Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/3/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen und hoffentlich andauernd sonnigen Tag. Sollte die Besetzung ähnlich übersichtlich bleiben, wie sie jetzt ist, habe ich an dem sonnigen Verlauf unserer Beratungen nicht den geringsten Zweifel. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren ({0}) - Drucksache 15/2536 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({1}) Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Interfraktionell ist vereinbart worden, dass hierzu keine Aussprache erfolgen soll. - Ich sehe, dass Einverständnis besteht. Damit kommen wir gleich zur Überweisung. Interfraktionell wird Überweisung dieses Gesetzentwurfes auf Drucksache 15/2536 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute im Bundeskabinett diesen Gesetzentwurf beschlossen. Hierbei geht es darum, die Konsequenzen aus der Jahrhundertflut im Jahre 2002 zu ziehen. Damals sind 21 Menschen ums Leben gekommen. Es gab Schäden in einer Größenordnung von 9 Milliarden Euro. Wir alle wissen, dass sich solche extremen Wetterlagen in den letzten Jahren aufgrund der globalen Erwärmung gehäuft haben. Auch wenn wir ambitioniert Klimaschutz betreiben und dafür Sorge tragen, dass die globale Temperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um nicht mehr als zwei Grad steigt, werden wir mit mehr solchen extremen Wetterlagen zu rechnen haben. Wir haben uns also darauf einzustellen, dass die Gefahr, Hochwasser zu erleben, wächst. Deswegen müssen wir vorbeugen und Schadensvorsorge betreiben. Dem dient der vorliegende Gesetzentwurf zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Durch ihn werden erstmalig bundeseinheitliche, stringente Vorgaben gemacht. Damit wird das Fünfpunkteprogramm zur Verbesserung des Hochwasserschutzes umgesetzt, das damals auf einer großen Konferenz verabredet worden ist. Mit diesem Entwurf knüpfen wir an die offensichtlich bestehenden Vollzugs- und Regelungsdefizite an. Dies tun wir in Form eines Artikelgesetzes. Das heißt, dass wir verschiedene Gesetze ändern, die etwas mit dem Thema Hochwasser zu tun haben. Dabei handelt es sich um Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes, des Baugesetzbuches, des Raumordnungsgesetzes, des Bundeswasserstraßengesetzes und des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst, das jetzt allerdings nicht in „Lex Kachelmann“ umbenannt wird. Der Grundsatz, der an dieser Stelle gilt, ist: Alle sind verpflichtet, Hochwasserschäden im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verhindern. Dazu sollen die Länder erstmalig nach bundeseinheitlichen Vorgaben und ausgehend vom so genannten hundertjährlichen Hochwasser Überschwemmungsgebiete festsetzen. Dies soll innerhalb von fünf Jahren geschehen. Redetext Darüber hinaus wird erstmalig die Kategorie der überschwemmungsgefährdeten Gebiete eingeführt. Wir müssen uns klar machen, dass Deiche und andere Hochwasserschutzeinrichtungen in vielen Fällen keinen absoluten Schutz gewährleisten können. Allein beim Jahrhunderthochwasser entlang der Elbe sind über 100 Deiche gebrochen. In diesen Bereichen müssen daher besondere Maßnahmen ergriffen werden. Schließlich sollen diese Flächen, die Überschwemmungsgebiete und die überschwemmungsgefährdeten Gebiete, von den Ländern in den Raumordnungs-, den Flächennutzungs- und, soweit es die Kommunen betrifft, den Bebauungplänen gekennzeichnet werden, sodass jeder weiß, worum es geht. Dies muss auch Konsequenzen haben: In festgesetzten Überschwemmungsgebieten dürfen künftig keine neuen Bau- und Gewerbegebiete mehr ausgewiesen werden. Auf Flächen in Flussauen mit Wohnsiedlungen und Gewerbeparks hätten wir nämlich die Hochwasserschäden von morgen. Ähnliches gilt für den Bereich der Landwirtschaft: Auch sie muss sich stärker an den Gefahren des Hochwassers orientieren. Es ist heute schon so, dass Grünlandumbruch in Überschwemmungsgebieten nicht der im Bundesnaturschutzgesetz festgelegten guten fachlichen Praxis entspricht. Wir wollen, dass bis 2012 in den Überschwemmungsgebieten der Ackerbau grundsätzlich eingestellt und zu anderen Formen landwirtschaftlicher Nutzung übergegangen wird. Das soll die Bodenerosion vermindern. Wir haben diese Forderung allerdings auf jene Teile der Überschwemmungsgebiete beschränkt, in denen Hochwasser besonders schnell abfließt. Vor Augen hatten wir dabei die Erfahrung, die wir auch beim Jahrhunderthochwasser gemacht haben, dass in Überschwemmungspoldern, in denen Mais angebaut wurde, Zehntausende von Fischen gestorben sind - das stank buchstäblich zum Himmel. Schließlich widmen wir uns mit dem Gesetzentwurf auch dem aktiven Hochwasserschutz: Flussgebietsbezogene Hochwasserschutzpläne sind innerhalb von vier Jahren aufzustellen. Dazu gehören auch Maßnahmen wie die Deichrückverlegung, die Rückhaltung von Niederschlagswasser sowie die Wiederherstellung von Auen. Das Bundesumweltministerium hat hier mit zwei Projekten - im Biosphärenreservat „Mittlere Elbe“ und am so genannten Bösen Ort, also gegenüber vom Wendland - Initiativen ergriffen, wie man durch Rückbau von Deichen und Wiederherstellung von Auen Flüssen mehr Raum geben kann und damit gleichzeitig mehr Hochwasserschutz erreicht. Der Kern dieser Maßnahmen ist eine andere Flusspolitik: den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Die Bundesregierung hat in Konsequenz des Jahrhunderthochwassers die Staupläne für die Donau ebenso gestoppt wie die Ausbaupläne für die Elbe. Wir begrüßen es sehr, dass der tschechische Senat den Plan von Staustufen auf dem tschechischen Teil der Elbe nicht weiter verfolgt. Schließlich haben wir festgelegt, dass Aus- und Neubau von Wasserstraßen künftig hochwasserneutral vorzunehmen sind. Das heißt für uns auch, dass der Sachverstand etwa des Bundesamtes für Naturschutz bei solchen Planfeststellungsverfahren künftig hinzuziehen ist. Alles in allem ist uns ein, wie wir finden, ausgewogener Kompromiss gelungen. Das war nicht immer ganz einfach. Ich bedanke mich bei den Kollegen im Ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und im Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Ich glaube, wir haben mit diesem Gesetzentwurf die Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe gezogen: Künftig setzen wir beim Hochwasserschutz auf Vorsorge und auf Schadensvermeidung. Danke.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank für den Bericht. - Ich rufe nun Zusatzfragen zu dem Bericht der Bundesregierung auf. Das Wort hat der Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. - Ich habe eine Vorbemerkung, da Sie gerade das Ministerium von Frau Künast angesprochen haben: Es erstaunt mich schon, dass jetzt niemand von diesem Ministerium anwesend ist. Damit komme ich gleich zum Thema: Sie haben die Deiche und die Probleme der Landwirtschaft bei Hochwasser angesprochen. Wie können Sie mir dann erklären - ich hätte diese Frage eigentlich gerne an das Ministerium von Frau Künast gerichtet; ich bin ja Hauptberichterstatter für den Einzelplan 10 -, dass bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung des Küstenschutzes“ in den letzten Jahren die Mittel in erheblichem Maße gestrichen worden sind? Selbst nach der Hochwasserkatastrophe sind noch Mittel gestrichen worden. Das passt doch überhaupt nicht zusammen.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Lieber Herr Kollege Koppelin, ich will hier nicht der Versuchung erliegen, auf alle Details dieser Gemeinschaftsaufgabe einzugehen. Aber Sie wissen sehr wohl, dass diese Gemeinschaftsaufgabe keine ausschließliche Veranstaltung der Bundesregierung ist, sondern ein außerordentlich schwieriger Prozess, der mit den Bundesländern abgestimmt werden muss, worauf diese großen Wert legen. Sie wissen, dass im Rahmen dieser Gemeinschaftsaufgabe mittlerweile wieder Mittel für den Rückbau zur Verfügung gestellt werden, auch als Konsequenz aus der Hochwasserkatastrophe. Ich habe mit Absicht darauf verwiesen, wie man Deichrückbau und Wiederherstellung von Auen betreiben kann und dass dies zurzeit zum Teil mit Mitteln des Naturschutzes entlang der Elbe praktiziert wird. Ich kann und muss Ihre Frage mit dieser Einschränkung beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich komme aus Schleswig-Holstein. Dort hat die rot-grüne Landesregierung die Mittel für den Küstenschutz erheblich gestrichen; die notwendigen Mittel stehen nicht zur Verfügung. Der Bund hat ebenfalls Mittel gestrichen. Wie erklären Sie denn den Menschen an der Elbe, zum Beispiel in Lauenburg, dass in dieser Weise die Mittel sowohl von der Landesregierung als auch von der Bundesregierung gestrichen wurden und Sie uns jetzt trotzdem etwas über Küstenschutz erzählen und darstellen, was notwendig ist?

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Lieber Herr Kollege Koppelin, ich habe mit Absicht über den Hochwasserschutz insbesondere entlang der Flüsse gesprochen. Sie werden feststellen müssen, dass gerade innerhalb des von Ihnen genannten Zeitraums das Bundesumweltministerium dabei ist, mit einem erheblichem Aufwand in Millionenhöhe in diesem Bereich für mehr Hochwasserschutz zu sorgen. Insofern kann ich Ihre Frage nicht ganz nachvollziehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Homburger.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben dargestellt, dass das Kabinett heute einen Beschluss zu einem Gesetzentwurf zur Verbesserung des Hochwasserschutzes gefasst hat. Die Diskussion darüber gibt es ja bereits seit längerer Zeit. Sie haben am 15. September 2002 eine Flusskonferenz durchgeführt und bereits im August letzten Jahres haben Sie einen Gesetzentwurf vorgestellt. Mich würde interessieren, warum es bis zum heutigen Beschluss des Kabinetts noch so lange gedauert hat. Als ich Ihnen gerade zugehört habe, habe ich einige Punkte entdeckt, die die FDP gefordert hat, beispielsweise betreffend Baugebiete in Überschwemmungsgebieten, betreffend die Hochwasserschutzpläne oder auch die Kooperation in Flussgebietseinheiten. Warum haben Sie den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion auf Drucksache 15/1334, der bereits im Juli letzten Jahres in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde und all diese Forderungen enthielt, abgelehnt? ({0})

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Ich will an der Stelle aus der Position der Bundesregierung den Hinweis des parlamentarischen -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es wäre ganz gut, wenn auch zugehört würde, wenn die vom Minister erbetene Auskunft erteilt wird. ({0})

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Ich glaube, der Zwischenruf des geschätzten Parlamentarischen Geschäftsführers der Fraktion der Grünen ist zumindest sachlich zutreffend. ({0}) Solche Anträge werden in der Tat vom Bundestag und nicht von der Bundesregierung abgelehnt. Die Bundesregierung hat diese fünf Eckpunkte umgehend im September 2002 - Sie haben zu Recht auf die Flusskonferenz verwiesen - vorgelegt. Das Bundesumweltministerium hat einen Gesetzentwurf verfasst und über diesen Gesetzentwurf sehr ausführlich und sehr gründlich gerade mit den Betroffenen - das sind zum Beispiel die kommunalen Spitzenverbände und die Landesregierungen, aber auch die Verbände beispielsweise der Landwirtschaft und die Naturschutzverbände - diskutiert, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, von dem wir glauben, dass es die Notwendigkeit, vorzubeugen und sich dabei auch den Nutzungskonflikten zu stellen, miteinander vereinbart. Jeder, der aus der Kommunal- oder Landespolitik kommt, weiß, was für ein Druck beispielsweise auf Gemeinden liegt, neue Wohngebiete auszuweisen. Dass diesem Druck in vielen Ländern - das sage ich jenseits aller Parteipolitik - vielfach nachgegeben wird, beschreibt die Notwendigkeit, zu einer bundesgesetzlichen Regelung zu kommen. All dies hat eine bestimmte Zeit in Anspruch genommen. Ich glaube, dass wir jetzt für diesen Gesetzentwurf ein sehr solides und valides Fundament haben. Ich freue mich auf die Beratungen. Noch mehr freue ich mich darauf, wenn die FDP-Fraktion an dieser Stelle so nachdrücklich, wie Sie es eben angedeutet haben, Frau Homburger, Ja dazu sagt, dass in Überschwemmungsgebieten nicht mehr geplant und keine neuen Baugebiete mehr ausgewiesen werden dürfen. Wenn Sie so nachdrücklich dafür plädieren, dass in Überschwemmungsgebieten künftig auch kein Ackerbau betrieben werden darf, dann sind wir in dieser Frage einen ganzen Schritt weiter. Ich freue mich über die Unterstützung aus der Opposition.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Homburger. ({0})

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, wir werden diesen Gesetzentwurf, den wir - im Gegensatz zu Ihnen - in der heute beschlossenen Fassung bisher nicht vorliegen haben, selbstverständlich in allen Punkten prüfen und dann im Rahmen der Auseinandersetzung im parlamentarischen Bereich über die Einzelpunkte debattieren. Bei dem einen oder anderen Punkt werden wir sicherlich nach wie vor divergierende Meinungen haben. Ich sage es einmal so: Es wäre schön gewesen, wenn man die offensichtlich unstrittigen Punkte - nicht alle Punkte sind unstrittig, aber solche gibt es - gemeinsam hier hätte beschließen können. Vielleicht hätte Ihnen das sogar ein wenig geholfen. Das lasse ich aber einmal dahingestellt. Herr Minister, ich würde gerne wissen, ob die Bundesregierung im Rahmen des Versuchs, ein flussgebietsbezogenes Hochwassermanagement einzuführen, auch Gespräche mit anderen Ländern geführt hat, bei denen es über das hinausging, was nun im Hochwasserschutzgesetz festgelegt wurde. Wenn ja: Bezieht sich das auf alle großen länderübergreifenden - das meine ich nicht bezogen auf die Bundesländer, sondern bezogen auf unsere Nachbarstaaten - Flussläufe? Wie ist der Stand der Verhandlungen an dieser Stelle?

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Frau Kollegin, ich hatte es ja bewusst konditional gesagt: Wenn Sie es denn gelesen haben und dann zu dem Ergebnis kommen, würde mich das freuen. Über das entspannte Miteinanderumgehen der FDP und der Bundesregierung gerade in den letzten Tagen freuen wir uns natürlich ganz besonders. Zu den Hochwasseraktionsplänen: Im vergangenen Herbst haben wir einen solchen Hochwasseraktionsplan auch für den letzten großen Fluss, die Elbe, beschlossen. Für den Rhein gibt es diesen ja schon. Dieser umfasst alle Anliegerstaaten, also die Tschechische Republik und die Bundesrepublik Deutschland. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland umfasst er auch alle Elbe-Anlieger. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass es mit der Tschechischen Republik zwar einen Konflikt über die Staustufen gab. Bei dem Hochwasseraktionsplan lagen die Probleme aber weniger auf der tschechischen als auf der deutschen Seite. Fairerweise muss ich betonen, dass die Schwierigkeiten weniger in den ostdeutschen Bundesländern als bei den Unterliegern lagen. Das ist eine bei Flussfragen nicht untypische Situation. In diesem Rahmen wurde inzwischen ein umfassender Plan vorgelegt. Er beinhaltet beispielsweise den Rückbau von Deichen an sieben Stellen. Dabei geht es um den Versuch, der Elbe, die als einer der letzten europäischen Flüsse noch frei durch die Landschaft mäandert, dennoch aber nur noch 15 Prozent ihrer ursprünglichen Fläche umfasst, ein Stück mehr Raum zu geben, um so zu einer Entspannung zu kommen. Dies wurde verabschiedet. Man kann sich das beim Sekretariat der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe im Detail anschauen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es weitere Zusatzfragen, um die mehrfach ausdrücklich zu Protokoll gegebene Freude des Umweltministers am bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren weiter zu befördern? - Frau Kollegin Flachsbarth.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wurde bei dem nun vorgelegten Gesetzentwurf auch berücksichtigt, dass es Untersuchungen gibt, die eindeutig ausweisen, dass bewachsene Ackerflächen genauso gut gegen Hochwasser resistent sind - wenn ich das so sagen darf - wie Grünlandflächen? Wurde außerdem berücksichtigt, dass in Überschwemmungsgebieten einiger Flussläufe, zum Beispiel der Leine, 75 Prozent der Ackerflächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausfallen würden? Was wurde in Bezug auf die Entschädigungen für die betroffenen Landwirte geregelt?

