Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/13/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Vereinbarte Debatte zur aktuellen Europapolitik Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Angelica Schwall-Düren, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute Morgen über die Europapolitik und stehen am Beginn des Jahres 2004, eines Jahres, das ein Schicksalsjahr für die Europäische Union ist. Zehn weitere Staaten treten der Europäischen Union bei. Wir haben es mit einem großen Schritt zur europäischen Wiedervereinigung zu tun. Im Augenblick finden in New York noch Verhandlungen statt, um zu erreichen, dass Zypern als Ganzes in die Europäische Union eintreten kann. Gerade für ein Land mit einer Vergangenheit als geteiltes Land hoffen wir sehr, dass ein Erfolg erreicht werden kann. ({0}) Dieses Jahr bringt Wahlen zum Europäischen Parlament. Ein neues Parlament, neue Kommissare, weitere zehn Kommissare werden dann die Zukunft unserer Europäischen Union gestalten und werden die Lösung der wichtigen Fragen der finanziellen Vorausschau, die im Jahr 2005 beschlossen werden muss, vorbereiten. Wir alle hatten gehofft, dass die Vertiefung der Europäischen Union vor der Erweiterung zu erreichen ist. Wir hoffen nun, dass noch in diesem Jahr die europäische Verfassung, aufbauend auf dem Ergebnis, das der Konvent vorgelegt hat, verabschiedet werden kann. Wir sind ganz optimistisch, dass die irische Ratspräsidentschaft etwas erreichen kann; denn sie arbeitet proaktiv und sie arbeitet dezent. Gespräche und Verhandlungen finden im Hintergrund statt. Die Kompromissmöglichkeiten sind in diesen Gesprächen auszuloten. Sie können nicht auf dem offenen Markt verhandelt werden. Wir wissen, dass in einem großen Teil Übereinstimmung erzielt worden ist. Die Teilnehmer an Regierungsgipfeln sprechen immer von 90 Prozent. Aber es gibt noch eine Reihe offener Fragen, für die sicherlich Lösungen gefunden werden können, wenn sich alle aufeinander zu bewegen. Der Hauptdissens betrifft das Prinzip der doppelten Mehrheit. Zunächst einmal will ich sagen, dass ich durchaus Verständnis für die Staaten habe, die sich auf die geltende Vertragsgrundlage von Nizza berufen. Spanien als langjähriges EU-Mitglied hat Erfahrung damit, Interessendivergenzen in diesem europäischen Prozess als Balance zwischen nationalen Interessen und europäischem Mehrwert auszuhandeln. Polen als Repräsentant einer Gruppe von Ländern, die über fünf Jahrzehnte praktisch keine Souveränität hatten, scheint sich zu erhoffen, dass Einfluss auch über Verhinderungsmöglichkeiten gesichert werden kann. Die Erfahrungen in der Europäischen Union lehren uns aber, dass mit zunehmender Zahl von Staaten die Entscheidungsfindung immer schwieriger wird. Eine größere EU mit ihren ehrgeizigen Zielen - denken wir nur einmal an die Lissabon-Strategie - wird noch mehr Handlungsfähigkeit als in der Vergangenheit brauchen. ({1}) Deshalb ist zusätzliche Effizienz - gerade zur Überwindung des Wohlstandsgefälles - dringend erforderlich. Diese zusätzliche Effizienz ist nicht nur in europäischem Interesse, sondern auch im Interesse Ungarns, Estlands, Polens und vieler anderer Staaten. Die Blockademinderheit muss überwunden werden, damit wir eine Gestaltungsmehrheit gewinnen. ({2}) Redetext Mit dem Prinzip der doppelten Mehrheit können weder ein einzelnes Land noch eine Zweierachse noch ein Dreierdirektorium die anderen Länder majorisieren. Lassen Sie mich noch kurz etwas zu der nicht unkomplizierten Lage zwischen Deutschland und Polen sagen. Es ist in der Tat schmerzhaft, dass durch verschiedene Ereignisse des Jahres 2003 das bereits entstandene Vertrauensverhältnis zwischen Polen, unserem größten Nachbarn im Osten, und Deutschland gestört wurde. Die Schatten der Vergangenheit haben die Beziehungen wiederum überlagert. Ein unsensibler Umgang mit dem Thema Vertreibung durch den BdV, aber auch durch einige Kolleginnen von der CDU/CSU und Entschädigungsforderungen haben die Beziehungen nachhaltig beeinträchtigt. Wir alle wissen, dass die Regierung wie auch die große Mehrheit der Bevölkerung diese Entschädigungsforderungen ablehnt. Wir haben die Bitte an Polen, zu erkennen, dass Deutschland seine Interessen ausschließlich in Übereinstimmung mit seinen Nachbarn umsetzen will und umsetzen kann. ({3}) Im Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Kollegen aus den neuen Mitgliedstaaten werden an der Arbeit in der Europäischen Union teilnehmen. Zehn neue Kommissare werden dabei sein. Die kommenden Jahre sind für die Umsetzung der LissabonStrategie entscheidend. Neben dem, was auf nationaler Ebene geleistet werden muss, ist und bleibt das Solidarprinzip in der Europäischen Union ein Prinzip, das für Kohäsion sorgt. Es gibt - man denke an Spanien und Irland - erfolgreiche Beispiele. Mit der Mitteilung der Europäischen Kommission über die politischen und haushaltspolitischen Prioritäten der erweiterten Europäischen Union für die Zeit 2007 bis 2013 und mit dem für die nächste Woche angekündigten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt hat die Debatte um die Zukunft der erweiterten Europäischen Union eine neue Dynamik erreicht. In der Diskussion über den Finanzrahmen geht es um die Frage, wie die erweiterte Union die Herausforderungen der Zukunft meistern und auf welchen Gebieten sie politische und finanzielle Schwerpunkte setzen will. Zu den wichtigsten Prioritäten gehören die erfolgreiche Integration der neuen Mitgliedstaaten, die Weiterführung einer erfolgreichen Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, die Reformierung der Agrarpolitik, neue Akzente in der Außen- und Sicherheitspolitik, im Bereich Justiz und Inneres und bei der Fortführung der Lissabon-Strategie. Es geht aber auch darum, wie hoch der EU-Haushalt insgesamt anwachsen soll, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, gleichzeitig aber die finanziellen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten nicht zu überfordern. Angesichts der enormen Anstrengungen, die die meisten Mitglieder bei der Konsolidierung ihrer nationalen Haushalte zu bewältigen haben, darf diese Frage nicht ausgeblendet werden. Wir stimmen bei den politischen Prioritäten mit der Europäischen Kommission weitgehend überein; wir hätten uns bei der Ausgestaltung des Finanzrahmens aber mehr Realismus und Kohärenz gewünscht. ({4}) Die Vorschläge der Kommission sehen nämlich ein deutliches Anwachsen des EU-Budgets vor. Das würde insbesondere die Hauptzahlerländer, Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Österreich, in hohem Maße belasten. Damit kein Zweifel aufkommt: Wir bekennen uns zur europäischen Solidarität; aber es gibt Grenzen der Belastbarkeit. Deshalb unterstützen wir die von der Bundesregierung angemahnte Begrenzung des EU-Haushaltes auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Meine Damen und Herren, die europäische Solidarität ist keine Einbahnstraße. Deswegen müssen auch die Staaten, die bisher von der europäischen Struktur- und Kohäsionspolitik profitiert und dadurch an wirtschaftlicher Stärke zugenommen haben, Einschnitte hinnehmen. Die bisherigen Empfängerländer müssen zusätzlich auf Mittel verzichten, denn Verlässlichkeit und Berechenbarkeit aufseiten der Empfänger und Zahler muss zugleich mit Zumutbarkeit für die europäischen Steuerzahler verknüpft werden. Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt hinweisen: Es gibt einen eklatanten Widerspruch in der Argumentation der Europäischen Kommission. Während sie in der Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht anerkannt hat, dass die Haushaltseinschnitte negativen Einfluss auf die Wachstumsaussichten haben, erklärt uns die Europäische Kommission nun, dass eine drastische Ausweitung des EU-Haushaltes vorgenommen werden müsse, wolle man an dem Ziel der Stimulation des Wachstums festhalten. Wir müssen im weiteren Verlauf der Diskussion die Struktur- und Kohäsionspolitik sorgfältig analysieren und intensiv diskutieren. Netzwerke müssen gebildet und Synergieeffekte erreicht werden. Dann wird auch die weitere Entwicklung der EU positiv verlaufen. ({5}) Europa steht vor großen Herausforderungen: Die Integration von zehn Neumitgliedern muss gelingen. In drei Jahren steht der Beitritt von Bulgarien und Rumänien an. Die Transformation von Nachbarländern der EU muss im Interesse Europas aktiv unterstützt werden. Die schwierigen Verhandlungen für den Finanzrahmen 2007 bis 2013 müssen schnell abgeschlossen werden, weil dies Voraussetzung für Wohlstand und sozialen Zusammenhalt der EU und für das Behaupten im internationalen Wettbewerb ist. Wir wünschen der irischen Ratspräsidentschaft viel Geschick und Glück bei den Verhandlungen über eine europäische Verfassung. Zugleich freue ich mich auf die Feiern zum Beitritt der neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai dieses Jahres, die an vielen Orten in unserer so reichen Europäischen Union stattfinden werden. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Peter Altmaier, CDU/ CSU-Fraktion.

