Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 7/4/2007

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Interfraktionell ist vereinbart worden, in der laufenden Sitzungswoche keine Befragung der Bundesregierung durchzuführen. Stattdessen soll als erster Punkt der heutigen Tagesordnung eine vereinbarte Debatte zur vorgesehenen Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU durchgeführt werden. Für die Beratung ist eine Stunde vorgesehen. Dazu liegen Anträge der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/5882 und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5888 vor, die an die Ausschüsse überwiesen werden sollen. Anschließend folgen die Fragestunde und eine Aktuelle Stunde. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten können, müssen wir zwei Wahlen zu Gremien durchführen. Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass die Kollegen Dr. Reinhard Göhner und Thomas Kossendey als ordentliche Mitglieder aus dem Gemeinsamen Ausschuss nach Art. 53 a des Grundgesetzes ausscheiden. Als Nachfolger werden der Kollege Ruprecht Polenz, der bisher stellvertretendes Mitglied war, und der Kollege Enak Ferlemann vorgeschlagen. Neues stellvertretendes Mitglied soll der Kollege Steffen Kampeter werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind die Kollegen Ruprecht Polenz und Enak Ferlemann zu ordentlichen Mitgliedern und der Kollege Steffen Kampeter zum stellvertretenden Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes gewählt. Die Fraktion der SPD hat vorgeschlagen, den Vizepräsidenten Dr. h. c. Wolfgang Thierse als Nachfolger des Kollegen Eike Hovermann zum neuen stellvertretenden Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ zu wählen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre auch dazu keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Dr. h. c. Wolfgang Thierse zum stellvertretenden Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ gewählt. Ich rufe die Zusatzpunkte 1 bis 3 auf: ZP 1 Vereinbarte Debatte zur vorgesehenen Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Löning, Dr. Werner Hoyer, Michael Link ({0}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP EU-Regierungskonferenz schnell zum Erfolg führen - Drucksache 16/5882 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({1}) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN EU-Regierungskonferenz - Für eine handlungsfähige und demokratische EU - Drucksache 16/5888 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dr. Angelica Schwall-Düren für die SPD-Fraktion. ({2})

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das ist eine ungewöhnliche Zeit für eine Debatte über ein so wichtiges Thema wie das Ergebnis des EUGipfels zur Vertragsänderung. Ich freue mich deswegen umso mehr, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, Herr Redetext Vizekanzler und Herr Außenminister, an dieser Debatte teilnehmen. ({0}) Das unterstreicht die Wichtigkeit des Themas, über das wir heute noch einmal sprechen wollen, obwohl die Ergebnisse des Gipfels in der Öffentlichkeit offensichtlich schon wieder etwas in den Hintergrund getreten sind. Wir erinnern uns, dass die Aussprache zur Regierungserklärung vor dem Regierungsgipfel von Zweifel und Bangen geprägt war. Wir haben uns gefragt, ob dieser Gipfel wirklich zum Erfolg führen kann. Natürlich hatten wir Hoffnung, aber die Gipfeldramatik hat uns zwischendurch erneut zittern lassen. Eines müssen wir festhalten: In einer Hinsicht ist der Gipfel gescheitert. Es gibt keine europäische Verfassung. Dies wussten wir allerdings schon vor dem Gipfel. Das, was wir mit einer Verfassung verbunden hätten, nämlich den Enthusiasmus für die Europäische Union zu steigern, den Zusammenhalt zu stärken und die politische Vertiefung in einer größeren EU zustande zu bringen, können wir jetzt nicht auf diesem Wege, also nicht mithilfe einer Verfassung, voranbringen. Dennoch dürfen wir sagen, dass dieser Gipfel ein großer Erfolg gewesen ist. Denn er bedeutet Aufbruch. Die Blockade ist durch das Mandat für die Regierungskonferenz zur Vertragsänderung aufgelöst. Übrigens möchte ich daran erinnern, dass die gesamte deutsche EU-Ratspräsidentschaft aus unserer Sicht ein großer Erfolg gewesen ist. ({1}) Dafür möchten wir Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, danken, aber auch allen Ministern und Ministerinnen des Kabinetts; ich kann sie nicht alle aufzählen. ({2}) Sie werden verstehen, dass ich nur ein paar Einzelne nenne. ({3}) - Ich meinte, ich kann nicht alle Minister und deren Erfolge, die sie im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft erreicht haben, aufzählen. Mir ist es wichtig, an ein paar wenige Punkte zu erinnern, zum Beispiel daran, dass die Justizministerin Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher erreicht hat, beispielsweise in Fragen des grenzüberschreitenden Schadensersatzes. Es war wichtig, dass der Wirtschaftsminister die Senkung der Handygebühren erreicht hat. ({4}) Der Klimaschutz hat einen ganz entscheidenden Schub bekommen durch die Vereinbarungen, die in Zusammenarbeit zwischen Umwelt-, Wirtschaftsminister und Bundeskanzlerin erreicht worden sind. Mir ist auch sehr wichtig, dass auf der europäischen Ebene die Debatten über die soziale Dimension durch die Aktivitäten unseres Arbeits- und Sozialministers Franz Müntefering verstärkt worden sind. ({5}) Die Thematisierung des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells, der guten Arbeit, der Teilhabe der Menschen, vor allen Dingen auch der benachteiligten, ist hier ganz besonders zu erwähnen. Nicht zuletzt möchte ich unseren Außenminister nennen, der unter anderem erreicht hat, dass das Nahostquartett reaktiviert worden ist ({6}) und dass die Zentralasienstrategie auf die Agenda gesetzt wurde. Ich möchte hier jetzt nicht alles im Einzelnen schildern. Er hat auch sehr viel Arbeit im Hintergrund dafür geleistet, dass dieser Gipfel letztendlich zum Erfolg geführt hat. Damit will ich zur Vertragsreform zurückkommen. Ganz entscheidend ist - ich meine, wir müssen das noch einmal unterstreichen - die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union durch einen Ratspräsidenten, der über zweieinhalb Jahre die Leitung der Europäischen Union übernimmt. Es gibt eine weitere Stärkung durch den EU-Außenminister; ich nenne ihn so, auch wenn er diesen Namen nicht bekommt. Durch seinen Doppelhut stellt er eine enge Verbindung zwischen Rat und Kommission her und ist eine Voraussetzung - keine Garantie, aber eine Voraussetzung - dafür, dass wir mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorankommen. Selbstverständlich ist uns das Mehr an Demokratie, das wir durch diese Vertragsreform erreichen können, ganz besonders wichtig. Das Europäische Parlament wird gestärkt, wir bekommen ein europäisches Bürgerbegehren, und auch die nationalen Parlamente werden gestärkt. Das ist deshalb wichtig, weil durch die Vertragsreform die Transparenz eher gemindert worden ist; die Komplexität des Textes schafft wenig Durchschaubarkeit. Deswegen brauchen wir die nationalen Parlamente. Sie sind nicht nur als Frühwarnsysteme und zur Subsidiaritätskontrolle wichtig, sondern sie können auch dazu beitragen, dass die europäische Politik von der nationalen Ebene aus mitgestaltet wird. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns in der SPDBundestagsfraktion war besonders wichtig, auch formell das Einvernehmen mit der Regierung hinsichtlich der Einberufung einer Regierungskonferenz festzustellen. ({8}) Nun müssen wir das auf eine Sitzung im Herbst verschieben. Aber wir wollen schon heute anmelden: Es ist uns sehr wichtig, dass der Bundestag eingebunden wird und dass wir unsere Rechte in Anspruch nehmen können. ({9}) Aufgabe des Bundestages und der nationalen Parlamente insgesamt ist es, über jeden einzelnen Rechtsetzungsakt und seine Auswirkungen einen Dialog bzw. eine Auseinandersetzung zu führen. Das bringt Europa den Bürgern näher und macht Europa greifbarer. Aber ich glaube, dass wir auch in unseren eigenen Reihen und mit unseren Kollegen aus den anderen Parlamenten über die Gesamtrichtung der Europäischen Union diskutieren müssen. Wir brauchen eine größere Bereitschaft, Europa zu gestalten. Erneute Versuche, unsere Gemeinsamkeit zu verhindern, brauchen wir nicht. Der Erfolg ist noch nicht gesichert. Aber ich denke, dass das enge Mandat für die portugiesische Ratspräsidentschaft eine gute Voraussetzung ist, um dafür zu sorgen, dass der Text letztendlich beschlossen werden kann. Allerdings steht noch viel Detailarbeit an. Wir können uns nicht sicher sein, dass einzelne Mitgliedstaaten - ob Großbritannien oder Polen - nicht erneut den Versuch unternehmen werden, Veränderungen des Textes herbeizuführen. Ich möchte insbesondere in Richtung unseres großen polnischen Nachbarn sagen: Wir brauchen ein selbstbewusstes Polen, das zu konstruktiver Mitarbeit bereit und nicht von fortlaufendem Misstrauen gegenüber der Europäischen Union geprägt ist. Dieses Misstrauen steht übrigens nicht im Einklang mit der Auffassung der polnischen Bevölkerung, die heute in einem Ausmaß wie nie zuvor, nämlich zu fast 90 Prozent, hinter der Europäischen Union und ihrer vertraglichen Weiterentwicklung steht. ({10}) Ich bin froh, dass viele dabei geholfen haben, dieses Mandat über diese Hürde zu heben. An dieser Stelle möchte ich Italien, vor allen Dingen aber Frankreich erwähnen, das auf der europäischen Bühne zurück ist. Ich hoffe, dass das Weimarer Dreieck auch in Zukunft ein Format sein wird, mit dem wir die EU in einem positiven Sinne weiterentwickeln. Die Ratifizierung muss gelingen. Die kommenden Monate werden darüber entscheiden, welchen Weg die EU gehen wird: ob es ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder ob es ein gemeinsames und starkes Europa geben wird, das einen positiven Beitrag dazu leisten kann, dass die Konflikte in der Welt gelöst und die großen Herausforderungen, zum Beispiel im Bereich des Klimaschutzes, wirklich angegangen werden. Europa kann und muss als Chance begriffen werden. In diesem Sinne wünschen wir der portugiesischen Ratspräsidentschaft von dieser Stelle aus alles Gute für das Gelingen der Regierungskonferenz und der Ratspräsidentschaft insgesamt. Herzlichen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Markus Löning für die FDP-Fraktion. ({0})

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will zu Beginn das aufnehmen, was Sie, Frau Schwall-Düren, hier zur Beteiligung des Deutschen Bundestages gesagt haben. Ich muss sagen, es ist schon beschämend für den Deutschen Bundestag, dass wir anstelle der Befragung der Bundesregierung eine vereinbarte Debatte führen müssen. Ich hätte es für eine politische Selbstverständlichkeit gehalten, dass nach Abschluss der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, nach Abschluss des Europäischen Rates die Bundeskanzlerin und der Außenminister vor dem Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung abgeben und sich der Debatte stellen. Ich verstehe das nicht. ({0}) An dieser Stelle rede ich von einer politischen Selbstverständlichkeit, noch nicht einmal von der Vereinbarung, die wir getroffen haben. ({1}) - Lieber Herr Kauder, es trifft sehr wohl auf die Vereinbarung zu. ({2}) - Ich bin in der Schlussphase an den Verhandlungen über diese Vereinbarung beteiligt gewesen. Herr Kauder, aus Ihrer Fraktion kam das dringende Anliegen, dass in jeder Frage der Vertragsänderung und in jeder Frage der europäischen Erweiterung vorher der Deutsche Bundestag befasst wird, ({3}) und er wird nicht befasst in diesem Fall. ({4}) Ich verstehe das nicht. Ich verstehe auch nicht das Parlamentsverständnis, das dahinter steht, dass der Deutsche Bundestag vorher nicht damit befasst wird. Wir haben ein Ergebnis der deutschen Ratspräsidentschaft, wir haben ein Mandat, ({5}) und wir würden diesem Mandat zustimmen; wir sind ja dafür, dass die Regierungskonferenz durchgeführt wird. Ich verstehe nicht, warum die Vereinbarung, die mit viel Mühe verhandelt worden ist und die dem Deutschen Bundestag auf europäischer Ebene mehr als Informationsrechte, nämlich echte Mitwirkungsrechte gegeben hätte, hier und heute in die Tonne getreten wird. Ich halte das für inakzeptabel. ({6}) Diese Vereinbarung war dazu gedacht, die demokratischen Rechte der Abgeordneten zu stärken, die Mitsprache des Deutschen Bundestages zu stärken; aber sie war auch dazu gedacht, dass mehr Transparenz in die europäische Debatte kommt, Herr Kauder, ({7}) dass wir hier öffentlich debattieren, was in Europa passiert, um zu verhindern, dass - wie sonst immer - in Brüssel hinter verschlossenen Türen debattiert wird und die Bürger nicht nachvollziehen können, was passiert. Wir wollen die Debatten hier im Plenum führen, vor den Augen der deutschen Öffentlichkeit. An dieser Stelle verweigert die Bundesregierung die Erfüllung der Vereinbarung. Das finde ich nicht nur schade, das ist eine Schande, das ist ein Schlag ins Gesicht des deutschen Parlamentes. ({8}) Lassen Sie mich zu den Inhalten dessen, was der Europäische Rat vereinbart hat, einiges sagen: Wir begrüßen außerordentlich, dass diese Einigung erreicht worden ist. Es ist gut, dass es dieses Mandat gibt; das steht außer Zweifel. Wir haben uns dadurch, dass wir mit unseren internen Angelegenheiten nicht zu Potte gekommen sind, zum Gespött der Bürger und auch zum Gespött unserer Partner in Übersee gemacht. Frau Kanzlerin, ich möchte wiederholen, was ich gerade im Ausschuss gesagt habe: Ich finde es sehr wichtig, dass diese Einigung gemeinsam erreicht worden ist, mit allen 27 Mitgliedern; dass niemand von Bord gegangen ist; dass niemand am Rande stehen gelassen wurde. Das ist immer der Geist gewesen, der die EU geprägt hat. Das war mit 6 oder 9 oder 12 einfach, das ist mit 27 selbstverständlich viel schwieriger. Aber wir erkennen an, dass es Ihnen und den anderen Regierungschefs gelungen ist, alle 27 an Bord zu halten. Das ist ein Wert an sich. ({9}) Ich möchte nun auf den einen oder anderen Wermutstropfen hinweisen. Der faire und unverfälschte Wettbewerb ist auf Wunsch von Herrn Sarkozy aus den Zielen der Europäischen Union gestrichen worden. Nun ist ja bekannt, dass Frankreich das sozialistischste aller sozialistischen Länder ist, egal wer da regiert. ({10}) - Ja. Aber was das Staatsverständnis angeht, ist das durchaus so, Herr Trittin; da hilft keine Wortklauberei, der Wettbewerb sei nur ein Instrument zur Sicherstellung usw. - Ich glaube, dass wir hier ein Stück vor einem Paradigmenwechsel stehen. ({11}) Das Wort „Marktwirtschaft“ tauchte schon in der Berliner Erklärung nicht auf. Doch die Marktwirtschaft ist ein Kernelement der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Union gewesen. Der Wettbewerb hat dafür gesorgt, dass immer mehr Bürger Zugang zu neuen Dienstleistungen und neuem Wohlstand erlangt haben. Es war ein konstitutives Element der europäischen Einigung, dass wir unsere Märkte geöffnet haben. Hätten wir die Kommission, die den Zielen der Union verpflichtet ist, in den letzten Jahren nicht als Hüterin der Verträge gehabt, dann würden wir hier - auch darüber müssen wir uns klar sein - immer noch mit Telefonen mit Drehscheiben telefonieren. ({12}) - Sie vielleicht nicht. Ich weiß nicht, wie Sie zu Hause telefonieren. Mir würde da einiges einfallen. Es ist aus unserer Sicht ein schwerer Fehler, dass das gestrichen worden ist. Wir wünschen uns und werden in Zukunft darauf dringen, dass die Europäische Union auch weiterhin eine marktwirtschaftliche Union ist. Gerade in der Sicherstellung des Wettbewerbs zugunsten der Verbraucher sehen wir ein wichtiges Element der sozialen Dimension der Europäischen Union. Das Europäische Parlament wird einige Rechte mehr erhalten. Wir haben heute erlebt, dass sich die nationalen Parlamente ihre Rechte werden erkämpfen müssen. Im Vergleich zum Verfassungsvertrag wird die Subsidiaritätskontrolle künftig etwas anders aussehen. Wir brauchen ein größeres Quorum. Statt wie vorgesehen sechs Wochen, haben wir jetzt zwar acht Wochen Zeit, aber wir müssen die Hälfte der Parlamente - das sind 14 - davon überzeugen, diese Einrede zu erheben. Ich weiß nicht, ob ich das als eine Stärkung der nationalen Parlamente im Bereich der Subsidiarität ansehen kann. Auf jeden Fall müssen wir Parlamentarier - das ist völlig unabhängig von diesem Reformvertrag - unsere Regierung bei dem, was sie im Ministerrat tut, deutlich strenger kontrollieren. Wir müssen der Regierung von hier aus mehr Berichte und klarere Stellungnahmen abfordern, ihr die Hände auch ein Stück weit binden und Richtungen dafür vorgeben, wie verhandelt werden soll. Das ist allerdings keine Frage des Vertrages, sondern eine Frage des Selbstbewusstseins dieses Hauses. Das Prinzip der doppelten Mehrheit wird erst 2014 eingeführt. Darüber kann man nun Tränen vergießen. Ich hätte dies gerne früher erreicht; denn damit wird endlich ein wichtiges Element in die Verträge eingeführt, das unserem Demokratieverständnis entspricht, nämlich das Verhältnis One Person, One Vote. Wir sind noch nicht ganz am Ziel, aber wir gehen zumindest in diese Richtung. Wir sagen, dass die Union nicht nur eine Union der Staaten, sondern auch der Bürger ist. Deshalb ist es selbstverständlich, dass es zumindest annäherungsweise in diese Richtung geht. Es ist schade, dass das noch nicht erreicht wurde, aber ich denke, es ist auch durchaus verständlich, dass Polen an dieser Stelle für sein eigenes Anliegen gekämpft hat. Das kann man hier mit Häme übergießen, man kann das aber auch lassen. Ich glaube, es ist wichtig zu erkennen, dass die Polen für ihr Anliegen gekämpft haben. Über die Mittel kann man streiten. Für uns Deutsche ist es wichtig, dass die Polen an Bord geblieben sind. Am Ende des Tages kommt es darauf an, dass wir unser Verhältnis zu Polen wieder auf die Reihe bekommen. Das sind unsere Nachbarn, und sie werden es auch noch sein, wenn die Kaczynskis längst nicht mehr an der Macht sind. Zum Schluss noch eine Bemerkung: Der Zeitplan ist sehr ambitioniert, es ist aber unerlässlich, dass er eingehalten wird. Wir brauchen 2009, wenn das Europäische Parlament gewählt wird, eine neue Grundlage. Der nächste Kommissionspräsident soll vom Europäischen Parlament gewählt werden. Das wäre ein sichtbares Zeichen nach außen, dass es gelungen ist, Europa zu reformieren. Vielen Dank. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Gunther Krichbaum das Wort. ({0})

Gunther Krichbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003573, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, dass ich hier zunächst einmal das aufgreife, was Herr Kollege Löning eingangs gesagt hat. Herr Kollege Löning, lassen Sie die Kirche doch einmal hübsch im Dorf. Wir wurden seitens der Bundesregierung beispielsweise dadurch unterrichtet, dass Herr Außenminister Steinmeier kürzlich - unmittelbar vor der Ratssitzung - bei uns im Ausschuss war. Unmittelbar danach wurden wir ebenfalls von Herrn Außenminister Steinmeier durch einen Brief an Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Lammert informiert. Sie haben vorhin erwähnt, was Sie im Ausschuss gesagt haben. Sie hätten aber ruhig hinzufügen können, dass auch unsere Bundeskanzlerin an der Ausschusssitzung teilgenommen und auf alle Fragen Rede und Antwort gestanden hat. ({0}) Insofern sind wir alle zuversichtlich, dass diese vertrauensvolle Arbeit fortgesetzt werden kann. Alle gegenteiligen Vermutungen sind, glaube ich, völlig fehl am Platz. Ich denke, dass gerade die jetzige Bundesregierung unter Beweis gestellt hat, wie eng das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament sein kann. Ich hätte mir gewünscht, dass das auch in den vergangenen Jahren der Fall gewesen wäre. ({1}) Mit der heutigen Debatte zu den vorgesehenen Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU wird zunächst die Frage nach den Chancen, Ausblicken und Perspektiven Europas insgesamt aufgeworfen. Verkürzt ließe sich feststellen, dass wir immer die Perspektiven haben, die wir uns selber geben und dass sich diese Perspektiven aus Visionen entwickeln. Eine dieser Visionen war unzweifelhaft die einer europäischen Verfassung. Nach Monaten zäher Verhandlungen im Konvent wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, den im Übrigen damals alle Staats- und Regierungschefs unterzeichnet und mitgetragen haben, der aber in der Folgezeit mehr und mehr infrage gestellt wurde. Er wurde so sehr infrage gestellt, dass wir letzten Endes erhebliche Schwierigkeiten hatten. An dieser Stelle müssen wir uns in Erinnerung rufen, wo wir noch vor einem halben Jahr standen. Alle Positionen gingen auseinander. Auf die deutsche Ratspräsidentschaft kam eine Herkulesaufgabe zu. Ich denke, dass seitdem unglaublich viel gelungen ist, und zwar deshalb, weil die Bundesregierung - auch im Umgang mit kleineren Mitgliedstaaten - konsequent, besonnen und mit Bedacht gehandelt hat. An dieser Stelle sei vor allem den zahlreichen Mitarbeitern im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt gedankt, die daran Anteil hatten. Die Bundesregierung hatte die Aufgabe - auch das darf man in Erinnerung rufen -, einen Fahrplan vorzulegen. Sie hatte dabei den Ehrgeiz, sich sozusagen nicht alleine mit den Abfahrtszeiten der Züge zufriedenzugeben; sie wollte vielmehr klären, wohin die Reise tatsächlich geht. So konnte am Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein Konzept vorgelegt werden, das die Hindernisse aus dem Weg geräumt hat. Ich würde sagen, 80 Prozent der Aufgaben sind gelöst. Aber wir sind sicherlich alle zuversichtlich, dass die portugiesische Ratspräsidentschaft mit Engagement auch die letzten 20 Prozent - dabei wird der Teufel im Detail liegen - lösen wird. Erlauben Sie mir, als Parlamentarier den Blick zurückschweifen zu lassen. Ja, wir wollten eine Verfassung. Wir haben zwar letztlich keine Verfassung bekommen; es ist aber doch deutlich mehr als eine Gebrauchsanweisung für Europa. Denn ohne das Ergebnis, das wir letzten Endes erzielt haben, wäre Europa handlungsunfähig gewesen. Es ist das Verdienst dieser Bundesregierung, dass wir die Europäische Union, die in diesem Punkt auf der Stelle trat, aus dieser Lähmung befreien konnten und wieder eine Perspektive haben, wie es weitergehen soll. ({2}) Zu einer Verfassung hätte auch eine Präambel gehört, in der ein Wertekanon für die Europäische Union zusammengefasst ist. Symbole wie eine Flagge und eine Hymne hätte ich persönlich ebenfalls sehr begrüßt, aber dies scheiterte am Widerstand anderer, die die Entstehung eines europäischen Superstaats befürchteten. Letztlich ist es aber gelungen, einen wesentlichen Teil zu integrieren, der zunächst auf der Kippe gestanden hatte. Wir konnten nämlich das Element der Grundrechtecharta und damit die Substanz dessen, was wir für unabdingbar halten, retten. Frau Bundeskanzlerin, ich denke, vieles ist Ihrem persönlichen Einsatz zu verdanken, ohne den wir es mit Sicherheit nicht geschafft hätten. ({3}) An die Konsequenzen, die sich aus einem Scheitern ergeben hätten, wollen wir besser nicht denken. Lassen Sie mich auf einige Neuerungen eingehen, die der Kompromiss, der Grundlagenvertrag, wie er wahrscheinlich heißen wird, bringen wird. Wir bekommen die doppelte Mehrheit. Es ist ein kluger Kompromiss, dass in Zukunft 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren müssen, ausreichen, um eine Entscheidung zu treffen. Damit ist Europa handlungsfähiger geworden. Die Bürger wollen nicht, dass Blockaden aufgebaut werden, sondern dass wir in der Behandlung ihrer Probleme weiterkommen. Wir haben Erfolge in den zentralen Bereichen Justiz und Inneres erzielen können, eine Domäne nationaler Souveränität. Auch hier ist es gelungen, die übrigen Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass dann, wenn die Probleme internationaler werden, auch die Lösungsansätze internationaler werden müssen, dass das Zeitalter der Globalisierung, in dem wir leben, globalisierte Bedrohungslagen zur Folge hat und dass wir auf Fragen betreffend den internationalen Terrorismus nicht mehr national reagieren können. Das wird in Zukunft der Leitfaden in Europa sein: Europa wird sich mehr denn je um die Dinge kümmern, die über die Kraft der einzelnen Nationalstaaten hinausgehen - hier ist Europa mehr denn je gefordert. Aber getreu dem Subsidiaritätsprinzip müssen wir das, was die Mitgliedstaaten und die Regionen selbst lösen können, in deren Hand belassen. Das schafft Vertrauen bei den Bürgern, aber auch die notwendige Handlungsfähigkeit bei unseren Institutionen. Auch die nationalen Parlamente wurden aufgewertet. Schließlich ist es in Zukunft möglich, dass dann, wenn 50 Prozent der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten Kommissionsvorschläge, mit denen sie nicht einverstanden sind, infrage stellen, die Kommission ihren eigenen Vorschlag überprüfen, notfalls begründen oder sogar zurückziehen muss, wenn das Europäische Parlament einen entsprechenden Beschluss fasst. Das zeigt: Die Rechte der Parlamentarier insgesamt werden durch den neuen Grundlagenvertrag deutlich gestärkt; das ist das Erfreuliche. Das sollten wir nicht kleinreden; denn bei alledem, was nicht berücksichtigt werden konnte, dürfen wir nicht in einen Minimalismus verfallen. Es ist viel gelungen, mehr, als wir zu träumen gewagt haben. ({4}) Es liegt in der Tat nun an uns, das mit Leben zu füllen; denn wenn die nationalen Parlamente mehr Einfluss bekommen, dann müssen sie sich auch dieser Herausforderung stellen. Das heißt, nicht nur das Frühwarnsystem kommt auf uns zu. Vielmehr haben wir es in Zukunft in der Hand, zu vielen Angelegenheiten nicht nur Stellung zu nehmen. Wir müssen in Zukunft unsere Aufgaben deutlich früher wahrnehmen. Deswegen ist es wichtig, dass sich die europäischen Institutionen, der Bundestag und das Europäische Parlament deutlich stärker miteinander verzahnen. Europa wäre aber nicht komplett, wenn wir uns nur mit den Fragen hinsichtlich der Institutionen aufhielten. Deswegen bin ich persönlich sehr froh, dass wir am Ende den Grundlagenvertrag haben werden und wir uns wieder den Problemen, die die Bürger bewegen, zuwenden können. Die Globalisierung wirft viele Fragen auf, gerade im Hinblick auf unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Herr Müntefering. Wir müssen aber an dieser Stelle deutlich machen, dass wir als exportorientierte Nation überproportional profitieren, wenn neue Märkte entstehen, namentlich in Osteuropa. Auch hier warten gewaltige Herausforderungen auf uns. Zu diesem Schluss komme ich, wenn ich beispielsweise an die Konfliktherde denke, die Sie, Herr Außenminister Steinmeier, jüngst im Europaausschuss thematisierten. Ich denke speziell an die Kosovoproblematik. Wir haben ein großes Interesse daran, dass hier stabile Strukturen geschaffen werden, die über den Tag hinaus halten; denn alles andere - es ist schon genügend Fragilität vorhanden wird uns eines Tages in Deutschland einholen. Wir müssen uns genau deswegen als Europäer in diesen Fragestellungen engagieren und dürfen es nicht alleine unseren amerikanischen Freunden und Partnern überlassen, genauso wenig wie unseren russischen Partnern; denn wir werden von diesen Dingen ganz anders betroffen sein. Wir stehen vor Herausforderungen im Bereich der Energiekooperation. Auch das bewegt die Menschen, und auch an der Stelle können wir sehen, dass in Europa tatsächlich Solidarität gefordert ist. Diese Solidarität darf unser Nachbarland Polen gegenwärtig spüren. Wir wissen um die Werte der Europäischen Union und werben dafür, weil Solidarität natürlich auch keine Einbahnstraße ist. Wenn das politische Europa an dieser Stelle zusammenbleibt, dann werden wir eine der Sternstunden Europas erleben, weil wir immer dann erfolgreich sind und sein werden, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Das zeigte sich zuletzt, Frau Bundeskanzlerin, beim G-8-Treffen in Heiligendamm. Es wäre nicht gelungen, die Klimaschutzziele gegenüber den USA durchzusetzen - auch hier darf man sich daran erinnern, wo wir vor Heiligendamm standen -, wenn wir nicht mit einer Stimme gesprochen hätten. Wenn Europa mit einer Stimme spricht, wird es nicht nur glaubwürdig, sondern es wird gestärkt im Wettbewerb mit den USA und unseren südostasiatischen Wirtschaftspartnern. Und last, not least, weil ich gerade von der Wirtschaft gesprochen habe: In der Wirtschaftspolitik wird es wichtiger denn je sein, dass wir uns richtig positionieren - ganz nebenbei: auch im Ausschuss für die AngelegenGunther Krichbaum heiten der Europäischen Union -, weil hier noch große Chancen auf uns warten, Stichwort: transatlantische Wirtschaftspartnerschaft. Wenn wir es schaffen, hier zu einheitlichen Standards zu gelangen, dann werden gerade wir in Deutschland davon wiederum überproportional profitieren. Es gibt noch eine Menge zu tun. Wir wünschen Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und der ganzen Bundesregierung alles Gute bei den weiteren Verhandlungen, die Sie sicherlich auch in der vertrauten Partnerschaft mit dem Deutschen Bundestag führen werden. Wir alle sind weiterhin davon überzeugt, dass unsere Zukunft in Europa liegt. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke. ({0})