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Verehrte Frau Kollegin, Sie haben mit der Leine ein Beispiel angeführt, das mir immer vor Augen steht. Von 1985 bis Mitte der 90er-Jahre bin ich sehr intensiv, eigentlich jeden Tag, zwischen Hannover und Göttingen gependelt. Entlang der alten Bahnstrecke konnte ich die Entwicklung erkennen, wie aus Grünland schrittweise mehr und mehr Ackerland geworden ist. Schon damals haben alle gesagt: Das ist eine ganz verhängnisvolle Entwicklung, weil es dadurch - das haben Sie beschrieben zur Erosion kommt. Ist das ein Grund, die Landwirte an dieser Stelle zu beklagen? - Nein! Die Landwirte sind über den Umstand in diese Situation gebracht worden, dass die Grünlandwirtschaft weniger Möglichkeiten wirtschaftlicher Art bietet als bestimmte Formen des Ackerbaus, der, wie gesagt, unter dem Aspekt einer guten fachlichen Praxis schon damals nicht angemessen gewesen ist. Wir wollen diesen Prozess mit einer Perspektive, bezogen auf das Jahr 2012, schrittweise rückgängig machen. Wir werden bei diesem Verfahren selbstverständlich berücksichtigen, dass es Veränderungen in der Finanzierung und Subventionierung der Landwirtschaft gibt, zum Beispiel den Übergang von Maisprämien auf eine flächenbezogene Förderung, was den Abstand zwischen Grünlandwirtschaft und Ackerbau vermindert. Es wird auch die Möglichkeit bestehen, auf Forderungen nach Entschädigungen einzugehen. Darüber hinaus haben wir noch etwas getan - das knüpft an die Idee an, die Sie am Anfang genannt haben -: Es ist nicht so, dass wir den Ackerbau immer und überall komplett verbieten. Zurzeit reden wir von etwa 700 000 Hektar Ackerbauflächen in Überschwemmungsgebieten. In anderen Bereichen, wo es keinen schnellen Abfluss gibt, glauben wir, dass man mit Ackerbau unter der Voraussetzung, dass es an dieser Stelle eine ganzjährige Bodenbedeckung gibt - das haben Sie angesprochen -, in solchen als Überschwemmungsgebiete gekennzeichneten Regionen leben kann. Das heißt, wir haben sehr bewusst eine ausgewogene Entscheidung getroffen, die das völlige Ackerbauverbot ab 2012 ausschließlich auf die Gebiete konzentriert, wo im Falle eines Hochwassers mit sehr schnellen Abflüssen zu rechnen ist und die Bedeckung, die beim Ackerbau möglich ist, nichts mehr nützt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Wortmeldungen? ({0}) - Bitte schön, Frau Flachsbarth.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wie Ackerbau mit einer ganzjährigen Bedeckung funktionieren soll, müssen Sie mir ehrlich gesagt noch einmal erklären; das habe ich nicht wirklich verstanden. Außerdem ziele ich auf eine Untersuchung ab, nach der beim Ackerbau, also dem Aufwuchs von Pflanzen und der Neubestellung, nur der Zeitraum unmittelbar um die Neubestellung ein sehr kritischer Zeitraum ist. Sobald aber der Bewuchs auf der Fläche wieder vorhanden ist, besteht sehr wohl ein mit der Grünlandwirtschaft gleichwertiger Hochwasserschutz. Da dieser Zeitraum der unmittelbaren Neubestellung relativ kurz ist und zum Teil von den Perioden, in denen ortsüblich Hochwasser auftreten kann, deutlich abweicht, möchte ich nachfragen, ob Sie bei Ihrem Gesetzentwurf auch diese Untersuchung berücksichtigt haben.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Wir haben versucht, den Wissensstand in diesem Bereich bei der Ausformulierung des Gesetzes zugrunde zu legen. Unser Problem ist - das muss ich an dieser Stelle aus klimapolitischer Sicht sagen -, dass heute nicht mehr die klare Trennung zwischen Winter- und Sommerhochwasser existiert, die es früher gab. Das heißt, die so genannten typischen Zeiträume, in denen Hochwässer in besonderer Weise auftreten, haben sich über das Jahr verteilt. Deswegen sind wir zu der Herangehensweise übergegangen, dass die primäre und sinnvoll angepasste Nutzung im Bereich von Überschwemmungsgebieten Grünlandwirtschaft ist. Die Möglichkeiten zur Umstellung verbessern wir. Den Umstieg in diesem Bereich können wir über die zweite Säule der EU-Agrarpolitik finanzieren. Hinsichtlich der ganzjährigen Bedeckung haben wir uns auf den Sachverstand der Landwirtschaft verlassen. Diese Praxis gibt es schon. Insofern glauben wir, einen vernünftigen und ausgewogenen Kompromiss zwischen dem berechtigten Anspruch auf Ackerbau und den Erfordernissen des Hochwasserschutzes gefunden zu haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Hierzu liegen offenkundig keine weiteren Fragen vor. Ich darf nachfragen, ob es möglicherweise Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. Das ist nicht einmal beim Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD der Fall. ({0}) Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? ({1}) - Ich vermute, dass bei diesen mehr oder weniger ernst gemeinten Fragen unter den Ministern nicht so schnell eine Einigung herbeigeführt werden kann, wer sie repräsentativ für die Bundesregierung beantworten soll. Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 15/2564 Die den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz betreffenden Fragen 1 und 2 der Kollegin Tanja Gönner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Hier steht zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Christoph Matschie zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Michael Kretschmer auf: Ist die Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder - in einem gemeinsamen Brief mit Präsident Jacques Chirac und Premierminister Tony Blair an den Präsidenten des Europäischen Rates, Bertie Ahern, und den Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, vom 18. Februar 2004 -, Europa müsse sich an Projekten wie ITER beteiligen, so zu verstehen, dass sich auch Deutschland künftig in der Großgeräteforschung engagieren will, und wie passt diese Äußerung des Bundeskanzlers dazu, dass sich Deutschland ausdrücklich nicht als Standort für ITER beworben hat?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Sehr geehrter Herr Kollege Kretschmer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Deutschland war und ist sehr erfolgreich in der Forschung mit Großgeräten engagiert. Beispiele sind die Beschleunigeranlagen der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt und des Deutschen Elektronen-Synchrotrons ({0}) in Hamburg oder auch das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X in Greifswald sowie die deutsche Beteiligung am CERN in Genf, an der ESRF in Grenoble oder dem Fusionsexperiment JET in Culham. Mit dem inzwischen auf europäischer Ebene beschlossenen Standortvorschlag Cadarache in Frankreich für ITER sind alle weiteren Standortdiskussionen in Europa hinfällig. Im Übrigen hat sich die Bundesrepublik Deutschland bereits unter der Vorgängerregierung im Juli 1996 gegen eine Bewerbung um einen ITER-Standort in Deutschland ausgesprochen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ist nicht so, Herr Staatssekretär, dass Sie sich grundsätzlich an das halten, was die Vorgängerregierung gemacht hat, was in einigen Fällen gut für dieses Land gewesen wäre. Meine Frage bezieht sich auf ITER. Die Kompetenz für diesen Kernfusionsreaktor ist in Deutschland vorhanden. Wie bewertet die Bundesregierung, dass das Wissen jetzt offenbar abfließt und die Kosten in Zukunft die Europäische Union tragen soll?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Kretschmer, Sie wissen wahrscheinlich so gut wie ich, dass ITER ein internationales Projekt ist, an dem sich viele Staaten beteiligen. Verhandelt wird das Projekt für uns von der Europäischen Union. Natürlich werden sich deutsche Forschungseinrichtungen an diesem Projekt beteiligen. Hätten wir uns als Sitzland beworben, dann müssten wir - das ist noch nicht ganz ausgehandelt - etwa 10 bis 20 Prozent der Baukosten tragen. Das sind nach den gegenwärtigen Schätzungen 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro. Das würde bedeuten, dass wir andere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet, auch Wendelstein 7-X in Greifswald, nicht mehr finanzieren könnten. Insofern war die Entscheidung der Vorgängerregierung, sich nicht um einen Standort für ITER zu bewerben, konsequent. Wir haben keinen Grund, diese Entscheidung zu ändern.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der Bundeskanzler schreibt in seinem Brief, dass ITER ein Beispiel für Großprojekte sei, die auf europäischer Ebene unterstützt werden sollen. Meine zweite Frage lautet: Welche anderen Großgeräteforschungsanlagen sind von der Bundesregierung geplant? Wie viele dieser Anlagen sollen in Zukunft über die Europäische Union finanziert werden? Ist möglicherweise an die Realisierung der Neutronenspallationsquelle ESS gedacht?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Kretschmer, Sie kennen die Schwerpunkte, die die Bundesregierung bei den Großgeräten gesetzt hat. Das sind Großgeräte, die in internationaler Kooperation gebaut werden. Dazu laufen Verhandlungen mit anderen Partnern in Europa. Es gibt keine Empfehlung vom Wissenschaftsrat, die europäische Neutronenspallationsquelle jetzt zu realisieren. Deshalb verfolgen wir dieses Projekt im Moment nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Wir kämen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Da die für die Beantwortung vorgesehene Staatsministerin Müller auf dem Wege hierher ist und wegen der beschleunigten Beendigung der Regierungsbefragung, wie ich finde, zu akzeptieren ist, dass sie nicht früher hier sein musste, schlage ich vor, dass wir die drei Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern vorziehen, da sowohl der zuständige Parlamentarische Staatssekretär als auch die erste Fragestellerin hier sind. Kann ich dazu Einvernehmen feststellen? - Das ist so. Ich bedanke mich. Wir kommen dann zur Frage 14 der Abgeordneten Petrau Pau: Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vierten Quartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es? Herr Kollege Körper.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Präsident! Ich beantworte die Frage der Abgeordneten Pau wie folgt: Im vierten Quartal 2003 wurden insgesamt 339 antisemitische Straftaten, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“ zuzuordnen sind, gemeldet. Darunter waren 52 so genannte Propagandadelikte und sechs Gewaltdelikte. Bei letzteren handelt es sich um fünf Körperverletzungen und eine Brandstiftung. Im vierten Quartal 2003 wurden zwei Personen verletzt. Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Da Sie sicherlich wie immer auch auf meine Nachfrage umfassend vorbereitet sind, frage ich Sie, wie sich diese Straftaten auf die einzelnen Bundesländer aufteilen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wie Sie wissen, wird darüber keine offizielle Statistik geführt. Insofern liegt uns dazu kein zu veröffentlichendes Material vor. Ich kann Ihnen mitteilen, dass diese Art von Straftaten in allen Bundesländern vorkommen. Ich will es nicht wagen, von einem besonderen Schwerpunkt in einem Bundesland zu sprechen. Das geben die Zahlen in ihrer jeweiligen Zuordnung nach meinem Dafürhalten nicht her. Es gibt vielmehr sozusagen eine relativ breite Streuung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Wir wissen, dass diese Zahlen jeweils vorläufig sind und dass sich im Laufe des Jahres noch Veränderungen ergeben. Haben Sie schon einen Überblick über die Entwicklung in den ersten drei Quartalen aufgrund von Nachmeldungen und Korrekturen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Weil sich Ihre Frage auf das vierte Quartal 2003 bezogen hat, habe ich sofort intern nachgefragt, ob wir nicht das gesamte Jahresergebnis mitteilen können. Aber - das ist Ihnen bekannt - es ist dabei ein bestimmtes Verfahren zu berücksichtigen. So hat beispielsweise im Jahr 2002 die Nachmeldequote 45 Prozent betragen. Das ist erheblich und zeigt, dass, wenn man exakte Ergebnisse übermitteln will, die Nachmeldequote abzuwarten ist. Anderenfalls hätte ich Ihnen gerne auch das Jahresergebnis mitgeteilt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe nun die Frage 15 - ebenfalls von der Kollegin Pau - auf: Wie viele Abschiebungen - bitte genau nach den Zielregionen aufschlüsseln - wurden in den Jahren 2002 und 2003 auf dem Luftweg von deutschen Flughäfen durchgeführt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, über deutsche Flughäfen wurden im Jahr 2003 insgesamt 23 944 Abschiebungen auf dem Luftweg durchgeführt. Für das Jahr 2002 war eine Größenordnung von exakt 26 286 Abschiebungen zu verzeichnen. Im Jahr 2003 wurden insgesamt 127 Zielländer angeflogen. Eine Auflistung der einzelnen Länder kann ich Ihnen zukommen lassen. Zu Ihrer Information: Bei den Zielländern war 2002 fast die gleiche Größenordnung zu verzeichnen; statt 127 waren es 124 Zielländer.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, zunächst herzlichen Dank für diese Fakten. Die erwähnte Auflistung würde ich gerne bekommen. Liegen Ihnen Angaben vor, in wie vielen Fällen Abschiebungen gegen den Widerstand von Abzuschiebenden vorgenommen wurden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Nein, diese Angaben liegen mir nicht im Einzelnen vor. Ihre Frage bezieht sich sicherlich insbesondere auf die Fälle, in denen Gewalt eine Rolle gespielt hat. Zu dem Vorgang der Abschiebung kommt es immer dann, wenn jemand auf die Aufforderung, das Land zu verlassen, nicht eingeht, sodass er in das jeweilige Zielland abgeschoben werden muss. Darauf bezieht sich Ihre Frage. Wie Sie wissen, sind für die Abschiebungen in erster Linie die Länder zuständig. Der Bundesgrenzschutz ist im Zuge der Amtshilfe daran beteiligt. Wie schwierig sich ein Abschiebungsprozess im Einzelfall darstellt und wie schwierig er ist, kann statistisch wohl nur sehr schwer erfasst werden. Tatsache ist, dass die eine oder andere Abschiebung leichter durchzuführen ist, während die eine oder andere leider zu schwierigsten Situationen führt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, ich möchte gern noch erfahren, wie sich die Bundesregierung gegenüber der italienischen Initiative verhält, die auf einen Erlass des Rates zur Organisation von Sammelflügen abzielt.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich glaube, bisher haben wir nur in ganz wenigen Fällen Sammelflüge organisiert. Wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt, dann ist dies bisher in einem besonderen Fall erfolgt. Aufgrund des föderalen Systems in Deutschland - darauf habe ich schon vorhin hingewiesen - sind die Bundesländer für Abschiebungen zuständig. Sie schieben in der Regel diejenigen ab, für die sie jeweils zuständig sind. Das ist bei der Beantwortung der Frage nach den Sammelabschiebungen zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wie viele Menschen aus Furcht vor drohender Abschiebung einen Selbstmordversuch unternommen bzw. Selbstmord begangen haben?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Dass es zu dem einen oder anderen von Ihnen geschilderten Vorfall gekommen ist, weiß jeder, der aufmerksam die Zeitungen liest. Aber ich kenne keine diesbezügliche statistische Auflistung. Es ist auf jeden Fall wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass der schwierige Vorgang der Abschiebung, der in der Tat sehr einschneidend für die Betroffenen ist, human gestaltet wird. Die Beamtinnen und Beamten, die damit betraut sind, sind sehr sensibel und achten darauf, dass nach Möglichkeit solche Vorkommnisse nicht eintreten. Aber die Vergangenheit hat, wie gesagt, gezeigt, dass diesbezüglich das eine oder andere nicht auszuschließen ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank. - Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Körper, wenn Sie so lange warten könnten, bis der Kollege Sehling - hoffentlich - eingetroffen ist. Wir sollten natürlich fair gegenüber allen Seiten sein.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Präsident, aber ich muss nicht im Stehen warten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Darauf können wir uns sofort verständigen. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass nur die Beantwortung der Fragen im Stehen zu absolvieren ist. Laut unserer Geschäftsordnung sind also Wartezeiten nicht mit Stehverpflichtungen verbunden. ({0}) - Das wäre aber schon hart an der Grenze zu einer Ergänzung der Geschäftsordnung, die ich auf dem üblichen formalen Wege zu betreiben bitte. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Kerstin Müller zur Verfügung. Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Dr. Schröder sowie die Frage 6 des Kollegen Dr. Jüttner werden schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 7 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf: Was unternehmen die Bundesregierung und die in Afghanistan stationierten Bundeswehrtruppen politisch, militärisch und finanziell gegen den zunehmenden Rohopiumanbau in Afghanistan und auf welche Erfolge kann die Bundesregierung im Kampf gegen den Rohopiumanbau verweisen?

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Die Frage beantworte ich wie folgt: Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau Afghanistans. Unser Engagement haben wir durch die Übernahme eines regionalen Wiederaufbauteams in Kunduz, die Einrichtung einer Außenstelle der Botschaft in Herat und die Verstärkung der Hilfe beim Polizeiaufbau erheblich ausgeweitet. Wir tragen maßgeblich dazu bei, dass die Menschen in Afghanistan wieder mit Optimismus in die Zukunft blicken können und dass von diesem Land weniger Bedrohung für die Welt, insbesondere für Europa und Deutschland, ausgeht. Deutschland hat im Rahmen einer internationalen Arbeitsteilung in Afghanistan die Führungsfunktion beim Aufbau der Polizei übernommen. Dies schließt auch den Aufbau einer afghanischen Drogen- und Grenzschutzpolizei ein und stellt einen wichtigen Beitrag zur von Großbritannien übernommenen Aufgabe der Bekämpfung des Drogenanbaus dar. Entwicklungspolitisch fördern wir Maßnahmen zur Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten für Menschen, die bisher vom Opiumanbau bzw. -handel leben. Ebenfalls engagieren wir uns in einem Projekt zur Drogenkonsumprävention. Insgesamt hat Deutschland bisher 320 Millionen Euro für den Zeitraum 2002 bis 2005 an Unterstützung für Afghanistan zugesagt. Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung des aktuellen Bundestagsmandates zur Beteiligung an ISAF hat die Bundesregierung zugesichert, dass die Drogenbekämpfung nicht im Mandat des Bundeswehreinsatzes enthalten ist. Zentrale Aufgabe der Sicherungskomponente im deutschen Wiederaufbauteam ist die Schaffung eines Klimas der Sicherheit, in dem unter anderem afghanische Kräfte zur Drogenbekämpfung ausgebildet werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, ist der Bundesregierung bekannt, dass der Suchtstoffkontrollrat der Vereinten Nationen, INCB, in seinem Jahresbericht einschätzt, dass der Drogenanbau in Afghanistan trotz politischer Veränderungen nicht zurückgeht, sondern - im Gegenteil - ansteigt? Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung daraus?

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Das ist uns bekannt. Wir ziehen daraus die Schlussfolgerung, dass wir uns im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten und im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung weiter für diejenigen Aufgaben einsetzen, die ich Ihnen gerade genannt habe. Wir sind insbesondere in der Ausbildung der Polizei tätig. Dabei geht es unter anderem um den Aufbau einer Polizei, die im Bereich der Drogenbekämpfung eingesetzt werden kann. Für die Bekämpfung des Drogenanbaus und Drogenhandels ist Großbritannien zuständig. Ich kann nur sagen: Dies ist ein Problem, das man nicht von heute auf morgen lösen kann; es geht vielmehr um langfristige Strategien. Vor allen Dingen muss es darum gehen, Einkommensalternativen für die Menschen zu entwickeln. Ich könnte Ihnen jetzt sehr ausführlich darstellen, was wir da machen. Sie wissen ja: Die jährlichen deutschen Leistungen in Afghanistan betragen circa 80 Millionen Euro. Sie werden für die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten - Arbeitsplätze, der Ausbau einer sozialen wirtschaftlichen Infrastruktur, Ernährungssicherungsvorhaben im ländlichen Raum, die Förderung der Privatwirtschaft, Maßnahmen zur Trinkwasseraufbereitung, Elektrifizierungsprogramme, die Förderung der Privatwirtschaft, Minikreditprogramme eingesetzt. Durch diese Hilfe entstehen sukzessive Erwerbsalternativen zum Opiumanbau. Das dient dazu, die Lebensverhältnisse ländlicher Familien zu verbessern. Ich könnte Ihnen noch ausführlicher darstellen, wie genau und in welchem Umfang wir dort die Polizei ausbilden. Zusammengefasst: Es geht hier um eine langfristige Strategie. Im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung soll sich gerade nicht jedes Land um alle Probleme in Afghanistan kümmern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, wenn Sie sagen, nicht jedes Land solle sich um alle Probleme kümmern, dann scheint es mir doch ein sehr zentrales Problem zu sein - aber gut. In dem von mir erwähnten Bericht wird auch die Einschätzung getroffen, dass Österreich für den Drogenhandel als Tor in den Westen dient, dass also gerade über Österreich viele Drogen, viele Opiate direkt aus Afghanistan nach Europa kommen. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis? Wie arbeitet sie mit den österreichischen Behörden zusammen, um dem Drogenhandel über den Weg Afghanistan-Österreich-Europa entgegenzutreten?

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Man könnte jetzt wahrscheinlich verschiedene Länder nennen, über die der Opiumhandel und der Handel mit anderen Drogen abgewickelt werden. Wir arbeiten natürlich im Rahmen Europas, im Rahmen der internationalen Gemeinschaft - es gibt eine entsprechende Kommission im Rahmen der Vereinten Nationen - mit den Österreichern zusammen. Noch einmal: Ich glaube, dass kurzfristige Strategien hier nicht helfen. Man muss zum einen mit polizeilichen Maßnahmen antworten; zum anderen muss es letztlich darum gehen - davon bin ich fest überzeugt -, für die Menschen in Afghanistan eine Einkommensalternative zu entwickeln. Nur wenn das gelingt, ist es möglich, dass der Bauer vor Ort eben nicht Opium, sondern etwas anderes anbaut. Bis es uns, damit meine ich die internationale Gemeinschaft, gelungen ist, eine solche Alternative zu entwickeln, wird sicherlich - das verhehle ich nicht - einige Zeit vergehen. Die internationale Gemeinschaft verfolgt einen langfristigen, nachhaltigen politischen Ansatz. Bis es so weit ist, muss man alles tun, was im Rahmen der Zusammenarbeit mit Österreich oder anderen Ländern möglich ist, um zu verhindern, dass hier Drogen eingeschmuggelt werden. Langfristig muss es darum gehen, die Ursachen zu bekämpfen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Pau, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Staatsministerin, Sie sagten, dass Sie über die Erfahrungen beim Aufbau der Polizei bzw. bei der Polizeiausbildung ausführlicher berichten können. Ich möchte Ihnen mit meiner Nachfrage diese Gelegenheit geben: Wie sind die bisherigen Erfahrungen beim Aufbau einer Drogen- und Grenzpolizei? Auf welche Schwerpunkte konzentrieren Sie sich bei der Ausbildung?

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Wie gesagt, die Polizeiausbildung ist einer der Schwerpunkte der deutschen Unterstützung. Dafür wurden seit 2002 9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dies umfasst die Ausbildung von circa 3 500 Polizeibeamten, übrigens Polizisten und Polizistinnen. Das ist ein wichtiges Pilotprojekt, das sehr interessant ist und auch Vorbildfunktion für andere Länder haben wird. Es umfasst ferner den Aufbau einer Polizeiakademie und die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen wie Kfz und Telekommunikationseinrichtungen. Von den bisherigen Aktivitäten beim Aufbau der Antidrogenpolizei, der Counter Narcotics Police of Afghanistan, CNPA, lassen sich die Renovierung und die Ausstattung zweier Gebäude, die Erstellung spezifischer Ausbildungskonzepte sowie die Durchführung von Schulungsmaßnahmen hervorheben, durch die die Auswertungs- und Informationsbeschaffungseinheit ihre Arbeit bereits aufnehmen konnte. Des Weiteren unterstützt die Bundesregierung Afghanistan beim Aufbau der Grenzpolizei, zu deren Aufgaben die Unterbindung des Schmuggels gehört. Von den von Deutschland jährlich insgesamt erbrachten Leistungen von 80 Millionen Euro werden 30 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt und 30 Millionen Euro vom BMZ verwaltet. 20 Millionen Euro sind für Leistungen an multilaterale Geber wie das VN-System in Afghanistan, also UNAMA, vorgesehen, zum Beispiel zur Bezahlung von Gehältern von Polizisten und Polizistinnen sowie Lehrern und Lehrerinnen über das UNDP. Neben den genannten Bereichen unterstützt Deutschland Afghanistan auch auf dem Gebiet der Rechtsberatung - es ist sehr wichtig, diese Institutionen aufzubauen -, des Universitätswesens und der politischen Bildung. Auch Projekte im Bereich Kultur, unter anderem von der Deutschen Welle, das Projekt Goethe-Institut - das ist eines der ersten Kulturinstitute, das in Afghanistan überhaupt wieder eröffnet hat -, sowie im Bereich der Bildung und Frauenförderung, zum Beispiel in Kandahar, werden gefördert. Dies alles ist im Rahmen einer Gesamtstrategie und natürlich auch im Rahmen der Mittel zu sehen, die von den anderen Gebern im Zuge der internationalen Arbeitsteilung zur Verfügung gestellt werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Wie verhält sich die Aussage im Schreiben des Auswärtigen Amts, AA, vom 25. Juni 2003 in der Angelegenheit Hans E. O., Dresden, an den Petitionsausschuss, dass die Auslandsvertretungen weltweit in jedem Einzelfall prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben sind, zu den Vorwürfen des Kölner Landgerichts an das AA im Zusammenhang mit der Urteilsverkündung im Fall A. B. sowie zu der Tatsache, dass das so genannte Reisebüroverfahren praktiziert wurde, sowie zu der Aussage im Schreiben des AA vom 2. August 2001 an den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, wo es heißt, dass bei Gruppenreisen aus der Ukraine in die EU der Reisezweck und die Umstände der Reise nur einmal für alle Gruppenmitglieder geprüft werden?

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Herr von Klaeden, ({0}) Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Bei der Visumerteilung bewegen sich unsere Botschaften und Generalkonsulate in einem Spannungsfeld. Einerseits hat unser Land ein sehr großes Interesse am regelmäßigen persönlichen Austausch mit dem Ausland, sei es aus wirtschaftlichen, kulturellen oder sei es aus rein persönlichen Gründen. Andererseits müssen wir den zahlreichen Versuchen der illegalen Einreise nach Deutschland und Europa effektiv begegnen und zudem unserer inneren Sicherheit Rechnung tragen. Nur ein Beispiel für dieses Spannungsfeld sind die zahlreichen Schreiben, auch von Oppositionsabgeordneten, die das Auswärtige Amt, den Bundesminister, mich persönlich, den Kollegen Bury, immer wieder erreichen. Ich kann Ihnen versichern: Bei diesen Schreiben geht es nicht um Beschwerden des Inhalts, unser Visumverfahren sei zu lax; in aller Regel wird gefordert, die Ablehnung von Visumanträgen zu überprüfen oder zurückzunehmen. Ich habe nicht alle Ordner mitgebracht, aber doch einige Beispiele. Da gibt es ein Schreiben des Kollegen Koschyk, ({1}) der auch eine Frage dazu gestellt hat. Er bittet in diesem Schreiben vom 8. Mai 2003, das an Herrn Fischer persönlich gerichtet ist, um Unterstützung. Es geht um die Visaerteilung an junge Chinesen. Er bittet darum, die Visa zu erteilen. Ich zitiere: Nun droht dem erfolgreichen Unternehmen die Geschäftsaufgabe. Grund ist die restriktive Verfahrensweise des Auswärtigen Amtes, das seit Dezember 2002 den potenziellen chinesischen Schülern keine Visa mehr erteilt. ({2}) - In China gibt es natürlich keine Schlepper; klar. Wohlgemerkt: Das Schreiben ist vom Mai 2003. ({3}) - Sie wollen doch zuhören. Ich zitiere weiter: Die deutsche Botschaft in Peking verweigert den BBI-Bewerbern, die alle vereinbarten Voraussetzungen erfüllen, die Visa zur Berufsausbildung unter dem Hinweis, dass berufliche Erstausbildung für ausländische Jugendliche nicht im Ausländergesetz vorgesehen sei. Wir werden also aufgefordert, entgegen dem Ausländergesetz Visa zu erteilen. ({4}) Das tun wir natürlich nicht. Das können wir auch nicht. Wir halten uns an die rechtlichen Vorgaben. Ich zitiere weiter: In meinen Augen steht diese Vorgehensweise einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, die sich üblicherweise als weltoffen und auf interkulturellen Austausch bedacht präsentiert, nicht gut zu Gesicht. Gemeint ist die restriktive Visapraxis. Ich zitiere nicht den gesamten Brief, obwohl ich das gern täte. Er endet jedenfalls damit, dass der kulturelle und zwischenmenschliche Austausch sehr wichtig ist und dass dies für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands wichtig ist. Deshalb bittet man darum, doch alles dafür zu tun, dass diese Visa erteilt werden, und noch einmal zu schauen, ob im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nicht doch eine andere Entscheidung in Frage kommt. Ich könnte Ihnen auch noch einen Brief des Kollegen Grill vortragen. Dieser ist interessant, denn da geht es um die Ukraine. Dieser Brief ist vom 10. Februar dieses Jahres. ({5}) Das ist interessant, nicht wahr? Es geht um die Visumerteilung für einen ukrainischen Staatsbürger Herrn I. Hier wurde die Bitte an uns herangetragen, zu prüfen, was wir natürlich immer tun, ob man nicht ein Visum erteilen könne. Ich gebe Ihnen das als Beispiel, um deutlich zu machen, dass dieses Spannungsverhältnis existiert und dies ganz offensichtlich auch von vielen Abgeordneten Ihrer eigenen Fraktion so gesehen wird. ({6}) Es geht hier immer um die Abwägung, einerseits die Sicherheitsinteressen unseres Landes zu beachten, andererseits natürlich wirtschaftliche Entwicklung und kulturellen Austausch zu fördern und unserem Ruf - ich möchte das noch einmal zitieren, denn ich teile ja die Auffassung von Herrn Koschyk - als weltoffenes Land gerecht zu werden. In diesem Abwägungsprozess befinden wir uns; die Abwägung erfolgt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe nun bereits eine ganze Reihe von Wünschen nach Zusatzfragen. Zunächst hat aber selbstverständlich Vizepräsident Dr. Norbert Lammert der Fragesteller die Möglichkeit, zwei Zusatzfragen zu stellen. Ich will schon jetzt darauf hinweisen, dass ich nach der Frage 9 die vorhin zurückgestellte Frage 16 des Kollegen Sehling aufrufen möchte, damit Staatssekretär Körper auch die erforderliche Dauer seiner Anwesenheit halbwegs verlässlich kalkulieren kann. Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Ihre umfangreichen Ausführungen zu Briefen, die die Volksrepublik China betreffen, haben leider überhaupt nichts mit meiner Frage zu tun gehabt. Ich habe Sie zu dem in der Öffentlichkeit ja mittlerweile auch bekannt gewordenen massenhaften Visamissbrauch - ich finde, dieser so schwer wiegende Vorgang verdient eigentlich keine so ironische Darstellung ({0}) befragt und danach, ob die Aussagen, die das Auswärtige Amt gegenüber dem Petitionsausschuss gemacht hat, nämlich dass in den Auslandsvertretungen in jedem Einzelfall geprüft werde, vereinbar sind mit der Aussage des Auswärtigen Amtes vom 2. August 2001 an den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, in der es heißt, dass bei Gruppenreisen aus der Ukraine in die Europäische Union der Reisezweck und die Umstände der Reise nur einmal für alle Gruppenmitglieder geprüft werden. Das ist eine Frage, die man ganz einfach mit Ja oder Nein beantworten kann und wozu man nicht Ausflüchte in Bezug auf die Volksrepublik China machen muss.