Peter Altmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002617, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle freuen uns, dass in wenigen Wochen mit dem Beitritt von zehn neuen Staaten die Europäische Union einen großen Erfolg feiern und dass damit auch das Ende des Kalten Krieges in Europa offiziell besiegelt wird. Wir haben die Erweiterung in den letzten Jahren trotz der manchmal nicht einfachen Umstände gemeinsam über alle Parteigrenzen vorangetrieben und freuen uns nun mit den Bürgerinnen und Bürgern der neuen Mitgliedstaaten. Aber am Vorabend der Erweiterung steht die Europäische Union auch vor einer schweren Krise, möglicherweise der schwersten Krise seit langer Zeit. Die deutsche Bundesregierung steht inmitten dieser Krise hilflos und konzeptionslos da ({0}) und wird von den übrigen Mitgliedstaaten - erstmals in der Geschichte der Europäischen Union - nicht als Teil der Lösung gesehen, sondern zunehmend als Teil des Problems. ({1}) Meine Damen und Herren, es gab in der Europäischen Union schon seit langer Zeit nicht mehr eine derartige Häufung von Spannungen, von Misstrauen, von Gegensätzen und von Polarisierungen wie in den letzten Monaten. Die Tendenz ist leider Gottes wachsend. Wir haben drei Bereiche, in denen eine starke Polarisierung herrscht, die die Europäische Union zu lähmen und ihre Handlungsfähigkeit zu beschädigen droht. Erstens. Es gibt eine Frontstellung zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten, geprägt von tiefem Misstrauen. ({2}) Das fing im Konvent an und findet seine Fortsetzung bis in die jüngste Zeit. So wurde in den letzten Tagen vor einem Direktorium der großen Mitgliedstaaten gewarnt, das über die Köpfe der kleinen hinweg entscheidet. Das betrifft nicht nur Italien, sondern auch die Niederlande und viele andere Mitgliedstaaten, mit denen wir seit Jahren und Jahrzehnten gute und enge Beziehungen unterhalten. Zweitens. Es gibt eine Frontstellung zwischen dem reichen Europa und dem armen Europa. Im Zusammenhang mit dem Finanzrahmen 2007 bis 2013 hat die Bundesregierung eine Debatte auf den öffentlichen Markt getragen, die dazu geführt hat, dass in der Europäischen Union Misstrauen entstanden ist, und zwar nicht in erster Linie zwischen Deutschland und Spanien, sondern zwischen Deutschland und den Staaten, die jetzt in die Europäische Union kommen und die zu Recht darauf bauen, dass wir sie bei ihrem Aufholprozess nach Kräften unterstützen. Drittens. Es gibt die alte Frontstellung zwischen dem alten und dem neuen Europa in der Irakkrise, bei der die deutsche Bundesregierung durch ihre einseitige Festlegung zu einem frühen Zeitpunkt verhindert hat, dass eine gemeinsame europäische Position zustande kommt. Wir haben den dadurch entstandenen Schaden im Übrigen im Konvent erlebt, wo es nicht möglich war, Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durchzusetzen. Wir sehen den Schaden auch jeden Tag bei den Beratungen mit unseren Bündnispartnern in der NATO und in der Europäischen Union. Meine Damen und Herren, es muss Ihnen doch auffallen, dass Deutschland zum ersten Mal in diesen ganzen Streitigkeiten nicht als Vermittler auftritt, nicht agiert, um Lösungen zustande zu bringen, sondern angesehen wird als jemand, der polarisiert und seine eigenen Interessen vertritt. Wenn Sie auf diese Art und Weise agieren, dann werden Sie den deutschen und europäischen Interessen nicht nutzen, sondern ihnen schaden. ({3}) Herr Bundesaußenminister, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass jetzt eine Situation entsteht, in der all diese Probleme vermengt werden, in der Junktims entstehen, in der versucht wird, durch Zugeständnisse auf dem einen Gebiet Forderungen auf anderen Gebieten durchsetzen zu können. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass alles in einen Topf geworfen wird. ({4}) Wir müssen dafür sorgen, dass ein Problem nach dem anderen gelöst wird. Deshalb appellieren wir an Sie - und bieten Ihnen unsere Unterstützung an -, alles zu tun, damit die europäische Verfassung, die Europa und seine Bürger dringend brauchen, noch vor den Europawahlen am 13. Juni dieses Jahres zustande kommt. ({5}) Herr Bundesaußenminister, wir wissen, das ist keine leichte Aufgabe. Aber sehen Sie, wir erwarten von den beiden Volksgruppen auf Zypern, dass sie vor der Europawahl und dem Beitritt der zehn neuen Staaten imstande sind, einen jahrzehntealten Konflikt zu lösen und sich wieder zu vereinigen. Dann muss es doch auch möglich sein, dass die Europäische Union den Streit über die Stimmenverteilung im Ministerrat in derselben Frist in annehmbarer und vorzeigbarer Weise löst und dazu beiträgt, dass die Verfassung verabschiedet werden und pünktlich in Kraft treten kann. ({6}) Bei der Frage der Stimmengewichtung im Ministerrat geht es natürlich, wie bei anderen Fragen auch, um Interessen. Es geht aber auch um Vertrauen, das die Europäische Union braucht, und es geht um Regeln, die Effizienz gewährleisten sollen. Wir müssen, wenn wir das, was auf dem Gipfel in Brüssel vor Weihnachten geschehen ist, ändern wollen, versuchen, einen Kompromiss zu finden. Das heißt, die Spanier und die Polen müssen sich bewegen, aber auch wir Deutschen müssen uns bewegen, Herr Bundesaußenminister. Ich habe die Sorge, dass es uns genauso ergeht wie bei dem Gipfel in Brüssel: dass wir wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen und in diplomatischen Gesprächen versuchen, eine Lösung zu finden, sich aber niemand bewegt und es am Ende zu spät ist. Herr Bundesaußenminister, ich glaube, Sie würden einen großen Beitrag leisten, wenn Sie heute von dieser Stelle aus erklären: Alle müssen sich bewegen, auch wir. Entscheidend ist, dass letzten Endes ein Kompromiss gefunden wird, der dazu beiträgt, dass die Europäische Union handlungsfähig wird und Blockademinderheiten reduziert werden. Da möchte ich der Frau Kollegin Schwall-Düren ausdrücklich zustimmen; das muss unser gemeinsames Ziel sein. Meine Damen und Herren, in der Haushaltsfrage sind wir uns einig: Wir müssen auf allen Ebenen sparen, von der kommunalen Ebene über die Länder- bis hin zur Bundesebene. Das gilt natürlich auch für Europa. Aber eines geht nicht: dass Sie in Brüssel ständig neue Aufgaben und Zuständigkeiten für die Europäische Union beschließen und sich anschließend weigern, der Europäischen Union das Geld zur Verfügung zu stellen, das sie für diese Aufgaben und die Wahrnehmung der Zuständigkeiten braucht. ({7}) Wir möchten daher ganz gerne von Ihnen wissen, wo denn gespart werden soll. Möchten Sie zulasten der neu hinzukommenden Länder sparen? Möchten Sie zulasten der neuen Bundesländer sparen? - Nein! Da sind wir uns einig. Wo wollen Sie also sparen? Wenn Sie dazu ein vernünftiges und überzeugendes Konzept vorlegen, dann werden Sie uns auf Ihrer Seite haben. Lassen Sie mich noch ein Problem ansprechen, das in diesen Tagen oft übersehen wird, aber ganz viele Menschen, was ihre persönliche Situation betrifft, berührt. Die Osterweiterung ist ein Experiment. In ihr liegt eine großartige Chance für die Europäische Union und für die Wirtschaft in den alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Aber natürlich sind damit auch Risiken verbunden. Wir haben diese Tatsache parteiübergreifend anerkannt, indem wir Übergangsfristen im Bereich der Freizügigkeit vereinbart haben. Mit dieser