Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tages-
ordnungspunkt 2 - fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2008 ({0})
- Drucksache 16/6000 -
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2007 bis 2011
- Drucksache 16/6001 Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache
eine Redezeit von insgesamt drei Stunden beschlossen.
Wir beginnen die heutige Haushaltsberatung mit dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09.
Als erster Redner hat das Wort der Bundesminister
Michael Glos.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen schönen guten Morgen! Wir haben allen Grund, fröhlich zu sein:
Wir haben in Deutschland einen Aufschwung. Das Wirtschaftswachstum hat im letzten Jahr um fast 3 Prozent
zugelegt. Für dieses Jahr werden von meinem Haus
2,3 Prozent vorausgeschätzt. Wir sind damit wieder auf
der sicheren Seite. Schaut man sich die Veröffentlichungen an, so stellt man fest: Vorher gab es großen Optimismus. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat alle überboten und über 3 Prozent geschätzt. Jetzt sind alle
wieder dabei, ihre Schätzungen zurückzunehmen. Ich
glaube, wir liegen immer noch gut und werden dies im
Herbst präzisieren.
Allerdings gibt es Licht und Schatten. Licht haben wir
insofern, als wir 1 Million weniger Arbeitslose als vor
einem Jahr haben. Schatten besteht darin - das ist noch
erstaunlicher -: Wir kämpfen mit einem Mangel an
Facharbeitern. Ich bin dem Herrn Kollegen Müntefering
sehr dankbar, dass er die Initiative, die wir gemeinsam
gestartet haben, sehr rasch umgesetzt hat, nämlich dass
jetzt Ingenieure, insbesondere Elektroingenieure und
Maschinenbauingenieure, aus den zwölf neuen EU-Staaten ohne Vorrangprüfung bei uns arbeiten können. Ich
glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal.
({0})
Wir müssen natürlich in allererster Linie immer wieder darum kämpfen - darin sind wir uns einig -, das in
Deutschland vorhandene Potenzial auf dem Arbeitsmarkt auszuschöpfen. Dazu gehört - dafür bedanke ich
mich herzlich -, dass mehr ausgebildet wird als in der
Vergangenheit. Wir haben Sonderprogramme aufgelegt,
die auch denjenigen, die in den letzten Jahren nicht ausgebildet worden sind, eine Ausbildung ermöglichen.
Gerade die Zukunft lehrt uns, dass wir noch mehr darum
kämpfen müssen, dass in Deutschland vor allem die
Ausbildung in den wichtigen technischen Berufen stärker ausgebaut und häufiger das Studium der Ingenieurwissenschaften aufgenommen wird.
({1})
Am Konjunkturhimmel ziehen Wolken auf; ich nenne
nur das Stichwort „amerikanische Hypothekenkrise“.
Sie schlägt auf das gesamte Finanzsystem durch. Ich
persönlich bin der Meinung: Diese Turbulenzen sind
noch lange nicht ausgestanden. Ich war in der letzten
Woche in New York und habe mich mit führenden Investmentbankern an der Wall Street unterhalten. Auch da
spürt man die Unsicherheit, die auf unserem gesamten
Weltfinanzsystem lastet. Ich bin der Allerletzte, der zu
Pessimismus aufruft; ich gebe auch keine Börsentipps.
Als ich nach meiner Meinung gefragt worden bin, als der
Redetext
DAX bei 8 500 Punkten stand, habe ich gesagt: Meine
bescheidene Erfahrung als Kleinspekulant
({2})
hat mir gezeigt, dass von Gewinnmitnahmen noch niemand zugrunde gegangen ist.
({3})
Ich finde, man muss die Gier an den Märkten etwas unter Kontrolle halten. Mir kommen diese Börsianer
manchmal wie Galeristen vor, die eine Zeit lang irgendetwas hochjubeln, ohne dass unbedingt große Substanz
dahinter ist, um es dann wieder fallen zu lassen, wenn
ein anderes Geschäft besser läuft.
({4})
- Vielen Dank für den Zwischenruf. Sie sind ja ein erfahrener Liberaler. Ich wiederhole den Zwischenruf. Sie
haben gesagt: „Das haben sie mit den Politikern gemeinsam.“
({5})
Ich bedanke mich herzlich für Ihr Outing. Ich glaube
aber, dass das ein Stück weit für uns alle gilt.
Auch der hohe Ölpreis macht Sorgen. Wir sind jetzt
wieder, um ein Beispiel zu bringen, Exportweltmeister
im Bereich des Maschinenbaus. Das letzte Jahr war das
beste Jahr seit 20 Jahren. Zum Teil beruht das natürlich
auf Exporten gerade in die Staaten, die durch ihren Rohstoffreichtum sehr zahlungskräftig sind. Wir wissen aber
auch, wie konjunkturempfindlich dieses Geschäft ist.
Der hohe Ölpreis wird derzeit ein Stück weit durch den
starken Euro kompensiert. Für die Exportwirtschaft befürchte ich auf der einen Seite, dass der Euro so stark
bleibt und sich die Dollarschwäche möglicherweise noch
ausbreitet. Auf der anderen Seite hilft uns das natürlich
bei unseren Energieimporten, die wir in Dollar bezahlen
müssen.
Es würde auch keinen Sinn machen, wenn wir Deutsche nur nach Fehlern suchen würden, die andere in der
ganzen Welt machen, sondern wir hier in Deutschland
müssen unsere Hausaufgaben machen. Das ist unsere
Pflicht.
({6})
Wir müssen alles tun, damit die Turbulenzen an den
Finanzmärkten nicht auf die Realwirtschaft durchschlagen.
Deutschland hat sehr viel dazu beigetragen - wir
möchten auch weiterhin dazu beitragen -, dass es eine
breite Schneise des Aufschwungs auch und vor allen
Dingen in Europa gibt.
({7})
Wir haben auch erreicht, dass wir unsere Konjunktur
wieder ein Stück weit aus eigener Kraft beeinflussen
können, insofern auch der private Konsum hier wieder
zunimmt.
Ich gebe dem Kollegen Steinbrück bzw. allen, die ihn
vertreten, recht - er muss selbstverständlich nicht persönlich da sein; ich bin ja sein engster Verbündeter - ({8})
- Ist er extra gekommen?
({9})
Lieber Herr Kollege Steinbrück, ich als Ihr engster Verbündeter,
({10})
insofern, als ich alles dafür tue, dass Ihre Steuereinnahmen weiter steigen, darf Sie hier begrüßen.
Ich freue mich über die jüngsten Rekordmeldungen.
Natürlich hat diese Medaille zwei Seiten: Einmal muss
die Wirtschaftspolitik so angelegt sein, dass die Steuern
sprudeln, also die Finanzpolitik unterstützt wird. Zum
anderen ist Sparen angesagt. So ist die Steigerungsrate
bei meinem Haushalt sehr gering.
({11})
Ich habe vorher in der Zeitung gelesen, wie sehr hoch sie
sei. Hinterher ist das leider ein bisschen anders gewesen.
Ich freue mich also, dass wir bei den öffentlichen Haushalten einem ausgeglichenen Zustand entgegengehen.
({12})
Ich kann nur sagen: Auch das ist für die weitere Wirtschaftsentwicklung sehr notwendig. Wenn ein ausgeglichener Haushalt erreicht wird, müssen wir den Zustand
festnageln.
({13})
Ich habe gelesen, was Sie, Herr Steinbrück, gestern in
der Föderalismuskommission gesagt haben. Ich kann das
alles unterstreichen. Ich habe die gute Hoffnung, dass
man gemeinsam einsieht, dass die Verankerung einer
Schuldenbremse auf allen Ebenen gerade für ein Land,
dessen Bevölkerung älter wird und in dem immer weniger Junge nachkommen, ungeheuer wichtig ist. Es macht
keinen Sinn, sich immer stärker zu verschulden.
({14})
Alles, was auf Pump finanziert wird, lehne ich natürlich
ab. Das heißt natürlich zugleich, dass wir sehr stark aufpassen müssen, in diesen wirtschaftlich guten Zeiten
nicht wieder neue Ausgaben zu schaffen, die dauerhaft
wirken und uns, wenn die Konjunktur dann nicht mehr
so gut sein wird, sehr belasten.
({15})
Ich muss mich hier oftmals wundern: Einige verdammen die Entlastung der Steuer- und Abgabenzahler als
Teufelswerk und möchten eine immer höhere Staatsquote. Gleichzeitig wollen sie aber konjunkturell bedingte Mehreinnahmen für dauerhaft konsumtive Staatsausgaben verwenden. Das halte ich für den falschen
Weg.
({16})
Zu unserem guten wirtschaftlichen Zustand, den die
Große Koalition mit herbeigeführt hat, haben die Unternehmensteuerreformen, wie ich meine, einen wichtigen Beitrag geleistet. Denn das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, weil wir nun international
wettbewerbsfähige Steuersätze haben, hat uns dabei
selbstverständlich geholfen.
Wir müssen jetzt sehen, dass wir das, was wir bei der
Erbschaftsteuer versprochen haben, einlösen. Sonst
zerstören wir vorhandenes Vertrauen.
({17})
Es geht ja in allererster Linie darum, Unternehmensnachfolgen zu erleichtern. Das gilt gerade für die Handwerksbetriebe und für die kleinen mittelständischen Betriebe. Aber es werden sich nicht alle Wünsche erfüllen
lassen, beispielsweise das Vermögen, das im Ausland
angelegt wurde, auszunehmen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass bei den Gesprächen mit der Bundeskanzlerin
eine Lösung gefunden wird. Wenn die großen Wirtschaftsbosse bei der Bundeskanzlerin sind, sind sie, wie
ich aus Erfahrung weiß, ein ganzes Stück kleiner, als
wenn sie mit normalen Abgeordneten oder Ministern reden.
({18})
Frau Bundeskanzlerin, ich bin überzeugt, Sie kriegen das
selbstverständlich hin.
({19})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will
noch einmal sagen: Wir müssen die öffentlichen Haushalte durch Wachstum konsolidieren. Ich bin der Meinung, der beste Konsolidierungsfaktor besteht darin,
Wachstum zu fördern. Schuldenabbau um jeden Preis
kann möglicherweise wachstumshemmend sein. Wir
müssen also immer wieder Spielräume schaffen, damit
neben den Investitionen, die wir anregen müssen, auch
privater Konsum stattfindet.
({20})
Wenn es uns gelingt - das ist das Ziel der von mir angestoßenen wachstumsfördernden Politik -, die Steigerungsraten der öffentlichen Haushalte unter den Steigerungsraten des Bruttosozialproduktes zu halten, dann
ergibt sich die Konsolidierung eigentlich von selbst.
Deswegen bin ich der Meinung, dass wir eine langfristig
angelegte Politik machen müssen.
({21})
Zu einer funktionierenden Wirtschaft gehört vor allen
Dingen auch ein funktionierender Wettbewerb. Wir
dürfen nichts tun, was den Wettbewerb einschränkt.
({22})
Wir müssen uns Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einführung von staatlich verordneten Mindestlöhnen, sehr
sorgfältig überlegen.
({23})
- Ich habe gerade im Zwischenruf das Stichwort „Post“
gehört. Wir sind auf der einen Seite in Europa bei der
Liberalisierung unseres Postmarktes vorangegangen.
Andere europäische Partner sind uns nicht gefolgt. Auf
der anderen Seite spüren wir aber schon die segensreichen Auswirkungen des Wettbewerbs, den es auf diesem
Gebiet gibt. Dieser Wettbewerb hat dazu beigetragen,
dass sehr viele Dienstleistungen billiger geworden sind.
Die Lohnhöhe ist in allererster Linie Sache der Tarifpartner. Wenn quasi ein Mindestlohn verankert werden
soll, muss natürlich auch ein Tarifpartner vorhanden
sein, der die Monopolstrukturen nicht einseitig zementiert, sondern alle Wettbewerber müssen einbezogen
werden.
({24})
Wir sind daher gut beraten, wenn wir uns das alles sehr
sorgfältig anschauen.
Allein über das Thema Energie könnten wir stundenlang reden. Ich bin der Meinung, hier muss man auch
den Geldbeutel der Leute im Blick haben. Die Bild-Zeitung macht heute mit der Überschrift „Strom ist zu billig“ auf. Herr Bernotat drückt es im Interview etwas differenzierter aus, als es auf der ersten Seite der BildZeitung steht. Er hat nämlich „eigentlich zu billig“ gesagt
({25})
und dabei auf die segensreichen Wirkungen des Stroms
verwiesen. Herr Bernotat hat auch gesagt, dass er und
seine Familie nun ein Haus beziehen - ich muss ehrlich
sagen, bei seinem Einkommen hätte er dies schon länger
machen können -, das 80 Prozent weniger Energie verbraucht. Wir müssen aber auch an die Leute denken, die
nicht die gleiche Kaufkraft haben wie Herr Bernotat.
({26})
Wir werden zwar all das, was ich mit dem Kollegen
Gabriel in Meseberg und in der Zeit davor vereinbart
habe, durchziehen, aber dabei auch sehr sorgfältig die
Wirkungen beachten. Wir müssen immer schauen, dass
der Wettbewerb nicht nur in Europa und weltweit - es
gibt ja weltweit einen Kampf um die Energieressourcen funktioniert, sondern auch bei uns funktioniert. Wenn er
so gut funktioniert wie in diesem Interview dargestellt,
brauchen die großen Konzerne doch überhaupt keine
Angst vor unserer Kartellgesetznovelle zu haben - genauso wenig wie jemand, der nie vorhat, einen Menschen umzubringen, Angst davor haben muss, wenn die
Strafen für Mord verschärft werden.
({27})
Ich finde es also gut, wenn es entsprechende gesetzliche
Regelungen gibt. Deswegen bedanke ich mich hier für
die Unterstützung. Ich habe das alles im Interesse der
Stromverbraucher auf den Weg gebracht - nicht etwa,
um die großen Konzerne, die sich jetzt gequält fühlen, zu
ärgern.
({28})
Wenn wir nun aber merken, dass - sogar mit staatlicher Hilfe und Unterstützung - immer größere Energiekonzerne in Europa entstehen, müssen wir zusehen,
dass auch unsere leistungsfähigen Energiekonzerne die
gleichen Wettbewerbsbedingungen haben. Deswegen
bin ich gegen diese quasi zwangsweise Zerschlagung,
wie sie jetzt von der Europäischen Union beabsichtigt
ist. Die EU soll sich erst einmal die Wettbewerbsverhältnisse zum Beispiel in Frankreich genauer anschauen.
({29})
Auf dieser Basis werden wir sicher einen vernünftigen
Weg finden.
Ich komme zum letzten Kapitel beim Thema Energie;
ich habe leider sehr wenig Redezeit.
({30})
Ich halte es für einen großen Fortschritt - das ist ein Zeichen, dass wir insgesamt nach vorne wirtschaften -, dass
wir gemeinsam einen Weg zu einem sozialverträglichen
Ausstieg aus dem subventionierten deutschen Steinkohlebergbau gefunden haben. Es liegt zwar noch ein
Stück Weg vor uns, bis das alles vollzogen ist. Aber es
gibt jetzt Planungssicherheit. Ich bedanke mich bei allen,
die daran mitgewirkt haben. Zugleich erreichen wir damit, dass im Haushalt für Zukunftstechnologien nun
mehr ausgegeben wird als für Vergangenheitstechnologien. Die Steinkohleförderung in Deutschland ist nun
einmal eine Vergangenheitstechnologie.
({31})
Das zeigt auch, dass steter Wandel in die richtige Richtung erfolgreich ist.
({32})
Ich bedanke mich ganz herzlich für die breite Unterstützung, die es in diesem Hause gibt. Vor allen Dingen
bedanke ich mich bei den Wirtschafts- und Haushaltspolitikern der SPD, die meine Politik hier immer mit unterstützt haben.
({33})
- Dass ich von den Abgeordneten dieser Seite ständig
unterstützt werde, ist selbstverständlich. Euch musste
man ja nicht zu einer vernünftigeren Wirtschaftspolitik
umschulen.
({34})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich noch einen allerletzten Punkt ansprechen: Ich bin
der Meinung, dass wir gerade den Wandel, den wir immer wieder erleben, unterstützen müssen. Wir können
ihn nicht alleine gestalten. Wir behindern ihn vielleicht
sogar. Wir müssen sehen, welche Dynamik dahintersteckt.
Gestern hatte ich Gelegenheit, mit Vertretern der
Kreativwirtschaft zu sprechen.
({35})
- Sie sind nur kreativ in schlechten Zwischenrufen.
({36})
Sie sollten sich einmal mit etwas beschäftigen, was noch
viel kreativer ist als Sie. - Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat zum Beispiel inzwischen zehn Mal so viel Beschäftigte wie die Stahlindustrie. Das wird von uns aber
gar nicht wahrgenommen,
({37})
weil wir in unserem Denken zu viel an Altem festhalten
und zu wenig berücksichtigen, dass der Wandel zur
Dienstleistungsgesellschaft in Deutschland - trotz der
Tatsache, dass unsere Energiewirtschaft wieder gut funktioniert; sie schafft aber nicht mehr Arbeitsplätze in unserem Land - immer weitergeht. So werden wir immer
dafür Sorge tragen, dass wir Modernem gegenüber aufgeschlossen sind, und es unterstützen, wo immer es geht.
Meines Erachtens müssen wir die gute Zeit, die wir
derzeit haben, nutzen, um für wirtschaftlich schlechte
Zeiten vorzusorgen, indem wir jetzt die nötigen Reformen durchführen. Ich bedanke mich für Ihr Verständnis
und Ihre Unterstützung dabei und hoffe auf wohlwollende Beratung meines Haushaltes im Haushaltsausschuss. Manche Notwendigkeit, die der Finanzminister
bislang nicht so gesehen hat - zum Beispiel in Bezug auf
regionale Wirtschaftsförderung -, wird im Haushaltsausschuss sicher noch umgesetzt.
({38})
Als alter Haushälter weiß ich, dass kein Haushalt das
Parlament so verlässt, wie er dem Parlament zugeleitet
worden ist.
Herzlichen Dank.
({39})
Das Wort hat der Kollege Rainer Brüderle von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Glos, Sie haben das Zitat gebracht, dass der
Strom zu billig sei. Ich sage Ihnen: Der Staat macht den
Strom zu teuer. Der Staat ist der größte Preistreiber beim
Strom. Die Zusammenhänge sind genau andersherum,
als Sie sie beschrieben haben.
({0})
Vor 25 Jahren hat der damalige Wirtschaftsminister
Otto Graf Lambsdorff mit seinem berühmten Papier einen aufrüttelnden Weckruf für mehr Freiheit, weniger
Staat und mehr Markt verfasst. Anders als damals haben
wir heute eine relativ stabile Weltkonjunktur. Heute geht
die Arbeitslosigkeit zurück. Damals gab es Gegenwind,
heute Rückenwind durch die Konjunktur.
Trotz der Freude über die derzeit gute Wirtschaftsentwicklung müssen wir feststellen: Die Strukturprobleme unseres Landes sind nicht kleiner geworden; viele
Hausaufgaben sind immer noch nicht erledigt; die
Staatsquote liegt mit 45 Prozent immer noch viel zu
hoch; die Sozialversicherungsabgaben verharren trotz aller Ankündigungen bei mehr als 40 Prozent; der überbordende Sozialstaat wird nicht in seinen Fehlentwicklungen zurückgestutzt, sondern weiter ausgebaut; keines
unserer sozialen Sicherungssysteme ist wirklich zukunftsfest. Zu einer Politik, die nicht verlässlich ist, können die Bürger kein Vertrauen haben. Deshalb kann es
niemanden verwundern, dass die Bürger trotz der guten
Wirtschaftsentwicklung ihr Geld zusammenhalten und
dass, laut Aussage von Professor Rürup vom Sachverständigenrat, der Konsum flach wie ein Brett ist. Die
strukturellen Probleme müssen endlich angegangen werden.
({1})
Herr Bundeswirtschaftsminister, diese Bundesregierung hätte einen markwirtschaftlichen Brandbrief dringend nötig. Ihre Forderung, Herr Minister Glos, die
Steuern und Abgaben zu senken, ist richtig. Sie sollten
das aber nicht auf die nächste Legislaturperiode verschieben. Machen Sie es jetzt. Lassen Sie den Aufschwung endlich bei den Menschen in Deutschland ankommen.
({2})
Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die Grundelemente der sozialen Marktwirtschaft: Sozial ist die
Marktwirtschaft, weil sie für wirtschaftliche Dynamik,
für Arbeitsplätze sorgt. Wenn man dafür sorgt, betreibt
man eine gerechtere Sozialpolitik, als wenn man auf
Transferleistungen und ABM-Maßnahmen setzt. Die
beste Sozialpolitik ist ein Arbeitsplatz. Sozial ist die
Markwirtschaft, weil sie Machtkonzentration und Ausbeutung verhindert. Das beste Entmachtungsinstrument
ist der Markt. Sozial ist die Marktwirtschaft, weil sie
Newcomern, neuen Ideen eine Chance gibt. Sozial ist die
Marktwirtschaft nicht zuletzt, weil durch die Ermöglichung des wirtschaftlichen Erfolgs von Menschen ein
Steueraufkommen entsteht, das die Möglichkeit bietet,
Bedürftigen zu helfen.
Der Staat muss sich wieder stärker auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren: Er muss den Rahmen setzen. Er darf keine Politik für Großkonzerne betreiben
und dabei den Mittelstand vergessen.
({3})
Sie haben zu Recht angesprochen, dass die OECD,
die EU-Kommission und das Institut für Weltwirtschaft
in Kiel ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigiert
haben. Das ist nicht dramatisch. Wir wissen noch nicht,
wie sich die Turbulenzen auf den Weltfinanzmärkten auf
die deutsche Wirtschaft auswirken werden. Unser Land
muss aber auf Krisen in der Weltwirtschaft vorbereitet
sein. Deshalb müssen wir unser Land jetzt stärken, indem wir für mehr Wettbewerb und international für Freihandel kämpfen. Wir müssen die Chancen der Globalisierung nutzen und dürfen sie nicht verspielen. Ja, wir
brauchen mehr Transparenz auf den internationalen
Finanzmärkten. Wir brauchen internationale Wettbewerbsregeln, zum Beispiel unter dem Dach der WTO.
Die soziale Marktwirtschaft war so erfolgreich, weil
sie klare Wettbewerbsregeln und ein starkes Kartellamt,
das auf die Einhaltung der Spielregeln achtet, vorsieht.
Das müssen wir auf die internationale Ebene übertragen.
Auch in der internationalen Politik brauchen wir eine
Ordnungspolitik. Wir müssen unsere soziale Marktwirtschaft exportieren.
({4})
Unser Exportschlager Ordnungspolitik droht aber im
eigenen Land unter die Räder zu kommen. Der starke
Mittelstand war immer Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Das Aufpäppeln nationaler Champions durch den
Staat gehört nicht zum Instrumentenkasten einer sozialen Marktwirtschaft.
({5})
Wollen wir jetzt Monopoly statt Mittelstand? Wollen wir
dem Beispiel Frankreichs folgen und eine Politik für
Großkonzerne machen?
({6})
In Europa ringen unterschiedliche Philosophien miteinander: Neomerkantilismus in Frankreich und soziale
Marktwirtschaft in Deutschland. Hier gilt es, engagiert
aufzutreten und zu kämpfen. Das Wachstum in Frank11704
reich ist übrigens kein Anlass zum Jubeln; Frankreich
fällt dabei deutlich zurück.
Zurück zu Deutschland. Der geplante Mindestlohn für
Postdienstleistungen ist eine Fortsetzung des Postmonopols mit anderen Mitteln. Die SPD versucht gar nicht,
das zu verschleiern.
({7})
Das Elend bei der Privatisierung der Bahn zeigt, dass
weite Teile der Bundesregierung keinen echten Wettbewerb wollen. Es geht ihnen nicht um bessere Produkte
oder um günstige Preise für die Verbraucher.
Bei der Beteiligung der KfW an der Privatbank IKB
kommt endlich ein Umdenken in Gang, wobei die Regierung und die KfW Getriebene der Entwicklung der
Märkte sind. Es war immer fragwürdig, wenn sich eine
staatliche Förderbank an einer privaten Bank beteiligt.
Das ist nicht ihre Aufgabe. Sie ist für andere Dinge gegründet worden.
({8})
Um den Mittelstand zu stärken, hilft es nicht allein,
ein paar Förderprogrämmchen aufzulegen, so sinnvoll
sie vielleicht sind. Wir brauchen andere Veränderungen:
betriebliche Bündnisse für Arbeit, mittelstandsfreundliche Fortentwicklung und Modernisierung des Betriebsverfassungsrechts sowie Bürokratieabbau. Amtlich wurden die Kosten der Bürokratie festgestellt: 40 Milliarden
Euro. Die Fortschritte durch die schwarz-roten Mittelstandsentlastungsgesetze bewegen sich also im Promillebereich.
({9})
Sie wollten mehr Freiheit wagen, Frau Bundeskanzlerin. Weniger Arbeitsplätze als Ergebnis der Einführung
von Mindestlöhnen bedeuten weniger Freiheit für Arbeitssuchende. Betriebsaufgaben wegen hoher Erbschaftsteuer bedeuten weniger Freiheit. Gläserne Bankkonten, um die Bürger zu durchleuchten, sind das
Gegenteil von Freiheit. Sie müssen Ihren Kurs korrigieren.
Jetzt kommt auch noch das Gespenst des Protektionismus zurück. Es ist richtig, in den Wirtschaftsbeziehungen auf Gegenseitigkeit zu achten und ein Augenmaß bei der Öffnung der Märkte zu haben. Aber es darf
zu keinem Rückfall in Wirtschaftsnationalismus, zu keinem Rückfall in Abschottung kommen. Als Exportnation sind wir auf Freihandel angewiesen. Das hat
unsere Stärke ausgemacht. Das dürfen wir nicht vernachlässigen.
({10})
Ich warne ganz deutlich vor den Grenzschildern mit der
Aufschrift „Ausländische Investoren unerwünscht“. So
weit darf es in Deutschland nicht kommen. Meldepflichten für ausländische Investitionen tragen nicht zu mehr
Wachstum bei. Mauern um sogenannte strategische Bereiche wie Telekommunikation und Medien tragen nicht
zu mehr Wachstum bei. Die neueste Idee der Regierung,
Kapitalsammelstellen zu initiieren, um Unternehmensübernahmen durch strategische Investoren zu verhindern, stellt keinen Beitrag für offene Wirtschaftsbeziehungen dar. Das hat nichts mit einer Politik für
Wachstum zu tun.