Not found (Gast)

Ich finde, es stellt sich jetzt die Frage, wer die schriftliche Frage, die von einem Ihrer Kollegen an uns gestellt wurde, ernst nimmt. Wir nehmen diese Frage ernst und beantworten sie auch. ({0}) - Doch, ich beantworte Ihre Frage, aber so, wie ich das für richtig halte. ({1}) Bei den Schreiben, die Sie erwähnt haben - jetzt muss man einmal die Verfahren auseinander halten -, geht es um das zwischen den Schengen-Partnern in Kapitel VIII Ziffer 5 ihrer Gemeinsamen Konsularischen Instruktion niedergelegte Reisebüroverfahren, das eine Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Verpflichtung macht, dass Antragsteller von Visa persönlich bei der jeweiligen Botschaft vorsprechen müssen. Das heißt, jeder Einzelfall wird zwar geprüft, aber beim Reisebüroverfahren muss der Antragsteller dafür nicht persönlich vorsprechen. Diese Ausnahme dient der Förderung der Reiseindustrie der EU-Mitgliedstaaten. Es handelt sich also um eine Verabredung, die von allen Schengen-Staaten im wohlverstandenen Eigeninteresse vorgesehen worden ist. Deutschland hat dieses Verfahren in Kiew praktiziert, und zwar so lange, wie sich keine Hinweise darauf ergaben, dass es zur illegalen Einreise missbraucht wurde. Wie gesagt, es geht hier um das Reisebüroverfahren, nicht um die Reiseschutzversicherung und erst recht nicht um den so genannten Volmer-Erlass, der ganz andere Kriterien der Visaprüfung betrifft. Nachdem Hinweise auf Missbrauch im Sommer 2001 vorlagen, wurde das Verfahren seitens des Auswärtigen Amtes eingestellt, und zwar mit einer Anweisung vom 3. August 2001 zum 1. Oktober 2001. Das heißt, alle Antragsteller müssen seitdem wieder persönlich bei der Botschaft vorsprechen. Da dies für deutsche Reiseunternehmen - jetzt komme ich zu Ihrem Brief -, ({2}) die mit Reiseunternehmen aus der Ukraine zusammenarbeiteten, von Bedeutung war, hat das Auswärtige Amt die Verfahrensänderung in einem Schreiben an deutsche Reiseunternehmen und an den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen e.V. - aus diesem Schreiben zitieren Sie - erläutert. Das Auswärtige Amt hat darin den Grundsatz der persönlichen Vorsprache jedes einzelnen Reiseteilnehmers bekräftigt und gleichzeitig angeboten, für ukrainische Kooperationspartner deutscher Reiseunternehmen die Vorsprache sämtlicher Teilnehmer einer Reisegruppe zu einem einzigen Termin zu ermöglichen. Wir haben uns also selbst in diesem Fall darum bemüht, ein unbürokratisches Verfahren zu finden. Das bedeutet, jeder Reiseteilnehmer wurde einzeln befragt, aber für das Reisebüro war es weiterhin möglich, die Anträge gesammelt einzureichen. Dieses Beispiel - ich sage es noch einmal - zeigt doch deutlich, wie sehr die Bundesregierung bemüht ist, in der Visumspraxis zu Lösungen zu kommen, die auf Basis der geltenden Rechtslage sowohl unseren Sicherheitsinteressen als auch, wie in diesem Fall, den wirtschaftlichen Interessen deutscher Reiseunternehmen gerecht werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, der Vorsitzende Richter am Landgericht Köln, der, wie in der Öffentlichkeit bekannt ist, vor einigen Wochen ein Urteil in einem Schleuserprozess zu sprechen hatte, welcher sich mit den Vorfällen in der deutschen Botschaft in Kiew auseinander gesetzt hat, hat festgestellt, dass in Kiew seit dem Jahr 2000 1,1 Millionen Visa erteilt worden seien. Das, so der Richter, bedeute, dass alle zwei Minuten ein Visum erteilt worden sei, und zwar bei einer Arbeitszeit von 24 Stunden am Tag. Ich frage Sie erstens, ob Sie diese Zahlen bestätigen können - von mir aus auch nur die Anzahl der erteilten Visa -, und zweitens, ob das Auswärtige Amt die notwendigen Vorkehrungen getroffen hat, um eine sorgfältige Prüfung, wie von Ihnen gerade vorgetragen, in Kiew möglich zu machen.

Not found (Gast)

Darf er zwei Fragen stellen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

In der gleichen Weise, wie in der Antwort auf verschiedene, nicht ausdrücklich nachgefragte Briefe Bezug genommen wurde.

Not found (Gast)

Ich kann die Zahlen so nicht bestätigen. ({0}) - Das ist meine Antwort. - Ich kann Ihnen nur sagen, in welchem Jahr wie viele Visa in Kiew erteilt wurden. Zu Ihrer zweiten Frage, die ja sehr generell war, kann ich nur Folgendes sagen: Zunächst gibt es das Problem der Reiseschutzversicherung. Darum ging es in dem Kölner Prozess. Nachdem wir am 27. Juni 2002 Kenntnis davon erhalten haben, dass gegen den Inhaber der Reise-Schutz AG ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden war, haben wir sofort und unmittelbar, nämlich am 28. Juni 2002, an unsere Vertretung in Kiew den Erlass weitergegeben, dass die Anerkennung des Reiseschutzpasses aufgrund dieses eröffneten Ermittlungsverfahrens auszusetzen sei. Die Möglichkeit der Anerkennung von Reiseschutzpässen, die ja im Zusammenhang mit Finanzierungsfragen eine Rolle spielt, haben wir dann im März 2003 grundsätzlich und weltweit eingestellt. Insofern haben wir in Bezug auf das Problem der Reiseschutzpässe - und darum geht es in dem Kölner Fall; es geht um Missbrauch, der mit diesen Pässen im Einzelfall getrieben wurde - gehandelt. Bei dem Reisebüroverfahren - ich habe es eben schon erwähnt - geht es um etwas ganz anderes, nämlich darum, dass das persönliche Erscheinen ersetzt werden kann. Auch dieses Verfahren haben wir eingestellt, nachdem Probleme aufgetaucht waren. Heute ist es so, dass die Reisenden persönlich vorsprechen müssen, im Rahmen einer Reisegruppe möglicherweise zu einem gemeinsamen Termin. Das heißt, immer wenn wir von Missbrauchsfällen erfahren haben, hat das Auswärtige Amt unmittelbar gehandelt. Aber ich sage Ihnen auch - das habe ich schon in der letzten Fragestunde sehr deutlich gesagt -: Bei insgesamt 3 Millionen Visaanträgen ist natürlich nicht auszuschließen, dass Fehler passieren und dass Missbrauch getrieben wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, sind Sie der Auffassung, dass das Bemühen anerkannter Bildungsträger in Deutschland, jungen Menschen aus der Volksrepublik China Aus- und Fortbildungsaufenthalte in Deutschland anzubieten, ein Thema ist - nach meinen Informationen hat auch der Bundeskanzler bei seinem letzten Besuch in der Volksrepublik China dieses Thema angesprochen -, bei dem das Auswärtige Amt den Missbrauch im Hinblick auf die Erteilung von dazugehörigen Visa so gegeben sieht wie bei dem festgestellten Missbrauch von Visaerteilungen bei der deutschen Botschaft in Kiew? ({0}) Wenn ja: Was hat das Auswärtige Amt unternommen, um gegenüber dem Bundeskanzleramt im Hinblick auf das Werben für Ausbildungsaufenthalte junger Chinesen in der Bundesrepublik Deutschland den Visamissbrauch deutlich zu machen?

Not found (Gast)

Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstanden habe, weil sie sehr kompliziert war. So weit ich sie verstanden habe, will ich sie beantworten. Ich habe das Anliegen in diesem Brief hier vorgetragen, um zu zeigen, dass man in einem Spannungsfeld steht. Natürlich haben wir ein Interesse, dass hier ausgebildet wird. Aus Gesprächen mit Ihrer Fraktion wissen Sie, dass die Bundesregierung an einem Zuwanderungsgesetz arbeitet. Zugleich aber müssen wir auch unseren Sicherheitsinteressen gerecht werden. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns und bewegen sich auch die Mitarbeiter an den Botschaften, die solche Visa zu erteilen haben. Für dieses Spannungsfeld habe ich Ihnen ein Beispiel genannt. Natürlich ist es so, dass wir Visa nur auf der Basis der gültigen Rechtslage erteilen können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass nach unseren Regeln für die Fragestunde jeder Fragesteller zwei Zusatzfragen und jedes andere Mitglied des Hauses eine Zusatzfrage stellen kann. Es wäre schön, wenn auch die Form der Nachfrage keine Zweifel an der Einhaltung dieser Vorgabe aufkommen lässt. ({0}) - Ich wollte nur auf diese Regelung hinweisen. Nun hat als nächste Fragestellerin die Kollegin Tritz das Wort.

Marianne Tritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003647, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, können Sie noch einmal ausdrücklich bestätigen, dass das Reisebüroverfahren keine deutsche Erfindung und insbesondere keine Erfindung des Auswärtigen Amtes war, sondern dass es ein von den Schengen-Partnern vereinbartes Verfahren ist und dass dieses Verfahren auch deswegen ermöglicht wurde, um die Reiseunternehmen der Schengen-Staaten zu fördern?

Not found (Gast)

Das kann ich eindeutig bestätigen. Es handelt sich um ein Verfahren, das mit den Schengen-Partnern vereinbart wurde. Im Übrigen haben diesem Verfahren alle Bundesländer, also auch die CDU-regierten Länder, zugestimmt. Dieses Verfahren wurde von uns an der Botschaft in Kiew eingestellt. An anderen Botschaften in der Welt wird es - nicht nur von uns, sondern auch von anderen Schengen-Partnern - weiter durchgeführt. Das Ziel ist, die wirtschaftliche Tätigkeit zu erleichtern. Deshalb bekommen wir gerade in diesem Bereich immer wieder Briefe von mittelständischen Unternehmen oder von Mitgliedern der Fraktionen dieses Hauses, in denen darum gebeten wird, dass man zur Erreichung dieses Zieles Verfahrensmöglichkeiten findet, die Visaerteilungen zu beschleunigen. Das Reisebüroverfahren gehört dazu.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Volmer. ({0})

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, nachdem Sie ausgeführt haben, dass in jedem Einzelfall ein Visumsantrag nach Recht und Gesetz geprüft wird, möchte ich Sie fragen: Können Sie meiner Einschätzung zustimmen, dass die Aussage der CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel in der vorletzten Ausgabe der „Bild am Sonntag“, ({0}) dass nach den Bestimmungen des zitierten Erlasses im Rahmen der Visaerteilungen nicht mehr Rückkehrbereitschaft, Reiseziel und Reisezweck geprüft werden müssen, nichts anderes als falsch ist? ({1})

Not found (Gast)

Diese Aussage ist in der Tat falsch. Vielleicht sollte ich angesichts dieser Frage noch einmal erläutern, was der so genannte Volmer-Erlass bedeutet. ({0}) - Herr von Klaeden, ich komme Ihnen entgegen. Ich könnte auch sagen: der Erlass Nr. 514-516.20 vom 3. März 2000. Dann wüssten sicher alle, was gemeint ist. Dieser Erlass bezieht sich auf ein Kriterium, das bei der Visaerteilung zu prüfen ist, nämlich die Rückkehrbereitschaft. Wenn ein Ermessen eröffnet ist - wenn Sicherheitsinteressen berührt sind, steigt man überhaupt nicht in eine Ermessensprüfung ein -, soll nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft zur Ablehnung führen. Wenn sich die Umstände die Waage halten, soll der Grundsatz gelten: im Zweifel für die Reisefreiheit. Alle weiteren Kriterien - die Finanzierung, die in Form einer Verpflichtungserklärung usw. gesichert sein muss; die Einhaltung des Reisezweckes; die Rückkehrberechtigung - müssen weiterhin geprüft werden. Bevor alle diese Prüfungen erfolgen, erfolgt eine Anfrage beim Ausländerzentralregister, dem so genannten AZR, und beim SIS, dem Schengen-Informationssystem. Wenn hier eine Einreisesperre vorliegt, wird erst gar nicht in die Ermessensprüfung eingestiegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage. Herr Kollege Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben vorhin mehrfach das Spannungsfeld - das sicher niemand bestreitet -, in dem man sich hier bewegt, beschrieben und versucht, einen Zusammenhang zwischen einzelnen Schreiben von Abgeordneten und den illegalen Schleusungen in Kiew herzustellen. Wären Sie bereit, zuzugeben, dass all die Fragen, die wir in der heutigen Fragestunde stellen, sich nicht an dem Spannungsfeld orientieren, sondern sich allein auf die kriminellen Machenschaften beziehen, die dazu geführt haben, dass in der Botschaft in Kiew massenweise Schleusungen begangen wurden wie noch nie in der Geschichte dieser Republik?

Not found (Gast)

Ich weise natürlich die Behauptung zurück, dass dort „massenhaft Schleusungen begangen wurden wie noch nie in der Geschichte dieser Republik“. Ich weise nicht zurück, dass dort Schleusungen passiert und Missbrauchsfälle vorgekommen sind. Kiew ist eine der Botschaften, bei der Visaanträge in sehr hoher Zahl gestellt wurden. Man muss Verfahren finden, dessen Herr zu werden. Ich habe das Spannungsfeld deshalb noch einmal dargestellt. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind - das will ich betonen - in einer solchen Botschaft einem ungeheuren Druck ausgesetzt. Sie haben alle diese Dinge in den Abwägungsprozess einzubeziehen, wenn sie in die Ermessensprüfung einsteigen. Es geht einerseits um das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an kulturellem Austausch und wirtschaftlicher Tätigkeit und andererseits um unsere Sicherheitsinteressen. Deshalb wird die Visaerlasspraxis ständig fortentwickelt. Es wird ständig auf neue Situationen reagiert. ({0}) Wir haben hier gemeinsam die Gesetze beschlossen. Nach dem 11. September wurde die Visapraxis verschärft. Zum Beispiel erfolgt für bestimmte Risikostaaten eine besondere Prüfung. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Erteilung eines Visums immer. Wir bemühen uns natürlich, Missbrauch auszuschließen. Wenn wir von solchen Fällen hören, reagieren wir sofort und unmittelbar.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, nachdem Sie aus einem Brief eines Abgeordneten zitiert haben, was ich in der Fragestunde unmöglich finde - das mag Ihr Stil sein -, möchte ich Sie, weil da auch junge Chinesen angesprochen wurden, fragen: Wie beurteilen Sie, dass das Auswärtige Amt 25 jungen Chinesen, die aufgrund der SARS-Katastrophe von einem Unternehmen in Lübeck als Hygienetechniker an Krankenhäusern in China ausgebildet werden sollten - alle Voraussetzungen, die Sie angesprochen haben, einschließlich der Finanzierung waren erfüllt -, kein Visum erteilt hat?

Not found (Gast)

Jetzt geht es doch darum, dass Deutsche nach China gehen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, es gehen nicht Deutsche nach China, sondern Chinesen nach Deutschland, und zwar zur Ausbildung als Hygienetechniker; sie wollten in Krankenhäusern in China arbeiten.

Not found (Gast)

Sie können mir diesen Fall gern schriftlich einreichen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der Schriftverkehr liegt dem Auswärtigen Amt vor; schade, dass Sie ihn nicht dabei haben.

Not found (Gast)

Den habe ich leider nicht dabei.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Schade, dann haben Sie die falsche Postmappe bekommen.

Not found (Gast)

Ich sagte gerade, dass ich zu diesem Sachverhalt mehrere Aktenordner habe. Diese habe ich aber nicht mitgebracht. Ich werde diesen Fall aber genauso gründlich bearbeiten und die Frage genauso ausführlich beantworten, wie das meine Kollegen und ich mit allen anderen Briefen auch tun. Ich kann Ihnen jetzt nicht aus dem Stegreif sagen, ob es hier einen Ermessensspielraum gibt. Sobald sich ein Ermessensspielraum öffnet, werden wir ihn prüfen. Wenn das möglich ist - es scheint auf den ersten Blick sinnvoll -, ({0}) werden wir das machen. Wir können aber nur auf der Basis der geltenden Rechtslage vorgehen. ({1}) Wir werden die Rechtslage prüfen und wenn diese keinen Ermessensspielraum hergibt, können wir die Visa, um die es hier geht, nicht erteilen. Ihr Fall zeigt wieder einmal, wie kompliziert die Abwägung ist. Ich mache hier nur deutlich, wie sehr die Bundesregierung und die damit befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darum bemüht sind, diese Abwägungen in jedem Einzelfall vorzunehmen. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich möchte darum bitten, dass sich die Zusatzfragen möglichst im unmittelbaren Umfeld der gestellten Ausgangsfrage bewegen sollten. ({0}) - Die Antworten auch, wenngleich auf beiden Seiten ein bisschen Toleranz walten sollte, weil der Gesamtkomplex sicher manche Verflechtungen aufweist, wie die Fragen und Antworten deutlich machen. Nun hat der Kollege Uhl das Wort.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie sind in keiner sehr beneidenswerten Situation, wenn Sie die Folgen des unsäglichen so genannten Volmer-Erlasses verteidigen müssen. Erstaunlich ist es aber doch, wenn Sie sagen, dass massenhafter Missbrauch nicht stattgefunden habe, obwohl Ihnen bekannt sein müsste, dass die Zahlen explosionsartig angestiegen sind, von 150 000 Visa in 1999 auf 210 000 Visa in 2000 und auf 300 000 Visa in 2001. Alles in allem wurden mehr als 1 Million Visa erteilt - allein von der Botschaft in Kiew! ({0}) Dies hat auch das Bundesinnenministerium beunruhigt. Es gibt ein Schreiben des Bundesinnenministers an das Auswärtige Amt vom 13. März 2000 - das war zehn Tage nach dem Volmer-Erlass -, in dem die Bedenken dargestellt wurden. Am 17. April 2000 antwortete Staatssekretär Pleuger gegenüber dem Innenministerium. Wissen Sie etwas über diese Korrespondenz? Wissen Sie, ob der Dissens zwischen Innen- und Außenministerium, der nur logisch ist, das Kanzleramt beschäftigt hat? Wurde der Dissens auf höherer Ebene auf irgendeine Weise gelöst oder hat der Innenminister gesagt: Es ist eben so, dass die Zahlen explodieren und Hunderttausende von Missbrauchsfällen in Kiew stattfinden? 85 Prozent der Schengen-Visa, die in Kiew ausgestellt wurden, stammen aus der deutschen Botschaft, als gäbe es keine anderen Staaten in der EU, die auch SchengenVisa erteilen können. Wissen Sie -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich weise noch einmal darauf hin, dass Sie eine Zusatzfrage stellen können. ({0}) Sie stellen jetzt die dritte Zusatzfrage zum gleichen Sachverhalt. Sie spüren doch die Nervosität, die auf den verteilten Plätzen herrscht. Ich bitte Sie darum, diese nicht unnötig zu strapazieren.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube, ich habe die Staatsministerin schon genug belastet, ich will hier innehalten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bedanke mich.

Not found (Gast)

Erstens belasten Sie mich nicht und zweitens brauchen wir nicht von Nervosität zu reden; denn die habe ich nicht. Ich kann Ihnen gern unsere Position zum so genannten Volmer-Erlass deutlich machen. Also: Es hat diesen Brief des Innenministers gegeben und die Bedenken wurden ausgeräumt. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Angesichts der Diskussion über die Sicherheitsrelevanz dieses Erlasses gestatten Sie mir, Frau Staatsministerin, eine Frage zu diesem Bereich. Wir haben damals im Rahmen der Einführung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes erstmals Ordnung in die Visadateien gebracht. Bis zur Einführung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes konnte anhand der Visadatei ({0}) weder der Verlauf oder das Ergebnis eines Visaverfahrens noch die Identität der Visa-Antragsteller hinreichend festgestellt werden. Damals war ein Abgleich von Visaanträgen aus verschiedenen Botschaften ganz einfach technisch nicht möglich, sodass die neue Bundesregierung seinerzeit eine Situation vorgefunden hat, in der die Sicherheitsinteressen in keiner Weise gewahrt werden konnten. Stellt sich die jetzige Diskussion vor diesem Hintergrund nicht als Heuchelei dar und teilen Sie mit mir die Auffassung, dass eine solche Sicherheitslücke bei diesem Erlass nicht vorhanden ist?

Not found (Gast)

Nach dem 11. September haben wir - ich bin als Fraktionsvorsitzende damals persönlich damit befasst gewesen - sehr gründlich nach Sicherheitslücken gesucht. Die Visadatei spielte auch eine Rolle. Wir haben hier mit breiter Mehrheit des Hauses Veränderungen vorgenommen, von deren Richtigkeit ich tief überzeugt bin. Nach dem 11. September hat es hier also Veränderungen gegeben. Ich habe eben bereits gesagt, dass die Erlasspraxis ständig weiterentwickelt wird, auch den aktuellen Anforderungen angepasst wird, dass sie sich auch regional unterscheidet. Das Reisebüroverfahren zum Beispiel, das ich erwähnt habe und das von allen Schengen-Staaten angewendet wurde, wird heute nicht mehr in Kiew, aber noch in anderen Ländern und Botschaften angewandt. Ich will noch einmal betonen: Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte sehe ich überhaupt keinen Grund, den Runderlass des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2000, Nr. 514-516.20, zurückzunehmen, der - wie gesagt - durch andere Erlasse weiterentwickelt wurde. Soweit mir bekannt ist, sind die Missbrauchsund Schleuserfälle, die öffentlich diskutiert werden, nicht auf diesen Erlass zurückzuführen. In all diesen Fällen ging es um andere bei der Visaerteilung zu prüfende Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere um die Frage der Finanzierung, deren Nachweis zeitweise durch Vorlage von so genannten Reiseschutzpässen ersetzt werden konnte.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Grindel.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben auf die hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew hingewiesen. Gleichzeitig haben Sie gesagt, es habe eine Einzelfallprüfung gegeben, und Sie haben - wie in der letzten Antwort - einige Missbrauchsfälle angesprochen, die aber auf eine Fehleinschätzung hinsichtlich der Finanzierungsfragen bezogen. Können Sie mir vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, erklären, warum in Reaktion auf den Sachverhalt, über den wir uns hier unterhalten, 18 Ortskräfte und ein deutscher Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew fristlos entlassen worden sind? Was haben Sie denen vorgeworfen, wenn angeblich - so wie Sie es hier darstellen - im Rahmen der Ermessensausübung alles einigermaßen korrekt abgelaufen ist? Dies ist wohl ein Fall ohne Beispiel - korrigieren Sie mich -, wenn 18 Ortskräfte auf einmal fristlos entlassen werden. ({0})

Not found (Gast)

Erstens waren es nicht 18, sondern 16. ({0}) - Nur, um korrekt zu bleiben. - Zweitens wurden die 16 Ortskräfte nicht fristlos entlassen. Drittens geschah dies nicht als ausschließlich unmittelbare Reaktion auf die Missbrauchsfälle. Ein Teil von ihnen wurde im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen entlassen. Aber ein anderer Teil wurde aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen entlassen, die in der entsprechenden Botschaft durchgeführt wurden. Überdies habe ich nicht behauptet, dass Fehler auszuschließen sind. Ich habe das genaue Gegenteil behauptet: Fehler sind nicht auszuschließen. Auch Missbrauch ist angesichts der großen Anzahl der zu bearbeitenden Fälle nicht auszuschließen. Wir haben, sofern uns von Missbrauchsfällen bekannt wurde, immer unmittelbar darauf reagiert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die letzte Zusatzfrage zu diesem Punkt, Kollege Gewalt.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, eben haben Sie erklärt, dass es sich hierbei um andere Missbrauchsfälle handelt. Wenn dem so ist, bitte ich Sie, dem Hause zu erklären, welche Missbrauchsfälle Ihrer Schilderung zugrunde liegen, wenn nicht diejenigen, die heute zur Debatte stehen.

Not found (Gast)

Ich habe gesagt, dass nicht alle 16 Ortskräfte, die entlassen wurden bzw. deren Verträge nicht verlängert wurden, unmittelbar aufgrund der Missbrauchsfälle nicht mehr weiter beschäftigt werden. ({0}) So verhielt es sich nur bei einem Teil von ihnen. Ein anderer Teil wurde aus anderen Gründen nicht weiter beschäftigt, zum Beispiel aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe Frage 9 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Welchen Inhalt hat - vergleiche Schreiben des Petitionsausschusses an das AA vom 2. Oktober 2003 - der vom oben genannten Petenten benannte Erlass des AA Nr. 519?