Erweiterung sind auch Risiken hinsichtlich der Unternehmensansiedlungen auf beiden Seiten der Grenzen verbunden. Wir werden einen Wettbewerb bei den Lohnkosten erleben, von dem wir uns noch keine genaue Vorstellung machen können. Deshalb appelliere ich an Sie: Messen Sie den Problemen der Menschen in den Grenzregionen, beispielsweise in Bayern, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt, mehr Aufmerksamkeit zu! Wir brauchen ein Grenzgürtelprogramm und eine vernünftige Konzeption, um den Menschen zu zeigen, dass ihre Probleme von der Politik anerkannt und ernst genommen werden. ({8}) Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen: Wir sind bereit, Herr Bundesaußenminister, Sie in den kommenden schwierigen Wochen und Monaten zu unterstützen. ({9}) Wir haben in diesem Hause die gute Tradition, dass die Europapolitik trotz aller Unterschiede im Detail in der großen Linie immer eine gemeinsame Politik aller demokratischen Parteien ist. Aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie die Anstrengungen unternehmen, die notwendig sind, um die Europäische Union aus ihrer Krise herauszuführen. Wir glauben, das lohnt jede Anstrengung und jede Mühe. Dafür bieten wir Ihnen unsere Unterstützung an. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Rainder Steenblock, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Altmaier, der Schluss Ihrer Rede klang etwas versöhnlicher. Aber das, was Sie am Anfang Ihrer Rede an Analyse geboten haben, hat mit der Entwicklung in Europa und mit der Rolle, die die Bundesregierung dabei gespielt hat, nur relativ wenig zu tun. ({0}) Sie haben den Konvent angesprochen und versucht, deutlich zu machen, dass die Bundesregierung an dieser Stelle Teil des Problems ist. Sie selber waren weiß Gott genug damit befasst, um das besser wissen zu können: Gerade diese Bundesregierung und insbesondere ihr Außenminister haben alles unternommen, um die Ergebnisse, die in den Verhandlungen im Konvent erreicht wurden, zusammenzuführen und mitzutragen. Das war eine der Kernaufgaben der deutschen Europapolitik und soweit es in diesem Rahmen möglich war, ist sie sehr erfolgreich bewältigt worden. Im Gegenteil, Sie waren es, die durch neue Forderungen, die Sie im Deutschen Bundestag erhoben haben, die Verhandlungen zum Konvent belastet und damit das Erzielen von Ergebnissen erschwert haben, während wir versucht haben, die Ergebnisse zusammenzuführen. Dafür sollten wir dem Außenminister dankbar sein, anstatt ihn nachträglich dafür zu kritisieren. ({1}) Die Gespräche, die mit dem britischen Premierminister anlässlich seines gestrigen Besuches geführt wurden, machen deutlich, dass wir auf einem guten Weg sind, die Probleme des letzten Jahres zu beherrschen und voranzukommen. Gerade was die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik angeht, gibt es ein neues Selbstverständnis der großen Partner in Europa. Das ist positiv und das sollten Sie nicht kritisieren. Es ist ein wichtiger Schritt, um in den zentralen Fragen gemeinsam voranzukommen. Wir sollten froh darüber sein, dass Großbritannien wieder mit im Boot ist. Das stärkt unsere Position und auch die Position Europas in der Welt. Wenn Sie über Irritationen im Verhältnis zu Polen reden, lieber Kollege Altmaier, dann sollten Sie auch einmal Ihre Kollegin Steinbach ansprechen; denn sie ist für viele Irritationen verantwortlich, die es in der Vergangenheit gegeben hat. ({2}) Diese Argumentation zeigt, dass Sie mehr Probleme als Lösungsangebote haben. Wir stehen in Europa vor zwei großen Aufgaben: Zum einen stehen wir vor der Vereinigung des Kontinents nach jahrzehntelanger Trennung, zum anderen wollen wir die wettbewerbsfähigste und eine auf Wissen basierte Volkswirtschaft werden. Dafür brauchen wir - ganz im Sinne der Göteborg-Strategie - eine nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Das sind unsere Ziele, die wir Europa vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltssituation, in der sich alle Länder Europas befinden, ins Logbuch geschrieben haben. Wir wollen den Motor Europa wieder anwerfen. Die Schwerpunkte, die in der neuen finanziellen Vorausschau gesetzt worden sind, sind dafür eine Grundlage. Auf der einen Seite besteht die Aufgabe der Solidarität gegenüber den Beitrittsstaaten. Auf der anderen Seite ist in das Blickfeld zu nehmen, dass die Lissabon-Strategie umgesetzt werden muss. Das heißt, es muss mehr Geld für Forschung, Innovation, Infrastruktur und die Transeuropäischen Netze bereitgestellt werden. Das brauchen gerade wir in Deutschland; denn unsere deutsche Volkswirtschaft ist die stärkste Exportwirtschaft auf dem Binnenmarkt der EU. Deshalb ist es im Interesse unserer Wirtschaft und stärkt es unsere Wirtschaftsstruktur, wenn die Infrastruktur in den Beitrittsstaaten so rasch wie möglich an das westeuropäische Niveau angeglichen wird. Solidarität mit den Beitrittsstaaten ist ein Faktor, der die deutsche Wirtschaft stärkt. Daher brauchen wir einerseits Aufwüchse. Die Schwerpunkte, so wie sie in der finanziellen Vorausschau gesetzt worden sind - davon bin ich sehr überzeugt -, sind richtig. Andererseits müssen wir sparen. Es gibt in diesem Haushalt noch Ansätze zu sparen. Ich halte es für schwer vermittelbar, dass es, gerade was die Strukturfonds angeht, Haushaltsansätze gibt, die ständig zu Rückflüssen führen. Wir müssen in der Strukturpolitik der EU realistische Haushaltsansätze finden. Wir müssen unsere Mittel auf die Schwächsten konzentrieren, das heißt auf die Beitrittsländer der EU. Das ist eine zentrale Herausforderung, vor der wir stehen. Wir dürfen die Nettozahlerdebatte nicht so führen, dass wir nur davon ausgehen, dass es bei den Nettozahlern zu exorbitanten Ausgaben kommt. Die EU hat angeboten, ein Rabattsystem einzuführen. Das halte ich für den richtigen Weg. Den müssen wir weiterverfolgen, sodass wir zwischen den Beiträgen, die wir zu leisten haben, und den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, einen vernünftigen Kompromiss herstellen können. Das darf nicht dazu führen, dass wir die neuen Aufgaben gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik und in der Technologiepolitik vernachlässigen. Hier brauchen wir einerseits in Zukunft Schwerpunkte, das heißt mehr Geld. Andererseits müssen wir an anderen Stellen Sparpotenziale finden. Mit Blick auf die Verhandlungen über die Zukunft Europas, die jetzt folgen, sollten uns die beiden Pfeiler der Solidarität und der Innovation bei der weiteren finanziellen Vorausschau leiten. Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Sabine LeutheusserSchnarrenberger, FDP-Fraktion.