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Ratspräsidentschaft stand unter dem Motto „Europa gelingt gemeinsam“. Zum Ende der Ratspräsidentschaft müssen wir nun leider feststellen, dass „gemeinsam“ nicht bedeutet, dass man auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Noch viel schlimmer für Deutschland ist aber, dass man noch nicht einmal das Parlament beteiligen will. Ich möchte auf die Vereinbarung aufmerksam machen, die Herr Löning von der FDP vollkommen zu Recht schon erwähnt hat und die in einer Zeit verabredet wurde, als Sie, Frau Bundeskanzlerin, noch Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU waren, also zu Ihren Oppositionszeiten. Herr Kauder kennt diese Vereinbarung auch. Jeder hier im Hause kennt den Geist der Vereinbarung und weiß, dass im Vorfeld von solch wichtigen Entscheidungen der Bundestag natürlich beteiligt werden soll. Ich finde es merkwürdig, dass man zwar überall Pressekonferenzen gibt und zum Ende der Ratspräsidentschaft auch vor dem Europäischen Parlament in Brüssel ein Resümee zieht, aber hier im Bundestag keine Regierungserklärung abgibt und auch kein Einvernehmen anstrebt. Ich sage an dieser Stelle: Das ist nicht der Umgang, wie der Bundestag in die Europapolitik einbezogen werden soll. ({0}) Einen solchen Umgang sollten wir als Parlamentarier nicht durchgehen lassen. Mir erscheint es auch ein bisschen merkwürdig, dass heute zwar die Mitglieder der Bundesregierung sehr zahlreich hier erschienen sind, dass sich die Regierung aber einer Debatte verweigert, dass sie noch nicht einmal Stellung nimmt und auch jetzt wieder in eine Regierungskonferenz gehen will, ohne den Bundestag zu beteiligen. Wir haben auf vielen europäischen Konferenzen - Herr Krichbaum, Sie wissen das auch - immer wieder gerade diese Vereinbarung des Deutschen Bundestages als nachahmenswertes Beispiel auch für andere Staaten erwähnt. Wir müssen jetzt eigentlich Abbitte leisten, weil die Bundesregierung schon beim ersten Mal, wo die Vereinbarung greifen könnte, einmal mehr macht, was sie will. Herr Krichbaum, ich verstehe nicht, warum Sie sich hier hinstellen und die Bundesregierung verteidigen, obwohl Sie heute Morgen bei den Obleuten noch eine ganz andere Auffassung vertreten haben. ({1}) Hinsichtlich der Bewertung der deutschen Ratspräsidentschaft werden wir uns auch nicht den vielen Lobeshymnen anschließen, die heute Morgen im Ausschuss angestimmt worden sind. Die Geschichte wird zeigen, dass die deutsche Ratspräsidentschaft einmal mehr dafür steht, dass Europa auch weiterhin in der Krise bleibt. Denn halten wir einmal fest: Der Gipfel im März war von der Diskussion über den Klimaschutz geprägt. Wir wissen, dass nichts dabei herausgekommen ist außer Absichtserklärungen. Es ist bis heute noch nicht klar, wie Europa und die einzelnen Staaten diese Klimaschutzziele erreichen wollen. Gerade Deutschland ist negativ belastet. Wenn alle geplanten Kohlekraftwerke gebaut werden, kann Deutschland die Klimaschutzziele nicht erreichen. Somit ist die Aufgabe des Klimaschutzes auf zukünftige Generationen verschoben worden. Es gibt nicht mehr als eine Absichtserklärung. ({2}) Wir stellen fest: Der EU-Russland-Gipfel ist gescheitert. Auch das bleibt zum Ende der Ratspräsidentschaft festzuhalten. Wir wissen, dass Europa in der Frage der Raketenabwehrsysteme in den osteuropäischen Staaten auseinanderdriftet. Auch da hat es die deutsche Bundesregierung nicht verstanden, deutlich zu machen, dass Europa mit einer Stimme sprechen muss. Letztendlich ist man auch bei der Verfassungsfrage gescheitert. Man spricht von dem EU-Gipfel als einem großen Erfolg, während nahezu alle Medien davon berichtet haben, dass man einem Totalschaden gerade noch entkommen ist. Ich glaube, dass es nicht hilfreich ist, eine Darstellung zu wählen, die weit von der Wirklichkeit der Menschen entfernt ist. Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Die Bürgerinnen und Bürger Europas, die dieses Wochenende mitbekommen haben, haben eher resigniert und sich von der Politik entfernt. ({3}) Dieses Geschachere um Stimmrechte und die Tatsache, dass gedroht worden ist, dass man in Europa ohne Polen weitermachen will, ist kein Fortschritt für die europäische Idee; man hat vielmehr einmal mehr versucht, die Position des Stärkeren gegenüber Schwächeren auszuspielen. ({4}) Wir sollten auch nicht den Fehler begehen, Polen alleine verantwortlich zu machen. Es gibt genug Länder, die auch dort waren und sich darüber gefreut haben, dass Polen diese Rolle übernommen hat. Gewisse Länder haben ein Interesse daran, dass die Stimmrechte anders verteilt werden. ({5}) Wie oft sind schon Ausnahmen für England gemacht worden? Die Rhetorik der Polen ist sicherlich nicht akzeptabel, aber die Erpressungsversuche waren auch nicht akzeptabel; denn die Polen haben nichts anderes gemacht, als ein Recht zu nutzen, das ihnen die bestehenden Verträge lassen. ({6}) Deshalb, glaube ich, kann man so nicht mit Polen umgehen. Es wäre die Aufgabe der Bundesregierung, für Entspannung zu sorgen. Einmal mehr muss man aber auch festhalten: Europa hat Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern. Die gescheiterte EU-Verfassung soll jetzt unter anderem Namen als Vertrag in einer Regierungskonferenz beschlossen werden. Man hat den Ausdruck „Verfassung“ gestrichen, um damit den Weg dafür freizumachen, dass in möglichst vielen Ländern diesem Vertrag nur noch per Parlamentsabstimmung zugestimmt zu werden braucht und er damit gerettet werden kann. ({7}) Es wird wenige Ausnahmen geben, wahrscheinlich eine für Irland. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist. Wenn die Substanz einer gescheiterten Verfassung nun in einem Vertrag ihren Niederschlag finden soll, dann wird versucht, etwas Gescheitertes an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei durchzusetzen. Deshalb bleiben wir die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die eine europäische Volksabstimmung fordert; denn nur so ist Europa den Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen. ({8}) Herr Löning, auch wenn Sie der Auffassung sind, dass Frankreich ein sozialistisches Land ist, ({9}) würde ich das nicht unterschreiben, auch wenn wir nicht unglücklich darüber sind, dass Sarkozy teilweise Vorschläge macht, die bedenkenswert sind, dass er zum Beispiel von einer Wirtschaftsregierung und einer Demokratisierung der EZB redet, dass er davon redet, dass die Politik der EZB auf mehr Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet werden müsste. Ich glaube, diese Forderungen könnten wir unterschreiben. Die spannende Frage wird sein, wie die hochgepriesene deutsch-französische Partnerschaft damit umgeht; denn aus Deutschland kamen sofort die Reflexe des Außenministers und des Bundesfinanzministers, dass man diese Politik ablehne. Diese wäre aber notwendig; denn eines haben wir auch gesehen: Es ist einmal davon geredet worden, dass Europa ein soziales und menschliches Antlitz brauche und zu dem Vertrag eine Dokumentation eines sozialen Europas hinzukomme. Was haben wir jetzt? Jetzt haben wir zwar den freien und unverfälschten Wettbewerb als Ziel gestrichen, gleichzeitig aber mit einer Protokollnotiz diesen wieder festgeschrieben. So werden die Bürgerinnen und Bürger leider kein soziales Europa erleben. Europa bleibt in der Krise. Die deutsche Bundesregierung hat alles dazu beigetragen, damit das auf absehbare Zeit so bleibt. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Krichbaum das Wort.

Gunther Krichbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003573, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ulrich, Sie haben vorhin behauptet, ich hätte beim heutigen Treffen der Obleute eine andere Meinung vertreten. Das weise ich zurück. Ich glaube, es wurde sehr deutlich - das gilt auch für die Ausführungen in der heutigen Ausschusssitzung; Frau Bundeskanzlerin Merkel hat daran teilgenommen -, dass die Bundesregierung ein großes Interesse daran hat, mit dem Bundestag weiterhin sehr konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich bleibe dabei: Es gab einen Brief von Herrn Außenminister Steinmeier an uns, den Ausschuss. Vertreter der Bundesregierung haben dem Ausschuss mehrmals Rede und Antwort gestanden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das auch in Zukunft so sein wird. Es geschieht im Geiste der Vereinbarung über eine Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesregierung. Sie sollten hier keinen Gegensatz konstruieren, wo es gar keinen gibt. Wir, Bundestag und Europaausschuss, werden die Regierungskonferenzen begleiten. Natürlich gehen wir davon aus - wir haben da keinen Anlass zum Zweifel -, dass sich die Bundesregierung um das Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag bemühen wird. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Ulrich, Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Krichbaum, ich habe sehr viel Respekt davor, dass Sie vor kurzem zum Ausschussvorsitzenden gewählt worden sind. Sicherlich spielt bei Ihrer Wortwahl hier noch ein wenig Dankbarkeit mit. Auch Sie haben heute Morgen gesagt - Sie haben letzte Woche an einer Reise des Ausschusses teilgenommen; wir haben darüber beim heutigen Treffen der Obleute geredet -, dass Sie an diesem Punkt ein bisschen diplomatisch sein müssen - das kann man nachvollziehen -, obwohl Sie eigentlich der Auffassung sind, dass das nicht im Geiste der Vereinbarung ist. Herr Krichbaum, ich möchte noch einmal sagen: Ich erwarte von Ihnen als Ausschussvorsitzenden - es geht hier nicht um Fraktionen; es geht auch nicht um politische Richtungen; es geht hier um die Rechte des Parlaments -, der den Weg, der zu dieser Vereinbarung geführt hat, mit beschritten hat, dass Sie gerade jetzt, wo es losgeht, darauf dringen, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtungen einhält. Ich sage an dieser Stelle noch einmal - die FDP und Bündnis 90/Die Grünen sehen das ebenso; auch die SPD hat diesen Standpunkt heute Morgen geteilt -: Das, was da gemacht worden ist, entspricht nicht dem Geiste dieser Vereinbarung. ({0}) Ich appelliere an Sie als Ausschussvorsitzenden, sich als Parlamentarier zu begreifen und nicht als jemanden, dessen Aufgabe es ist, die Politik der Bundesregierung umzusetzen. Wenn Sie das nicht tun, dann sind Sie, was den Ausschussvorsitz angeht, fehl am Platze. ({1}) Versuchen Sie nicht, die Rechte des Parlaments durch falsche Aussagen zu schwächen! Unsere Einschätzung der Ergebnisse dieser Regierungskonferenz, für die es eine große Mehrheit geben könnte, wird von der Bundesregierung leider falsch verstanden. In Zukunft wird man wieder sagen: Der Bundestag ist erst am Schluss der Debatten zu beteiligen. Ich wiederhole: Man sollte von Anfang an deutlich machen, dass das Parlament in europäische Angelegenheiten anders involviert werden muss, als es heute der Fall ist. ({2}) Notwendig wären diese Woche eine Regierungserklärung und eine Abstimmung über einen Entschließungsantrag dazu. Aber so wie jetzt geht es nicht. Ich erwarte von Ihnen als Ausschussvorsitzenden, dass Sie entsprechend handeln. Noch einmal: Einvernehmen bedeutet nach unserer Auffassung nicht, dass die Bundeskanzlerin an einer Ausschusssitzung teilnimmt. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man über die Präsidentschaft Deutschlands spricht, dann kann man natürlich ganz viel auflisten. Liebe Frau Kollegin Schwall-Düren, Sie haben versucht, hier eine erste Bilanz zu ziehen. Machen Sie sich einmal die Mühe, sich die Papiere anzuschauen, die die einzelnen Minister zu Beginn der Präsidentschaft vorgelegt haben, und vergleichen Sie es mit dem, was am Ende herausgekommen ist. In diesem Zusammenhang müssen wir zum Beispiel über das Projekt Galileo, über den gescheiterten Plan des Vizekanzlers, die Übertragbarkeit von Betriebsrenten zustande zu bringen, usw. reden. Die Bilanz in den Fachbereichen ist also nicht so - um mich einmal höflich auszudrücken -, dass man von einem durchgehenden Erfolg sprechen kann. ({0}) Es ist der Bundeskanzlerin jedoch gelungen, den Stillstand in der Frage der Verfassung der Europäischen Union zu überwinden. Das wird bleiben - bei aller Kritik im Einzelnen. ({1}) Ich habe gesagt, dass ein Schritt dazu gelungen ist, die sogenannte Denkpause zu beenden und Maßnahmen zu ergreifen, um die Europäische Union auf eine neue Grundlage zu stellen. Da muss ich umso mehr fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen - ich schaue gerade ganz intensiv in Richtung der Union -, was das Herumgezicke soll, wenn es darum geht, darüber eine öffentliche Debatte im Bundestag zu führen. ({2}) Wir haben Sie nachdrücklich dazu genötigt. Wir reden hier über die gemeinsame Vereinbarung, die Sie mit formuliert und mit unterschrieben haben. Darin steht: Verhandlungen zur Veränderung von Verträgen der Europäischen Union - damit auch die Regierungskonferenz - sind Vorhaben im Sinne dieser Vereinbarung. In dem Fall soll vor dem Beschluss des Rates ({3}) - nein! - das Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag gesucht werden. ({4}) Das Einvernehmen stellen Sie nicht durch eine Beratung ausschließlich im Ausschuss her. ({5}) Wenn Sie das für zu spitzfindig halten, dann diskutieren wir das doch einmal politisch durch! Wir haben als Europapolitiker gemeinsam immer kritisiert, dass Europa ein Legitimationsdefizit hat, weil dieses Europa nicht hinreichend transparent ist. Sie sagen jetzt auch: Wir wollen die EU auf eine neue vertragliche Grundlage stellen. Wir wollen, dass dabei die nationalen Parlamente gestärkt werden. - Das steht übrigens in dem neuen Grundlagenvertrag. - Aber die Verabredung mit der Bundesregierung soll hinter den geschlossenen Türen des Europaausschusses stattfinden. Europa ist mehr, als in der Kompetenz des Europaausschusses liegt. Der Deutsche Bundestag ist ein öffentliches Forum. Hier hat die Bundesregierung das Einvernehmen herzustellen. Das ist mein Verständnis von Europapolitik. ({6}) Das ist auch so unnötig gewesen; denn in der Sache sind wir doch gar nicht weit auseinander. ({7}) Es ist gelungen, Grundlagen dieses Verfassungsvertrages zu erhalten. Die Stärkung der Demokratie ist in diesem Vertrag vorgesehen. Künftig gibt es weniger Einstimmigkeitsentscheidungen. Das heißt, künftig spielt das direkt gewählte Europäische Parlament eine größere Rolle. Es gibt verbesserte Möglichkeiten für die nationalen Parlamente. All dies sind Dinge, von denen ich nicht möchte, dass sie versteckt werden, wodurch solch falschen Anwürfen an die Verfassung, wie sie eben wieder zu hören waren, Raum gegeben wird. Es ist unklug, wie hier vorgegangen wird. ({8}) Selbstverständlich hat es dabei auch Kröten zu schlucken gegeben, etwa die Ausnahmeregelung für die Grundrechtecharta. Aber wir müssen festhalten: Die Grundrechte bleiben, was europäisches Recht angeht, Bestandteil der Verfassung, und wir alle können uns darauf berufen. Natürlich ist es problematisch, dass die doppelte Mehrheit erst ab einem späteren Zeitpunkt gilt. Genauso wie ich gesagt habe, die Frau Bundeskanzlerin habe hier etwas erreicht, habe ich auch überhaupt kein Problem damit, lieber Herr Löning, Herrn Sarkozy zu loben. Herr Sarkozy hat auf einen Fehler hingewiesen, und der Fehler ist beseitigt worden. Es ist nicht so, dass unverfälschter Wettbewerb ein Ziel Europas ist. Das ist es nie gewesen. ({9}) Warum hat man damals als ersten Schritt die Montanunion gegründet? Doch nicht wegen des Wettbewerbs! Man hatte begriffen, dass wirtschaftliche Kooperation im Wettbewerb ein Mittel ist, den Frieden in Europa zu sichern. Das war das Verständnis von Monnet und all denjenigen, die in der Geburtsstunde der Europäischen Union dabei gewesen sind. Dass wir das wieder klargestellt haben, ist kein Fehler, sondern eine richtige Korrektur an dem Verfassungsvertragsentwurf. - So verstehe ich Europa. ({10}) Letzte Bemerkung. Ich höre mit Sorge, dass diejenigen, die in Brüssel zu diesem Auftrag für die Regierungskonferenz ihr Ja gegeben haben, schon wieder dazu übergehen, das, was sie selbst gesagt haben, zu vergessen und dagegen zu opponieren. Es wird nicht leicht werden. Aber ich glaube, dass wir als Deutscher Bundestag hier mit allem Nachdruck darauf dringen müssen, dass die Regierungskonferenz schnell - das heißt, möglichst unter der portugiesischen Präsidentschaft - zu einem Ergebnis kommt. Ich schaue da gar nicht zu unseren polnischen Nachbarn. Ich habe sehr wohl registriert, in welch geschickter Art und Weise sich Großbritannien - die britische Vorstellung von Europa ist die eines Bündnisses von Staaten in einer Freihandelszone - hinter dem rabulistischen Vorgehen Polens versteckt hat. ({11}) Ich glaube, dass wir sehr schnell zu Ergebnissen kommen müssen, und zwar aus ganz zwingenden Gründen. Man kann zum Beispiel sagen, dass sich Europa beim Thema Kosovo bisher nicht gut aufgestellt hat, weil wir zu sehr auf die Russen vertraut haben. Aber eines müssen wir doch sicherstellen: Wir dürfen uns in dieser Frage vor unserer Haustür nicht erneut in einer Weise spalten lassen, wie das gerade in der Diskussion um die Raketenabwehr geschehen ist. Selbstverständlich wird das, was bisher nur als Auftrag formuliert ist, in der Regierungskonferenz auszuformulieren sein. Europa muss in eigenem Handeln und mit eigener Zielsetzung eine Antwort auf die globale Herausforderung schlechthin geben, nämlich auf die Frage des Klimawandels und wie wir künftig effizient und solidarisch an Energie kommen. In diesem Sinne wünsche ich der Regierungskonferenz viel Erfolg. Verstecken Sie das, was Sie da machen, nicht. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Michael Roth für die SPDFraktion. ({0})