Not found (Gast)

Auf diese Frage muss ich antworten: In diesem Zusammenhang existiert kein Erlass Nr. 519 des Auswärtigen Amtes.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal auf die Missbrauchsfälle zu sprechen kommen, die Sie gerade im Zusammenhang mit den Entlassungen erwähnt haben. Habe ich Sie richtig verstanden, dass es sich dabei lediglich um solche Missbrauchsfälle gehandelt hat, bei denen Personen betroffen waren, welche offensichtlich die notwendigen finanziellen Voraussetzungen nicht erfüllt haben, denen aber das Visum dennoch erteilt worden ist? Oder hat es auch andere Missbrauchsfälle gegeben - und wenn ja: welche?

Not found (Gast)

Von „anderen Missbrauchsfällen“ habe ich nicht gesprochen.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Genau das möchte ich wissen. Handelte es sich also, wie Sie selbst gesagt haben, lediglich um Fälle finanziellen Missbrauchs?

Not found (Gast)

Was meinen Sie mit Fällen finanziellen Missbrauchs?

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich meine solche Fälle, in denen aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse die finanziellen Voraussetzungen für die Erteilung von Visa nicht erfüllt waren.

Not found (Gast)

Das kann ich Ihnen im Einzelnen nicht sagen.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber so lautete doch gerade Ihre Antwort auf meine Frage.

Not found (Gast)

Welche finanziellen Voraussetzungen meinen Sie? Meinen Sie die Problematik der Reiseschutzpässe, meinen Sie das Reisebüroverfahren? Sie müssen Ihre Frage schon präzisieren.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ich greife lediglich Ihre eigene Formulierung auf, um etwas Licht in das Dunkel Ihres verwirrenden Vortrags zu bringen.

Not found (Gast)

Meine Formulierung lautete wie folgt: Ein Teil der Ortskräfte wurde unmittelbar aufgrund von Missbrauchsfällen entlassen. Sie haben pflichtverletzend gehandelt. - In anderen Fällen wurden Ortskräfte aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen entlassen bzw. ihre Verträge wurden aus diesem Grunde nicht verlängert. Um eines gleich zu ergänzen: Die genauen Zahlen und Umstände - wer, wie viele, warum? - kann ich Ihnen hier nicht nennen, weil sie mir nicht vorliegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich mache noch einmal folgenden Hinweis: Ich möchte hier nur ungern restriktiver agieren, als ich das zu tun gewohnt bin. Aber die Zusatzfragen müssen sich schon im Kontext der Frage bewegen, die Gegenstand der Antwort ist.

Not found (Gast)

Herr von Klaeden, ich habe Ihre Zusatzfrage beantwortet, obwohl sie nichts mit Ihrer Ausgangsfrage zu tun hatte.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, vorhin haben Sie gesagt, dass die Zahlen, die ich - den Richter zitierend - genannt habe, falsch seien und dass Sie selbst Zahlen dabei hätten, was die in Kiew erteilten Visa angeht. Hätten Sie die Freundlichkeit, diese Zahlen - nach den entsprechenden Jahren aufgeschlüsselt - vorzutragen? ({0})

Not found (Gast)

Diese Zahlen würde ich Ihnen gerne schriftlich zukommen lassen, damit das alles ganz präzise ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen, welche Jahre und welche Botschaften Sie interessieren und ob es Ihnen um die erteilten oder die abgelehnten Visa geht. Es würde zu lange dauern, die komplette Tabelle hier vorzutragen. Diese Frage beantworte ich Ihnen daher schriftlich. Soweit ich weiß, sind diese Zahlen aber auch schon in den entsprechenden Ausschüssen vorgelegt worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Volmer.

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, Sie haben gerade die Ortskräfte angesprochen, von denen einige aus besagten Gründen entlassen worden sind. Ich möchte einmal insgesamt ein Wort für den Stamm der Ortskräfte einlegen, ohne die eine Botschaft im Prinzip überhaupt nicht funktionieren kann, und in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Sind Sie angesichts der massiven Zuwächse an Visaanträgen - nicht nur in Kiew, sondern auch in zahlreichen osteuropäischen Staaten sowie in anderen Staaten wie etwa der Türkei oder in außereuropäischen Staaten - der Meinung, dass die Visastellen personell überhaupt hinreichend ausgestattet sind, und können Sie bestätigen, dass auf unsere Initiative hin bei den im Bundeshaushalt vorgesehenen linearen Stellenstreichungen eine einzige Beamtengruppe ausgenommen ist, nämlich die Gruppe der Konsularbeamten, sodass wir die Möglichkeit haben, den jetzigen Personalstand wenigstens zu erhalten, wenn es auch eigentlich nötig wäre, ihn zu erhöhen?

Not found (Gast)

Letzteres kann ich bestätigen. Was wir in diesem Bereich im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten an Personal aufstocken können, das tun wir sicherlich. Je nachdem, wie viel Personal zur Verfügung steht, dauert die notwendige gründliche Bearbeitung - wichtig ist die Prüfung aller Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung von Visa - eben länger. Damit wären wir wieder bei dem berühmten Spannungsfeld, in dem sich die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der individuellen Prüfung für die Visaerteilung bewegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Grindel.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben gerade in Ihrer vorletzten Antwort gesagt, dass ein Teil dieser 16 Ortskräfte entlassen worden sei, weil Visaanträge missbräuchlich begutachtet bzw. beschieden worden seien. Können Sie mir schildern, in welcher Form dort Missbrauch betrieben worden ist? Der reine Irrtum über die finanzielle Leistungsfähigkeit kann ja für eine Entlassung nicht ausreichen: Es kann schließlich immer einmal sein, dass auf etwas unsicherer Tatsachengrundlage eine sich im Nachhinein als falsch herausstellende Ermessensentscheidung getroffen wird. Aber wenn in diesem Umfang Ortskräfte entlassen werden, muss schon mit Vorsatz gehandelt worden sein. Können Sie mir sagen, was für Missbrauchsfälle das gewesen sind und inwieweit vorsätzlich Visa erteilt worden sind, die nicht hätten erteilt werden dürfen?

Not found (Gast)

Ich verweise insofern auf die Antwort, die ich Eckart von Klaeden gegeben habe. Im Übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, Herr Präsident, dass die Ausgangsfrage war: „Welchen Inhalt hat der vom o. g. Petenten benannte Erlass des AA Nr. 519 ({0})?“ Ich bin gerne bereit, hier auf dieses Petitionsverfahren einzugehen, aber diese Frage hat damit nichts zu tun.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das ist leider völlig zutreffend. Zusammen mit meinen Schriftführern hatte ich eben genau dies festgehalten: Dies ist die dritte aufeinander folgende Frage - das ging quer durch die Fraktionen -, die erkennbar mit der gestellten Frage nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht. Nach den Regeln unserer Geschäftsordnung sind solche Zusatzfragen zurückzuweisen. Zweimal habe ich den freundlichen Versuch unternommen, das auf dem Wege der Selbstdisziplinierung zu lösen. Dieser Versuch ist offenkundig gescheitert. Ich werde bei weiteren Fragen von dieser Regelung der Geschäftsordnung Gebrauch machen müssen. Nun hat sich der Kollege Koschyk zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie sagten, der Erlass, nach dem hier gefragt worden ist, sei dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. ({0}) - So war doch Ihre Antwort, oder?

Not found (Gast)

Die Nr. 519 existiert nicht.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie sich vorstellen, dass es sich in diesem Zusammenhang vielleicht um einen Erlass mit einer anderen Nummer handelt?

Not found (Gast)

Das können wir uns vorstellen. Dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wurde daher mit Schreiben vom 24. Oktober 2003 mitgeteilt, dass davon ausgegangen wird, dass sich der Petent auf den Erlass Nr. 514-516.20 vom 3. März 2000 bezieht. Dieser Runderlass konkretisiert für bestimmte Fallgruppen den pflichtgemäßen Gebrauch des Ermessens innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens; wir sprachen darüber. Dieser Runderlass war bereits Gegenstand der letzten Fragestunde und ist auch in dieser Woche ausführlich behandelt worden, sowohl in schriftlichen als auch in mündlichen Fragen. Insofern möchte ich auf meine Antworten verweisen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun rufe ich wie vereinbart die Frage 16 des Kollegen Sehling aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf: Wieso bekam A. B., obwohl er seit seiner Einreise von Sozialhilfe gelebt hat und unter anderem wegen Zigarettenschmuggels durch ein Urteil des Amtsgerichts Köln vom 24. Mai 1998 vorbestraft war - Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln -, am 28. Februar 2002 die deutsche Staatsbürgerschaft und welche ausländerrechtlichen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem fast zehnjährigen Sozialhilfebezug und der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft? Ich bitte den Staatssekretär Körper, das freundlicherweise zu beantworten.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Sehling, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der mit dem Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 - ich habe mich jetzt nicht versprochen, sondern sage dies ganz bewusst: 9. Juli 1990 - eingeführten Anspruchseinbürgerung stehen ein Bezug von Sozialhilfe, wenn dieser nicht vom Ausländer zu vertreten ist, sowie die Verurteilung wegen einer Straftat unterhalb einer so genannten Unbeachtlichkeitsgrenze nicht entgegen. Für den Vollzug der Einbürgerungsvorschriften der §§ 85 ff. des Ausländergesetzes sind die Länder zuständig. Das ist Ihnen mit Sicherheit bekannt. Die Bundesregierung hat daher keine Kenntnis von einzelnen Einbürgerungsverfahren in den Ländern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage? - Keine. Dann kehren wir zurück zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Hartmut Koschyk auf. Erhält die Bundesregierung ihre Behauptung im Schreiben des AA vom 23. April 2003 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages aufrecht, dass der Vorwurf, nach Herausgabe des Runderlasses des AA 514-516.20 betreffend das Visumverfahren bei den Auslandsvertretungen vom 3. März 2000 - so genannter Volmer-Erlass - sei der Erhalt eines Visums problemlos möglich gewesen, jeglicher Grundlage entbehre?

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Herr Kollege Koschyk, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die von Ihnen zitierte Passage aus dem Schreiben des Auswärtigen Amts vom 23. April 2003 enthält keine Behauptung, sondern eine Darstellung allgemeiner Fakten zum Visumverfahren. An diesen Aussagen zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums im Rahmen des geltenden Ausländerrechts hält die Bundesregierung fest. Der Runderlass des Auswärtigen Amts vom 3. März 2000 konkretisiert für bestimmte Fallgruppen den pflichtgemäßen Gebrauch des Ermessens innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens. Dieses Ermessen ist nur dann eröffnet, wenn aufgrund der automatisierten Registerabfrage beim Ausländerzentralregister und beim Schengener Informationssystem keine Einreisesperre besteht und die übrigen Erteilungsvoraussetzungen gegeben sind. Hierzu gehören zum Beispiel eine gesicherte Finanzierung, die Glaubhaftmachung des Reisezwecks und anderes. Ich verweise hierzu auf die Antworten der Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen 2/196 und 2/227.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, in diesem Erlass heißt es - ich muss dies zitieren, Herr Präsident, um meine Nachfrage zu stellen -: Nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchsvisums. Ich möchte Sie fragen, Frau Staatsministerin, welche Fallgestaltung Sie nennen können, bei der ein Beamter des Auswärtigen Amtes oder eine Ortskraft in Kiew zu dem Ergebnis kommen kann, dass bei dem Petent die „hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft“ nicht gegeben ist.

Not found (Gast)

Dazu habe ich jetzt keinen Beispielsfall vor Augen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine weitere Frage: Es ist in diesem Zusammenhang, Frau Staatsministerin, am 31. Mai und 1. Juni zu einer Reise der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ nach Kiew gekommen, in deren Rahmen beim Besuch in der deutschen Botschaft in Kiew die Reisenden aufgrund dieses Erlasses und des in diesem Zusammenhang praktizierten Verfahrens als ein erhöhtes Risiko dargestellt wurden. Ich möchte wissen, wie in Anwendung dieses Erlasses nach einer Kritik der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ das Auswärtige Amt auf diese Kritik reagiert hat?

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Wann war diese Reise?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Am 31. Mai und 1. Juni 2001. Also vier Monate nach dem Erlass, um es der Frau Staatsministerin noch einmal zu sagen, hat es eine Reise der Arbeitsgruppe „Visa“ nach Kiew gegeben, wo man das Verfahren und die erteilten Visa an Reisende als ein erhöhtes Risiko bezeichnet hat.

Not found (Gast)

Ich kenne die Ergebnisse dieser Reisegruppe nicht. Das muss ich Ihnen hier einfach sagen. ({0}) - Nein, sie sind mir nicht bekannt. Ich habe deshalb jetzt auch nicht schriftlich vorliegen oder vor Augen, was dort konkret kritisiert wurde. Dies war der Besuchsstand von 2001. Im August 2001 haben wir das so genannte Reisebüroverfahren eingestellt. Ich erinnere noch einmal daran: Es gibt verschiedene Gründe für Verfehlungen und weshalb ein Visum zu Unrecht erteilt wurde. Das Reisebüroverfahren - ich rufe noch einmal in Erinnerung: alle Schengen-Staaten führen das durch - wurde in Kiew im August 2001 zum Oktober 2001 eingestellt. Durch dieses Verfahren wurde bei Reisegruppen das persönliche Erscheinen ersetzt. Es wurde also aufgrund der Aktenlage geprüft. Man stellte jedoch fest, dass dies auch bei seriösen und glaubwürdigen Reiseunternehmen zu Problemen führen konnte. Deshalb wurde das Reisebüroverfahren eingestellt. Nun zu den so genannten Reiseschutzpässen. Diese ersetzten den Nachweis der Finanzierbarkeit. Da es eine öffentliche Diskussion ist, möchte ich es hier noch einmal erklären: Der Versicherer sichert zu, dass er die Kosten übernimmt. Das ist für die Behörde sicherer und für den Antragsteller einfacher. Nachdem wir am 27. Juni 2002 erfuhren, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen den Inhaber einer Reise-Schutz AG eröffnet wurde, haben wir am 28. Juni auch die Anerkennung der so genannten Reiseschutzpässe ausgesetzt. Noch einmal: Mir ist nicht bekannt, dass irgendwelche Missbrauchsfälle auf den hier diskutierten Erlass vom 3. März 2000 zurückzuführen sind, in dem bestimmte Prüfungskriterien für die Rückkehrbereitschaft vorgesehen sind. Die Missbrauchs- und Problemfälle beziehen sich immer auf das Reisebüroverfahren oder auf die Reiseschutzversicherungen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, es geht um die Frage, ob aufgrund des Volmer-Erlasses der Erhalt eines Visums problemlos möglich gewesen sei. Wie Juristen unschwer erkennen können, beinhaltet der Volmer-Erlass eine so genannte Beweislastumkehr: Der Antragsteller, der Ausländer, muss seine Rückkehrbereitschaft nicht beweisen, ({0}) sondern die Behörde muss beweisen, dass er keine Rückkehrbereitschaft hat. ({1}) Die Formulierung wurde gerade vorgelesen: Nicht jeder Zweifel - des Beamten ..., sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit ... rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchsvisums. Zweifel reichen also nicht aus, sondern die Wahrscheinlichkeit muss gegeben sein. Diese kann der Beamte niemals beweisen, also muss er das Visum erteilen. Ich komme nun zu meiner Frage an Sie. Sie haben vorhin behauptet, diese Formulierung im Volmer-Erlass decke sich mit EU-Bestimmungen. Teilen Sie meine Auffassung, dass sich diese Formulierung im VolmerErlass, der die von mir behauptete Beweislastumkehr enthält, angesichts des Umstands, dass in den EU-Bestimmungen genau die gegenteilige Formulierung steht, gerade nicht mit diesen deckt? Die Gemeinsame Konsularische Instruktion - die einschlägige Richtlinie - beinhaltet zu diesem Thema folgende Formulierung: Der - ausländische Antragsteller muss die mit dem Antrag befasste Auslandsvertretung davon überzeugen, dass ... die Rückreise in das Herkunftsland gewährleistet ist. Die Beweislast liegt also eindeutig beim Antragsteller. Es ist nicht so, wie Sie es sagen, dass nämlich der Beamte eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme haben muss, um ablehnen zu können. ({2})

Not found (Gast)

Jetzt diskutieren wir unter Juristen. Man weiß, dass es dabei zu einem Problem immer mehrere Meinungen gibt. Nach meinem unmaßgeblichen juristischen Verständnis beinhaltet der Volmer-Erlass vom 3. März 2000 keinesfalls eine Beweislastumkehr. Ich lese die Formulierung vollständig vor; denn Sie haben den Punkt zu früh gemacht. Dort steht: ... sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchsvisums. Jetzt kommt aber etwas Wichtiges: Wenn sich nach pflichtgemäßer Abwägung und Gesamtwürdigung des Einzelfalls - es geht also immer um eine Einzelfallprüfung ({0}) die tatsächlichen Umstände, die für und gegen eine Erteilung des Besuchsvisums sprechen, die Waage halten, - nur dann gilt: „in dubio pro libertate“, im Zweifel für die Reisefreiheit. ({1}) - Ja, dazu stehe ich auch. Das ist das Ansinnen vieler, vieler Schreiben, die aus Ihrer Fraktion kommen. Diese Formulierung ersetzt in keiner Weise - das will ich hier sehr deutlich sagen - für den entsprechenden Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, der bzw. die das Visum erteilt, die Prüfung der anderen Voraussetzungen, dass die Finanzierbarkeit gegeben ist, ({2}) der Reisezweck eingehalten wird und die Rückkehrberechtigung vorliegt. All das wird geprüft. Vor dieser Prüfung aber wird beim AZR und beim SIS abgefragt, ob eine entsprechende Einreisesperre besteht. Ich sage noch einmal: Mir ist auch durch das Urteil nicht bekannt - die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor -, dass bisher einer der diskutierten Missbrauchs- und Problemfälle auf diese Formulierung des Erlasses vom 3. März 2000 zurückzuführen ist. Die Ursachen für die Missbrauchsfälle liegen im so genannten Reiseschutzpass und im so genannten Reisebüroverfahren, das - wie Sie soeben zu Recht zitiert haben - Gegenstand der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion der Schengen-Staaten ist und von allen Schengen-Staaten angewendet wird. Von uns wird es seit dem 3. August 2001 in Kiew nicht mehr angewendet. Darauf beziehen sich die Problemfälle; das will ich hier klar herausstellen. Solange dies so ist, gibt es für uns überhaupt keinen Grund, von dieser Formulierung Abstand zu nehmen. Ich glaube, dass der entsprechende Erlass vom 3. März 2000 exakt eine Antwort auf das Spannungsfeld ist, in dem wir uns bei der Visaerteilung befinden und worüber wir ausführlich diskutiert haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Volmer. ({0})

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Frage gehört zum Thema; denn die Frage 10 von Herrn Koschyk bezieht sich auch auf den Petitionsausschuss und dessen Haltung zu dem gesamten Verfahren. Meine Frage: Frau Staatsministerin, trifft es zu, dass nicht nur zahlreiche Einzelabgeordnete aus allen Fraktionen, sondern insbesondere auch zahlreiche Mitglieder des Petitionsausschusses und des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1998/99, als Rot-Grün das Auswärtige Amt gerade übernommen hatte, zahlreiche Zuschriften an das Auswärtige Amt gerichtet haben, in denen diese Abgeordneten und Ausschussmitglieder eine gründliche Überprüfung und Änderung der bis dahin geltenden Visumpraxis forderten, einer Visumpraxis, die noch auf der Weisungslage der Minister Kanther und Kinkel fußte, und dass der Menschenrechtsausschuss einstimmig, also mit den Stimmen der CDU/CSU, den damals von mir vorgelegten und hier vielfach zitierten Erlass gebilligt hat? ({0})

Not found (Gast)

Dies trifft zu. Weil der Kollege Volmer dies erwähnt hat, will ich ergänzend sagen: Das so genannte Carnet de Touriste bzw. die Reiseschutzpässe gehen in der Tat auf eine Initiative des Bundesaußenministers Kinkel und des Bundesinnenministers Kanther zurück. Sie haben mit Erlass vom 10. August 1995 an die Vertretungen in Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland und Litauen zu der Einführung des Carnet de Touriste des ADAC geführt. Diese Praxis, die damals von der Vorgängerregierung eingeführt wurde, für Länder, die auch Sie wahrscheinlich nicht für unbedingt unproblematisch halten, haben wir mit den so genannten Reiseschutzpässen fortgeführt. Wir haben dann im Oktober 1999 das Carnet de Touriste auf alle Vertretungen der GUS-Staaten ausgeweitet. Ziel war - das teilen wohl alle Abgeordneten und Fraktionen hier im Haus -, den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen uns und den Ländern Osteuropas zu erleichtern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Tritz.

Marianne Tritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003647, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, können Sie bestätigen, dass weder das Reisebüroverfahren noch das Verfahren bezüglich der Reiseschutzversicherung Gegenstand des so genannten Volmer-Erlasses aus dem Jahre 2000 waren?

Not found (Gast)

Das ist richtig. Die Reiseschutzpässe beziehen sich auf das Kriterium der Finanzierbarkeit. Beim Reisebüroverfahren geht es darum, dass das persönliche Erscheinen durch eine Entscheidung nach Aktenlage ersetzt werden kann. Bei dem genannten Erlass vom 3. März 2000 geht es um die Prüfungsabfolge und die Kriterien der Prüfung der Rückkehrbereitschaft.

Marianne Tritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003647, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die letzte Zusatzfrage zu der Frage 10 hat der Kollege Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, der VolmerErlass habe nicht dazu geführt, dass problemlos Visa hätten erteilt werden können. Sie haben als Begründung unter anderem aufgeführt, dass umfangreiche Überprüfungsmaßnahmen durchgeführt wurden, zum Beispiel die AZR-Abfrage, die SIS-Abfrage etc. Wie erklären Sie sich dann die Diskrepanz zwischen dem dafür notwendigen Zeitansatz, den ich pro Visum bei mindestens einer halben Stunde sehen würde, und der tatsächlich erteilten Anzahl von Visa, die den Rückschluss zulässt, dass man maximal zwei Minuten, eher sogar noch weniger, pro Visum aufgewandt hat?

Not found (Gast)

Ich will die Zahl von zwei Minuten nicht bestätigen. ({0}) - Nein, das ist eben keine reine Rechenaufgabe. - Wenn Sie eine Einzelfallprüfung machen - ich weiß nicht, ob Sie Jurist sind -, dann brauchen Sie in dem einen Fall länger und in dem anderen Fall geht es schneller. ({1}) Ich erinnere noch einmal an das Reisebüroverfahren. Bei diesem Verfahren werden für eine Reisegruppe Visumanträge gesammelt vorgelegt und es wird nach Aktenlage entschieden. Dieses Verfahren geht schnell, während es bei anderen Entscheidungen länger dauert. ({2}) Ich halte von dieser Hochrechnung nichts und möchte sie nicht bestätigen. Solange mir nichts Gegenteiliges bekannt ist, gehe ich davon aus, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew oder in anderen Botschaften, die Visumanträge zu prüfen haben, dies nach bestem Gewissen tun und alle Tatbestandsvoraussetzungen prüfen, die sie zu prüfen haben. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Koschyk auf: Wie verhält sich diese vom AA vertretene Behauptung zu den Aussagen im Schreiben des AA vom 2. August 2001 an den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, in dem von „erheblichen Problemen“ im Zusammenhang mit Visamissbrauch und dem so genannten Reisebüroverfahren die Rede ist?

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Herr Kollege Koschyk, da Sie aus demselben Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 2. August 2001 an den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen wie Herr Kollege von Klaeden zitieren, verweise ich insofern auf meine Antwort auf die Frage 8 des Abgeordneten von Klaeden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Frau Staatsministerin, in dem Schreiben vom 2. August 2001 räumt das Auswärtige Amt ein: Aufgrund des Missbrauchs von Visa, die in diesem Verfahren seitens der deutschen Botschaft in Kiew erteilt worden sind, kann dieses Verfahren in Kiew in der bisher praktizierten Form nicht mehr beibehalten werden. Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie, Frau Staatsministerin, uns gesagt haben, dass bei dem Reisebüroverfahren außer den beiden Anfragen nichts weiter geprüft worden ist. Ist dann beim Reisebüroverfahren die im Volmer-Erlass vorgesehene Prüfung der Rückkehrbereitschaft erfolgt oder nicht?