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Schiff Europa, das so zuversichtlich mit neuen Passagieren zu neuen Ufern aufbrechen sollte, wurde mit dem Scheitern der Regierungskonferenz im Dezember letzten Jahres abrupt der Wind aus den Segeln genommen. Nun treibt das Schiff in seichten Gewässern und läuft Gefahr, auf Grund zu laufen. Während die Kapitäne öffentlich oder auch hinter verschlossenen Türen um den zukünftigen Kurs streiten, regt sich Unmut unter den Passagieren, nämlich den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Werfen wir doch einen Blick auf das letzte Eurobarometer: Die Ergebnisse sind niederschmetternd und spiegeln wider, wie von den Bürgerinnen und Bürgern die Europapolitik wahrgenommen wird. Nur 39 Prozent der deutschen Bevölkerung haben ein positives Bild von der Europäischen Union. Die Institutionen wie das Europäische Parlament haben einen Vertrauensverlust erlitten und mit dem Kapitän, dem Ministerrat, würden höchstens 32 Prozent gemeinsam in See stechen. Das zeigt doch: Mit der Politik, wie wir sie hier in diesem Hause formulieren, ist etwas nicht in Ordnung. Wir vermitteln den Bürgerinnen und Bürgern nicht, worum es uns bei der europäischen Entwicklung geht. Es geht uns natürlich um einzelne wichtige Punkte: um doppelte Mehrheiten - wobei 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert sein müssen -, um eine handlungsfähige Kommission, um eine geringe Zahl an Kommissaren. In Wirklichkeit geht es aber darum, den Bürgern endlich zu sagen: Wir wollen ein demokratischeres, ein bürgernäheres Europa, das natürlich handlungsfähig ist, das sich aber nicht darauf beschränkt, mit diesen Techniken Europapolitik zu betreiben. ({0}) Deshalb müssen wir erreichen, dass in den nächsten Monaten auch in der Öffentlichkeit stärker über den Wert der europäischen Verfassung und ihre Grundlagen geredet wird. Ich habe erwartet, dass von den wichtigen Konsultationen mit dem französischen Premierminister Chirac sowie gestern mit Herrn Blair - in der nächsten Woche finden Konsultationen mit beiden zusammen statt - andere Signale ausgehen würden. Es sind nämlich keine positiven Signale von diesen Treffen ausgegangen. Es ist keine Linie aufgezeigt worden, wie man gemeinsam versuchen will, das dahindümpelnde Schiff wieder in tiefere Gewässer zu bringen. Im Gegenteil: Die Reaktionen auf die Treffen zeigen doch, wie skeptisch diese Gespräche gesehen werden. Man hat nicht deutlich gemacht, dass diejenigen, die für den europäischen Integrationsprozess entscheidend sind, Verantwortung dafür tragen, Kompromisslinien aufzuzeigen. ({1}) Das hat bei dem Treffen zwischen Schröder und Chirac in Genshagen sowie bei dem Treffen zwischen Schröder und Blair gefehlt. Die Reaktion darauf wird Zurückhaltung und Abwarten sein. Man fragt sich: Soll die Angst in der Europäischen Union wirklich stärker dominieren oder nicht? Genau das schafft das falsche Klima und die falsche Atmosphäre für die nächsten Monate. Die Iren sind mit ihrer vorsichtigen Art zu sondieren aus meiner Sicht Hoffnungsträger: Sie zeigen mögliche Perspektiven auf und versuchen damit, alle zusammenzubringen. Ich erwarte aber, dass man sich in Deutschland nicht nur mit Chirac und Blair trifft. Ich erwarte, dass in den nächsten Wochen - natürlich vor dem 1. Mai - Gespräche mit den Verantwortlichen aus anderen Mitgliedstaaten - natürlich auch mit den Spaniern, selbst wenn es noch so schwierig ist, natürlich mit den Portugiesen, aber auch mit den Ungarn und den Tschechen - geführt werden. ({2}) Sie alle haben nämlich ein Interesse daran, dass die Osterweiterung, die Europäische Union der 25, gelingt und dass der 1. Mai nicht zu einem Datum wird, über das es später einmal heißt: An diesem Datum hat der Rückschritt der Europäischen Union zu einer Wirtschaftsunion begonnen. - Wir brauchen nämlich eine politische Union. Wenn die Bürgerinnen und Bürger eines von der Europäischen Union erwarten - das zeigt das Eurobarometer ganz deutlich -, dann ist es eine Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik. Wir alle wissen, dass es ohne eine Stimme, die letztendlich in der Außen- und Sicherheitspolitik für die Europäische Union spricht, und ohne Strukturen, die die Meinungsbildung erleichtern und Initiativrechte gewähren, jedenfalls im Rahmen der Europäischen Union keine Weiterentwicklung geben wird. Das Verkehrteste wäre, wenn sich das bewahrheiten würde, worüber nachgedacht wird und was manche schon jetzt als große Gefahr erkennen: Man tut sich außerhalb der Verträge zusammen und versucht, Außenpolitik zu betreiben. So sorgt man für mehr Kernspaltung anstatt für Kernfusion innerhalb der Europäischen Union. Ich sage deshalb an dieser Stelle noch einmal: Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie ihre große Verantwortung wahrnimmt und auf der Grundlage des EU-Konvents in den nächsten Wochen Kompromissbereitschaft zeigt. Das Prinzip der doppelten Mehrheit ist richtig. Wir unterstützen es aus vielerlei Aspekten. Die Ausgestaltung des Prinzips der doppelten Mehrheit darf aber nicht dazu führen, dass daran letztlich die entscheidenden Verhandlungen zur Verfassung scheitern. Wir wollen bis Mitte dieses Jahres einen Kompromiss; wenn dieser nicht gelingt, dann - das ist unsere Meinung brauchen wir einen neuen Verfassungskonvent. Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Michael Roth, SPD-Fraktion, das Wort.

Michael Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifellos, liebe Frau Kollegin LeutheusserSchnarrenberger, ist die Europäische Union in einer schwierigen Lage. Wir befinden uns in einer Krise. Was mich immer noch hoffnungsfroh stimmt, ist, dass es große Erwartungen gegenüber dem wunderbaren politischen Projekt Europa gibt. Andererseits sinkt das Vertrauen in die EU - vor allem das Vertrauen in die Institutionen der Europäischen Union - rapide. Da haben Sie völlig Recht. Aber ich komme zu etwas anderen Schlussfolgerungen als Sie. Ich sehe ein großes Problem, über das Sie, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nicht gesprochen haben. Es lohnt sich, über den Kern der Idee eines vereinigten Europas zu reden, gerade weil die Bürgerinnen und Bürger spüren, ahnen und einige vielleicht sogar wissen, dass das nationalstaatlich organisierte politische Handeln immer mehr an seine Grenzen stößt. Was ist die Konsequenz daraus? Darauf haben Sie keine Antwort gefunden. Ich glaube, dass auch die FDP darauf keine Antwort finden wird. ({0}) Die Globalisierung ruft Ängste, Skepsis und Ablehnung hervor. Das spüren wir überall. Das liegt unter anMichael Roth ({1}) derem daran, dass sich die EU im Bewusstsein der Menschen zweifellos als funktionierender Binnenmarkt profiliert hat. Aber das ist zu wenig. Die EU hat sich mit einer gemeinsamen Währung profiliert. Das ist ebenfalls zu wenig. Sie hat sich mit einem Wettbewerbsmodell profiliert. Auch das ist zu wenig. Die Europäische Union ist nur zukunftsfähig, wenn sie sich auch - da stimme ich Ihnen zu - als starker, verantwortungsbewusster internationaler Akteur, als Promoter von Bildung, Qualifizierung und Beschäftigung - so wie es Kollege Steenblock ausgeführt hat - profiliert. Sie muss sich aber auch als Garant einer nachhaltigen sozialen und ökologischen Politik mit klaren sozialen Regeln profilieren. Das europäische Sozialmodell ist im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig. Aber wir müssen etwas dafür tun, damit dieses europäische Sozialmodell auch in Zukunft wettbewerbsfähig ist, dass die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass die Politik sich ihrer Sorgen und Nöte annimmt und Antworten auf die großen drängenden Fragen der Zeit findet. ({2}) Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als für das europäische Verfassungsprojekt zu streiten. Denn dieses Verfassungsprojekt hat deutlich gemacht: Die Union ist nicht nur eine politische Kraft des Marktes, nein, sie ist auch eine Kraft, die für Werte eintritt. Sie ist nicht nur eine Union der Staaten, sie ist ebenso eine Union der Bürgerinnen und Bürger. Die Vermittlung dieser Tatsachen ist bislang