Michael Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, Sie sind eine gute Gipfelstürmerin. Ich richte meinen Dank an die Bundesregierung als Ganzes, die eine hervorragende Teamarbeit abgeliefert hat; das kann man gar nicht anders sagen. Es wäre sicherlich auch wert gewesen, diese gute Teamarbeit in einer Regierungserklärung zum Ausdruck zu bringen und darüber noch einmal gegenüber dem gesamten Deutschen Bundestag Rechenschaft abzulegen, zumal die vier Erwartungen, die der Deutsche Bundestag in einem Entschließungsantrag formuliert hat, erfüllt worMichael Roth ({0}) den sind: die Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union - erfüllt; die Überwindung der Pfeilerstruktur der Europäischen Union - erfüllt; die Rechtsverbindlichkeit und Einklagbarkeit der Grundrechtecharta - erfüllt; das weitgehende Festhalten am Institutionenkompromiss erfüllt. Das verdient Lob und Anerkennung. ({1}) Dennoch, wir wären nicht verantwortungsvoll, wenn wir nicht auch den Finger in die europäische Wunde legten. Ich beklage - das werfe ich Ihnen und der Bundesregierung als Allerletztes vor -, dass das gemeinsame Fundament an Überzeugungen innerhalb der Europäischen Union brüchig geworden ist. Dabei kritisiere ich nicht, dass man zockt. Ich kritisiere nicht, dass man kontrovers verhandelt. Ich kritisiere auch nicht, dass man Scheinkonflikte etwas aufbauscht. Ich kritisiere auch nicht, dass man noch einmal über die Institutionen redet. Ich kritisiere aber, dass beispielsweise bei der Grundrechtecharta etwas, was selbstverständlich sein sollte, nicht mehr selbstverständlich ist: dass diese Grundrechtecharta überall, für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, gilt. Mit stolz geschwellter Brust ziehen wir durch die Welt und sagen: Wir sind eine Wertegemeinschaft. Im Hinblick auf die Grundrechtecharta müssen wir jedoch sagen: Diese gilt für alle, mit Ausnahme der Briten. Natürlich wird der Europäische Gerichtshof das zu heilen versuchen, das können wir nur hoffen. Aber was für ein Symbol ist das, wenn wir mit den Staaten in einen kontroversen Dialog eintreten, in denen die Menschenrechte, die Grundrechte, die Freiheitsrechte mit Füßen getreten werden? Das ist peinlich und beschämend. Das muss man auch an einem solchen Tag ansprechen dürfen. ({2}) Ebenso ist das Mandat - auch das werfe ich Ihnen nicht vor - von einem Geist der Abwehr geprägt. Wenn man beispielsweise hineinschreibt, dass die Kompetenzen, über die die Europäische Union gegenwärtig verfügt, wieder auf die nationale Ebene zurückgeholt werden können, dann ist das nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit. Aber wo wird deutlich, dass mit der Europäischen Union Chancen verbunden sind und dass wir gerade dann handeln wollen und müssen, wenn der Nationalstaat alter Prägung nicht mehr so entscheiden kann, wie das die Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten? Dieses Modell der Einhegung, dieses Kleinmachen des europäischen Integrationsgedankens, finde ich traurig. Mich hat auch enttäuscht, dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht ehrlich umgehen. Ein Vorteil des Verfassungsvertrages bestand ja gerade in seiner Klarheit: Selbstverständlich setzt die Europäische Union Recht. Deswegen wird eine Verordnung zukünftig nicht mehr Verordnung genannt, sondern Gesetz. Deswegen wird eine Richtlinie zukünftig nicht mehr Richtlinie genannt, sondern Rahmengesetz. Das hätte auch deutlich gemacht: Die Europäische Union hat selbstverständlich etwas mit Staatlichkeit zu tun. Wir wollen das überhaupt nicht verstecken; vielmehr wollen wir es den Menschen erklären, und wir sollten selbstbewusst dazu stehen. Ebenso finde ich es merkwürdig, dass im Europäischen Rat über ein Politikfeld gestritten wurde, zu dem es seitens der Bürgerinnen und Bürger aller 27 Mitgliedstaaten, auch der in Großbritannien, ein hohes Maß an Zustimmung gibt: Ich meine die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik. Dass hier einige Staaten versucht haben, nationale Reservate zu retten, wird der Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger nicht gerecht. ({3}) Dass die Symbole wegfallen, wurde schon mehr oder weniger häufig gesagt. Ich habe heute Morgen in der Zeitung gelesen, dass der Bundestagspräsident den Abgeordneten genehmigt, auf Bundestagskosten in ihren Büros eine Nationalflagge aufzustellen. ({4}) Ich würde mich darüber freuen, wenn es dem einen oder anderen Kollegen ermöglicht würde, auch die Europafahne auf Kosten des Bundestages zu bekommen. ({5}) Das wäre ein schönes Symbol in unseren Büros. Das würde deutlich machen: Wir sind Europäerinnen und Europäer und stehen zu dieser Flagge. ({6}) Sicherlich ist auch Skepsis gegenüber der Regierungskonferenz erlaubt: Keine Tricksereien mehr auf Regierungskonferenzen! Wir können nur den Kolleginnen und Kollegen in Portugal alles Gute wünschen. Ich bin über die bisherigen Signale sehr erfreut. Portugal wird unter Beweis stellen, dass sich die Größe eines Staates in der Europäischen Union nicht ausschließlich am Bruttoinlandsprodukt und an der Zahl der Bürgerinnen und Bürger bemisst. Die Größe eines Staates kommt vielmehr durch Haltung, durch Geist, durch konstruktives Miteinander und durch gelebte Solidarität zum Ausdruck. Luxemburg ist deshalb ein großes europäisches Land. Das ist ein Land, das Europa vorangebracht hat, auch wenn es nur etwa 500 000 Einwohner hat. Schlimm an den polnischen Forderungen fand ich es, dass hier eine Hürde zwischen den vermeintlich kleinen und den vermeintlich großen Staaten aufgebaut wurde. Nein, die wirklich großen Staaten sind auch die kleinen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Deutschland ist stets gut damit gefahren, sich als Sachwalter der Interessen der kleinen Mitgliedstaaten zu positionieren. ({7}) Zu dieser Tradition haben wir uns immer wieder bekannt. Auch das möchte ich hier bemerken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundeskanzlerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die verstärkte Michael Roth ({8}) Zusammenarbeit nicht das Allheilmittel ist, um Europa voranzubringen. Die mangelhafte parlamentarische Legitimation der Europäischen Union ist heute im EuropaAusschuss angesprochen worden. Ich sehe das ähnlich wie die Kolleginnen und Kollegen. Angesichts des brüchigen Fundaments an Gemeinsamkeiten frage ich mich jedoch, wie die 27 Mitgliedstaaten gemeinsam vorankommen können. Dabei wäre es wichtig, gegenüber der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen: Wir sind handlungsfähig nach innen und nach außen. Ich habe dafür, wie das funktionieren könnte, noch kein Patentrezept. Aber wir werden uns hier im Bundestag noch einmal darüber zu unterhalten haben, wie wir der Entsolidarisierung auf der europäischen Ebene sinnvoll begegnen können. In diesem Zusammenhang, lieber Kollege Löning, halte ich es für absolut notwendig, zu einem Paradigmenwechsel bei der Europäischen Union zu kommen. Wir brauchen diesen Paradigmenwechsel: Wir müssen weg von der einseitigen Konzentration auf Wirtschaftsfragen. Wir brauchen mehr gelebte Solidarität und auch wieder mehr Gemeinsamkeit. Ich hoffe, dass mit der deutschen Ratspräsidentschaft Anstöße hin zu einem solchen Paradigmenwechsel geliefert werden konnten. Der verfassungsgebende Prozess wird selbstverständlich auch mit der portugiesischen Präsidentschaft nicht zu einem Abschluss gebracht. Es wird weitergehen müssen, weil - das spüren wir ja alle - die entscheidenden Regelungen, die jetzt im Grundlagenvertrag verankert wurden, wahrscheinlich nicht ausreichen werden, um die EU zu demokratisieren und für die nächsten zehn, 15 bzw. 20 Jahre fit zu machen. Aber, Frau Bundeskanzlerin, Ihnen sollte stets klar sein, dass das Parlament mehr Verantwortung übernehmen will und wir Ihnen unsere Partnerschaft anbieten. Dabei ist es für mich weniger wichtig, ob die Parlamente die Einhaltung der Subsidiarität auf EU-Ebene kontrollieren können. Für mich ist viel wichtiger, welche Rolle die nationalen Parlamente innerstaatlich wahrnehmen, wie wir uns in den europäischen Integrationsprozess einbringen. Ich hätte erwartet, dass man die Vereinbarung zwischen Bundesrat und Bundestag so interpretiert, wie wir das fraktions- und parteiübergreifend in dem Gremium, in dem auch Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesregierung vertreten waren, festgestellt haben. Ich hoffe, dass wir so schnell wie irgend möglich zu dem fraktions- und parteiübergreifenden Konsens zurückfinden. Ich wünsche der portugiesischen Präsidentschaft alles Gute. - Die deutsche Präsidentschaft hat eine gute Arbeit geleistet. Hoffentlich trägt uns dieser gute Geist in den nächsten Monaten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die Unionsfraktion.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dazu, dass die Opposition diese Debatte nutzt, um mit scharfen Worten darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Bundesregierung gerne noch viel ausführlicher für den Erfolg der Ratpräsidentschaft gelobt hätte und gerne noch mehr selbst an dem Erfolg teilhätte, kann ich nur sagen: Anschaulicher könnte man nicht dokumentieren, welch glänzender Erfolg diese deutsche Ratspräsidentschaft im vergangenen halben Jahr gewesen ist. ({0}) Die gesamte Bundesregierung hat mit ihrem Einsatz während des zurückliegenden halben Jahres dazu beigetragen, dass unser Land in der Europäischen Union und weit darüber hinaus eine wachsende Wertschätzung genießt. Dafür sage ich allen beteiligten Mitgliedern der Bundesregierung meinen herzlichen Dank. ({1}) Ich möchte besonders der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel danken, die erneut ein außerordentliches Verhandlungsgeschick unter Beweis gestellt hat. Die Kanzlerin hat mit vollem Einsatz gekämpft, ist ein hohes Risiko gegangen und hat gewonnen. Das verdient Respekt und Anerkennung. ({2}) Hierzu, meine Damen und Herren von der Fraktion der Grünen, hätte ich mir auch Ihnen Applaus gewünscht. Denn diese Worte stammen nicht von mir, sondern von Ihrem ehemaligen Außenminister Joseph Fischer, der das in einem Namensartikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26. Juni so veröffentlicht hat. ({3}) Ich möchte aber doch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass bereits der Frühjahrsgipfel vom März ein außerordentlicher Erfolg gewesen ist, nicht nur was die Senkung von Bürokratiekosten und die Ziele zur Stärkung der Energiesicherheit, sondern auch was die ehrgeizige Klimaschutzpolitik angeht, die die Europäische Union dort vereinbart hat. Ich kann es nicht hinnehmen, dass das hier als bloße Absichtserklärung abgetan wird. Die Europäische Union hat damit eine weltweite Vorreiterrolle eingenommen, und die Fortschritte, die anschließend in der Klimaschutzpolitik beim G-8-Gipfel erzielt worden sind, wären ohne diesen Frühjahrsgipfel überhaupt nicht denkbar gewesen. ({4}) Die Europäische Union hat bereits bei diesem Frühjahrsgipfel, für den auch unserem Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ausdrücklich Dank gebührt, unter Beweis gestellt, dass sie die zentralen Fragen anpackt, auf die unsere Bürger auch europäische Antworten erwarten. Der Gipfel in Brüssel hat nun den Weg zu einem neuen Reformvertrag geebnet. Zu Beginn des Jahres 2007 hat noch niemand erwartet, dass wir über einen bloßen Zeitplan hinauskommen werden. Nun haben wir ein vollständiges Mandat für eine Regierungskonferenz vorliegen, das alle inhaltlichen Fragen bereits mitbehandelt. Das ist deutlich mehr, als zu erwarten war. Die Bundesregierung hat dieses enge Zeitfenster also optimal genutzt. Ich begrüße insbesondere, dass die institutionellen Reformen im Wesentlichen gelungen sind. Es gibt keine substanziellen Abstriche, allerdings einige zeitliche Verzögerungen. Dass der Rat nun im Regelfall mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, dass das Prinzip der doppelten Mehrheit, also einer Mehrheit der Mitgliedstaaten und der Bevölkerungszahl, eingeführt wird, dass die Stellung des Kommissionspräsidenten gestärkt wird, dass der Hohe Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik mit einem Doppelhut, also als Mitglied des Rates und als Vizepräsident der Kommission, agiert, das alles stärkt die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union nach innen und außen. Damit ist ein wesentliches Ziel dieses Reformvertrages und des Verhandlungsprozesses der letzten Jahre erreicht worden. Ich halte es auch für begrüßenswert, dass die Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten noch besser abgegrenzt werden als bisher. Allein die Klarstellung, dass die Europäische Union ausschließlich innerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen tätig werden darf, verdient Beachtung. Nach meiner Einschätzung wäre unter dieser Prämisse manche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus den letzten Jahren nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten im Falle geteilter Zuständigkeiten ihre Kompetenzen wieder wahrnehmen können, soweit die Europäische Union sie nicht mehr ausübt. Es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, dass die Flexibilitätsklausel, die in den zurückliegenden Jahren immer wieder für unangemessene Kompetenzerweiterungen missbraucht worden ist, keine Rechtsgrundlage für faktische Vertragsänderungen mehr darstellen darf. Im Gegenteil: Vertragsänderungen müssen förmlich erfolgen. Wenn man das ernst nimmt - darum bitte ich auch die Bundesregierung -, dann müsste die Kommission ihre Praxis im Vorschlagsrecht deutlich ändern. All diese Vorschriften zur Kompetenzordnung einschließlich der ausdrücklich aufgeführten Möglichkeit, Kompetenzen wieder zurückverlagern zu können, schaffen insgesamt mehr Transparenz und damit auch mehr Akzeptanz bei den Bürgern, weil sie nun erkennen können, wer wofür zuständig ist und wer Verantwortung trägt. Dieser Reformvertrag wird schließlich auch mehr Bürgernähe schaffen. Nicht nur die Grundrechtecharta, die für rechtsverbindlich erklärt wird und die den Unionsbürgern ermöglicht, sich auf ihre Grundrechte gegenüber den Organen der Europäischen Union zu berufen, sondern auch die Möglichkeit eines Volksentscheids und die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente schaffen insgesamt mehr Bürgernähe. Ich will nicht verhehlen, dass ich die Fortschritte hinsichtlich einer besseren Beteiligung der nationalen Parlamente für eher bescheiden halte. Aber ich sehe doch die Chance, dass die Subsidiaritätskontrolle etwas effizienter ausgeübt werden kann als bisher. Dies gilt insbesondere deswegen, weil Subsidiaritätsrügen nun nicht mehr folgenlos bleiben müssen und ein Kommissionsvorschlag sogar verworfen werden kann, wenn eine Mehrheit im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat einen Subsidiaritätsverstoß annimmt. Ich meine, dass die nationalen Parlamente, insbesondere der Deutsche Bundestag, in diesem Verhandlungsprozess eine konstruktive Rolle gespielt haben. Wir sind bereit, dem Mandat der Regierungskonferenz fraktionsübergreifend unser Einvernehmen auszusprechen. Deswegen appelliere ich an die Bundesregierung, sich um dieses Einvernehmen nicht erst dann zu bemühen, wenn sich Widerspruch erhebt. Denn sonst müssten wir uns eingeladen fühlen, Widerspruch zu erheben, was ersichtlich niemand will. ({5}) Ich bitte also darum, dass die Bundesregierung den Bundestag aktiv mit einbezieht. Die parlamentarische Diplomatie ist bisweilen hilfreich, wenn es um Verhandlungen im Europäischen Rat geht. Der Bundestag hat viele Kontakte gerade zu Abgeordneten aus Frankreich, aus den Niederlanden, auch aus Tschechien und Großbritannien - also gerade aus den Ländern, die am stärksten Kritik am europäischen Verfassungsvertrag geübt haben - in den letzten Jahren genutzt. Ich denke, das hat den Verhandlungsprozess insgesamt erleichtert. ({6}) Diese Präsidentschaft ist ein glanzvoller Erfolg gewesen. Es könnte jetzt so weitergehen. Aber zu meinem Bedauern wird erst mit dem Reformvertrag die Vorschrift eingeführt, dass die Präsidentschaft im Europäischen Rat auf zweieinhalb Jahre verlängert wird. So bleibt uns nichts anderes übrig, als den Stab an die Portugiesen weiterzugeben, denen ich viel Erfolg und alles Gute im nächsten halben Jahr wünsche. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/5882 und 16/5888 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 16/5854, 16/5874 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage auf Drucksache 16/5874 auf. Die dringliche Frage des Kollegen Hans-Christian Ströbele an das Bundesministerium für Verteidigung soll schriftlich beantwortet werden. Damit rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 16/5854 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Die Frage 1 des Kollegen Kai Gehring soll schriftlich beantwortet werden. Damit rufe ich die Frage 2 der Kollegin Cornelia Hirsch auf: Plant die Bundesregierung im Zuge der Verschiebung und bei aktuell diskutierten Änderungen an der geplanten BAföGNovelle auch Änderungen bezüglich der bisher vorgesehenen Verbesserungen bei der Förderung von Migrantinnen und Migranten, und, wenn ja, welche? Bitte, Herr Staatssekretär.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Präsidentin, die Frage der Abgeordneten Hirsch beantworte ich wie folgt: Nein, die Bundesregierung hat nicht die Absicht, auf materielle Veränderungen der nach dem Stand des Regierungsentwurfs für das 22. BAföGÄnderungsgesetz vorgesehenen Neuregelungen zur Förderung von Migrantinnen und Migranten nach § 8 BAföG und § 63 SGB III im Verlaufe des parlamentarischen Verfahrens hinzuwirken.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zur ersten Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Staatssekretär. - Nichtsdestotrotz werden ja jetzt die schon für das kommende Wintersemester vorgesehenen Regelungen, die den Zugang für Migrantinnen und Migranten erleichtert hätten, auf jeden Fall weiter nach hinten verschoben. Wir haben heute Morgen auch im Ausschuss darüber diskutiert. Da meinten Sie, dass eine Beschlussfassung frühestens im Herbst in irgendeiner Form erfolgen könnte. Dann würde das Ganze frühestens für das Sommersemester in Kraft treten. Meine Frage lautet jetzt, wie Sie im Hinblick auf das Problem, dass man beim Zugang von Migrantinnen und Migranten zu den Hochschulen kurzzeitig nichts ändern wird, vorgehen wollen, um gerade all diejenigen Betroffenen, die vielleicht schon geplant hatten, im kommenden Semester ein Studium aufzunehmen, zu unterstützen und ihnen einen entsprechenden Zugang zu ermöglichen.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, wie Sie selber zu Recht gesagt haben, habe ich heute im Ausschuss im Zusammenhang mit dem Zeitplan hinsichtlich der BAföG-Novelle deutlich gemacht, dass wir zeitnah zur Verabschiedung des Bundeshaushaltes für das Jahr 2008 in diesem Herbst die BAföG-Novelle verabschieden wollen, sodass dann ein Inkrafttreten zum Wintersemester 2008/ 2009 möglich wird. Inwieweit ein vorgezogenes Inkrafttreten einzelner Regelungen, etwa zur Verbesserung der Förderung von Migrantinnen und Migranten, denkbar ist, ist derzeit noch nicht entschieden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Frage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf Folgendes: Das Problem des Ausschlusses von Migrantinnen und Migranten stellt sich zurzeit aufgrund der Tatsache, dass gesagt wird: Diejenigen, die ein Studium aufgenommen haben, haben einen BAföG-Anspruch und deshalb eigentlich keinen Anspruch auf eine Förderung nach dem SGB II. - Da sich dieses Problem jetzt sofort und ganz konkret stellt und Sie gerade gesagt haben, dass Sie noch nicht wissen, inwieweit einzelne Teile vorgezogen werden können, könnte man überlegen, inwieweit man versucht, Migrantinnen und Migranten schon im kommenden Semester unter eine Härtefallregelung, die es ja im SGB II gibt, fallen zu lassen, um ihnen sofort einen Zugang zu ermöglichen. Gibt es Überlegungen in dieser Richtung in der Bundesregierung?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, wie Ihnen durch die parlamentarischen Beratungen im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bekannt ist, besteht keine Möglichkeit mehr, ein rechtzeitiges Inkrafttreten zum Wintersemester 2007/2008 zu erreichen. Von daher ist eine Regelung, die bereits in diesem Wintersemester gelten könnte, nicht mehr machbar. Die Frage, ob eine Regelung in der Zeit bis zum Wintersemester 2008/2009 gefunden werden kann, wird derzeit noch geprüft.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu einer Nachfrage hat die Kollegin Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie wissen ja sicherlich, dass in manchen Bundesländern Jugendliche und Kinder keinen Zugang zu Schulen haben. Ich würde gerne wissen, wie sich die Bundesregierung dazu stellt, ob eine gesetzliche Initiative bzw. Maßnahmen dagegen geplant sind. Denn Bildung ist ja ein Grundrecht. Da müsste die Regierung doch eigentlich einschreiten. In meiner Frage geht es um das beschränkte Aufenthaltsrecht, um die Regelung hinsichtlich des Aufenthaltsrechts.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete, die Kompetenzen für den schulischen Bereich liegen eindeutig bei den Ländern. Im Übrigen sieht die Bundesregierung keinen Zusammenhang zwischen dem von Ihnen angesprochenen Themenkomplex und der Frage der Abgeordneten Hirsch nach den Regelungen beim BAföG. Die Nachfrage muss aber mit diesem Themenkomplex in Zusammenhang stehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine weitere Nachfrage, diesmal der Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, die im Zuge der Novelle geplanten Einschränkungen bei der Förderung des zweiten Bildungsweges stehen besonders in der Kritik. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der diesbezüglichen Kritik der Sachverständigen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Die Bundesregierung hat die Anhörung zur geplanten BAföG-Novelle, die im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Mai durchgeführt worden ist, sehr sorgfältig ausgewertet. Wir überlegen zurzeit insbesondere, ob im Entwurf Änderungen bei der Förderung des zweiten Bildungsweges - Stichwort: Kollegiaten - vorgenommen werden sollen. Die Entscheidung darüber soll zusammen mit der Entscheidung über eine Anpassung der Bedarfssätze und der Freigrenzen als Gesamtpaket im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens bis zum Herbst dieses Jahres fallen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte mir angezeigte Nachfrage zu dieser Frage stellt die Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, die Ergebnisse der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes haben wieder einmal auf die Auswirkungen der sozialen Ungleichheit auf den Zugang zu Hochschulen hingewiesen. Welche über die BAföG-Novelle hinausgehenden Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dem Problem, das in dieser Sozialerhebung zum Ausdruck gekommen ist, entgegenzuwirken?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Ländern in den vergangenen Monaten eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um das Ziel, die Zahl der Studienanfänger zu erhöhen, erreichen zu können. Die angestrebte Zielmarke liegt bei einer Studienanfängerquote von 40 Prozent eines Jahrgangs. Einen wesentlichen Beitrag dazu wird der von Bund und Ländern im Juni unterzeichnete Hochschulpakt leisten. Dadurch werden bis zum Jahr 2010 90 000 zusätzliche Studienanfängerplätze geschaffen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Bärbel Höhn auf: Wann wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den deutschen Aktionsplan für Energieeffizienz nach Brüssel nachmelden, und warum kommt es zu dieser Verzögerung? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Danke, Frau Präsidentin. - Ich beantworte die Frage der Frau Kollegin Höhn wie folgt: Die Bundesregierung wird den Aktionsplan für Energieeffizienz der Europäischen Kommission in Brüssel Anfang Oktober vorlegen. Die Bundesregierung hat eine vorbereitende Studie zum Energieeffizienzaktionsplan vergeben, deren Endergebnisse Ende August, Anfang September vorliegen werden. Auf dieser Grundlage wird das Maßnahmengerüst des Aktionsplans vervollständigt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben deutlich gemacht, dass Sie die Ergebnisse einer Studie brauchen, um diesen Aktionsplan aufstellen und in der Bundesregierung abstimmen zu können. Wann genau ist diese Studie, die für das weitere Vorgehen notwendig ist, in Auftrag gegeben worden?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Die Studie ist im August 2006 in Auftrag gegeben worden. Sie konnte nicht früher in Auftrag gegeben werden, weil wir, wie Sie sich vielleicht erinnern, eine Haushaltssperre hatten. Für die Studie ist ein Jahr angesetzt worden. Sie wird Ende August, also nach einem Jahr, geliefert werden. Wenn die Endergebnisse vorliegen - die Zwischenergebnisse haben wir schon -, wird das Maßnahmengerüst endgültig festgelegt, in der Bundesregierung abgestimmt und nach Brüssel gemeldet werden. Ich denke, wir können die Meldung an die EU-Kommission in Brüssel Ende September, Anfang Oktober vornehmen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, dass Sie die Studie im August 2006 in Auftrag gegeben haben und dass die Studie nach einem Jahr, also Ende August 2007, abgegeben werden soll. Auf die Anfrage des Abgeordneten Loske vom 18. April, ob der 30. Juni 2007 als Termin gehalten werden kann - bis zu diesem Datum müssen Sie den Aktionsplan an die EU melden -, haben Sie geantwortet: Die Bundesregierung ist bemüht, diese Frist einzuhalten. Nach Ihren eigenen Bekundungen wussten Sie schon Ende April, dass das Gutachten, das Grundlage für diesen Aktionsplan sein würde, gar nicht bis Ende Juni vorliegt. Warum haben Sie dem Abgeordneten Loske nicht ganz wahrheitsgemäß geantwortet?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Der Schluss, den Sie, Frau Kollegin, hier gezogen haben, ist unzulässig. Es war nicht von Anfang an klar, dass man für die Studie ein Jahr benötigt. Das hat sich erst im Verlauf herausgestellt. Zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Frage war die Bundesregierung noch bemüht, den vorgesehenen Zeitrahmen ({0}) und den Termin 30. Juni 2007 einzuhalten. Ich darf Ihnen, obwohl Sie nicht danach gefragt haben, noch sagen, dass von den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur zwei diesen Termin eingehalten haben. Aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung waren am 2. Juni 24 andere Staaten in derselben Situation wie wir. ({1}) - Ich erläutere Ihnen das.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Liebe Kollegin, wir sind in der Fragestunde, nicht in der Debatte.

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Ich wollte der Kollegin den Gesamtzusammenhang erläutern. Selbstverständlich bemüht sich die Bundesregierung immer, in Europa vereinbarte Zeitpunkte einzuhalten, selbst wenn deren Verstreichung nicht sanktionsbewehrt ist, wie es bei dem Termin 30. Juni und dieser Richtlinie der Fall ist. Aber für uns - Frau Präsidentin, wenn ich das noch sagen darf - geht die Qualität vor der Geschwindigkeit.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Höhn auf: Welche verbraucherpolitischen Beschlüsse wurden unter der deutschen EU-Präsidentschaft gefasst, und welche konkreten Fortschritte wurden dabei für die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher erzielt? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf diese Frage ist etwas umfassender, weil wir sehr erfolgreich waren und auch im Bereich des Verbraucherschutzes eine sehr erfolgreiche Ratspräsidentschaft vorweisen können. Deshalb darf ich wie folgt antworten: Erstens. Der Rat hat sich unter deutscher Präsidentschaft zur verbraucherpolitischen Strategie 2007 bis 2013 der Kommission positioniert und dazu eine umfassende Ratsentschließung verabschiedet. Insbesondere geht es dabei um die Markttransparenz, die Stärkung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes und eine Reihe weiterer Punkte, auf die ich hier im Einzelnen nicht eingehe. Ich möchte einige weitere Punkte ansprechen. Wir haben darüber hinaus, neben dieser verbraucherpolitischen Strategie, der Notwendigkeit, Verbraucherrecht im digitalen Zeitalter fortzuentwickeln, Rechnung getragen und auf dem Verbraucherrat am 31. Mai 2007 die Charta „Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt“ vorgestellt. Zweitens. Des Weiteren wird mit dem Beschluss der Roaming-Verordnung das Telefonieren mit dem Handy im europäischen Ausland wesentlich billiger. Die Verordnung ist unmittelbar mit ihrer Veröffentlichung vor wenigen Tagen, am 30. Juni 2007, also passend zum Beginn der Urlaubssaison, in Kraft getreten. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren davon. Drittens. Während der deutschen Präsidentschaft wurden im Rahmen unserer Tätigkeit hinsichtlich des Verbraucherschutzes die Kundenrechte im Eisenbahnverkehr mit der Verabschiedung des dritten Eisenbahnpaketes deutlich gestärkt. Künftig gibt es europaweite Regelungen zur Verspätungsentschädigung. Auch das ist angesichts der derzeitigen Situation bei der Bahn topaktuell. Es gibt also europaweite Regelungen zur Verspätungsentschädigung, zur Haftung, zu Informationspflichten und zu den Rechten der in der Mobilität eingeschränkten Personen. Viertens. Unter deutscher Präsidentschaft hat der Rat eine Einigung über die Verbraucherkreditrichtlinie erzielt. Frau Kollegin Höhn, Kolleginnen und Kollegen, wir konnten eine jahrelange Diskussion hier in diesem Plenum im Rahmen der erfolgreichen Ratspräsidentschaft zu Ende bringen. Wird die Richtlinie vom Europäischen Parlament gebilligt - davon gehen wir aus -, werden die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft leichter das für sie günstigste Kreditangebot ermitteln können. Ein weiterer Erfolg der deutschen Präsidentschaft ist der Erhalt bewährter nationaler Verbraucherschutzregeln - auch das ist im Rahmen dieser Richtlinie geregelt - wie des Schriftformerfordernisses für den Verbraucherkreditvertrag. Das heißt, per Handy ist auch künftig keine Kreditaufnahme möglich; das ist ausgesprochen wichtig. Fünftens. Die Verhandlungen über die Zahlungsdiensterichtlinie konnten zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher können sich darüber freuen, dass Überweisungen nach Umsetzung dieser Richtlinie schon am nächsten Geschäftstag auf dem Konto des Empfängers gutgeschrieben werden müssen. Sechstens. Unter deutscher Präsidentschaft wurde im Rat die allgemeine Ausrichtung - der General Approach der Vorschläge zu den drei Verordnungen über Lebensmittelzusatzstoffe, Lebensmittelenzyme und ein einheitliches Verfahren der Zulassung von Zusatzstoffen, Enzymen und Aromen beschlossen. Ich mache es kurz: Durch die genannten Verordnungen wird der Schutz der Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher auf hohem Niveau gewährleistet. Siebtens. Die Prävention und die Förderung gesunder Lebensstile bildeten einen Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft. So hat der Rat für Gesundheit und Verbraucherschutz am 31. Mai 2007 Schlussfolgerungen zur Stärkung von Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Prävention durch ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung beschlossen. Ich wiederhole: Es wurde nicht nur darüber diskutiert, sondern es wurden Schlussfolgerungen beschlossen. Achtens. Im Nachgang zur EU-Tierschutzkonferenz vom 28. März 2007 mit dem Titel „Tierschutz - Verbesserung durch Kennzeichnung?“ verabschiedete der Agrarrat Schlussfolgerungen. Darin wird die Kommission aufgefordert, die Grundlage dafür zu schaffen, dass aus Sicht der Verbraucher ausführliche Diskussionen über die Einführung eines EU-Tierschutzlabels geführt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das waren acht Kernpunkte, Beschlüsse und Erfolge der deutschen Ratspräsidentschaft im Bereich des Verbraucherschutzes. Ich bin für diese Frage ausgesprochen dankbar; denn sie bot mir die Gelegenheit, einige Punkte anzusprechen, über die in der Öffentlichkeit bisher noch nicht ausführlich diskutiert wurde. Diese Fragestunde lohnt sich also auch für die Öffentlichkeit.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich nehme an, dass Ihnen die Kollegin Höhn durch zwei Nachfragen die Möglichkeit gibt, noch mehr darzustellen. - Bitte, Kollegin Höhn.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Müller, der erste Punkt, den Sie genannt haben, betraf den digitalen Verbraucherschutz. Zu diesem Thema hat meines Wissens einzig und allein eine Konferenz stattgefunden. Dadurch ist der digitale Verbraucherschutz für die Menschen nicht verbessert worden. Der zweite wichtige Aspekt, den Sie angesprochen haben, betraf die Roaminggebühren. Halten Sie das Ergebnis, dass die Mobilfunkkonzerne drei weitere Jahre lang überhöhte Roaminggebühren in Höhe von 49 Cent pro Minute verlangen dürfen, wirklich für einen Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft? Das EU-Parlament hatte Roaminggebühren von 40 Cent pro Minute beschlossen, und Minister Glos ist mit 60 Cent pro Minute in die Verhandlungen gegangen. Ist dieser fragwürdige „Erfolg“ überhöhter Roaminggebühren nicht sogar noch gegen Minister Glos erzielt worden?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Darauf gehe ich gerne ein. Ich möchte auch alle Zuhörerinnen und Zuhörer bitten, ihre Handyrechnungen der Monate Juni und Juli 2007 miteinander zu vergleichen. Nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist, gibt es einen Eurotarif, der für getätigte Gespräche höchstens 49 Cent pro Minute und für eingehende Gespräche höchstens 24 Cent pro Minute betragen darf. Das ist eine wesentliche Senkung der bisherigen Tarife. Natürlich kann man fragen: Warum wurden die Kosten nicht noch stärker gesenkt, und - diese Forderung würde am weitesten gehen - warum kann man in Europa nicht zum Nulltarif mit dem Handy telefonieren? 27 Staaten müssen sich auf einen gemeinsamen Tarif einigen, der auch aus Sicht der Anbieter kostendeckend sein muss. Ich möchte noch präziser werden. Zum einen werden die Kosten innerhalb von zwei Jahren in zwei Stufen noch weiter sinken, nämlich auf 43 Cent pro Minute für getätigte und auf 19 Cent pro Minute für eingehende Gespräche, zum anderen liegen die Tarife heute wesentlich höher. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Bisher kostete ein vierminütiges Gespräch von Frankreich nach Deutschland zwischen 2,76 Euro und 5,12 Euro. Diese Gebühren konnten wir in erheblichem Umfang senken, nämlich um ein Viertel bis ein Drittel; das werden Sie bei einem Blick auf Ihre Handyrechnungen feststellen. Das ist ein Erfolg, der nicht wegzureden ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, im letzten Jahr, am 24. Juli 2006, hat Minister Seehofer dem „Handelsblatt“ gegenüber erklärt, er rechne bis Herbst mit einem Entwurf eines Gesetzes zur Entschädigung von Fahrgästen bei Verspätungen ihres Zuges. Halten Sie die Regelung, die jetzt gefunden worden ist - ab einer Stunde Verspätung be11004 kommt man 25 Prozent des Fahrpreises zurück, ab zwei Stunden Verspätung 50 Prozent -, wirklich für einen großen Erfolg?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Bei einer Stunde Verspätung eine Erstattung von 25 Prozent, bei zwei Stunden von 50 Prozent hätte den Berlinerinnen und Berlinern in den letzten Tagen um einiges geholfen. ({0}) Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal, dass europaweit bei einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises erstattet werden sollen und bei zwei Stunden 50 Prozent. Unabhängig davon wird die Bundesregierung mit der Deutschen Bahn AG in den nächsten Wochen Gespräche über mögliche Ausnahmen von den Regelungen der Verordnung führen - Termine dafür sind bereits fixiert -, um national, auch was die Terminlage anbetrifft, ein Stück weit vorauszugehen. Wir gehen davon aus, dass sich die Deutsche Bahn AG und die anderen Anbieter in Deutschland diesen europäischen Kompromiss zu eigen machen und nicht auf die nationale Umsetzung europäischen Rechts warten, sondern von sich aus entsprechend reagieren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Fuchtel.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben hier eine Reihe von Erfolgen der Bundesregierung aufgeführt. Können Sie etwas zu der weiteren Entwicklung in den einzelnen Bereichen sagen? Was hat sich die Regierung vorgenommen, um einerseits zu kontrollieren, dass die Beschlüsse auf europäischer Ebene auch umgesetzt werden, und andererseits die Umsetzung im nationalen Rahmen zu betreiben? Gibt es da ein Timing und Vorgaben?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Herr Abgeordneter Fuchtel, ich habe acht Punkte genannt. Ich glaube, die allerwenigsten waren der deutschen Öffentlichkeit bisher bekannt, vielleicht auch weil wir manchmal zu viel arbeiten. Im Rahmen unserer Ratspräsidentschaft war konkrete Gesetzesarbeit angesagt und keine Pressearbeit. Die konkreten Ergebnisse, die ich vorgestellt habe, gelten zum Teil bereits jetzt, seit Anfang Juli, oder ab August europaweit, und zwar in Form einer unmittelbar geltenden Verordnung, die nicht erst in nationales Recht umzusetzen ist; bei den Richtlinien ist es dagegen in der Tat eine Frage der nationalen Umsetzung. Was uns in der politischen Arbeit ein Stück weit stolz macht, ist, dass wir nicht über Grünbücher und Weißbücher diskutiert haben und was es sonst noch alles an Willensbekundungen der Europäischen Union gibt, sondern dass wir den Stapel der Verordnungen, der Vorschläge, die über Jahre hinweg diskutiert worden sind, abgearbeitet haben. Ich erinnere noch einmal an die Verbraucherkreditrichtlinien, über die wir drei, vier, fünf Jahre diskutiert haben. Wir haben sie unter der Präsidentschaft von Minister Seehofer abgearbeitet, indem Kompromisspakete zusammengebunden wurden. Doch es bleibt, wie es immer ist: Wie der Bauer die Kuh am nächsten Tag wieder melken muss, so geht das Geschäft in der Politik Tag für Tag weiter. Wir haben viele Themen auf der Tagesordnung. Ich nenne in diesem Zusammenhang den von mir zuerst genannten Bereich, den Beschluss einer verbraucherpolitischen Strategie für den Zeitraum von 2007 bis 2013, in dem circa 20 Punkte angesprochen werden, bei denen die EU und die nationalen Regierungen in den nächsten drei bis fünf Jahren tätig werden. Ich sage an dieser Stelle aber auch sehr deutlich: Es kommt nicht nur darauf an, viel über Europa auf den Weg zu bringen. Manchmal kommt es auch darauf an, das eine oder andere eben nicht auf diesen Weg zu bringen, sondern national zu regeln. Masse ist nicht unbedingt Klasse. Aber ich glaube, die Dinge, die wir verabschiedet haben, sind auch qualitativ gut.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Steenblock.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich möchte das Thema Roaming gern noch einmal aufgreifen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber normale deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher müssen auch Mehrwertsteuer zahlen. Das heißt, dass sich die von Ihnen genannten 49 Cent für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf 58,3 Cent erhöhen. Sie haben gesagt, dass man für ein vierminütiges Gespräch aus Frankreich nach Deutschland mindestens 2,76 Euro zahlen muss. Nach der neuen Regelung muss man ungefähr 2,35 Euro zahlen. Ist der Erfolg, den Sie gerade proklamiert haben, vor dem Hintergrund dieser Zahlen nicht ausgesprochen bescheiden ausgefallen, und wäre es nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, hier zu größeren Einsparungen zu kommen? Die Konzerne verdienen schließlich enorm viel durch die hohen Gebühren für Auslandsgespräche.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Wir waren und sind mit Ihnen der Meinung, dass die Gebühren für Auslandsgespräche im oberen Preissektor angesiedelt waren. Deshalb war dieses Thema in Europa längst regelungsbedürftig. Wirtschaftsminister Glos, der federführend verhandelt hat, hat hier einen Erfolg erzielt. Sie haben gerade dargestellt, dass man, wenn man die Mehrwertsteuer hinzurechnet, je nach Anbieter auf 3,10 Euro bis 3,15 Euro kommt. Im Augenblick zahlt man bis zu 5,12 Euro; in anderen europäischen Staaten geht es sogar noch darüber hinaus. Das heißt: Wenn Sie heute einen günstigen Anbieter wählen - im Hinblick auf die Verbraucher muss ich sagen: Nutzen Sie die Beratung in den Verbraucherzentralen; es gibt entsprechende Angebote und Programme! -, können Sie die Gebühren für Auslandsgespräche nach der neuen Regelung halbieren, wenn Sie vorher einen teuren Anbieter hatten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Ina Lenke auf: Welche Zwischenergebnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der Bewertung der 145 familienbezogenen Leistungen und Maßnahmen, die mit 184 Milliarden Euro beziffert werden, durch das Kompetenzzentrum vor, und zu welchem Termin wird das Kompetenzzentrum den Endbericht vorlegen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Der Schwerpunkt der bisherigen Arbeit lag auf der Analyse und Bewertung der Förderung von Familien mit Kindern in der Kleinkindphase sowie der frühen Bildung und Förderung von Kindern, also auf dem, worüber wir auch in der Öffentlichkeit höchst intensiv diskutieren. Die Ergebnisse dieser Schwerpunktarbeit sind unmittelbar in die Ermittlung des Bedarfs und der Kosten für den Ausbau der Betreuungsangebote sowie in die Klärung und Ausgestaltung der Finanzierung bzw. der Finanzierungswege für den Ausbau der Betreuung eingegangen. Das waren wichtige Informationen, um politische Entscheidungen rational treffen zu können; denn es gab bislang ein Erkenntnisdefizit. Man braucht gemeinsame Einschätzungen der Ausgangssituation mit den unterschiedlichen Gesprächspartnern, um zu vernünftigen politischen Ergebnissen zu kommen. Beim zweiten Bereich, der bearbeitet worden ist, ging es um die Klärung der Methodik zur Systematisierung und Bilanzierung familienbezogener Leistungen. Das war immer strittig und wird auch weiterhin erörtert werden müssen. Hier sind Studien im nationalen und im internationalen Kontext angefertigt worden. Daneben wurde eine Systematisierung zur Unterscheidung von Familienförderung, verfassungsrechtlich gebundenen Maßnahmen und allgemeinen Maßnahmen des Familienlastenausgleichs ausgearbeitet. In der zweiten Hälfte dieses Jahres wird sich das Kompetenzzentrum verstärkt mit der Förderung von Familien mit drei und mehr Kindern befassen. Es wird darum gehen, ein Konzept für eine Wirkungsanalyse des Gefüges familienbezogener Leistungen und Maßnahmen zu erstellen, die sich am Lebensverlauf ausrichten und auf Familien mit drei und mehr Kindern beziehen. Nach Lage der Dinge wird das Kompetenzzentrum, wie seinerzeit angegeben, zum 31. März 2008 seinen Bericht vorlegen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, eine Vorlage des Berichts am 31. März 2008 ist viel zu spät. Die Bundeskanzlerin hat die Familienministerin vor einigen Monaten aufgefordert, schneller zu Bewertungen zu kommen. Es mag zwar richtig sein, dass die Analysen vorbereitet werden müssen. Aber was die Finanzierung der Krippen angeht, ist es unseres Erachtens sehr wichtig, dass Sie Herrn Steinbrück eine Antwort geben, der Teile der 4 Milliarden Euro für die Krippenbetreuung aus der Bündelung der familienbezogenen Leistungen aufbringen will. Damit können Sie nicht warten, weil jetzt der Haushalt für das Jahr 2008 aufgestellt wird. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang, zu welchen Ergebnissen Sie bei der Bündelung kommen: Welche Leistungen können wegfallen oder müssen zusätzlich ausgebaut werden?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ihre erste Bemerkung war eine Bewertung. Diese teile ich ausdrücklich nicht. Was Ihre Frage angeht, habe ich darauf hingewiesen, dass wir uns insbesondere um die Bewertung der Förderung von Familien mit Kindern in der Kleinkindphase gekümmert haben, da wir diese Daten für Gespräche mit dem Finanzministerium, innerhalb der Bundesregierung, aber auch mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden benötigt haben. Diese Daten werden insofern teilweise politisch kommuniziert. Das war zunächst das Wichtigste, das wir uns vorgenommen hatten. Ich habe auch erläutert, was wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres vorhaben. Aus diesem Arbeitsprogramm ergibt sich logischerweise, dass wir frühestens Anfang 2008 einen abschließenden Bericht vorlegen können. Zu einzelnen Punkten ist Auskunft gegeben worden. Das heißt, was an Fakten vorliegt, fließt jeweils auch in den politischen Diskussionsprozess ein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Frage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Familienministerin von der Leyen hat gestern bei Ihrem Treffen mit den Landesministern ein Betreuungsgutscheinmodell vorgeschlagen. Auch daraus ist nichts geworden. Das war der x-te Betreuungsgipfel, bei dem kein Ergebnis erzielt wurde. Die Ministerin muss doch etwas angeboten haben. Woher kommt das Geld für die Betreuungsgutscheine? Das hat auch etwas mit der Bündelung der Familienleistungen zu tun. Es müssen doch Ergebnisse vorliegen. Ohne Ergeb11006 nisse hätte Ministerin von der Leyen kein Betreuungsgutscheinmodell vorschlagen können. Ich bitte Sie, bei der Beantwortung dieser Frage auch auszuführen, was die Ministerin mit dem Betreuungsgutscheinmodell meint.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Erstens stelle ich noch einmal ausdrücklich fest, dass ich die von Ihnen vorgenommene Bewertung nicht teile. Sie verfolgen offenkundig Presseberichte, die in sich völlig widersprüchlich sind. Mir liegt zufällig ein Auszug aus der Berichterstattung vor. Darin lautet die Überschrift eines Artikels: „Bund und Länder nähern sich an“. Ein anderer Artikel auf der Seite trägt den Titel „Finanzierung wieder offen“. Zweitens. Sie definieren die Diskussionen als Gipfel. Das ist Ihre Interpretation. Arbeitsgespräche müssen mehrfach stattfinden; das ist ein Prozess. Wir haben im Februar dieses Jahres angefangen. Jetzt ist gerade Juli. Wir haben fest vor, das Ganze zum 1. Januar 2008 auf den Weg zu bringen. Lassen Sie sich überraschen. Sie werden feststellen, dass dies gelingen wird. Im Übrigen werden unterschiedliche Finanzierungswege diskutiert. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage berücksichtigt, ob Gutscheine hilfreich sein können. Dass man dies erörtern muss, weil es Vor- und Nachteile gibt, ist völlig klar. Dass diejenigen, die diese Unterstützung leisten - die Finanzierung soll durch den Bund, die Länder und die Kommunen erfolgen -, unterschiedliche Vorstellungen haben, ist völlig normal; denn bei der bundesweiten Einführung eines Gutscheinmodells handelt es sich um ein neues Verfahren. Das setzt einen Diskussionsprozess voraus. Wir sind völlig im Zeitplan, kluge Wege zu entwickeln, die allgemein Zustimmung finden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Burgbacher.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, „Lassen Sie sich überraschen“ bedeutet im Klartext: Lassen Sie sich vor vollendete Tatsachen stellen. Deshalb frage ich noch einmal: Können wir in absehbarer Zeit mit Zwischenergebnissen rechnen, oder ist es vorgesehen, dass Ganze erst zum Schluss zu präsentieren? Wann können wir mit Zwischenergebnissen rechnen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wenn die vorbereitenden Gespräche mit den Ländern abgeschlossen sind, wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen. Zum Zeitverlauf, was das Inkrafttreten des Vorhabens angeht, habe ich mich bereits geäußert. Der Gesetzentwurf wird auf parlamentarischer Ebene zwischen Bundestag und Bundesrat intensiv beraten. Das wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres erfolgen müssen, wenn der eben genannte Termin 1. Januar 2008 stimmt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Die Fragen 6 und 7 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Wer ist nach Auffassung der Bundesregierung Aufgabenträger beim Transrapidprojekt in München und hat damit auch für die Kostenmehrung bei der Investition originär aufzukommen, und welche Gesamthöhe der Investitionskosten, zu bestreiten durch die öffentliche Hand, hält die Bundesregierung für vertretbar? Bitte, Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Hofreiter, die Deutsche Bahn AG bedient sich der DB Magnetbahn GmbH, um das Transrapidprojekt in München eigenwirtschaftlich zu planen, zu bauen und zu betreiben. Das Transrapidprojekt in München ist ein Nahverkehrsprojekt. Gleichwohl ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Transrapidprojekt in München nicht nur verkehrlichen Belangen Rechnung trägt, sondern auch einen hohen industriepolitischen Nutzen aufweist. Daher ist sie mit dem Freistaat Bayern übereingekommen, sich an der Finanzierung des Projektes zu beteiligen. Es werden derzeit Gespräche mit Vertretern des Freistaates Bayern sowie der DB AG zu offenen Fragen hinsichtlich der Gesamtfinanzierung und einer Verteilung der Risikotragung im Falle der Realisierung des Projektes geführt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, Herr Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Könnte der Herr Staatssekretär meine zweite Frage gleich mitbeantworten, weil sie in einem engen Systemzusammenhang mit der ersten steht?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wenn auch der Herr Staatssekretär das so sieht.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Gerne.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann rufe ich die Frage 9 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Wie lange hält die Bundesregierung ihre Finanzierungszusage für das Transrapidprojekt in München aufrecht, und kann sich die Bundesregierung eine Umschichtung der im Haushalt für das Transrapidprojekt in München veranschlagten Mittel für eine Verbesserung der Schienenverbindung zwischen München Hauptbahnhof und Flughafen München vorstellen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Bundesregierung geht davon aus, Herr Kollege Hofreiter, dass die laufenden Gespräche mit dem Freistaat Bayern und der DB AG zeitnah zu einem Abschluss gebracht werden können. Haushaltsrelevante Schlussfolgerungen oder sogar haushaltsrechtliche Festlegungen sind nach Abschluss der Gespräche möglich.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Hofreiter, Sie haben die Möglichkeit zu insgesamt vier Nachfragen.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die wortreiche Nichtbeantwortung meiner Fragen. Ich habe in der Frage 8 nach dem Aufgabenträger und nach den maximalen Zuschüssen für das Konzept gefragt, die der Bund für gerechtfertigt hält. Beide Fragen haben Sie gar nicht beantwortet. Wer ist letztendlich der Aufgabenträger: der Bund oder Bayern? Dabei geht es darum, wer die zu erwartenden Mehrkosten trägt. Eine weitere Frage ist, wie viel der Bund maximal trägt. Hier geht es um Zahlen. ({0})