Not found (Gast)

Natürlich. Bei dem von Ihnen erwähnten Schreiben geht es um das zwischen den Schengen-Partnern in Kapitel VII Ziffer 5 ihrer Gemeinsamen Konsularischen Instruktion niedergelegte Reisebüroverfahren, das eine Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Verpflichtung macht, dass Antragsteller von Visa persönlich bei der jeweiligen Botschaft vorsprechen müssen. Diese Ausnahme dient der Förderung der Reiseindustrie der EU-Mitgliedstaaten, ist also von den Schengen-Partnern durchaus im wohlverstandenen Eigeninteresse vorgesehen worden. Deutschland hat dieses Verfahren in Kiew praktiziert, und zwar solange sich keine Hinweise darauf ergaben, dass es zu illegalen Einreisen missbraucht wurde. Nachdem im Sommer 2001 solche Hinweise vorlagen - darauf bezieht sich der Passus, den Sie gerade zitiert haben; das Schreiben liegt mir vor - wurde das Verfahren seitens des Auswärtigen Amtes am 3. August 2001 zum 1. Oktober 2001 eingestellt. Das heißt, alle Antragsteller mussten wieder persönlich bei der Botschaft vorsprechen. Da dies für deutsche Reiseunternehmen, die mit Reiseunternehmen aus der Ukraine zusammenarbeiteten, von Bedeutung war, hat das Auswärtige Amt die Verfahrensänderungen in einem Schreiben an deutsche Reiseunternehmen und an den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen e.V. - aus dem Schreiben haben Sie zitiert - erläutert. Das Auswärtige Amt hat darin den Grundsatz der persönlichen Vorsprache jedes einzelnen Reiseteilnehmers bekräftigt und gleichzeitig angeboten, für ukrainische Kooperationspartner deutscher Reiseunternehmen die Vorsprache sämtlicher Teilnehmer einer Gruppenreise zu einem einzigen Termin zu ermöglichen. Dabei werden alle Tatbestandsvoraussetzungen individuell geprüft. Geprüft werden die Finanzierbarkeit, die Rückkehrbereitschaft und die Einhaltung des Reisezwecks. Auch wird vorab durch AZR- und SIS-Anfrage geprüft, ob etwa eine Einreisesperre vorliegt. Das bedeutet, jeder Reiseteilnehmer wurde einzeln befragt, aber es war für das Reisebüro weiterhin möglich, die Anträge gesammelt einzureichen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, nachdem Sie uns berichtet haben, dass man mit dem so genannten Reisebüroverfahren negative Erfahrungen gemacht hat und dass dieses Verfahren daraufhin geändert wurde, frage ich Sie, warum sich das Auswärtige Amt auch im Benehmen mit dem Bundesinnenminister entschlossen hat, trotzdem das sich im Nachhinein als nicht minder problematisch herausgestellte Reiseschutzpassverfahren in Gang zu setzen.

Not found (Gast)

Dabei geht es um etwas anderes. Bei dem Reisebüroverfahren geht es um das persönliche Erscheinen, das ersetzt wird. Beim Reiseschutzpass geht es darum, dass der Nachweis der Finanzierbarkeit durch einen solchen Reiseschutzpass ersetzt wird. Auch hierbei möchte ich darauf hinweisen - dies betrifft genau das genannte Spannungsfeld -, warum das Verfahren eingesetzt wurde. Vorläufer war übrigens das im August 1995 von Innenminister Kanther und Bundesminister Kinkel eingeführte Carnet de Touriste. Dabei geht es um den Nachweis der Finanzierbarkeit. Das macht auch durchaus Sinn. Es ist aus der Sicht der Behörde sicherer, weil ein Unternehmen für die Kosten garantiert. Für die Antragsteller war es einfacher, weil sie einen Reiseschutzpass vorlegen konnten. Ich nehme an, dass dies die Motive waren, weshalb die Vorgängerregierung - also Außenminister Kinkel und Bundesinnenminister Kanther - gemeinsam mit dem ADAC-Präsidenten damals ein solches Carnet de Touriste eingeführt haben. Deshalb haben auch wir zunächst an dem anonymen Reiseschutzpassverfahren festgehalten. Dabei sind verschiedene Unternehmen, die entsprechend überprüft wurden, tätig gewesen. Wir haben das Verfahren aber sofort, nachdem wir am 27. Juni 2002 Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren gegen einen Inhaber einer Reiseschutzpass AG erhalten haben, mit einem Erlass an Kiew vom 28. Juni eingestellt. Inzwischen haben wir dieses Verfahren mit Erlass vom 28. März 2003 leider weltweit einstellen müssen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn in fünf Jahren 1 Million Menschen aus Kiew mit der Begründung einreist, sie wollten eine Reise nach Deutschland machen, und Sie auf das Risiko der mangelnden Finanzierbarkeit der Reise und vor allem der mangelnden Rückkehrbereitschaft hinweisen, wodurch dem Staat Rückführungskosten entstehen könnten, dann ist es von Vorteil, wenn diese Risiken versichert sind. Ich frage Sie: Ist das Problem bei dieser 1 Million Menschen nicht ein ganz anderes? Wissen Sie überhaupt, wie viele Fälle bei dieser wahnsinnig großen Zahl aufgetreten sind, in denen der Staat den Rücktransport finanzieren musste? Bei 1 Million müssten das mehrere Hunderttausend gewesen sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ist das Problem nicht vielmehr gewesen, dass die überwältigende Mehrheit dieser 1 Million Menschen keine Schwierigkeiten mit der Finanzierung der Rückreise hatte und sie keine Touristen waren, sondern im EU-Raum schwarzarbeiten wollten und dies auch getan haben, sich dabei nicht erwischen lassen wollten sowie auf eigene Kosten gelebt haben und zurückgereist sind? Deswegen konnte beim Staat gar kein Risiko entstehen, eine Rückführung finanzieren zu müssen. Die Versicherung hat also etwas versichert, was mehrheitlich gar kein Risiko war.

Not found (Gast)

Es wird schon ein Interesse daran bestanden haben. Sonst hätten die Unternehmen das nicht gemacht. Das scheint zunächst einmal zu einer Entbürokratisierung der Verfahren geführt zu haben. Sonst hätte Ihre Regierung das damals nicht eingeführt. Es gab also ganz offensichtlich einen Bedarf - wahrscheinlich auch viele Briefe aus den Fraktionen -, woraufhin Bundesaußenminister Kinkel und Bundesinnenminister Kanther gehandelt haben. Wir haben, wie gesagt, festgestellt, dass diese Praxis im Hinblick auf den wirtschaftlichen Austausch und die Förderung mittelständischer Unternehmen - ich weiß, dass das gerade Ihnen, Herr Uhl, ein großes Anliegen ist - sinnvoll war. ({0}) Insofern kann ich Ihre Pauschalierung nicht teilen, dass es sich bei den Visumantragstellern mehrheitlich um Prostituierte und Schwarzarbeiter gehandelt habe. Sie malen hier ein Schreckensbild, das ich ganz klar und eindeutig zurückweisen möchte. Es sind Missbrauchsfälle vorgekommen. Wir versuchen aber, solche Fälle zukünftig zu verhindern und gleichzeitig den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik nachzukommen. Ich kann jedenfalls nur davor warnen, in dieser Debatte Schreckensbilder und Zerrbilder zu malen, die mit der Realität nichts zu tun haben; denn in unserem gemeinsamen Interesse liegt - Herr Uhl, ich brauche Ihre Frage eigentlich nicht zu beantworten, wenn Sie sich gerade mit Ihren Kollegen unterhalten -, weiterhin den kulturellen und den wirtschaftlichen Austausch zu fördern sowie unserem gemeinsamen Anspruch als weltoffenes Land nachzukommen und gleichzeitig - hier bewegt man sich natürlich in einem Spannungsfeld unsere Sicherheitsinteressen zu beachten. Sie diffamieren diejenigen, die ganz regulär ein Visum beantragt und es nicht missbraucht haben. Das ist nach unserer Erkenntnis die übergroße Zahl derjenigen, die ein Visum bei der Botschaft in Kiew und bei anderen Botschaften beantragt haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Göbel.

Ralf Göbel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003535, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, eine zentrale Rolle bei diesem ganzen Vorgang hat die Reiseschutz AG gespielt. Meine Frage lautet: Sind die maßgeblichen Repräsentanten der Reiseschutz AG sicherheitsüberprüft worden, und wenn ja, in welchem Umfang?

Not found (Gast)

Das können eigentlich Sie, Herr Körper, besser beantworten. ({0}) Meines Wissens nach: Ja. Wir haben uns aber in allen Fragen betreffend die Reiseschutz AG und den Personenkreis eng mit dem BMI abgestimmt. Entweder beantworte ich Ihre Frage schriftlich oder der Kollege Körper antwortet jetzt mündlich; denn das fällt eigentlich in die Zuständigkeit des BMI. ({1}) - Ich glaube aber, dass das schon schriftlich beantwortet worden ist. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die letzte Zusatzfrage zu diesem Punkt hat der Kollege Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben gerade gesagt, dass nach Ihrer Erkenntnis die Mehrzahl der Visa nicht missbräuchlich erteilt worden sei. Sind Sie bereit, uns zu sagen, worauf sich diese Erkenntnis stützt und was „Mehrzahl“ - 500 000 oder mehr? - bedeutet?

Not found (Gast)

Ich kann Ihnen das nicht beziffern. ({0}) - Genau, die Mehrzahl; das weiß ich. Ich kann Ihnen das in einer schriftlichen Antwort gerne genauer darstellen, soweit das möglich ist, bevor ich mich jetzt auf eine Zahl festlege, die nicht stimmt. Den aufgetretenen Missbrauchsfällen sind wir nachgegangen. Wir haben die entsprechenden Ursachen bekämpft, Stichworte „Reisebüroverfahren“ und „Reiseschutzpass“.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Binninger, Sie können gleich stehen bleiben. Ich rufe nun Ihre Frage 12 auf: Hat es Beschwerden der Schengen-Partner gegenüber dem Bundesministerium des Innern oder dem AA im Hinblick auf die durch den Runderlass des AA 514-516.20 betreffend das Visumverfahren bei den Auslandsvertretungen vom 3. März 2000 - so genannter Volmer-Erlass - veränderte Visaerteilungspraxis gegeben und, wenn ja, wann?

Not found (Gast)

Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesregierung sind im speziellen Zusammenhang mit dem Erlass des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2000 keine Beschwerden der Schengen-Partner bekannt geworden. Allerdings gab es im Sommer 2001 Hinweise von Schengen-Partnern auf vermehrten Missbrauch von an der Deutschen Botschaft Kiew ausgestellten Besuchsvisa. Die Bundesregierung ist diesen Hinweisen nachgegangen und hat daraufhin das so genannte Reisebüroverfahren mit Erlass vom 3. August 2001 zum 1. Oktober 2001 eingestellt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich habe eine Zusatzfrage. Die Missbrauchshinweise bezogen sich meines Wissens nicht nur auf das Reisebüroverfahren, sondern auch auf das Reiseschutzversicherungsverfahren der ReiseSchutz Versicherungs AG. Ihnen lagen diese Hinweise - Sie haben das gerade selbst eingeräumt - im Jahr 2001 vor. Trotz der Hinweise aus dem Sommer 2001, dass Missbrauch betrieben wird, wurde mit dieser Reiseschutzversicherung ab 2002 sogar weltweit gehandelt. Warum haben Sie nicht reagiert?

Not found (Gast)

Meines Wissens lagen uns zu diesem Zeitpunkt lediglich Hinweise vor - ich kann Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen nur diese Antwort geben -, die auf das so genannte Reisebüroverfahren zurückzuführen waren. Deshalb haben wir dieses Verfahren eingestellt. Wenn man glaubwürdige und überzeugende Hinweise in Bezug auf einen Missbrauch von Reiseschutzpässen gehabt hätte, dann hätte man den Handel in der Tat nicht ausweiten sollen. Ich gehe davon aus, dass solche Hinweise nicht vorlagen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Frage 13 wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis- teriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht freundlicherweise Frau Staatssekretärin Hendricks zur Verfügung. Die Frage 17 des Kollegen Kretschmer, die Frage 18 der Kollegin Leonhard1), die Fragen 19 und 20 des Kollegen Gewalt und die Frage 21 des Kollegen Rupprecht ({0}) sind zur schriftlichen Beantwortung angemeldet. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Binninger auf: Verfügt die RS Reise-Schutz Versicherungs AG in 74189 Weinsberg über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz erforderliche Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb und, wenn ja, von wem wurde diese erteilt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Herr Kollege Binninger, der RS Reise-Schutz Versicherungs Aktiengesellschaft ist durch Verfügung vom 17. Dezember 2002 durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Genehmigung zum Geschäftsbetrieb erteilt worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage? ({0}) - Dann ist auch dieser Geschäftsbereich erledigt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- ums für Wirtschaft und Arbeit auf. Hier sind die Fragen 23 bis 32 zur schriftlichen Beantwortung ange- meldet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- ums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt- schaft auf. Hier sind die Fragen 33 bis 36 zur schriftli- chen Beantwortung angemeldet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- ums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Zur Be- antwortung ist der Kollege Staatssekretär Franz Thönnes verfügbar. Die Fragen 37 und 38 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 39 der Kollegin Dr. Lötzsch auf: Wird bei der neuen Verordnung zur Höhe der Sozialhilfe bei der Festlegung der Regelsätze berücksichtigt, dass durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenver- sicherung, GKV-Modernisierungsgesetz, für viele Bezieher von Sozialhilfe eine faktische Kürzung der Sozialhilfe um mindestens 2 Prozent erfolgt ist, und wie will die Bundesre- gierung die Grundsicherung und damit den Schutz vor Armut für Langzeitarbeitslose und für Altersrentner sichern in Anbe- tracht steigender privater Gesundheitskosten? 1) Die Antwort lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Verehrte Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Entwurf der Regelsatzverordnung - sie wird auf der Grundlage von § 28 Sozialgesetzbuch XII erlassen - berücksichtigt die Zuzahlungen aufgrund des GKV-Modernisierungsgesetzes. Die in § 2 Abs. 2 Nr. 5 des Verordnungsentwurfs genannte Abteilung 06, die die Bedarfsposition Gesundheitspflege betrifft, regelt die Höhe der monatlichen Belastungen von Sozialhilfeempfängern durch Zuzahlungen. Dies bedeutet eine bewusste Gleichstellung von Sozialhilfeempfängern und anderen Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung. ({0}) Diese Regelung gilt gleichermaßen für die Grundsicherung von Arbeitsuchenden, also für das, was ab dem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch II geregelt wird, sowie für die Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung. Die Belastung - das muss man vor dem Hintergrund der Fragestellung noch einmal sagen - beträgt höchstens - nicht mindestens 2 Prozent. Sie ist zumutbar. Diese Auffassung wird auch von den kommunalen Spitzenverbänden geteilt, mit denen seit Ende 2003 mehrfach Gespräche über diese Fragen geführt wurden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, die Formulierung „mindestens 2 Prozent“ leitet zu meiner Zusatzfrage über. Die Gesundheitskosten sind zusätzlich dadurch gestiegen, dass viele Medikamente nicht mehr verschreibungspflichtig sind, nicht mehr verschrieben werden dürfen, also vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. Werden diese zusätzlichen Kosten bei der Neufestsetzung der Regelsätze im Rahmen der Sozialhilfe einbezogen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Nein. Ich wiederhole: Einbezogen sind die Größenordnungen, die bei der Bedarfsposition „Gesundheitspflege“ erfasst werden. Bei den Zahlungen, die für Medikamente geleistet werden müssen, für die seitens der Kassen keine Erstattung erfolgt, sind diejenigen, die sozialhilfeberechtigt sind, genauso erfasst wie jeder andere GKV-Versicherte. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass es im Verantwortungsbereich des Arztes liegt, zu entscheiden, welches Medikament im Hinblick auf Wirksamkeit und Nutzen verschrieben wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ja. Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist schon einige Wochen in Kraft. Es ist viel über die Auswirkungen diskutiert worden. Es liegen schon konkrete Erfahrungen vor. Auch wenn Sie sagen, es liege selbstverständlich im Ermessen des Arztes, zu entscheiden, was verschrieben wird, frage ich: Gibt es Erkenntnisse darüber, welche durchschnittlichen zusätzlichen Kosten auf die Versicherten, insbesondere auf Sozialhilfeempfänger, dadurch zugekommen sind, dass sie nicht verschreibungspflichtige Medikamente selbst zahlen müssen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Nein, Frau Kollegin Lötzsch, darüber haben wir keine Erkenntnisse, weil die Durchführung des Sozialhilferechts den Ländern und Kommunen obliegt. Uns liegen darüber keine Daten vor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Matthias Sehling auf: Weswegen erhielt der am 9. Februar 2004 im Kölner Schleuserprozess verurteilte A. B. - nach Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft - bei seiner Einreise am 1. November 1992 sofort eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und seitdem Sozialhilfe ebenso wie seine Ehefrau, die später nachzog, und wie hoch ist der Gesamtbetrag der Sozialhilfe zwischen 1992 und 2004, den die Familie B. - inklusive Kind - erhielt? Herr Staatssekretär, beantworten Sie bitte die Frage 40.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich bitte um Nachsicht, Frau Präsidentin. Vielleicht ist meine Reaktion damit zu erklären, dass der Kollege Sehling und ich vorhin schon einen Dialog über das Thema hatten. Aber natürlich gehört es sich, die Frage von hier aus zu beantworten. Herr Kollege Sehling, ich beantworte Ihre Frage 40 wie folgt: Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit dem früheren Ausländer A. B., der im Kölner Schleuserprozess am 9. Februar 2004 verurteilt worden ist, keine Erkenntnisse zu dem problematisierten Bezug von Sozialhilfeleistungen. Von Verfassungs wegen obliegt die Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes, wie ich in der Antwort auf die vorangegangene Frage schon ausführte, den Ländern und Kommunen. Eine Rechtsoder Fachaufsicht des Bundes besteht nicht. Nähere Angaben zu dem in der Frage angesprochenen Fall können daher nicht gemacht werden. Allgemein ist jedoch anzumerken, dass Ausländer mit aufenthaltsrechtlichem Status, die sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gemäß § 120 Bundessozialhilfegesetz im Vergleich zu den übrigen Sozialhilfeempfängern deutlich eingeschränkte Leistungen erhalten. Auch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung fällt in die Kompetenz der Bundesländer, die von den Ausländerbehörden wahrgenommen wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege. - Keine Zusatzfrage. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke bereit. Die Fragen 41 und 42 der Kollegin Dr. Maria Flachsbarth werden schriftlich beantwortet. Die Frage 43 des Kollegen Egon Jüttner und die Frage 44 des Kollegen Ernst Hinsken werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Fragen 45 und 46 der Kollegin Renate Blank werden auch schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Gero Storjohann auf: Bis wann und mit welcher Zielsetzung in Bezug auf den künftigen Leistungsumfang plant die Bundesregierung die im Rahmen der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zu Protokoll gegebene Erklärung, zeitnah das Wohngeldrecht mit dem Ziel deutlicher Einsparungen strukturell zu überarbeiten, umzusetzen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Storjohann, die Bundesregierung prüft derzeit, auf welche Weise die Umsetzung der Protokollerklärung erfolgen kann. Dazu werden zunächst die Ergebnisse des Vermittlungsverfahrens zum Hartz-IV-Gesetz, das heißt die bereits beschlossene und zum 1. Januar 2005 erfolgende grundlegende Vereinfachung des Systems der Leistung von Unterkunftskosten aus öffentlichen Kassen, in ihren Auswirkungen auf das Wohngeld aufbereitet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Gero Storjohann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003643, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, schließt die Bundesregierung Leistungskürzungen beim Wohngeld aufgrund der beabsichtigten Änderungen aus?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Storjohann, wie Sie wissen, haben wir ja gemeinsam im Vermittlungsausschuss die Ergebnisse beschlossen. Wie ich Ihnen gerade gesagt habe, sind die von uns beschlossenen Regelungen bezüglich des Wohngeldrechtes derzeit in Prüfung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine zweite Zusatzfrage? - Nein. Die Frage 48 des Kollegen Hans Michelbach soll schriftlich beantwortet werden. Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich für die Beantwortung der Frage. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Die Fragen 49 und 50 des Kollegen Helmut Heiderich sollen ebenso wie die Fragen 51 und 52 des Kollegen Hans-Joachim Otto schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15.35 Uhr. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Haltung der Bundesregierung zur Erleichterung von Einschleusungen und illegalen Einreisen aufgrund von Kontrolllücken an deutschen Flughäfen Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Hartmut Koschyk, CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Montag dieser Woche müssen wir aufgrund eines Berichts des Magazins „Report“ des Bayerischen Rundfunks in München davon ausgehen, dass am Münchner Flughafen über lange Zeit Nicht-EU-Bürger ohne Kontrolle durch den Bundesgrenzschutz nach Deutschland eingereist sind. Entgegen allen bestehenden Vorschriften soll es bis zu fünf Stunden gar keine oder nur oberflächliche Kontrollen gegeben haben. Dies belegen die in dem Fernsehbeitrag des Bayerischen Rundfunks gezeigten Dienstpläne. Dort heißt es „Kontrollverzicht“ oder „keine schengenmäßige Kontrolle“. Nach diesem Bericht sollen fast täglich Ein- und Ausreisekontrollen ausgefallen sein. Das beinhaltet natürlich drastische Verstöße gegen die Schengen-Verträge, wonach wir verpflichtet sind, eine lückenlose Kontrolle der Einreise aus Nicht-SchengenStaaten zu gewährleisten. Das bedeutet aber auch eine massive Verletzung ureigener deutscher Sicherheitsinteressen; denn infolge des Verzichts auf vorgeschriebene Kontrollen durch den Bundesgrenzschutz können alle möglichen Personen, ob sie nun aus dem Bereich der organisierten Kriminalität kommen, ob es illegal Einreisende oder auch gesuchte Terroristen sind, leicht nach Deutschland einreisen. Es ist doch bedauerlich, dass es eines solchen Fernsehbeitrages bedarf, ({0}) damit auf eine solch immense Kontroll- und damit Schutzlücke auf einem der größten deutschen Flughäfen hingewiesen wird. Ich bedaure eigentlich auch, dass eine Aktuelle Stunde, beantragt von der Unionsfraktion, notwendig war, um dieses Thema ins Plenum zu bringen. ({1}) Es gab keinen Versuch der Bundesregierung, heute im Innenausschuss von sich aus einen Bericht im Hinblick auf diesen Vorgang anzubieten und vor einer solchen Aktuellen Stunde Aufklärung zu leisten. ({2}) Wir müssen - lassen Sie mich das sehr deutlich sagen - unterscheiden: Wir wollen durch diese Debatte keine Kritik an der hervorragenden Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes üben. ({3}) Sie leisten hervorragende Arbeit. ({4}) Es scheint hier allerdings offensichtlich große Organisationsmängel zu geben. Das Schlimmste an diesem ganzen Vorgang ist, dass man glaubt, durch diese Art von Öffentlichkeitspolitik des Bundesministeriums des Innern - da kann man sich nur an den Kopf greifen - die Gemüter beschwichtigen zu können. In einer Mitteilung des Sprechers des Bundesinnenministeriums heißt es, dass man diese Kontrolllücken einräume; es habe sich aber um Flüge gehandelt, die im Wesentlichen mit deutschen und österreichischen Touristen besetzt gewesen seien. Sie wollen der Bevölkerung in Deutschland und der an diesem Vorgang interessierten Öffentlichkeit in so naiver Weise einreden, dass über Stunden hinweg, tagelang, am Flughafen München nur deutsche und österreichische Touristen eingereist sind. ({5}) Dazu kann man nur einen Kommentar der „FAZ“ von dieser Woche zitieren, in dem es treffend heißt: Die Grenzschützer haben nicht das Recht, öffentlich darauf aufmerksam zu machen, dass in München - und wer weiß, wo noch - zahlreiche Planstellen unbesetzt sind. Das darf aber Schily nicht dazu verführen, Dinge schönzureden, die in Wahrheit im Argen liegen. Er ist nicht der Bundesberuhigungsminister. ({6}) Wissen Sie: In der Fragestunde des Bundestages haben wir heute ja eindrucksvoll erlebt, ({7}) wie sich dieser „Mister law and order“ gegen den zweifelhaften Volmer-Erlass des Auswärtigen Amtes gewehrt hat. In einem Schreiben, das er als Minister Schily an Minister Fischer geschrieben hat, hat er seine Bedenken deutlich gemacht. Minister Fischer hat ihm aber nicht einmal selbst geantwortet, sondern hat dies von Staatssekretär Pleuger tun lassen. Heute Nachmittag hat die Bundesregierung ausgeführt, dass die Bedenken des Bundesinnenministeriums damit ausgeräumt worden sind. ({8}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte sich nicht immer so aufblasen, ({9}) als sei man der beste Bundesinnenminister, den diese Republik je hatte, ({10}) wenn man dann vor der skandalösen Visapolitik des Auswärtigen Amtes einknickt und damit deutlich macht, dass man nicht einmal seinen eigenen Laden im Griff hat. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Frank Hofmann, SPD-Fraktion.