nicht in dem Maße gelungen, wie es eigentlich notwendig wäre. Ich bin davon überzeugt, dass das Verfassungsprojekt die Bürgerinnen und Bürger wieder näher an die EU heranführen kann, weil es zum Gelingen dieses Verfassungsprojektes keine verantwortbare Alternative gibt. ({3}) Wir müssen jetzt darüber nachdenken, wie und mit welcher Strategie wir in die nächsten Wochen gehen. Ich plädiere für Kompromissbereitschaft. Aber es kann doch jetzt zu diesem frühen Zeitpunkt keine Festlegung auf vermeintliche Kompromisse geben, die die EU weder demokratischer noch handlungsfähiger machen. Deswegen kann jetzt nicht darüber geredet werden, beispielsweise die EU-Kommission immer größer werden zu lassen. Es kann nicht darum gehen, dass wir noch einmal eine Debatte darüber führen, wo wir von dem Prinzip der Mehrheitsentscheidungen in der Europäischen Union abweichen. Es kann auch nicht noch einmal eine Diskussion darüber geben, dass wir das Prinzip der doppelten Mehrheit infrage stellen. Es kann auch keine Diskussion darüber geben, dass wir die EU als internationale Friedensmacht, als Garant der internationalen Sicherheit infrage stellen. ({4}) - Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Müller. Kollege Altmaier hat soeben eine Rede gehalten, die hätte er einmal in der CDU/CSU-Fraktion halten müssen. ({5}) Denn die Union versagt aus meiner Sicht als Europapartei, und zwar immer mehr, weil Sie mit Ihrer Politik der gespaltenen Zunge an Ihre Grenze stoßen. ({6}) Lieber Kollege Altmaier - wir wissen hoffentlich, dass wir uns gegenseitig schätzen -, ich habe ein Thema vermisst, und zwar das Thema Türkei, das vor allem Kollege Hintze wie eine Monstranz vor sich herträgt. Gerade damit wird der Populismus in der Europäischen Union genährt. Mit dieser unsäglichen Türkeidebatte werden Ängste geschürt. Jetzt betreiben Sie noch Harakiri in Sachen Europa, indem Sie, Kollege Müller und Kollege Singhammer, ({7}) heute fordern, dass - auch bei einer Einigung im aktuellen Streit um die Stimmengewichtung - die EU-Verfassung abzulehnen ist. ({8}) Sie bauen doch immer höhere Hürden auf. Kürzlich, vor wenigen Wochen, haben Sie noch gefordert - in diesem Punkt stimmt Herr Altmaier nicht mehr mit Ihnen und der CSU überein -, die Debatte über die finanzielle Vorausschau mit der Verfassungsdebatte zu verknüpfen. ({9}) Sie stimmen in Ihren eigenen Reihen doch vorne und hinten nicht miteinander überein. Sie müssen erst einmal eine klare Position entwickeln. Dann können Sie hier selbstbewusst auftreten und für Europa streiten. ({10}) Ich will aber nicht nur in Ihre Richtung kritische Anmerkungen machen, sondern auch in Richtung derjenigen, die ab dem 1. Mai dieses Jahres mit uns zusammenarbeiten wollen und müssen. Was mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei vielen Gesprächen beunruhigt hat, ist, dass nicht wenige in Mittelosteuropa die EU als Nachfolgeorganisation der Sowjetunion und Brüssel in der Tradition des stalinistischen Moskau sehen. ({11}) Ich glaube, dass noch viele Gespräche und Diskussionen und viel Überzeugungsarbeit notwendig sind. Denn die Faszination, die von der EU ausgeht, ist, dass wir Michael Roth ({12}) demokratisch mitentscheiden können, dass wir an diesem Projekt mitarbeiten können und dass jeder gebraucht wird: die Kleinen genauso wie die Großen und die Finanzschwächeren ebenso wie die Finanzstärkeren. Es ist doch gerade das Prinzip der Solidarität, das in anderen politischen Systemen, die glücklicherweise zum Einsturz gekommen sind, vermisst wurde. Daher kann ich der irischen Präsidentschaft, die ihre Sache, was das Management angeht, ganz hervorragend macht, nur alles Gute wünschen. Ich bin mir sicher, dass wir während der irischen Präsidentschaft sehr weit kommen werden. Ich hoffe, dass es uns hier im Bundestag gelingt, dem Verfassungsprojekt neue Impulse zu verleihen. ({13}) Mein Eindruck ist, dass Europa mehr kann, als der Vertrag von Nizza zulässt. Um es deutlich zu sagen: Europa muss auch mehr können als das, was im Vertrag von Nizza festgelegt ist. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern in der Europäischen Union nämlich schuldig. Vielen Dank. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Albert Rupprecht, CDU/CSUFraktion, das Wort.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle erwarten die Erweiterung der Europäischen Union in 76 Tagen mit Spannung. Wir stellen aber auch fest, dass die Situation zurzeit ziemlich verfahren ist: Die Finanzierung ist ungeklärt, der Stabilitätspakt ist massiv angegriffen, die institutionellen Fragen sind offen und die Zukunft des Verfassungsvertrages ist unsicher. Natürlich hat Helmut Schmidt Recht, wenn er sagt: Es war ein Fehler, die Erweiterung zu vollziehen, bevor die Finanzierung und die institutionellen Fragen geklärt sind. Welchen Beitrag hat die Bundesregierung in der intensiven Phase vor der Erweiterung geleistet? In einem Punkt hat die Bundesregierung absolut Recht: Es ist vollkommen inakzeptabel, dass der Beitrag Deutschlands zur Finanzierung des europäischen Haushalts in den nächsten zehn Jahren um sage und schreibe 43 Prozent ansteigen soll. Das entspricht rund 10 Milliarden Euro mehr pro Jahr. Das ist schlichtweg nicht finanzierbar und vollkommen unrealistisch. ({0}) Insgesamt hat die Bundesregierung bei wesentlichen Fragen der Vorbereitung auf die Erweiterung in den vergangenen Monaten keine überzeugende Rolle gespielt. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung hat die Konflikte in Europa durch eine Vielzahl von Widersprüchen verschärft. Das war auch beim Thema der Woche, der mittelfristigen Finanzplanung, so. Die Position der Bundesregierung ist voller Widersprüche. Sie laden der Europäischen Union zusätzliche Aufgaben auf, sagen aber nicht, wie sie finanziert werden sollen. ({1}) Ich nenne drei konkrete Beispiele. Erstes Beispiel: Kanzler Schröder initiiert gemeinsam mit Herrn Chirac zweifelhafte europäische Investitionsprogramme ohne europäischen Mehrwert, ausschließlich um die nationalen Haushalte zu entlasten. Das geplante Volumen beträgt 50 Milliarden Euro. Zweites Beispiel: Nach der Lissabon-Strategie soll die Europäische Union der Motor für Innovation in Europa sein. Das Ergebnis finden Sie in der Finanzplanung der Kommission. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden glatt vervierfacht. Offensichtlich glauben die Regierungschefs, eine zentral gesteuerte europäische Innovationspolitik sei erfolgreicher als eine nationale. ({2}) Ich glaube, das ist einer der größten Irrtümer der Lissabon-Strategie schlechthin. Ganz im Gegenteil: Innovationen erfolgen in geeigneten Mikrostrukturen, in dezentralen Clustern. Wir werden erleben, dass zig Milliarden Euro ohne Wirkung verpuffen werden. Drittes Beispiel: Wer der Türkei den Beitritt in Aussicht stellt, muss auch sagen, wie er ihn finanzieren will; auch das ist gemeint, wenn wir von „Integrationsfähigkeit“ reden. Die Vollmitgliedschaft der Türkei wird Europa nach Berechnungen der Kommission 20 Milliarden Euro pro Jahr kosten; davon entfielen auf Deutschland 5 Milliarden Euro pro Jahr. Deutschland steht Kopf, weil uns die Mautausfälle 2004 2,5 Milliarden Euro kosten. Der Beitritt der Türkei würde Deutschland jedes Jahr das Doppelte kosten, nämlich 5 Milliarden Euro. Erklären Sie das bitte der deutschen Öffentlichkeit! ({3}) Statt die Aufgaben und damit auch die Ausgaben der Europäischen Union zu reduzieren, wollen Sie - ganz im Gegenteil - die Kompetenzen der Europäischen Union mehren. Sie sagen aber wiederum nicht, wie Sie das finanzieren wollen. Nach Ihren Vorstellungen werden im Verfassungsvertrag auf 30 Politikfeldern neue Kompetenzen geschaffen und jedes neue Politikfeld führt natürlich früher oder später zu Initiativen und zu höheren Kosten. Am Mittwoch waren der Finanzminister und der Außenminister im Europaausschuss. Eichel redet vom Sparen und von einer 1-Prozent-Obergrenze für den europäischen Haushalt, Fischer freut sich dagegen über ein großes Europa mit vielen Aufgaben. Auch die grüne Haushaltskommissarin Schreyer war im Haushaltsausschuss anwesend und hat sich redlich bemüht, den beiden Herren zu erklären, dass derjenige, der Europa ständig mit neuen Aufgaben zudeckt, auch sagen muss, wie er es finanziert. ({4}) Albert Rupprecht ({5}) Ich stimme Frau Schreyer in ihrer Analyse zu, absolut. Ich glaube nur, die Lösung ist eine andere: Es geht nicht um mehr Geld, sondern es geht darum, Aufgaben endlich nach Deutschland zurückzuverlagern, wo immer es möglich ist. Es ist doch zum Haareraufen, dass alle diesbezüglichen Versuche bisher im Sande verlaufen sind; auch der Konvent war hier eine klare Enttäuschung. ({6}) Europa muss an vielen Stellen wesentlich schlanker werden, es muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Ich nenne Ihnen einen konkreten Vorschlag zur Rückverlagerung: die Einführung der nationalen Kofinanzierung der Landwirtschaft im Umfang von 50 Prozent. So spart Europa Geld und die nationale Verantwortung für die Landwirtschaft wird gestärkt. Sehr geehrte Damen und Herren, widersprüchlich handelt die Bundesregierung nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch dort, wo Deutschland selbst betroffen ist. ({7}) Der Kanzler hat Weihnachten 2000 in seiner Weidener Erklärung über fünf Seiten ausgebreitet, wie er Deutschland, insbesondere die Grenzregionen, für die Osterweiterung fit machen will. Er hat unter anderem den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Bayern ein „materiell unterlegtes Programm der Förderung der Grenzregionen“ versprochen. Dieses nationale Programm ist bis heute - drei Jahre später! - nach wie vor mit 0 Cent ausgestattet. Die Ministerpräsidenten der Länder an der Grenze zur Tschechischen Republik und zu Polen sind natürlich in Sorge, denn der Standortwettbewerb wird hart werden. Je näher der 1. Mai kommt, desto panischer werden insbesondere die Ministerpräsidenten der neuen Länder. Deswegen kämpfen sie mit Zähnen und mit Klauen um die Erhaltung der europäischen Strukturförderung. Da gibt es nun zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins: Die deutschen Regionen bleiben weiter europäische Förderregionen. Dann wird - in der Konsequenz - der europäische Haushalt aufgebläht. Oder Möglichkeit zwei: Die deutschen Regionen fallen aus der Förderung heraus. Der Bund zahlt den betroffenen Regionen aber einen adäquaten Ausgleich. Dann braucht Europa weniger Geld und die horrenden Beiträge Deutschlands könnten reduziert werden. Eigentlich wäre die zweite Möglichkeit der wesentlich bessere Weg. Nur, die deutschen Ministerpräsidenten trauen dem Kanzler nicht. Sie glauben nicht, dass es wirklich einen deutschen Ausgleich geben wird. Nach der Erfahrung mit der Weidener Erklärung, ganz frei nach dem Motto „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, ist das auch keine Überraschung. So hat sich nun in den vergangenen Wochen eine absolut bedenkliche und abstruse Konstellation ({8}) herausgebildet: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten machen mit der Kommission gemeinsame Politik gegen Bundeskanzler Schröder, ganz vorne dabei die SPD-Ministerpräsidenten. ({9}) Minister Eichel quittiert dies lapidar mit: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten spielen unsere Spanier. ({10}) Aber das ist doch wirklich abstrus: Die deutschen Ministerpräsidenten trauen eher dem französischen Kommissar Barnier zu, Arbeitsplätze in Deutschland zu retten, als dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder. ({11}) Das passiert, wenn man Vertrauen verspielt. Dies sind nur einige Beispiele, die aber zweierlei zeigen. Erstens. Die Europapolitik der Bundesregierung ist voll tiefer Widersprüche und dadurch unzuverlässig. ({12}) Zweitens. Durch diese Widersprüche hat die Bundesregierung und insbesondere der Kanzler massiv an Vertrauen verloren, sowohl bei den Regierungschefs anderer europäischer Staaten als auch bei den Menschen in Deutschland selbst. Gerade Verlässlichkeit und Vertrauen sind aber zwingend notwendig, um Europa aus den derzeitigen Konflikten herauszuführen. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Bundesminister Joseph Fischer. ({0})

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben uns gerade vorgeworfen, die Politik der Bundesregierung sei widersprüchlich. Wenn ich aber die Rede des Kollegen Altmaier - ich teile zwar nicht alle, aber doch die meisten seiner Grundannahmen - mit der seines Fraktionskollegen von der CSU vergleiche, dann muss ich feststellen, dass zwischen diesen Reden Welten liegen. Sie vertreten völlig unterschiedliche Konzeptionen. ({0}) Dieses Problem müssen aber nicht wir lösen, sondern Sie. Das wird offensichtlich nicht einfach werden. ({1}) Die Europäische Union steht vor einer ganz großen Veränderung. Ich möchte, gerade unter dem Eindruck, den mir meine gestrige Reise nach Kaliningrad vermittelt hat, unterstreichen: Die Überwindung der Teilung Europas führt dazu, dass Deutschland auf der Sonnenseite dieser historischen Entwicklung steht. Dafür sind wir dankbar und dafür sollten wir auch dankbar sein. ({2}) Zum ersten Mal seit der Bildung des Nationalstaats ist für Deutschland die Lage in der Mitte Europas nicht Last. Sie wird in dem zusammenwachsenden Europa mit offenen Grenzen vielmehr zu einem völlig veränderten Sicherheitsumfeld führen. Die Konsequenz wird sein, dass an allen unseren Grenzen die Situation so sein wird wie schon heute an unserer Westgrenze. Dieses Europa wird zusammenwachsen. Die Nationen werden zwar bestehen bleiben, aber vieles von dem, was für uns heute noch eine bestimmte Bedeutung hat, wird in dem sich vereinigenden und integrierenden Europa eine ganz andere Bedeutung bekommen. Europa wird offen sein. Die Situation wird kooperativ werden, so wie wir das an den Westgrenzen als selbstverständlich empfunden haben, und nicht mehr konfrontativ sein. Deswegen ist der 1. Mai meines Erachtens ein historisches Datum. ({3}) - Selbstverständlich hat es länger gedauert. Ich muss Ihnen dazu aber sagen: Die Frage der europäischen Integration ist 1989 mit dem Fall der Mauer entschieden worden. ({4}) Wir können die Idee der europäischen Einheit nicht auf einen kleinen westeuropäischen Ansatz reduzieren - ich denke, darin waren wir uns immer einig -, wenn auch die anderen Staaten, gründend auf Freiwilligkeit - das ist selbstverständlich -, dazugehören wollen. Und alle wollen dazugehören. Deswegen können wir keine künstlichen neuen Grenzen ziehen, ohne schweren Schaden für das Europa der Integration anzurichten. Das dürfen wir nicht tun. Die Schwierigkeit, vor der wir stehen, besteht darin, dass nun folgende drei Schritte unternommen werden müssen: Die räumliche Erweiterung