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Hofreiter, ich habe Ihre Fragen sehr wohl beantwortet. Wenn man andere Antworten erwartet hat, kann man sicherlich der Meinung sein, dass ich gar nicht geantwortet habe. Der Aufgabenträger, also derjenige, der das Projekt plant, baut und betreibt, ist die DB Magnetbahn GmbH, eine Tochter der Deutschen Bahn AG. Ich habe klargemacht, dass wir gemeinsam mit dem Freistaat Bayern die Finanzierung sicherstellen wollen, weil das sowohl für Bayern als auch für uns ein wichtiges Nahverkehrsprojekt ist und daher eine gemeinsame Finanzverantwortung besteht und weil wir darin einen industriepolitischen Nutzen für den Bund sehen. Das ist die Grundlage für die Gespräche, die wir zurzeit führen. Wenn Gespräche noch laufen, kann ich Ihnen Fragen zu genauen Summen schlechterdings nicht beantworten. Das werden Sie sicherlich einsehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, noch eine Frage zu formulieren, Herr Hofreiter. ({0})

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich sehe selbstverständlich ein, dass Sie mir keine Summe nennen können, die Sie zahlen werden. Vielmehr ist die entscheidende Frage, welches maximale Angebot an Bayern Sie sich vorstellen können. Darauf kann man durchaus mit einer Zahl antworten, es sei denn, Sie wissen keine.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Staatssekretär, Sie entscheiden, was Sie antworten.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich antworte gerne. - Herr Dr. Hofreiter, Sie werden mir in der Sommerpause fehlen, weil ich dann keine Fragen zum Transrapid beantworten darf. Sie kennen doch alle Zahlen in- und auswendig. Ich weiß nicht, ob Sie damit rechnen, dass ich einen Blackout habe und andere Zahlen nenne. Wie Sie wissen, stehen 1,85 Milliarden Euro in Rede. Es gibt zudem einen Beschluss des Deutschen Bundestages - dieser manifestiert sich im Haushaltsgesetz -, wonach wir uns mit maximal 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Ich weiß nicht, welche neuen Zahlen Sie aus mir herauslocken wollen. Es gibt jedenfalls keine.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich befürchte, dass Sie Ihre Sommerplanungen koordinieren müssen, um sich zu begegnen und vielleicht Neuigkeiten auszutauschen. Erst einmal herzlichen Dank für die Beantwortung dieser beiden Fragen. Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Veronika Bellmann: Welche Projekte beabsichtigt die Bundesregierung bezüglich der TEN-Zuschüsse für den Mehrjahreszeitraum 2007 bis 2013 bzw. das Jahresprogramm 2008 bis zum 20. Juli 2007 bei der EU-Kommission anzumelden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank. - Frau Kollegin Bellmann, durch die DB Netz AG werden Anträge auf den höchstmöglichen TEN-Zuschuss über das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für das Mehrjahresprogramm 2007 bis 2013 gestellt. Die Anträge der DB Netz AG liegen jedoch noch nicht vor, sodass über die konkreten Projekte noch keine Aussagen getroffen werden können. Im Rahmen des Mehrjahresprogramms werden Anträge für die umweltfreundlichen Schienenprojekte gestellt. Für andere Verkehrsträger, wie zum Beispiel die Straßen, können im Rahmen von Jahresprogrammen Anträge gestellt werden. Für das Jahresprogramm 2008 können noch keine Anträge gestellt werden, lediglich für das Jahresprogramm 2007. Auch hier liegen Anträge noch nicht vor.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben gesagt, es liegen noch keine Anträge vor. Gibt es denn einen Willensbildungsprozess aufseiten der Bundesregierung, was die möglichen Anträge betrifft?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich will Ihnen noch etwas zur Datenlage sagen. Die Verordnung datiert vom Mai. Das heißt, die Europäische Kommission hat etwas länger gebraucht, um auch im Kontakt mit dem Europaparlament die entsprechenden Grundlagen zu schaffen. Wir haben gerade die Antragsformulare bekommen. Sie wissen, dass die Anträge, die wir bei der EU stellen, zunächst von den Verkehrsträgern bei uns gestellt werden müssen. Wir haben eine Frist bis zum 10. Juli gesetzt, Abgabefrist in Brüssel ist der 20. Juli. Wir halten also den zeitlichen Rahmen ein. Der Verkehrsausschuss wurde heute über eine entsprechende Liste informiert. Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie ordentliches Mitglied des Verkehrsausschusses. Ich kann sie Ihnen noch einmal vorlesen. Falls Sie die Liste nicht gelesen haben, könnten wir uns auch darauf einigen, uns auf das Projekt zu beschränken, das Sie meinen. - Wir haben den Ausschuss heute informiert. Damit ist zumindest offenkundig, bei welchen Projekten wir mit Anträgen rechnen. Aber wie viele Anträge tatsächlich gestellt werden, kann ich Ihnen noch nicht sagen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich muss Sie leider etwas korrigieren, Herr Staatssekretär: Ich bin nur stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss und habe heute an der zeitgleich stattfindenden Sitzung des Europa-Ausschusses teilgenommen, in dem ich ordentliches Mitglied bin. Deshalb wäre es günstig, wenn Sie zu dem Projekt, zu dem ich meine Frage gestellt habe, doch noch eine Aussage träfen. Andernfalls könnte ich die Liste sicherlich auch über den Verkehrsausschuss erhalten.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

In Ihrer nächsten Frage, der Frage 11, geht es um die Achse Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-NürnbergDresden. Wenn Sie einverstanden sind, würde ich zunächst die Antwort auf diese Frage geben. Anschließend können wir uns weiter darüber unterhalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann rufe ich nun die Frage 11 auf: Gehört die Weiterentwicklung der Achse 22 RostockBerlin-Dresden-Prag dazu, wenn nein, warum nicht? Nach Ihrer Antwort kann die Kollegin Bellmann exakt drei Nachfragen stellen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Eine Achse 22 existiert in der Form, wie Sie sie formuliert haben, nicht. Es gibt eine vorrangige Achse 22 Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg-Dresden. Für die erste Ausbaustufe der Strecke Rostock-Berlin liegt der EU-Kommission für die laufende Förderperiode ein EFRE-Antrag, also ein Antrag für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, vor. Dieser Antrag ist inzwischen genehmigungsreif. Für die neue Förderperiode ist eine Antragstellung für die Strecken Rostock-Berlin und Berlin-Dresden vorgesehen. Sie sehen daran, dass die Bundesregierung versucht, die Fördermöglichkeiten sehr flexibel zu nutzen. Wenn eine Linie nicht als TEN-Projekt angemeldet ist, besteht wie in diesem Fall die Möglichkeit, einen weiteren europäischen Fördertopf in Anspruch zu nehmen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe zu dem Komplex nur eine Nachfrage. Dieses Thema stand auch auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz Ost in der vorigen Woche. Inwiefern finden die Ergebnisse dieser Konferenz Eingang in Ihre Beschlusslage?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Zur Erläuterung muss ich ein bisschen ausholen. Es gibt eine Liste vorrangiger Projekte, die in Anhang 3 der gemeinschaftlichen Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes dargestellt sind. In dieser Liste sind 30 Projekte aufgeführt. Wenn ein neues Projekt aufgenommen werden soll, müssen wir in die nächste Phase gehen. Das bedeutet, dass eine Veränderung frühestens anlässlich der für 2010 geplanten Revision der Leitlinien möglich ist. Wir müssen also ein formelles Verfahren einhalten und eine Veränderung bei der Kommission beantragen. Hier hat auch das Europäische Parlament ein Mitwirkungsrecht. Von daher können wir nicht von Jahr zu Jahr neue Linien anmelden. Dasselbe Problem haben wir bei der Küstenautobahn A 22. Wir müssen hier ein Beantragungsprozedere auf europäischer Ebene berücksichtigen. Die Möglichkeit gibt es 2010.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine Nachfrage hat der Kollege Steenblock.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich möchte Sie bitten, die Aussage zu den Projekten - ich habe ähnliche Fragen gestellt - zu präzisieren. Sie haben gerade die prioritären TEN-Projekte angesprochen. Es sind 30. Soweit ich weiß, sind davon vier deutsche. Kann sich die Bundesregierung vorstellen - es ist nicht mehr so lange hin bis zum 20. Juli -, für diese vier Projekte, die jetzt bei den TENs dabei sind, Zuschüsse zu beantragen? Welche Projekte sind der Bundesregierung bekannt, die bis zum 20. Juli vielleicht doch noch in das Antragsverfahren kommen könnten?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Abgeordneter Steenblock, es gibt aus meiner Sicht keine vorrangigen Projekte, sondern vorrangige Vorhaben. Diese sind auf Achsen beschrieben. Wir haben heute Morgen im Ausschuss gehört, dass die Mitteilung, die ich dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Dr. Lippold, zugestellt habe, bei einem Teil der Abgeordneten schon angekommen ist, aber noch nicht bei allen. Wir rechnen damit, dass beispielsweise für das vorrangige Vorhaben Achse 1 - das ist die Eisenbahnachse Berlin-Verona-Mailand-Bologna-Neapel-Messina-Palermo - Anträge für verschiedene Streckenabschnitte gestellt werden. Dasselbe gilt für die vorrangige Achse 2 - das ist Aachen-Köln - und für das vorrangige Vorhaben Achse 4, das ist die Hochgeschwindigkeitsachse Ost-West, also Saarbrücken-Ludwigshafen. Es geht ferner um die Achse 17 - das ist die Eisenbahnachse Paris-Straßburg-Stuttgart-Wien-Bratislava -, es geht um Kehl-Appenweier, um Stuttgart 21, um Stuttgart-Ulm, um Augsburg-Mehring-Olching, um München-Mühldorf-Freilassing. Dann geht es um das vorrangige Vorhaben Achse 20 - das ist die Eisenbahnachse Fehmarnbelt - und die Achse 24, die Eisenbahnachse Lyon- Genua-Basel-Duisburg-Rotterdam-Antwerpen. ({0}) Es geht schließlich um das dritte und vierte Gleis der Rheintalbahn - das wissen Sie - und Emmerich-Duisburg und Frankfurt-Mannheim. Das sind mehr als vier Projekte. Wir rechnen damit, dass zu allen vorrangigen Vorhaben Anträge vom Verkehrsträger DB AG gestellt werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat der Kollege Heilmann.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich frage Sie, warum die Medien schon von der Liste in Kenntnis gesetzt waren, offensichtlich aber ein Teil der ordentlichen Ausschussmitglieder des Verkehrsausschusses, zu denen ich zähle, die Liste noch nicht hat. Wie können Sie mir erklären, dass es dazu kommt, dass ich als Parlamentarier davon aus den Medien erfahren muss?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das kann ich mir überhaupt nicht erklären, weil es diese Liste nicht gibt. Ich zitiere einen Entwurf einer Übersicht über Vorhaben. Ich habe Ihnen vorher erklärt, dass wir den Verkehrsträgern eine Frist bis zum 10. Juli gesetzt und noch keinen Antrag im Hause vorliegen haben. Ich habe allerdings im Ausschuss sehr offen darüber gesprochen, dass die „üblichen Verdächtigen“ angemeldet werden. Im Grunde genommen kann jeder Abgeordnete, der Kenntnis von den vorrangigen Vorhaben hat, ohne Gefahr zu laufen, dass er durch die wirkliche Antragslage widerlegt wird, das jetzt schon kommunizieren. Das ist wohl in dem einen oder anderen Fall von Kolleginnen und Kollegen gemacht worden. Wir haben keine Liste. Die können wir erst erstellen, wenn die Antragsfrist abgelaufen ist und wir die Anträge kennen. Wir haben einfach einmal zusammengestellt, welche Vorhaben es gibt. Das ist keine neue Liste. Diese vorrangigen Vorhaben sind dem Deutschen Bundestag seit mehreren Jahren bekannt. Da war offenbar jemand sehr clever und schnell.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Rainder Steenblock auf: Welche Verkehrsprojekte wird die Bundesregierung bei der EU als vorrangig zu fördernde Projekte im Rahmen der TEN-Projekte - transeuropäische Netze - für die Förderperiode 2007 bis 2013 beantragen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Steenblock, meine Antwort ist teilweise redundant, aber das werden Sie verstehen. Durch die DB Netz AG werden Anträge für die Förderperiode 2007 bis 2013 über das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gestellt. Die Anträge der DB Netz AG liegen jedoch noch nicht vor, sodass über die konkreten Projekte noch keine Aussagen getroffen werden können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade die Liste der möglichen Projekte für eine Bezuschussung angesprochen. Sind der Bundesregierung aus dem bisherigen Antragsverfahren Fälle bekannt, in denen der Maximalwert für Zuschüsse - 20 bzw. 30 Prozent, je nach Struktur gezahlt worden ist? Anders formuliert: Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe Zuschüsse zu den TEN-Projekten zurzeit gezahlt werden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Was die Vergangenheit angeht, muss ich die Antwort auf Ihre Frage schuldig bleiben, weil ich nicht im Detail weiß, ob jeweils die maximale Zuschusshöhe gezahlt worden ist. Ich würde sie Ihnen gern schriftlich beantworten. Die jetzige Lösung sieht vor, dass grenzüberschreitende TEN-Projekte mit bis zu 30 Prozent bezuschusst werden sollen. ({0}) - „Können“, da haben Sie völlig recht. - Die anderen Zuschusshöhen liegen bei 20 und bei 10 Prozent. Dort, wo es um Planung geht, liegen sie, glaube ich, bei bis zu 50 Prozent. Angesichts der Fülle der angemeldeten Vorhaben einerseits und der zur Verfügung stehenden Mittel andererseits gehe ich davon aus, dass die maximale Förderhöhe nur bei ganz prioritären Maßnahmen erreicht wird. Sowohl das Europäische Parlament als auch die Europäische Kommission müssen sie für sehr prioritär halten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie keine weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann rufe ich die Frage 13 des Kollegen Rainder Steenblock auf: Wie hoch ist im Falle der Beantragung des Verkehrsprojekts „feste Fehmarnbeltquerung“ für die Förderperiode 2007 bis 2013 der Finanzierungsanteil, den die Bundesregierung bei der EU beantragt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Deutschland und Dänemark wollen für das Querungsbauwerk der festen Fehmarnbeltquerung einen gemeinsamen Antrag und für die Hinterlandverbindungen Anträge auf Zahlung von EU-Mitteln bis zur Höchstförderungsgrenze des TEN-Projekts der EU stellen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, eine Zusatzfrage.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist die Ratifizierung des Staatsvertrags zwischen Deutschland und Dänemark über dieses Projekt Voraussetzung für eine Antragstellung?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Ratifizierung ist nicht Voraussetzung für eine Antragstellung. Auch bei anderen Projekten, deren Realisierung wir vor Augen haben, nehmen wir eine Anmeldung vor, obwohl bestimmte Planungsschritte oder die Baureife fehlen. Wie Sie wissen, sieht die Europäische Kommission die Fehmarnbeltquerung - Herr Barrot hat das mehrfach unterstrichen - als sehr prioritäres Projekt an. Ich gehe davon aus, dass daraus keine Probleme resultieren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich möchte eine zweite Zusatzfrage stellen. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, es werde einen gemeinsamen Antrag zum Bau der Brücke geben. Für die beiden Hinterlandanbindungen Deutschlands sind Projekte in Höhe von ungefähr 800 Millionen Euro im Gespräch. Wird es eine gemeinsame Beantragung dieser Projekte geben, oder wird jedes Land einen eigenen Antrag stellen? Auch wenn Sie noch nicht alle Projekte der DB AG kennen, sind Sie über den Gang der Entscheidungen in etwa informiert.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich habe an den Verhandlungen - sie haben letzte Woche Freitag stattgefunden - nicht persönlich teilgenommen. Ich weiß jetzt nicht, ob ein gemeinsamer Antrag auch dafür vorgesehen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es Sinn macht, diese eindeutig national begründeten Projekte auch national zu beantragen. Auch dazu würde ich Ihnen die vollständige Antwort gern schriftlich geben. Ich habe sie jetzt nicht parat.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage zu diesem Themenkomplex möchte der Kollege Heilmann stellen.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass nach 25-jähriger Refinanzierung einer festen Fehmarnbeltquerung weiterhin Mautgebühren in einer Höhe von mindestens 60 Euro erhoben werden, die nicht allein dem dänischen Staat zufließen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben das Verhandlungsergebnis erzielt, dass die Fehmarnbeltquerung von dänischer Seite geplant, gebaut und betrieben wird. Das heißt, das volle Risiko übernimmt Dänemark.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat die Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Wird in irgendeiner Form über einen maximalen Zeitraum diskutiert, in dem es Mautzahlungen überhaupt geben darf? Gibt es irgendwelche Verhandlungen über Festlegungen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich habe in der Beantwortung der Frage von Herrn Heilmann schon darauf hingewiesen, dass dieses Projekt in alleiniger Verantwortung des Königreichs Dänemark durchgeführt wird. Deshalb kann ich diese Frage nicht beantworten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Der Herr Kollege Storjohann hat noch eine Nachfrage.

Gero Storjohann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003643, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage zur Förderung. In der Region Ostholstein wird behauptet, dass nicht die GesamtGero Storjohann kosten des Brückenbauwerks Grundlage der Förderung seitens der EU sind, sondern nur der Anteil der Schienenmaßnahme auf der Brücke. Was ist nun richtig?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Auch das würde ich gern erst dann beantworten, wenn die Anträge der Projektträger vorliegen. Ich habe Ihnen bei der Antwort auf die Frage zu den TEN-Vorhaben - es ging darum, welche Vorhaben voraussichtlich angemeldet werden - gesagt, dass Schienenprojekte als vorrangige Vorhaben gefördert werden sollen. Von daher gehe ich davon aus, dass das auch auf die Brücke zutrifft. Auf der anderen Seite ist es ein grenzüberschreitendes Verkehrsprojekt. Weil wir in dem Fall auch Anträge für Straßenbaumaßnahmen stellen können, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es zu einer gemischten Beantragung kommt. Wie gesagt, die Verhandlungen sind gerade erst abgeschlossen worden. Es gibt noch nicht einmal eine Information in Form eines Vermerks für das Haus selber. Ich würde Ihnen die präzise Antwort gern dann geben, wenn der Informationsstand etwas gesicherter ist. Sie wissen, dass man sich bei solchen Gesprächen auf etwas einigt, dass dann aber noch vielfältige Detailarbeit notwendig ist. Sie haben davon gehört, dass wir Staatsverträge vorbereiten müssen. Das heißt, es kommt zu einem Gesetzgebungsverfahren des Deutschen Bundestages. Das alles müssen wir jetzt seriös abarbeiten, um dann auf der sicheren Seite zu sein. Bis zum 20. Juli werden wir uns mit den Dänen sicherlich darüber geeinigt haben, wie viele Mittel wir für die Fehmarnbeltquerung beantragen. Ich darf vielleicht noch darauf hinweisen, dass wir nicht die gesamten Kosten für den Förderzeitraum 2007 bis 2013 anmelden werden; es wird sozusagen nur eine erste Tranche sein. Die TEN-Mittel laufen 2013 aus. Dann gibt es eine neue finanzielle Vorausschau. Darin wird neu festgelegt, welche Mittel für weitere TEN-Projekte zur Verfügung stehen. Die Dänen rechnen damit, dass 2018 die Fertigstellung erfolgt. Das bedeutet, dass der weitaus größere Bauabschnitt - damit auch die Beantragung der Mittel in den nächsten Förderzeitraum fallen wird. Wir haben also genug Möglichkeiten, bei der Anmeldung sehr flexibel zu reagieren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zu Fragen zu diesem Geschäftsbereich mehr. - Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Frage 14 des Kollegen Dr. Ilja Seifert sowie die Fragen 15 und 16 der Kollegin Sylvia KottingUhl werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 17 des Kollegen Wolfgang Wieland ist zurückgezogen worden. Die Frage 18 des Kollegen Christoph Waitz wird schriftlich beantwortet. Zur Beantwortung der weiteren Fragen aus diesem Geschäftsbereich steht die Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Sevim Dağdelen auf: Welche Organisationen wurden/werden nach welchen Gesichtspunkten zum zweiten Integrationsgipfel der Bundesregierung am 12. Juli 2007 eingeladen?

Not found (Gast)

Ich beantworte die Frage wie folgt: Zum zweiten Integrationsgipfel werden dieselben Organisationen eingeladen, die auch beim ersten Integrationsgipfel vertreten waren. Am ersten Integrationsgipfel nahmen teil: Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen sowie Einzelpersönlichkeiten, die zuständigen Ministerinnen und Minister des Bundes, von der Ministerpräsidentenkonferenz benannte Vertreter der Länder, Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und ausgewählter Kommunen sowie von Wirtschaftsverbänden, außerdem Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, der Medien, der Kultur, ausgewählter Stiftungen, sonstiger bundesweit tätiger Verbände und Vereine, der Wissenschaft, von Einrichtungen der praktischen Integrationsarbeit. Für den Deutschen Bundestag wurden Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionsvorstände eingeladen. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die Antwort der Bundesregierung auf Frage 6 der Kleinen Anfrage der FDPFraktion zum Thema Integrationsgipfel und Islamkonferenz der Bundesregierung vom 7. Dezember 2006.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage bitte, Frau Kollegin.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin Böhmer, meine erste Frage bezieht sich auf das, was Sie am Ende Ihrer Antwort im Hinblick auf die Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 7. Dezember 2006 gesagt haben. Ist die Vermutung richtig, dass die Bundesregierung vor dem ersten Integrationsgipfel letztes Jahr kritische Nachfragen zu konkreten Zusammensetzungen der eingesetzten Arbeitsgruppen verhindern wollte oder dass sie diese Fragen immer noch verhindern will? Das frage ich in Anbetracht der Situation, dass bezüglich des Antwortverhaltens der Bundesregierung eine permanente Verweigerungshaltung nachweisbar ist, was die Auflistung der Personen bzw. der Institutionen angeht, die in den jeweiligen Arbeitsgruppen zur Erarbeitung eines Nationalen Integrationsplans mit eingebunden sind bzw. die letztes Jahr und auch dieses Jahr zu dem Integrationsgipfel eingeladen wurden. Ich möchte daran erinnern, dass es auch eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke gab, die von der Bundesregierung am 14. November 2006 beantwortet wurde. In ihrer Antwort teilte die Bundesregierung mit, dass eine Übermittlung von Personendaten im Rahmen der Antwort auf eine Kleine Anfrage angeblich nicht möglich ist. Die FDP-Fraktion erhielt auf ihre Kleine Anfrage die Antwort, dass man die Institutionen und Personen nicht in der Antwort auf die Kleine Anfrage auflisten könne, weil die gesetzlichen Vorschriften zur informationellen Selbstbestimmung dies verbieten würden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, sich ein bisschen kürzer zu fassen, damit der Inhalt der Frage wirklich erfasst werden kann.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Mache ich. - Ist in Anbetracht dessen, dass die Listen mit den Namen der Personen und auch der Institutionen und Organisationen, die teilgenommen haben, online verfügbar sind, nachvollziehbar, dass die Vermutung naheliegt, die Bundesregierung habe kritische Nachfragen behindern oder auch verhindern wollen, indem sie keine Antworten gegeben hat?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, Ihre Vermutung ist schlichtweg falsch.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Habe ich, Frau Präsidentin. - Die zweite Nachfrage ergibt sich aus Tickermeldungen des vergangenen Tages. Gibt es Verbände oder Personen, Frau Staatsministerin, die mit Verweis auf die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes und auch auf die Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Rahmen der elf EU-Richtlinien, die umgesetzt worden sind, eine Einladung ausgeschlagen haben oder ihre Teilnahme abgesagt haben? Ich frage dies, weil es gestern Tickermeldungen von AFP und auch von epd gab, dass der Integrationsgipfel wegen neuer Ausländergesetze zu scheitern drohe und Verbände ihre Teilnahme infrage stellten.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn Sie die neuen Tickermeldungen von heute verfolgen, dann stellen Sie fest, dass die von gestern überholt sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage hat nun die Kollegin Hirsch. ({0})

Not found (Gast)

Ich kann Ihnen an dieser Stelle gerne noch mehr sagen. Sie haben es gestern ja auch verfolgt: DITIB hat sich öffentlich geäußert, auch in einer Pressekonferenz. Ich habe gestern mit einem Vertreter von DITIB persönlich gesprochen und habe ihm Sachverhalte erläutert. Wir sind in einem guten Kontakt. Ich wiederhole hier gerne, dass alle, die wir eingeladen haben, herzlich willkommen sind. Wir haben einen gemeinsamen Integrationsprozess begonnen, der den neuen Weg beschreibt: Wir reden nicht mehr über die Migranten, sondern wir reden mit ihnen. Das möchten wir gerne fortsetzen. Dabei ist es auch wichtig, dass alle, die an den Arbeitsgruppen des ersten Integrationsgipfels beteiligt waren, diese Arbeit fortsetzen; denn wenn der Nationale Integrationsplan vorliegt, kommen wir in die außerordentlich spannende Phase der Umsetzung. Diese Arbeit dient den vielen Menschen in unserem Land, die zugewandert sind allein 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind türkischstämmig. Ich bin mir sicher, dass die Migrantenorganisationen um ihre Verantwortung an dieser Stelle wissen und sie auch entsprechend wahrnehmen werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort zu einer weiteren Frage hat nun die Kollegin Hirsch. ({0}) - Natürlich hat sie geantwortet. Frau Kollegin Hirsch, bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es gab von über 20 Organisationen, die am Integrationsgipfel beteiligt sind, einen offenen Protestbrief. Darin heißt es, dass mit dem EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz - ich zitiere - „Sinn und Zweck des Integrationsgipfels“ infrage stehen. Mich würde interessieren, ob aufgrund dieser scharfen Kritik in irgendeiner Form Konsequenzen gezogen wurden bzw. ob sie Auswirkungen hatte. Gab es also zum einen Organisationen oder auch Einzelpersonen, die in irgendeiner Form im Rahmen dieses Prozesses aus Arbeitsgruppen ausgestiegen sind? Gibt es zum anderen dazu eine Stellungnahme von Ihnen oder vielleicht sogar direkt von der Bundeskanzlerin?