Frank Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002682, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Koschyk! Das, was Sie hier gesagt haben, reicht nicht einmal für eine Märchenstunde, geschweige denn für eine Aktuelle Stunde. ({0}) War das tatsächlich alles? Sie wissen doch mindestens genauso gut wie ich: Nicht alles, was im bayerischen schwarzen Fernsehen gesendet wird, ist Realität. ({1}) Die Überschrift „Flughäfen als Eldorado für illegale Einwanderung“ ist völlig daneben. ({2}) Halten wir uns an die Tatsachen: Im Sommer 2003 wurde am Flughafen München das Terminal 2 neu eröffnet. Mit der Eröffnung wurde die Flughafendienststelle Frank Hofmann ({3}) um 300 Polizeivollzugsbeamte verstärkt. - Herr Koschyk, wenn Sie zuhören würden, wäre das hilfreich. - Im Oktober 2003 und im Januar 2004 wurde weiteres Unterstützungspersonal zur Flughafendienststelle abgeordnet. Sie wissen ja, dass unbesetzte Planstellen auch durch Abordnungen besetzt werden können. Hier hat der Bundesgrenzschutz also Abordnungen vorgenommen. ({4}) - Hören Sie mir doch zu! Ich rede über die Realität und mache nicht, wie Sie, eine Märchenstunde. ({5}) Trotz dieser Personalzuweisungen hat die Flughafendienststelle des Bundesgrenzschutzes entgegen den Vorschriften in einzelnen Fällen ganz auf die Passkontrolle bei einreisenden Auslandspassagieren verzichtet. ({6}) Fest steht, dass der BGS in München damit seinen gesetzlichen Auftrag verletzt hat. ({7}) Das ist nicht zu entschuldigen, auch wenn es sich gemessen an der Gesamtzahl der überprüften Passagiere nur um einige wenige Fälle handelt. Herr Koschyk, das Thema der Aktuellen Stunde, die wahrscheinlich auf Ihre Initiative zurückgeht, lautet: „Haltung der Bundesregierung zur Erleichterung von Einschleusungen und illegalen Einreisen aufgrund von Kontrolllücken an deutschen Flughäfen“. Die CDU/CSU würde die Verantwortung also gerne - so haben Sie sich hier ja auch aufgeblasen - dem Bundesinnenminister in die Schuhe schieben. ({8}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, das klappt nicht. Bei dieser Panne handelte es sich um ein lokales Problem bzw. einen Managementfehler der Personalverwaltung, auf den der Bundesgrenzschutz und der Bundesinnenminister reagiert haben. ({9}) Auf keinem anderen Flughafen in der Verantwortung des Bundesgrenzschutzes sind derartige Rechtsverstöße festgestellt worden. ({10}) So weit zum Ersten. Zum Zweiten: Erste personelle Konsequenzen wurden gezogen. Die Kontrolllücken sind geschlossen. Auch die in engen Grenzen möglichen Lockerungen werden nicht hingenommen. Da Sie, Herr Koschyk, dazu im Innenausschuss keine Nachfragen gestellt haben, muss ich davon ausgehen, dass Sie diese Sachlage sehr gut kennen. Trotzdem schämen Sie sich aber nicht, so zu tun, als würde der Bundesgrenzschutz Einschleusungen und illegale Einreisen erleichtern. Das weisen wir zurück. ({11}) Hier wollen Sie aus einer Mücke einen Elefanten machen. An Ihre Adresse muss gesagt werden, dass Kontrollverzichte nicht gleichzusetzen sind mit der Unterstützung von illegalen Einschleusungen und illegaler Einwanderung. Oder wollen Sie diesen absurden Vorwurf weiterhin aufrechterhalten? Wollen Sie allen Ernstes so tun, als begünstige der Bundesinnenminister aufgrund von längst wieder geschlossenen Kontrolllücken am Flughafen München die organisierte Kriminalität? Auch das weisen wir zurück. ({12}) Mit Ihrem Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde unterstellen Sie Sodom und Gomorrha. Sie erheben sogar den Vorwurf, dass illegale Einschleusungen geduldet werden. Im eigenen Verantwortungsbereich dagegen halten Sie Ihre Hände ruhig und nehmen Sicherheitsdefizite in Kauf. Ich finde, das ist unglaublich. Fassen gerade Sie von der CSU sich doch an Ihre eigene Nase! Während die Kontrolllücken beim BGS in München geschlossen sind, der Mangel erkannt und beseitigt ist, finden an bestimmten Stellen der bayerisch-tschechischen Grenze so gut wie keine Kontrollen nach dem Schengen-Standard statt. ({13}) - Hören Sie einfach zu! - Am Grenzübergang in Bernau wurde 70 Meter von der Straße entfernt, die nach Tschechien führt, ein Haus gebaut. Im Haus sitzt ein Polizist, der aus dem Haus heraus die Autos durchwinkt. ({14}) Ist das der bayerische Standard? Bevor Herr Beckstein den Bundesinnenminister auf dessen gesetzlichen Auftrag hinweist, sollte er erst einmal seinen eigenen Bereich in Ordnung bringen. Schauen Sie doch auf den Nürnberger Flughafen; Sie fliegen ja oft genug auch nach Nürnberg. ({15}) Auch dort ist die bayerische Polizei zuständig. Dort werden laxe Einreisekontrollen zu Spitzenzeiten sehenden Auges in Kauf genommen und auch künftig nicht abgestellt. ({16}) Das bayerische Innenministerium denkt nicht daran, das Personal dort aufzustocken. Im Gegenteil: Das vorgeseFrank Hofmann ({17}) hene Sparprogramm von Stoiber und Beckstein sieht für Bayern einen Abbau von 1 500 Beamten vor. Wir dagegen haben ein Offensive zur Verbesserung der Personal- und Planstellenstruktur beim BGS eingeleitet. Trotz der schwierigen Haushaltslage hat die innere Sicherheit bei dieser Koalition höchste Priorität. Nehmen Sie sich an uns ein Beispiel! ({18})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler, FDP-Fraktion.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese von der CDU/CSU-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde hat einen sachlichen Aspekt, den wir als FDP ausdrücklich teilen, aber auch einen leicht durchschaubaren politischen Zweck. Der politische Zweck besteht darin - auch das ist durchaus die Aufgabe einer Oppositionspartei -, zu versuchen, in letzter Zeit verstärkt, Bundesinnenminister Otto Schily als Unsicherheitsminister hinzustellen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, auch wenn die FDP ebenfalls in Opposition zu Schily steht - diesen Vorwurf kann man ihm nicht machen. ({0}) Unsere Sorge ist eher, dass die schwierige Balance zwischen innerer Sicherheit und innerer Liberalität bei diesem Innenminister und dieser Koalition nicht in besten Händen ist. ({1}) Ich finde, die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff sollte uns allen eine Mahnung sein, die Aspekte des Grundrechtsschutzes in diesem schwierigen Spannungsfeld wieder stärker zu betonen. ({2}) - Die FDP hat es mitgetragen. Ich habe ausdrücklich gesagt: Wir alle sollten in diesem schwierigen Spannungsfeld, in dem es darum geht, die innere Sicherheit zu gewährleisten, ohne dabei die innere Liberalität zu verlieren, versuchen, die Gewichte richtig zu setzen. Sie werden doch wohl nicht bestreiten, Herr Grindel, dass das unsere Aufgabe ist. ({3}) In der Sache selbst, dass es am Münchner Flughafen offenkundig Kontrolllücken gegeben hat, die in keiner Weise akzeptiert werden können, hat die Union Recht. Wir haben vor kurzem hier in diesem Hohen Hause über das Luftsicherheitsgesetz diskutiert und über die Frage - da sind wir mit unserer Diskussion noch nicht am Ende -, ob im Extremfall ein Flugzeug sogar abgeschossen werden darf, wenn es als Waffe gegen Menschen oder Gebäude eingesetzt wird. In der damaligen Diskussion hat Schily zu Recht gesagt: Es kommt im Luftverkehr darauf an, dass die Kontrollen am Boden optimal sind. Das schafft Sicherheit und gilt sowohl für die Kontrollen beim Einsteigen in ein Flugzeug als auch für die Einreisekontrollen. Deswegen fordern wir als FDP: Da dürfen Lücken nicht geduldet werden. Die Lücken, die hier aufgetreten sind und offenbar auf Organisations- und Personalmängel zurückzuführen sind, werfen natürlich weitere Fragen auf. Derselbe Bundesinnenminister Otto Schily hat auf der letzten EUInnenministerkonferenz gegen die Haltung der EUKommission biometrische Merkmale in Reisepässen durchsetzen wollen, darunter auch Fingerabdrücke. Ich frage mich, wer denn dann diese Fingerabdrücke kontrollieren soll, ({4}) wenn jetzt schon die normale Passkontrolle nicht funktioniert. Das führt mich des Weiteren zu einer Schlussfolgerung - Sie werden mir verzeihen, wenn ich auf einen Grundsatz Bezug nehme, den ich hier für die FDP häufig formuliert habe -: Es kommt für die innere Sicherheit offenbar nicht darauf an, dass man ständig neue Gesetze fordert oder neue Gesetze macht, sondern es kommt darauf an, dass man bestehende Vollzugsdefizite angeht. ({5}) Wir brauchen nicht ständig neue Gesetze, sondern wir brauchen eine optimale finanzielle, technische und personelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden und der Polizei. Daran fehlt es offenbar. In der kurzen Zeit seit Montag - am Montag lief die entsprechende Fernsehsendung - haben natürlich auch wir versucht, zu recherchieren. In München sind offenbar 20 Stellen am Flughafen unbesetzt, rein praktisch sogar 50, am Stuttgarter Flughafen 75; ({6}) es gibt nach unseren Informationen in Frankfurt 200 bis 250 unbesetzte Dienstposten und es gibt Probleme an den Regionalflughäfen, etwa in Paderborn und Dortmund. Ich fordere die Bundesregierung auf, bei der heutigen Gelegenheit Stellung zu nehmen, ob dies zutrifft. Wenn das nämlich nur durch Abordnung gelöst werden kann, dann fehlen die abgeordneten Beamten woanders. Auch das kann nicht richtig sein. ({7}) Wir sollten um optimale Arbeitsbedingungen für unsere Polizei bemüht sein. Die Aschermittwochsdemonstration am letzten Mittwoch in Passau, bei der alle drei Polizeigewerkschaften erstmals gemeinsam beim CSUAschermittwoch darauf hingewiesen haben, dass sich auch die Arbeitsbedingungen in Bayern drastisch verschlechtern, sollte auch eine Mahnung für uns sein, an dieser Stelle nicht nachzulassen. Insbesondere brauchen wir keine Wasserköpfe. Wir haben offenbar in vielen Bereichen zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer. Es ist unsere Aufgabe und Aufgabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass sich dies ändert, damit der Bundesgrenzschutz seine Aufgaben optimal erfüllen kann. Vielen Dank. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar, Bündnis 90/Die Grünen.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Scharfsinnig hat der von mir hoch geschätzte Kollege Stadler erkannt, ({0}) dass es zu dem eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde recht wenig zu sagen gibt. Deswegen nutze auch ich die Gelegenheit, zu betonen: Das war heute ein guter Tag für die Bürgerrechte. Wir haben uns über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sehr gefreut, ({1}) das den heiß umstrittenen großen Lauschangriff in vielen Punkten für verfassungswidrig erklärt hat. ({2}) Ich muss um der Wahrheit willen allerdings auch sagen: Meine Fraktion war die einzige, die vehement dagegen gekämpft hat. ({3}) Sie haben die sehr sympathische Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger damals auf dem Weg zum großen Lauschangriff geopfert. Ich freue mich, dass sie mit ihrer Klage jetzt einen späten Sieg errungen hat. ({4}) Jetzt komme ich zum Thema. Es gibt wirklich nicht so viel dazu zu sagen. Zu den Berichten über den Münchner Flughafen muss man zu Beginn eines ganz deutlich machen: Es hat hier Verstöße gegen das Schengen-Abkommen gegeben. Kontrolllockerungen sind erlaubt. Kontrollverzichte sind jedoch ein eindeutiger Verstoß gegen die Schengen-Bestimmungen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass das Bundesinnenministerium umgehend eine Prüfkommission eingesetzt hat, nachdem sie Kenntnisse von diesen Verstößen erlangt hatte. Ich möchte auch sagen, dass es für mich wenig nachvollziehbar ist, wie es möglich ist, dass es im Intranet des BGS, zugänglich für die gesamte BGS-Führung, zumindest die des Grenzschutzpräsidiums Süd, über Wochen eine Dokumentation von Kontrollverzichten gibt, die - das weiß jeder BGS-Beamte - rechtswidrig sind, ohne dass die Führung hier ihre Verantwortung wahrnimmt und eingreift. Ich teile auch nicht die Auffassung - unbesetzte Planstellen haben wir in allen Bereichen der Landespolizei -, dass wir hier ein Problem in Bezug auf die Personalstärke haben. Wir haben in diesem Bereich ganz offensichtlich ein Problem in der Frage des Personalmanagements. Man kann es vielleicht mit der Neueröffnung des Terminals 2 auf dem Münchner Flughafen begründen. ({5}) - Ihr Einwand ist richtig. Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, wie Sie den BGS trotz eines solchen Verhaltens hier so pauschal loben können. ({6}) Es ist natürlich nicht zu loben, dass es die zuständige Führung in diesem Flughafen über Wochen geduldet hat, dass gegen den Verzicht auf Kontrollen, wodurch gegen das Schengen-Abkommen verstoßen wurde, ({7}) nicht vorgegangen wurde und dass er im Intranet dokumentiert wurde. Ich denke, die Frage, wie viele Abordnungen des BGS es in diesem Zeitraum zur Unterstützung der bayerischen Landespolizei gegeben hat, ist ebenfalls wichtig. Diese würde ich gerne an Herrn Beckstein richten. ({8}) Als Beispiele nenne ich Großeinsätze, die Unterstützung bei Fußballspielen usw. Ich denke, wir sollten dies zum Anlass nehmen - ich habe das hier in anderen Zusammenhängen bereits gesagt -, darauf zu achten, dass sich der BGS auf seine grenzpolizeilichen Kernaufgaben konzentriert. Wir sollten den Mut haben, den Ländern mitzuteilen, dass die Dauerabordnungen zur Unterstützung der Landespolizei keine Bundesaufgabe sind. ({9}) Ich erinnere an unseren Landkreis Lüchow-Dannenberg. Hier hat kein Mensch Verständnis dafür, dass der niedersächsische Innenminister Schünemann die Landespolizei in der Fläche ausdünnt und gleichzeitig der BGS einschreitet, um die fehlenden Streifen zu ersetzen. Ich denke, der BGS gehört an die Flughäfen. Dort hat er seine Arbeit zu erledigen. Das Personal dafür ist vorSilke Stokar von Neuforn handen. Ich erwarte, dass es dort, wo es hingehört, auch eingesetzt wird. Danke schön. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSUFraktion.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bekannt: Der Bundesinnenminister lässt keine Gelegenheit aus, sich wegen seiner so hervorragenden Politik im Bereich der inneren Sicherheit zu loben. ({0}) Die Realität sieht aber leider anders aus. Es fehlt vor allem an Taten. ({1}) Es zieht sich wie ein roter Faden durch diese rot-grüne Bundesregierung: große Überschriften, große Sprüche, aber wenige Taten. ({2}) Der Bundesinnenminister legt Sätze wie Eier; aber er vergisst, sie auszubrüten. ({3}) Die Realität ist folgendermaßen: Seit einigen Tagen wissen wir, dass bei den Personenkontrollen am Flughafen München eindeutige Sicherheitslücken bestehen, weil der BGS nicht genügend Personal hat, um die erforderlichen Einreisekontrollen zu gewährleisten. Ich möchte klar sagen: Der Fehler liegt nicht beim BGS oder bei den anderen Sicherheitsorganen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BGS und der anderen Sicherheitsbehörden machen einen schweren und hervorragenden Job. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte ich den Polizeien und dabei insbesondere den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des BGS auch an dieser Stelle unseren Respekt und unsere Anerkennung für ihre Arbeit aussprechen. ({4}) Typisch ist jedoch, wie Rot-Grün und auch das Bundesinnenministerium reagieren. ({5}) Mir liegt eine Meldung von „Spiegel online“ vor. Dies war auch anderswo nachzulesen. Herr Kollege, das klingt etwas anders als das, was Sie hier vorgetragen haben: „Bundesregierung räumt Sicherheitsmängel ein“. ({6}) So war es auch. Ein offizieller Ministeriumssprecher räumte die Mängel zunächst ein. Danach wurde widersprochen. Der Kollege von der SPD-Fraktion kommt dann hierher und sagt, dass doch eigentlich alles in Ordnung ist. Ich kann nur sagen: Das ist das blanke Chaos. Die Dosen-Maut-Helden Trittin und Stolpe sind nicht weit. ({7}) Im Übrigen: Der Bundesinnenminister hat personelle Konsequenzen angedroht. Ich würde wirklich gerne einmal zusammenzählen. Die Zahl der Beamten, die unter der politischen Führung dieses Bundesinnenministers und unter politischen Fehlentscheidungen und Versäumnissen zu leiden haben ({8}) und die dafür den Kopf hinhalten müssen, steigt jede Woche. Der Herr Bundesinnenminister wird mit seinem Staatssekretär irgendwann allein im Innenministerium in Moabit sitzen. ({9}) Vor dieser Vorstellung graust selbst dem Herrn Staatssekretär Körper. ({10}) Wir führen im Augenblick eine Debatte über die Neuregelung unseres Zuwanderungsrechtes. Rot-Grün, vor allem der grüne Teil dieser Koalition, möchte mehr Zuwanderung in unser Land, die Union eine restriktivere Zuwanderungspolitik. Darüber streiten wir. Ich stelle mir nur die Frage, ob es eigentlich sinnvoll ist, sich de lege ferenda darüber im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens zu unterhalten, wenn nebenbei durch Verwaltungsvorschriften und Runderlasse, durch eine laxe Verwaltungspraxis und eine schludrige Kontrollpraxis auf kaltem Wege dafür gesorgt wird, dass mehr Zuwanderung in unser Land stattfindet. ({11}) Im Übrigen entsteht der Eindruck: Es ist völlig egal, wer in unser Land kommt. ({12}) Das ist unter Sicherheitsgesichtspunkten eine Katastrophe. ({13}) Wem nützen Einreisegesetze, wenn sie nachlässig oder gar nicht umgesetzt werden? Wem nützen Visaregelungen und Regelanfragen bei der Ausländerbehörde, wenn in deutschen Botschaften auf Erlass des Außenministeriums sowieso jeder ein Visum bekommt, ohne dass Thomas Strobl ({14}) vorher genau geprüft wird, ob überhaupt eine Berechtigung vorliegt? ({15}) Wozu haben und brauchen wir Gesetze zur Verbesserung der inneren Sicherheit, wenn Terrorgruppen oder deren Sympathisanten mehr oder weniger ungehindert in unser Land eingeschleust werden können, weil die Behörden bzw. das Auswärtige Amt und das Innenministerium offensichtlich kein gesteigertes Interesse daran haben, Einreisende überhaupt zu überprüfen, geschweige denn zu verhindern, dass diese Leute gefasst bzw. an der Einreise nach Deutschland gehindert werden? ({16}) Wir haben in dieser Debatte und in diesem Parlament noch nicht ausreichend über den verantwortungslosen Leichtsinn gesprochen, der im Zusammenhang mit der massenhaften und ungeprüften Erteilung von Visa durch die Botschaft in Kiew zutage getreten ist. ({17}) Offensichtlich sind hier über einen langen Zeitraum Hinweise der Sicherheitsbehörden ignoriert worden. Wir werden darüber noch sehr viel länger zu reden haben, Herr Kollege Volmer. Sie persönlich tragen zusammen mit dem Herrn Außenminister Fischer ein gerütteltes Maß an Verantwortung dafür, ({18}) dass Tausende, ja Hunderttausende Illegale, Kriminelle, Prostituierte, Schwarzarbeiter und auch Terroristen in dieses Land einreisen konnten. ({19}) Aus dieser Verantwortung werden wir Sie nicht entlassen. ({20}) Der Bundesinnenminister sollte nicht zum Bundesbeschwichtigungsminister werden. Reden Sie nicht, sondern handeln Sie, bevor Schlimmeres passiert und bevor es zu spät ist! Besten Dank. ({21})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Kemper, SPD-Fraktion.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich die Rede des Kollegen Strobl gerade gehört habe, bin ich schon ein bisschen überrascht. ({0}) Er kritisiert hier Dinge, die sicherlich kritisiert werden müssen. ({1}) - Danke für den Applaus. Sie müssen aber zunächst einmal eine saubere und ehrliche Analyse abliefern. Dazu sind Sie ganz offensichtlich nicht bereit. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Es wird von uns überhaupt nicht bestritten, dass es am Flughafen in München Missstände beim Bundesgrenzschutz gegeben hat. Das hat weder der Kollege Hofmann noch sonst jemand von uns beschönigt; dazu stehen wir. Bei 127 Flügen ist die notwendige Kontrolle unterblieben. Dabei sage ich ganz deutlich: Es ist völlig unerheblich, ob es Ferienflieger oder Flieger aus irgendwelchen gefährlichen oder verdächtigen Ländern sind. Das ist nicht zu entschuldigen. Das sind massive Dienstpflichtverletzungen. ({2}) Es hat nicht nur durch die Kollegen und Beamten vor Ort erhebliche dienstliche Verletzungen gegeben, sondern es hat auch ganz erhebliche Mängel in der Dienstaufsicht gegeben. Dazu sage ich Ihnen: Das darf nicht beschönigt werden; das hat niemand getan. Auch das Innenministerium hat dies nicht getan. Es hat bereits personelle Konsequenzen gegeben. Der Amtsleiter wurde suspendiert und auch der Inspektionsgruppenleiter wird zur Verantwortung gezogen. Hier wird überhaupt nichts beschönigt und verschleiert. Aber wenn Sie hier tränenreich den angeblichen Personalmangel in München und Bayern bejammern, dann sage ich Ihnen: Auch durch ständiges Wiederholen wird das nicht wahrer, Herr Strobl. Bei der Eröffnung des Terminals 2 sind zusätzlich 300 Beamte zum Flughafen München versetzt worden. Weitere 30 Beamte sind im Juni dazugekommen. ({3}) - Nicht Stellen. Das zeigt, dass Sie sich nicht schlau gemacht haben. ({4}) Die Stellen mögen fehlen, die Köpfe sind da. Es ist ein Unterschied, wenn jemand abgeordnet und dort nicht geführt wird. Als Arbeitskraft ist er da. Es fehlt niemand in München. ({5}) Sie müssen sich erst einmal schlau machen. ({6}) Unterstellt, es würden wirklich 20 oder 30 Leute fehlen: Das Grenzschutzpräsidium Süd verfügt über 7 000 BGS-Bedienstete. Wollen Sie uns wirklich weismachen, dass es nicht möglich gewesen wäre, im internen Austausch diese Lücken zu schließen? Das gibt es überhaupt nicht. Sie wissen, dass ich über 30 Jahre lang selbst Polizeibeamter gewesen bin. Die Personalfrage war immer ein Problem bei der Polizei. Es sollte immer mehr Personal geben. Ich glaube, es geht Ihnen gar nicht darum. Hier ist zeitnah gehandelt worden. Das Personal ist da. Es geht Ihnen um etwas ganz anderes - das ist gerade bei der Rede des Kollegen Strobl deutlich geworden -: ({7}) Sie versuchen, die Sicherheitsarchitektur in der Bundesrepublik infrage zu stellen und schlechtzureden. Das wird bei der Verquickung mit dem Volmer-Erlass deutlich, der damit nichts zu tun hat. Sie scheuen sich noch nicht einmal, die Maut oder das Dosenpfand in diesem Zusammenhang in die Diskussion zu bringen. ({8}) Das ist sehr durchsichtig. Es wird Ihnen nicht gelingen, die innere Sicherheit in der Bundesrepublik schlechtzureden. Ihr Versuch ist nicht neu. Sie haben das oft versucht, aber es ist Ihnen nie gelungen. Das kann Ihnen auch gar nicht gelingen. ({9}) Denn wir haben einen hervorragenden Innenminister und einen guten Staatssekretär. Das ist keine Frage. Aber was noch viel wichtiger ist: Wir haben in dieser Koalition gute Innenpolitiker. ({10}) Diese Innenpolitiker gehen Mängeln nach. Deswegen ist die Innenpolitik in dieser Koalition in guten Händen. Es geht hier um ein regional begrenztes Fehlverhalten im Süden unserer Republik. Das ist durch eine Kombination von Leistungsverweigerung und fehlender Dienstaufsicht möglich geworden. Die Konsequenzen werden gezogen. Aber ich will auch ganz deutlich sagen: Polizei und Bundesgrenzschutz liefern gute Arbeit ab. Sie arbeiten motiviert und engagiert, oft unter Zurückstellung ihrer persönlichen Belange. ({11}) Sie sorgen dafür, dass die innere Sicherheit bei uns in der Bundesrepublik in Ordnung ist. Sie haben es nicht verdient, niedergemacht oder angemacht zu werden. Das ist mit uns nicht zu machen und das werden wir nicht zulassen. ({12}) Sie haben erfolgreich gearbeitet. In den Jahren 2000 bis 2003 sind über 100 000 unerlaubt Eingereiste festgenommen und zurückgewiesen worden. Davon waren 30 000 Personen, die geschleust worden sind. Es sind über 8 000 Schleuser festgenommen worden. Das ist eine Erfolgsstory, die für sich spricht. Wir haben ein höchstmögliches Maß an Sicherheit. Dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, wissen wir alle. Wenn dem so wäre, wäre das Leben nicht mehr lebenswert. Wir haben eine gute Balance zwischen persönlicher Freiheit und innerer Sicherheit garantiert. Daran werden wir weiter arbeiten. Wir werden uns in dieser Frage auch nicht von der CDU/CSU beeinflussen lassen. Wenn Sie vernünftige Innenpolitik und innere Sicherheit wollen, dann arbeiten Sie mit uns zusammen. Aber unterlassen Sie unnötige Anwürfe! Die sind nicht glaubwürdig und die nimmt Ihnen keiner ab. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Der nächste Redner ist der Kollege Ralf Göbel, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Ralf Göbel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003535, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Rede im Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 führte Bundesminister Otto Schily aus: Sicherheitssysteme dürfen nicht so aufgebaut sein, dass nach dem Versagen der ersten Stufe auch die zweite nicht funktioniert. Die verbrecherischen Anschläge in New York und in Washington waren nicht mehr zu verhindern, als sich die Flugzeuge auf das World Trade Center und auf das Pentagon zubewegt haben. Sie wären zu verhindern gewesen, wenn bei der Fluggastkontrolle und auf anderen Gebieten einige andere Möglichkeiten genutzt worden wären. ({0}) Heute haben wir leider Veranlassung, im Deutschen Bundestag über diese fehlenden Kontrollen zu debattieren. Die Europäische Union hat mit dem SchengenAcquis, dem die europäischen Staaten beigetreten sind, einen europäischen Sicherheitsstandard definiert, an den sich die Mitgliedstaaten zu halten haben. Im Einzelnen heißt es, dass alle Personen zumindest einer solchen Kontrolle zu unterziehen sind, die die Feststellung ihrer Identität anhand der Reisepapiere ermöglicht. Von einer Ausnahme, nach der nur bestimmte Personen zu kontrollieren sind, ist im Schengener Durchführungsübereinkommen nicht die Rede. Im Gegenteil: Nach diesem Übereinkommen ist das sogar ausgeschlossen. Mit dem Vorkommnis, über das wir heute diskutieren, hat Deutschland eindeutig gegen die europäischen Sicherheitsvorschriften verstoßen, und zwar deswegen, weil die personellen Voraussetzungen für die Einhaltung der europäischen Normen offensichtlich nicht gegeben sind. Nach verschiedenen Pressemeldungen fehlen am Flughafen München mehr als 60 BGS-Beamte. Nach Gewerkschaftsangaben, die auch im Internet nachzulesen sind, sollen auch an anderen deutschen Flughäfen zum Teil erhebliche Personallücken bestehen. Ich kann das von hier aus nicht nachvollziehen. Defiziten in dieser Größenordnung kann auch durch eine flexible Dienstplangestaltung vor Ort nicht begegnet werden. Hier ist vielmehr eindeutig eine politische Priorisierung der Personalverteilung notwendig. ({1}) Deswegen ist es aus meiner Sicht zu kurz gesprungen, die Verantwortung vom Bundesinnenminister auf die lokale Ebene zu delegieren. ({2}) Bei diesen Verstößen frage ich mich, wie wir auf europäischer Ebene insbesondere von den neuen Beitrittsländern, die künftig unsere Ostgrenze bilden, ernst genommen werden wollen. Wie wollen wir diesen Ländern klar machen, dass sie den Schengen-Standard erfüllen sollen, wenn wir selber in personeller Hinsicht nicht in der Lage sind, diesen Standard zu gewährleisten? Von der Technik bzw. dem Digitalfunk will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden. ({3}) Was den Bundesinnenminister angeht, bin ich etwas anderer Auffassung als der Kollege Stadler. Ich will auch nicht schlechtreden, ({4}) was der Kollege Kemper dargestellt hat. Ich will nur darauf hinweisen, dass sich der Bundesinnenminister aus unserer Sicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland langsam zu einem Problem entwickelt. ({5}) Nehmen wir nur den Umzug des BKA, bei dem in völlig unprofessioneller Weise gehandelt worden ist und eine der wichtigsten Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik über Wochen und Monate lahm gelegt wurde, ({6}) ganz abgesehen von dem arroganten Umgang mit den Innenministern der Länder. Wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, so ist er mit der SMS-Fahndung erbracht worden. ({7}) Wie geht der Bundesinnenminister mit seinen Länderkollegen um? Wie geht er mit Ihnen um? Sie wussten ja auch nichts. Herr Tauss hat sich dazu hinreißen lassen, von „Blockwartmentalität“ zu reden. Ich teile diese Auffassung des Kollegen Tauss nicht. Ich halte aber das Vorgehen des Ministers in dieser Frage für genauso arrogant wie seinen Umgang mit dem Bundeskriminalamt. Dieses Verhalten des Ministers ist vor allem im Umgang mit den Ländern schädlich, die für die innere Sicherheit genauso Verantwortung tragen wie der Bund. ({8}) Ich bin der Auffassung, dass wir uns bei der derzeit angespannten Sicherheitslage solche Mätzchen nicht länger leisten können. Ich will abschließend aus der „Welt am Sonntag“ vom 22. Februar 2004 zitieren. Darin wird kolportiert: Jeden Morgen lässt sich Bundesinnenminister Schily die Positionen seiner Patrouillenboote mitteilen. Ich meine, das wird sicherlich dann wichtig werden, wenn die Koalition unserem Antrag zur Schaffung einer nationalen Küstenwache zugestimmt hat. ({9}) Bis dahin aber, meine ich, ist es für die Sicherheitslage der Bundesrepublik wichtiger, dass sich Bundesminister Schily mit den täglichen Stärkemeldungen des BGS beschäftigt und die erkannten Defizite dann durch entsprechende Personalzuweisungen korrigiert. ({10}) Erst dann bringt er sein Reden und Handeln wieder in etwa in Kongruenz. Danke schön. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Ludger Volmer, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anders als Herr Strobl gerade behauptet hat, hat sich das ParlaDr. Ludger Volmer ment sehr wohl mit den Vorgängen an der Botschaft in Kiew, mit dem Schleuserprozess in Köln und mit der Visumreform des Auswärtigen Amtes auseinander gesetzt. Herr Strobl, wären Sie in der Fragestunde anwesend gewesen, hätten Sie eine Stunde lang dieses Thema verfolgen können und hätten Ihre völlig unsinnigen Behauptungen unterlassen; denn das Auswärtige Amt hat gerade alle unqualifizierten Anschuldigungen überzeugend zurückgewiesen. ({0}) Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen zu sagen - hören Sie gut zu! -, welches Motiv es für die Visumreform des Auswärtigen Amtes gab. Als ich 1998 Staatsminister im Auswärtigen Amt wurde, habe ich einen ganzen Stapel an Beschwerden, und zwar auch von Abgeordneten Ihrer Fraktion, ({1}) die heute anwesend sind, vorgefunden, in denen darum gebeten wurde, bestimmte ablehnende Visumbescheide noch einmal zu überprüfen, weil es hier zu unzulässigen Härten gekommen sei. Die damalige Weisungslage war von Innenminister Kanther und Außenminister Kinkel gebilligt worden. Ich möchte Ihnen an drei Einzelfällen deutlich machen, wie Sie entschieden haben. Erster Fall: Ein Mann aus Nordafrika, der einen Gehirntumor hatte, wollte sich in Deutschland operieren lassen. Er hatte bereits einen Operateur an einer deutschen Universitätsklinik gefunden. Er musste in Algerien einen Papierkrieg führen, um nachzuweisen, dass er rückkehrbereit ist und dass er seinen Aufenthalt in Deutschland finanzieren kann. Obwohl er alle notwendigen Unterlagen beigebracht hatte, wurde er wochenlang hin und her geschickt. Zum Schluss sollte er eine Garantieerklärung des operierenden Chefarztes einer deutschen Universitätsklinik beibringen, dass die Gehirnoperation auf keinen Fall den Betrag übersteigt, der ihm per Bürgschaft zugesichert worden ist. Da er eine solche Erklärung nicht beibringen konnte, bekam dieser Mann kein Visum. Er sollte also an seinem Gehirntumor sterben. So sah die Weisungslage von Kinkel und Kanther aus. Dies war unser Motiv, eine gründliche Reform des Visumwesens vorzunehmen, und zwar auf Drängen des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages. ({2}) - Ich habe um Überprüfung gebeten. Der Mann hat seine Operation bekommen. ({3}) Zweiter Fall: Eine deutsche Touristin verliebte sich in Asien, lebte dort mit einem Asiaten zusammen, wurde schwer krank und musste nach Deutschland zurückkehren. Der Asiate begleitete sie und pflegte die todkranke Frau aufopferungsvoll. Schließlich musste er aber ausreisen, weil sein Visum abgelaufen war, und durfte nicht wieder einreisen. Ergebnis: Die todkranke Frau war ohne Pflege in ihrer Wohnung. So sah die Weisungslage von Kinkel und Kanther aus. Auch diese Entscheidung haben wir überprüft. Ich habe wirklich Schwierigkeiten, im Zusammenhang mit diesen Fällen, von denen es noch mehr gibt, den Begriff „Menschenrechtsverletzung“ zu vermeiden. Dritter, ganz absurder Fall, der aber leider auch Realität ist: Einer der besten russischen Violinisten war von den Münchner Symphonikern zu einem öffentlichen Konzert eingeladen worden. Er kam zu spät, weil er nicht rechtzeitig sein Visum erhalten hatte. Hier bestand also wirklich Reformbedarf. Wir haben aber nur Reformen in dem Bereich vorgenommen, für den ausschließlich das Auswärtige Amt zuständig ist, nämlich bei den Besuchervisa. Hier haben wir den Ermessensspielraum so geändert, dass solche gruseligen bzw. absurden Fälle nicht mehr vorgekommen sind. Diese Visumreform war absolut überfällig. Sie ist vom Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages einstimmig, also mit den Stimmen von CDU und CSU, gebilligt worden. ({4}) Selbstverständlich gab es Anfragen des Innenministeriums. Das ist auch völlig in Ordnung; denn das Innenministerium muss ein und denselben Sachverhalt immer aus einem anderen Blickwinkel betrachten als das Außenministerium. Die unterschiedlichen Sichtweisen dieser beiden Ministerien müssen immer wieder abgeglichen werden. Wenn ein Haus eine Reform vornimmt, dann ist klar, dass man sich mit dem anderen Haus ins Benehmen setzt. Wir haben dies in gutem Einvernehmen getan. Wir arbeiten an der Errichtung eines modernen Grenzmanagementsystems, das einen reibungslosen und unbürokratischen internationalen Austausch, den wir aus außenpolitischen, außenwirtschaftlichen, interkulturellen und touristischen Gründen dringend brauchen, ermöglicht und das dafür sorgt, dass Menschenrechtsverletzungen, wie sie vorher vorgekommen sind, unterlassen werden. Auf der anderen Seite muss die Arbeit effektiver werden, sodass die Schurken - also diejenigen, die illegal einreisen wollen, oder diejenigen, die hier Straftaten begehen wollen - herausgefiltert werden. Um das Letzte zu gewährleisten, wäre es wirklich sinnvoll - auch das ist die Aufgabe und ist die Verantwortung des Parlaments -, dass wir im jetzigen Haushaltsverfahren einen Beschluss fassen, den wir schon einmal gefasst haben, nämlich dass die Personengruppe der Konsularbeamten von der linearen Stellenkürzung im Bundeshaushalt ausgenommen wird. Die Visastellen sind unterbesetzt. Man ist auch baulich teilweise überhaupt nicht mehr in der Lage, den Ansturm zu bewältigen. Man brauchte zum Beispiel Geld dafür, um neue Liegenschaften kaufen zu können. Sie selbst sind gefordert - Sie haben teilweise zu Recht einige Fehlentwicklungen kritisiert -, im Haushaltsverfahren dafür zu sorgen, dass ein modernes Grenzmanagementsystem möglich wird und dass das Auswärtige Amt sowie unsere Visastellen die notwendigen Mittel zur Verfügung haben. Danke. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/ CSU-Fraktion.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich zum Thema „Einreisen aufgrund von Kontrolllücken an deutschen Flughäfen“ reden. Zum Ende seiner Rede hat der mittlerweile entlassene Staatsminister Volmer ({0}) das Beispiel mit den Münchner Symphonikern gebracht. Dazu muss ich schon sagen: Das darf ja wohl nicht wahr sein. Herr Volmer, wollen Sie uns allen Ernstes weismachen: Weil ein Musikant nicht rechtzeitig nach München gekommen ist, müssten wir die Visabestimmungen so erleichtern, dass 1 Million Ukrainer nach Deutschland kommen konnten? ({1}) Sind Sie noch ganz bei Trost, Herr Volmer? Daran erkennt man doch auch den Grund, meine lieben Kollegen von der SPD, für Ihre Betroffenheit und für die Art, wie Sie dasitzen. Sie merken plötzlich, was dieser einwanderungspolitische Triebtäter angerichtet hat. ({2}) Das ist doch der Punkt, nicht wahr? Sie merken es plötzlich: Es ist gut, dass er entlassen worden ist. Ein einwanderungspolitischer Triebtäter, nichts anderes ist er! ({3}) Herr Wiefelspütz, Sie werden an Ihren Taten gemessen. Da nützt es gar nichts, dass der Innenminister Schily martialisch vor jede Kamera tritt und sagt: Ich werde jeden Illegalen und jeden Kriminellen eigenhändig in Handschellen in die Haftanstalten führen. In Wahrheit kommt 1 Million nach Deutschland. Die Mehrzahl von ihnen ({4}) - Herr Volmer, das wissen Sie genauso gut wie ich - sind bestenfalls Schwarzarbeiter und viele sind Kriminelle. Frau Kollegin von den Grünen, viele von den Frauen sind zwangsweise nach Deutschland verschleppte Prostituierte. Zurzeit gibt es einen ganz prominenten Fall, den Sie alle kennen. Es kamen Kriminelle, ja sogar Terroristen. Dennoch sagen Sie: Wo gehobelt wird, da fallen Späne; daran kann man nichts ändern. ({5}) Sie sind mit dieser Politik - grinsen Sie nicht so, Herr Volmer! - ein Sicherheitsrisiko für Deutschland geworden. Das wissen Sie ganz genau. ({6}) Das ist nun einmal das Credo grüner Einwanderungspolitik. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die rotgrüne Regierungspolitik. ({7}) Sie sagen: Das Boot ist noch nicht voll. ({8}) Sie sagen: Im Zweifelsfall für die Reisefreiheit! Außerdem sagen Sie - ich bitte Herrn Stadler, darauf nicht hereinzufallen - in dubio pro libertate. Sie benutzen eine solche Formulierung, obwohl Sie genau wissen, dass es um organisierte Kriminalität, um miesesten, finstersten Menschenhandel, ({9}) um international organisiertes Schleusertum geht. Es geht um eine Art von Kriminalität, mit der eine Person am Tag - so hat es jemand im Schleuserprozess ausgesagt - mindestens 15 000 Euro verdient. Herr Volmer, Sie haben die Geschäftsgrundlage dafür geschaffen. Wissen Sie, was Sie sind? - Sie sind Mittäter bei dieser Form von Kriminalität. ({10}) Sie sind ein Mittäter im strafrechtlichen Sinne. Der Kölner Richter hat Recht - wir werden das Urteil ja bald bekommen -: Nicht nur die Schleuser, sondern auch so einer wie Ludger Volmer gehört auf die Anklagebank. ({11}) Das alles werden wir auch noch erleben. Sie werden auch in Brüssel erklären müssen, warum Sie für diesen rechtsbeugenden Erlass gesorgt haben. ({12}) - Hören Sie doch zu! ({13}) Wenn Sie Jura studiert haben, dann müssen Sie verstehen, worüber ich jetzt rede. In dem Erlass ist eine Beweislastumkehr vorgenommen worden. Das ist contra legem. Das europäische Recht sagt: Der Ausländer muss überzeugend darlegen, dass er wirklich als Tourist einreisen und als solcher innerhalb von drei Monaten wieder ausreisen will. Was haben Sie zynischerweise in den Volmer-Erlass hineingeschrieben? - Der Beamte in der Botschaft ist es, der beweisen soll, was er niemals beweisen kann, nämlich dass der Ausländer innerhalb von drei Monaten nicht wieder ausreist und in Wirklichkeit nicht als Tourist, sondern als Schwarzarbeiter nach Portugal, Deutschland oder Spanien einreisen will. Das haben Sie hineingeschrieben. Das ist Zynismus. ({14}) Als die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kiew gesagt haben: „Wir saufen ab; Auswärtiges Amt, gib uns Personal, gib uns mehr Entscheider“, ({15}) haben Sie erwidert: Nein, das kriegen Sie nicht; wir wollen ja nicht, dass so genau geprüft wird. Wir wollen nicht, dass am Münchner Flughafen so genau geprüft wird; kein Personal für den BGS. Wir wollen nicht, dass die Visaanträge so genau geprüft werden; kein Personal für die Botschaft in Kiew. - Das ist Ihre Linie. Glauben Sie ja nicht, dass die Menschen so blöd sind, das nicht zu erkennen! Sie werden an Ihren Taten gemessen. Herr Schily muss sich dafür rechtfertigen und sagen, warum er diese Taten zugelassen hat ({16}) und wie sich die Verschärfungen der Visabestimmungen nach den Terroranschlägen zu dem Treiben dieser Leute verhalten. Das ist die ganz große Frage. Wir werden keine Ruhe geben, bis das schonungslos aufgedeckt ist. Sie werden dann hoffentlich an unserer Seite sein und nicht bei diesem Herrn Ludger Volmer. ({17})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Michael Bürsch, SPD-Fraktion.