In Branchen, in denen Wettbewerb herrscht, brauchen
wir keine Angst vor ausländischen Staatsfonds zu haben. Wo es keinen Wettbewerb gibt, müssen wir Wettbewerb schaffen. Das ist der richtige Weg.
({11})
Einer der größten - möglicherweise der größte - Staatsfonds, der in Deutschland investiert ist, kommt aus Norwegen, das seine Ölgelder zum Glück in Deutschland
anlegt. Wollen wir den Norwegern sagen, dass ihr
Staatsfonds hier nicht mehr willkommen ist, sein Kapital
aus Deutschland abziehen und nach Amerika umschichten solle?
({12})
Wir sollten doch glücklich sein, dass sie das Geld in
Deutschland investieren und so Arbeitsplätze für die Zukunft sichern.
Protektionismus ist des Teufels. Fairer Handel ist besser als eine neue Beggar-my-Neighbour-Policy. Das
bringt unsinnige Folgen mit sich.
({13})
Der eine fängt damit an, der nächste setzt es fort, und am
Schluss sind alle ärmer.
({14})
Sie sollten die elementaren Aussagen hierzu von Adam
Smith aus dem 18. Jahrhundert nachlesen. Die gelten
auch heute noch. Nur einige in der Regierung wollen das
nicht wahrhaben und wollen zurück in die finsteren
Schützengräben von vorgestern. Das ist nicht der Weg in
die Zukunft.
({15})
Herr Kollege Brüderle, kommen Sie bitte zum
Schluss.
Letzter Satz, Herr Präsident! - Wir stehen an einer
Wegscheide. Wir müssen uns entscheiden, ob wir mehr
Wettbewerb oder mehr Staatswirtschaft wollen. Ich
fürchte, die Regierung neigt zu mehr Staatswirtschaft.
Wir kämpfen für mehr Wettbewerb, weil wir das Land
stark machen, mehr Arbeitsplätze schaffen und den
Menschen eine Zukunft geben wollen. Mut und nicht
Angst hilft in die Zukunft hinein.
({0})
Das Wort hat der Kollege Ludwig Stiegler von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brüderle ist ein Meister im Aufbau von Pappkameraden. Er baut wunderbare Kulissen auf, rennt wie ein
Ritter in die Pappe hinein und lässt sich dann als Held
feiern. Herzlichen Glückwunsch!
({0})
Insgesamt hat Herr Brüderle aber die falsche Rolle
angenommen. Er übt sich in Beckmesserei.
({1})
Lassen Sie sich einmal von Frau Merkel über die Rolle
des Herrn Beckmesser aufklären, Herr Brüderle. Er hat
die Eva nämlich nicht gekriegt. Diese Rolle aus den
Meistersingern passt nicht zu Ihnen. Daher sollten Sie
sie nicht annehmen. Lassen Sie das lieber den Niebel,
den Westerwelle oder den Koppelin machen. Sie sind für
diese Rolle besser geeignet, und Sie würden eher als
Hans Sachs taugen. Er hat ja - ethisch hochstehend verzichtet und eine ordentliche Analyse abgeliefert.
Also, Herr Brüderle, lassen Sie uns das in Zukunft anders angehen.
({2})
Machen Sie es wie Michael Glos. Er hat eine Fortbildung in Kreativwirtschaft gemacht; jetzt weiß er, was
das ist. Herzlichen Glückwunsch! Dieser Bildungsgutschein hat sich gelohnt.
({3})
- Das hast du davon, wenn du zu frech bist! ({4})
Meine Damen und Herren, es gab in diesem Hause im
Hinblick auf den Bundeshaushalt schon schwierigere
Ausgangssituationen. Zurzeit sind wir auf einem guten
Weg. Wir konsolidieren den Haushalt durch Wachstum.
Wir haben immer gesagt, dass wir aus unseren Problemen „herauswachsen“ wollen. Dass das gelingt, ist kein
Glück, sondern der Erfolg des Mutes und der Tüchtigkeit in der Haushaltspolitik und in der Investitionspolitik; darüber können wir froh sein. Diesen Ansatz haben
wir immer verfolgt.
Er scheint zu gelingen. Die Wirtschaft wächst. Die
Arbeitslosigkeit geht zurück. Die öffentlichen Finanzen
gesunden. Die Arbeitseinkommen steigen. Die Renteneinkommen werden im nächsten Jahr ebenfalls steigen.
Die Entstehungsseite des Sozialprodukts ist in Ordnung.
Seine Verteilungsseite ist allerdings noch nicht in Ordnung. Denn noch hat der Anteil, den die Arbeitnehmereinkommen am Volkseinkommen haben, nicht das Niveau erreicht, das wir gerne erreichen würden. Aber
auch das wird besser.
Dazu gehört auch das Thema Mindestlöhne. Seit
dem 1. Juli dieses Jahres gelten Mindestlöhne für Gebäudereiniger, für fast 1 Million Menschen, die nun
keine Schrottlöhne mehr erhalten. Auch bei den Briefdiensten werden wir Mindestlöhne einführen.
Eigentlich wären sie schon heute fällig. Aber der
Bundeswirtschaftsminister - allerdings nicht nur Herr
Glos; das haben auch seine Vorgänger gemacht - schaut
immer nur dabei zu, wenn die Bundesnetzagentur bei der
Vergabe von Lizenzen nicht darauf achtet, ob die wichtigsten Arbeitsbedingungen eingehalten werden; das ist
der Fakt. Deshalb ist es wichtig, dass wir bei der Bundesnetzagentur eine Bestandserhebung durchführen und
tarifliche Mindestlöhne einführen. Ich warne Pin und andere davor, sich eine Schmutzgewerkschaft zu suchen
und mit ihr Hungerlöhne zu vereinbaren, wie es im Bereich der Leiharbeit gelegentlich geschieht.
({5})
Wir werden engagiert daran mitarbeiten, dass Franz
Müntefering seine „Mia“ im Gesetz verewigt, und wir
werden uns gemeinsam über die Mindestarbeitsbedingungen verständigen. Wenn es darum geht, für alle
Menschen anständige Arbeitsbedingungen zu schaffen,
ist auch die Fleischindustrie gefragt, die sich in letzter
Zeit weiß Gott nicht ruhmvoll hervorgetan hat. Wir wollen, wie es in Meseberg hieß, einen „Aufschwung für
alle“. Allerdings gibt es einige Bevölkerungsgruppen,
die noch den Anschluss an das Mittelfeld finden müssen.
Meine Damen und Herren, dass sich die Situation verbessert hat, ist eine Gemeinschaftsleistung von Arbeitnehmern, Tarifpartnern, Arbeitgebern, Unternehmen,
aber auch von der Politik. Zwar meinen manche, an einem Abschwung sei nur die Politik schuld, und an einem
Aufschwung seien nur die Manager schuld. Aber diese
„Arbeitsteilung“ lassen wir uns nicht gefallen.
({6})
Selbst das Institut der deutschen Wirtschaft war so gütig,
zu sagen, zu einem Drittel seien wir immerhin ursächlich. Wenn selbst das Institut der deutschen Wirtschaft
mit seinem bekannten Unterschätzungsfaktor das meint,
können wir uns durchaus die Hälfte zuschreiben. Diese
Anerkennung sollten wir auch einfordern. Es muss ein
Ende haben, dass in der Wirtschaftspolitik der Staat immer nur für das Schlechte verantwortlich gemacht wird
und die anderen immer nur die Besten sein wollen.
Wenn es schlecht läuft, wollen nicht sie die Deppen gewesen sein, die spekuliert haben, sondern wir sollen die
Schuldigen sein, weil wir sie haben spekulieren lassen.
Es gibt jetzt sogar Personen, die sagen: Hättet ihr uns nur
die notwendigen Regeln gegeben! - Als wir ihnen aber
Regeln geben wollten, haben sie alle getobt. So kann
man nicht miteinander umgehen.
({7})
Wir haben aber keinen Grund zur Selbstgefälligkeit
und Entspannung.
({8})
Am Horizont ziehen schwere Gewitterwolken auf. Manche sagen, man sollte nicht darüber reden. Das wäre ähnlich wie die Schafe im Stall, die nicht darüber reden wollen, ob das Tier vor der Stalltür ein Wolf oder ein
Schäferhund ist. - Nein, lasst uns darüber reden!
({9})
Uns wird derzeit auf den Geld- und Finanzmärkten die
Rechnung für die Sünden der Vergangenheit präsentiert,
und zwar gewaltig.
({10})
Es hieß, es gäbe eine geringe Wahrscheinlichkeit für ein
solches Ereignis, wenn es aber eintreten sollte, dann mit
hohem „impact“. Genau das erleben wir jetzt. Wir müssen uns nicht unbedingt wegen der Spekulanten die Augen ausweinen. Aber die Folgen für die Realwirtschaft
müssen uns wahrlich bekümmern. Wir müssen dafür sorgen, dass das Pendel, das erst in Richtung vollkommener
Risikovergessenheit ausgeschlagen ist, jetzt nicht in die
Richtung übergroßer Risikosensibilität zurückschlägt
und damit wieder Zehntausende von mittelständischen
Existenzen gefährdet werden. Es kann nicht sein, dass
die Banken, die so risikofreudig diese Mist-Coupons gekauft haben, jetzt beim Mittelstand „die Laus um den
Balg scheren“. Das müssen wir mit den Verbänden der
Kreditwirtschaft besprechen. Das wird aber noch geraume Zeit dauern.
Dazu kommen die Öl- und Rohstoffpreise. Wir können also auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite
betroffen sein. Wir haben dabei ein paar wichtige Ziele
zu verfolgen: Die Kreditbedingungen für den Mittelstand dürfen sich nicht verschlechtern. Es gibt einige
Hinweise, dass manche Banken aus Sorge um ihre
Liquidität schon mit Kreditrestriktionen beginnen. Das
wäre der Anfang vom Ende des Aufschwungs, und das
soll und darf so nicht sein!
({11})
- Natürlich!
Wir brauchen auch in Zukunft ABS für den Mittelstand, allerdings solide ABS und keine Schrott-ABS,
wie sie aus anderen Regionen der Welt gekommen sind.
({12})
- Solide heißt, dass, wenn „AAA“ draufsteht, auch
„AAA“ drin sein muss.
({13})
Beim Mittelstand war auch immer „AAA“ drin; bei anderen war nicht „AAA“, sondern „DDD“ drin. Das ist
der Unterschied.
Wir sind froh, dass die KfW erklärt hat, das IKBAbenteuer führe nicht zu einer Beeinträchtigung der
Wirtschaftsförderung durch ERP-Sondervermögen und
die KfW. Das ist eine ganz wichtige Botschaft für die
kleinen und mittleren Unternehmen. Daran sollten wir
alle miteinander festhalten und mit dem ERP-Gesetz die
notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser Bereich, der bei sich ändernden Kreditkonditionen
jetzt immer wichtiger wird, auch funktioniert.
({14})
Wir danken denjenigen, die das Krisenmanagement
gut hinbekommen haben:
({15})
dem Finanzminister, dem Wirtschaftsminister, Frau
Matthäus-Maier, aber auch allen drei Säulen der deutschen Bankwirtschaft, die nicht aus Liebe zur IKB, sondern aus Klugheit und um Schaden von ihren eigenen Instituten und der Volkswirtschaft abzuwenden, gehandelt
haben. Dafür ein herzlicher Dank an die Beteiligten! Die
liberalen Beckmesser waren nicht dabei und nicht erreichbar, als es Beratungsbedarf gab. Aber das ist immer
so bei Ihnen: Erst nicht dabei sein, nicht mitberaten und
hinterher motzen. Dabei sollten Sie, bitte schön, auch
bleiben!
({16})
Der Bundeshaushalt im Ganzen ist vielleicht nicht unbedingt besonders Aufschwung gebend, sondern eher
akkommodierend.
({17})
Einiges aus dem 25-Milliarden-Euro-Programm ist noch
darin enthalten. Aber es läuft zum Beispiel die Investitionsfinanzierung aus. Wir haben aufzupassen, dass die
Haushälter hier herangehen, dass zumindest die Stellen
markiert werden. Dann kann man reagieren, falls es anders kommen sollte als erwartet. Es ist ganz wichtig,
dass wir die Bereitschaft, antizyklisch zu handeln, aufrechterhalten.
({18})
Dabei weise ich darauf hin, dass die GA-Förderung dramatisch unterfinanziert ist.
({19})
Es liegen unglaublich viele Anträge vor, die bewilligungsreif sind. Doch wir haben nicht einmal 20 Prozent
der Mittel, die für die Bedienung der Anträge erforderlich wären. Deshalb, liebe Haushälter: Wann sollen wir
in den Regionen etwas tun, wenn nicht jetzt, wo die Anträge und die Initiativen vorliegen?
({20})
Ich fordere alle auf, dem bei den Beratungen Vorrang zu
geben, damit wir nachhaltige öffentliche und private Investitionen voranbringen.
Ansonsten möchte ich sagen: Wir starten gut, das
Wetter ist schön, und wir decken das Dach, bevor der
Regen kommt. So sind wir auch dann ordentlich beieinander.
Glückauf!
({21})
Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Auch Minister Glos will uns erzählen, Deutschland habe allen Grund zur Zuversicht. Er setzt noch einen drauf und meint, wir sollten fröhlich sein.
({0})
Die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen
und Existenzgründer - besonders im Osten, aber nicht
nur im Osten - stellen fest: Wir können wohl nicht gemeint sein, wir sind wohl nicht dieses Deutschland; denn
wir haben es mit einer anderen Realität zu tun.
({1})
Ihre Realitätsbeschreibung erinnert an den gigantischen
Fauxpas von Helmut Kohl, der feststellte: Die Wirklichkeit ist etwas anderes als die Realität.
({2})
In meinem Wahlkreis im südlichen Sachsen-Anhalt
gibt es keine CDU-Abgeordneten; sie werden da auch
nicht vermisst.
({3})
Also muss ich den Job der CDU in Sachen Unternehmensförderung mit machen, und ich mache das natürlich
gern. Ich habe gute Kontakte zu den meisten Unternehmen. Ich achte ihr Engagement für die Region. Ich stelle
fest: Es gibt ein wiedergewonnenes Selbstbewusstsein
im Osten. Die Unternehmen ringen hart um Arbeitsplätze und Marktanteile, und ich freue mich mit ihnen
über jeden Erfolg. Nur, eines würden diese Unternehmen
nie unterschreiben, Herr Minister: Das ist Ihre platte Art
von Erfolgspropaganda. Denn für diese gibt es in der Tat
keinen Anlass.
({4})
Ich will noch auf zwei Dinge eingehen: auf Forschung, Entwicklung und Innovation sowie auf die Lage
in den neuen Bundesländern.
Auch Ihr Eigenlob in Sachen Innovationsförderung
ist unbegründet. Herr Minister, Sie haben sich hier als
Kleinspekulant geoutet - in Sachen Schönreden sind Sie
allerdings ein Megaspekulant; das müssen Sie sich einmal sagen lassen!
({5})
Selbstverständlich ist es richtig, innovative Technologien und Produkte zu fördern. Doch was Sie mit Ihren
Programmen bieten, ist ein einziges kommunikatives
Durcheinander der beteiligten Ministerien und Förderprogramme. Wechselnde Titel - Genshagen, Innovationsprogramm -, unterschiedliche Förderhöhen - 25-Milliarden-Programm -, Eifersüchteleien zwischen den
Ministerien - wer darf was? Wer hat welche Kompetenzen? Ist es nicht vielleicht wichtiger, das Ministerium
sauber zu halten, als jemanden zu fördern? - behindern
die Verwirklichung dieses Programms. Das alles wäre
nicht so schlimm, wenn sich damit nur die Bundesregierung blamierte. Aber das Problem ist, dass gerade
Existenzgründer bzw. kleine und mittelständische Unternehmen die Gekniffenen sind, weil sie keine Chance
mehr haben, durch Ihren Förderdschungel durchzusteigen.
Ein kleines Beispiel ist das Patentamt in München.
({6})
Wegen Differenzen zwischen dem Justizministerium und
dem Wirtschaftsministerium ist das Wirtschaftsministerium nicht bereit, dem Patentamt in München etwas
mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie wissen wie
ich: Jeder Euro, den wir dort investieren, kommt den
Existenzgründern zugute, weil eine Erfindung nicht
mehr nur geschützt wird, wie es jetzt der Fall ist, sondern schneller zur Marktreife gebracht werden kann. Das
muss doch unser Ziel sein!
({7})
Ich finde es schlimm genug, dass Ihnen das alles ein
Sozialist erklären muss, weil Sie nicht selbst darauf
kommen.
({8})
Ich will noch auf die Situation in den neuen Bundesländern eingehen. Herr Stiegler hat schon darauf hingewiesen. Sie reduzieren die Mittel zur Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur.
({9})
Das Gegenteil wäre richtig, und zwar vor allem aus
einem Grund: Wir haben es inzwischen beileibe nicht
nur im Osten mit strukturschwachen Regionen zu tun,
sondern zunehmend auch im Westen. Gerade an dieser
Stelle wäre es erforderlich, die gewonnenen Erfahrungen
auch zu nutzen.
Sie haben leider auch versäumt, unserem Vorschlag
zu folgen und einen Ausschuss für die neuen Bundesländer und strukturschwachen Regionen im Westen zu bilden. Ich erinnere daran, dass nur 7 Prozent der Industrieforschung in den neuen Bundesländern angesiedelt
sind. So kann der Osten nicht auf die eigenen Füße kommen.
({10})
Nun schickt sich der Exportweltmeister an - vor
allem im Osten, aber nicht nur dort -, auch in puncto
schlechtbezahlter Arbeit Weltmeister zu werden. In einem Drittel der ostdeutschen Betriebe stellen die 1-EuroJobber inzwischen die Mehrzahl der Beschäftigten. Ich
finde, das ist ein Skandal, den man so nicht hinnehmen
kann.
({11})
Die Antwort des Bundesministers darauf lautet - ich
zitiere -: „Zeitarbeit, befristete Verträge und andere flexible Arbeitsformen haben zum jüngsten Beschäftigungsaufbau beigetragen.“
({12})
Ich erinnere Sie daran, dass in der Zeitung stand, es gebe
100 000 neue Jobs, und ein Betroffener dazu feststellt:
Ja, ich habe sechs davon. - Wo soll das denn hinführen?
Vernünftiger wäre es in der Tat, einen gesetzlichen
Mindestlohn einzuführen. Alle 20 EU-Staaten, in denen
es bereits einen Mindestlohn gibt, werden diesen im
Jahr 2007 erhöhen. In sechs dieser Staaten wird er auf
über 8 Euro pro Stunde erhöht.
Das ist der Vorschlag der Linken im Bundestag. Deshalb fordere ich Sie auf: Folgen Sie mit Ihrer Politik der
wirtschaftspolitischen Vernunft der Linken!
({13})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae vom
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Wirtschaftsminister Glos, zu Ihrer Rede
muss ich feststellen, dass an manchen Stellen ökonomischer Sachverstand und Seriosität fehlen.
({0})
Die Finanzmarktentwicklung derart auf die leichte
Schulter zu nehmen, wie Sie es gemacht haben, ist unseriös. Nicht zu wissen, dass die Unternehmensteuerreform erst nächstes Jahr greift, sondern jetzt schon die
positiven Auswirkungen dieser Reform zu loben, zeugt
nicht von ökonomischem Sachverstand.
({1})
Sie haben festgestellt, dass die Konjunktur gut verläuft, und das freut uns. Aber warum ist das der Fall? Ist
das Ihr Verdienst?
({2})
Wir sagen: Nein. Es ist nicht Ihr Verdienst. Sie könnten
den weltwirtschaftlichen Aufschwung nicht nutzen - er
würde völlig verpuffen -, wenn Rot-Grün nicht heiße Eisen angepackt und wichtige Strukturreformen auf dem
Arbeitsmarkt, in der Energiepolitik und im Handwerk
durchgeführt hätte.
({3})
Ohne die rot-grünen Reformen könnte Schwarz-Rot
heute keine wirtschaftspolitischen Erfolge feiern.
({4})
Diese Strukturreformen waren notwendig; sie müssen
aber weitergehen. Und was macht die Große Koalition?
Der Aufschwung kommt bei den Langzeitarbeitslosen
und bei den Geringqualifizierten nicht an. Bereits in den
letzten Herbstferien gab es eine Urlaubssperre für viele
Mitglieder der Großen Koalition, weil ein Konzept zur
Förderung der geringqualifizierten Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer ausgearbeitet werden sollte. Bis heute
liegt aber nichts vor.
Wir haben mit dem Progressivmodell einen Vorschlag
zur Senkung der Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich vorgelegt. Das nutzt den Geringqualifizierten. Es nutzt den Arbeitnehmern wie auch den Arbeitgebern. Solche Strukturreformen müssen Sie umsetzen.
({5})
Mit der Gesundheitsreform schaffen Sie ein bürokratisches Monster. Die strukturellen Probleme bleiben. Die
Kosten werden steigen. Die Wirtschaft wird belastet. Die
Reform der Pflegeversicherung kommt überhaupt nicht
voran. Diese Hypothek auf die Zukunft wird zunehmend
größer; dazu haben Sie gar nichts gesagt. Das belastet
aber die Wirtschaft. Ein Wirtschaftsminister, der angesichts dieser drängenden Probleme und Zukunftsfragen
keine Antworten findet, hat seine Aufgabe nicht verstanKerstin Andreae
den. Sie müssen ökonomischer Vorreiter sein. Aus unserer Sicht ist der Wirtschaftsminister hier ein Schweigeminister.
({6})
Der Bundeshaushalt weist ein strukturelles Defizit
auf. In dieser Situation philosophieren Sie, Herr Minister
Glos, darüber, ob wir die Steuern senken können, mit der
Begründung, dass Sie die Menschen am Aufschwung
beteiligen wollen. Aber es geht Ihnen nicht um die Menschen, die dringend am Aufschwung beteiligt werden
müssen. Sie schlagen die Streichung der Erbschaftsteuer
und einen Spitzensteuersatz bei 40 Prozent vor. Wir
brauchen aber nicht mehr Geld für Menschen, die Geld
haben. Wir brauchen vielmehr eine Wirtschaftspolitik,
die die Teilhabe der Ausgegrenzten ermöglicht. Wir
brauchen eine Wirtschaftspolitik, die den Fokus auf die
Langzeitarbeitslosen und die geringqualifizierten Beschäftigten richtet.
Finanzminister Steinbrück hat gestern deutlich gesagt, dass er mit der von Ihnen vorgeschlagenen Abschaffung des Solidaritätszuschlags überhaupt nicht einverstanden ist. Das hört sich vielleicht in Bayern gut an,
kostet aber 12 Milliarden Euro. Sie entlarven sich doch
selbst. Der Abbau der Verschuldung gehört nicht mehr
zu Ihrer Agenda. Sie wollen mit Steuersenkungsvorschlägen in den Wahlkampf ziehen. Das ist das gleiche
populistische Niveau, das wir von der Linkspartei an anderer Stelle kennen. Hier hätten Sie besser geschwiegen,
Herr Minister.
({7})
Nun haben Sie in einer hellen Stunde ein Gutachten
zum Fachkräftemangel in Auftrag gegeben. Die Forscher haben Ihnen einen schonungslosen Lagebericht geschrieben. Die Zahl der Stellen für Hochqualifizierte, die
nicht oder nur verspätet besetzt werden können, liegt bei
über 100 000. Die Verluste für die Wirtschaft haben Sie
selbst auf 20 Milliarden Euro beziffert. Die Studie ist
gut. Aber was passiert? Sie legen kein Konzept vor. Vorschläge zu Veränderungen wurden in einem anderen Ministerium erarbeitet. Aber auch hier bleibt man auf halber Strecke stehen. Wir brauchen ein Punktesystem für
qualifizierte Einwanderer, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Senkung der Einkommensschwelle für Hochqualifizierte. Sie wissen genauso gut
wie ich, dass ein Hochqualifizierter hier zwei neue Arbeitsplätze schafft. Das alles müssen Sie anpacken. Aber
das tun Sie nicht. Sie bleiben auf halber Strecke stehen.
({8})
Der Bürokratieabbau ist das Lieblingsthema der
Union vor allem im Wahlkampf. Bisher haben Sie nur
Institutionen zum Bürokratieabbau aufgebaut, aber in
der Substanz keinen Bürokratieabbau erreicht. Sie formulieren nicht einmal den Anspruch, in dieser Wahlperiode einen substanziellen Bürokratieabbau zu erreichen.
({9})
Das reicht noch nicht einmal Ihrem Mittelstandsbeauftragten. Herr Schauerte sagt selber, er sei damit nicht zufrieden. Selbst mit der Messung der Bürokratiekosten
kommen Sie nicht planmäßig voran. Zum 30. Juni sollte
ein Bericht vorliegen. Er ist bis heute nicht fertiggestellt.
Schweigen im Walde!
Wir Grüne haben eine lange Liste mit Vorschlägen
zum Bürokratieabbau schon zum ersten Mittelstandsentlastungsgesetz eingebracht. Sie haben aber alles abgelehnt. Setzen Sie unsere Vorschläge um, dann betreiben
Sie substanziellen Bürokratieabbau! Entwickeln Sie das
Teilzeit- und Befristungsgesetz weiter! Es kann doch
nicht sein, dass jemand, der befristet eingestellt war,
noch zwei Jahre später in derselben Firma keine Stelle
bekommen kann. Legen Sie ein Arbeitsgesetzbuch vor,
mit dem Sie mehr Klarheit schaffen! Das geltende Arbeitsrecht ist unübersichtlich. Führen Sie die Handwerksreform fort! Wir haben den Meisterzwang in vielen Handwerksberufen abgeschafft.
({10})
Dort gibt es die meisten Neugründungen. Aber noch immer stehen 41 Berufe unter Meistervorbehalt.
({11})
Es ist ja nicht so, dass der Minister nicht tätig ist.
Aber das führt dann zu mehr Bürokratie.
({12})
Derzeit lassen Sie, Herr Minister Glos, für 20 000 Euro
ein Gutachten über den Umgang mit Brötchentüten erstellen. Es geht darum, wie Brötchentüten in Zukunft
entsorgt werden. Ein solches Gutachten lassen Sie erstellen, Herr Glos! Sie haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2011 die Bürokratielasten um 25 Prozent zu
senken. Das könnte 20 Milliarden Euro bringen; das haben Sie uns selber vorgerechnet. Ich kann Ihnen als
Schwäbin nur den guten Tipp geben: Fangen Sie einmal
mit diesen 20 000 Euro an! Das rechnet sich auch.