der Union muss umgesetzt werden. Gleichzeitig muss eine Vertiefung stattfinden; das heißt diese Union muss handlungsfähig und transparent werden und muss ein Akteur sein, der nach außen seine Interessen vertreten kann. ({5}) Außerdem muss die Finanzierung dieser erweiterten Union geklärt werden. Auch ich könnte hier natürlich Polemik betreiben, Herr Kollege Altmaier, will das heute aber lassen. Ehrlicherweise hätten Sie zuerst eine Antwort auf die Frage finden müssen, warum es uns in Amsterdam nicht gelungen ist, die anstehenden Probleme zu lösen. Diese Situation hat über Nizza schlussendlich zum Konvent geführt. Ich habe damals in der Opposition die Europapolitik von Bundeskanzler Kohl in wesentlichen Teilen mit unterstützt, auch die Finanzierungskonsequenzen, die sich daraus ergeben haben. Sie wissen so gut wie ich, dass es, bedingt durch die deutsche Einheit, durch das wesentlich komplexer werdende Europa und durch die Schwierigkeiten, die im Inneren liegen, schon in Amsterdam nicht gelungen ist, die Fragen zu lösen, die dann am Ende zum Konvent geführt haben. Damals gab es eine andere Regierung. Weil es dieselben Themen sind, kann es also nicht daran liegen, dass sich die Politik, dass sich das Verhalten etc. verändert haben. Vor allem, weil wir hier einen sehr breiten Konsens haben, verstehe ich, dass die Opposition das alles vorbringen muss. Sie müssen aber auch sehen, dass schon in Amsterdam, wo noch andere die Verantwortung trugen und das Vertrauen angeblich noch vorhanden war, der Konsens aufgrund derselben Probleme nicht möglich war. Für uns war es entscheidend, dass wir in Nizza zugestimmt haben, obwohl wir um die Schwächen wussten, weil es ansonsten zu einer Blockade des Erweiterungsprozesses gekommen wäre. Deswegen wurde während der französischen Präsidentschaft bereits in den Schlussfolgerungen von Nizza der Weg nach Laeken hin zum Konvent geöffnet. Im Konvent ist es gelungen, einen Kompromiss zu erreichen. ({6}) - Wir bedanken uns dafür. Das ist bestens. Ich bedanke mich ebenfalls für die weitere Hilfe und bin mir sicher, dass es sie auch in Zukunft geben wird, weil wir jenseits aller Konfrontationsrhetorik wichtige Positionen teilen. Mit der CSU ist es etwas schwieriger. Wenn es aber am Ende Ernst wurde, sind auch sie immer dabei gewesen; das finde ich auch gut und richtig. Ich möchte hier den entscheidenden Punkt ansprechen: Wir brauchen in der 25er-Union ein transparentes und einfaches Entscheidungsverfahren. Am wichtigsten ist: Es geht hier nicht um das Prestige. Ich habe den Bundestag auch nie so verstanden, dass die Frage, ob Deutschland mit Frankreich, Großbritannien und Italien gleichberechtigt ist, entscheidend ist. Das ist sie zumindest aus Sicht der Bundesregierung nicht. Ich behaupte auch, dass dies über alle Fraktionen des Deutschen Bundestages hinweg in weiten Teilen nicht unser Problem ist. Das Problem von Nizza ist, dass das dort verabschiedete Abstimmungssystem intransparent ist und dass es vor allen Dingen auf die Blockademöglichkeit von Minderheiten gründet. Das ist der entscheidende Punkt. Wir dagegen wollen Gestaltungsmehrheiten. Kollege Altmaier, damit komme ich zu einem weiteren wichtigen Punkt. Sie verlangen von uns, zu sagen, alle müssten sich bewegen. Es stellt sich aber die Frage, in welchem System dies geschehen soll. Man wird schwerlich sagen können, dass sich hier alle bewegen müssen. Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Sie haben anklingen lassen, es müsse das System der doppelten Mehrheiten geben. Genau das ist auch die Position der Bundesregierung und der Koalition. Hier gibt es einen breiten Konsens. Es wird versucht, das alles in diesem Rahmen anzustreben. Ich muss Ihnen das doch nicht erklären. Der Bundestag hat durch seine Ausschüsse enge Kontakte mit den Partnern. Sie wissen um die Schwierigkeiten. Auf diese möchte ich nicht im Detail eingehen. Es bedarf nicht Ihrer Aufforderung, dass wir uns mit den Briten, den Franzosen, den Spaniern, den Polen, den Slowenen, den Ungarn und mit wem auch immer - nur, um einmal abzuarbeiten, mit wem wir in den letzten Tagen und Wochen über diese Fragen gesprochen haben - treffen; denn diese Treffen sind selbstverständlich. Ich möchte unterstreichen: Die irische Präsidentschaft hat unser volles Vertrauen. Ich denke, ihr Verfahrensvorschlag und ihr Engagement verdienen jede Unterstützung. Diese erhält sie von uns auch. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, eines verstehe ich aber nicht: Die Probleme liegen nicht beim Konvent, sie liegen bei der Umsetzung der Ergebnisse. Es geht um den Weg vom Konvent in die Nationalstaaten, also in die an der Regierungskonferenz beteiligten Regierungen. Sie sagen, entweder müsse die Umsetzung in diesem Frühjahr geschehen oder wir brauchten einen neuen Konvent. Ich begreife nicht, wie uns das helfen sollte. Im Grunde genommen würde dadurch die Tür für einen gewaltigen Rückschritt geöffnet werden. Jeder, der den Verfassungsprozess eher nicht wollte - ich will das Gegenteil; ich unterstütze diesen Prozess voll -, müsste eigentlich auf Ihren Vorschlag eingehen. Er müsste bis Sommer blockieren, um danach einen neuen Konvent durchzuführen. Dann würde er den Faden neu aufziehen. Am Ende gäbe es dann aber gar nichts. Davor möchte ich hier nachdrücklich warnen. Ehrlich gesagt scheint mir das nicht sinnvoll. ({7}) Wir befinden uns hier in einer schwierigen Situation. Herr Kollege Altmaier, ich möchte Ihnen nicht ausreden, das zu verbinden. Die Irakposition der Union ist im Volk wirklich sehr mehrheitsfähig. Deshalb wünsche ich mir, dass Sie sie möglichst oft und möglichst laut in möglichst vielen Varianten vertreten. ({8}) Wie Sie angesichts der Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, die Position der Bundesregierung in diesem Punkt noch kritisieren können, verstehe ich nicht. Das geht nur um den Preis des völligen Gedächtnisverlustes bezogen auf Ihre eigene Position. Ich möchte die Irakposition hier aber weiß Gott nicht weiter diskutieren. Ich freue mich ausdrücklich, dass die CDU die Türkeifrage jetzt wesentlich realistischer sieht. Bei der CSU ist das ganz offensichtlich noch anders einzuschätzen. Ihrer Meinung nach soll der Beitritt der Türkei abgewehrt werden. Das Thema wird emotionalisiert, obwohl wir hier über eine langfristige Perspektive reden und es um eine rationale Abwägung geht. Ich kann Ihnen eines prophezeien: Das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil: Die Zusagen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, wurden unter Teilhabe der CSU in allen Bundesregierungen gemacht. ({9}) Wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ich freue mich über die Unterstützung des Bundestages, der an der Notwendigkeit einer Verfassung festhält. An der Kompromissbereitschaft und am Engagement der Bundesregierung wird es nicht mangeln, der irischen Präsidentschaft zum Erfolg zu verhelfen. Ich wünsche mir, dass wir unter der irischen Präsidentschaft zu einer Einigung kommen. Aber wenn nicht, dann wird die niederländische Präsidentschaft, die sich darauf schon vorbereitet, in der Pflicht sein. Ich wünsche mir eine Lösung noch in diesem Frühjahr. Ich denke, die Chancen dazu bestehen. Was wir dazu beitragen können, werden wir tun. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Claudia Winterstein, FDP-Fraktion.