Not found (Gast)

Es hat eine sehr erfreuliche, intensive Zusammenarbeit in allen Arbeitsgruppen stattgefunden. Höchst erfreulich, Frau Kollegin, ist, dass neben dieser intensiven Zusammenarbeit im Zuge dieses Prozesses gerade vonseiten der Migrantenorganisationen zahlreiche Selbstverpflichtungen bei der Erarbeitung des Nationalen Integrationsplans eingegangen wurden. Dies ist hoch anzuerkennen und zeigt, dass das gemeinsame Verständnis von Integration, an dem wir arbeiten, wirklich tragfähig sein wird. Dass es Kritik an einzelnen Punkten des RichtlinienUmsetzungsgesetzes gibt, ist uns bekannt. Wir sind hier auch im Gespräch. Die Sichtweise, die ich an dieser Stelle einnehme, ist ganz eindeutig: In diesem Gesetz sind viele Punkte enthalten, die die Integration befördern werden. Sevim DaðdelenSevim Dağdelen

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage hat Frau Kollegin Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatsministerin, ich würde gerne wissen, ob solche nichtstaatlichen Organisationen wie Flüchtlingsinitiativen und -verbände, die ja kritisieren, dass der Fokus der Integrationsbemühungen auch auf die illegal in Deutschland lebenden Menschen gerichtet werden müsse, eingeladen waren und, wenn nicht, warum nicht.

Not found (Gast)

Wir haben die gleichen Organisationen wie beim letzten Mal eingeladen. Darüber hinaus konnten im Rahmen der Integrationsforen auch weitere hinzukommen. Sie wissen, dass das Thema Illegalität in der weiteren parlamentarischen Diskussion eine Rolle spielt. Wir haben den Schwerpunkt auf die 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund gelegt, die in unserem Land leben, daneben aber natürlich auch solche Fragen behandelt. Zugleich haben wir auch klare Verabredungen zwischen gesetzlichen Initiativen und dem Nationalen Integrationsplan getroffen. Wir müssen nämlich sehr wohl sehen, dass Integration über weite Strecken eine gesellschaftspolitische Aufgabe ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort zu einer weiteren Nachfrage der Kollege Heilmann.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatsministerin, Sie sagten, dass die Tickermeldung von gestern mittlerweile veraltet sei. ({0}) Deswegen frage ich Sie, ob Sie Kenntnis von der dpaMeldung von 13.48 Uhr haben, in der DITIB mit dem Rückzug droht.

Not found (Gast)

Ich habe die Meldung so verstanden - es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir die im Raum stehenden Meldungen einmal wechselseitig austauschten -, dass DITIB noch überlegt, aber noch keine Entscheidung getroffen ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit kommen wir zur Frage 20 der Kollegin Sevim Dağdelen: Auf welche Weise und in welchem Umfang flossen die in den Abschlussberichten der nach dem ersten Integrationsgipfel eingesetzten Arbeitsgruppen bzw. deren Unterarbeitsgruppen dokumentierten Feststellungen und Vorschläge in den Nationalen Aktionsplan Integration ein, der am 12. Juli 2007 beim zweiten Integrationsgipfel vorgestellt werden wird? Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen werden als Teil des Nationalen Integrationsplans unverändert wiedergegeben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das ist sehr schön, dass all das unverändert wiedergegeben wird. Inwiefern wurden die Abschlussberichte der Unterarbeitsgruppen und der Arbeitsgruppen veröffentlicht bzw. warum werden bzw. wurden sie nicht oder nur zum Teil veröffentlicht? Planen Sie noch, diese Abschlussberichte komplett zu veröffentlichen? Wenn nicht, warum nicht?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich habe eben gesagt, dass die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen zu allen Themenfeldern als Teil des Nationalen Integrationsplanes veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung findet mit dem Integrationsgipfel am 12. Juli statt, und sie werden dort eins zu eins dokumentiert werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre weitere Nachfrage, bitte.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich bitte Sie, etwas zu dem Verdacht zu sagen, dass - laut Berichten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Arbeitsgruppen - im Nationalen Integrationsplan ohnehin nur diejenigen Vorschläge der Arbeitsgruppen aufgenommen werden, die in dem Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Richtlinien den Vorstellungen entsprechen.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, alles was in den Arbeitsgruppen als Ergebnis der Arbeit festgehalten wird, wird auch in dieser Form veröffentlicht, und zwar, wie gesagt, eins zu eins.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Es gibt zu diesem Themenkomplex noch mehrere Nachfragen. Zuerst die Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

In ihren Antworten auf Kleine Anfragen der Fraktion Die Linke hat sich die Bundesregierung geweigert, die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen des Integrationsgipfels zu benennen. Könnte das damit zusammenhängen, dass dann aufgefallen wäre, dass zwar Vertreter der Koalitionsfraktionen des Bundestages vertreten sind, aber nicht der Oppositionsfraktionen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich weise Ihre Unterstellung deutlich zurück.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage des Kollegen Heilmann.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatsministerin, können der Integrationsgipfel und der Nationale Integrationsplan überhaupt noch glaubwürdig sein, nachdem im Namen der Integration die Rechte von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz massiv beschnitten wurden, etwa durch die Beschränkung des Rechts auf Ehegattennachzug, die auch nach Aussage vieler Sozialdemokraten bzw. nach Andeutung des Innenausschussvorsitzenden Edathy hier im Plenum verfassungswidrig sein dürfte?

Not found (Gast)

Herr Kollege, zum einen gehe ich davon aus, dass ein Gesetz, das vom Innenministerium, welches besonders der Verfassungsgemäßheit und deren Prüfung verpflichtet ist, erarbeitet worden ist, der Verfassung genügt. ({0}) Zum anderen unterstützt dieses Gesetz in vielen Punkten deutlich die Integration; der frühe Erwerb der deutschen Sprache ist für eine schnelle Integration außerordentlich hilfreich.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort zu einer weiteren Nachfrage hat nun die Kollegin Höger.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich denke, dass mit dem Integrationsgipfel und dem Nationalen Integrationsplan unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden. Wie kommen Sie auf die Idee, den Nationalen Integrationsplan, welcher Ziele der Integrationspolitik, konkrete Maßnahmen und Selbstverpflichtungen enthalten soll, mit der gesetzlich vorgesehenen Vorlage eines Berichtes über die Lage von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland zu verbinden?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, Sie haben selbst einen Antrag gestellt, der morgen im Deutschen Bundestag behandelt werden wird. Wir werden uns dann dieser Thematik zuwenden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Fragestellerin ist nun die Kollegin Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatsministerin, im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe 4 heißt es einleitend, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der nichtstaatlichen Organisationen das Ausklammern ausländerrechtlicher Fragestellungen wiederholt kritisiert hätten. Insbesondere hätte erörtert werden müssen, wie Geduldete und Illegalisierte in ein Integrationskonzept mit einbezogen werden können, was das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz erfordert, schreibt diese Gruppe. Ich frage Sie, inwieweit das Mandat, also die Themenbereiche der Arbeitsgruppen, beschränkbar ist - Ausklammerung von Flüchtlingen, Illegalisierten, ausländerrechtlichen Fragestellungen, Wahlrecht - und inwieweit sich Arbeitsgruppen über welche Vorgaben hinweggesetzt haben.

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Frau Kollegin, wir achten sehr die Arbeit des Deutschen Bundestages. Hier sind zwei parallele Prozesse abgelaufen. Das eine ist der Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung der EU-Richtlinien, das andere ist der Prozess zur Erarbeitung des Nationalen Integrationsplanes. Hier gab es die Verabredung - das wurde auch allgemein akzeptiert -, dass sich auf der einen Seite der Deutsche Bundestag um die Gesetzgebung kümmert und dass auf der anderen Seite das große Feld der gesellschaftspolitischen Entwicklung seinen Platz im Nationalen Integrationsplan haben wird. Ich darf Ihnen sagen, dass sich Integration nicht allein in gesetzgeberischen Maßnahmen erschöpft. Der neue Weg, den wir hier beschreiten, nämlich in der gesamten Breite der Gesellschaft auf Integration hinzuwirken, wird sehr erfolgreich sein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Besten Dank. - Meine Nachfrage bezieht sich auf Ihre Antwort, die Sie gerade auf die Nachfrage meiner Kollegin Dagmar Enkelmann gegeben haben. Sie sagten, es sei sozusagen eine Unterstellung, zu behaupten, dass Vertreterinnen und Vertreter der Oppositionsfraktionen nicht ausreichend beteiligt gewesen seien. Meine Nachfrage an dieser Stelle ist: Welche Vertreterinnen und Vertreter aus den Oppositionsfraktionen des Bundestages waren beteiligt? Wenn Sie mir darauf keine Antwort geben können, dann möchte ich Sie darum bitten, Ihre Antwort auf die Nachfrage der Kollegin Enkelmann zu begründen.

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Frau Kollegin, der Gesamtprozess des Nationalen Integrationsplanes hat zum einen die Arbeitsgruppen und zum anderen die Integrationsforen umfasst. Die Integrationsforen haben wir so eingerichtet, dass sich möglichst viele Interessierte daran beteiligen konnten. Deshalb haben wir Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen des Deutschen Bundestages eingeladen. ({0}) Diese Einladung ist auch auf unterschiedliche Art und Weise wahrgenommen worden. Ich glaube, es bestand eine gute Möglichkeit, sich in diesen Prozess einzuklinken. ({1}) Ganz davon abgesehen, haben wir uns - das hat mich sehr gefreut - wiederholt in verschiedenen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu diesen Themen verständigt. Ich bin davon überzeugt, dass der Bundestag der passende Ort ist, an dem sich Bundesregierung und Abgeordnete in diesen Fragen verständigen und zu Lösungen kommen müssen. ({2})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Staatsministerin, ich danke Ihnen für die Beantwortung dieser Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Cornelia Hirsch auf: Wie kommt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Arbeitgeber für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zuständig sind, zu einer Gesetzesinitiative, die Zuschüsse aus Steuermitteln für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen verspricht, anstatt die Verantwortung der Unternehmen einzufordern?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werte Frau Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Deutsche Bundestag hat sich am 22. Juni 2007 auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD - das ist die Drucksache 16/5730 - unter dem Titel „Junge Menschen fördern - Ausbildung schaffen und Qualifizierung sichern“ zur Situation und Zukunft der betrieblichen Ausbildung geäußert. Die Bundesregierung wurde unter anderem aufgefordert, zu prüfen, ob Unternehmen begünstigt werden können, die über Durchschnittsbedarf junge Menschen ausbilden. Die Prüfung bezieht sich konkret auf die Frage, ob diejenigen Unternehmen, die über Durchschnittsbedarf ausbilden, eine Vergünstigung in Form einer Reduzierung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung erhalten können. Die Prüfung durch die Bundesregierung ist hierbei noch nicht abgeschlossen. Eine Gesetzesinitiative liegt aus diesem Grund noch nicht vor.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Ihre Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Besten Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, erst einmal ein Dankeschön an dieser Stelle für die ausführliche Beantwortung. Es ist richtig, dass es sich bisher um einen Prüfauftrag an die Bundesregierung handelt. Da dieser Prüfauftrag noch nicht abgeschlossen ist, ist meine Frage: Wird vonseiten der Bundesregierung überlegt, inwieweit man Unternehmen, die ausbilden, in irgendeiner Form finanziell unterstützen kann - eine Reduzierung der Arbeitgeberbeiträge ist quasi eine finanzielle Unterstützung - und inwieweit es andere Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung gibt? Man könnte in diesem Zusammenhang das Konzept einer Ausbildungsplatzumlage in die Diskussion bringen, das beide Teile beinhaltet. Auf der einen Seite soll also derjenige, der nicht ausbildet, zahlen. Auf der anderen Seite soll derjenige, der ausbildet - das ist das Konzept, für das es zurzeit einen Prüfauftrag gibt -, darin unterstützt werden.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kollegin Hirsch, wir sind ja bei den Aktivitäten der vergangenen Jahre, die das Ziel hatten, die Wirtschaft mit einzubinden und sie zu ihrer Verantwortung für die Berufsausbildung und zu Investitionen in junge Menschen zu ermahnen und anzuhalten, nicht ganz unerfolgreich gewesen. Im Jahr 2006 ist die Zahl der Ausbildungsplätze um rund 26 000 auf circa 576 000 gestiegen. Das war eine Steigerungsrate von 4,7 Prozent. Zusätzlich jährlich 30 000 Ausbildungsplätze waren damals im Ausbildungspakt verabredet. Es sind real 67 900 geworden. Zwischenzeitlich wurden 41 800 Einstiegsqualifizierungsplätze geschaffen. 36 800 Arbeitsverhältnisse wurden bereits begonnen. Auch das gibt jungen Menschen eine Chance. Wir wollen das fortsetzen und diese Zahl auf 40 000 erhöhen. Wir sind sehr erfreut über die Zahl derjenigen, die nachher in eine Berufsausbildung einsteigen konnten: Es waren 62,7 Prozent der Beteiligten; das ist eine gute Rate. Die Wirtschaft hat sich gleichzeitig dazu bereit erklärt, jährlich zusätzlich 60 000 Ausbildungsplätze zu schaffen und 30 000 neue Betriebe zu gewinnen, die sich an der wichtigen Aufgabe der Berufsausbildung beteiligen. Ich glaube, dass wir vor diesem Hintergrund gemeinsam die Kraftanstrengung unternehmen sollten, diese Zahlen auch zu erreichen, bevor wir über andere Instrumente nachdenken. Wir gehen dem Prüfauftrag, den uns der Deutsche Bundestag gegeben hat, nach. Wir werden einzelne Kriterien formulieren, die Ergebnisse nachher auswerten und dann schauen, ob dies - so lautete ja die Formulierung - umsetzbar ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe eine weitere Nachfrage. - Ich bin immer wieder etwas überrascht, dass die Bundesregierung, wenn man in der Fragestunde über bestimmte Ausbildungszahlen diskutiert, in der Tendenz immer den Schwerpunkt auf vermeintlich positive Zahlen legt. Eine Zahl hat mich dabei sehr erschreckt - sie ist von Ihnen überhaupt nicht genannt worden -: Dabei geht es um die Frage, wie hoch mittlerweile der Anteil derjenigen ist, die als sogenannte Altbewerberinnen und Altbewerber schon seit mindestens einem und häufig schon seit mehreren Jahren auf einen Ausbildungsplatz warten. Diese Zahl ist Ihnen bekannt; sie liegt mittlerweile bei knapp über der Hälfte derjenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen. In diesem Zusammenhang lautet meine Frage, ob die Bundesregierung vor diesem Hintergrund wirklich der Auffassung ist, dass sie in den letzten Jahren eine erfolgreiche Berufsbildungspolitik betrieben hat, was sie vor allen Dingen konkret vorhat und welche Maßnahmen sie plant, um gerade auch hier entgegenzuwirken und den sogenannten Altbewerberinnen und Altbewerbern eine Chance auf einen qualifizierten Berufsabschluss zu geben.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Sie sprechen einen wichtigen Komplex an. Es gibt viele junge Menschen, die sich in den vergangenen Jahren vergebens darum bemüht haben, einen Berufsausbildungsplatz zu bekommen. Sie sind bei denjenigen in den Arbeitsagenturen in guter Hand, die versuchen, auch diesen Nachfragern zu einem Ausbildungsplatz zu verhelfen. Bis Mitte Januar dieses Jahres lag die Zahl der Bewerber, die noch aus dem vergangenen Jahr übrig geblieben sind, bei einer Größenordnung von 17 400. Es gab gut 1 700 unbesetzte Ausbildungsstellen, sodass wir hier eine offene Lücke von 15 700 haben. Das befriedigt auf gar keinen Fall. Wir alle sind ernsthaft aufgefordert, alle Kraftanstrengungen zu unternehmen, dass diese jungen Menschen eine Ausbildung oder eine Einstiegsqualifizierung erhalten. Ich habe Ihnen gerade gesagt, was die Bundesregierung mit der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Ausbildungspakt abgesprochen hat. Es soll eine Aufstockung der Zahl der EQJ-Plätze von 25 000 auf konkret 40 000 geben. Die Wirtschaft zeigt die Bereitschaft, statt bislang 30 000 Ausbildungsplätze 60 000 zu schaffen. Zudem sollen 30 000 neue Ausbildungsbetriebe gewonnen werden. Ich glaube, das zeigt, dass alle verstanden haben, dass es jetzt darauf ankommt, für diese jungen Menschen eine Brücke aus der Arbeitslosigkeit in die Berufsausbildung und für diejenigen, die aus der Schule kommen, eine Brücke in die Berufsausbildung zu bauen. Die von mir genannten Zahlen ermöglichen ein ganz gutes Angebot.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat der Kollege Heilmann.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass mit dem Qualifizierungszuschuss an Arbeitgeber Jugendlichen wirklich geholfen wird, und haben sie danach einen Berufsabschluss, oder werden sie dauerhaft in den Niedriglohnbereich abgedrängt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir werden in dieser Woche im Deutschen Bundestag darüber beraten, was wir insbesondere für diejenigen jungen Menschen tun, die seit längerer Zeit arbeitslos sind. Hier ist sozusagen ein Modell zu finden, das Qualifizierung und Arbeit miteinander verbindet. Es ist ein Qualifizierungszuschuss von 15 Prozent vorgesehen. Damit soll den jungen Menschen eine Chance auf Arbeit und begleitende Qualifizierung gegeben werden. Wenn es uns gelingt, das Ganze zum 1. Oktober auf den Weg zu bringen - am Freitag werden wir im Deutschen Bundestag darüber debattieren -, ist das eine gute Chance. Die Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitsgemeinschaften stehen bereit, um konkret zu helfen. Dem Einzelnen bleibt es überlassen, wie er sich nach dieser Beschäftigung weiterqualifiziert. Uns scheint es wichtig zu sein, die jungen Menschen erst einmal aus der Arbeitslosigkeit herauszubringen und ihnen eine Perspektive zu geben. Der eine wird vielleicht sagen: Ich nutze diese Möglichkeit. Der andere wird vielleicht sagen: Ich versuche, zusätzlich eine Berufsausbildung zu machen. Ich würde in diesem Zusammenhang nicht ohne Weiteres vom sogenannten Niedriglohnbereich sprechen, weil es um ein Entgelt in Höhe von, wie ich glaube, 1 000 Euro geht. Ich sehe darin eine große Chance für diese Menschen. Diese Chance und die dafür zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sollten wir jetzt nutzen. Alle anderen Aktivitäten, die ich gerade genannt habe, die im Bereich der Berufsausbildung angesiedelt sind, bleiben unabhängig davon bestehen. Auch davon können diese jungen Menschen profitieren. Wir erweitern das Angebot sozusagen. Es gilt, diese Chance zu nutzen. Die gute konjunkturelle Situation kann hilfreich sein. Ich gehe davon aus, dass sie sich positiv auswirken wird. Die Arbeitslosenquote in bestimmten Bereichen veranlasst die Arbeitgeber zunehmend, sich ernsthaft Gedanken über Facharbeitermangel und Fragen der Qualifizierung der Beschäftigten zu machen. In diesem Zusammenhang kann man nur sagen: Wenn du wettbewerbsfähig bleiben willst, musst du in die jungen Menschen investieren, Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, junge Menschen einstellen und sie in den Betrieben qualifizieren. Das ist eine Investition in die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, von der auch die Unternehmen profitieren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat die Kollegin Höger.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Maßnahmen, die Sie jetzt planen, insbesondere benachteiligten JuInge Höger gendlichen zugutekommen, dass sie die Chance auf eine Ausbildung erhalten und es nicht nur zu Mitnahmeeffekten seitens der Unternehmen kommt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich glaube, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften und der Bundesagentur für Arbeit sehr umsichtig vorgehen. Sie kennen die jungen Menschen in ihren Dateien, bei denen eine Vermittlung bislang trotz aller Bemühungen nicht erfolgreich war, sehr genau. Wir haben Kriterien formuliert: Mindestens zwei Vermittlungshemmnisse müssen vorliegen. In Deutschland verlässt eine Vielzahl junger Menschen die Schule ohne Abschluss. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Wir müssen erwarten - das ist insbesondere Aufgabe der Länder -, dass die jungen Menschen für eine Berufsausbildung qualifiziert sind, wenn sie aus der Schule kommen. Lamentieren hilft aber nicht; wir müssen den jungen Menschen helfen, und dazu sind unsere Angebote da. Ich glaube, dass die Vermittler in der Arbeitsagentur und den Arbeitsgemeinschaften aufgrund unserer Empfehlung zum Betreuungsverhältnis - wir wollen als Orientierungswert ein Verhältnis von 1 : 75 zwischen Betreuer und Betreuten - in der Lage sind, sich intensiv um die Betroffenen zu kümmern. Ich glaube ferner, dass die Betreuer wissen, welche Arbeitgeber in der Region zuverlässig sind und welche es nur auf Mitnahmeeffekte abgesehen haben. Ich meine, dass diese Unternehmen eine vernünftige Integration nicht gewährleisten können und dementsprechend nicht infrage kommen. Die Fachund Sachkompetenz sowie die Ortskenntnis der Betreuer wird, so denke ich, das gewährleisten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zu einer weiteren Frage hat nun die Kollegin Enkelmann das Wort.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aus guten Gründen beteiligen sich die Gewerkschaften nicht am sogenannten Ausbildungspakt. Früher wurde auch seitens der SPD eine Ausbildungsplatzumlage gefordert. Die Gewerkschaften halten nach wie vor daran fest. Meine Frage lautet: Welche Auswirkungen hat die Tatsache, dass die Gewerkschaften am Ausbildungspakt nicht beteiligt sind, auf andere Fragen der Ausbildung, zum Beispiel auf die Frage des Jugendarbeitsschutzes?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Dr. Enkelmann, ich kann im Moment keinen direkten Zusammenhang mit dem Jugendarbeitsschutz erkennen. Persönlich hätte ich es begrüßt, wenn die Gewerkschaften dabei gewesen wären. Ich weiß aber, dass die Gewerkschaften Fragen der Berufsausbildung gemeinsam mit den Arbeitgebern in mehreren Tarifverträgen geregelt haben. Ich weiß, dass sie zum Beispiel in der chemischen Industrie einen Weg gefunden haben, wie die zusätzlich entwickelten Ausbildungsplätze zu einem positiven Gesamtergebnis beitragen können. Von dieser Seite kommt also Unterstützung. Schade, dass man nicht dabei ist. Das wäre nicht schlecht gewesen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat nun die Kollegin Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die Forderung nach einem Berufsbildungs-PISA aufgreifen, um die Ausbildung zu verbessern? Wenn nein, warum nicht?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Sie müssen zugestehen - Frau Jelpke, das ist Ihnen bekannt -, dass es eine klare Geschäftsaufteilung gibt. Die Frage ressortiert jetzt ein Stück weit in den Bereich des Bildungsministeriums und nicht des Arbeitsministeriums. Ich glaube - wir in der Bundesregierung haben in einer Vielzahl von Bereichen zwischenzeitlich gemeinsam an der Modernisierung der Berufsausbildung gearbeitet -, dass wir für junge Menschen neue Möglichkeiten geschaffen haben, sich nach der Schule für den Übergang in die Arbeitswelt zu qualifizieren. Ich denke, dass in der Zukunft bei der einen oder anderen Diskussion über die Modernisierung der Berufsausbildung auch dieser Aspekt einbezogen werden kann. Aber ich kann Ihnen jetzt keine konkrete Zusage machen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat nun die Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, bezüglich des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von Jüngeren möchte ich Sie gerne fragen: Welche Änderungen wurden nach der Anhörung am Montag noch in den Gesetzesentwurf eingearbeitet? Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz konkret monieren, dass es im mitberatenden Bildungsausschuss überhaupt gar keine Debatte darüber gegeben hat. Hat man sich also nach der Anhörung genügend Debattenzeit eingeräumt? Welche Kritik wurde konkret geäußert?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werte Kollegin, wir haben heute Morgen im Vorfeld - der Vorsitzende des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, war anwesend - sehr ausführlich über die Arbeitsmarktpolitik diskutiert und anschließend über diese Gesetzesvorhaben beraten. Wir haben in dem Bereich, der die über 25-Jährigen betrifft, für die wir die Beschäftigungschancen verbessern wollen, die Möglichkeit geschaffen, auch die Alterskategorie unter 25 Jahre zu bedienen. Es hat in verschiedenen Bereichen Änderungen gegeben. Ich muss Ihnen an dieser Stelle ehrlich sagen: Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Änderungen gleich in schriftli11018 cher Form zu übermitteln. Denn sie sind jetzt auch in Anträgen formuliert worden. Ich habe sie hier im Moment nicht im Einzelnen parat. Ich glaube aber, dass wir an dieser Stelle einen breiten Fächer von Möglichkeiten haben, wie jungen Menschen jetzt konkret vor Ort geholfen werden kann.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Kollegin Hänsel hat noch eine Zusatzfrage.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Frage bezüglich der Einstiegsqualifizierung - dazu gab es jede Menge Kritik -, die ja ausgeweitet werden soll. Wurden die verschiedenen Kritikpunkte berücksichtigt, also zum Beispiel dass die ursprüngliche Zielgruppe nicht exakt getroffen wird? Haben Sie diese Kritik in Ihre Überlegungen hinsichtlich der Ausweitungen einbezogen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werte Frau Kollegin, Sie wissen, dass die Einstiegsqualifizierung gerade für die Jugendlichen vorgesehen ist, die aufgrund bestehender Vermittlungshemmnisse Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Zum Beispiel fehlt diesen Jugendlichen der Hauptschulabschluss, oder es liegt ein Hauptschulabschluss vor, der sich nicht gerade im oberen Leistungsbereich befindet. Es kann auch die Situation bestehen, dass junge Menschen den Hauptschulabschluss haben, aber durch den Test, der in vielen Betrieben stattfindet, durchgefallen sind. Alle diese Aspekte spielen dabei eine Rolle. Die Zahl der Plätze für Einstiegsqualifizierungen für diese Zielgruppe ist, wie gesagt, auf 40 000 erhöht worden. Ich glaube, dass die Kriterien, die dazu formuliert worden sind, den jungen Menschen, die ich gerade als Zielgruppe beschrieben habe, den Zugang dazu ermöglichen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen nun zu den weiteren Fragen. Die Frage 22 des Kollegen Kai Gehring wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 23 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann: Interpretiert die Bundesregierung die Festlegung des Koalitionsausschusses, laut der Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent das Angebot erhalten, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden, dahin gehend, dass diese Tarifbindung auf jeden Fall bundesweit mindestens die Hälfte der Beschäftigten der jeweiligen Branche erfassen muss, oder werden mit dieser Festlegung auch Branchen erfasst, die nur in bestimmten Regionen eine mindestens 50-prozentige Tarifbindung erreichen, in anderen Regionen aber nicht?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werte Frau Dr. Enkelmann, die Antwort, die ich Ihnen gebe, lautet: Die im Koalitionsausschuss getroffene Vereinbarung sieht bei der Frage der Aufnahme einer Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz keine Differenzierung nach Regionen vor.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Diese Frage hat schon in der letzten Sitzungswoche eine Rolle gespielt. Da ist gesagt worden, dass ein Unternehmen, in dem mindestens 50 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden sind, zumindest die Möglichkeit haben soll, den Antrag auf Aufnahme in das Entsendegesetz zu stellen. Das könnte in der Konsequenz bedeuten, dass es innerhalb einer Branche Beschäftigte zweier Klassen gibt. Meine Frage lautet: Ist das geplant, und was bedeutet das für die Gleichbehandlung der Unternehmen und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Dr. Enkelmann, ich weiß nicht, wo und wie diese Frage erörtert worden ist. Hier darf man allerdings keinem Missverständnis erliegen: Was die 50-prozentige Tarifbindung betrifft, so ist auf die gesamte Branche in Deutschland abzustellen. Die Voraussetzung der 50-prozentigen Tarifbindung ist erfüllt, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber einer Branche mindestens 50 Prozent der in dieser Branche tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. Dabei sind alle Tarifverträge der Branche zu berücksichtigen, die Flächentarifverträge und die Haustarifverträge.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. - In dieser Woche ist bekannt geworden, dass nach Rheinland-Pfalz auch die Länder Bremen und Berlin eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns auf den Weg gebracht haben. Wie passen die Pläne der Bundesregierung zu einer solchen Bundesratsinitiative, die von der SPD zumindest verbal immer unterstützt worden ist?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Dr. Enkelmann, wir haben im Koalitionsausschuss eine Verabredung zur Einbeziehung weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz getroffen. Hinzu kommt eine Veränderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aus dem Jahre 1952. Dieser Arbeit geht man im Moment im Ministerium nach. Das, was Sie gerade beschrieben haben, sind lediglich Meldungen, die gemacht worden sind. Es ist im Bundesrat noch keine Diskussion erfolgt, und es wurde im Bundesrat noch keine Entscheidung getroffen. ({0}) Die Bundesregierung wird sich dann zu diesem Thema verhalten, wenn es sich im Bundesrat im Verfahren befindet. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort zu einer weiteren Frage hat die Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Besten Dank, Frau Präsidentin. - Noch einmal zum Entsendegesetz: Mich würde interessieren, wie Sie die aktuellen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bewerten und ob, wenn es zu einer Ausweitung des Entsendegesetzes kommt, geplant ist, in irgendeiner Form Änderungen vorzunehmen, um es weiter zu verbessern.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir wollen die Kontrolle, wie es auch bisher der Fall war, bei der Zollverwaltung belassen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage hat die Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, in Ihrer Antwort auf die erste Nachfrage meiner Kollegin Enkelmann haben Sie auf die Branchen hingewiesen. Ich möchte gerne wissen: In welchen Branchen könnte es aus Ihrer Sicht zutreffen, dass mindestens 50 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden sind?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Es ist schwierig, das einzuschätzen. Das kann man nicht auf die Zahl genau voneinander abgrenzen; hier bitte ich um Verständnis. ({0}) - Nicht so ungeduldig. Ich versuche schlichtweg, zu beschreiben, dass man nicht sagen kann: Es sind so und so viele Tausend. Nach ersten Einschätzungen wird das wahrscheinlich in den Bereichen des Bewachungsgewerbes, der Entsorgungswirtschaft, der Leiharbeit oder der Post der Fall sein. In Grenzbereiche kommt man wahrscheinlich beim Friseurhandwerk, beim Hotel- und Gaststättengewerbe und beim Einzelhandel; hier wird das genauer zu untersuchen sein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zu einer weiteren Frage erteile ich nun das Wort der Kollegin Höger.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Haben Sie bei den Planungen zur Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes Vorstellungen, in welcher Höhe in Zukunft so eine Art Mindestlohn eingezogen werden soll? Ist es nicht doch sehr kompliziert, das alles auf Branchen abzustellen? Wäre nicht ein richtiger gesetzlicher Mindestlohn viel sinnvoller, wenn man das Ziel hat, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können sollen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Sehen Sie, werte Frau Kollegin Höger: Jetzt wird geregelt, dass die Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent das Angebot erhalten, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden und tarifliche Mindestlöhne zu vereinbaren. Damit wird ein ganz wichtiger Punkt der Tarifautonomie gewahrt: dass die Branchen - also Gewerkschafter und Arbeitgeber der Branche - dies für sich, für ihren Bereich, mit ihrer Sach- und Fachkenntnis, mit ihrer Kompetenz festlegen. Die Voraussetzung, um aufgenommen zu werden, wird ein gemeinsamer Antrag der Tarifvertragsparteien bis zum 31. März 2008 sein; eine spätere Aufnahme ist dabei nicht ausgeschlossen. So glaube ich, dass die Frage nach der Höhe schlichtweg bei denen zu verorten ist, die die Tarifverhandlungen führen - wie wir das auch in vielen anderen Bereichen haben. Ich glaube, dass auf diesem Weg die beste Lösung gefunden werden kann, auch was die Größenordnung einer fairen Entlohnung angeht, mit der die jeweilige Branche wirtschaftlich vernünftig und zukunftsfest leben kann.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frau Kollegin Hänsel hat eine weitere Zusatzfrage.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Mich würde interessieren, wie Sie die Arbeitsbedingungen sowie die Qualitätsstandards im ganzen Bereich der Pflege bewerten; das ist ja ein sehr sensibler Bereich. Haben Sie Überlegungen, für diesen Bereich Mindeststandards zu entwickeln und auch in Richtung eines Mindestlohns zu gehen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Sehen Sie, werte Kollegin: Wenn dieser Fragenkomplex auftritt und dieser Bereich unter die Konditionen fällt, die ich gerade genannt habe, dann ist das ein Komplex, der, was die Arbeitsbedingungen und die Entlohnungsbedingungen ganz konkret angeht, von den Tarifvertragsparteien in dem Sinne formuliert werden muss, wie ich das gerade gesagt habe. Das Zweite ist: Wenn es an der 50-prozentigen Tarifbindung fehlen sollte - das wäre sozusagen einer der sogenannten weißen Flecken -, würde in diesem Bereich die Regelung aus dem reformierten Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 infrage kommen: dass ein Hauptausschuss eingerichtet wird, der mit der Unterstützung eines Fachausschusses für die jeweilige Branche festlegt, wie hoch der Mindestlohn im konkreten Fall sein soll. In diesem Fachausschuss wären die Experten, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber des jeweiligen Bereiches - im Fall Ihrer Frage: aus dem Pflegebereich - vertreten und könnten ihren Erfahrungshintergrund einbringen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fragen 24 und 25 der Kollegin Brigitte Pothmer werden schriftlich beantwortet. Damit darf ich Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen, die in Ihren Geschäftsbereich fielen, herzlich danken. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Für die Beantwortung der Fragen sollte Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung stehen. ({0}) - Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Bonde und die Frage 28 des Kollegen Trittin werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung. Die Frage 29 des Kollegen Trittin und die Fragen 30 und 31 des Kollegen Fell werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 32 des Kollegen Wolfgang Wieland auf: In welcher Form war die Bundesregierung in die Planung der Sicherheitsmaßnahmen für den G-8-Gipfel in Heiligendamm eingebunden, und wie waren Vertreter der Bundesregierung in die Zusammenarbeit während des Einsatzes, insbesondere in die Arbeit der Einsatzzentrale Kavala, eingebunden?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Wieland, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei haben zunächst einmal im Rahmen ihrer originären Zuständigkeiten, die es für Heiligendamm ja gab, eigene Sicherheitskonzepte entwickelt. Diese Konzepte sind dann zwischen den Stäben und den besonderen Aufbauorganisationen aller beteiligten Sicherheitsbehörden und damit auch der BAO Kavala des Landes Mecklenburg-Vorpommern erörtert und insbesondere an den Schnittstellen der jeweils geplanten Maßnahmen angepasst worden. Darüber hinaus waren auf Anforderungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern das BKA mit sechs und die Bundespolizei mit drei Polizeivollzugsbeamten als Verbindungsbeamten in dem Führungsstab der BAO Kavala des Landes Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Diese Verbindungsbeamten haben beim Führungsstab der BAO Kavala auf die Zusammenarbeit mit ihren Stammdienststellen bezogene Informations- und Koordinierungsaufgaben wahrgenommen. Soweit es den Bereich der Bundeswehr betrifft, wurden darüber hinaus Besprechungen durch die verantwortlichen Dienststellen des Landes MecklenburgVorpommern unter ebenengerechter Beteiligung von Vertretern der Bundeswehr durchgeführt. Die Bundeswehr war ausschließlich durch Koordinierung und Abstimmung der im Rahmen der Amtshilfe beantragten Unterstützungsleistungen betroffen. Während des G-8Gipfels war die Bundeswehr bei der BAO Kavala mit Verbindungselementen im Führungsstab sowie in den Einsatzabschnitten 8 - das war Luftsicherheit - und 9 - das war Seesicherheit - vertreten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, haben Sie eine Nachfrage?