({13})
Ihnen fehlt auch eine klare ordnungspolitische Zielsetzung. Die wirtschaftspolitische Strategie der Bundesregierung und damit auch von Ihnen ist durch eine Strategie der nationalen Champions geprägt, und dies vor
allem im Energiesektor. Hier dominieren nach wie vor
die großen Exmonopolisten. Sie verfügen über die
Netze, und damit verfügen sie über die Macht, Wettbewerber vom Markt fernzuhalten. Am 20. August hat der
Wirtschaftsminister verkündet - ich finde, er hat das zu
Recht getan -:
Die Preiserhöhungen zeigen: Wir brauchen dringend mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt! ...
Ich werde keine Strom- und Gaskartelle zulassen.
Die Preise dürfen nicht ungebremst weiter steigen.
Der Minister hat wenige Tage später gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen laut Welt vom
7. September Folgendes gesagt:
Wir sehen keine positive Verbindung zwischen den
Strompreisen, den Investitionen und der Entflechtung.
Das ist ein klarer Widerspruch zu dem, was Sie zwei
Wochen zuvor gesagt haben. Sie haben keine ordnungspolitische Orientierung.
({14})
Sie haben uns vorhin gesagt, Sie wollten den Wettbewerb vor allem auf dem Energiemarkt fördern. Wissen
Sie, wo Sie das jetzt tun können, wo Sie jetzt Standfestigkeit beweisen können? Bei der Anreizregulierung.
Zur Anreizregulierung hat der Wirtschaftsausschuss des
Bundesrates einen aus unserer Sicht verheerenden Beschluss gefasst, einen Beschluss, der nicht dazu dient,
den Wettbewerb auf den Energiemärkten voranzubringen. Wenn Sie wirklich für Wettbewerb einstehen wollen, dann müssen Sie es schaffen, dass dieser Beschluss,
den der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates gefasst
hat, nicht umgesetzt wird. Da können Sie Standfestigkeit
beweisen. Wenn Sie hier wieder schweigen, dann stimmt
das, was Sie gesagt haben, nämlich dass Sie Wettbewerb
auf den Energiemärkten schaffen wollen, nicht.
({15})
Wenn Sie eine gesunde ökonomische Entwicklung
wollen, die auch wir wollen, dann brauchen Sie heutzutage auch eine gesunde ökologische Entwicklung.
Spätestens seit dem Bericht von Nicholas Stern wissen
wir, was es uns kostet, wenn wir Klimaschutz betreiben,
nämlich ungefähr 1 Prozent des BIP. Wir wissen aber
auch, was es uns kostet, wenn wir keinen Klimaschutz
betreiben, nämlich ungefähr 20 Prozent des BIP. Das
sind klare ökonomische Zahlen, die deutlich machen,
was passiert, wenn wir nicht gegensteuern. Es wundert
doch nicht, dass die Ölpreise und andere Ressourcenpreise ansteigen. Wir wissen doch nicht erst seit gestern,
dass die Ressource Öl knapper wird, dass Angebot und
Nachfrage den Preis bestimmen und wir mit steigenden
Preisen zu rechnen haben. Was aber tun wir? Wir haben
die Kohlepartei SPD, wir haben die Atompartei CDU,
aber es gibt keine Politik, die auf Energieeinsparung,
Energieeffizienz und erneuerbare Energien gerichtet und
damit zukunftsfähig wäre.
({16})
Kohlekraftwerke, die größten Klimakiller, lassen Sie
weiter bis 2018 laufen. Der Ausstieg bis 2012 wäre möglich.
({17})
Die hohen Subventionen müssen in den Ausbau der
erneuerbaren Energien, in die Finanzierung von Zukunftstechnologien und in den Klimaschutz gesteckt
werden. Zukunftsfähigkeit schreibt sich anders. Ich empfehle Ihnen, das Papier Grüne Marktwirtschaft zu lesen.
Dann kommen Sie auf andere Gedanken, und dann können Sie nach vorne blicken und eine ökologische Wirtschaftspolitik betreiben, die wir für eine ökonomische
Entwicklung brauchen.
Vielen Dank.
({18})
Als nächster Redner hat der Kollege Kurt Rossmanith
von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Wachstumsbedingungen in Deutschland weiter stärken - das ist die Politik, der wir uns verschrieben haben. Diese wachstumsfreundliche Politik
trägt Früchte, und diese Politik wird konsequent in der
Zukunft umgesetzt. Bundesminister Michael Glos, das
Haus, die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen leisten eine ganz wichtige Arbeit.
({0})
Ich möchte Ihnen, Herr Bundesminister, und allen Mitarbeitern Ihres Hauses herzlich danken. Ich weiß, was Sie
gerade in der jetzigen Zeit leisten, damit diese Politik in
unserem Land fortgesetzt wird. Wir haben über
1 Million neuer Arbeitsplätze geschaffen, damit 1 Million Familien neue Einkommensquellen erschlossen,
und wir haben ihnen damit auch Angst genommen.
Ich glaube, dass der Haushaltsentwurf 2008 für das
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine
solide Basis darstellt, wenn auch - Sie, Herr Bundesminister, haben es gesagt - der Haushalt letztendlich anders aus dem Parlament herauskommt, als er hineingegangen ist. Aber Sie brauchen nicht zu befürchten, dass
wir Ihren Haushalt so stark kürzen werden, wie unsere
Redezeit durch Ihre Vorgabe eingeschränkt worden ist.
Meine Redezeit - eigentlich waren es acht Minuten - ist
nun um 25 Prozent kürzer. Sie brauchen keine Kürzung
um 25 Prozent zu befürchten. Wir werden in den Haushaltsberatungen angemessen vorgehen.
({1})
Unser Wirtschaftswachstum lag zuletzt bei 2,5 Prozent. Das Wachstum, das wir in diesem Jahr erreichen,
wird ebenfalls in dieser Größenordnung liegen, auch
wenn es vielleicht etwas bescheidener ausfällt. Man bedenke, dass es auch dann immer noch drei- oder viermal
so groß sein wird wie in den Jahren vor 2006.
The Economist hat Ende August geschrieben:
Deutschlands Wirtschaft scheint wieder zur Lokomotive Europas zu werden.
({2})
Grund dafür ist eine handwerklich gute und verlässliche
Haushalts- und Wirtschaftspolitik.
({3})
Trotz dieser Daten sind Sie der Meinung, lieber Kollege Rainer Brüderle, wir befänden uns auf einer Fahrt in
die Staatswirtschaft. Der Kollege Roland Claus will uns
ob dieser Daten gleich die Fröhlichkeit verbieten. Ich
halte es hier mit dem heiligen Don Bosco, der gesagt hat:
Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.
({4})
Lieber Herr Kollege Claus, wir werden weiter fröhlich
sein. Wir werden weiter Gutes tun, und wir lassen Sie
auch entsprechend pfeifen. Das wollen wir Ihnen nicht
verbieten.
({5})
Der Plafond des Haushalts des Wirtschaftsministeriums für 2008 liegt bei - Frau Kollegin Andreae hat es
angesprochen - 6,1 Milliarden Euro. Ein Drittel - über
2 Milliarden Euro - wird nach wie vor zur Subventionierung des Steinkohlebergbaus verwendet. Ich hätte mir
schon gewünscht, dass Sie in dieser Hinsicht einmal
Vorschläge gemacht hätten; schließlich haben Sie im
Jahr 2005, vor zwei Jahren, also vor gar nicht so langer
Zeit, noch Regierungsverantwortung getragen. Was den
Abbau der Steinkohleförderung angeht, hatten und haben Sie nichts zu bieten. Aber jetzt stellen Sie sich hierhin und jammern über unsere Politik. Ich bedaure das.
Frau Kollegin Andreae, Sie fallen in die Rhetorik der
Anfangszeit der Grünen zurück, als man mit dem Argument, dass der Strom aus der Steckdose komme, gegen
die Kernenergie protestierte. Kernenergie ist für Sie des
Teufels, Steinkohle ist für Sie des Teufels, alles ist für
Sie des Teufels. Da der Strom aus der Steckdose komme,
besteht Ihrer Auffassung nach keinerlei Notwendigkeit,
den von uns vertretenen Ansatz zu verfolgen. Ich hätte
mir schon gewünscht, dass Sie sich von den sehr unklugen Äußerungen,
({6})
die Sie damals gemacht haben, hier etwas stärker distanzieren.
Wie in der Vergangenheit setzt unsere Politik auch in
Zukunft einen Schwerpunkt auf Mittelstand, Forschung
und Entwicklung. Dafür sind in diesem Haushaltsentwurf - ich glaube, wir sind uns einig, dass wir daran
keine allzu großen Änderungen vornehmen - rund eine
halbe Milliarde Euro veranschlagt.
Wir sind nach wie vor Exportweltmeister, und wir
wollen das auch bleiben. Die Außenwirtschaftsförderung ist daher ein ganz wichtiger Bereich. Wir müssen
dafür sorgen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen - um sie geht es bei der Außenwirtschaftsförderung; es geht doch nicht um die Konzerne; sie erhalten
diese Förderung nicht - in der Lage sind, sich auf den
Weltmärkten zu behaupten. Für mittelständische Unternehmer ist das heute das A und O.
({7})
Über die Gemeinschaftsaufgabe - sie wurde angesprochen, auch vom Kollegen Stiegler - werden wir uns
noch intensiv und in objektiver Art und Weise unterhalten müssen. Es hilft überhaupt nichts, einfach plakativ
darüber hinwegzuspringen.
Lassen Sie mich einen letzten Bereich ansprechen:
die Luft- und Raumfahrt, die im vergangenen Jahr und
auch bis heute fast immer mit negativen Schlagzeilen behaftet war und ist. Es handelt sich um eine Hochtechnologie, die notwendig und erforderlich ist und die ganz
wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur
Wahrung der technischen Führungsstellung, die wir
weltweit innehaben, beiträgt.
Aber, Herr Bundesminister Michael Glos, um eines
bitte ich Sie herzlich: Der letzte Bericht des Koordinators für Luft- und Raumfahrt stammt aus dem Jahre
2002, vom damaligen Koordinator und Parlamentarischen Staatssekretär Siegmar Mosdorf. Es ist also
höchste Zeit für einen neuen Bericht. Ich weiß, dass die
entsprechenden Vorbereitungen schon laufen, aber dieser
Bericht muss Ende dieses Jahres, spätestens zu Beginn
des nächsten Jahres vorliegen. Es ist - aufgrund der Ereignisse und aufgrund dessen, was wir auf diesem Felde
noch vor uns haben - zwingend notwendig, dass wir diesem Bereich, einem ganz wichtigen Aspekt, weiterhin
Bedeutung zumessen.
Was die Haushaltsberatungen anbelangt, bin ich zuversichtlich. Ich bedanke mich schon jetzt bei den Kolleginnen und Kollegen für das Miteinander und für das
Verständnis, das wir im Sinne unseres Vaterlandes für
die zukünftige Entwicklung aufbringen werden.
Ich danke Ihnen.
({8})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Flach von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Glos, Sie haben uns heute wieder einmal in bemerkenswerter Weise gezeigt, wie gut Sie vor allen Dingen rhetorisch in der Lage sind, die Welt etwas zu schönen.
({0})
Heute haben Sie uns die Facette „Wir wollen dem Bürger alles zurückgeben“ vorgetragen. Noch vor wenigen
Tagen haben Sie über den „Tugendkreislauf“ gesprochen. Ich zitiere Sie:
Zeitlichen Vorrang hat in jedem Fall der Defizitabbau.
Nun frage ich mich natürlich: Womit werden wir leben?
Weder das eine noch das andere ist bisher bei Ihnen zum
Tragen gekommen.
({1})
Sie geben dem Bürger nichts zurück, die Steuern werden
nicht gesenkt, und der Defizitabbau ist - das sieht man
gerade auch an Ihrem Haushalt - alles andere als Realität.
({2})
Der Einzelplan 09, der Haushalt des Wirtschaftsministeriums, weist Ausgabensteigerungen um 2,1 Prozent auf. Das verstehe ich nicht unbedingt unter tugendsamem Sparen. Gleichzeitig - das muss man als Haushälter
klar sehen - schieben Sie nicht unbeträchtliche Haushaltsrisiken vor sich her.
Schauen Sie sich einmal das Beispiel Steinkohle an.
Ich bin immer wieder entzückt, wenn die Grünen über
Steinkohle reden. Sie hatten viele Jahre Gelegenheit
- gerade auch in Nordrhein-Westfalen -, ihren Teil dazu
beizutragen.
({3})
Es musste erst eine schwarz-gelbe Regierung geben, um
den Subventionsabbau endlich in trockene Tücher zu
bringen. Dabei ist jedoch etwas passiert, was ich als
Haushälter des Bundes mit großer Sorge betrachte, Herr
Minister. Sie haben bei den sogenannten Ewigkeitslasten
des Bundes einen Blankoscheck mit einer nach oben
nicht begrenzten Gewährleistung ausgestellt, für den
Fall, dass das Börsenvermögen der RAG-Stiftung nicht
ausreicht. Darin liegen erhebliche Risiken begründet.
Der Rechnungshof hat sich dazu geäußert. Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung in den nächsten
Tagen dazu äußern wird. Angesichts dessen kann ich
nicht gerade mit frohem Gesicht in die Zukunft schauen.
Zweiter Punkt: mangelnde Haushaltsdisziplin. Dies
betrifft in besonderem Maße die mehr als wirren Pläne
einer nationalen Mondmission, die wissenschaftlich aus
Sicht vieler Fachleute sicherlich mehr ein Wohlfühlprojekt ist. Nationale Alleingänge in der Raumfahrt machen, wie wir alle wissen - ich sehe einmal in Richtung
von Frau Bulmahn -, wenig Sinn und werden uns auch
kaum voranbringen. Was wir brauchen, ist eine Einbindung in die Europäische Union. Das jedoch bedeutet für
den Haushalt, dass Sie neben dem Projekt Galileo, bei
dem wir im Haushalt von Herrn Tiefensee Risiken von
mehr als 4 Milliarden Euro vermuten, ein weiteres Projekt vor sich herschieben, das uns viel Geld kostet. Wir
brauchen mit Sicherheit nicht „Michels Mondfahrt“, wie
es so schön genannt wird. Wir brauchen ein kluges Konzept auf der EU-Ebene. Vor allen Dingen brauchen wir
endlich Pläne, die wir dann auch umsetzen können.
({4})
Tugendsamer sind Sie bei dem Thema Evaluierung
geworden. Sie haben offensichtlich gelernt, dass man
Programme evaluieren muss. Aber Sie haben etwas getan, was man als Haushälter immer mit großem Grauen
betrachtet: Sie haben alles in einen Topf geschüttet. Das
heißt, wir werden im nächsten Jahr nicht mehr genau
wissen, wo etwas abfließt und wo nichts abfließt. Unter
haushalterischer Wahrheit und Klarheit verstehe ich etwas anderes, Herr Glos.
An dieser Stelle bitte ich darum, dass wir es in Zukunft wirklich detailscharf erkennen können, wenn Sie
Programme durchführen, von denen der Mittelstand
nicht profitiert. Nur 8 Prozent des deutschen Mittelstands lebt von der Förderung aus dem Bundeshaushalt.
Diese Zahl hat vor wenigen Tagen das IW veröffentlicht.
({5})
Ich glaube nicht, dass man das als eine tolle Förderung
des Mittelstands auf dem Technologiegebiet bezeichnen
kann.
({6})
Die Zeit der FDP hier ist leider viel zu kurz.
({7})
Lassen Sie mich deshalb zum Schluss kommen. Herr
Minister, Sie verstecken die Subventionen in diesem
Haushalt geschickt in Ihrem Topf.
({8})
Sie wissen, dass wir als FDP ausgesprochen aggressiv an
die Subventionen herangehen werden. Wir werden in
diesem Jahr beantragen, Subventionen im Umfang von
ungefähr 1,4 Milliarden Euro, verteilt über alle Ressorts,
abzubauen. Ich wäre mehr als erfreut, wenn die Bundesregierung uns dabei folgen würde. Ich setze in dem Fall
natürlich vor allen Dingen auf die Unionshaushälter. Das
ist das Volumen, in dem wir die Subventionen abbauen
und um das wir das Defizit drücken können. So können
wir den Menschen in diesem Land wirklich etwas zurückgeben. Wenn Sie dem folgen würden, dann wären
wir mit Ihnen zufrieden.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rainer Wend von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben völlig
recht: Immer dann, wenn Sie eine kluge Wirtschaftspolitik formulieren, haben Sie die SPD-Fraktion ganz fest an
Ihrer Seite.
({0})
- Ich habe nicht gesagt „nur dann“, sondern ich habe gesagt „immer dann“. - Das gilt insbesondere dann, Herr
Glos, wenn Sie der Konsolidierung des Bundeshaushalts
Vorrang geben und nicht schon Steuererleichterungen
und sonstige Geschenke ankündigen, bevor diese AufDr. Rainer Wend
gabe bewältigt ist. Bei uns bleibt es bei der Priorität der
Haushaltskonsolidierung.
({1})
Ich will eines doch noch sagen - die Kollegin Flach
hat es bereits angedeutet -: Es ist Grundschulwissen,
dass wir nicht gleichzeitig den Haushalt konsolidieren,
Steuern senken und mehr Geld für Investitionen ausgeben können. Wer den Menschen diesen Dreiklang verspricht, der macht ihnen etwas vor. Wir müssen Prioritäten setzen, und die Priorität heißt im Interesse künftiger
Generationen: Haushaltskonsolidierung.
({2})
Ich möchte mich kurz dem Thema „internationale
Finanzsysteme“ widmen und mich noch einmal mit Ihnen, Herr Kollege Brüderle, darüber auseinandersetzen,
da Sie in diesem Zusammenhang den Markt gepredigt
haben.
Eine kleine Sache vorweg - sie steht nicht im Zentrum, sie ärgert mich nur -, und zwar zu Ihrer Kritik an
der Beteiligung der KfW an der Mittelstandsbank IKB.
Sie wissen, dass ich kein Befürworter solcher indirekter
staatlicher Beteiligung bin und dass ich auch dafür bin,
dass wir sie schnell abstoßen. Die ganze Wahrheit aber
ist: Im Jahr 2001 wollten die Münchener Rück und die
Allianz ihre Anteile an der IKB loswerden. Alle - der
BDI, die BDA, die Finanzpolitiker aller Fraktionen - haben darum gebeten, dass dieser Anteil nicht an internationale Investoren geht, sondern hier im Land bleibt,
weil es sich um eine Mittelstandsbank handelt. Daraufhin ist die KfW eingesprungen. Deshalb hat sie heute
nicht die Kritik verdient, die Sie hier üben.
({3})
Zu den Fonds und dem internationalen Finanzsystem.
Wir reden über Bedrohungen, wir reden über Schwierigkeiten; das ist richtig. Aber ich sage eines vorweg - da
sind wir uns, glaube ich, wieder einig, Herr Kollege
Brüderle -: Internationale Investoren sind in Deutschland erwünscht und willkommen. Wir wollen, dass bei
uns im Land investiert wird. Wir wollen keinen Zaun um
unser Land, sondern sagen: Ihr seid uns willkommen.
Legt euer Geld in unserem Land an; dort ist es gut angelegt!
Gleichzeitig müssen wir uns aber mit folgender Situation auseinandersetzen. Wir haben zurzeit weltweit
Hedgefonds in einer Größenordnung von 1,8 Billionen
Euro. Das ist etwa das Sechsfache des deutschen Bundeshaushaltes. Wir haben darüber hinaus weltweit
Staatsfonds in einer Größenordnung von bis zu 3 Billionen Euro. Der IWF schätzt, dass wir in etwa sechs bis
sieben Jahren eine Größenordnung von 12 Billionen
Dollar Staatsfonds haben werden. Das ist eine gewaltige
finanzielle, wirtschaftliche und damit auch politische
Macht. Ich sage als Sozialdemokrat: Da nur den Markt
zu predigen und uns diesen Mächten auszuliefern, kann
nicht Perspektive bundesdeutscher Wirtschaftspolitik
sein, Kollege Brüderle.
({4})
Was sind unsere Möglichkeiten an dieser Stelle? Ich
nenne zunächst das Stichwort Transparenz. Wir müssen
beispielsweise wissen, in welche Risiken diese Hedgefonds investiert haben. Wir brauchen klare Transparenzrichtlinien auf der europäischen Ebene, um dort zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Wir müssen uns über
Ratingagenturen Gedanken machen, die teilweise versagt haben.
({5})
Wir müssen überlegen, ob wir auf europäischer Ebene
eine Ratingagentur einrichten. Ich weiß, dass das schwer
zu finanzieren ist. Ich finde übrigens, dass die Bankenaufsicht so schlecht nicht funktioniert hat. Die Kriseninterventionen in den letzten Wochen sind gelungen. Ich
bin allen dankbar, die an der Stelle geholfen haben.
({6})
Einfache Rezepte sind leicht. Wir werden noch
schwierige Wege vor uns haben. Geben wir uns Mühe,
nicht ritualisierte Antworten zu geben! Setzen wir uns
mit den neuen internationalen Realitäten auseinander!
Keine staatliche Abschottung, aber auch keine freie Auslieferung an die Märkte!
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Dr. Herbert Schui von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Wend, gut und schön: Stabilisieren wir die Finanzmärkte. Vielleicht können wir uns auf zwei Gesichtspunkte einigen: Wenn Finanzierung nicht die Finanzierung von realen Investitionen und damit Produktion ist,
dann ist es Aufgabe der Politik, den Markt einzuengen
und die Transaktionen zu verteuern.
({0})
Alle Gesetzgebung muss sich darauf konzentrieren.
Dann kommen wir ein Stückchen weiter. - Dabei würde
ich mich auch nicht von Zurufen wie „Die Märkte müssen offenbleiben“ einschüchtern lassen; denn es geht um
Produktion und nicht darum, durch das Hin- und Herwenden von Geldvermögen zu Einkommen zu gelangen.
({1})
Nun zu dem, was mich eigentlich beschäftigt. Die
beiden Koalitionsparteien haben unter gegenseitigem
Schulterklopfen einen Aufschwung festgestellt, der,
nüchtern betrachtet, nichts weiter ist als ein höheres
Wirtschaftswachstum, das nicht andauern wird. Ich erinnere an die US-Konjunktur, mögliche Auswirkungen der
Finanzkrise, normale Wirtschaftszyklen. Andauern aber
werden bei dieser Regierung Hartz IV, niedrige Löhne
und eine Rente mit 67. Infolgedessen kann von Aufbruch nicht die Rede sein.
({2})
Frau Merkel hat uns vorgestern die Ursachen des Aufschwungs erklärt. Dieser Aufschwung ist, so sagt sie
- Zitat der Lohn der Arbeit der Menschen in Deutschland:
der Lohn von wagemutigen Unternehmern und gut
ausgebildeten Arbeitnehmern, von engagierten Erziehern, Lehrern und liebevollen Eltern, von international renommierten Wissenschaftlern und kreativen Ingenieuren.
Fragen: Für viele ist der preisbereinigte Lohn in der letzten Zeit gesunken, auch wenn sie hart gearbeitet haben.
Haben sie nun weniger zum Aufschwung beigetragen als
die anderen?
({3})
Waren die Eltern vor zwei Jahren weniger liebevoll, als
sie es jetzt sind?
({4})
Waren die Ingenieure weniger kreativ, die Wissenschaftler dümmer? Wenn ja, hat es eine Massenerweckung gegeben,
({5})
ging als Folge von Schröders Agenda 2010 ein Ruck
durch das Land? All das ist Parapsychologie, Kitsch,
Politkitsch, hat aber nichts mit seriöser Analyse und
seriöser Politik zu tun.
({6})
Den Titel „Dr. h. c.“ im Fach Psychologie bekommt die
Frau Bundeskanzlerin hinterher.
Wie in vielen anderen Ressorts wird auch im Wirtschaftsministerium ein Mangel deutlich: Es fehlt an guter Planung,
({7})
insbesondere was die Zusammenarbeit zwischen den
Ressorts angeht. Ein Beispiel: Der Wirtschafts- und der
Umweltminister haben gemeinsam für Dezember ein
Energie- und Klimaprogramm angekündigt. Warum
nicht jetzt? Warum nicht schon längst? Die Ausgaben
des Wirtschaftsministeriums zur Förderung der Energieforschung in Höhe von 160 Millionen Euro sind so
gut wie nichts. Statt die brennende Frage des Klimaschutzes und der Energieeinsparung anzupacken, verlegt
sich das Wirtschaftsministerium bei diesem Programm
schon jetzt aufs Bremsen. Der Gebäudeenergiepass ist
nun auf Betreiben des Wirtschaftsministers so ausgedünnt worden, dass der Mieter nur noch dürftig über die
Energieeffizienz des Hauses, in dem er wohnt, informiert wird. Ebenfalls wird das Wirtschaftsministerium
einer Verschärfung der Energieanforderungen für Neubauten wahrscheinlich nicht zustimmen. Hier hat der
Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und
Grundeigentümer gesiegt.
Ein anderes Beispiel ist die Kraft-Wärme-Koppelung. Die Arbeitsgruppe Energie will den Anteil dieser
Stromerzeugung von 12,5 auf 25 Prozent der Stromerzeugung insgesamt steigern. Das schränkt natürlich das
Geschäft der großen Stromversorger ein; deren Großkraftwerke laufen ohne Wärmenutzung. Und schon
kündigt das Ministerium seinen Widerstand gegen eine
Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau an. Die Gruppe der Gewinner wurde wohl von Eon angeführt; Eon ist ja bekanntlich der Lieblingskonzern des Wirtschaftsministers und
der Bundeskanzlerin.
({8})
Meine Frage an Sie: Wer regiert denn hier eigentlich?
({9})
Es lässt sich erraten, was aus dem gemeinsamen Energie- und Klimaprogramm werden wird: nicht viel. Wenn
dieses Programm wirken soll - so viel ist sicher -, muss
mehr ressortübergreifende, planvolle Arbeit geleistet
werden. Es reicht nicht, über noch so raffinierte Rahmenbedingungen nachzudenken. Im Rahmen einer solchen Politik wird es nicht so kommen, dass der Markt
und der Wettbewerb das besorgen, was man eigentlich
wünscht. Nein, man muss doch planen!
({10})
- Nein, Politik sollte immer planvoll sein. Eine Wirtschaftspolitik, die nicht planvoll ist, kann man in der
Pfeife rauchen.