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Uhl, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, haben Sie Jura studiert. Wenn das so ist, dann braucht man Sie nur auf die einschlägigen Straftatbestände der üblen Nachrede und der Verleumdung hinzuweisen, um zu definieren, was Sie mit dem Kollegen Volmer gemacht haben. ({0}) Es ist schon beispiellos, wie Sie dieses Thema behandeln und wie Sie Kollegen verunglimpfen, die das in sachlicher Form und mit einem Engagement, das man als Abgeordneter haben darf, dargestellt haben. So viel Münchner Beton haben wir im Innenausschuss zum Glück nicht mehr. Dafür sind wir dankbar, Herr Uhl. ({1}) Vielleicht kann ich zur Versachlichung beitragen. Das ist etwas, was in der Politik häufiger geschehen sollte. Herr Uhl, Herr Strobl und andere, schauen wir doch einmal ins Gesetz! Die Kenntnis des Gesetzes und der Grundlagen des Gesetzes erspart manche nicht so lichtvollen Ausführungen. Worüber reden wir? Herr Uhl, wir reden über das Schengener Abkommen. Dazu gibt es ein Durchführungsübereinkommen. Das ist vom 19. Juni 1990. In Art. 6 heißt es: Der grenzüberschreitende Verkehr an den Außengrenzen unterliegt der Kontrolle durch die zuständigen Behörden. Diese wird nach einheitlichen Grundsätzen, in nationaler Zuständigkeit … durchgeführt. … Alle Personen sind zumindest einer solchen Kontrolle zu unterziehen, ({2}) die die Feststellung ihrer Identität anhand der vorgelegten oder vorgezeigten Reisepapiere ermöglicht. ({3}) Dann heißt es allerdings - bitte weiterlesen! -: Können solche Kontrollen wegen besonderer Umstände nicht durchgeführt werden, sind Schwerpunkte zu setzen. ({4}) Das zum Beispiel ist möglich. Weiter heißt es: Die Vertragsparteien verpflichten sich, geeignete Kräfte in ausreichender Zahl für die Durchführung der Kontrollen und die Überwachung der Außengrenzen zur Verfügung zu stellen. ({5}) Bitte schön! Was ist Faktum? Was hat das Innenministerium dazu bereits gesagt? Dazu bedurfte es keiner Aktuellen Stunde in diesem Hohen Hause. Was hat das Innenministerium dazu schon gesagt? Alles das können Sie nachlesen. Das ist über Internet und über die Dienste, die auch Sie beziehen, verfügbar. Vom Innenministerium heißt es: Auf dem Münchner Flughafen steht eine ausreichende Zahl von Beamten zur Verfügung, um den Reiseverkehr gemäß den Vorgaben des Schengener Abkommens zu kontrollieren. Überdies wird am Flughafen München ein bedarfsorientiertes, flexibles Schichtmanagement praktiziert, um gerade auf Verkehrsspitzenzeiten reagieren zu können. In der offiziellen Erklärung, die auch Sie kennen, heißt es dann noch: ({6}) Zudem ist bei der Eröffnung des 2. Terminals am Münchner Flughafen im vergangenen Jahr das BGS-Personal dort durch 300 Beamte verstärkt worden. Weiteres Unterstützungspersonal aus den BGS-Verbänden des Grenzschutzpräsidiums Süd wurde der Flughafendienststelle im Oktober 2003 zur Verstärkung zugeführt. ({7}) Es ist alles geregelt. Was zu diesem Einzelfall München zu sagen ist, haben Hans-Peter Kemper und Herr Hofmann gesagt. Es ist ein Dienstvergehen vor Ort gewesen. Es ist nirgendwo greifbar, dass es sich dabei um eine politische Entscheidung handelte, die irgendwie nach Berlin weist. ({8}) Der BGS, den Sie so wunderbar gelobt haben, macht hervorragende Arbeit. Den menschlichen Faktor, Herr Koschyk, gibt es überall, ({9}) insbesondere, wenn so viele Beamte eine Rolle spielen. Herr Kemper hat darauf hingewiesen - das kann man vielleicht für alle noch einmal sagen -: Der Bundesgrenzschutz hat in den letzten vier Jahren über 100 000 unerlaubt eingereiste Personen festgestellt, von denen 30 000 eingeschleust waren. Diese Erfolgsdaten kann sich der Bundesgrenzschutz auf die Fahne schreiben. Es ist also viel passiert und es werden auch weiterhin vom Bundesgrenzschutz die Aufgaben wahrgenommen, die er im Rahmen des Schengen-Abkommens wahrzunehmen hat. Im Schengen-Abkommen wird eindeutig festgelegt, dass nicht auf Kontrollen verzichtet werden darf, sie aber unter bestimmten Umständen gelockert werden dürfen. Nichts weiter verlangt das Schengen-Abkommen, und das wird gemacht. Das wäre Ihnen auch ohne diese Aktuelle Stunde bekannt gewesen. Ich weise noch auf einen anderen Aspekt hin, wodurch vielleicht das allzu kleine Karomuster, das Sie hier anlegen, überwunden werden kann: Von der UN-Generalversammlung wurde im Dezember 1998 die Ausarbeitung eines Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in die Wege geleitet. Wir alle sind der Meinung, dass etwas gegen Menschenhandel, gegen Schleusung und gegen Schusswaffen getan werden muss. All das wird in diesem Abkommen behandelt. Dieses Abkommen wird uns in Kürze zur Ratifizierung vorgelegt werden. Dort ist, ähnlich wie beim Schengen-Abkommen, niedergelegt, was wir international brauchen. Ich bitte Sie, das kleine Karomuster zu überwinden, das man mit dem bloßen Auge kaum erkennen kann, Ihren Blick auf die größere europäische und internationale Ebene zu richten und gemeinsam mit uns vorzugehen. Danke schön. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ole Schröder, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die Debatte zu versachlichen, ({0}) möchte ich festhalten: Wir sind uns darüber klar, dass Innenminister Schily die Verantwortung für die Sicherheit in unserem Land trägt. Da wollen wir uns doch einmal anschauen, wie es mit der Umsetzung von praktischen Maßnahmen für den effektiven Schutz unserer Bevölkerung aussieht. Aktuell reiht sich ein weiteres Defizit bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit in die inzwischen schon umfangreiche Mängelliste ein: ({1}) Am Münchner Flughafen fielen fast täglich Personenkontrollen bei der Einreise aus - das ist Fakt - und, Herr Bürsch, die Kontrollen sind nicht Schengen-konform durchgeführt worden. ({2}) Die vorgeschriebene Trennung von EU-Bürgern und Passagieren aus Drittstaaten fand nicht statt. Ausweise von möglichen Terroristen wurden nur flüchtig einer Sichtkontrolle unterzogen. Welche Folgen haben diese Versäumnisse? Unzählige Ausländer konnten unkontrolliert in unser Land kommen. ({3}) Darunter befinden sich möglicherweise Terroristen und Kriminelle. Wie wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Falle eines Anschlages erklären, dass das möglich war? ({4}) Meine Damen und Herren, nicht nur die innenpolitischen Konsequenzen von Versäumnissen wie am Münchner Flughafen sind zu bedenken, auch die Außenwirkungen sind fatal. Wie können wir denn ernsthaft den neuen Mitgliedstaaten der EU höchste Schengener Sicherheitsstandards abverlangen, wenn wir selbst sie noch nicht einmal einhalten? ({5}) Wir bekommen so ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber unseren polnischen, slowakischen und ungarischen Freunden. Eines ist klar: Die Verantwortung für diesen Vorfall trägt der Bundesinnenminister. ({6}) Der Bundesinnenminister hat es zugelassen, dass am Flughafen München 60 von 300 notwendigen neuen Stellen nicht besetzt wurden. ({7}) Das sagt jedenfalls der Präsident von Eurocop, Herr Kiefer. Er bescheinigt, dass die mangelhaften Kontrollen in München auf Personalmangel zurückzuführen sind. ({8}) Es darf daher nicht wie bei der BKA-Katastrophe nach Sündenböcken gesucht werden. ({9}) Wir werden es nicht zulassen, dass der Bundesinnenminister sich wie bei der Katastrophe um den BKA-Umzug aus der Verantwortung stiehlt. ({10}) Die Versäumnisse am Münchner Flughafen sind nicht die einzigen. Die Reihe der Pannen und Fehler der Bundesregierung wird gerade im Bereich der inneren Sicherheit immer länger. Der geplante Umzug war mit Blick auf die Arbeit des BKA und des BND ein Debakel. Die Verlagerung soll 1 Milliarde Euro kosten. Diese Milliarde fehlt bei der wichtigen Ausstattung unserer Polizeien und des Bundesgrenzschutzes. ({11}) Die Bundesrepublik ist in Europa Schlusslicht beim Aufbau eines leistungsfähigen Digitalfunks. ({12}) Der geplante Starttermin, 2006, ist - in Mautmanier nicht mehr zu halten. Der Kalif von Köln konnte nicht ausgewiesen werden und Terroristen wie Mzoudi wird es in Deutschland viel zu leicht gemacht. ({13}) Auch der Bereich der Küstenwache gehört natürlich zur inneren Sicherheit. Die Vorschläge, die das Bundesinnenministerium hierzu gemacht hat, greifen viel zu kurz. ({14}) Das Schengener Abkommen wird von der Bundesregierung immer wieder bewusst verletzt. Die mangelhaften Flughafenkontrollen am Münchner Flughafen sind nur ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist der Skandal um den Volmer-Erlass aus dem Auswärtigen Amt. ({15}) Die Einschleusung Tausender Illegaler wurde ermöglicht; darunter sind natürlich auch Frauen, die hier in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. ({16}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Anspruch und Wirklichkeit müssen bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit endlich zusammengebracht werden. ({17}) Die Selbstdarstellung des Bundesinnenministeriums, nach der angeblich alle erforderlichen Maßnahmen mit höchster Priorität umgesetzt werden, hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. ({18}) Die Bürger haben nichts davon, wenn bloß immer versichert wird, dass alles für die Sicherheit in Deutschland getan werde. Innere Sicherheit wird mit Taten erreicht, nicht mit Sonntagsreden. ({19})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann nur sagen: Herr Innenminister, übernehmen Sie die Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes, und achten wir als Parlamentarier gemeinsam darauf, dass die Kriterien des Schengener Abkommens endlich in ganz Deutschland eingehalten werden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, insbesondere meine Damen und Herren von der Opposition! Sie können noch so viel reden und lamentieren: Otto Schily ist ein erfolgreicher Innenminister. ({0}) - Ich habe das wohlwollend registriert; ich war auch davon überzeugt, dass ich überzeugend war. Innere Sicherheit „made in Germany“ ist, glaube ich, für unser Land ein ganz wesentlicher Standortfaktor, den wir der Innenpolitik und Otto Schily zu verdanken haben. ({1}) Ich sage auch ganz deutlich und einfach: Deutschland ist eines der sichersten Länder dieser Welt und darauf können wir stolz sein. ({2}) Lieber Kollege Uhl, ich habe die herzliche Bitte, dass Sie die Möglichkeit ergreifen, einmal nachzulesen, was Sie heute hier an diesem Pult insbesondere gegenüber dem Kollegen Volmer gesagt haben. ({3}) Vielleicht haben Sie dann die Größe, sich wenigstens bei Herrn Volmer zu entschuldigen. ({4}) Angesichts dessen, was aus Ihren Reihen zu dieser Thematik gesagt wird, bin ich froh, dass es den bayerischen Innenminister Günther Beckstein gibt, der sich für eine großzügige Anerkennung von Asylbewerbern ausgesprochen hat. Wie der Bayerische Rundfunk am Montag berichtete, sagte Beckstein am Sonntag zum Auftakt der Misereor-Fastenaktion in Bamberg, er sei für die Maxime, lieber einen zu viel anzuerkennen als einen zu wenig. Er sagte weiter, es komme dabei nicht auf 100 oder 1 000 an; das Boot sei nicht so voll, als dass wirklich verfolgten Menschen in Deutschland nicht mehr geholfen werden könnte. Ich hoffe, dass dieser Minister nicht nur vor Kirchenkreisen so redet. ({5}) Dieser Bundesinnenminister und diese Koalition waren es, die in der Zeit nach dem 11. September sofort und schnell die notwendige Sicherheitsgesetzgebung auf den Weg gebracht haben. Sie können sich einmal ein Beispiel daran nehmen, wie schnell und konsequent politisches Handeln sein kann. ({6}) Ich will jetzt auf den eigentlichen Punkt zu sprechen kommen. Dabei will ich gar nicht darum herumreden, dass am Münchner Flughafen ein Fehler gemacht worden ist. Ich will diesen Fehler auch nicht beschönigen. Aber ich denke, dass bei genauerem Hinsehen ganz deutlich wird, dass dieser Fehler nicht aufgrund des Personalmangels passierte - dieser Grund wird vorgeschoben -, sondern dass es an den Problemen im Bereich der Organisation und des Managements lag. Das ist so und das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. All das, was Sie zur Personalsituation im Bereich des BGS am Münchner Flughafen gesagt haben, ist nicht richtig. Wir hatten im Jahr 2003 ein Planstellensoll von 789 und haben einen Istzustand von 769. Sie wären froh gewesen, wenn Sie in Ihrer Regierungszeit solche Quoten zwischen Ist und Soll erreicht hätten. ({7}) Sie wären auch froh gewesen, wenn es Ihnen beispielsweise gelungen wäre, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes im Hinblick auf Beförderungen oder auf die Erweiterung des Personalkörpers das zu erreichen, was unter Otto Schily in den letzten fünf Jahren geschehen ist. ({8}) Es ist völlig klar, dass es bestimmte Verfahren und Regularien gibt. Es ist auch völlig klar, dass es gewisse Kriterien gibt, die nach dem Schengener Übereinkommen einzuhalten sind. Es gibt den Bereich der so genannten Kontrolllockerung, die nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen zulässig ist, wenn unverhältnismäßig lange Wartezeiten bei der grenzpolizeilichen Kontrolle abgebaut werden müssen. Das heißt aber nicht, dass die Reisenden ohne Kontrollen durch die Kontrollstellen gewunken werden. In jedem Fall ist die Identitätsfeststellung anhand der vorgelegten Reisedokumente vorzunehmen. Was die Kontrollverzichte anbelangt, so ist zu sagen, dass sie nicht zu verantworten sind. ({9}) Sie verstoßen gegen das Schengen-Regime und sind deshalb unzulässig. ({10}) Ich versichere Ihnen, dass die Probleme an dieser Stelle angegangen werden. Damit Sie nicht ein Horrorszenario aufbauen können, will ich Ihnen Folgendes sagen: Nach sorgfältiger Schätzung blieben durch diese Kontrollverzichte - gemessen am kontrollpflichtigen Fluggastaufkommen - im Zeitraum von August 2003 bis Januar 2004 von circa 4,2 Millionen Reisenden etwa 0,04 Prozent kontrollpflichtiger Personen aus Nicht-Schengen-Staaten bei der Einreise nach Deutschland und - hören Sie bitte zu! 0,08 Prozent derartiger Personen bei der Ausreise aus Deutschland unkontrolliert. ({11}) Diese Zahlen sollen nichts entschuldigen. Sie sollen aber überzogenen Vorstellungen vorbeugen. Deswegen habe ich sie genannt. ({12}) - Herr Winkler, schönen Dank, dass Sie geklatscht haben. Personalknappheit kann nicht als Argument dienen; denn sie gab es am Münchner Flughafen nicht. Die Kolleginnen und Kollegen haben vorhin schon einmal auf die Situation im Bereich des Personals und auch auf diejenige Situation hingewiesen, die im Zusammenhang mit dem Terminal 2 und dessen Eröffnung steht. Für diesen Zweck wurde zusätzliches Personal in der Größenordnung von 330 Personen eingesetzt. Es wird immer wieder gefragt, was getan worden sei. Es gibt eine Anweisung des Inspekteurs des Bundesgrenzschutzes vom 14. Juni 2001, die Schengen-Kriterien bei der Grenzkontrollarbeit einzuhalten und die organisatorischen Maßnahmen so zu treffen, dass diese Kriterien erfüllt werden. Ich denke, das ist wichtig und macht deutlich, worum es geht. Meine Damen und Herren, wir haben die personellen Konsequenzen gezogen oder sind dabei, sie zu ziehen. Der Bundesgrenzschutz muss sich damit beschäftigen und das aufarbeiten. ({13}) - Ich habe zehn Minuten, lieber Herr Koschyk. Das unterscheidet uns. Das ist gut so und soll auch so bleiben. ({14}) Die Prüfgruppe des Bundesgrenzschutzes nimmt ihre Arbeit auf. Auch Bundesinnenminister Schily hat eine Gruppe eingesetzt, um beispielsweise die Informationsabläufe und die Verantwortlichkeiten aufzuarbeiten und zu ermitteln. Ich denke, das ist die angemessene Reaktionsweise in dieser Angelegenheit. Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: All Ihre Versuche, unsere innenpolitische Kompetenz negativ zu beurteilen, werden nicht gelingen. Wir haben mit diesem Bundesinnenminister Otto Schily erfolgreich gearbeitet und werden das noch lange Zeit tun - so lange, dass es Ihnen nicht angenehm sein wird. Das garantiere ich Ihnen jetzt schon. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. ({15})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Clemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Aufgefallen ist mir an den Redebeiträgen von Rot-Grün in der letzten Stunde, ({0}) dass der Satz „Wir wollen Sicherheit für unsere Bevölkerung“ nicht einmal vorgekommen ist. Sie denken nur an sich selber, an Ihren Innenminister, an Selbstbeweihräucherung. Von Selbstkritik ist bei Ihnen keine Spur. ({1}) Die Kernaufgabe ist doch, an unseren Außengrenzen oder, wenn wir solche nicht mehr haben, an unseren Flughäfen alles zu tun, um Personen, die wir in unserem Land nicht wollen, nicht hineinkommen zu lassen. - So sinngemäß auch Otto Schily in der Fernsehsendung. ({2}) Wenn wir feststellen, dass an einem Flughafen wie dem in München die Kontrollen offensichtlich über einen langen Zeitraum nicht mehr stattgefunden haben, dann müssen wir Ursachenforschung betreiben. ({3}) Es ist meines Erachtens viel zu kurz gegriffen, zu sagen: Der BGS war selber schuld; das war ein Managementfehler. Herr Staatssekretär Körper, wenn Sie für eine Aufgabe nicht genügend Personal haben - die Aufgabe am Flughafen München ist neu -, dann können Sie organisieren, wie Sie wollen: Es wird nicht reichen. Genau das war die Ursache für die fehlenden Kontrollen in München: Es ist zu wenig Personal vorhanden. ({4}) - Mehr Personal einsetzen. Das ist doch keine Frage. ({5}) - Vielen Dank, dass Sie so betroffen reagieren. Das zeigt, dass ich ins Schwarze getroffen habe. ({6}) Ich garantiere Ihnen: Der Flughafen in München wird nicht der einzige Flughafen sein ({7}) - nein -, bei dem diese Probleme auftreten. Ich habe mich bei einem Flughafen umgehört. Der BGS ist dort zum Stillschweigen verpflichtet worden. Die Flughafenbetreiber selber sagen: Wir wundern uns manchmal, dass bei gewissen Flügen nur ein Schalter besetzt ist, sodass durchgewunken werden muss. - Diese Geschichte wird nicht so schnell zu Ende sein. ({8}) Mir geht es darum, festzustellen: Wer trägt dafür die politische Verantwortung? Der Kollege Stadler - von der FDP ist im Moment niemand hier; es ist nicht so, dass ich das gerade heute bedauerte ({9}) hat vorhin gesagt: Wir brauchen nicht so viele Häuptlinge; wir brauchen mehr Indianer. Ich frage: Was ist das für ein Bundesinnenministerium, in dem es vier Staatssekretäre und einen Minister gibt und das trotzdem nicht funktioniert? Dort gibt es auch zu viele Häuptlinge. Sie brauchen daher die Schuld nicht bei der BGS-Führung abzuladen, auf keinen Fall. Auch die fehlenden Kontrollen sind kein Einzelfall. Beim Luftsicherheitsgesetz unternehmen Sie ebenfalls den Versuch, immer mehr Aufgaben auf Subunternehmen, also auf Private zu delegieren. ({10}) Sie ziehen sich auch dort immer mehr aus den eigentlichen Sicherheitsaufgaben zurück und das wird dazu führen, dass die Sicherheitslücken immer größer werden. Das, was Sie machen, hat schon Methode. ({11}) - Nein. Ich habe Ihnen gesagt, das hat Methode. Ich komme noch auf weitere Flughäfen zu sprechen. ({12}) Ihre Politik ist für die Sicherheitslücken verantwortlich. Sie gehen das alles mit großer Arroganz an. Uns gegenüber können Sie sie an den Tag legen - das stört mich nicht weiter -, aber nicht gegenüber der deutschen Bevölkerung. Die Art und Weise, in der Sie die Themen Sicherheit an den Flughäfen und die Situation der Botschaft in Kiew angehen - hier haben Sie gesagt, es habe keine Vorfälle gegeben, obwohl es aufgrund politischer Rahmenbedingungen zu Schleusungen in noch nie da gewesenem Ausmaß gekommen ist -, zeigt, was für eine Einstellung Sie eigentlich zur Sicherheitspolitik in unserem Land haben. ({13}) Es wäre in der Tat besser, wenn der Innenminister etwas weniger Showauftritte wahrnehmen würde, bei denen er sich vor ein Biometrielesegerät am Flughafen stellt oder sich mit einem Ausweis mit biometrischen Merkmalen zeigt. Damit will er nur den Eindruck erwecken, es gäbe bald solche Kontrollmethoden, obwohl wir noch sehr weit von ihrer Einführung entfernt sind. So wird ein Nebelschleier über die Sicherheitslücken gelegt. ({14}) Zu Otto Schily und seinen Showeinlagen kann ich nur sagen: ({15}) Sonntagnacht wurde für gute Showeinlagen dem Film „Der Herr der Ringe“ der Oscar verliehen, für seine Innenpolitik kann ich dem Minister nur den Titel „Der Herr der Sicherheitslöcher“ verleihen. Vielen Dank. ({16})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Sebastian Edathy, SPD-Fraktion.