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Herr Staatssekretär, die Frage ist ja, wer eigentlich auf die Idee kam, dort Tornados einzusetzen. Wurde das dem Land Mecklenburg-Vorpommern bei diesen Erörterungen angeboten, oder hat das Land MecklenburgVorpommern vor dem förmlichen Amtshilfeersuchen selbst die Idee gehabt, dass Tornados genommen werden könnten, was mir relativ unwahrscheinlich erscheint? Ich will ja nicht, wie Bismarck, behaupten, dass in diesem Land alles 100 Jahre später geschieht, aber ich stelle doch die Frage: Hat man angeboten, zuzugreifen, oder hat Mecklenburg-Vorpommern auf Tornados bestanden?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Wieland, da die Tornados vom Land Mecklenburg-Vorpommern angefordert worden sind, müssten Sie dort im Landtag die Frage stellen, wie man auf die Idee gekommen ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich habe eine weitere Nachfrage. - Herr Staatssekretär, das förmliche Rechtshilfeersuchen wurde von Mecklenburg-Vorpommern gestellt; so weit, so banal. Meine Frage war ja, ob man ihnen vorher ein Angebot gemacht und gesagt hat: Das alles haben wir hier im Koffer, ihr könnt zugreifen. Nun frage ich aber etwas anderes: Gab es an irgendeiner Stelle eine rechtliche Prüfung, ob diese Art des Bundeswehreinsatzes mit der Verfassung kompatibel ist und welche Grenzen man beachten muss? War Ihr Haus beteiligt? War das Bundesjustizministerium beteiligt? Man hat bei den Spürpanzern beispielsweise die Kanonen demontiert. Irgendjemand muss doch beraten haben, wie man so etwas macht. Oder sagen Sie auch hier, dass das dem mecklenburg-vorpommerschen Genie zu verdanken ist und dass die das von alleine so gemacht haben?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Weil Sie ja an der Klärung der Zuständigkeiten interessiert sind: Das Bundesinnenministerium hat die Tornados weder angefordert noch bewilligt. Es war bekannt - das war auch kein Geheimnis -, dass die Bundeswehr im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach Art. 35 Grundgesetz technisch-logistische Amtshilfe leisten würde. Das hatte ich in Ihrer Anwesenheit damals auch im Innenausschuss ausgeführt. Es gab im Bundesinnenministerium keinerlei Zweifel daran, dass die Bundesregierung und die Bundeswehr die Grenzen der Amtshilfe einhalten werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wenn ich das richtig gesehen habe, haben sich die Kollegin Höger und die Kollegin Hirsch für je eine Nachfrage gemeldet. - Frau Höger, bitte.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

In der Frage geht es um die Zusammenarbeit der Bundesministerien mit der Einsatzzentrale Kavala. Inzwischen haben der Innenausschuss und der Verteidigungsausschuss lange beraten, und es wurde die Auskunft gegeben, dass die Tornados nur für Aufklärungsarbeit eingesetzt werden sollten, um Veränderungen an Straßen und auf Erdhügeln festzustellen. Dafür waren zwei Einsatzflüge genehmigt worden. Es hat aber sehr viel mehr Flüge gegeben, und zwei Drittel der Aufnahmen zeigen die Camps. Insofern frage ich mich, wie die Zusammenarbeit zwischen Kavala und den Bundesministerien verlaufen ist.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich kann nur noch einmal unterstreichen, was ich bereits auf die Frage des Kollegen Wieland geantwortet habe. Nach allen mir vorliegenden Informationen haben die entsandten Vertreter der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes lediglich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Informationstätigkeiten wahrgenommen und die Verbindung zwischen ihren jeweiligen Heimateinheiten - dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei - und der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gewährleistet.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Kollegin Hirsch zu einer weiteren Frage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Ich möchte von dem Tornado-Einsatz wegkommen. Es gibt zu der gesamten G-8-Woche durchaus noch mehr Fragestellungen hinsichtlich einer möglichen Verantwortung der Bundesregierung. Mich interessiert das gesamte Konzept der Öffentlichkeitsarbeit. Das erscheint zunächst bei weitem nicht so dramatisch wie ein Tornado-Einsatz, aber mit Pressemitteilungen, die Clownsarmee schieße mit Säure auf Polizeibeamte, und Ähnlichem ist eine Stimmung erzeugt worden, die auf Demonstrationen und bei Blockaden sehr stark zur Eskalation beigetragen hat. Insofern frage ich Sie nach dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Welche Verantwortung trägt dabei die Bundesregierung konkret?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Soweit mir bekannt ist, hat die Öffentlichkeitsarbeit im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Behörden - das heißt im Zuständigkeitsbereich von Mecklenburg-Vorpommern für die dortigen Vorgänge und im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung für unsere eigenen Aufgaben - stattgefunden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort zur Geschäftsordnung hat nun die Kollegin Kurth.

Undine Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003579, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da trotz der beantworteten Nachfragen unserer Meinung nach unsere Frage nicht hinlänglich beantwortet ist, beantragen wir nach § 106 unserer Geschäftsordnung und Anlage 5 Nr. 1 b eine Aktuelle Stunde unter dem Titel „Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel“.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat bezüglich der Antwort auf die Frage 32 eine Aktuelle Stunde beantragt. Das entspricht auch der Nr. 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Die Aktuelle Stunde wird in unmittelbarem Anschluss an die Fragestunde stattfinden. Die Frage 33 des Kollegen Volker Beck ({0}) soll schriftlich beantwortet werden. Wir kommen dann zu Frage 34 der Kollegin Ulla Jelpke: Sieht sich die Bundesregierung als Einladerin des G-8Gipfels auch in der Verantwortung dafür, dass Polizeimaßnahmen rechtsstaatskonform ablaufen, und wie bewertet sie vor diesem Hintergrund die zum Teil über 24 Stunden andauernde Unterbringung von Gefangenen in Käfigen, wie sie während des Gipfels stattgefunden hat?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich kann auf die Frage antworten, dass die Einladung der Bundesregierung zu diesem Gipfel nichts an der innerstaatlichen Verteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten ändert, die im Bereich der allgemeinen polizeilichen Gefahrenabwehr nach der föderativen Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wie Sie inzwischen auch wissen, bei den Ländern liegen. Zu den Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des G-8Weltwirtschaftsgipfels in Heiligendamm, die in der Zuständigkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern liegen, nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine Stellung, da die parlamentarische Kontrolle dieser Maßnahmen dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern obliegt. Ich kann allerdings hinzufügen, dass nach dem hiesigen Kenntnisstand - das können wir aber nicht aus eigener Zuständigkeit beurteilen - die Gefangenensammelstellen, auf die Sie sich beziehen, auch von einer NGO, die im Menschenrechtsbereich tätig ist, begutachtet wurden und für menschenrechtskonform befunden wurden, und zwar vor Beginn des Gipfels.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte, Frau Kollegin.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, wir haben schon öfter gehört, dass die Bundesregierung bzw. das Innenministerium alles auf Mecklenburg-Vorpommern schiebt. Aber es waren mehr als 2 000 Polizisten der Bundespolizei dort im Einsatz. Daher sollte die Bundesregierung eine Meinung zu den Vorwürfen haben, dass Menschen in Käfigen untergebracht wurden, dass Anwälte nicht zu ihnen gelassen wurden, dass die Menschen zum Teil die ganze Nacht mit Neonlampen bestrahlt wurden und dass sich mehr als 20 Menschen auf 25 Quadratmetern aufhalten mussten.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Jelpke, ich gehe als Vertreter der Bundesregierung davon aus, dass polizeiliche Maßnahmen, die in der Zuständigkeit von Bundesländern ergriffen werden, den rechtsstaatlichen und den gesetzlichen Anforderungen in unserem Land entsprechen. Sofern dies bezweifelt oder bestritten wird, gibt es dafür Rechtswege. Diese Rechtswege müssen von den Betroffenen beschritten werden. Dann liegt die Entscheidung bei den zuständigen Verwaltungsinstanzen bzw. in letzter Instanz bei den Gerichten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine zweite Zusatzfrage bezieht sich darauf, dass wir gemeinsam mit einigen Mitgliedern des Innenausschusses zwei Wochen vor dem G-8-Gipfel unter Ihrer Schirmherrschaft die Polizeibehörden vor Ort besucht haben. Damals war immer davon die Rede, dass es einen gemeinsamen Polizeistab aus Bundespolizei, Landespolizeien und Bundeswehr geben wird. Wollen Sie mir allen Ernstes erzählen, dass dort nichts gemeinsam koordiniert und ausgewertet wurde?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich habe auf die Frage des Kollegen Wieland genau geschildert, wie es war. Es gab unter der Verantwortung des Landes Mecklenburg-Vorpommern die BAO Kavala; das ist hinlänglich bekannt. ({0}) In diese BAO haben wir zusammen mit den beteiligten Behörden Verbindungsbeamte entsandt, weil es selbstverständlich Koordinierungsbedarf im Hinblick auf die dort eingesetzten 2 000 Bundespolizisten und auf die Bundeswehrsoldaten gab. Diese Koordinierung hat auch stattgefunden - das habe ich eben in aller Ausführlichkeit dargelegt -, aber immer im Hinblick auf die Fragen und Aufgaben, die die Bundespolizei und die Bundeswehr sowie das Bundeskriminalamt in ihren Zuständigkeitsbereichen betroffen haben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zu einer weiteren Frage erteile ich nun das Wort der Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Für mich passt Folgendes trotzdem nicht zusammen: Sie haben in der ersten Antwort, die Sie gerade gegeben haben, deutlich gemacht, dass Sie nicht der Auffassung sind, dass sich die Bundesregierung zu dem positionieren muss, was bei den Protesten vor Ort konkret passiert ist, obwohl die Einladung vonseiten der Bundesregierung zu dem G-8Gipfel ausgesprochen wurde, sondern dass das hauptsächlich in der Verantwortung des Landes MecklenburgVorpommern lag. Ich verstehe aber nicht, dass wir es in der G-8-Woche mit einer massiven Einschränkung der Demonstrationsrechte zu tun hatten und dass dies vor den Gerichten gerade damit begründet wurde - das war ein zentraler Punkt -, es werde sonst der Bundesregierung auf die Füße fallen, weil das das Bild der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädige, beispielsweise wenn Bush nicht so hätte landen können, wie er sich das vorgestellt hatte, oder wenn Journalistinnen und Journalisten nicht hätten durchkommen und berichten können. Das passt doch nicht zusammen. Auf der einen Seite sagen Sie, dass die Bundesregierung damit nichts zu tun habe. Auf der anderen Seite begründen Sie das mit bundesweiten Kompetenzen.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Hirsch, Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern haben etwa im Hinblick auf die Ausübung des Versammlungsrechts Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen wurden gerichtlich angefochten. Sie wurden im Endergebnis von den Gerichten im Wesentlichen bestätigt. Dies hat die Bundesregierung nicht zu kommentieren. Das ist im Übrigen ein Nachweis dafür, dass unser Rechtsstaat funktioniert und dass die Entscheidungen nach Recht und Gesetz zustande kamen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe nun die Frage 35 der Kollegin Silke Stokar von Neuforn auf: Welche Ergebnisse konnte und sollte der Einsatz von Spähpanzern in Heiligendamm bringen, die nicht auch mit anderen - der Polizei normalerweise zur Verfügung stehenden Mitteln hätten gewonnen werden können?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Kollegin Stokar, durch das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern wurden mit Antrag vom 13. März 2007 unter anderem neun Aufklärungssysteme Fennek zur Geländeaufklärung außerhalb militärischer Anlagen beantragt. Im Einzelnen waren dies drei Spähtrupps Fennek im Einsatzabschnitt Heiligendamm innerhalb der gesicherten Zone vom 30. Mai bis 8. Juni 2007, drei Spähtrupps Fennek im Einsatzraum „Raumschutz für den stationären Einsatz“ in der Zeit vom 29. Mai bis 8. Juni 2007 sowie drei Spähtrupps Fennek zur Überwachung von Geländeteilen um den Flughafen Rostock-Laage in der Zeit vom 1. Juni bis 9. Juni 2007. Nach interner Prüfung einschließlich rechtlicher Möglichkeiten zum Konzept hat das BMVg am 4. Juni 2007 die vom Land beantragte Unterstützung mit insgesamt neun Aufklärungssystemen Fennek außerhalb umschlossener militärischer Anlagen unter folgenden Auflagen gebilligt: Erstens: Einsatz an Übersichtspunkten zur Überwachung von Räumen und Straßen sowie der Anflugrouten von Teilnehmern des Gipfels. Zweitens: kein Einsatz an Brennpunkten. Drittens: Schutz durch Polizeikräfte. Die Fähigkeiten des Aufklärungssystems Fennek ermöglichten eine schnelle und frühzeitige Verdichtung des Lagebildes in Geländeabschnitten, insbesondere in der Nacht. Die technische Ausstattung des Aufklärungssystems Fennek zur Aufklärung erlaubt dabei besonders das Überwachen nicht einsehbarer Räume, von Räumen großer Ausdehnung sowie über große Entfernungen. Zu den in der Frage angesprochenen der Polizei für das Land Mecklenburg-Vorpommern normalerweise zur Verfügung stehenden Mitteln nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine Stellung, da hier die Zuständigkeit des Landes betroffen ist. Für den Fall, dass Sie nachfragen, ob denn die Bundespolizei entsprechende Einsatzmittel gehabt hätte, kann ich Ihnen sagen, dass die Bundespolizei ein den Leistungsmöglichkeiten des Aufklärungssystems Fennek entsprechendes Gerät, insbesondere zur Überwachung nicht einsehbarer Räume, nicht hat. Sie verfügt lediglich über handgehaltene Wärmebildgeräte und in Kraftfahrzeuge eingebaute Wärmebildsichtanlagen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, haben Sie eine Nachfrage?

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, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann kommen wir zu Ihrer Frage 36: Für welche Aufgaben wurden Feldjäger von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern für den Einsatz im Rahmen des G-8-Gipfels in Heiligendamm angefordert und eingesetzt, und warum hätten diese Aufgaben nicht durch Polizistinnen und Polizisten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der anderen Länderpolizeien oder der Bundespolizei ausgeführt werden können? Herr Staatssekretär.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Was die Frage des Einsatzes von Feldjägerkräften angeht, kann ich sagen: Amtshilfeersuchen zum Einsatz von Feldjägerkräften lagen nicht vor. Anträge auf Unterstützung an das zuständige Wehrbereichskommando I Küste in Kiel wurden nur durch militärische Dienststellen gestellt und durch das Streitkräfteunterstützungskommando in Köln, Wehrbereichskommando I Küste in Kiel, gebilligt. Dies waren im Einzelnen der Kasernenkommandant des Flugplatzes Laage, der Kasernenkommandant der Hanse-Kaserne Rostock, der Kasernenkommandant des Marinestützpunktes Warnemünde „Hohe Düne“ sowie das Sanitätskommando I für die Absicherung der modularen San-Einrichtung in Hohenfelde bei Bad Doberan. Die Absicherung militärischer Liegenschaften und Objekte ist Aufgabe der Bundeswehr.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind damit am Ende der Fragestunde, da wir den zeitlichen Rahmen voll ausgeschöpft haben. Die noch nicht beantworteten Fragen werden nach unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat zur Antwort der Bundesregierung auf die Frage 32, in der es um den Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel ging, eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde, wie wir vorhin festgestellt haben. Ich rufe daher nun Zusatzpunkt 5 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Silke Stokar von Neuforn von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da donnern Tornados über Protestcamps, in denen sich hauptsächlich Jugendliche aufhalten - nicht einmal, nicht zweimal. Wir wissen trotz zahlreicher Anfragen im Innenausschuss und im Verteidigungsausschuss bis heute nicht genau, wie viele Tornado-Flüge es gegeben hat, um aufzuklären, was in diesen Protestcamps geschieht. Gestern haben wir erfahren, dass außer den Tornados auch Eurofighter und Phantom-Jets über Heiligendamm geflogen sind. Der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums versucht ernsthaft, mir weiszumachen, dass die Fähigkeiten der Bundespolizei und der Polizeien der Länder nicht ausreichend sind, um Demonstrationsverläufe aufzuklären. Spähpanzer mit Fennek-Technik und Satellitentelefonen werden im Rahmen des Versammlungsrechts eingesetzt, um militärische Lagebilder über Demonstrationen in Deutschland zu erstellen. Ein Spähpanzer - das haben Sie hier nicht ausdrücklich gesagt wird als Objektschutz für einen Genacker abgestellt. Seit Tagen versucht diese Bundesregierung, uns weiszumachen, dass das alles ganz normal in Deutschland ist. Ich sage Ihnen: Diese Form von militärischer Amtshilfe, ({0}) deren Ausmaß hier nur scheibchenweise in Form täglich neuer Meldungen an das Licht der Öffentlichkeit dringt, war verfassungswidrig. Das ist mein erster Vorwurf. Der zweite Vorwurf - deswegen habe ich in der Fragestunde keine weiteren Fragen gestellt - lautet: Bis heute, bis zu diesem Zeitpunkt der Aktuellen Stunde hat die Bundesregierung das Parlament belogen. Unsere Fragen sind nicht wahrheitsgemäß beantwortet worden. Man kann im Großen und Ganzen sagen: Zugegeben wurde im Laufe der letzten Tage immer nur das, was vorher in den Magazinen und in den Onlinenachrichten zu lesen war. Das sind die beiden Vorwürfe, die ich mache, nämlich den verfassungswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Innern angeordnet zu haben und gleichzeitig dem Parlament über diese Vorgänge nicht die Wahrheit zu sagen. ({1}) Mein Eindruck von diesen ganzen Abläufen in Heiligendamm ist, dass Bundesinnenminister Schäuble, auf dessen Wunschliste der Einsatz der Bundeswehr im Innern schon lange ganz oben steht, dem Land Mecklenburg-Vorpommern ein Lockangebot gemacht hat. Er ist zu seinem Parteifreund in Mecklenburg-Vorpommern gegangen und hat gesagt: Beantragt mal ordentlich die Amtshilfe der Bundeswehr! ({2}) Das war bisher überhaupt noch nie der Fall. Die Amtshilfe der Bundeswehr wurde zum ersten Mal einem Bundesland zum Nulltarif zur Verfügung gestellt. Das, was ich als weiteren politischen Skandal empfinde - ich habe mir das Protokoll des Innenausschusses des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern angesehen -, ist, dass sowohl die Bundesregierung als auch das Land Mecklenburg-Vorpommern sich weigern, für diesen skandalösen Einsatz der Bundeswehr im Innern die politische Verantwortung zu übernehmen. ({3}) Man kann hier nur zu dem Schluss kommen, dass - und das wäre ein unerhörter Vorgang - die politisch Verantwortlichen, der Bundesinnenminister und der Landesinnenminister von Mecklenburg-Vorpommern, die Einsatzgeräte der Bundeswehr der Polizei, dieser merkwürdigen besonderen Aufbauorganisation Kavala, zur Verfügung gestellt haben und dass es im Ermessen der Polizei lag, wie Militär eingesetzt wird. Lassen Sie mich eines zum Schluss sagen: Was glauben Sie denn, wie es auf junge, friedliche Demonstranten wirkt, wenn abends die Bundeskanzlerin im Fernsehen sagt, sie begrüße friedliche Demonstrationen und friedliche Proteste, und diese Jugendlichen - zwischen 16 und 20 Jahren waren die meisten - am nächsten Tag erleben müssen, wie Tornados bei sogenannten Übungsflügen in beängstigend niedriger Höhe über sie hinwegdonnern und sie den ganzen Tag über Spähpanzern und bewaffneten Feldjägern - wir haben eben gehört, ohne Auftrag begegnen? Das war der Versuch, mit einer militärischen Machtdemonstration in die Versammlungsfreiheit einzugreifen. ({4}) Man hat versucht, friedliche Demonstrationsteilnehmer mit militärischen Mitteln einzuschüchtern, und das ist verfassungswidrig. ({5})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Christian Schmidt. ({0})