({11})
- Nein, Politik muss Gegenpol des Marktes sein. Wenn
der Markt alles besorgen würde, bräuchten wir gar keine
Politik. Dann könnten wir uns hier abschaffen. Das ist
doch einleuchtend.
({12})
Warum sind Sie denn so gegen Planung? Schließlich planen doch auch Großkonzerne.
Herr Kollege Schui, bedenken Sie die Redezeit.
Oh ja.
Ich möchte in den mir verbleibenden 30 Sekunden einen letzten Punkt ansprechen.
({0})
- Lassen Sie die DDR in Frieden ruhen; die gibt es jetzt
nicht mehr. - Für die Erzeugung von mehr alternativer
Energie brauchen wir einen Markt. Der Markt wird sich
dann öffnen, wenn die alternative Energie billig ist. Es
ist allerdings so, dass bei jeder Energieproduktion außerordentlich viel Kapital fixiert werden muss, um eine Einheit herzustellen. Wenn man eine marktübliche Rendite
haben will, dann muss der Preisaufschlag auf die Kosten,
der nötig ist, um einen Gewinn zu erzielen, enorm hoch
sein. Wenn wir die alternative Energie gemeinwirtschaftlich produzieren würden, könnten wir auf einen solchen
Preisaufschlag verzichten.
({1})
Sie wäre billig,
Herr Kollege Schui!
- konkurrenzfähig und könnte sich durchsetzen.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Ute Berg von der SPDFraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat im Frühjahr dieses
Jahr daran erinnert, dass vor einigen Jahren Bücher mit
Titeln wie Ist Deutschland noch zu retten? oder Abstieg
eines Superstars in Deutschland Konjunktur hatten. Er
stellte zufrieden fest, dass sich die Stimmung und auch
die Lage im Land inzwischen geändert haben. Dieses
Land hat das Potenzial zum Wachstum. Das ist etwas
sehr Erfreuliches, hat er gesagt. Wo er recht hat, hat er
recht.
({0})
Ganz offensichtlich ist Deutschland also zur Dynamik
fähig. Durch kluges politisches Handeln sind wir alle
aufgerufen, diese Dynamik zu unterstützen. Die Förderung von Forschung und Entwicklung ist dabei entscheidend. Zum wiederholten Mal: Durch einen Euro für
Forschung und Entwicklung, vom Staat investiert, werden zwei Euro aus der privaten Wirtschaft mobilisiert.
Das war jedenfalls in der Vergangenheit so. Auch in Zukunft müssen Staat und Wirtschaft in dieser Form miteinander kooperieren. Beide Partner dürfen nicht schwächeln.
Um es ganz deutlich zu sagen: Die immer wieder beschworenen zusätzlichen 6 Milliarden Euro bis 2010 reichen nicht mehr aus; denn das Bruttoinlandsprodukt
wächst und damit auch der 3-Prozent-Anteil für Forschung und Entwicklung, den wir gemeinsam verabredet
haben.
({1})
Auf zwei Projekte möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal besonders eingehen: erstens auf das
Projekt Pro Inno, ein ganz wichtiges, wenn nicht sogar
das wichtigste Kooperationsprojekt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wodurch vor allem die Innovationsfähigkeit von kleinen und mittelständischen
Unternehmen und damit die Wettbewerbsfähigkeit auf
internationalen Märkten gestärkt werden sollen. Herr
Brüderle hat davon offenbar noch nichts gehört; sonst
hätte er das, was er eben gesagt hat, nämlich dass sich
diese Regierung nicht um den Mittelstand kümmert,
nicht sagen können.
({2})
Insgesamt wurden durch Pro Inno in den letzten Jahren 5 000 Projekte von Unternehmen gefördert. Der
fünftausendste positive Bescheid wurde kürzlich erlassen, und zwar in Bayern. Ein Schelm, der Böses dabei
denkt, Herr Minister. Rund 1,5 Milliarden Euro für FuEInvestitionen wurden dadurch angeregt. Die Mehrzahl
der beteiligten Unternehmen hat Umsatz und Gewinn
gesteigert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Hier zeigt
sich noch einmal, wie wichtig es ist, dass Forschungsentwicklungen sofort in den Markt integriert werden, nachdem sie die Marktreife erlangt haben. Hierbei soll durch
Pro Inno geholfen werden.
Zweitens möchte ich, obwohl das nicht zum klassischen Teil des Wirtschaftshaushaltes gehört, noch einmal das Projekt der Forschungsprämie ansprechen, das
auch den kleinen und mittelständischen Unternehmen
zugute kommt. Der Bund zahlt Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die Forschungsaufträge von diesen Unternehmen ausführen, eine Prämie in Höhe von
25 Prozent des Auftragsvolumens. Damit wird die wichtige Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und
kleinen und mittelständischen Unternehmen gefördert.
Hier findet nicht nur Forschungsförderung, sondern auch
echte Wirtschaftsförderung statt.
Bereits seit Jahresbeginn profitieren Universitäten
und von Bund und Ländern geförderte Wirtschaftseinrichtungen von dieser Prämie. Mit der Forschungsprämie II, wie wir sie genannt haben, sollen ab Januar 2008
auch gemeinnützige Forschungseinrichtungen unterstützt werden. Das ist insbesondere für die ostdeutschen
Länder wichtig.
Noch eine Bemerkung zu einer strukturellen Veränderung im Ministerium selbst. Dass es dort jetzt eine eigene Technologieabteilung gibt, in der die Innovationsförderung für den Mittelstand konzentriert werden soll,
ist natürlich eine wichtige Maßnahme, um die Programme
nutzerfreundlicher und ihre Abwicklung effizienter zu
machen. Ich gehe davon aus, dass sich Wirtschaftsminister Glos in Zukunft auch als Technologieminister profiliert. Unsere Unterstützung dafür hat er ganz bestimmt.
Zum Schluss möchte ich aber noch ein Problem ansprechen, das uns nicht erst seit gestern begleitet - es
wurde schon erwähnt -, nämlich den Fachkräftemangel. Einiges von dem, was Frau Andreae eben gesagt hat, kann ich durchaus unterstützen.
({3})
Bereits jetzt verlieren wir 20 Milliarden Euro an Kaufkraft jährlich, weil uns qualifizierte Fachkräfte fehlen.
Dass angesichts dieser Entwicklung Stimmen aus Politik
und Wirtschaft lauter werden, die dieses Problem durch
Zuwanderung lösen wollen, ist natürlich bedenklich.
({4})
- Frau Flach, Zuwanderung an sich ist nicht bedenklich.
Das wollte ich damit auch nicht sagen. Natürlich brauchen wir ausländische Fachkräfte, genauso wie von unserer Seite Fachkräfte ins Ausland gehen sollen. Wir
brauchen den Austausch. Aber wenn man ein Problem,
das so deutlich zutage tritt, hauptsächlich dadurch lösen
will, dann ist das bedenklich. Dabei bleibe ich.
Im Grunde war diese Entwicklung abzusehen. Deshalb wundert es mich, dass manche jetzt anfangen, zu
weinen. Kluge Unternehmer haben hier vorgebaut und
entsprechend ausgebildet.
({5})
Aber es gibt eben auch andere. Ich appelliere an die Unternehmer, die ausbilden könnten, es aber nicht tun: Sorgen Sie im Interesse der jungen Generation, aber auch
im ureigenen ökonomischen Interesse mit dafür, dass
junge Menschen aus- und ältere Arbeitnehmer zu qualifizierten Fachkräften weitergebildet werden! Ihre Unternehmen und die Gesellschaft brauchen sie dringend. Unsere Zukunft liegt nicht in Billigprodukten. Wir punkten mit hochwertigen Artikeln, die von gut ausgebildeten
Frauen und Männern hergestellt werden.
Schließlich zum Haushalt insgesamt. Der vorliegende
Entwurf trägt dem Anspruch Rechnung, mit der Förderung von Innovationen Zukunftsbereiche zu erschließen. Dadurch wird es uns gelingen, die günstige Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen und zu verstetigen.
Nur so bekommen wir weiteres Wachstum hin, das wir
auch brauchen, um eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu erreichen.
Auf Dauer streben wir natürlich nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt an; auf Dauer wollen wir auch den
Schuldenberg, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hat,
abbauen. Das ist finanz-, wirtschafts- und sozialpolitisch
geboten. Ich möchte nämlich nicht, dass wir weiterhin so
viel Geld für Schuldzinsen aufbringen müssen, an dem
andere verdienen und das an anderen Stellen fehlt.
Schulden sind bekanntermaßen die Steuererhöhungen
der Zukunft, und die können wir überhaupt nicht gebrauchen.
Zum Schluss noch einmal zu Peter Bofinger. Wir
müssen alles daran setzen, dass Bücher wie - ich habe
sie eingangs erwähnt - Ist Deutschland noch zu retten?
oder Abschied eines Superstars wegen fehlender Parallelen zur Wirklichkeit keine Absatzmärkte mehr finden.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Laurenz Meyer von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Wirtschaftsminister hat heute Morgen in sehr
gelöster Stimmung vorgetragen. Das zeigt, wie gut die
Wirtschaftslage ist.
Die Inlandskonjunktur ist unser nächstes Thema;
auch das hat er angesprochen. Die andauernd gute wirtschaftliche Entwicklung führt jetzt dazu, dass über die
Schaffung von Arbeitsplätzen und über die Lohnzuwächse - damit verbunden ist auch das in starkem Maße
gewachsene Vertrauen der Menschen in die Arbeitsplatzsicherheit - eine gute Inlandskonjunktur herrscht.
Diese hilft uns Gott sei Dank, die von außen an uns herangetragenen Risiken in den Begriff zu bekommen. Der
wichtigste Unterschied zu früher ist, dass die Menschen
wieder mehr Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung, in die Stabilität und in die Sicherheit ihres eigenen
Arbeitsplatzes haben.
Erstmalig haben wir wieder - ich bitte alle Kritiker,
dies zu berücksichtigen, auch die von der Linken ({0})
einen Kamineffekt am Arbeitsmarkt. Die qualifizierten
Kräfte, die als Erste wieder in den Arbeitsmarkt hineingekommen sind, wechseln auf andere Positionen. Dadurch werden Stellen frei, die im verstärkten Maße von
Leuten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bereich besetzt
werden, die so aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauskommen. Das ist genau die Entwicklung, die wir wollen
und die wir stärken müssen; denn diese Menschen bilden
die Hauptproblemgruppe am Arbeitsmarkt.
({1})
Herr Müntefering, da haben wir schon Verschiedenes
auf den Weg gebracht. Wir müssen daran arbeiten, dass
dieser Kamineffekt anhält. Deswegen müssen wir alle
Prozesse, die dabei helfen, verstetigen.
Viele kritische Äußerungen, die noch in letzter Zeit
über die Zeitarbeit gemacht worden sind, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Sehen Sie sich einmal die
Zahlen an! Hier wird nicht nur die Flexibilisierung, die
in unserem Arbeitsmarkt teilweise nicht vorhanden ist,
von den Unternehmen in gewisser Weise genutzt. Zusätzlich stellen wir jetzt einen Wechsel aus den ZeitLaurenz Meyer ({2})
arbeitsunternehmen in reguläre Beschäftigung in den
Unternehmen fest. Ein Drittel derer, die über die Zeitarbeit einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, ist laut
Aussage der Bundesagentur inzwischen in den Unternehmen angekommen, und zwar entweder in den Unternehmen, in denen sie zeitweilig beschäftigt waren, oder
in anderen Unternehmen. Deswegen müssen wir diesen
Prozess weiterhin stützen und dürfen ihn nicht bremsen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem
Zusammenhang ganz klar sagen: Herr Müntefering, wir
wollen gemeinsam auch nach Branchen differenzierte
Sozialstandards schaffen, damit keine Verwerfungen
am Arbeitsmarkt entstehen. Zum Beispiel beim ausgehandelten Posttarifvertrag gibt es etliche kritische Fragen, die sich alle unter einem Stichwort subsumieren lassen: Es darf nicht sein, dass die Diskussion über das
Entsendegesetz und Branchenlösungen zu Wettbewerbsverhinderung führt und die Arbeitgeber dieses Instrument nutzen, um Wettbewerb auszuschalten. Diesen
Weg wollen wir nicht mitgehen. Dort wollen wir keinen
Präzedenzfall schaffen; das sage ich hier in aller Klarheit.
({3})
Das heute zum Beispiel von den Grünen zur Zuwanderung Gesagte kann ich nur begrüßen. In der Tat muss
man auch schauen, welche Qualifikation jemand mitbringt und was er bei uns beitragen kann. Das zeigt, dass
das Thema „Arbeitsplätze und Fachkräftemangel“ sehr
viel breiter ist. In diesem Zusammenhang reden wir über
Einwanderung, Qualifizierung und nicht zuletzt auch
über Kinderbetreuung; denn es geht darum, dass die jungen qualifizierten Frauen im Arbeitsmarkt bleiben können, wenn sie es denn wollen. Dies ist eine der wichtigen
Aufgaben, die wir vor uns haben.
({4})
Lassen Sie mich auch noch auf das Thema Energie
eingehen, zumal die Grünen es gerade angesprochen haben. Die Energie- und Klimastrategie der Bundesregierung ist sehr umfassend. Wir werden uns in diesem
Herbst intensiv mit den Vorschlägen zu beschäftigen haben, die der Umweltminister und der Wirtschaftsminister
auf den Tisch legen werden. Nachdem jetzt die Rahmendaten zur CO2-Minderung und die Rahmendaten darüber
festliegen, wie viele alternative, nachwachsende Energien eingesetzt werden sollen, werden wir das Konzept
daran messen, dass die Lösung möglichst sozialverträglich und effizient erfolgt.
Das Wort „sozialverträglich“ nenne ich ganz bewusst.
An dieser Stelle geht es darum, auch in den energieintensiven Bereichen Arbeitsplätze in Deutschland zu halten.
Außerdem geht es darum, dass die Menschen das Ganze
noch bezahlen können, insbesondere diejenigen, die sich
möglicherweise ein so teures Haus, wie es eben angesprochen wurde, nicht leisten können.
„Effizient“ heißt, dass wir bei der Energieeinsparung
und der Wärmeeinsparung auf vorhandenen Strukturen
aufbauen. Es muss unser großes Ziel sein, dort Anreize
zu schaffen. Wie jetzt auch die Automobilindustrie zeigt,
sind Anreize allemal besser als irgendwelche Vorgaben.
Ich darf Sie nur an den Quatsch erinnern, den Ihre Kollegin Künast erzählt hat, die gesagt hat: Der einzige Weg
ist, dass wir japanische Autos kaufen. - Diese Position
wurde noch vor kurzem geäußert. Da dachte man nur:
Was geht eigentlich in diesen Köpfen vor? Jetzt erleben
wir, wie insbesondere aus Deutschland neue Lösungen
angeboten werden, die uns auch international weiterhelfen.
In diesem Zusammenhang müssen wir auch über das
Thema Kernenergie diskutieren, das Sie vorhin angesprochen haben, Frau Andreae. Wie wollen Sie die
150 Millionen Tonnen CO2, die durch den Wegfall der
Kernenergie bis 2020 zusätzlich entstehen, vermeiden?
Wie wollen Sie auf dem Weg der CO2-Reduktion vorankommen, wenn nur 30 Prozent Alternativenergien möglich sind? Da sind wir uns doch einig. Mehr stand auch
nicht in Ihrem Konzept; sogar noch nicht einmal so viel,
sondern nur 25 Prozent. Jetzt haben wir eine Größenordnung von 30 Prozent. Woher sollen die restlichen
70 Prozent kommen? Wenn die Kernenergie aufgegeben
wird, werden sie zum großen Teil aus dem Bereich
Kohle kommen müssen. Dann werden wir die Klimaziele kaum erreichen können. Deswegen bitte ich alle
Kollegen, noch einmal darüber nachzudenken. Kernkraftwerke, die unsicher sind, müssen sofort geschlossen
werden, nicht erst in drei oder vier Jahren.
({5})
Kernkraftwerke, die sicher sind, sollten wir aber doch
nicht abschalten, wenn wir gleichzeitig von Klimaverbesserung reden.
({6})
Herr Kollege Meyer, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ja. Ich bin sofort fertig.
Ich möchte Ihnen noch eine Sache mit auf den Weg
geben und dafür sorgen, dass der Herr Wirtschaftsminister mit seinem Gutachten zurechtkommt. Sie haben beschlossen, dass ein Bäcker, der seine Brötchen in Brötchentüten verkauft, an den Grünen Punkt zahlen muss,
weil das der Verpackungsverordnung entspricht. Das
halten wir, auch unter dem Stichwort Entbürokratisierung, für Quatsch. Kein Mensch kommt auf die Idee,
eine Brötchentüte zum Bäcker zurückzubringen. Das ist
reine Schröpferei und kein Beitrag zum Umweltschutz.
Wenn die Brötchentüte im Hausmüll landet, wie das normalerweise der Fall ist, dann sollten wir diesen Umstand
akzeptieren und das, was Sie beschlossen haben, ändern.
({0})
Das wäre ein Beitrag zum Bürokratieabbau, der eines
der Hauptstichworte für diesen Herbst ist.
Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen. Die
Erfolge zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Laurenz Meyer ({1})
Der Wirtschaftsminister hat bei seiner Politik unsere
volle Unterstützung.
({2})
Das Wort hat die Kollegin Annette Faße von der SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tourismus ist eine innovative und wachstumsstarke Branche, die den wirtschaftlichen Aufschwung stärkt und Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft.
Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede zu
zwei Punkten ganz klar Position beziehen:
Erstens: Stichwort Ausbildungsplätze. Die SPD steht
zum Jugendarbeitsschutzgesetz. Wir wollen die Arbeitszeit für unter 18-Jährige nicht verlängern.
({0})
Zweiter Punkt. Auch für die Tourismusbranche, für
das Hotel- und Gaststättengewerbe muss gelten: Mindestlöhne statt Minilöhne. Bezüglich dieser Branche
müssen wir uns ernsthaft mit unserer Forderung nach
Mindestlöhnen auseinandersetzen.
({1})
Bei den ausländischen Gästen steht das Reiseland
Deutschland höher im Kurs denn je. Nach Angaben des
Statistischen Bundesamtes haben im ersten Quartal 2007
9,9 Millionen ausländische Gäste in Deutschland übernachtet. Das entspricht einem Gesamtplus von 7 Prozent. Rechnet man die Übernachtungen im Zusammenhang mit der Fußball-WM im letzten Jahr heraus, bleibt
ein Plus von 5 Prozent.
({2})
Aber auch im Inland tut sich etwas. Professor Opaschowski
sagt klar und deutlich:
Die Deutschen wollen wieder mehr verreisen und
die Krisenstimmung der letzten Jahre hinter sich
lassen.
Das ist ein positives Zeichen für die Menschen in unserem Land.
Es gibt also einen Aufwärtstrend. Auch in diesem
Jahr profitieren die Bundesländer von der steigenden
Übernachtungszahl. Ganz besonders profitieren Berlin
- Städtetourismus - und Mecklenburg-Vorpommern.
Diese beiden Bundesländer stehen an der Spitze der
Übernachtungsstatistik.
Arbeitnehmer, Unternehmer, Verbände und die Politik
haben gemeinsam zum Erfolg beigetragen. Im Rahmen
von Haushaltsberatungen ist aber die hervorragende Arbeit der Deutschen Zentrale für Tourismus besonders
hervorzuheben.
({3})
Ohne sie hätten wir nicht so viele ausländische Gäste,
ohne sie hätten wir aber auch keine so erfolgreiche Inlandswerbung. Deshalb freue ich mich besonders, dass
dieser Haushaltstitel um 500 000 Euro aufgestockt wurde,
und zwar nicht nur bezogen auf dieses Jahr. In der mittelfristigen Finanzplanung ist vorgesehen, den Titel immer wieder um diesen Betrag aufzustocken. Es ist hervorragend, dass das gelungen ist.
({4})
Ich fordere die Unternehmen und die Länder, die zur
Finanzierung der DZT beitragen, auf, das Handeln des
Bundes als Vorbild zu nehmen und auch ein paar Euro
mehr lockerzumachen. Sie sollten sagen: Da wird gute
Arbeit geleistet; auch wir sind bereit, mehr Geld einzubringen.
Die Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere im Weiterbildungsbereich wird durch
die kontinuierliche Förderung unterstützt. Auch in diesem Bereich ist ein Aufwuchs zu verzeichnen, und zwar
um 100 000 Euro.
Dem Tourismus helfen GA-Mittel. Darum unterstütze ich die Forderung meines Kollegen Stiegler: Wir
sollten im Rahmen der Haushaltsberatungen überlegen,
ob wir hierfür nicht eine höhere Summe zur Verfügung
stellen können. Auch die ERP-Förderung hilft dem
Tourismus. Wenn wir uns als Querschnittsausschuss verstehen und uns bei Haushaltsberatungen auch die anderen Haushalte ansehen, dann stellen wir fest, dass wir
hier Schwerpunkte unserer inhaltlichen Arbeit haben.
Darum sage ich noch einmal deutlich: Wir finden die
Familienerholungsstätten, den Jugendaustausch und die
Förderung der Jugendherbergen in einem entsprechenden Haushalt. Es gibt den Urlaub auf dem Bauernhof,
zahlreiche Projekte im Rahmen der Entwicklungshilfe
und - das ist für mich ganz besonders wichtig - zahlreiche Projekte im Bereich des Bundesministeriums für
Umwelt. Wir als Touristiker müssen es uns zum Auftrag
machen, die Anforderungen von Klimaschutz und Tourismus zusammenzubringen. Hier haben wir eine große
Aufgabe vor uns, die wir gern in Zusammenarbeit mit
diesem Ministerium in Angriff nehmen. Ich möchte auch
darauf hinweisen, dass der Bereich Kultur - er ist nicht
im Wirtschaftsministerium angesiedelt - sehr wichtig für
unseren Tourismus ist.
Wir werden uns ernsthaft mit weiteren Themen zu befassen haben: der Sicherheit des Reisens, den Naturkatastrophen in Entwicklungsländern und ihren Auswirkungen auf unsere Touristen. Ich sage ganz klar und
deutlich: Wir haben auch noch Hausaufgaben mit unseren Bundesländern zu machen, was die Ausweitung der
Sommerferienregelung betrifft. Die Umfrage bei den
Ministerpräsidenten dazu war nicht sehr ermutigend.
Aber hier müssen wir am Ball bleiben.
Tourismus boomt. Wir sind daran beteiligt. Wir machen diese Arbeit konsequent weiter.
Danke schön.
({5})
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
({0})
Deshalb kommen wir jetzt zur Schlussrunde. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister, Peer Steinbrück.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Bei der Vorbereitung auf diese
Schlussrunde im Rahmen der ersten Lesung habe ich
versucht, mir zu überlegen: Was sind in den Beiträgen
der Opposition die Reibungspunkte, die mich zu guter
Form auflaufen lassen könnten? Ich bin zu dem Ergebnis
gekommen, es gibt fast keine. Die Medien haben ebenfalls berichtet, dass es eher eine gemächliche und ruhige
Haushaltsdebatte gewesen ist. Ich füge hinzu: Diejenigen, die eigentlich Würze und Alternativen in eine solche Haushaltsdebatte bringen müssen, sind die Oppositionsfraktionen.
({0})
Wenn diese Debatte eines gezeigt hat, dann war es, dass
es diese Würze nicht gibt. Sie haben politisch und ökonomisch keine besseren Antworten als die Große Koalition und die Bundesregierung.
({1})
Es sind im Wesentlichen drei Pferde, die Sie bis zur
eigenen Erschöpfung reiten. Das ist erstens der Überbietungswettbewerb: Wann kommen wir bei der Nettoneuverschuldung auf null? Das ist zweitens die Frage: Darf
man der Bundesregierung, der Großen Koalition das
Verdienst zusprechen, dass sie auch ein wenig an der guten Situation, die wir im Augenblick in Deutschland haben, beteiligt sind? Das wird natürlich mit dem Ausdruck der Abscheu und der Empörung von Ihnen
zurückgewiesen. Das ist drittens die Kombination der
rasanten Geisterfahrt im vorhin genannten Überbietungswettbewerb bei der Absenkung der Nettoneuverschuldung mit empörten Stimmen, wenn es um Subventionsabbau geht. So geschehen, wie ich fand, in einem
bemerkenswerten Spannungsbogen zwischen Herrn
Solms - entschuldigen Sie bitte, Herr Präsident -, der,
wenn ich es richtig verstanden habe, Subventionsabbau
bei der Pendlerpauschale massiv in Zweifel gestellt hat,
sich auf die Seite derer geschlagen hat, die über eine
mögliche Abschaffung frohlocken und dabei spielend
1,2 Milliarden Euro weniger für den Bundeshaushalt in
Kauf nimmt, und Herrn Fricke, der mich in derselben
Woche auffordert, ich müsse mehr Subventionsabbau
betreiben, einschließlich Steuersubventionsabbau.
({2})
- Ich sage, dass Sie recht haben und dass Sie auf anderem Wege die von Ihnen selbst geforderte schnellere Sanierung der öffentlichen Finanzen nicht hinbekommen.
({3})
Lassen Sie mich diese drei Punkte kurz aufgreifen.
Mit Blick auf die Frage, wann ein ausgeglichener Bundeshaushalt möglich ist, sage ich: Nicht die Ankündigung, sondern das Ergebnis ist wichtig.
({4})
Glaubwürdige Finanzpolitik ist von ihrer Zuverlässigkeit
abhängig. Deshalb werde ich mich an einem solchen
Überbietungswettbewerb nicht beteiligen. Denn derjenige, der eines Tages für falsche Ankündigungen verantwortlich gemacht werden kann, wird auch daran gemessen, wie glaubwürdig und zuverlässig er darin ist. Dies
ist kein Oppositionspolitiker, sondern nach Lage der
Dinge der Bundesfinanzminister.
({5})
- Daraus kann man vielleicht lernen; das ist gar nicht so
abwegig. Das gilt übrigens unabhängig davon, dass die
Rahmenbedingungen, mit denen er es zu tun hatte, deutlich schlechter waren als die, mit denen ich es erkennbar
zu tun habe. Deshalb habe ich nach wie vor Respekt vor
seiner Leistung.
