den Ärzten die Entscheidungsfreiheit lassen,
ihren Patientinnen und Patienten die Arzneimittel zu verschreiben, die sie für geeignet halten.
Wenn wir auch über hohe Arzneimittelkosten klagen,
gehe ich immer noch davon aus, dass die Patientinnen
und Patienten die Arzneimittel, die ihnen verschrieben
werden, tatsächlich benötigen und dass sie sich nicht
einfach nur Arzneimittel verschreiben lassen, um sie
dann in irgendeinem Schrank verschwinden zu lassen.
Arzneimittel sollen den Gesundungsprozess der Patienten befördern bzw. ihre Gesunderhaltung gewährleisten.
({6})
Werte Damen und Herren, dieses Gesetz hat für die
Versicherten bzw. für die Patienten sehr viel Positives
gebracht. Daran müssen wir nun weiterarbeiten. Eine unserer Aufgaben wird sein, bis Ende nächsten Jahres die
Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen zu regeln;
({7})
eigentlich hätten wir das schon bis zum Ende dieses Jahres tun müssen. Diesen Auftrag müssen wir erfüllen. Ich
sage ganz bewusst: Wenn die Kassen nicht mehr die Finanzhoheit haben, wenn die Finanzhoheit also an anderer Stelle angesiedelt ist, dann muss auch im Hinblick
auf die notwendigen Rückstellungen für die Altersversorgung der Bediensteten eine adäquate und für die Län13516
der tragbare Lösung gefunden werden. Das ist meines
Erachtens entscheidend.
({8})
Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die künftige
Ausgestaltung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs. Darüber hinaus geht es darum, eine Regelung zur richtigen Umsetzung der Konvergenzklausel zu
finden; dieser Punkt ist insbesondere für die CSU von
Bedeutung.
All das sind sicherlich sehr schwierige Aufgaben. Ich
bin allerdings überzeugt, dass die Große Koalition trotz
unterschiedlichster Ausgangsstandpunkte in der Gesundheitspolitik in der Lage ist, in den kommenden zwei Jahren gute und vor allen Dingen zukunftsweisende Ergebnisse zu erzielen;
({9})
hier bin ich zuversichtlich. Ich bin mir sicher, dass wir
den Versicherten bzw. den Patientinnen und Patienten
weiterhin eine hochwertige gesundheitliche Versorgung
in unserem Land bieten können.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({10})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 - Bundesministerium für Gesundheit - in der
Ausschussfassung. Hierzu liegen Änderungsanträge vor,
über die wir zuerst abstimmen.
Zunächst geht es um den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7304. Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der Fraktion der FDP.
Wer stimmt nun für den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7305? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist
abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der
FDP-Fraktion.
Wir kommen nun zu drei Änderungsanträgen der
Fraktion Die Linke. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7301? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt
mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der
Fraktion Die Linke, die für den Antrag gestimmt hat.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7302? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen?
- Auch dieser Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit
den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7303? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke.
Wer stimmt für den Einzelplan 15 in der Ausschussfassung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der
Einzelplan 15 ist damit angenommen mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 28. November
2007, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen
Abend.
Ich schließe die Sitzung.