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stokar von Neuforn, irgendwie bin ich nun versucht, Kraut und Rüben - Sie haben uns das gerade auf den Tisch gelegt - zu sortieren. ({0}) Den Mitgliedern der Linkspartei, die so viel Ungemach wittern - Ihre Kenntnis ist da in der Tat nur peripher -, würde ich empfehlen, konsistent zu bleiben. Sie haben gerade in der Fragestunde eine Beteiligung der Bundeswehr an dieser Maßnahme im Rahmen einer Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes fundamentalistisch kritisiert, obwohl diese Anforderung von einer Landesregierung gestellt worden ist, der Sie angehört haben. Wie kann das sein? ({1}) Ob Sie dieser Landesregierung als Linkspartei, als PDS oder was auch immer angehört haben, das weiß ich nicht mehr; Sie wechseln Ihren Namen ja häufiger. ({2}) - Frau Präsidentin, ich bitte Sie darum, für Ruhe zu sorgen. Die sollen einmal zuhören. ({3}) - Ich habe im Internet nachgeschaut und gesehen: Sie haben dort einmal mitregiert. ({4}) - Doch. ({5}) - Die tumultartigen Szenen weisen nur darauf hin, dass die Unkenntnis der PDS hier auf die Spitze getrieben wird. Es war die rot-rote Landesregierung, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, die am 21. März 2006 den Bundesminister der Verteidigung unter Verweis auf eine Zusage des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder um Unterstützung durch die Bundeswehr gebeten hat - Punkt! ({6}) Ich wäre schon sehr dankbar, wenn Sie anders als Ihr Parteivorsitzender nicht anfangen würden, die Tätigkeiten der Bundeswehr in die Nähe von Ungesetzlichkeiten zu rücken. Sie haben erst gestern aus Karlsruhe erfahren, wie weit man gehen kann und wie weit man nicht gehen kann. ({7}) Frau Kollegin Stokar von Neuforn, mir liegt der Bericht vor, der die Grundlage für die dpa-, ddp- und sonstigen Meldungen - Sie haben insinuiert, täglich kämen neue - ist. In diesem Bericht ist von den Eurofighters und den Phantom-Kampfjets die Rede. Sie haben mit der Überwachung der Bodenbeschaffenheit aber gar nichts zu tun gehabt. Das fand im Rahmen des Normalen statt. ({8}) - Lesen Sie den Bericht bitte. Eine der wenigen Aufgaben, die die Bundeswehr zur Wahrung der Sicherheit unseres Landes - verfassungsmäßig abgesichert - seit langer Zeit erfüllt, ist, wie Sie wissen, das Air-Policing. Diese Aufgabe hat die Bundeswehr in diesem Fall wahrgenommen. Ich erinnere hier daran, dass die NATO-AWACS-Flugzeuge beim Besuch des Papstes, bei den Olympischen Spielen in Griechenland und bei anderen Ereignissen eingesetzt worden sind. Was den Einsatz der Tornados im Rahmen der Amtshilfe betrifft, möchte ich in aller Höflichkeit darauf hinweisen: Diese Tornados stehen genauso zur Verfügung, wenn Hochwasser ist oder wenn es darum geht, verschwundene Personen zu finden. ({9}) Im Namen derer, die diesen Einsatz durchgeführt haben, wehre ich mich dagegen, dass Sie den Eindruck erwecken, hier sei in irgendeiner Weise Ungesetzlichkeit gegeben. ({10}) - Wir reden nicht über Militär im Versammlungsrecht, sondern über Amtshilfeanträge des Landes Mecklenburg-Vorpommern. ({11}) Nun wollen wir einmal miteinander reden, wie wir es auch im Innenausschuss getan haben. ({12}) - Das hat mit Art. 87 a des Grundgesetzes gar nichts zu tun, Herr Kollege Wieland. ({13}) Sie haben leider die falsche Seite des Grundgesetztextes aufgeschlagen; es geht nämlich um Art. 35 GG. ({14}) Das Land Mecklenburg-Vorpommern sah sich mit dem G-8-Gipfel in Heiligendamm an die Grenze seiner Sicherheitsfähigkeit gebracht. Es ist die schiere Pflicht aller Behörden dieses Landes, dann, wenn solch eine Situation auftritt und zu erwarten ist, dass man im Rahmen der gesetzlichen und verfassungsmäßigen Vorgaben zur Amtshilfe Unterstützung leisten kann, einem solchen Bedarf eines Landes zu entsprechen. Die Fennek-Fahrzeuge - der Kollege Altmaier hat das in der Fragestunde bereits beantwortet - wurden nicht mit hoheitlichem Anspruch eingesetzt, sondern sind lediglich zur technischen Unterstützung der Polizei - überwiegend der mecklenburg-vorpommerschen Polizei, verstärkt durch andere Polizeikräfte - herangezogen worden. Was die technisch-logistischen Unterstützungsleistungen durch Flüge, durch die Nutzung des Aufklärungssystems Tornado zum Zweck der Beobachtung der Bodenbeschaffenheit angeht - die Bilder stehen zur Verfügung -, muss noch einmal gesagt werden, dass es diese Bilder und Überwachungen gegeben hat, dass diese aber in keiner Weise die Erkennung einzelner Personen zulassen. Tiefflüge von militärischem Gerät der Streitkräfte über Camps von Bürgerinnen und Bürgern können das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Grundgesetz beeinträchtigen, ({15}) wenn diese Überflüge - so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im 69. Band Seite 315 und Seite 349 - das Merkmal exzessiver Observation und Registrierung erfüllen bzw. wenn dadurch der staatsfreie, unreglementierte Charakter der Versammlung verändert würde. ({16}) Ein solcher Grundrechtseingriff liegt indessen beim Einsatz des Aufklärungssystems Tornado im Rahmen des G-8-Gipfels nicht vor. Allerdings wurden die Tiefflugbestimmungen in einem Fall verletzt. Hierzu sind Untersuchungen eingeleitet worden. Für eine Minute und 22 Sekunden wurde die Mindesthöhe wetterbedingt unterschritten, aber sie wurde unterschritten. Das ist unbestreitbar eine nicht unerhebliche Lärmbelästigung für die in den betroffenen Camps Versammelten, die aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit und Einmaligkeit noch keinen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit begründet. ({17}) Dennoch möchte ich bei den Bürgerinnen und Bürgern, auch bei denen, die friedlich demonstriert haben und ihr Grundrecht wahrgenommen haben, für die entstandene Belästigung um Verständnis bitten und mich für diesen zu tiefen Flug entschuldigen. ({18}) Es ist die Frage, wie wir miteinander umgehen. Es ist kein gesetzwidriger Angriff von irgendjemandem gegen irgendjemanden geführt worden. Es war ein äußerst erfolgreiches politisches Gipfeltreffen, das ein Stück Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf unser Land gezogen hat. Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, dass dies friedlich sein konnte. ({19}) Vielleicht ist der größte Erfolg aller Sicherheitskräfte, die da waren und sich beteiligt haben, der, dass wir, von einigen Hunderten leichteren Verletzungen und einigen schwereren Verletzungen abgesehen - letztere waren Gott sei Dank nicht so schwer, dass sie zu dauerhaften Schäden führen -, einen friedlichen Gipfel hatten. Die Bundeswehr wird im Rahmen der Amtshilfe auch zukünftig auf Anforderung ihre entsprechenden Beiträge leisten. ({20})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Christian Ahrendt für FDP-Fraktion. ({0})

Christian Ahrendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003729, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da mein Vorredner eben von Kraut und Rüben gesprochen hat, möchte ich sagen: Angesichts des Berichtes, den das Verteidigungsministerium vorgelegt hat, und angesichts dessen, was in der letzten Woche im Innenausschuss und was heute im Verteidigungsausschuss dargeboten worden ist, hat eigentlich Ihr Ministerium die Aufgabe, Kraut und Rüben zu sortieren. ({0}) Lassen Sie mich das einmal ein Stück weit für Sie hier tun. ({1}) In der Innenausschusssitzung am 23. Mai habe ich mir erlaubt, den Staatssekretär Altmaier zu fragen, in welchem Umfang die Bundeswehr eingesetzt wird. Ich habe mir vorsorglich das Protokoll mitgebracht. Herr Altmaier hat uns gesagt - ich zitiere -: „Einzig zu logistischen Zwecken, so wie Transporte von Delegationen zum Veranstaltungsort.“ Das ist der Umfang des Bundeswehreinsatzes, der uns geschildert worden ist. Die Kollegin Jelpke hat ebenfalls eine Anfrage gestellt, um diese Frage aufzuklären. Auch die Antwort auf diese Anfrage enthielt keinen Hinweis auf Tornados und keinen Hinweis auf Fennek-Panzer. Am 23. Mai haben wir von Herrn Altmaier ebenfalls nichts zu dieser Frage gehört. Angesichts dessen, dass Sie eben gesagt haben, das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern habe schon im Jahr 2006 um Amtshilfe gebeten, müssen wir also feststellen, dass Sie das Parlament bis zum G-8Gipfel vorsätzlich in Unkenntnis gelassen haben. ({2}) Ich habe auch heute Morgen in der Sitzung des Verteidigungsausschusses Ihren Kollegen Herrn Wichert gefragt, wann denn das Innenministerium vom Einsatz der Bundeswehr und vom Einsatzumfang unterrichtet worden sei. Die Frage ist mir nicht beantwortet worden. Die Kollegin Hoff hat die Frage noch einmal gestellt. Es wurde dann zugesagt, dass sie schriftlich beantwortet wird. Auch das zeigt - was ich verwunderlich finde -, dass es hier relativ viel aufzuklären gibt. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass bei den Informationsbedürfnissen, die im Innenministerium ansonsten in vielerlei Dingen vorherrschen, ausgerechnet vergessen wird, sich über den Umfang des Bundeswehreinsatzes genau zu informieren. Das zweite Thema, das ich ansprechen will, ist die Amtshilfe. Es gibt zwei Tornado-Flüge, die genehmigt worden sind, und es gibt vier Tornado-Flüge, die nicht genehmigt worden sind. ({3}) Wenn man Ihren Bericht liest, wird man feststellen, dass diese Tornado-Flüge auf Anforderung der Kavala, also der Einheit, die mit der Einsatzführung zum G-8-Gipfel betraut war, im Grunde genommen per Anruf abgerufen werden konnten. ({4}) Das hat meines Erachtens nichts mehr mit Amtshilfe zu tun; denn Amtshilfe würde zumindest förmlich voraussetzen, dass Sie eine konkrete Anfrage in Ihrem Ministerium haben, diese bearbeiten und dann entscheiden, ob Sie die Tornados zur Verfügung stellen. Drittens. Wenn ein Tornado im Tiefflug - auch wenn Sie sich entschuldigt haben - über ein Camp donnert, dann mag das für denjenigen, der unten steht, durchaus den Eindruck erwecken, als ob eine gewisse militärische Qualität erreicht wird. Wir wissen seit der Verfassungsgerichtsentscheidung aus dem letzten Jahr, dass sich Bundeswehreinsätze im Inneren ausdrücklich einer militärischen Bewaffnung zu enthalten haben. Ich glaube, dass man hier nicht feinsinnig damit argumentieren kann - wie Sie das in Ihrem Bericht getan haben -, dass man die Flugzeuge wenigstens nicht aufmunitioniert habe. Ich glaube, es ist unstreitig, dass man vom Boden aus schwer erkennen kann, ob ein Flugzeug Munition trägt oder nicht. ({5}) Im Ergebnis muss man deswegen festhalten, dass die Amtshilfegrenzen hier bei weitem überschritten worden sind. Man muss hinsichtlich der vier nicht genehmigten Tornado-Flüge feststellen, dass es hier einen offenen Verfassungsbruch gegeben hat. Dieser Verfassungsbruch paart sich damit, dass das Parlament vorsätzlich nicht unterrichtet worden ist. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist schon ein relativ starkes Stück. ({6}) Es kann nämlich nicht sein - das ist das eigentliche Thema, um das es hier geht -, dass die Bundeswehreinsätze im Grunde genommen über die kalte Küche eingeführt werden und die Bundeskanzlerin dann irgendwann sagt: Nun stellen wir fest, dass innere und äußere Sicherheit eng miteinander verwoben sind. Der Rest wird dann nicht ausgesprochen: Die Bundeswehr hat ja schon in der Vergangenheit gezeigt, wie effektiv sie im Inland eingesetzt werden kann. Dann haben wir die Rechtfertigungsgrundlage für die Einsätze der Bundeswehr im Inneren. Dieser Weg ist falsch, und diesen Weg werden wir nicht mitgehen. ({7}) Es kann auch nicht sein, dass wir zunehmend erleben, dass die Innenminister der Länder ihre Polizeikräfte abbauen und immer dann, wenn es Großveranstaltungen gibt, die Forderung nach Einsätzen der Bundeswehr laut wird. Die Bundeswehr ist keine Ersatzpolizei. Diese Aufgabe hat sie nicht; auch die Fähigkeiten dazu hat sie nicht. Man darf auch nicht das Ziel verfolgen, die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu Hilfssheriffs von Innenministern zu machen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort der Kollege Rainer Arnold für die SPD-Fraktion.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt hat den G-8-Gipfel dereinst erfunden - ein herausragendes Ereignis der Staatengemeinschaft und diesmal auch für unser Land. Natürlich ist es zunächst einmal richtig, dass alle Organe des Bundes und der Länder eng kooperieren, um solch einen Gipfel zum Erfolg zu bringen. ({0}) Das ist das eine. Das andere ist: Es wurden 25 Anträge auf Amtshilfe gestellt, von denen 22 aus meiner Sicht völlig außerhalb der Diskussion sind, weil sie richtig und notwendig gewesen sind und sich exakt im Rahmen der Bestimmungen des Art. 35 bewegt haben. Es gibt aber drei Vorgänge, die wir, wie ich glaube, kritisch hinterfragen sollten. Das Ministerium hat heute meiner Meinung nach sehr seriös und ausführlich informiert. Dafür danken wir. Das Ministerium hat sich heute auch für Versäumnisse entschuldigt. Auch das ist ein wichtiger Schritt. Die erhaltenen Informationen versetzen uns in die Lage, eine politische Bewertung vorzunehmen. Lassen Sie mich deshalb zu den drei kritischen Vorgängen etwas sagen. Erster Vorgang: Der Minister hat zwei Tornado-Flüge zur flächigen Aufklärung am Boden genehmigt, und zwar einen einige Zeit vor dem Gipfel und einen unmittelbar vor dem Beginn des Gipfels. Spannend ist es, anhand dieser Aufnahmen festzustellen, was sich in der Zwischenzeit verändert hat. Das halte ich für einen korrekten Auftrag. ({1}) Aus diesem korrekten Auftrag mit zwei Flügen wurden dann allerdings sieben Flüge. Statt Aufklärung aus vernünftiger Höhe, die es der Bundeswehr gestattet, sich diskret zurückzuhalten, gab es einen Tiefflug, der außerdem auch noch luftrechtlich zu beanstanden ist. Und vor allen Dingen gab es - das ist für mich das Gravierendste - nicht nur Aufklärung im breiten Gelände, sondern es wurden gezielt Aufnahmen der aufwachsenden Camps der Demonstranten gemacht. Das hat der Minister nicht genehmigt; das wurde aber gemacht. Deshalb ist das nicht in Ordnung. Der Minister tut gut daran - das hat er auch angekündigt -, in seinem Haus dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Der zweite Vorgang ist: Der Einsatz der FennekSpähpanzer bei internationalen Großereignissen besitzt schon ein Stück weit eine neue Qualität. Ich halte ihn deshalb für problematisch, weil die Fenneks selbst ja nicht über Speichermedien für ihre Daten verfügen, sondern ihre Aufklärung nur dann Sinn macht, wenn sie zeitgleich mit den Aufklärungsmitteln der Polizei über Funk verknüpft wird. ({2}) Das heißt, die Fenneks sind in ein Aufklärungssystem der Polizei eingebunden. Ich glaube, dass diese Schnittstelle zu nahe bei der Polizei lag und es besser gewesen wäre, dieses Amtshilfeersuchen abzulehnen. ({3}) - Die Alternative? Das ist eine gute Frage, Herr Kollege. Heute Morgen hat ein Kollege von Ihnen im Verteidigungsausschuss gesagt: Die Fenneks waren nur deshalb so wichtig, weil sie 1 000 Polizisten ersetzt haben. Das ist keine ausreichende Legitimation für Amtshilfe. Die Bundeswehr ist in der Tat nicht dafür da, Polizisten einzusparen. ({4}) Ich habe die Aussagen eines Fachpolitikers aus Ihren Reihen, des Kollegen Hans Raidel, aus der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses zitiert. ({5}) Der dritte Vorgang, den wir kritisch bewerten, ist der Einsatz der Feldjäger zum Objektschutz. Die Bundeswehr darf Objektschutz im Bereich von militärischen Sicherheitszonen betreiben, und zwar aus diesen Sicherheitszonen heraus. Das heißt, sie muss sich in diesen Zonen befinden. Für den Objektschutz eines Krankenhauses durch die Bundeswehr, in dem zwar die Bundeswehr während des Gipfels teilweise das Hausrecht hatte, das aber nicht zur militärischen Sicherheitszone erklärt wurde, erkenne ich keine eindeutige Rechtsgrundlage. Deshalb halte ich auch dies für einen Fehler. Lassen Sie mich zum Schluss sehr offen reden: Die Öffentlichkeit und wir alle wissen ja, dass in der Großen Koalition auch unterschiedliche Positionen vorhanden sind. Das gilt verstärkt in der Frage, ob die Bundeswehr zunehmend Polizeiaufgaben übernehmen soll, ob Inneres und Äußeres verschmolzen werden sollen. Die Bundeskanzlerin hat sich vor wenigen Tagen dazu geäußert, dass es normal ist, wenn es in einer Koalition unterschiedliche Grundpositionen gibt. Aber gerade weil wir Sozialdemokraten dafür stehen, dass die Bundeswehr keine Polizeiaufgaben übernimmt, ist das für uns natürlich ein hochsensibles Thema. Um es deutlich zu sagen: Wir wollen und werden auch in Zukunft nicht zulassen, dass Art. 35 Abs. 1 unserer Verfassung auch nur ein Stück weit gedehnt wird und möglicherweise schleichende Prozesse eintreten. Deshalb sollten wir miteinander in dieser Koalition dafür sorgen, dass die Spielregeln noch einmal deutlich gemacht werden, auch für die Landesinnenminister, die in dieser Hinsicht erst gar keine Forderungen stellen dürfen, die wir nicht erfüllen wollen. Das Klarmachen der Spielregeln kann dazu beitragen, dass einzelne Fehler, die von einigen, die Entscheidungen getroffen haben, objektiv gemacht wurden, in Zukunft vermieden werden können. Herzlichen Dank. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke. ({0})

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Schmidt, wenn Sie hier schon den Vorwurf erheben, dass Die Linke angeblich ein Amtshilfeersuchen mit gestellt habe, dann hätten Sie auch die ganze Wahrheit sagen müssen. Das war nämlich ein Alleingang des ehemaligen SPD-Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Timm, der im Übrigen zu einer heftigen Auseinandersetzung in der Koalition geführt hat. Um das noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wenn wir das gewusst hätten, wäre dieser Antrag keineswegs mit unseren Stimmen durchgekommen. ({0}) Ihr Vorwurf passt im Übrigen zu dem, was die Bundesregierung hier seit Wochen tut, nämlich den Bundeswehreinsatz beim Gipfel zu verschleiern. Es soll vertuscht werden, dass hier ein massiver Verfassungsbruch stattgefunden hat. Das ist in einigen Reden schon sehr deutlich geworden. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir hat die Bundesregierung noch Ende April den Eindruck erweckt, sie werde nur in der zweiten Reihe stehen und unauffällig Hilfeleistung erbringen, ähnlich wie bei der Fußballweltmeisterschaft. Kein Wort von Spähpanzern oder Tornados, und das, obwohl die entsprechenden Amtshilfeersuchen bereits gestellt bzw. genehmigt waren. Noch etwas: In den Antworten auf entsprechende Anfragen war immer die Rede davon, dass 1 100 Soldaten im Einsatz sein würden. Tatsächlich waren es 2 450, davon 641 zum Teil schwerbewaffnete Feldjäger mit G36Maschinengewehren, wie sie in Afghanistan benutzt werden. Die Kommandanten der Spähpanzer waren mit Pistolen bewaffnet. Das können wir alles beweisen. ({1}) Auch das wurde bisher verschwiegen. Was wäre wohl passiert, wenn sich Demonstranten diesen Panzern genähert hätten? Die Tornado-Flüge wurden wochenlang geleugnet. Heute ist klar - Entschuldigung hin oder her -: Die Protestcamps wurden systematisch ausspioniert. Die Bundesregierung behauptet, diese Bilder seien nicht zu identifizieren. Aber ich habe Kopien von diesen Bildern gesehen. Es fehlt nicht viel, dass man auf diesen Kopien sehr deutlich einzelne Gesichter voneinander unterscheiden kann. Dass Personen auf den Bildern nicht identifiziert werden könnten, ist also eine weitere Unwahrheit, die sich in viele Unwahrheiten einreiht, die wir hier bereits gehört haben ({2}) und die von der Bundesregierung in Antworten auf Anfragen niedergeschrieben wurden. Ich glaube der Regierung einfach nicht, wenn sie sagt, dass diese ominösen Tiefflüge, zum Beispiel über den Camps, rein zufällig stattgefunden haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im offiziellen Bericht steht, die Luftbilder des Camps Reddelich und Wichmannsdorf wurden ausschließlich im Auftrag der BAO Kavala gefertigt. Die Bundesregierung behauptet nun, von den zusätzlichen Flügen nichts gewusst zu haben. Sie behauptet praktisch, dass niedere Militärbefehlshaber nach Gutdünken Kampfflugzeuge gegen Demonstranten einsetzen konnten, wenn ebenso niedere Polizeichargen sie am Telefon darum gebeten hätten. Wer’s glaubt, wird selig! Ich glaube wirklich kein Wort, das diese Regierung hier von sich gibt. Dieses Spiel wird die Linksfraktion jedenfalls nicht mitmachen. ({3}) Die Bundesregierung selbst gibt zu, dass die einzig denkbare Rechtsgrundlage Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes wäre, also eine technisch-logistische Amtshilfe. Sie behauptet, die Grenze zwischen Amtshilfe und Einsatz sei eingehalten worden, weil die Bundeswehr nur geholfen habe, aber nicht selbst hoheitliche Aufgaben übernommen habe. Aber diese Rechtsauffassung ist nach meiner Meinung falsch. Es kommt nicht darauf an, ob die Bundeswehr selbst hoheitlich tätig wird und zum Beispiel Demonstrationszüge aufhält. Es genügt, wenn sie die Polizei in die Lage versetzt, ihrerseits unmittelbar hoheitlich tätig zu werden, also Zwangsmittel einzusetzen. Genau das ist geschehen. Bundeswehrhubschrauber und Marineboote haben Polizisten zu ihren Einsatzorten gebracht. Spähpanzer und Flugzeuge haben nach Demonstrationen Ausschau gehalten und der Polizei die entsprechenden Bilder übergeben, damit diese dann tätig wird. Das ist keine Amtshilfe mehr, sondern ein regelrechter Militäreinsatz. ({4}) Das sagen auch renommierte Juristen wie etwa Herr Khan, Völkerrechtler der Universität der Bundeswehr in München. Er sagte schon am 13. Juni, dass die Verfassung einen solchen Einsatz nicht deckt. Die Bundesregierung setzt offenbar darauf, Fakten zu schaffen und per Salamitaktik eine Militarisierung in der Innenpolitik zu erreichen. Die Bundeskanzlerin und weitere Unionspolitiker wollen den Verfassungsbruch verewigen und fordern schon weitere Bundeswehreinsätze.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Mein letzter Satz: Sich dem entgegenzustemmen, müsste Aufgabe des gesamten Parlaments sein. Danke schön. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun erteile ich für die CDU/CSU-Fraktion das Wort dem Kollegen Ulrich Adam. ({0})

Ulrich Adam (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000005, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die von den Grünen verlangte Aktuelle Stunde geht völlig an den Tatsachen vorbei. ({0}) Die von der Bundeswehr erbrachten Leistungen während des Gipfels sind und waren nach Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes rechtmäßig. Dies hat insbesondere der schon erwähnte detaillierte Bericht am heutigen Morgen im Verteidigungsausschuss gezeigt. Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung können neben der erfolgreichen Ratspräsidentschaft auch einen ebenso erfolgreichen G-8-Gipfel in Heiligendamm verbuchen. Die Ministerin Wieczorek-Zeul hat das Ergebnis als Erfolg für die Menschen in Afrika bezeichnet. Im Bereich der Klimapolitik wird der Kollege Gabriel auf die Einsichten der USA, dass eine aktive Klimapolitik notwendig ist, aufbauen können. Die Einigung der wichtigsten Industriestaaten ist ein richtungsweisendes Signal für die Stärkung der Klimapolitik im Rahmen der Vereinten Nationen, so der Umweltminister nach dem Gipfel. Wir sind uns doch sicherlich alle dessen bewusst, dass ein derartiger Gipfel mit seiner notwendigen Logistik und Sicherheit nicht binnen weniger Wochen geplant und durchgeführt werden kann. ({1}) Es wurde schon erwähnt, dass es die ehemalige rot-rote Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern war, die das Amtshilfeersuchen gestellt hat. ({2}) Die Behauptung, dass die Linke, die damals noch PDS hieß, davon nichts gewusst habe, ist schlicht Unsinn. Denn die damalige Landesregierung hat finanzielle Mittel für den Gipfel eingestellt; das ist nun einmal erwiesen. Deswegen kann man sich jetzt nicht hier hinstellen und so tun, als hätte man nichts gewusst. ({3}) Natürlich haben die Planer auch die Erfahrungen vergangener Gipfel einfließen lassen. Zu den notwendigen Vorbereitungen gehörten die sanitätsdienstliche Versorgung der eingesetzten Polizisten und Helfer sowie die Gewinnung von Aufklärungsdaten durch die Polizei. Angesichts der Tatsache, dass die benötigten Mittel in Deutschland und Europa bei keiner Polizei vorhanden sind, lag es natürlich nahe, ein Amtshilfeersuchen in großem Umfang an das Verteidigungsministerium zu richten. Angefragt und bereitgestellt wurden: Unterbringung und Verpflegung, Personentransport mit Hubschraubern und Seetransport, medizinische Betreuung, Aufklärungsund Radartechnik sowie Aufklärungsflüge, die Nutzung des Flugplatzes Laage sowie die Versorgung mit Betriebsstoffen und Gerät. Wie anders als durch die Tornado-Aufklärung hätten Bodenveränderungen festgestellt werden sollen? ({4}) Bereits bei den vergangenen Flutkatastrophen wurden hierzu Tornados erfolgreich eingesetzt. Um Veränderungen festzustellen, musste man mindestens zweimal fliegen. Von den sieben durchgeführten Flügen waren lediglich drei erfolgreich. Die anderen wurden wegen technischer Schwierigkeiten abgebrochen bzw. waren aufgrund der Witterung nicht möglich. Lediglich beim Flug am 5. Juni - das wurde schon gesagt - wurde die Mindestflughöhe von 500 Fuß für eine Minute und 22 Sekunden unterschritten - auch dies nur aufgrund der Witterung. Dennoch wird diese Abweichung natürlich untersucht und gegebenenfalls zu Disziplinarmaßnahmen führen. Aufgrund der massiven Gewalt zu Beginn des Gipfels und der fortgesetzten Störungen hat sich das Konzept jedoch nicht nur als notwendig erwiesen; es war auch in keiner Weise überzogen. Der professionelle Einsatz des schwarzen Blocks hat gezeigt, dass eine große Anzahl von Polizeibeamten erforderlich war. Diese Gewalttäter hatten systematisch Steine und anderes Material gesammelt. Ihr Ziel waren Gewalt und die Verletzung von Polizisten. Selbst vor friedlichen Demonstranten machten sie bei ihren Gewaltexzessen keinen Halt. ({5}) Wie positiv der Gipfel von den Menschen in und um Heiligendamm aufgenommen wurde, zeigt unter anderem die spontane Versorgung von Polizeieinheiten mit Kuchen. Abschließend möchte ich der Bundeskanzlerin für ihre unermüdlichen Bemühungen, diesen Gipfel zum Erfolg zu führen, danken. Landesinnenminister Caffier danke ich für die gute Vorbereitung und das konsequente Handeln zur Erhaltung des sicheren Ablaufs des Gipfels in Heiligendamm. ({6}) Den vielen ungenannten Polizistinnen und Polizisten, Soldatinnen und Soldaten, Helfern vom DRK, THW und von der Feuerwehr sowie allen zivilen Helfern danke ich für die geleistete Arbeit. Ohne sie wäre dieser G-8-Gipfel weder möglich noch ein Erfolg geworden. Vielen Dank. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist nun der Kollege Wolfgang Wieland für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob jemand hier im Saal noch weiß, wer Willi Weyer war - vielleicht Frau Piltz. Er war einmal Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Von ihm ist der schöne Satz überliefert - das war zu Beginn der Zeit des Terrors der RAF -: „Wir müssen die Bürger an Polizisten mit Maschinenpistolen so wie an das Steuernzahlen gewöhnen.“ Was jetzt in Heiligendamm geschehen ist, erinnert mich an diese Melodie: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger insbesondere bei Großereignissen an den Einsatz der Bundeswehr so wie an das Steuernzahlen gewöhnen. Was insbesondere der Bundesinnenminister, der uns alle seit Monaten mit seiner - wie Kollege Edathy sagte Obsession hinsichtlich des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren genervt hat, bisher nicht durch eine Grundgesetzänderung oder einzelgesetzlich erreicht hat, soll jetzt offenbar durch die normative Kraft des Faktischen erzielt werden. ({0}) Von uns erwartet man, dass wir das alles, was hier geschehen ist, für Zufall halten, geboren aus einem Amtshilfebedürfnis des Innenministers von MecklenburgVorpommern, den - bei allem Respekt - vor dem Gipfel in Heiligendamm nun wahrlich niemand kannte. Hier ist eine gezielte Strategie angewendet worden. ({1}) Kollege Arnold hat die kritischen Punkte aufgezählt. Auch der Hubschraubereinsatz gehört nach unserer Meinung zu den klärungsbedürftigen Punkten. Man muss wirklich deutlich sagen: Wenn die Bundeswehr bisher bei Großereignissen eingesetzt wurde, haben wir von einem Agieren hinter den Kulissen gesprochen. Wir Grünen haben zur Fußballweltmeisterschaft gesagt: Wir schlucken sogar den Einsatz der AWACS, wenn dies denn einen Sinn macht, wenn mit ihnen aufgeklärt werden kann, ob Raketen auf Stadien gerichtet sind. Das war aber etwas anderes als das, was in Heiligendamm geschehen ist. Hier war die Bundeswehr integraler Bestandteil der staatlichen Machtausübung. So ist sie aufgetreten. Das sollte so sein, und das lehnen wir auf das Schärfste ab. ({2}) Wir fragen auch hier nach der Beteiligung des Bundestages. Wenn die Bundeswehr zehn Militärbeobachter nach Afrika entsendet, dann wird im Bundestag zu Recht darüber debattiert und zu Recht in der Regel namentlich darüber abgestimmt. Aber was ist, wenn die Bundeswehr im Inneren eingesetzt wird? Und das war ohne jede Frage ein Einsatz! ({3}) Ich fand es sehr ehrenwert, dass sich der Herr Staatssekretär hier für das eine Flugzeug, das zu tief geflogen ist, entschuldigt hat. Für uns ist das aber nur ein Teil des Problems. Dass die Camps überhaupt systematisch ausgespäht und erfasst wurden, ist doch infrage zu stellen, auch wenn es aus der zulässigen Mindestflughöhe von 400 Metern geschah. Darüber muss man doch genauso reden. Ohne diesen Ausrutscher wäre das Ganze nicht besser gewesen. ({4}) Das Ganze geht noch weiter - Schäubles Virus ist offenbar ansteckend -: Der Bundeskanzlerin fiel auf die Frage, was an ihrem Grundsatzprogramm noch konservativ sei, ein: Dass wir den Bundeswehreinsatz im Innern wollen. Ein gewisser Herr Schünemann, Innenminister in Niedersachsen, sagte vorgestern ({5}) - lassen Sie sich den folgenden Satz einmal auf der Zunge zergehen -: Was im Ausland für die Bundeswehr möglich ist, muss auch im eigenen Land möglich sein. In Heiligendamm hat man dafür schon einmal geübt. Das ist doch die Realität. So sehe ich das. ({6}) Herr Schäuble hat gestern im Rahmen der vom „Handelsblatt“ veranstalteten Sicherheitskonferenz gesagt - ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich das gelesen habe -, die Unterscheidung zwischen Völkerrecht im Frieden und Völkerrecht im Krieg passe nicht mehr auf die neuen Bedrohungen. Man müsse auch die Frage nach der Eliminierung von Topterroristen wie Osama Bin Laden stellen. Wörtlich sagte er: „Alte Formen der klassischen Unterscheidungen“ von Krieg und Frieden seien nicht länger haltbar. - Was soll denn das heißen? Er will nicht nur - wie bisher - den Unterschied zwischen Militär und Polizei einebnen; er will auch gleich den Unterschied zwischen Krieg und Frieden einebnen. Dazu sage ich ganz bewusst: Einen solchen Quatsch habe ich in diesem Land das letzte Mal von Gefangenen aus der RAF gehört, die uns erzählen wollten, dass in den Metropolen Krieg herrsche, sie Kriegsgefangene seien und nach der Genfer Konvention zu behandeln seien. ({7}) Wo soll das denn hinführen? Dann haben wir permanent den Kriegszustand, Herr Binninger. Gerade Sie als Expolizist müssten am schärfsten widersprechen. ({8}) Schwarze Blöcke, von denen Ihr Kollege gesprochen hat, sind eine Aufgabe für eine professionelle Polizei und nicht für das Militär. Ein solches Denken, das alle Begriffe verwischt und alle Grenzen einreißt, führt nach Guantánamo. Das wollen wir aber nicht. Dazu muss man scharf Nein sagen. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort der Kollege Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Damit wir nicht die Maßstäbe verlieren, will ich nicht bei Guantánamo anknüpfen. Ich will eine Vorbemerkung machen: Dass alles gut gegangen ist - unter Sicherheitsaspekten ist der Gipfel letztlich gut abgelaufen; die Probleme, die man im Vorfeld erkannt hat, konnte man im Griff behalten -, ist auch denjenigen zu verdanken, die für die innere Sicherheit verantwortlich waren. Das waren in erster Linie die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, ({0}) aber auch diejenigen, die diese Arbeit im Wege der Amtshilfe - das war nicht nur die Bundeswehr - unterstützt haben. ({1}) Das Problem ist doch, dass Sicherheit nicht selbstverständlich ist in einer Zeit, in der Terroristen jeden Bürger bedrohen können - das haben wir jetzt wieder in England gesehen -, sie selbstverständlich auch solche Ereignisse stören können und es gewaltbereite Autonome gibt, wie sie sich auch in Heiligendamm bemerkbar gemacht haben. Insofern war nicht alles paletti und ganz einfach. Diese schwierige Lage musste man im Griff haben. Nun komme ich zu dem, über das wir als Parlament diskutieren müssen. Wo sonst sollen wir darüber reden, wie die staatlichen Instrumente eingesetzt werden und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen? Amtshilfe ist prinzipiell absolut richtig. Rainer Arnold hat darauf hingewiesen, dass wir in fast allen Fällen kein Problem damit haben. Aber wir haben ein Problem damit, dass zur Absicherung des Hausrechts Feldjäger eingesetzt werden. Das ist nicht deren Job. Feldjäger sind zur Absicherung militärischer Sicherheitsbereiche da. Für das Hausrecht ist zunächst einmal der Hausherr zuständig und dann, wenn das nicht reicht, die Polizei. Das kann nicht die Bundeswehr machen. Zwei Tornado-Einsätze wurden beantragt und sind genehmigt worden. Das ist korrekt; das finden wir in Ordnung. Mit den Aufklärungsmitteln, die die Bundeswehr hat, also mit den Tornados, kann man Veränderungen im Straßenbild erkennen und daraus Schlüsse ziehen, ob es Manipulationen gegeben hat, die möglicherweise Gefährdungen mit sich bringen. Dass dann sieben Flüge stattgefunden haben, mag ja erklärlich sein. Aber man muss diese beantragen, sie müssen genehmigt werden, und dann muss auch die Öffentlichkeit darüber informiert werden. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen einzelnen Polizisten, der eine Straße überwacht. Tornados sind ein militärisches Mittel und werden auch so wahrgenommen. Im Übrigen erfordert es großen Aufwand, sie einzusetzen. Hier beziehe ich mich nicht darauf, dass die Kosten so hoch sind, sondern darauf, dass wir nur ein einziges Geschwader haben, das über diese Fähigkeiten verfügt, die, wie wir sehen, bei militärischen Einsätzen im Ausland sehr gefragt sind. Wenn ein solcher Einsatz im Inland notwendig ist, handelt es sich um keine Kleinigkeit. Darüber muss der Minister Bescheid wissen, und er muss ihn genehmigen. Wenn der Einsatz stattgefunden hat, muss ihm das gemeldet werden. Herr Staatssekretär, die Informationen, die wir heute im Verteidigungsausschuss bekommen haben, fand ich sehr umfassend, sehr korrekt und auch hinsichtlich der Punkte, die für die Führung des Ministeriums unangenehm sein können, offen im Umgang. Wir haben dem Bericht entnommen, dass Defizite abgestellt werden müssen. Die Befehls- und Meldewege im Verteidigungsministerium müssen klar sein. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das jetzt in Angriff genommen wird. ({2}) - Das hat nichts mit der Verfassung zu tun, sondern mit der konkreten Ausgestaltung von Abläufen im Ministerium. Hier wurde angesprochen, Eurofighter und Phantom seien eingesetzt worden. Das ist ein ganz anderer Punkt. Dabei handelt es sich um die Dauereinsatzaufgabe „Sicherung des deutschen Luftraums“, den die Luftwaffe immer hat. Wenn solche Großereignisse stattfinden, wird etwas mehr getan als im Normalfall. Aber es sind die gleichen Alarmrotten; es ist die gleiche Einsatzphilosophie. Es fliegen Flugzeuge über den deutschen Luftraum, die die Sicherheit - das Airpolicing, wie man sagt - gewährleisten sollen; natürlich auch in einem solchen Fall. Es wäre aberwitzig, wenn die Luftwaffe diese Aufgabe gerade dann nicht übernehmen würde oder könnte. Zum Tornado-Überflug über das Camp, unabhängig davon, ob er gemeldet war oder nicht: Dass ein Tornado im Tiefflug über ein Camp mit Demonstranten brettert, ist nicht akzeptabel. Das hätte sicher auch nicht genehmigt werden können, wenn es so beantragt worden wäre. Es ist ja nicht genehmigt worden. Offenbar geschah dies auf dem kleinen Dienstweg. Dann gab es vielleicht noch ein besonderes Engagement des Piloten, das aber so nicht akzeptabel ist. Demonstrationscamps müssen nicht fotografiert werden, und man muss sie auch nicht zur Demonstration möglicher Macht überfliegen. Das kann man einfach abstellen. Ich habe dem Bericht auch entnommen, dass in diesem Zusammenhang disziplinäre Ermittlungen eingeleitet worden sind. ({3}) Das ist richtig. Genau so muss man mit solchen Fällen umgehen, wenn sie bekannt werden. Das Ministerium hat jetzt die Entscheidung getroffen, dass es bekannt wird. Letzter Punkt. Wir können diese Debatte nicht im luftleeren Raum führen, sondern es geht immer darum, dass wir klarmachen, wo die Grenzen sind. Wir wollen nicht, dass Fakten geschaffen werden, dass schleichend etwas verändert wird, das sich bewährt hat. Bewährt hat sich die Arbeitsteilung bezüglich der Aufgaben der Polizei im Inland und der Aufgaben, die die Bundeswehr in anderen Fällen im Ausland und in Amtshilfe - das ist klar definiert - im Inland ausüben kann. An dieser klaren Aufgabenteilung halten wir fest. Schönen Dank. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort der Kollege Helmut Brandt. ({0})