({6})
Der nächste Punkt hat mit dem alten Sprichwort „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ zu tun. Ich erinnere daran: Als die Bundesregierung im Juli dieses Jahres den Entwurf des Haushaltsplans 2008 verabschiedet
hat, ist sie von den dramatischen, zumindest aber sehr
ernstzunehmenden Nachrichten über Verwerfungen und
krisenhafte Zuspitzungen auf den Finanzmärkten
noch nicht erreicht worden. Dass wir mit Blick auf die
Währungsrelation insbesondere zwischen Euro und Dollar eventuell in eine Situation kommen könnten, die auf
jeden Fall ernster zu nehmen ist als die Situation bei den
uns bisher bekannten Wechselkursraten, was die Auswirkungen auf die Exportaktivitäten angeht, ist auch nicht
so geläufig gewesen. Das sind zwei sehr vorsichtige
Hinweise darauf, dass man besser aufgestellt ist, wenn
man sich nicht der Euphorie hingibt und sich nicht an einem Überbietungswettbewerb beteiligt.
Im Übrigen hält die Große Koalition daran fest, beides gleichzeitig zu tun: zu konsolidieren und zu sanieren. Weil ich weiß, dass es hier einen Dissens gibt, kann
ich nur immer wieder betonen: Auf der einen Seite müssen wir konsolidieren, auf der anderen Seite dürfen wir
nicht warten, Zukunftsinvestitionen zu finanzieren, von
denen der Wohlstand und die Wohlfahrt dieses Landes in
den nächsten Jahren abhängig sind. Wir müssen beides
gleichzeitig tun: Impulse für Wachstum und Beschäftigung geben und sanieren. Entscheidend ist - das ist der
eigentliche Ehrgeiz, jedenfalls soweit ich ihn für mich
definieren kann -, dass wir es endlich schaffen, die Neuschuldung auf null zu fahren und einen Mechanismus
verfassungsrechtlich zu verankern, der eine Wiederholung einer solchen Spiralbewegung in die Verschuldung
nach oben verbietet.
({7})
Es wird sehr stark darauf ankommen, dass wir unsere
gemeinsamen Beratungen über den Entwurf des Haushaltsplans für die Jahre 2008 und 2009 und über die mittelfristige Finanzplanung vernetzen und komplettieren,
indem wir auch die Diskussionen aufgreifen, die im
Rahmen der Föderalismuskommission II geführt werden und vornehmlich darauf gerichtet sind, in Deutschland eine Verschuldungsregel für Bund und Länder verfassungsrechtlich zu verankern, damit wir im Sinne der
Generationengerechtigkeit eines Tages das Tempo der
Verschuldung durchbrechen und endlich in die Tilgung
unserer wahnsinnigen 1,5 Billionen Euro Schulden einsteigen können.
({8})
Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, betrifft die Frage: Wem gehört der Aufschwung? Ich habe
noch nie ein Mitglied der Koalitionsfraktionen oder der
Bundesregierung getroffen, das diesen Aufschwung als
politisches Verdienst für sich selbst reklamiert hat.
({9})
Das ist ein Pappkamerad, den Sie aufbauen, damit Sie
wie Sir Lancelot auf den Turnierplatz reiten können, um
irgendeine Strohpuppe aus dem Sattel zu heben. Nichts
anderes tun Sie.
({10})
Das Einzige, worauf wir hinweisen, ist, dass die Politik aufgrund der Reformen, die im Rahmen der
Agenda 2010 von der Vorgängerregierung eingeleitet
wurden, und aufgrund einer Reihe sehr wichtiger Maßnahmen, die die jetzige Bundesregierung durchgeführt
hat, an diesem Aufschwung in der Tat beteiligt ist.
({11})
- Herr Koppelin, glauben Sie, dass ich vor Ehrfurcht erstarre, nur weil Ottmar Schreiner das anders sieht, oder
was soll Ihr Zuruf?
({12})
Es geht nicht allein um den relativ bescheidenen Satz,
darauf hinzuweisen, dass die richtigen Weichenstellungen erfolgt sind. Zu meiner Freude sind relativ neutrale
und zumindest aus Sicht der SPD sehr unverdächtige
Stimmen wie das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln
oder die Initiative Neue soziale Marktwirtschaft sogar zu
dem Ergebnis gekommen: Ein Drittel dieses Aufschwungs geht auf das Konto politischer Reformen. Immerhin! So weit würde ich gar nicht gehen.
Aber es wäre eine glaubwürdigere Darstellung auch
mancher Einlassungen aus der Opposition, wenn auch
Sie die ungeheure Souveränität besitzen würden, einmal
darauf hinzuweisen bzw. zuzugeben, dass das, was in
den vergangenen fünf Jahren gemacht worden ist, nicht
so verkehrt gewesen ist.
({13})
Drittens will ich auf das zurückkommen, was ich in
meiner Einbringungsrede „strukturelle Doppelmoral“
nannte und was auch in meinen heutigen Eingangsbemerkungen schon eine Rolle spielte: Es ist immer wieder
mit Erstaunen festzustellen, dass von vielen viel weitergehende und im Sinne der Haushaltskonsolidierung
schärfere Einschnitte erwartet werden, sie sich dann aber
auf die Seite derer schlagen, die opportunistisch die damit verbundenen Folgen beklagen. Das ist die strukturelle Doppelmoral, von der ich rede.
({14})
Auf der einen Seite werden Bundesfinanzminister und
Bundesregierung aufgefordert, das müsste alles viel
schneller gehen, eigentlich schon im letzten Jahr, und
man könnte, wenn man das alles richtig machen würde,
auch schon 2007 oder 2008 eine Neuverschuldung von
null erreichen. Aber dann wird in das Klagelied eingestimmt: Sparen tut weh, bleibt nicht ohne Spuren, und
Haushaltskonsolidierung ist mit Anstrengungen verbunden.
({15})
- Dann würde ich mir aber von der FDP - namentlich
von der wichtigen Person, die hinter mir sitzt - wünschen, dass sie nicht einfach irgendwelche Listen aufstellt, in denen sie in statischer Weise alle Tatbestände
zusammenpanscht und dann zu dem Ergebnis kommt,
dass der Abbau von direkten Subventionen und Steuersubventionen fatale Folgen für bestimmte Fallbeispiele
von Haushalten hat.
({16})
Herr Bundesfinanzminister, Sie wissen, ich darf von
dieser Stelle aus nicht in die Sachdiskussion eingreifen.
Das nutze ich gerade gnadenlos aus.
({0})
Aber wir werden uns hinterher noch darüber unterhalten
können, Herr Präsident, und ich weiß, dass das sehr kollegial geschehen wird.
Nachdem wir die Einkommensteuersätze massiv gesenkt haben - übrigens auch zum Nutzen von Personengesellschaften -,
({1})
nachdem wir die Körperschaftsteuersätze gesenkt haben
über die Unternehmensteuerreform dieser großen Bundesregierung -, dieser Großen Koalition - groß ist sie
sonst auch - ({2})
- Das war ja nicht falsch.
({3})
- Eben.
({4})
Nachdem wir die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die
Einkommensteuer verbessert haben, nachdem wir in unserer Festlegung unverbrüderlich sind, die Vererbung betrieblicher Vermögen zu erleichtern, gibt es auf absehbare Zeit keine Steuersenkungen auf Pump. Wir werden
keine kurzfristige Politik machen. Wir werden für eine
nachhaltige Finanzpolitik sorgen. Wir werden über diesen Kurs dafür Sorge tragen, dass es eines Tages für
kommende Generationen nicht zu Steuererhöhungen,
sondern möglicherweise zu Steuersenkungen kommt.
Ich will auf einige wenige Einzelpunkte eingehen,
dies aber nicht zu einem Zahlenfriedhof machen und
auch nicht jedes Gegenargument aufgreifen. Herr
Brüderle hat sich natürlich wieder zu der Aussage verstiegen, wir würden mit dem Geld aasen.
({5})
- Nein, da hat er nicht recht. - Seine Darlegungen wären
vollständig gewesen, wenn er gesagt hätte, dass in der
Ausgabensteigerung um 4,7 Prozent drei Einmaleffekte
enthalten sind. Wenn er die Fairness gehabt hätte, dies
mitzuerklären, hätte ich gesagt: Hut ab! Dies hat er aber
nicht getan, weil er sonst seine Botschaft beschädigt
hätte und mit dieser hier, vor dem Schaufenster der Öffentlichkeit, nicht so durchgedrungen wäre.
Er hat verschwiegen, dass in den 4,7 Prozent drei einmalige Effekte enthalten sind. Ein Jahr lang wird sich
das Erziehungsgeld mit dem Elterngeld überlappen. Die
Durchreichung eines Prozentpunktes der Mehrwertsteuererhöhung an die Bundesagentur für Arbeit hat automatisch einen Staubsaugereffekt zulasten des Bundeshaushaltes zur Folge.
({6})
Das alles wissen Sie, erwähnen es bei solchen Anlässen
aber nicht. Bei der Postbeamtenversorgung werden wir
ebenfalls wieder zur Kasse gebeten werden.
Wenn Sie diese drei Effekte herausrechnen, kommen
Sie auf eine Zuwachsrate von 1,9 Prozent. Diese liegt
deutlich unter unserem Wirtschaftswachstum und den
steuerlichen Mehreinnahmen. Deshalb halte ich einen
solchen Zuwachs mit Blick auf die wichtigen Felder, die
wir mit zusätzlichem Geld bedienen wollen - Forschung
und Entwicklung, Hochschulpakt, Kinderbetreuung,
Verkehrsinfrastruktur oder Verpflichtungen im Rahmen
der Entwicklungshilfe -, für absolut angemessen und gerechtfertigt. Das kommt in der Rede von Herrn Brüderle
natürlich nicht vor.
({7})
Ich will noch auf den Zeitplan für die Erbschaftsteuerreform eingehen,
({8})
obwohl Herr Solms auch dazu im Augenblick keine
Zwischenfrage stellen kann. Aber er müsste sie auch
nicht stellen. Der Zeitplan für die Verabschiedung dieser
Erbschaftsteuerreform wird im Wesentlichen durch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes geprägt.
({9})
- Nein, wir wollen uns sehr viel schneller bewegen.
({10})
- Das ist geradezu extrem. Jetzt wirft mir Herr Thiele
Schweinsgalopp vor, nachdem mir zwei Tagen vorher
vorgeworfen wurde, wir seien zu langsam. Was ist denn
nun richtig?
({11})
- Die Beliebigkeit des kritischen Standortes muss irgendwann einmal aufgelöst werden. Nehmen Sie doch
einen ein, und stehen Sie dann dazu!
({12})
Der Zeitplan ist geprägt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Bewertungsmaßstäben. Wir
werden diese Problematik ohne schuldhaftes Zögern
- wie ich vermute, in der überschaubaren Zeit der nächsten vier bis sechs Wochen - lösen. Ich sage den Interessierten in der Wirtschaft: Was Herr Koch und ich definitiv nicht machen werden, ist, Ihnen hier im Parlament
ein Modell zur Verabschiedung vorzulegen, das der
Großteil der Begünstigten selber nicht will. Es ist nicht
einsehbar, warum wir so etwas tun sollten.
({13})
Wenn wichtige Stimmen derjenigen, die wir bei der Vererbung der betrieblichen Vermögen begünstigen wollen - die Wirtschaft, insbesondere die mittelständische
Wirtschaft -, zu dem Ergebnis kommen, dass sie die derzeitige Beschlusslage des Bundeskabinetts - Sie wissen,
das läuft unter der Überschrift des sogenannten Abschmelzmodells - ablehnen, dann sollen sie uns das sagen. Dann werden wir darauf aufbauend andere Modelle
entwickeln.
({14})
Wir werden dabei an dem Grundsatz festhalten, dass die
Vererbung betrieblicher Vermögen entlastet und erleichtert werden soll.
Ich stelle ähnlich wie Herr Stiegler fest: Man hat es
am laufenden Band mit Pappkameraden zu tun. Herr
Brüderle ist geradezu glänzend begabt darin, diese Pappkameraden aufzubauen, um dann dagegen anzukämpfen.
Allein der Vorwurf, was die KfW mit der IKB gemacht
habe! Wie sich viele erinnern werden, hat seinerzeit, ich
glaube, vor fünf oder sechs Jahren, die KfW die Anteile
an der IKB gar nicht zwingend haben wollen.
({15})
- Diejenigen, die sich mit dieser Geschichte auskennen,
können Ihnen das bestätigen. Zwei große Versicherungsunternehmen haben damals diese Anteile an einer Mittelstandsfinanzierungsbank nicht mehr halten wollen. Es
gab Kreditinstitute, die in ihrem Anlageverhalten mit
Mittelstandsfinanzierung nichts zu tun haben wollten;
das darf man dabei einmal erwähnen.
Auch der ständige Verweis auf das „gläserne Konto“
- Stichwort „Kontoabfrage“ - erübrigt sich mit dem,
was die Große Koalition mit der Abgeltungsteuer beschlossen hat. Das erwähnt Herr Brüderle ebenfalls
nicht.
Oder die Steueridentifikationsnummer, die auch in
einigen Beiträgen eine Rolle gespielt hat: Können Sie
mir sagen, warum die Bundesrepublik Deutschland bei
der Steueridentifikationsnummer etwas anderes machen
sollte als alle anderen OECD-Länder? Worin soll bei
dieser Steueridentifikationsnummer das Problem bestehen? Wir hinken in Deutschland im Hinblick auf Entbürokratisierung, aber auch im Hinblick auf Steuerehrlichkeit eher hinterher, so etwas einzuführen, wenn wir
sogar die TIN-Nummer auf die Zuständigkeiten der
Steuerverwaltung beschränken, während andere OECDLänder diese Steueridentifikationsnummer längst auch
für andere Zwecke nutzen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich oder im Bereich von Sozialtransfers. Warum die Aufregung? Ich kann das nicht verstehen.
({16})
Herr Minister, der Kollege Hermann Otto Solms
würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Da hat Herr Solms aber rechtzeitig den Platz gewechselt.
({0})
Genau. Wir machen das immer so.
Herr Minister, nach zwei Stunden ist der normale
Wechsel im Vorsitz fällig, und er hat stattgefunden.
Sie sind gerade noch schnell herübergegangen.
({0})
Von dieser Stelle aus habe ich jetzt das Recht, eine
Bitte sehr.
- oder einen Kommentar in eine Frage einzubinden.
({0})
Aber Sie erinnern sich noch, dass es drei Minuten
nicht überschreiten darf.
({0})
Ja. - Wenn ich dabei nicht unterbrochen werde,
schaffe ich das auch.
({0})
Ich wollte nur auf einen Punkt hinweisen und Sie an
die Kurzrede erinnern, die ich in der Finanzdebatte zur
Entfernungspauschale gehalten habe. Der Unterschied
liegt nicht darin, dass ich kritisierte, dass Sie das Werktorprinzip eingeführt und damit die Entfernungspauschale abgeschafft haben; das hat die FDP schon vor der
Bundestagswahl gefordert, im Gegensatz zur SPD und
zur CDU/CSU. Wir finden allerdings, dass die Abschaffung dieser und anderer Steuerbegünstigungen in eine
Steuerreform eingebunden werden muss,
({1})
die zu einem vereinfachten Steuerrecht führt und bei der
die Belastungen gleichzeitig durch eine Tarifabsenkung
wieder ausgeglichen werden.
Der zweite Kommentar, den ich machen wollte, ist:
Wir halten es für verfassungsrechtlich bedenklich, wenn
als Schwelle eine völlig beliebige Entfernungszahl von
20 Kilometern eingeführt wird. Denn das widerspricht
offenkundig dem Gleichheitsgrundsatz.
({2})
Was das Letztere betrifft: Niemand kann Sie daran
hindern, das für bedenklich zu halten. Die Frage ist nur,
ob ich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber solchen
Bedenken die jetzige Rechtslage ändern sollte. Das tue
ich nicht. Denn nach unserer Einschätzung, auch nach
Abwägung mit den anderen Ministerien, ist die verfassungsrechtliche Konformität gegeben. Wir haben die
Entfernungspauschale abgeschafft; insofern fallen keine
Werbungskosten mehr an. Es steht, wie ich glaube, dem
Gesetzgeber frei, darauf aufbauend eine Härtefallregelung für Fernpendler zu erlassen. Das ist die Rechtsposition, die wir haben.
Wir sind zuletzt in Abstimmung mit den Ländern daran gegangen, der Masse von Einsprüchen damit zu begegnen, dass die Freibeträge eingetragen werden können. Das ist ein Service für die Bürgerinnen und Bürger,
mit dem wir verhindern, dass wir im Verfahren unnötige
Komplikationen bekommen. Insofern noch einmal: Der
Streit ist dort auszufechten, wo er hingehört:
Er ist nicht Sache des Bundesfinanzhofes, sondern gehört vor das Bundesverfassungsgericht. Insofern habe
ich manche Wellen der Empörung in den letzten Tagen
eher skeptisch gesehen. Aber ohne Zweifel sind Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken - wie andere auch - erlaubt.
({0})
- Der Widerspruch liegt darin, dass Herr Solms meines
Wissens - das geht auch aus Veröffentlichungen hervor zusätzlich dazu auch viele andere Auswirkungen von
Steuersubventionen in sehr statischen Fallbeispielen zusammenfasst und insinuierend suggeriert, welchen Tort
die Große Koalition den betroffenen Bürgerinnen und
Bürgern durch die Folgen dieser Einsparung angetan hat,
während er mich gleichzeitig an anderer Stelle auffordert, die Konsolidierung schneller voranzutreiben und
generell Steuersubventionen abzuschaffen. Dann bitte
ich aber auch darum, in der Öffentlichkeit diesbezüglich
konsistent zu argumentieren.
Dasselbe habe ich mit einer Boulevardzeitung erlebt,
die am vergangenen Freitag das Thema Entfernungspauschale stark dramatisiert und mir am Montag auf Seite 2
zu erkennen gegeben hat, dass ich mit einer Neuverschuldung in Höhe von 13 Milliarden Euro nicht ehrgeizig genug sei.
({1})
Das alles zeigt die Beliebigkeit, die ich angesprochen
habe. Eine handlungsfähige Finanzpolitik kann aber
keine Beliebigkeit gebrauchen, sondern erfordert Stehvermögen.
({2})
Bevor Herr Solms seine Zwischenfrage gestellt hat,
waren wir bei der Pappkameradenkonstruktion stehen
geblieben, die Herr Brüderle heute auch zum Thema
Protektionismus aufgebaut hat. Ich weiß überhaupt
nicht, wen in der Bundesregierung er damit meint. Man
kann so nicht argumentieren, nur weil diese Bundesregierung - übrigens mit einem starken Nachzugseffekt genauso handelt, wie es seitens der amerikanischen, der
britischen und der französischen Regierung längst der
Fall ist, wenn es um die Frage geht, welche Risiken und
Vorgehensweisen sich möglicherweise bei Kollision nationalstaatlicher Interessen mit dem Anlegerverhalten
von exponentiell dynamisch wachsenden Staatsfonds
aus anderen Ländern - es geht dabei nicht um Norwegen - ergeben, deren gesellschaftliche oder politische
Systeme uns nicht durchgängig sympathisch sind
({3})
und von denen man sich vorstellen kann, dass möglicherweise nicht nur Renditeinteressen, sondern ganz andere Zielsetzungen dahinterstehen. Wenn es je dazu
kommen würde - beispielsweise zu Bemühungen um einen Technologieabzug aus Deutschland, zur Übernahme
eines großen Medienunternehmens, um unternehmerischen Einfluss in Deutschland zu gewinnen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, oder zum plötzlichen
Abzug von Netzinfrastrukturen aus Deutschland aufgrund von Mitentscheidungsmöglichkeiten -, dann
würde doch die Opposition als erste fragen, warum sich
die Regierung nie prophylaktisch mit diesem Thema beschäftigt hat. Das steht dahinter.
Einen Spannungsbogen aufzubauen, wie es Herr
Brüderle heute getan hat, entbehrt meiner Ansicht nach
jeder Zugangsmöglichkeit. Wozu war es notwendig,
noch einmal sozusagen in großer Ritterrüstung wie Lancelot auf den Turnierplatz zu reiten, um eine Strohpuppe
aus dem Sattel zu heben?
Auch die anderen Stichworte wie die Entwicklungshilfe an China wiederholen Sie in jeder Haushaltsdebatte.
({4})
Vielleicht lassen Sie sich noch einmal von Frau
Wieczorek-Zeul erklären, dass es dabei auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Förderung von
deutschen Exportinteressen geht.
({5})
Das Thema ist ein Dauerbrenner, der immer wieder vorgebracht wird.
Das gilt auch für die Aussage, die Straßenbauinvestitionen hätten abgenommen. Das war eine weitere Behauptung von Herrn Solms, mit der ich mich nicht länger
aufhalten will, weil es sonst uferlos wird. Die Behauptung stimmt aber nicht; die Straßenbauinvestitionen nehmen im Jahresdurchschnitt sogar zu.
Es würde zur Qualitätssteigerung beitragen, sich gelegentlich etwas stärker an die Fakten zu halten und - das
gilt auch für eine Haushaltsdebatte - weniger auf den Effekt zu achten.
({6})
Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung
- ich wiederhole mich -:
({7})
Wir haben jetzt die historische Chance, auch auf der Basis des Haushaltsplanentwurfs 2008 und der mittelfristigen Finanzplanung, in Deutschland nach 40 Jahren die
Neuverschuldung auf Null zu senken und dann zusammen mit der Föderalismuskommission für ganz Deutschland einen Mechanismus festzulegen, der eine Wiederholung des früheren Tempos in die Verschuldung
verhindert. Das ist meiner Ansicht nach eine verantwortliche Finanzpolitik im Sinne von Nachhaltigkeit
und Generationengerechtigkeit. Ich bin dankbar für die
Unterstützung der beiden Koalitionsfraktionen.
Vielen Dank.
({8})
Jetzt gebe ich das Wort dem Kollegen Otto Fricke für
die FDP-Fraktion.
({0})
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich Jürgen
Koppelin gratulieren, der als Schleswig-Holsteiner
selbst an seinem Geburtstag die Rede eines anderen
Schleswig-Holsteiners hier - so möchte ich es formulieren - hören durfte.
({0})
- Der politische Schwerpunkt dieses Mannes und die
politische Menschwerdung lagen doch weitgehend in
Schleswig-Holstein, denke ich.
({1})
Ich habe gedacht, dass ich, wenn wir über den Haushalt 2008 reden, meine Rede nicht wieder damit anfangen muss, darauf hinzuweisen, dass der wesentliche Anzeiger dessen, ob man spart oder nicht, wieder so
ausgeschlagen ist, wie er es nun getan hat, nämlich mit
den Ausgaben. Wir können uns vor der Bevölkerung
hundertmal drehen und wenden und sagen: Die Neuverschuldung ist nicht mehr so hoch. Das stimmt zwar, aber
entscheidend bei der Beantwortung der Frage, ob Politik
spart oder nicht, sind allein die Ausgaben und die Ausgabensteigerungen, Herr Minister.
({2})
Wenn ich mir die Zahlen anschaue, stelle ich fest, dass
das Wachstum der Ausgaben doppelt so hoch ist wie das
des Bruttoinalndsprodukts. Angesichts dessen können
Sie noch so oft wiederholen, das seien Sondereffekte,
das sei ausnahmsweise so. Es ist im Jahr 2007 so. Es
wird im Jahr 2008 so sein. Die Finanzplanung für 2009
und 2010 sieht zwar eine Reduzierung des Ausgabenwachstums vor. Aber welches ist denn der eigentliche
Grund, warum die Ausgaben ständig wachsen? Es liegt
an den von dieser Bundesregierung und diesen beiden
Koalitionsfraktionen beschlossenen politischen Maßnahmen. Diese Entscheidungen führen zu solchen Ausgabensteigerungen.
({3})
Dazu gehört auch - das müssen sich die Grünen an
dieser Stelle anhören, weil dieser Sondereffekt vom
Finanzminister immer hervorgehoben wird - dieser komische Deal mit den Postpensionskassen. In einem Jahr
beschließt die Bundesregierung: Heute machen wir ein
bisschen Gewinn. Das führt im Jahre 2008 aber zu enormen Ausgabensteigerungen. Aber dann können Sie, Herr
Minister, 2008 nicht sagen: Ich gehe einmal zur Seite;
denn das war ich alles nicht. - Das ist dann die Regierung gewesen, aber auch Sie sind die Regierung.
({4})
Nun könnte man denken: Gut, die Ausgaben steigen,
aber vielleicht machen Sie es richtig, und die Ausgaben
steigen an der richtigen Stelle, nämlich bei den Investitionen, was laut unserer Verfassung immer noch das
Signal ist - ich gebe zu, dass es nicht das richtige ist -,
das zeigt, wohin es in Zukunft geht. Es geht also um die
Investitionsquote. Sie macht deutlich, wie viel Prozent
dessen, was der Steuerzahler an Steuern entrichtet, für
Investitionen in die Zukunft des Landes verwendet werden. Aber diese Quote steigt nicht, sondern sinkt, auch in
der Planung. Es wird also mehr ausgegeben, allerdings
nicht für Investitionen; diese Ausgaben nehmen ab. Nun
behaupten Sie, das alles seien Einmaleffekte. Aber ich
befürchte, dass dies die dauerhafte Einstellung dieser
großen Kompromisskoalition ist.
({5})
Herr Minister, verehrte Koalitionskollegen, ich habe
manchmal das Gefühl, dass Sie sich in der angeblich geringen Neuverschuldung sonnen und dabei nicht merken, wie Sie sich selber die Füße weghauen. Sie werden
in den Debatten in den nächsten Wochen - ich habe hier
viele Einzeldebatten verfolgen dürfen - erleben, wie Ihre
Kollegen aus den Fachausschüssen zusammen mit der
insbesondere für einen Finanzminister gefährlichen
zweiten Reihe dieser Bundesregierung Ausgabenerhöhungen planen werden. Die von mir sehr geschätzten
fachkundigen Kollegen Kampeter und Schneider haben
hier erklärt,
({6})
sie sorgten für eine nochmalige Verbesserung der Verschuldungssituation. Ich darf die beiden Herren fragen,
ob das heißt, dass Sie bereit sind, die Ausgaben spürbar
zu kürzen, oder ob Ihr sogenanntes Sparen nur darin besteht - das kann man heute auch in der Zeitung lesen -,
dass Sie die erwarteten Steuermehreinnahmen zusätzlich
ausgeben und damit möglicherweise die Erhöhung der
Ausgaben auf 5 Prozent treiben? Sie können hier gerne
widersprechen. Aber meine Befürchtung ist, dass dem so
ist. Die FDP wird Sie jedenfalls daran messen, ob Sie in
der Lage sind, die Ausgaben herunterzufahren.