Sebastian Edathy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003111, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Binninger, man kann dankbar sein, dass nur relativ wenig Zuschauer auf der Besuchertribüne gewesen sind, ({0}) als Sie Ihre Rede hielten; denn sie hätten den Eindruck gewinnen müssen, einer sehr seltsamen Veranstaltung beizuwohnen. ({1}) Ich habe mich zu Beginn der Aktuellen Stunde gefragt, welchen Sinn sie hat; denn sie erschien mir sehr substanzlos. Mittlerweile sehe ich diese Vermutung völlig bestätigt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. Das, was Sie hier veranstalten, ist organisierter Diebstahl von parlamentarischer Arbeitszeit. ({2}) Ich erlaube mir, auf den Titel der Aktuellen Stunde zurückzukommen. Er heißt: Haltung der Bundesregierung zur Erleichterung von Einschleusungen und illegalen Einreisen aufgrund von Kontrolllücken an deutschen Flughäfen. Die Debatte hat gezeigt, wir sprechen über einen konkreten Fall, wir sprechen über den Flughafen München und über sonst nichts. Sie haben darauf hingewiesen, dass nach Ihrer Mutmaßung das ursächliche Problem ein Personalmangel ist. Ich will Ihnen dazu ein paar Zahlen nennen, weil es vielleicht hilft, etwas dazuzulernen. ({3}) Ich möchte die Flughäfen Frankfurt, Stuttgart und München vergleichen und dabei die Zahl der jährlichen Einreisen zu der Zahl der eingesetzten BGS-Beamten in Relation setzen. In Frankfurt ist die Relation ein Beamter zu 16 000 Einreisen, in Stuttgart ein Beamter zu 10 200 Einreisen und in München ein Beamter zu 10 400 Einreisen. Offenbar hat es die Probleme, die in München zu verzeichnen waren, in Stuttgart und Frankfurt nicht gegeben. ({4}) - Das kann dann ja wohl nicht an einem Personalmangel gelegen haben, sondern eindeutig an einem Fehlmanagement. Das ist mehr als deutlich geworden. Sie haben also versucht, einen Popanz aufzubauen, der völlig unangemessen ist. ({5}) Darüber hinaus haben einige der Rednerinnen und Redner der Union den Versuch unternommen, sachfremde Inhalte in die Debatte hineinzubringen, die mit dem Thema der Aktuellen Stunde überhaupt nichts zu tun haben. ({6}) Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches sagen: Wenn wir feststellen, dass es 3 Millionen Visaanträge für Deutschland pro Jahr gibt, dann tun wir als exportorientiertes und weltoffenes Land gut daran, nicht zu unterstellen, dass jeder dieser 3 Millionen Antragsteller ein potenzieller Krimineller oder Terrorist ist. ({7}) Das ist doch aberwitzig! Es ist deutlich geworden, dass dort, wo es Probleme gegeben hat, nämlich in der Ukraine, in der Botschaft in Kiew, gegen geltendes Recht gehandelt worden ist. Nun haben Sie den Versuch gemacht, einen Erlass aus dem Jahre 2000 damit in einen inhaltlichen Zusammenhang zu bringen. ({8}) Die beiden Dinge haben aber überhaupt nichts miteinander zu tun. Ganz im Gegenteil. ({9}) Ich kann mich noch gut daran erinnern: Ich bin wie viele andere Kolleginnen und Kollegen 1998 in den Bundestag gewählt worden. Ich komme aus einem Wahlkreis, ({10}) in dem es eine Kooperation eines Landkreises mit demokratischen Organisationen aus Weißrussland gibt. Bevor Herr Volmer ins Amt gekommen ist, musste jeder Teilnehmer einer Reisegruppe aus der Region Witebsk, mehrere hundert Kilometer von Minsk, der Hauptstadt von Weißrussland, entfernt, die einreisen wollte, persönlich in der deutschen Botschaft vorstellig werden, obwohl auch durch einen Datenabgleich festgestellt werden konnte, dass sie untadelig sind und einreisen können. Dieser bürokratische Unsinn ist mit dem Volmer-Erlass überwunden worden. Herr Uhl, ich hätte mir gewünscht, es wäre hier beanstandet worden: Einem Kollegen des Deutschen Bundestages zu unterstellen, er sei ein Triebtäter, ist unter aller Sau, um das ganz deutlich zu sagen. ({11}) Der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper hat darauf hingewiesen, dass die Grenzschutzpräsidien mit einem Rundschreiben des Inspekteurs des Bundesgrenzschutzes vom 14. Juni 2001 darauf hingewiesen worden sind, dass bei den Kontrollen die Maßgaben des Schengen-Abkommens unbedingt einzuhalten sind. Insofern sind vor Ort am Münchner Flughafen Fehler gemacht worden. ({12}) Herr Kollege Koschyk, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Sie beispielsweise den bayerischen Innenminister dafür verantwortlich machen würden, wenn in einer einzelnen Polizeidienststelle einmal ein Fehler gemacht würde. ({13}) Das machen Sie aber hier auf Bundesebene und das ist völlig daneben. Lassen Sie mich abschließend bemerken: ({14}) ({15}) Es ist schlimm genug, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Sie die Frage der Besetzung des Amtes des Bundespräsidenten zu einer Frage der Parteipolitik gemacht haben. ({16}) Sie sollten aber hier, wo wir miteinander diskutieren, zumindest davon Abstand nehmen, die Frage der Innenpolitik in Deutschland zu einer reinen Frage der Parteipolitik zu machen und zu kritisieren, wo nichts zu kritisieren ist. ({17}) In diesem Sinne lassen Sie uns gleich in unsere Büros gehen und unsere Arbeitszeit sinnvoller verbringen als mit überflüssigen Aktuellen Stunden wie der von Ihnen beantragten. Vielen Dank. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir sind damit ganz offensichtlich am Ende der Aktuelle Stunde. Bedauerlicherweise sind weitere Redner nicht gemeldet, die ich natürlich mit Vergnügen aufgerufen hätte. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 9.30 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.