Helmut Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003727, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über den G-8-Gipfel zu diskutieren, heißt, zunächst herauszustellen, dass der Gipfel erstens durch den außerordentlichen Einsatz und das Geschick der Bundeskanzlerin zum Erfolg geführt wurde und dass zweitens den Chaoten, die die friedlichen Demonstrationen für ihre Zwecke missbraucht haben, durch den erfolgreichen Einsatz der Polizei Einhalt geboten wurde. ({0}) Unser Dank dafür gilt an erster Stelle der Bundeskanzlerin bzw. der Bundesregierung insgesamt, aber auch allen während des Gipfels eingesetzten Sicherheitskräften. Nun wurde vonseiten der Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen eine Aktuelle Stunde mit den Behauptungen verlangt, es sei Kritik am Fehlen der verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten zu üben, und es gebe hierzu widersprüchliche Aussagen der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag. ({1}) Zunächst weise ich die Formulierung, der Einsatz habe sich gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten gerichtet, entschieden zurück. ({2}) - Frau Jelpke, der Einsatz aller Sicherheitskräfte einschließlich der in Amtshilfe handelnden Bundeswehr diente allein der Sicherheit des Gipfels und der Sicherheit der Demonstrantinnen und Demonstranten. Er diente ausschließlich der Gewährleistung des Versammlungsrechts sowie des Demonstrationsrechts und richtete sich gegen die Rechtsbrecher, die sich unter die Demonstrantinnen und Demonstranten gemischt hatten sonst gar nichts. ({3}) - Möglicherweise waren Sie dabei, Frau Jelpke; das haben Sie selbst zu verantworten. Eine Bemerkung am Rande: Die Veranstalter solcher Großdemonstrationen - Frau Jelpke, das sollten Sie vielleicht weitergeben - sollten aus den Vorkommnissen gelernt haben, sich künftig inhaltlich wie räumlich deutlich von den Chaoten zu distanzieren. Vom Fehlen einer verfassungsrechtlichen Grundlage für den Bundeswehreinsatz kann keine Rede sein. Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes ist insoweit eindeutig. Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Das allein zuständige Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat diese Amtshilfe auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes erbeten und sie im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorgaben erhalten. Dies gilt nicht nur für die logistischen Hilfestellungen, sondern auch für den Einsatz des gepanzerten Aufklärungssystems Fennek sowie für die Aufklärungsflüge mit Tornado-Flugzeugen. Beide Systeme waren unbewaffnet. Sie wurden ausschließlich zur Unterstützung der polizeilichen Arbeit vor Ort genutzt, da die technische Ausstattung der Polizei insoweit nicht ausreicht bzw. eine solche Ausstattung nicht vorhanden ist. Zudem kamen Tornado-Flugzeuge auch in Gleneagles mit dem gleichen Auftrag zum Einsatz. Die damals gewonnenen Erkenntnisse wurden vom Land Mecklenburg-Vorpommern zum Anlass genommen, diese Aufklärungsmittel zur Sicherung des G-8-Gipfels in Heiligendamm ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Eine solche Amtshilfe ist von Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes eindeutig gedeckt. ({4}) Meine Damen und Herren, bei vielen Großeinsätzen, beispielsweise beim Papstbesuch oder beim Weltjugendtag, werden vergleichbare Amtshilfen in Anspruch genommen. In diesen Fällen würde niemand die Behauptung aufstellen wollen, dass von den dort versammelten Jugendlichen oder gar vom Papst eine Gefahr ausginge. Die Aufklärung ist in diesen Fällen nur erforderlich, um von außen einwirkende Störer zu erkennen und entsprechende Handlungen zu unterbinden. Wenn diese Aufklärungsarbeit bei Veranstaltungen rechtens ist, von denen selbst keine Gefahr ausgeht, dann müssen diese Einsätze doch erst recht gerechtfertigt sein, wenn von der Veranstaltung selbst, beispielsweise durch Missbrauch des Demonstrationsrechts, Gefahren ausgehen. Dann muss das doch erst recht gelten. ({5}) Mithin frage ich die Antragsteller dieser Aktuellen Stunde, weshalb dies ihrer Auffassung nach ausgerechnet in diesem Fall nicht so sein sollte. Anders als sich der Kollege Wiefelspütz - leider ist er heute nicht da - im Innenausschusse geäußert hat, bin ich nicht der Auffassung, dass der eine Tiefflug eine Zwangswirkung auf die Demonstranten hatte. Jedenfalls war eine solche Wirkung nicht beabsichtigt. Heute ist dieser Vorfall auch entschuldigt worden. Mithin gilt: Veranlasser des Bundeswehreinsatzes war das Land Mecklenburg-Vorpommern. Der Einsatz findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes. Er war rechtens, notwendig und angemessen. ({6}) Zum Schluss möchte ich noch auf die Behauptung eingehen, die Bundesregierung habe unterschiedliche Auskünfte erteilt. Heute ist mehrfach deutlich geworden, dass die Bundesregierung stets offen und vollständig informiert hat, sogar noch in der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses. Es ist bedauerlich, dass die Durchführung eines Treffens von demokratisch gewählten Staatsführern heutzutage offensichtlich nur noch mit solch immensem personellen und sachlichen Aufwand gewährleistet werden kann. Der Erfolg des G-8-Gipfels und der Beweis dafür, dass unser demokratischer Rechtsstaat nicht erpressbar ist, haben diesen Einsatz gerechtfertigt. Ich danke Ihnen. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Gunkel für die SPD-Fraktion. ({0})

Wolfgang Gunkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003762, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Nachdem hier über den Einsatz der Bundeswehr beim G-8-Gipfel schon reichlich debattiert worden ist, will ich doch noch einmal einen Blick darauf richten, welche Möglichkeiten die Polizeikräfte haben. Ich will damit darstellen, dass hier keineswegs ein polizeilicher Notstand oder Ähnliches vorlag. ({0}) - Ich will ja gerade darstellen, was für Möglichkeiten es gibt. Lassen Sie mich das bitte in aller Ruhe machen, Frau Stokar; dann kommen wir vielleicht zu dem, was Sie gerne hören möchten! ({1}) Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Polizei bei Großeinsätzen aller Art - die Fußballweltmeisterschaft hat das bewiesen - zu Wasser, zu Lande und in der Luft jederzeit in der Lage ist, Aufklärung zu betreiben, ohne Hilfsmittel der Bundeswehr einzusetzen. ({2}) Dazu ist die Bundespolizei sehr wohl in der Lage: Sie verfügt über Hubschrauber, die sogar mit Wärmebildkameras ausgerüstet sind und jederzeit, bei Tage und bei Nacht, Aufklärungsergebnisse liefern können. Auch andere Aufklärung, auf dem Lande nämlich, durch Polizeikräfte, die man mit Nachtsichtgeräten ausrüsten kann, ist durchaus möglich und erbringt beste Aufklärungsergebnisse, die in die polizeiliche Lagebeurteilung einfließen. ({3}) All das hätte man machen können und aus meiner Sicht machen müssen. Ich kann nicht verstehen, weshalb extra zu diesem Zwecke die Bundeswehr eingesetzt worden ist. Da liegt natürlich eines nahe: dass man es in gewisser Weise testen wollte, die Bundeswehr mit ihren Flugzeugen die Aufklärungsarbeit machen zu lassen. ({4}) Soweit ich aus den Berichten weiß, sind die beiden Flüge vor Beginn des Gipfels beantragt und auch so genehmigt worden, wegen der Geländebeschaffenheit und Ähnlichem. Die Dinge, die geschehen sind, als das Camp belegt war, sind keineswegs genehmigt worden, sondern in eigener Zuständigkeit durchgeführt worden wer das im Einzelnen zu verantworten hatte, wird noch zu prüfen sein; derjenige wird sich dafür sicherlich noch zu verantworten haben. Insgesamt war dieser Einsatz nach meiner Einschätzung nicht erforderlich, und das Land Mecklenburg-Vorpommern hätte - das hat es schließlich und endlich auch bewiesen - diesen Einsatz auch ohne die Hilfe der Bundeswehr in dieser Form durchführen können. Wer hier immer wieder Amtshilfe reklamiert, weiß genau, dass es bei der Amtshilfe rechtlich so ist, dass sie nicht nur vom Anfordernden zu prüfen ist, sondern auch von demjenigen, der sie leistet. Da spielt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine wesentliche Rolle. ({5}) Im Polizeirecht und in den rechtlichen Gegebenheiten, die für derartige Einsätze gelten, hat das Verfassungsrang. Ich glaube, das ist bei der Durchführung dieses Einsatzes vergessen worden; denn es ist nicht verhältnismäßig, wenn man im Tiefflug über Menschen hinwegfliegt zu einem Zweck, der für denjenigen, der davon betroffen ist, nicht ohne Weiteres zu erkennen ist. Das wäre vermeidbar gewesen; insofern glaube ich nicht, dass es notwendig war. Zu dem Einsatz, den Sie immer wieder beschreiben, ist zu sagen: Ich danke natürlich den Polizeibeamten, die es trotz der Schwierigkeiten ermöglicht haben, diesen Einsatz zu einem Erfolg zu machen. Das wäre aber auch ohne Unterstützung der Bundeswehr möglich gewesen. Angesichts dessen, was heute in der Presse steht, und wenn das Gespräch jetzt wiederum auf diesen Einsatz kommt und er - jetzt auch von der Bundeskanzlerin - als Anlass genommen wird, erneut zu fordern, die Bundeswehr künftig auch im Innern einzusetzen und die klassische Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufzuheben - das sei nicht mehr modern -, müssen wir den Schluss ziehen: Diese Trennung ist hochmodern. ({6}) Das ist in der Verfassung so vorgeschrieben, und unser Grundgesetz ist kein Gemischtwarenladen, kein Gemüseladen, den man ständig neu bestücken kann. ({7}) - Herr Kollege Binninger, es ist doch vollkommen klar, dass das, was im Grundgesetz vorgesehen ist, durch die Bundeswehr geleistet werden muss; das haben wir nie infrage gestellt. ({8}) Aber das, was hier gemacht wird, ist Einsatzunterstützung für die Polizei, hilfsweise für die Polizei tätig werden; das ist eben nicht durch Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes abgedeckt. ({9}) Sie wissen ganz genau - aus der Diskussion über das Luftsicherheitsgesetz -, dass wir deutlich gesagt haben: Selbstverständlich muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts darüber nachgedacht werden, wie man einen solchen Fall in der Verfassung absichert. Auch darüber diskutieren wir mit Ihnen schon lange. Wir sind auch bereit, mit Ihnen darüber weiter zu sprechen. Wir sind aber nicht bereit, zu akzeptieren, dass hier eine Sache unterlaufen wird, was Sie mit Amtshilfe verbrämen und letztendlich darauf hinausläuft, dass die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann. ({10}) Das ist auch nicht für den Objektschutz notwendig, der heute wieder eingefordert wurde. Die armen Bundeswehrsoldaten sollen als Hiwis vor irgendwelche Objekte gestellt werden. Ich sage einmal: Man muss auch die Soldaten verstehen. Einige müssten sich dafür zu schade sein. Wenn Sie die Soldaten einmal fragen, dann werden Sie erfahren, dass sie sich dafür auch zu schade sind. Die Bundeswehr selbst lässt ihre Objekte, die ebenfalls bedroht sind, durch den zivilen Objektschutz, also durch Privatfirmen, schützen. Andererseits soll sie aber vor öffentlichen Gebäuden stehen und dort Objektschutz betreiben. Ich glaube nicht, dass man das vermitteln kann. Das kann auch nicht Sinn und Zweck sein. ({11}) Da Sie immer die Terrorismusdebatte führen, müssen Sie mir erklären, wofür die Bundeswehr sonst noch eingesetzt werden soll, wenn nicht zu diesen Zwecken. ({12}) - Sicher. Ich bin aber der Auffassung, dass dies in diesem Fall überzogen worden ist. - Ich bin der Letzte, der diesen Gipfel gefährden wollte; das wissen Sie ganz genau. Sie wissen genau, dass ich eher bereit bin, Dinge zu tolerieren, die vielleicht gerade noch am Rande der Legalität sind. ({13}) Das, was Sie uns verkaufen wollen, hat mit dem Rand der Legalität aber nichts zu tun; das ist rechtswidrig. ({14})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wolfgang Gunkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003762, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. - Diese kurze Retrospektive, die ich gebracht habe, dient einzig und allein dazu, eines für meine Fraktion noch einmal festzustellen: Wir werden die innere und die äußere Sicherheit weiterhin trennen. Die innere Sicherheit ist Aufgabe der Polizei, die äußere Sicherheit ist Aufgabe der Bundeswehr. Dabei soll es bleiben. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Gert Winkelmeier.

Gert Winkelmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003864, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier einmal dem Gebrauch des Begriffs Amtshilfe klar widersprechen. ({0}) Es handelt sich hier nicht um Amtshilfe. Die Bundeswehr wurde im Innern eingesetzt, und das war grundgesetzwidrig. Sie können nicht mit Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz argumentieren. ({1}) - Herr Kollege, Sie müssen weiterlesen. Sie müssen sich auch den Abs. 2 durchlesen. Dies sage ich auch an die Adresse der Zuschauer, die das zu Hause im Grundgesetz einmal nachlesen können. In Abs. 2 wird nämlich klar geregelt, was Amtshilfe bedeutet. Amtshilfe bedeutet - ich zitiere aus dem Grundgesetz -: Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern. Herr Kollege, das ist hier klar geregelt. Sie hätten sich das vorher durchlesen müssen. Von daher komme ich zu ganz anderen Schlüssen. Bei diesem Einsatz ging es darum, auszutesten, inwieweit die Bundeswehr heute schon im Innern eingesetzt werden kann; denn die Demonstrationen zum G-8-Gipfel waren weder eine Naturkatastrophe noch ein besonders schwerer Unglücksfall. Es ging um das Austesten der Möglichkeiten. Das passt auch genau in folgende Situation: Nachdem wir jahrelang über die Militarisierung der Außenpolitik geredet haben, geht es jetzt darum, eine Diskussion über die Militarisierung der Innenpolitik zu führen, die Sie mit Ihrem Herrn Schäuble ja scheinbar erreichen wollen. Es ist verhängnisvoll, dass auch die Bundeskanzlerin in genau dieselbe Kerbe schlägt und befürwortet, dass sich die Grenzen verwischen und die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann. Die Linke wird hier entscheidenden Widerstand leisten, damit dies nicht passieren wird. Nun noch ein Gedanke zu den Tiefflügen. Man muss sich das einmal vorstellen - das sage ich an die Adresse der Zuschauer -: Ein Tornado jagte in Mindestflughöhe, das heißt, in 500 Fuß - das sind 150 Meter -, über die Köpfe der Leute hinweg. Diese Mindestflughöhe wurde um noch einmal 119 Fuß unterschritten. Das heißt, wir reden über 120 Meter. Der Tacho des Tornados zeigte eine Geschwindigkeit von ungefähr 1 000 Stundenkilometern an, und davon fühlten sich die Demonstranten bedroht. Das ist der Anfang der Einschüchterung wie auch einer Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. ({2}) Das ist der Dissens, der zwischen uns besteht: Während Sie alles verharmlosen wollen, zeigen wir klar auf, wohin nach Ihrer Ansicht die Reise gehen soll, nämlich hin zu einer Militarisierung der Innenpolitik. Dagegen werden wir Widerstand leisten. Vielen Dank. ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Fograscher für die SPD-Fraktion.

Gabriele Fograscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer immer wieder gebetsmühlenartig und stereotyp den Bundeswehreinsatz im Inneren fordert, der muss sich auch gefallen lassen, dass man sorgfältig darauf achtet, was die Bundeswehr im Einsatz - zum Beispiel beim G-8-Gipfel - tut. ({0}) Die gebetsmühlenartigen Wiederholungen von Herrn Schäuble, Frau Merkel, Herrn Beckstein heute und anderen CDU-Ministern führen zu dem Verdacht, dass Fakten geschaffen und Grenzen ausgedehnt werden sollen. ({1}) 22 der 25 angeforderten Amtshilfeleistungen der Bundeswehr sind völlig unstrittig. Die drei Elemente dieser Amtshilfe, die heute schon genannt wurden - der Einsatz der Tornados, die Ausweitung der Flüge auf die Camps und der Tiefflug -, werden aufgearbeitet. Wir verlassen uns dabei auf die Aussagen des BMVg. Es geht um die gepanzerten Fahrzeuge, deren Fähigkeiten nur in sehr enger Kooperation mit der Polizei zu einer Lagebewertung führen können. Auch das sehen wir kritisch. Es geht des Weiteren um die hohe Zahl der eingesetzten Feldjäger, aber auch um den Objektschutz eines Krankenhauses, in dem die Bundeswehr zwar Hausrecht hatte, das aber keine militärische Sicherheitszone war. Ich glaube, dass die heutige Diskussion gezeigt hat, dass wir die Einsätze im Hinblick auf die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Amtshilfeleistungen bewerten müssen. ({2}) Deshalb müssen wir mit dem Koalitionspartner an die Aufgabe herangehen, Art. 35 des Grundgesetzes, der die Amtshilfe regelt, eventuell zu konkretisieren, aber auch die Grenzen aufzuzeigen. Für die SPD-Bundestagsfraktion sage ich: Wir wollen keinen Bundeswehreinsatz im Inneren. Wir werden Art. 87 a des Grundgesetzes, der den Verteidigungsfall regelt, nicht angehen. ({3}) - Das habe ich gerade gesagt. Wir sind bereit, Art. 35 zu konkretisieren, aber auch die Grenzen deutlich zu machen. Wir sind aber nicht bereit, über die Ausweitung des Verteidigungsfalls und den generellen Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu reden. Wir glauben, dass sich die Sicherheitsarchitektur in unserem Land bewährt hat. Die Polizei ist gut ausgebildet. Dort, wo sie nicht mehr den Erfordernissen entsprechend ausgestattet ist, ist es Sache der Länder, eine angemessene Ausstattung zu gewährleisten. Die Bundeswehr ist für andere Aufgaben ausgebildet und ausgestattet. Wir sehen keine Notwendigkeit, die Aufgaben der Polizei und der Bundeswehr zu vermischen. Ich glaube, dass wir gut daran tun, die Bundeswehr nicht zu einer Hilfspolizei in unserem Land werden zu lassen. Die Diskussionen und die Aussagen vonseiten der Bundeswehr und der Polizei zeigen, dass die CDU/ CSU mit ihren Forderungen zu diesem Thema ziemlich isoliert ist. ({4}) Deshalb ist es, glaube ich, an der Zeit, über die wirklichen Erfordernisse unter den bestehenden Bedrohungsszenarien zu diskutieren und uns darauf einzustellen, aber ohne das provokative Wiederholen der Forderung nach dem Bundeswehreinsatz im Inneren. Danke schön. ({5})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Clemens Binninger für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vor meinem Beitrag, mich auf die Ausführungen des Kollegen Wieland zu beziehen. ({0}) Bei aller Wertschätzung, Herr Kollege Wieland, eines geht nicht: dass Sie sich hierherstellen und eine Interviewaussage des Innenministers mit einer Aussage der RAF gleichsetzen; das ist eine Entgleisung. Ich bitte Sie, das zurückzunehmen. ({1}) Wenn Sie die Debatte sachgerecht führen wollen, empfehle ich Ihnen, verbal deutlich abzurüsten. Wenn wir heute Nachmittag über G 8 gesprochen haben, kann man eindeutig sagen, es war technische Amtshilfe, und sie war umfassend von Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes gedeckt. Dort heißt es: Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Diese ist sowohl in personeller als auch in technischer Hinsicht möglich. So gab es personelle Amtshilfe im Bereich des Sanitätswesens. Aber hier war vor allem technische Amtshilfe notwendig. Sie wurde übrigens - um die Scheinheiligkeit mancher Beiträge zu entlarven von einer rot-roten Landesregierung angefordert. Die SPD würde in Teilen bis an die Grenze der Legalität gehen, haben wir gehört. Und die Ausführungen der Grünen habe ich schon kommentiert. Ich bitte doch sehr darum, dass wir uns an der Verfassungslage orientieren. Das heißt, dieser Einsatz war von der Verfassung gedeckt. ({2}) Es war klassische technische Amtshilfe. Man sollte sich vor Augen führen, weshalb sie notwendig war. Die Polizei wäre technisch gar nicht in der Lage gewesen, mit einer vergleichbaren Fototechnik großflächige Aufnahmen von einem großen Gelände zu machen und festzustellen, ob es Veränderungen an der Bodenbeschaffenheit oder ob es Manipulationen beispielsweise am Fahrbahnbelag gibt. Dazu wäre die Polizei technisch nicht in der Lage. Die Polizei wäre genauso wenig technisch in der Lage gewesen, ein großes Areal wie das in Heiligendamm mit Aufklärungstechnik zu überwachen. Das kann die Polizei technisch nicht, und sie wäre zudem nicht in der Lage gewesen, für technischen Schutz an der Seeseite zu sorgen. Wenn die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern - es geht hier übrigens nicht um den Bundesinnenminister - zu dem Ergebnis gelangt: „Wir können diesen Einsatz nur dann ordnungsgemäß durchführen und die Sicherheit gewährleisten, wenn wir technische Amtshilfe anfordern“, dann ist das in keinem einzigen Punkt zu beanstanden. Ich glaube, wir sollten in der Diskussion ehrlich sein und auch die Fälle nennen, in denen technisch Amtshilfe schon durchgeführt wurde, ohne dass es von irgendjemandem beanstandet wurde. Zum Beispiel bei der Fußball-WM: Aufklärung aus der Luft; zum Beispiel beim Besuch des Papstes und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen: Aufklärung aus der Luft; zum Beispiel beim Weltkirchentag zum Schutz der Veranstaltung: Aufklärung aus der Luft. Nicht in einem dieser Fälle wurde dies beanstandet. ({3}) Auch in Heiligendamm ging es um Aufklärung aus der Luft mit einer Technik, die der Polizei nicht zur Verfügung steht. Deshalb ist es von Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt. Es mag Ihnen nicht gefallen, aber der Einsatz ist verfassungsrechtlich auf einer stabilen, einwandfreien Grundlage. Etwas anderes ist es, wenn man sich einmal die wahre Motivation der Grünen für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde ansieht. Es fällt auf, dass die Flüge, die von Ihnen so vehement beanstandet werden - Sie versuchen, sie zu dramatisieren -, am 5. Juni von niemandem beanstandet wurden, genauso wenig wie am Tag danach. Erst als Sie auf der verzweifelten Suche nach Argumenten, um etwas an dem G-8-Einsatz schlechtzureden, nichts mehr gefunden haben, fiel Ihnen mit fünf Tagen Verspätung ein, dass Sie diesen Einsatz noch einmal thematisieren könnten. Was Sie hier gemacht haben, ist wenig glaubwürdig. ({4}) Genauso war es. Am Tag selber und am Tag danach gab es gar keine Kritikpunkte. ({5}) Erst mit fünf Tagen Verspätung haben Sie erkannt, dass man hier etwas kritisieren könnte. Deshalb ist Ihr Antrag wenig glaubhaft. ({6}) Nach den Krawallen in Rostock werden Sie doch nicht ernsthaft infrage stellen, dass die Polizei eines Landes wie Mecklenburg-Vorpommern und der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, der alles dafür tun muss, dass diese Veranstaltung und die Demonstrationen sicher ablaufen können, auch technische Möglichkeiten ausschöpfen müssen, wenn gesagt wird, dass sonst die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Deshalb war es notwendig. ({7}) Sie versuchen hier, mit der Sicherheit unseres Landes zu spielen, um ein paar Aufmerksamkeitspunkte auf der politischen Richterskala einzuheimsen. Das ist das Einzige, Sie werden kein Beben auslösen, Sie werden bestenfalls etwas heiße Luft produzieren - aber mehr am Ende nicht -, weil der Einsatz rechtlich und technisch einwandfrei war. Herzlichen Dank. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 5. Juli 2007, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Die Sitzung ist geschlossen.