({7})
Herr Minister, Sie versuchen ständig, den Kollegen
Solms, den Doyen der Steuerpolitik, und mich, den kleinen Haushaltsausschussvorsitzenden, als Hauser und
Kienzle darzustellen. Das ist aber nicht der Fall. Herr
Solms hat zwar einen Schnurrbart, aber mit Hauser habe
ich keinerlei optische Ähnlichkeit. Was Sie bei alledem
vergessen, ist - Herr Wend hat versucht, es so darzustellen -, dass der Dreiklang bei der FDP nicht nur aus allgemeinen Gesprächen über Steuern und Haushalt besteht. Wir machen noch etwas, was Sie ständig ärgert,
nämlich Einsparvorschläge. Wir zeigen auf, wo man
sparen kann, und beziffern das Einsparvolumen.
({8})
Ich weiß, dass Sie sich schon auf unser neues Sparbuch
freuen; Sie haben schon nachgefragt. Das ist der Unterschied: Eine Partei kann nur dann die Ausgaben und die
Neuverschuldung senken und gleichzeitig das Steuersystem reformieren, wenn sie die Kraft hat - die haben Sie
leider nicht -, an die Ausgaben heranzugehen und zu sagen - Herr Minister, ich glaube, hier meinten Sie mehr
die eigenen Leute -, wo gespart werden soll.
Diese Kritik - Stichwort Dummsparen - passt überhaupt nicht. Es muss jetzt gespart werden. Wir sind jetzt
in der Phase, in der wir sparen müssen. Wenn die Konjunktur später einmal schlechter läuft, dann kommt
doch aus der Ecke, aus der immer entsprechende Argumente kommen, der Einwand, wir könnten doch nicht
jetzt noch mehr sparen und nicht jetzt unseren Sozialstaat umbauen. Das kann es nicht sein!
({9})
Herr Fricke, möchten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kampeter zulassen?
Aber selbstverständlich. Ich hatte sie schon viel früher erwartet.
Herr Kollege Fricke, Sie erwecken den Eindruck, als
sei der einzige Indikator für die Spar- und Konsolidierungsbereitschaft der Großen Koalition das Senken der
Ausgaben.
Das habe ich zwar nicht, aber okay.
Sind Sie bereit, einige Fakten zur Kenntnis zu nehmen? Es geht bei der Haushaltskonsolidierung im Kern
darum, dass der Anteil des Staates am volkswirtschaftlichen Geschehen zurückgenommen und der Anteil des
Bürgers ausgeweitet wird. Der Indikator dafür ist die
Staatsquote.
Nein.
Die Staatsquote, also die staatliche Inanspruchnahme
des Bürgers, sinkt kontinuierlich. Das heißt, der Staatshaushalt steigt langsamer - dass er steigt, will ich gar
nicht bestreiten - als die wirtschaftliche Leistung. Ich
weise deswegen darauf hin, weil es in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland auch dann, wenn die FDP
Regierungsverantwortung trug, immer anders war. Es
gab nie ein FDP-geführtes Ministerium, beispielsweise
das Außenministerium, das sich in den letzten 50 Jahren
durch besondere Sparanstrengungen ausgezeichnet
hätte. Wir nehmen den Bürger weniger in Anspruch.
({0})
Wir geben ihm mehr Freiheit und mehr Handlungsmöglichkeiten. Der enorme Konsolidierungserfolg zeigt sich
daran, dass wir relativ rasch zu ausgeglichenen Haushalten kommen werden. Wenn ich diese Tatsachen auf den
Tisch lege, dann werden die Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland wissen, dass wir die öffentlichen Finanzen
konsolidieren. Das verhindern auch solche Falschdarstellungen wie die, die Sie geliefert haben, nicht.
({1})
Kommen wir zur Antwort auf die drei Punkte. Erstens. Ich glaube, Herr Kollege Kampeter, wir waren uns
schon immer darin einig, dass in der Vergangenheit keiner ohne Schuld war, was den Aufbau der hohen Verschuldung betrifft. Es hat niemand in dieser Bundestagsfraktion der FDP jemals etwas anderes behauptet. Ich
hoffe, dass auch Sie mit mir darin konform gehen, dass
alle hier anwesenden Parteien zum hohen Schuldenstand
beigetragen haben, wenn sie Verantwortung getragen haben. Deswegen wollen wir alle die Schulden abbauen.
Zweitens. Sie meinen, dass diese Koalition die Bürger
weniger in Anspruch nimmt. Ich glaube nicht, dass Sie
einen Bürger finden, der angesichts der Erhöhung der
Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte sagt, er könne sich
nicht daran erinnern, dass der Staat ihm mehr aus der Tasche nehme. Ich erinnere weiterhin an die Kürzung der
Pendlerpauschale und die Einschnitte bei der steuerlichen Absetzbarkeit der Kosten für ein Arbeitszimmer.
Es gibt Kürzungen an allen möglichen Stellen. Es ist
doch so, dass die Koalition schon zu Beginn von der Öffentlichkeit mit Recht deswegen kritisiert worden ist,
weil sie dem Steuer- und Abgabenzahler immer weiter in
die Tasche gegriffen hat.
({0})
Drittens. Ich komme jetzt zu der volkswirtschaftlichen Frage. Ich weiß, dass die Beantwortung leicht in
eine Vorlesung über volkswirtschaftliche Theorie ausarten kann. Herr Kollege Kampeter, ich glaube, wir könnten lange mit dem Finanzminister, dem Kollegen
Schneider und anderen Kollegen über die Staatsquote
reden. Ein Land wie unseres, das von der Globalisierung
profitiert, bei dem Exporte und Importe zum Glück
enorm steigen, was zeigt, wie sehr wir die Globalisierung brauchen, um Arbeitsplätze in diesem Land zu sichern, wird immer dafür sorgen, dass die Staatsquote etwas geringer ist.
({1})
Im Übrigen habe ich das Gefühl, dass Ihr Koalitionspartner mit der Staatsquote nicht so besonders glücklich ist.
Bei dem Vergleich von Staatsquoten müsste man übrigens alles einrechnen, was in einem Haushalt so verschwindet. Herr Kollege Thiele hat das einmal im Detail
nachgerechnet. So wird zum Beispiel das Kindergeld,
das zur Staatsquote gehört, gar nicht in die Staatsquote
für Deutschland eingerechnet. Wenn wir eine ehrliche
Staatsquote errechnen würden, dann erhielten wir ganz
andere Zahlen.
({2})
Für mich als Haushälter - für Sie sollte das auch gelten ist entscheidend, dass wir alle wissen: Je mehr der Staat
ausgibt, desto mehr hat er den Wunsch, noch mehr auszugeben. Wenn die Steuereinnahmen sprudeln, was aktuell der Fall ist, werden noch mehr Ausgaben getätigt.
Das wollen wir beide doch sicherlich verhindern, Herr
Kollege Kampeter.
({3})
Ich möchte die Koalition und vor allem die Bundesregierung aber auch ein wenig loben, was das formale
Verfahren angeht. Ich spreche von dem Nachtragshaushalt für das Sondervermögen für die Betreuung der unter
Dreijährigen. Es wird zwar gesagt, man habe das schon
immer vorgehabt, aber es wurde doch über Wochen und
Monate gesagt, man würde das irgendwie auch so hinkriegen.
Herr Minister, ich sage ausdrücklich, dass ich es richtig finde, dass Sie dem Parlament diesen Nachtragshaushalt vorlegen. Sie tun es natürlich deswegen gerne, weil
Sie gleichzeitig noch einmal die Steuermehreinnahmen
darstellen können.
Das System, in das dieses Sondervermögen eingebettet ist, halte ich allerdings für hoch riskant. Dahinter
steckt nichts anderes als Ihr Nachgeben gegenüber Ihrer
Familienministerin, die gesagt hat: Mehr Geld für die
Kinder; von wem, weiß ich zwar nicht; ich bin auch
nicht zuständig; aber ich möchte dieses Geld gern geben.
Wenn man schon Geld gibt, dann wäre es besser gewesen, es den Kommunen zu geben und nicht irgendeinem
Fonds, der schlecht kontrollierbar ist und in Bezug auf
den wir noch gar nicht genau wissen, wie wir den Abfluss der Mittel korrekt kontrollieren können.
({4})
Herr Minister, liebe Koalitionäre, ich erinnere mich
an die Debatten über die Zinsen; das sei alles kein Problem; 40 Milliarden Euro und dabei bliebe es.
({5})
Die Finanzplanung ist lange Zeit genau davon ausgegangen, Herr Kollege Kampeter. Auf einmal - nach nur einem Jahr - sind 3 Milliarden Euro mehr veranschlagt.
Frau Familienministerin, wenn Sie diese 3 Milliarden
Euro für die Kinderbetreuung jetzt schon hätten, dann
wären Sie wahrscheinlich wahnsinnig glücklich. Aber
leider haben sämtliche Zinsanstiege, mit denen wir es zu
tun haben, Konsequenzen gehabt. Was können wir machen? Was kann die Große Koalition machen? Nichts
kann sie dagegen machen. Sie kann noch nicht einmal
etwas anderes beschließen.
({6})
- Auch die große FDP kann nichts dagegen machen.
Und deswegen macht die große FDP was, Herr Kollege
Kampeter? Sie plädiert für die Kürzung anderer Ausgaben, bei denen dies politisch möglich ist. Die Große
Koalition tut dies nicht.
({7})
Der Minister sagt: Keine weiteren Steuersenkungen; das gehe 2008 und danach nicht mehr. Herr Minister, die Unternehmensteuerreform - sie ist auch eine
Steuersenkung, auch wenn sie an vielen Stellen wirklich
sehr schlecht gemacht worden ist - tritt im Jahre 2008 in
Kraft. Das heißt, diese Regierung behauptet zwar, es
gebe keine Steuersenkungen, gibt aber selber zu, Steuersenkungen für das nächste Jahr beschlossen zu haben.
Das Grundprinzip ist also nicht falsch. Sie sollten Ihre
Kraft deshalb darauf verwenden, im Lohn- und Einkommensteuerbereich in genau dieselbe Richtung zu gehen.
({8})
An dieser Stelle möchte ich auch einmal das Thema
Föderalismus kurz ansprechen. Die Föderalismusreform
hakt im Moment. Es kommen immer mehr Vorschläge,
auch vonseiten des Finanzministeriums. Ich begrüße
ausdrücklich, dass man sich nicht festlegt; denn sobald
die Regierung sich festlegt - Herr Struck, als Fraktionsvorsitzender wissen Sie das -, stellt sich für die Mitglieder der Koalitionsfraktionen sofort die Frage, ob sie die
Regierung im Stich lassen oder nicht.
Mir fällt immer häufiger auf, dass diejenigen, die gesündigt haben, jetzt auf einmal daran zweifeln, dass
diese oder jene Lösung richtig ist. Der einzige Lösungsvorschlag, den diejenigen machen, die viele Schulden
haben, lautet im Moment: Na ja, gut, wenn ihr unsere
Schulden übernehmt, dann können wir noch einmal darüber reden, aber mehr nicht. Auch im Lichte des Verfahrens, das der Kollege Kampeter und ich vor dem Verfassungsgericht geführt haben, sage ich: Egal was
herauskommt, es müssen zwei Ziele erreicht werden:
Erstens. Wir müssen eine Regelung finden, durch die
dafür gesorgt wird, dass die Politik diese Grenzen nicht
leicht umschiffen kann.
({9})
Denn die Politik wird es immer wieder versuchen, egal
wer an der Regierung ist.
({10})
Zweitens. Wir dürfen nicht mehr zulassen - ich
glaube, da besteht zwischen dem Minister und mir Einklang -, dass diejenigen, die stets nur mehr Geld fordern,
vor dem Bürger immer als die Guten dastehen, während
diejenigen, die darauf hinweisen, dass man nur das Geld
ausgeben sollte, das man auch hat, die Bösen sind. Es
muss so sein, dass diejenigen, die mehr ausgeben wollen, klarmachen, aus wessen Tasche man das Geld nehmen will.
({11})
Ich komme deshalb immer mehr zu der Erkenntnis,
dass ein Neuverschuldungsverbot - Ausnahmen wären
nur angesichts besonderer Situationen erlaubt - letztlich
das richtige Ziel ist.
({12})
Ich möchte noch etwas Grundsätzliches sagen. Dabei
wende ich mich eher dem linken Teil des Hauses zu.
Wen trifft es eigentlich am meisten, wenn ein Staat überschuldet ist? Die Reichen trifft es nur minimal: Sie sind
schlimmstenfalls etwas weniger reich. Solange wir einen
Sozialstaat haben, der nach einem möglichen Bankrott
wieder funktioniert, sind von staatlicher Überschuldung
auch nicht diejenigen betroffen, die allein von Transferzahlungen abhängig sind. Staatliche Überschuldung trifft
am meisten die verlorene, vergessene Mitte, also diejenigen, die arbeiten, ansparen und versuchen, ihre Altersvorsorge sicherzustellen. Das sind genau diejenigen, die
diesen Staat stabilisieren. Aus genau diesem Grunde
wendet sich die FDP dagegen, die Politik der Neuverschuldung fortzuführen. Ich wiederhole: Durch diese Politik werden insbesondere diejenigen geschädigt, die die
Mitte unserer Gesellschaft ausmachen und für ihre Stabilität entscheidend sind.
({13})
Herr Minister, der Haushalt, den Sie vorgelegt haben,
ist ein Schönwetterhaushalt, weil Sie schön viele Einnahmen haben. Wir könnten viel darüber reden, woher
diese Einnahmen kommen und wer das alles zahlt. Aber
Sie wissen, wir haben dunkle Wolken am Horizont. Jedes Institut schraubt gerade wieder - Institute sind nun
einmal so - seine Prognose für das Wirtschaftswachstum
Stück für Stück herunter. Wenn am Finanzmarkt keine
Klärung erfolgt, werden wir in den zwei bis drei nächsten Monaten erleben, wie es Stück für Stück so weitergeht.
({14})
Das kann ganz schnell kommen. Wir wollen das nicht,
aber wir alle wissen ganz genau, auf welch dünnem Eis
wir uns im Moment bewegen.
({15})
- Nein, ich förderte es dann mit meiner Rede, wenn ich
sagen würde, es wird so kommen. Wenn wir jedoch wissen, dass wir vorsichtig sein müssen, müssen wir diese
Vorsicht auch auf den Haushalt anwenden und dürfen
nicht zusätzliche Ausgaben beschließen.
({16})
Ich will mit dem folgenden Bild enden. Herr Minister,
Sie haben eine einmalige Chance. Ich weiß, Sie streben
- zur Überraschung der eigenen Fraktion - die Nachfolge von Franz Josef Strauß an.
({17})
- Ja, natürlich, nämlich in der Frage, wer einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann!
Wenn Sie diese einmalige Chance jedoch nicht nutzen
und wenn die Bundesregierung die Chance nicht nutzt,
die sie jetzt hat, nämlich in diesen guten Zeiten vorzusorgen, werden Sie, wenn das Absacken erst nach 2009
beginnt, möglicherweise bis zur nächsten Wahl noch einigermaßen gut überleben. Aber danach werden Sie in
den Geschichtsbüchern als jemand genannt werden, der
leider eine riesengroße Chance verpasst hat. Die FDPFraktion wird Ihnen Vorschläge unterbreiten und Sie unterstützen, damit Sie diese Chance nicht verpassen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({18})
Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort.
({0})
- Frau Höll, wollen Sie doch nicht sprechen?
({1})
- Verzeihung, ich hatte Sie sozusagen schon optisch
wahrgenommen.
({2})
- Nein, auf keinen Fall.
Herr Dr. Ramsauer, bitte, Sie haben für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({3})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau
Bundeskanzlerin! Wo mein Parlamentarischer Geschäftsführer Hartmut Koschyk recht hat, da hat er recht. Man
trifft bei Ihnen nicht immer auf das gleiche Maß an Ein11728
sicht, Frau Präsidentin, aber in diesem Fall bedanke ich
mich ganz herzlich für die spontane Bereitschaft, mich
ans Pult treten zu lassen.
({0})
Wir hatten in dieser Woche in der Tat eine eher ruhige, aber meiner Meinung nach ausgesprochen sachliche Debatte, eine Debatte, die auch der Öffentlichkeit,
die uns genau beobachtet, sehr viel Transparenz gebracht hat. Insofern war es eine gute Debatte. Aber eines
hat mich unglaublich geärgert, und das war die Art und
Weise, mit welcher Demagogie, mit welcher Hetze, mit
welcher Diffamierung die Linke in diesem Hause in der
Debatte aufgetreten ist, allen voran der Oberdemagoge,
unser Kollege Oskar Lafontaine.
({1})
Leider ist er heute nicht da, aber Sie können es ihm sagen. Ich finde es zum Beispiel allerhand, wenn er unserer Bundeskanzlerin vorhält, dass sie das FDJ-Hemd getragen habe, er aber nicht.
({2})
Ich finde das unglaublich.
({3})
- Ja, Moment! Aber hat er das moralische Recht dazu,
wo er jetzt doch ausgerechnet bei denjenigen gelandet
ist, die, wie Wolf Biermann es schreibt, am liebsten das
klassenlose Paradies - wenn es sein muss, auch noch
blutig - herbeigezwungen hätten?
({4})
- Ja, ich weiß, Wolf Biermann hören Sie nicht gerne. Es
gibt auch noch andere, aber er bringt es natürlich immer
ganz besonders auf den Punkt.
Nachdem ich mir heute Vormittag wieder angehört
habe, was der Kollege Claus zu den wirtschaftspolitischen Konzepten gesagt hat, kann ich nur sagen: Nichts
gelernt! Planen! Sie lassen die Rollladen vor dem weltweiten Wettbewerb, vor den weltwirtschaftlichen Verflechtungen mit all ihren Chancen herunter.
Wer das zum wirtschaftspolitischen Programm erhebt, der muss wieder eine Mauer bauen, aber diesmal
um ganz Deutschland herum. Das wollen wir alle nicht.
({5})
Man wird immer wieder gefragt: Kommen denn die
Früchte des Aufschwungs bei den Menschen an? Ich
sage klipp und klar: Für mich ist jeder neue Arbeitsplatz
für einen Arbeitslosen eine konkrete Frucht des Aufschwungs.
({6})
Für mich ist jede Investition, die zusätzlich getätigt wird,
eine Frucht des Aufschwungs. Für mich ist jeder Euro,
den ein Arbeitnehmer als Abgabe an die Sozialversicherungen weniger zu leisten hat, eine ganz konkrete Frucht
des Aufschwungs im Geldbeutel unserer Mitbürgerinnen
und Mitbürger.
({7})
Für mich ist jede mögliche mittel- und langfristige Steuersenkung, wie sie jetzt wieder denkbar ist, eine Frucht
des Aufschwungs. Für mich ist beispielsweise auch das
Elterngeld - mit dem Grundbetrag von 300 Euro - und
möglicherweise später ein Betreuungsgeld eine Frucht
des Aufschwungs. Darauf sollten wir alle stolz sein.
({8})
Ebenso gilt das für die Kinderbetreuung. Es liegt auf
der Hand, dass ich dazu etwas sage. Ich bin unserer Familienministerin - Ihnen, liebe Frau von der Leyen -,
ausgesprochen dankbar dafür, dass sie in dieser Woche
mehrmals, auch in ihrer Haushaltsrede, betont hat: Eines
muss man dieser Debatte um Gottes willen vermeiden,
nämlich das Spalten. - Wir dürfen nicht spalten. In dieser Debatte gibt es nur eines: alles dafür tun, dass man
zusammenführt - im Interesse unserer jungen Väter, unserer jungen Mütter, unserer Kinder, unserer Familien.
Es spalten diejenigen, die die einen als Rabenväter
oder -mütter brandmarken. Es spalten diejenigen, die die
anderen als dumme Heimchen am Herd brandmarken.
Es spalten auch diejenigen - ich sage das ganz deutlich -, die das Elterngeld und ein Betreuungsgeld als
Herdprämie diffamieren. Das darf man nicht. Wer so redet, der spaltet; er sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein.
({9})
Wir haben einen ganz klaren Fahrplan - ich darf das
noch einmal klarstellen, auch für meine Fraktion -: Erst
bauen wir das Angebot auf 750 000 Betreuungsplätze
aus. Das steht bis 2013 im Vordergrund. Das ist prioritär,
wie es die Bundeskanzlerin gesagt hat. Dann, im Jahr
2013, wenn das erledigt ist, kommen der Rechtsanspruch
und das Betreuungsgeld, klipp und klar, und wir werden
geeignete gesetzliche Formulierungen dafür finden.
({10})
Ein Wort zur Steuerpolitik. Herr Minister Steinbrück,
Sie haben in Ihrer Einbringungsrede gesagt - ich hoffe,
ich habe es am Dienstag richtig mitgeschrieben -: Von
den zusätzlichen Steuermehreinnahmen werden wir einen Teil in die Rückführung der Nettoneuverschuldung
geben, aber einen anderen Teil dem Gestaltungswillen
der Koalition zur Verfügung stellen. - Ich verstehe das
nicht nur kurzfristig, sondern auch mittelfristig. Das
heißt, dass wir den Spielraum, den wir sehen, in dieser
Legislaturperiode auch für das eine oder andere nutzen,
und zwar klug nutzen. Einige Beispiele hat der Finanzminister in seiner Rede vorhin genannt: gerade im sozialen Bereich, im Familienbereich, aber auch im investiven Bereich.
Wir sollten den Blick weiter nach vorn richten. Das
sollten wir gerade im Hinblick auf junge Menschen tun,
die ihre Zukunft planen. Viele junge Menschen, junge
und motivierte Leistungsträger, die verdienen wollen,
die etwas für ihre Leistung haben wollen, für die sich
Leistung lohnen soll, überlegen sich: Bleibe ich in
Deutschland, oder gehe ich lieber woandershin? Meist
wurde auf Forschungsmöglichkeiten usw. verwiesen.
Ein Aspekt in dieser Debatte wird aber immer vergessen,
nämlich dass solche jungen Leistungsträger auch fragen:
Wie hoch ist die Belastung meines Einkommens durch
Abgaben in Deutschland, und wie hoch ist diese Belastung in anderen Ländern? Solchen jungen Menschen,
den heute 25-, 30-Jährigen, sollten wir durchaus eine
mittelfristige Perspektive geben.
Deswegen sage ich klipp und klar: Wenn wir einen
ausgeglichenen Haushalt haben, wenn es keine neuen
Schulden mehr gibt und die Unternehmensteuerreform
wirkt, die zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten
wird, dann sollten wir auf der Grundlage des Gestaltungswillens der Koalition und ihres Grundsatzes, Spielräume zur Verfügung zu stellen, mit Blick auf die
nächste Legislaturperiode - vor 2011/2012 schafft man
das nicht; das kann man erst nach der Bundestagswahl
machen - überlegen, welche Gestaltungsmöglichkeiten
wir im Einkommensteuertarif haben und ob man den Solidaritätszuschlag sozusagen darin aufgehen lassen kann.
Das wäre ein gutes Signal an die Leistungsträger der Zukunft.
({11})
So wollte ich meine Einlassungen zu Beginn dieser Woche verstanden wissen.
Herr Ramsauer, der Kollege Poß würde Ihnen gern
eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Herr Kollege Poß, bitte schön.
({0})
Bezogen auf Ihre letzten Ausführungen habe ich die
Frage, Herr Dr. Ramsauer, ob Sie bestätigen können,
dass wir sowohl - isoliert betrachtet - mit unserer Steuerquote als auch - insgesamt - mit der Steuer- und Abgabenquote unterhalb des europäischen Durchschnitts
liegen.
Da antworte ich mit einem bekannten deutschen
Grundsatz: Das Bessere ist der Feind des Guten. Ein besserer Tarifverlauf ist der Feind eines guten Tarifverlaufs. Die Frage ist damit erschöpfend beantwortet; Sie können
sich wieder setzen.
({0})
- Vielen Dank, Herr Westerwelle. Aber auch etwas von
Oscar Wilde kann zu deutschem Sprachgut werden. Das
ist ja keine Schande für Oscar Wilde, den ich im Übrigen
sehr schätze und dessen Werke ich in meiner Schulzeit
teilweise auswendig lernen musste - ich meine, wollte.
({1})
Und auch konnte! - Die Zwischenfrage war nicht bestellt; aber ich hätte gerne öfter solche Fragen zum Gestaltungswillen und zu investiven Aspekten von meinen
neuen Freunden von der SPD,
({2})
meinen vorübergehenden Freunden.
({3})
Ich wollte dem Kollegen Westerwelle verbal etwas Gutes tun.
({4})
Wir haben mit den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ ein Investitions- und Infrastrukturvolumen in den
neuen Ländern geschaffen, auf das wir alle ausgesprochen stolz sein können. Das war erforderlich und ist
weiterhin erforderlich. Ich habe in dieser Woche im Zusammenhang mit den steuerpolitischen Erwägungen
klargestellt, dass es bis 2019 überhaupt kein Rütteln am
Solidarpakt II gibt. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite der Medaille ist, dass eine Reihe von
Ausbaudefiziten und Mängeln in der Bestandserhaltung
bei den Bundesfernstraßen in den alten Bundesländern nicht zu leugnen sind.
({5})
Hier gibt es längst überfällige Ausbaumaßnahmen und
Lückenschlüsse. Jeder kennt die maroden Fahrbahnbeläge, die zum Teil baufälligen Brücken, die dringend saniert werden müssen, und vieles mehr. Deswegen gebe
ich zu bedenken, ob wir nicht mittelfristig ein gezieltes
Programm zur Verbesserung der Bundesfernstraßen in
den alten Bundesländern ins Leben rufen sollten, im
Rahmen der Möglichkeiten, die wir haushalterisch haben. Ich glaube, das würde uns allen in gesamtdeutscher
Hinsicht guttun.
({6})
Ein weiteres Thema ist die Erbschaftsteuer. Dieses
Thema hat auch der Bundesfinanzminister in seiner
Rede angesprochen. Kollege Struck hat in seiner Rede
dazu ebenfalls einen Aspekt eingebracht, den ich sehr interessant finde. Er hat angeregt - das hat er dann zwar
wieder verworfen, aber immerhin in die Debatte eingebracht -, im Rahmen der Föderalismusreform II zu erörtern, ob wir nicht die Erbschaft- und Schenkungsteuer in
die Steuerhoheit der Länder geben sollten.
({7})
Ich gebe dies hier bewusst zu bedenken; man muss noch
keine abschließende Beurteilung vornehmen. Kollege
Struck hat dann geschlussfolgert, dass das sehr zum
Schaden solcher Länder sein könnte, die schlecht bei
Kasse sind.
({8})
- Genau, die haben wahrscheinlich keine Erbschaftsteuereinnahmen, wenn sich die Menschen in diesen Ländern ökonomisch vernünftig verhalten. Das tun Gott sei
Dank immer mehr.
({9})
Wenn es aber einem Land finanziell dreckig geht,
dann liegt das garantiert nicht - zumindest nicht wesentlich - an der Erbschaftsteuer. Wer stolz darauf ist, von
sich sagen zu können, er sei zwar arm, aber sexy, dem
nützt das Erbschaftsteueraufkommen am Ende auch
nichts.
({10})
Wenn sich mögliche Erblasser von solchen Ländern abwenden und ihren Wohnsitz wechseln, dann habe ich dafür Verständnis.
Ein Wort zur berühmten Onlinedurchsuchung. In
dieser Woche ist einige Male an den 11. September 2001
- wir hatten in dieser Woche den Jahrestag - erinnert
worden. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir alle
hier am 11. September im Jahre 2001 gesessen sind.
Auch an diesem Tag wurde eine Haushaltsdebatte geführt. Wenn ich heute manche Stimmen zur Onlinedurchsuchung höre, dann kann ich nur sagen: Haben die
alles vergessen? Haben die keine Lehren daraus gezogen, welche Einsichten wir damals hatten? Dies ist erst
sechs Jahre her. Manche glauben offensichtlich, dass solche Terroristen wildgewordene, dumpfbackige Raufbolde und Höhlenmenschen - so wie sich Bin Laden
manchmal ablichten lässt - sind.
Es sind aber technologisch bestens ausgerüstete, zu
allem entschlossene Verbrecher, für die das Internet das
wichtigste Kommunikationsmittel geworden ist. Zur Bekämpfung dieses Kommunikationsweges haben wir
keine bundesgesetzliche Grundlage. Die Abwägung zwischen den beiden Polen der individuellen Freiheit und
der Sicherheit - die Unionsparteien sind sowohl die Parteien der individuellen Freiheit als auch die der Sicherheit - geht eindeutig zugunsten eines Instruments: zugunsten der Onlinedurchsuchung. Dieses Instrument
brauchen wir.
Ich bin dem Kollegen Struck dankbar, dass er klar gesagt hat: Wenn Onlinedurchsuchungen für die Bekämpfung der terroristischen Aktivitäten in Deutschland erforderlich sind, sind wir nicht dagegen. Dann hat er
gesagt, er wolle nur auf das Urteil aus Karlsruhe warten.
Dies ist zwar richtig; aber der Gesetzgeber sind wir. Wir
müssen die Normen setzen.
({11})
Wir entwerten uns selbst, wenn wir nach Karlsruhe
schielen.
Die erste Lesung des Entwurfs des Haushalts für das
Jahr 2008 geht zu Ende. Wir gehen zu den Haushaltsberatungen über. Wir müssen den Haushalt konsolidieren,
({12})
damit wir Zukunftschancen und wieder mehr Spielräume
für Investitionen schaffen und das realisieren können,
was wir uns in der Präambel unseres Koalitionsvertrages
für diese Legislaturperiode vorgenommen haben: Sanieren, Reformieren und Investieren für eine gute Zukunft
in unserem Lande.
({13})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen zur Hälfte der Legislaturperiode: Die
Kanzlerin strahlt, und der Minister droht mit einem
„Weiter so!“. Er hat Stehvermögen in einer Steuer- und
Finanzpolitik, die Reich und Schön belohnt und Arm
und Alt bestraft. Frau Präsidentin, ich hätte gerne die
15 Minuten Redezeit von Herrn Ramsauer genutzt, um
mich mit dieser Haushalts- und Finanzpolitik auseinanderzusetzen. Da unterscheide ich mich wesentlich von
Ihnen, Herr Steinbrück; denn Sie weichen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit unseren Vorschlägen aus.
({0})
Interessanterweise konnten wir am Dienstag von
Herrn Steinbrück hören, die alternativen Vorschläge der
Linken seien „Voodoo-Ökonomie“.
Herr Minister, als Atheistin möchte ich Ihnen sagen,
dass es gut wäre, seine Worte sorgsamer zu wählen. Der
Voodoo-Glaube ist in einigen afrikanischen Ländern und
auch in Nordamerika immerhin eine weit verbreitete Religion. In Benin ist sie offiziell anerkannt. Achtung vor
religiösen Anschauungen anderer sollte immer Grundsatz unseres politischen Handelns sein.
({1})
Wenn ich Sie jedoch richtig verstanden habe, geht es
Ihnen um den Geist, um das, was unsere Anträge in ihrem Inneren zusammenhält. Das können wir uns doch
einmal anschauen: Wir sind für eine Rente ab 65 Jahren,
durch die der Lebensstandard im Alter tatsächlich gesichert werden kann.
({2})
Wir sind für eine sofortige Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro.
({3})
Ja, wir sind für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für apothekenpflichtige Medikamente und für Waren und Dienstleistungen für Kinder.
({4})
Wir sind auch für die Abschaffung der Praxisgebühr.
Diese Vorschläge sind tatsächlich in einem Geist für
soziale Gerechtigkeit, für eine Umverteilung von oben
nach unten und für reale Möglichkeiten der Bürgerinnen
und Bürger in unserem Lande auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verfasst. Davon haben Sie sich als
Finanzminister und anscheinend auch fast die gesamte
Führung der Sozialdemokratie verabschiedet. Wenn ich
mich recht entsinne, habe ich gelesen, dass ein Drittel
der Anhänger der SPD meint, der Herr Finanzminister
sei CDU-Mitglied. Spätestens das sollte Ihnen zu denken
geben.
({5})
Wir haben auch Vorschläge dafür, wie man das, was
wir wollen, finanzieren kann. Wir sind für eine Wiedererhebung der Vermögensteuer. Wir sind für eine Reform
der Erbschaftsteuer, zu der nicht einfach gesagt wird,
dass man kein Geld mehr einnehmen wolle, sondern die
bei den tatsächlich Reichen ansetzt. Herr Minister, am
Dienstag haben Sie gesagt, die sogenannten Reichen
seien eine Schimäre. Ich glaube, Herr Ackermann ist
sehr konkret. 35 000 Euro Tageseinkommen - ich wiederhole: Tageseinkommen - ist eine sehr konkrete Form
von Reichtum.
({6})
Herr Minister, in dem Papier der SPD-Fraktion steht
einfach: Das ist derzeit nicht realisierbar. - Dadurch haben Sie sich wirklich von jeglichem Gedanken der Umverteilung grundsätzlich verabschiedet. Das ist äußerst
bedauernswert.
({7})
Es geht in dieser Debatte natürlich um die Grundausrichtung der Ökonomie unseres Landes. Es geht darum,
ob es ein „Weiter so!“ geben kann, ob man also nur darauf setzen kann, dass Deutschland eine starke Exportwirtschaft hat, während man die Binnenwirtschaft völlig
vernachlässigt. Vorhin wurde meinem Kollegen vorgeworfen, wir würden uns mit unseren wirtschaftspolitischen Vorschlägen abschotten. Eine Abschottungspolitik
betreiben Sie. Wer schottet denn bei den Fragen zum
Mindestlohn ab? Deutschland. Im Gegenteil: Sie befördern eine Politik des Lohndumpings und betreiben eine
Politik des Steuerdumpings.
({8})
Dann verkünden Sie auch noch, dass Sie stolz darauf
sind, dass die Steuer- und Abgabenquote bei uns als der
stärksten Wirtschaftskraft in Europa unterdurchschnittlich ist. Dadurch üben wir Druck auf die anderen Staaten
aus und drängen sie in einen Senkungswettbewerb. Im
Ergebnis haben deshalb natürlich alle Gesellschaften,
alle Staaten, weniger Geld zur Verfügung, um unser Leben gemeinschaftlich zu gestalten.
Herr Steinbrück, Sie mahnten am Dienstag Aufrichtigkeit in der politischen Rede an. Gleichzeitig - einige
Sätze später - haben Sie hier behauptet, dass wir mit der
Umsetzung unseres Vorschlags zur Reform des Einkommensteuertarifs den Mittelstand und die Facharbeiter
mehr belasten würden. Das ist schlicht eine Unverschämtheit.
({9})
Wir könnten jetzt natürlich mit dem Durchschnittsteuersatz und dem Grenzsteuersatz jonglieren. Schauen wir
uns aber doch einmal die Zahlen an. Das interessiert die
Facharbeiterin und den kleinen Unternehmer. Nach
unserem Vorschlag würde jeder und jede mit einem zu
versteuernden Einkommen - also dem, was für die Steuerberechnung wirklich herangezogen wird - von bis zu
64 000 Euro weniger Einkommensteuer zahlen müssen.
Das ist die Realität.
Für eine aufrichtige Debatte wünsche ich mir, dass
Sie endlich den Mut haben, sich mit unseren Vorschlägen auseinanderzusetzen, und dass Sie dabei dann vielleicht auch einmal richtig rechnen. Falls Sie das nicht
können: Wir helfen gerne.
Danke.
({10})
Jetzt hat Anna Lührmann für Bündnis 90/Die Grünen
das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Haushalt einer Bundesregierung ist immer Ausdruck der politischen Schwerpunktsetzung einer
Koalition. In der Sommerpause hat die Koalition sehr
viel über das Thema Klimaschutz geredet. Aber was
steckt wirklich dahinter? Was steht also wirklich im
Bundeshaushalt und nicht nur in den Redemanuskripten
der Großen Koalition?
In Meseberg haben Sie stolz verkündet, die Bundesregierung werde ein Klimaschutzprogramm in Höhe
von 2,6 Milliarden Euro auflegen. Das war Ergebnis
- Sie erinnern sich - eines lang inszenierten Streites zwischen Glos auf der einen und Gabriel auf der anderen
Seite. Ich habe mir von der Regierung aufschlüsseln lassen, wie sich dieses 2,6-Milliarden-Programm genau zusammensetzt. Das Ergebnis ist, dass sämtliche Mittel,
die in diesen 2,6 Milliarden Euro enthalten sind, auch
schon vorher, also vor Meseberg, im Juni im Entwurf des
Bundeshaushalts enthalten waren. Worüber haben sich
die beiden Herren also gestritten? Vielleicht über den
nächsten Tagungsort der Regierungsklausur, aber sicherlich nicht über zusätzliche Haushaltsmittel für den Klimaschutz. Das Klimaschutzprogramm von Meseberg ist
also nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen.
({0})
Außerdem muss man von diesen 2,6 Milliarden Euro
noch zwei Projekte ausnehmen. Das erste ist das Gebäudesanierungsprogramm. Wenn man sich die Summen der
Regierung einmal ganz genau anschaut, dann sieht man,
dass dort die Gelder, die in zukünftigen Haushaltsjahren
ausgegeben werden sollen, zusammengerechnet wurden,
als würde man sie schon im Haushalt 2008 ausgeben.
Dabei geht es um nicht zu vernachlässigende 600 Millionen Euro. Das zweite Projekt, das ich in Klammern setzen muss, sind die Einnahmen aus dem Emissionshandel
von 400 Millionen Euro. Wenn man diese Zahlen zusammenrechnet, dann kommt man nur noch auf 1,6 Milliarden Euro zusätzliche Steuergelder, die die Regierung
im Haushaltsjahr 2008 für Klimaschutz ausgeben wird.
Da gibt es aber immer noch drei Vorbehalte: Erstens.
Die meisten Programme gab es auch schon in vorherigen
Haushaltsjahren, auch unter Rot-Grün. Zweitens. Es gibt
einen Finanzierungsvorbehalt von Steinbrück. Drittens.
Minister Glos wird noch ein Kosten/Nutzen-Gutachten
erstellen lassen. Ernstgemeinter Klimaschutz sieht anders aus.
({1})
Ihr Verständnis von Klimaschutz ist: viel heiße Luft und
wenig konkrete Taten. Die globale Erderwärmung wartet
aber nicht auf den schwerfälligen Tanker der Großen
Koalition. Wir müssen jetzt handeln.
Deshalb wollen wir grüne Haushälter der Regierung
einmal zeigen, wie substanzieller Klimaschutz ganz konkret aussehen kann. Wir werden einen Klimaschutzhaushalt aufstellen und mit konkreten Haushaltsanträgen belegen, wie man die Ausgaben für Klimaschutz
mehr als verdoppeln kann. Wir wollen 2 Milliarden Euro
zusätzlich für Klimaschutz ausgeben. Dabei geht es um
Projekte wie einen Stromsparfonds für energieeffiziente
Geräte, Klimaforschung, Ökobeschaffung, Plug-inHybridfahrzeuge und vieles andere mehr, was wir mit
konkreten Anträgen belegen werden.
Das Beste an unserem Klimaschutzhaushalt ist aber
- darauf bin ich als Haushälterin besonders stolz -, dass
die Ausgaben für Klimaschutz mehr als gegenfinanziert
sind. Wir machen also konkrete Vorschläge für den Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen in der
Finanzplanperiode in Höhe von mehr als 21 Milliarden
Euro.
Dafür möchte ich drei Beispiele geben. Erstens. Der
Abbau von Subventionen für die stromintensive Industrie macht mehr als 1,2 Milliarden Euro allein im nächsten Haushaltsjahr aus. Zweitens. Die Streichung der
Subventionen für Kerosin und für die Luftfahrtindustrie
spart allein im nächsten Haushaltsjahr mehr als 900 Millionen Euro ein.
({2})
Drittens. Eine Reduzierung und ökologische Reform des
Dienstwagenprivilegs bewirkt, dass dicke Chefdreckschleudern in Zukunft nicht mehr vom Steuerzahler subventioniert werden.
({3})
Ihnen hingegen fehlt der Mut, diese Reformen anzupacken. Die Regierung redet viel vom Klimaschutz, aber
sie gibt immer noch Geld für Klimaverschmutzung aus.
Das ist die Wahrheit an dieser Stelle.
({4})
Auch bei einem anderen Kernbereich der Nachhaltigkeit ist bei der Bundesregierung mehr Schein als Sein zu
finden - Stichwort: „die solide Haushaltspolitik“. Der
Schein ist, dass weniger Schulden gemacht werden.
({5})
Es ist keine Kunst, weniger Schulden aufnehmen, wenn
die Steuereinnahmen sprudeln und die Konjunktur
brummt. Im Gegenteil: Es sollte für eine Regierung
selbstverständlich sein, weniger Schulden zu machen,
wenn die Konjunktur gut läuft. Das ist kein Grund zum
Jubeln.
Was bedeutet eine wirklich nachhaltige Haushaltspolitik in Zeiten guter wirtschaftlicher Entwicklung?
Einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden oder sogar einen Überschuss erwirtschaften, um für schlechte
Zeiten etwas zurücklegen zu können!
({6})
Sie aber wollen erst 2011 einen ausgeglichenen Haushalt
aufstellen. Warum eigentlich 2011 und nicht 2010, 2012
oder 2013? Das ist eine willkürliche Festlegung.
({7})
- Wenn Sie schon so seriös kalkulieren: Wer sagt Ihnen
denn, dass die Konjunktur bis 2011 so weiterläuft wie
jetzt? Sagt Ihnen das etwa Ihr Wirtschaftsminister?
({8})
Damit kann man meines Erachtens nicht kalkulieren.
Deshalb werden wir Ihnen in den Haushaltsberatungen
mit Anträgen ganz konkret belegen, dass ein ausgeglichener Haushalt spätestens 2009 möglich ist. Wenn man
nur will, kann man das machen.
Herr Steinbrück, vielleicht schenken Sie mir für ein
paar Minuten Ihr geschätztes Gehör. Ich glaube nämlich,
dass Sie gar nicht konsolidieren wollen. Ich kann Ihnen
das auch belegen. Sie sind der erste Finanzminister, der
öffentlich zugibt - vielleicht auch in dem Gespräch mit
Frau Merkel, das Sie im Moment führen -, dass Sie nicht
sparen wollen. Das wird in einem Zitat aus dem Handelsblatt von letzter Woche deutlich. Dort steht:
Steinbrück will unter allen Umständen vermeiden,
dass die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr unter
die Planzahl von 12,9 Milliarden Euro für das
nächste Jahr rutscht. „Das wäre politisch problematisch. Die Neuverschuldung sollte besser Schritt für
Schritt abgebaut werden“, sagte Steinbrücks Sprecher.
({9})
Herr Steinbrück, entweder sollten Sie Ihren Pressesprecher rauswerfen, oder Sie sind der erste Finanzminister, dem es nicht so wichtig ist, weniger Schulden
zulasten der künftigen Generationen aufzunehmen.
({10})
Mit dieser Äußerung des Finanzministeriums von
letzter Woche wird endlich klar, warum die Koalition ein
Sondervermögen für die Kinderbetreuung auflegen
möchte, statt das Geld wie von der Bundeshaushaltsordnung vorgesehen Jahr für Jahr zu investieren. Sie wollen
sich künstlich arm rechnen, meine Damen und Herren.
Indem Sie 2,15 Milliarden Euro in einem Sondervermögen parken, verpassen Sie die Chance, schon dieses Jahr
ganz konkret die Schuldenaufnahme zu senken. Mit diesem optischen Trick verringern Sie außerdem den
Druck, in den nächsten Jahren beim Schuldenabbau
schneller voranzukommen.
Auch der zweite Baustein Ihrer Krippenfinanzierung,
nämlich der Punkt zur Umsatzsteuer, bringt zwei sehr
große Probleme mit sich.
Erstens. Wie wir alle wissen, haben die Länder klebrige Hände. Wenn Sie versuchen, im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung über die Länder Geld an die Kinder
vor Ort weiterzugeben, ist es relativ wahrscheinlich, dass
in den Länderhaushalten etwas davon kleben bleibt.
Zweitens. Ihr gesamtes Konzept zur Krippenfinanzierung ist nicht gegenfinanziert. Das bedeutet, dass Sie den
Kindern zwar einen Betreuungsplatz geben, aber auch
mehr Schulden bei ihrem Start ins Leben mitgeben.
({11})
Wir Grüne haben hingegen ein Konzept vorgelegt,
mit dem der notwendige Ausbau der Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige auch nachhaltig finanziert
werden kann.
Im ersten Schritt wollen wir das Ehegattensplitting in
eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Höchstbetrag umwandeln. Das wäre auch verfassungsfest. Damit haben Bund und Länder insgesamt 5 Milliarden
Euro mehr für Kinderbetreuung zur Verfügung. Das
heißt unter dem Strich, dass 4 Milliarden Euro weniger
Schulden aufgenommen werden.
Der zweite Schritt ist, dass der Bund eine Kinderbetreuungskarte schafft, die dafür sorgt, dass Leistungen
direkt an die Eltern gehen - nicht über den Umweg der
klebrigen Hände der Länder. Das funktioniert auch mit
einem Geldleistungsgesetz; diese Frage haben wir prüfen lassen.
Mit unserem Konzept würde jedes Kind unter drei
Jahren einen Betreuungsplatz bekommen - und keine
zusätzlichen Schulden dazu. Das ist nachhaltige Haushaltspolitik.
({12})
Ein weiteres Beispiel dafür, dass Sie keine nachhaltige Haushaltspolitik betreiben, ist der geplante Börsengang der Bahn. 130 - 37,5 - 4: Das sind die Zahlen, auf
die es in dieser Debatte ankommt. 130 Milliarden Euro
hat der Bund seit der Bahnreform 1994 in das System
Schiene gesteckt. 37,5 Milliarden Euro ist der Bund nach
dem Börsengang verpflichtet, der Bahn allein in den
nächsten 15 Jahren zu zahlen. Ausbauzuschüsse und Regionalisierungsmittel kommen hinzu. Bei diesem krummen Deal bleiben für den Bundeshaushalt erst einmal
nur 4 Milliarden Euro übrig, vorausgesetzt, Sie finden
bei dieser Art des Börsengangs überhaupt einen Käufer.
Herr Steinbrück, der Bund hat in den letzten Jahren
130 Milliarden Euro bezahlt, verpflichtet sich, in Zukunft mindestens weitere 37,5 Mil-liarden Euro auszugeben und unterm Strich bleiben 4 Milliarden Euro übrig. Mit solider Haushaltsführung hat das nun wirklich
nichts zu tun.
({13})
Auf lange Sicht bleibt es wahrscheinlich noch nicht
einmal bei der Einnahme in Höhe von 4 Milliarden Euro.
Wahrscheinlicher ist, dass der Bund noch etwas drauflegen muss. Das liegt an dem sehr komplizierten Eigentumssicherungsmodell. Wie immer, wenn Sie sich in
der Großen Koalition nicht auf ein einfaches, transparentes und nachvollziehbares Modell einigen konnten, ist
ein ganz fauler Kompromiss herausgekommen: Der
Bund kann das Netz nach 18 Jahren zurücknehmen - das
war der Wunsch der CDU/CSU -; dafür muss er aber
mindestens 7,5 Milliarden Euro als Wertausgleich auf
den Tisch legen. Herr Steinbrück, das wäre so, als wenn
Sie mir Ihr Haus leihen würden
({14})
- das Beispiel wurde gestern schon gebracht; das ist ein
sehr gutes Beispiel -, ich das wirtschaftliche Eigentum
am Haus erhalten würde, keine Miete zahlen würde, Sie
jedes Jahr für Ausbau und Renovierung zahlen würden
und Sie mir am Ende Geld geben müssten, damit ich Ihnen das Haus zurückgebe, das Ihnen gehört hat. Das ist
wirklich keine solide Haushaltspolitik.
({15})
Herr Steinbrück, wenn Sie Ihr Amt als Finanzminister
ernstnehmen würden, würden Sie diesem Deal, der zulasten des Bundeshaushalts geht, nicht zustimmen, sondern Sie würden ihn verhindern. Herr Steinbrück, Sie
haben in Ihrer Rede vorhin gesagt, dass eine handlungsfähige Finanzpolitik Stehvermögen erfordert. Nun zeigen Sie uns doch einmal Ihr Stehvermögen, Herr
Steinbrück!
({16})
Verhindern Sie den Börsengang in dieser Form! Warten Sie mit dem Ausgleich des Bundeshaushaltes nicht
bis 2011! Beweisen Sie Mut beim Abbau der klimaschädlichen Subventionen! Das würde von einer handlungsfähigen Finanzpolitik zeugen.
Vielen Dank.
({17})
Jetzt spricht für die SPD-Fraktion der Kollege
Bernhard Brinkmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte
zunächst bestätigen, dass wir von Dienstag bis heute,
circa 12 Uhr - das wird sich auch nicht ändern -, eine
durchaus sachorientierte Haushaltsdebatte geführt haben. Das liegt unter anderem daran, dass diese Große
Koalition der Opposition wenig Munition, wenig Zündstoff geliefert hat.
({0})
Der Bundeshaushalt 2008 und der Finanzplan des
Bundes 2007 bis 2011 sind eine gute Grundlage für die
in der nächsten Woche beginnenden Beratungen im
Haushaltsausschuss. Die eine oder andere Veränderung
wird es natürlich noch geben; darauf ist schon hingewiesen worden. Der Kollege Fricke hat die haushaltspolitischen Sprecher von SPD und Union gelobt. Das war ein
gutes Signal und lässt hoffen, dass das dicke „Sparbuch“
mit 350 oder mehr Seiten
({1})
etwas dünner gestaltet wird und der eine oder andere Antrag, der aus populistischen Gründen gestellt wird, letztendlich nicht in die Beratungen einfließt.
Als ich heute Morgen über meinen Redebeitrag nachgedacht habe, sagte ich mir: Das hat etwas mit Nettoneuverschuldung und mit Verschuldungspolitik, das heißt,
mit dem, was sich in den letzten Jahren angehäuft hat, zu
tun.
({2})
Mit der Kollegin Flach von den Freien Demokraten habe
ich mich abgestimmt und gesagt, dass ich mich neutral
verhalten werde. Wir sollten uns darauf einigen, dass wir
alle beim Schuldenmachen dabei waren.
({3})
Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass wir so schnell
wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt haben. Wir
sollten nicht in einen Wettbewerb um den frühestmöglichen Zeitpunkt eintreten. Der Bundesfinanzminister hat
in vielen Ausführungen deutlich gemacht, warum. Ich
halte es für besser, wenn wir einen vernünftigen Weg beschreiten. Sonst muss man hinterher womöglich eingestehen, dass man sich hinsichtlich des Zeitfensters geirrt
hat.
Ich will zum Bundeshaushaltsplan 2008 Folgendes
feststellen: Um die deutsche Konjunktur steht es nach
wie vor gut. Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten
Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Die
Arbeitslosigkeit geht Schritt für Schritt, von Monat zu
Monat zurück. Sie ist innerhalb eines Jahres auf den
niedrigsten Stand seit 1999 gesunken. Das ist eine Entwicklung, über die wir uns durchaus freuen sollten und
auf die wir ein wenig stolz sein können. Ich will aber
auch hinzufügen, dass wir noch lange nicht am Ziel sind.
Daher sind weitere gewaltige Kraftanstrengungen aller
an diesem Prozess Beteiligten von besonderer Bedeutung.
Wer sich mit den aktuellen Zahlen der Bundesagentur
für Arbeit beschäftigt, der wird feststellen, dass das eingetreten ist, was noch vor Monaten von einigen bestritten wurde: Die Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land
geht massiv zurück, und die Beschäftigung älterer Menschen nimmt zu. Das ist eine gute Entwicklung, die man
bei Haushaltsberatungen in den Fokus der Öffentlichkeit
stellen sollte.
({4})
Mit einer entsprechenden Benotung ist es so wie im
täglichen Leben: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht,
ist die Politik schuld; geht es der Wirtschaft gut, hat sie
es alleine gemacht.
({5})
- Genau, Herr Kollege Zöller, das ist wie bei einer Fußballmannschaft. Das ist richtig.
Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, schiebt man die Verantwortung dem Arbeitsminister zu. Wenn sie sinkt, hat
er nichts dazu beigetragen. So sagte es jedenfalls gestern
die von mir geschätzte Kollegin Frau Dr. Winterstein
- sie sitzt gerade hinter mir -, die sich, ähnlich wie vorhin Herr Solms, in dieser Frage jetzt nicht rechtfertigen
kann.
Ich will eines deutlich machen: Bei der Reduzierung
der Arbeitslosigkeit haben viele in unserem Land mitgeholfen. Ich möchte heute die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter
ausdrücklich loben. Sie haben nach vielem, was wir ihnen zugemutet haben, wertvolle Arbeit geleistet und zur
Reduzierung der Arbeitslosigkeit beigetragen.
({6})
Eine weitere Tatsache ist, dass wir die MaastrichtVerschuldungskriterien weit unterschreiten. Wir werden in diesem Jahr bei etwa einem halben Prozent liegen
und 2008 - die Chancen stehen jedenfalls gut - bei einer
schwarzen Null. Das ist in diesem Falle positiv. Wer
Bernhard Brinkmann ({7})
hätte vor Monaten gedacht, dass wir diese gute Entwicklung auch in diesem Bereich erreichen können?
Ich habe mir die Redebeiträge einiger Kolleginnen
und Kollegen der Freien Demokraten angesehen, die in
der Debatte gesprochen haben, als es darum ging, dass
wir nicht ehrgeizig genug seien, die Nettoneuverschuldung zu senken und einen ausgeglichenen Haushalt zu
erreichen.
({8})
- Herr Kollege Fricke, jetzt kommt etwas, das nicht
mehr gut ist. ({9})
Sie haben gesagt: Die wirtschaftliche Entwicklung wird
durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer zunichtegemacht. Ich stelle fest: Fehlanzeige, wobei ich hinzufügen
will, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer eine Zumutung war, die wir den Menschen in Deutschland abverlangen mussten.
({10})
Das, was Sie prognostiziert haben, ist nicht eingetreten:
({11})
Das Konsumklima trübt sich ein - Fehlanzeige.
({12})
Die Verschuldung wird steigen - Fehlanzeige, sie sinkt.
Die Löcher in den öffentlichen Haushalten werden größer - Fehlanzeige; die Bundesländer haben letztendlich
viel schneller als erwartet einen ausgeglichenen Haushalt.
({13})
Auch wir werden unsere konsequente Haushalts- und
Finanzpolitik fortführen.
Obwohl das alles so eingetreten ist, kann man natürlich nicht erwarten, dass sich die Freien Demokraten
hierhin stellen und das loben. Das verlange ich auch
nicht. Aber Sie sollten es zumindest zur Kenntnis nehmen oder selbstkritisch eingestehen, dass das, was Sie
vor Monaten noch unters Volks gestreut haben, letztendlich nicht so eingetreten ist.
Wenn die Zahlen gut sind, gibt es einen Wettlauf bezüglich weiterer Steuer- und Abgabensenkungen. Ich
will meine Meinung dazu deutlich sagen. Wir sollten mit
weiteren Steuer- und Abgabensenkungen erst dann anfangen und sie konkret werden lassen, wenn wir nicht
mehr auf Pump leben.
({14})
Der Haushalt 2008 hat noch eine Neuverschuldung zur
Folge. Wer jetzt durchs Land zieht und den Bürgerinnen
und Bürger suggeriert, es könnte über das hinaus, was in
Meseberg beschlossen worden ist, zu weiteren Steuerund Abgabensenkungen kommen, macht den Menschen
etwas vor.
({15})
Ich will noch etwas zu den sozialen Sicherungssystemen sagen. Die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
hat dazu beigetragen, dass der Druck, der auf den sozialen Sicherungssystemen lastete, beträchtlich reduziert
werden konnte. Bald werden wieder Überschüsse zu verzeichnen sein. Das ist in der Vergangenheit nicht der Fall
gewesen. Das hat etwas mit der Agenda 2010 zu tun.
({16})
Das hat aber auch mit den finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu tun, die die neue Bundesregierung
auf den Weg gebracht hat.
({17})
Jetzt will ich auf die Vorschläge eingehen, die von der
linken Seite dieses Hauses im Hinblick auf die gesetzliche Rentenversicherung gemacht worden sind. Als ich
diese Vorschläge gehört habe, dachte ich zunächst, ich
träume. Letztendlich habe ich sie aber doch als Realität
hinnehmen müssen.
({18})
Da spricht Ihr Chefökonom, der heute nicht hier ist,
({19})
davon, dass es ohne Weiteres möglich wäre, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung auf
28 Prozent zu erhöhen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer das vorschlägt und meint, er könne so dafür
sorgen, dass die Wirtschaft einen größeren Beitrag dazu
leistet, dass die gesetzliche Rentenversicherung Einnahmen erzielt, der irrt sich.
Man darf nicht vergessen, dass die Rentenversicherung paritätisch finanziert wird. Nach Ihren Vorschlägen
würde der Beitragssatz um roundabout 9 Prozentpunkte
steigen. Ich mache Ihnen an einem Beispiel deutlich,
welche Folgen das hätte: Jemand, der 2 500 Euro im
Monat verdient, hätte, wenn das, was Herr Lafontaine
vorgeschlagen hat, umgesetzt würde, Monat für Monat
netto 125 Euro weniger in der Tasche. Eine solche Idee
kann man nur zurückweisen.
({20})
Das geht eindeutig zulasten der Beschäftigten. Daher ist
dieser Vorschlag überhaupt nicht durchsetzbar und völlig
realitätsfremd.
An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, dass die
Alterssicherung durch die staatliche Förderung der
Riester-Rente und aller anderen Systeme der betrieblichen Alterversorgung gewährleistet wird. Dass die
Riester-Rente und alle anderen Maßnahmen, die dazugehören, eine Erfolgsstory sind, wird dadurch bewiesen,
dass in Deutschland auch Einkommensschwache den
vereinbarten Eigenbeitrag leisten können. Auch ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger, dessen Eigenanteil pro
Jahr 60 Euro, also 5 Euro pro Monat, beträgt, hat Zuschüsse in einer Größenordnung von fast 600 Euro zu er11736
Bernhard Brinkmann ({21})
warten. Zum 1. Januar 2008 wird die Förderung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge ausgeweitet.
Das ist genau der richtige Weg.
Der Entwurf des Bundeshaushalts 2008 wird nun an
den Haushaltsausschuss überwiesen. Ich freue mich auf
gute Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({22})
Zu einer Kurzintervention rufe ich den Kollegen
Gregor Gysi auf.
Frau Präsidentin! Herr Brinkmann, ich möchte an Ihrer Rede nur eines richtigstellen: Wir fordern keinen
Beitragssatz in Höhe von 28 Prozent, sondern wir sagen:
Es sollte langsam zu einer paritätischen Finanzierung
kommen. Das heißt, 14 Prozent sollten die Unternehmen
finanzieren, 14 Prozent die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Heute ist es so, dass die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer 10 Prozent für die gesetzliche Rentenversicherung und 7 Prozent für die Riester-Rente zahlen. Ihre Belastung beträgt also 17 Prozent. Käme es zu
einer paritätischen Finanzierung, würde das eine Reduzierung ihrer Belastung um 3 Prozentpunkte bedeuten.
({0})
Allerdings müsste die Belastung der Unternehmen dann
um 4 Prozentpunkte steigen. Bis die SPD etwas von den
Unternehmen verlangt, vergeht wahrscheinlich noch
eine lange Zeit. Das ist das eigentliche Problem.
({1})
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen JochenKonrad Fromme für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Konzept „Investieren, Sanieren, Reformieren“ ist
voll aufgegangen, trotz aller Unkenrufe.
({0})
Dass die Steuereinnahmen steigen, ist ein Ausdruck dessen. Der Abbau der Arbeitslosigkeit und insbesondere
der Anstieg der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse sind weitere wichtige Signale.
Im Rahmen dieser Haushaltsdebatte wurde deutlich,
dass eigentlich alle in diesem Hause bis auf eine Gruppe
diese Einschätzung teilen. Diese Gruppe wäre allerdings
erst dann zufrieden, wenn die Leute am 1. jedes Monats
ihr Gehalt abliefern und dann auf die Zuteilung warten
müssten. Nur, wohin das führt, das haben wir 1990 erlebt. Unter den Folgen haben viele Arbeitnehmer noch
heute bitter zu leiden. Das zeigt sich an den Steuern und
Beiträgen, die sie zu zahlen haben.
({1})
Das Wirtschaftswachstum ist sehr stabil. Es liegt weit
über dem Niveau, das wir lange Zeit für möglich gehalten haben. Das ist wichtig; das müssen wir pflegen.
Wir befinden uns in der zweiten Phase, der des Sanierens und Reformierens.
({2})
Man darf sich nicht darauf ausruhen - eine Schwalbe
macht noch keinen Sommer -, dass wir jetzt steigende
Steuereinnahmen und eine geringere Nettoneuverschuldung haben.
({3})
Es ist völlig falsch, sich auf die Nettoneuverschuldung
zu kaprizieren. Wir sind erst dann am Ziel angekommen,
wenn wir mehr einnehmen, als wir ausgeben. Das ist
aber noch lange nicht der Fall.
({4})
Seit 2006 haben wir uns Jahr für Jahr verbessert und
mühsam vorwärtsgearbeitet. Wir haben aber in diesem
Haushalt immer noch ein strukturelles Defizit von
23 Milliarden Euro. Erst wenn das beseitigt ist und wir
anfangen können, Schulden zu tilgen, haben wir den
angestrebten Zustand erreicht. Deshalb dürfen wir im
Hinblick auf die Reformen nicht nachlassen. Wer den
Eindruck erzeugt, die Phase der Zumutungen sei vorbei
und man brauche nicht mehr zu reformieren, der handelt
populistisch. Denn wir müssen den Bürgerinnen und
Bürgern klarmachen, dass das Ziel noch längst nicht erreicht ist.
({5})
Werner Finck hat einmal gesagt, dass der Staatshaushalt ein Haushalt ist, in dem alle essen wollen, aber keiner das Geschirr spülen will. Wir sind jetzt in der Phase,
in der wir denjenigen finden müssen, der das Geschirr
spülen wird.
Natürlich ist es das Recht der Opposition - auch wenn
sie im Wesentlichen alles gutheißt -, mehr zu fordern.
({6})
Wir hätten auch gern alles schöner, höher, größer und
besser. Aber dann muss man auch ganz klar sagen, für
welche Posten das gelten soll. Sie haben gefordert: Spare
in der Zeit, dann hast du in der Not.
({7})
In Bezug auf die Bundesagentur für Arbeit machen
wir das. Sie haben gesagt: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! Für die Krippen
legen wir Geld zur Seite, damit wir sie morgen finanzieren können. Genau das machen wir.
Kollege Koppelin ist jetzt leider nicht da.
({8})
- Das sei ihm gegönnt; herzlichen Glückwunsch zum
Geburtstag. - Kollege Koppelin hat gefordert, das Bundespresseamt abzuschaffen. Ich habe noch nie gehört,
dass in einer Regierung, in der die FDP mitregiert hat,
das Amt des stellvertretenden Regierungssprechers abgeschafft werden sollte oder dass in einer Landesregierung die Pressestelle abgeschafft wird.
({9})
Eines möchte ich ganz besonders hervorheben: Wir
geben mehr aus, als wir einnehmen. Das liegt daran, dass
wir in der Vergangenheit riesige Staatsschulden angehäuft haben.
({10})
Wenn nicht 43 Milliarden Euro an Zinsen den Haushalt
belasten würden, hätten wir einen Primärüberschuss von
18 Milliarden Euro, mit dem wir Politik machen könnten.
({11})
Weil das so ist, müssen wir uns anstrengen, endlich
einmal offenzulegen, wie es zu der Kreditaufnahme gekommen ist. Zu der Kreditaufnahme konnte es nur kommen, weil wir in Wahrheit ganz viele konsumtive Ausgaben mit Krediten finanziert haben. Das hat uns das
System erlaubt.
({12})
Deswegen müssen wir in der Föderalismuskommission
dafür sorgen, dass dieser Mechanismus verschwindet.
({13})
Dafür müssen wir entsprechende Instrumente schaffen.
Denn Politiker sind auch nur Menschen. Menschen sind
aber schwach und werden immer wieder versuchen, auf
den bequemsten Weg auszuweichen.
({14})
Deswegen brauchen wir ein entsprechendes Instrument.
Ich will Ihnen einmal schildern, wie es zu der Kreditaufnahme kommen konnte: Seit 1969 dürfen wir Investitionen mit Krediten finanzieren. Wir kaufen zum Beispiel seit 1972 Autos auf Kredit. Was heißt das aber?
Wenn wir ein Auto kaufen, ändert sich die Vermögenslage überhaupt nicht. Es entstehen nur ein paar mehr
Schulden, und es kommt ein Vermögensgegenstand
hinzu. Wenn das Auto aber gebraucht wird, tritt ein
Wertverlust ein, den wir im Staatshaushalt überhaupt
nicht erfassen. Dennoch findet konsumtives Ausgabeverhalten mit Krediten statt. Das ist genau der Mechanismus, den wir abschaffen müssen. Wir zahlen heute noch
für die Dienstwagen von 1972 Zinsen, obwohl man nicht
einmal mehr den Staub und die Asche dieser verrosteten
Wagen sieht.
({15})
Das muss sich ändern. Dafür müssen wir den Mut
aufbringen. Wir brauchen ein anderes Denken und andere Rechnungsstrukturen. Manche mögen vielleicht sagen, das sei nur Doping oder Technik. Aber es ist nicht
nur Haushaltstechnik, sondern es bestimmt das Denken
der Politik, der Ministerien und der Administration, wie
man mit diesen Dingen umzugehen hat. Genau deshalb
müssen wir unseren Blick auf diese neuen Instrumente
richten. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir das
ändern müssen, um uns selbst ein Handlungskorsett anzulegen.
({16})
Ich spüre noch nicht im ganzen Haus die Bereitschaft,
sich offen auf diese Dinge einzulassen. Viele wollen
keine großen Veränderungen, sondern lieber kleine
Schritte. Man mag auch mit drei kleinen Schritten zum
Ziel kommen; doch das kostet möglicherweise unnötig
viel Geld. Wenn man erkannt hat, dass man etwas verändern muss, dann muss man diese Veränderung vornehmen und darf nicht zögerlich sein.
Ich will zu zwei Fragen, die in der Diskussion eine
Rolle gespielt haben, etwas sagen. Da ist die Frage: Wollen wir Hartz IV erhöhen? Ich lasse diese Frage einmal
offen. Aber in diesem Zusammenhang wird immer gesagt, wir müssten kontrollieren, dass das Geld auch bei
den Kindern ankommt. Meine Damen und Herren, ich
bin für den mündigen Bürger.
({17})
Wir können doch nicht pauschal jedem Bürger gegenüber misstrauisch sein. Wenn Sie das einmal zu Ende
denken, dann bedeutet das, dass man, wenn man die Vermutung hat, das Geld kommt dort nicht an, dazu übergehen müsste, bei allen Haushaltsposten zu kontrollieren,
ob das Geld richtig eingesetzt wird. Diesen Schnüffelstaat will ich nicht.
({18})
Jemand hat einmal gesagt, er will die Lufthoheit über
die Kinderbetten. Ich kann nur sagen: Die Lufthoheit
über die Kinderbetten gehört nicht der Politik - weder
der SPD noch der CDU/CSU noch sonst wem -, sie gehört den Teddybären und den Mobiles.
({19})
Ich stelle mir vor, einige Politiker hätten nachts die Lufthoheit über die Betten meiner Kinder gehabt - meine
Kinder hätten Albträume bekommen müssen!
({20})
Deswegen sollten wir auf den mündigen Bürger vertrauen. Natürlich müssen wir uns um die kümmern, bei
denen etwas auszusetzen ist. Aber wir dürfen nicht pauschal allen das Misstrauen aussprechen. Wenn wir mit
diesem Gedanken an die Haushaltsdebatte herangehen,
haben wir eine gute Grundlage. Alle sind eingeladen,
Vorschläge zu machen - was gut ist, kann noch besser
werden -, aber bitte Vorschläge, die umsetzbar sind,
nicht Vorschläge, die man, wie man genau weiß, nicht
umsetzen muss, weil man nicht die Mehrheit hat und
deshalb meint, Fantasieforderungen erheben zu können.
Das geht nicht.
Sie sind herzlich eingeladen, mitzuberaten. Ich freue
mich auf eine konstruktive Beratung.
({21})
Jetzt spricht für die Fraktion Die Linke die Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Sehr geehrte Gäste! Wenn Sie sich das Medienecho dieser Haushaltswoche im Bundestag anschauen,
dann müssen Sie den Eindruck bekommen, dass es nur
noch eine Oppositionspartei gibt: die Linke. Das ist zwar
bedauerlich; aber wir stehen das durch.
({0})
Ich weiß jetzt, dass Herr Niebel mit Herrn Pofalla
Hirsch aß und dass die FDP jederzeit bereit ist - eigentlich schon seit 40 Jahren -, mit der CDU/CSU eine Koalition einzugehen.
({1})
Auch Herr Kuhn von den Grünen lobte die Kanzlerin so
sehr, dass ich noch einmal nachgeschaut habe, wann die
Bundestagwahl eigentlich stattfindet. Sie ist erst im
Jahre 2009; aber FDP und Grünen sind die Oppositionsbänke offensichtlich schon jetzt zu hart.
({2})
Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf eine
klare und kritische Opposition, und die bekommen sie
von uns.
({3})
Der Hauptvorwurf des Finanzministers gegen die
Linke lautet, dass wir allen alles versprechen. Das, verehrter Kollege Steinbrück, ist natürlich grober Unfug,
um einmal bei Ihrer Wortwahl zu bleiben. Wir versprechen der Allianz Versicherung gar nichts.
({4})
Im Gegenteil: Wir fordern, dass die Unternehmensteuerreform, mit der Sie den Konzernen Milliarden Euros
an Steuern erlassen wollen, gestoppt wird. Wir wollen,
dass die riesigen Gewinne, die die Versicherungen mit
der Riester-Rente gemacht haben, besteuert werden.
({5})
Wir versprechen auch Herrn Ackermann, dem Chef
der Deutschen Bank, nichts. Im Gegenteil, wir als Linke
wollen, dass er und die anderen Besserverdienenden in
Zukunft einen Spitzensteuersatz von 50 Prozent zahlen.
({6})
Wir versprechen auch Enron und Vattenfall nichts. Im
Gegenteil, wir wollen eine Sondersteuer zur Abschöpfung der leistungslos erzielten Gewinne aus dem Emissionshandel.
({7})
Herr Steinbrück, den Teil der Gesellschaft, der von
Ihnen nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wird, den
wollen wir wirklich fordern und fördern. Für diese Bundesregierung gilt die Formel „Fordern und Fördern“ dagegen nur im Hinblick auf die Arbeitslosen, nicht im
Hinblick auf die Unternehmen. Das ist eine Schieflage.
({8})
Ich fand den Einwurf von Bundespräsident Köhler
richtig, der von den Unternehmen gefordert hat, sie sollten doch einmal selber Vorschläge machen, wie die Subventionen, die sie erhielten, gesenkt werden könnten. Ich
nahm das zum Anlass, im Wirtschaftsministerium, bei
Herrn Glos, eine Anfrage zu stellen.
({9})
- Mein Lieblingsminister, ja. ({10})
Ich habe ihn gefragt, ob ihm denn Vorschläge der Wirtschaft zum Subventionsabbau vorliegen. Sie erinnern
sich sicherlich an Ihre Antwort, Herr Glos. Die Wirtschaft hat keine Vorschläge zum Abbau der Subventionen vorgelegt. Sie macht immer nur Vorschläge zulasten
der sozial Schwachen. Das ist nicht in Ordnung.
({11})
Die Regierung vermittelt immer den Eindruck, dass
nur wir als Linke Steuergelder umverteilen wollen. Das
ist aber nicht richtig. Die rot-grüne und auch die
schwarz-rote Regierung haben ein gigantisches Umverteilungskarussell angeschoben. Herr Eichel, der Vorgänger von Herrn Steinbrück, nannte die Zahl von
60 Milliarden Euro Steuerausfall durch Umverteilung.
Wir wollen dieses Karussell erst einmal anhalten und die
wieder aufnehmen, die aus der Bahn geworfen wurden.
Das bedeutet zum Beispiel die Verlängerung des
Arbeitslosengeldes I, die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro und ein gerechtes Elterngeld auch
für Menschen mit geringem Einkommen.
({12})
Doch es geht nicht nur um Umverteilung - wie immer
behauptet wird -, sondern wir fordern auch mehr Geld
für öffentliche Investitionen. Ich wiederhole: Es ist ein
Skandal, dass der Verteidigungshaushalt wesentlich größer ist als der Umfang der Mittel für die öffentlichen Investitionen. Auch diese Schieflage wollen wir beseitigen.
({13})
Es geht aber nicht nur darum, Investitionen zu tätigen,
sondern auch darum, sie zu schützen. Es geht nicht an,
dass die Deutsche Bahn, die die Menschen jahrzehntelang mit ihren Steuern subventioniert haben, jetzt zu einem Bruchteil ihres Wertes verscherbelt werden soll.
Das ist Betrug an den Menschen. Dem stellen wir uns
entgegen.
({14})
Wir wollen Schluss machen mit der Umverteilung
von unten nach oben, der Finanzierung von Kriegen und
der Zerstörung der Umwelt. Es ist Zeit für eine haushaltspolitische Wende.
Vielen Dank.
({15})
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege
Otto Bernhardt.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Große Koalition hat sich in ihrer Finanzpolitik von Anfang an zwei Ziele gesetzt, die sie gleichzeitig erreichen wollte: erstens die nachhaltige Sanierung der öffentlichen Finanzen und zweitens die
Stärkung der Wachstumskräfte der Wirtschaft. Bei beiden Aufgaben haben wir in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode Enormes geleistet. Ich glaube, dass sich
die Leistungen in beiden Bereichen sehen lassen können.
Es ist unser Ziel, in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode weiter erfolgreich an beiden Aufgaben zu arbeiten.
({0})
Auch wenn es unpopulär ist, sage ich sehr deutlich:
Ohne die Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre dies nicht
möglich gewesen. Das gilt insbesondere für die Sanierung der öffentlichen Finanzen. Es ist zwar richtig, dass
im ersten Halbjahr die Sozialversicherungen wie auch
die Haushalte der Kommunen und Länder im Durchschnitt einen leichten Überschuss aufweisen. Ohne die
Mehrwertsteuererhöhung wäre dies aber nicht möglich
gewesen. Deshalb entgegne ich allen - vor allem aufseiten der FDP -, die das Thema auch in dieser Debatte
wieder erwähnt haben: Entweder können Sie nicht rechnen, oder Sie sind in dieser Frage bösartig.
({1})
Die Union hat sich vor Jahren unter dem Motto „Drei
mal 40 Prozent“ drei sehr ehrgeizige Ziele im Bereich
der Finanzpolitik gesetzt. Unser erstes Ziel war und ist,
die Sozialabgaben auf 40 Prozent zu beschränken. Auch
diesem Ziel sind wir ein ganzes Stück näher gekommen.
Die Sozialabgaben liegen derzeit bei knapp über
40 Prozent.
({2})
Wir sehen noch Reserven bei der Arbeitslosenversicherung und hoffen, noch im Laufe dieser Legislaturperiode
das Ziel von 40 Prozent zu erreichen.
({3})
Das zweite Ziel war, die Staatsquote auf 40 Prozent
zu senken.
({4})
Wir haben immer gesagt, dass die Erreichung dieses Zieles viele Jahre dauern wird. Im Zusammenhang mit der
Staatsquote ist auch in dieser Debatte wiederholt mein
Vorgänger im Wahlkreis, Gerhard Stoltenberg, erwähnt
worden. Ihm ist es seinerzeit als Finanzminister gelungen, innerhalb von sechs Jahren die Staatsquote von
47,5 Prozent auf 43 Prozent zu senken. Das war der
niedrigste Wert über Jahrzehnte. Im Rahmen der Wiedervereinigung hat sich die Staatsquote dann der 49-Prozent-Marke genähert; das war klar. Aber wir sind auch
hier auf dem richtigen Weg. Die Staatsquote liegt nun
bei 45 Prozent, Tendenz sinkend. Der Minister hat recht,
wenn er sagt: All das Gerede, der Staat werde immer fetter, ist nicht richtig. Der Maßstab ist die Staatsquote.
Hier befinden wir uns auf dem richtigen Weg.
45 Prozent sind ein gutes Zwischenergebnis. Unser Ziel
sind aber 40 Prozent.
Beim dritten Ziel sind wir in der ersten Hälfte dieser
Legislaturperiode nicht weitergekommen. Mit der dritten
40 haben wir gemeint, dass der Spitzensteuersatz bei
40 Prozent liegen soll. Die 50 Prozent, die Sie, Frau Kollegin Lötzsch, eben nannten, haben wir heute praktisch.
Wenn man zu den 42 Prozent Spitzensteuersatz den Solidaritätszuschlag, die Kirchensteuer und die besonderen
Abgaben für hohe Einkommen hinzurechnet, dann stellt
man fest, dass wir uns hier der 50-Prozent-Marke nähern. Ich sage daher sehr deutlich: Eine zentrale Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode ist für uns eine
Reform der Lohn- und Einkommensteuer mit dem Ziel,
eine deutliche Senkung herbeizuführen.
({5})
Ich weiß, dass es hier im Hause eine Reihe von Kollegen gibt - bei der FDP, aber vereinzelt auch bei uns -,
die die Einkommensteuer gerne noch in dieser Legislaturperiode senken würden. Ich sage es sehr deutlich: Das
geht nicht. Der Kollege Fromme hat eben darauf hingewiesen: Wir haben noch ein strukturelles Defizit in Höhe
von 23 Milliarden Euro. Wir haben eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 13 Milliarden Euro geplant. Ich
glaube, in dieser Situation wäre es unverantwortlich, nun
durch weitere Steuersenkungen das Erreichen des Ziels,
das wir schon vor Augen haben, nämlich endlich wieder
einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, zu gefährden.
({6})
Deshalb sollte man zurzeit keine Aussagen in diese
Richtung machen.
Aus meiner Sicht hat die Haushaltsdebatte deutlich
gemacht, dass die Große Koalition mit ihrer Finanzpolitik auf dem richtigen Weg ist. Ich habe von den drei Oppositionsfraktionen keine nachvollziehbaren Alternativen gehört.
({7})
Das ist wahrscheinlich eines der entscheidenden Ergebnisse dieser Haushaltsberatungen. Deshalb sage ich sehr
deutlich für die Union - ich denke, ich spreche hier für
die Große Koalition insgesamt -: Wir werden die bisher
betriebene Finanzpolitik - nachhaltige Sanierung der
Haushalte und Stärkung der Wachstumskräfte der Wirtschaft - auch in der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode fortsetzen, um dann mit hervorragenden Ergebnissen
vor die Wähler zu treten.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Entwurfs des
Haushaltsgesetzes 2008 und des Finanzplans des Bundes
2007 bis 2011 auf den Drucksachen 16/6000 und 16/6001
an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 19. September 2007, 13 Uhr,
ein.
Nehmen Sie die gewonnenen Einsichten und genießen Sie das Wochenende!
Die Sitzung ist geschlossen.