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die Agenda 2007 eingehen, weil dies in den kommenden Monaten in den einzelnen Mitgliedstaaten ein sehr wichtiges Diskussionsthema sein wird. Für die FDP ist eine tragende Säule des europäischen Einigungsprozesses das Prinzip der Solidarität unter den Mitgliedstaaten. Das heißt, die armen Mitgliedstaaten müssen selbstverständlich unterstützt werden. Solidarität bedeutet aber auch, dass den Nettozahlern und insbesondere Deutschland, das die finanziellen Folgen der Wiedervereinigung zu tragen hat und den Stabilitätspakt dreimal gebrochen hat, nicht zu viel aufgebürdet wird. Auch unsere Leistungsfähigkeit hat Grenzen. Insofern ist aus Sicht der FDP die Forderung der Bundesregierung, die Ausgabenplanung der EU auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu begrenzen, völlig richtig. Offensichtlich scheinen dies die Grünen nicht ganz so zu sehen, denn Herr Steenblock hat vorgestern den Vorschlag der Kommission für die Erhöhung der EU-Ausgaben als einen guten Kompromiss bezeichnet. Ich frage mich: Was gilt nun eigentlich? Die Bundesregierung hat noch im Dezember von 1 Prozent gesprochen. Herr Steenblock scheint nun die Grenze von 1,15 Prozent für richtig und gut zu halten. Jedenfalls setzt offenbar die Kommission darauf, für die neuen Aufgaben zusätzliches Geld zu bekommen. Das ist aber unserer Meinung nach der falsche Weg. Es darf nicht darum gehen, einfach aufzustocken. Das Ziel muss sein, intelligent und zukunftsorientiert umzustrukturieren. Einige Punkte will ich hierzu nennen. Die Vielzahl der Fonds und Fördertöpfe muss verringert werden, um mehr Transparenz zu schaffen und zu einem effizienteren Mitteleinsatz zu kommen. ({0}) Wir brauchen auch eine neue Prioritätensetzung, zum Beispiel für die Bereiche Forschung, Transeuropäische Netze, Sicherung der Außengrenzen und Kriminalitätsbekämpfung. Diese neuen Aufgaben müssen natürlich angemessen ausgestattet, aber aus den vorhandenen Mitteln bezahlt werden. Ebenso müssen wir von der Gießkannenförderung weg und die Mittel tatsächlich auf die Schwächsten konzentrieren. Dabei ist klar, dass es Übergangsregelungen für diejenigen geben muss, die dann aus der Förderung herausfallen. Die FDP ist dafür, dass der Kohäsionsfonds mit der nächsten Finanzperiode, also bis 2013, langsam ausläuft. Es muss auch so sein, dass andere Länder, nämlich die armen neuen Mitgliedstaaten, noch in den Genuss dieses Fonds kommen. Die Länder Griechenland, Spanien, Portugal und Irland dürfen diese Gelder nicht weiterhin erhalten. ({1}) Die EU schiebt einen Berg von über 100 Milliarden Euro an bewilligten, aber nicht abgeflossenen Mitteln vor sich her. Das ist ein gesamter Jahreshaushalt der EU. Es hapert offensichtlich entweder an förderfähigen Projekten oder an der Kofinanzierung der Empfängerländer. Das ist alles andere als eine effektive Einsetzung von Geldern. Daher fordern wir generell kurze Verfallsfristen für die Mittel, die die EU für Projekte bereitstellt, wie es zum Beispiel neuerdings bei den Strukturfonds der Fall ist. Hier beträgt die Verfallsfrist drei Jahre. Ich halte das für einen guten Weg, um die Gelder wirklich abfließen zu lassen. Zurzeit gibt es Staus von über acht Jahren. Das halte ich für einen unhaltbaren Zustand. ({2}) Die Verhandlungen mit den Ländern werden sicher nicht leicht werden. Wir wissen, dass die Diskussion auch um andere Dinge geht. Es wird festzustellen sein, inwieweit Kompromisse gefunden werden können. Dennoch lautet unsere Forderung: umstrukturieren statt aufstocken. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Gernot Erler, SPDFraktion.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben in diesem Jahr einen Höhepunkt des europäischen Wiedervereinigungsprozesses, eines Prozesses von historischer Dimension. Wir werden aber nicht den Abschluss dieses Prozesses erleben. Verfassungsfragen und Finanzfragen sind außerordentlich wichtig und es ist bitter, dass die Probleme im Moment nicht gelöst sind. Diese Probleme dürfen aber dem historischen Prozess nicht in die Speichen greifen. Ich möchte für meine Fraktion erklären, dass ich doch sehr besorgt bin, dass einige Äußerungen gerade aus letzter Zeit aus den Reihen der CDU/CSU exakt die Funktion des In-die-Speichen-Greifens haben und die Probleme damit vergrößern. Wir sind uns dessen bewusst, dass die Erweiterung der Union von 15 auf 25 ein schwieriger Prozess wird, aber wir dürfen dabei nie vergessen, welche enormen Schwierigkeiten in den Staaten überwunden worden sind, die jetzt das Recht auf Integration in die Europäische Union erworben haben. ({0}) Diese zwölf Jahre sind geprägt von einer enormen, respektablen Leistung. Die müssen wir in Beziehung zu den Problemen setzen, die wir vor uns haben. Das Mindeste, womit wir auf diese Leistung reagieren, ist, dass dieser Integrationsprozess verlässlich bleibt und dass die Zusagen und Zeitpläne eingehalten werden. In diesem Zusammenhang muss ich feststellen, dass eine Infragestellung dieser Zeitpläne oder gar eine dumpf-populistische Ausgrenzungspolitik die falschen Antworten auf die Verfassungskrise sind. ({1}) Da muss ich eine Frage an Sie, Herr Wissmann, stellen. Sie sind immerhin Vorsitzender des europapolitischen Ausschusses. Sie haben Mitte Dezember plötzlich die von der EU beschlossenen Zeitpläne für Bulgarien und Rumänien infrage gestellt. Wieso tun Sie das? Herr Stoiber hat vor drei Tagen plötzlich von der Notwendigkeit einer Erweiterungspause nach 2007 gesprochen. Wissen Sie eigentlich, was Sie damit anrichten? Wissen Sie eigentlich, wie viel Millionen von Menschen Sie mit solchen unverantwortlichen Äußerungen verunsichern? Haben Sie eigentlich vergessen, welche friedenspolitische Bedeutung dieser ganze Integrationsprozess in den vergangenen zwölf Jahren hatte? ({2}) Es gibt eine gesplittete Entwicklung in Osteuropa, wo die Integrationsperspektive einerseits tatsächlich zur Lösung von Nachbarschaftskonflikten und Minderheitenkonflikten geführt hat. Andererseits wissen wir heute ganz genau, dass die Probleme auf dem Balkan mit vier blutigen Kriegen auch etwas mit dem Fehlen einer gemeinsamen europäischen Politik und mit dem Fehlen einer Integrationsperspektive zu tun hatten. Deswegen hat die EU ihre Politik auch geändert. Denken Sie einmal an die Folgekosten von diesen Konflikten, wenn Sie schon über Kosten reden. Alleine für Bosnien-Herzegowina hat die Weltgemeinschaft seit 1995 mehr als 10 Milliarden Euro ausgegeben. Das wird weitergehen. Die Kosten fallen auch im Kosovo, in Mazedonien und in der ganzen Region an. Der Integrationsprozess ist also auch ein Kosten sparender Prozess, ganz nebenbei gesagt. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wissmann?

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Wissmann, bitte schön, gerne.

Matthias Wissmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Erler, darf ich Sie fragen, wie Sie eigentlich auf die Idee kommen, den Eindruck zu erwecken, ich hätte mich gegen die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien gewendet, wenn ich die Frage gestellt habe - die stelle ich auch hier -, wie wir eine weitere Erweiterung der Europäischen Union verantworten können, ohne vorher zu der von uns geforderten Vertiefung gekommen zu sein? Es ist doch wohl eine gemeinsame Position in diesem Haus, dass wir genau wissen, dass es zwei Seiten einer Medaille gibt, nämlich Vertiefung und Erweiterung. Dass jeder von uns die Erweiterung um Bulgarien und Rumänien wünscht, wenn die Bedingungen erfüllt sind, ist doch nie im Zweifel geblieben.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Wissmann, schauen Sie einmal in die „Berliner Zeitung“ vom 16. Dezember letzten Jahres. Darin werden Sie lesen, was Sie selber gesagt haben, nämlich dass Sie diesen Zeitplan infrage stellen. Sie wissen, dass ich mich besonders mit diesen beiden Ländern beschäftige. Was Sie gesagt haben, ist unheilvoll. Es ist nicht mehr möglich, die von Ihnen verursachten Wogen wieder zu glätten. Ihre Äußerung ist unverantwortlich. Es gibt zwar durchaus einen Zusammenhang zwischen Integrations-, Erweiterungs- und Vertiefungsprozess, aber es geht nicht an, den Zeitplan infrage zu stellen. Der Zeitplan hängt doch nur noch davon ab, ob die betreffenden Länder ihre Vorbereitungen für den Beitritt in den entsprechenden Kapiteln - das sind für Bulgarien sechs und für Rumänien noch elf - tatsächlich abschließen. Dann muss es möglich sein, dass die Zusagen, die diesen Ländern gegeben wurden, erfüllt werden. Das kann nicht wegen der Verfassungskrise infrage gestellt werden. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger?

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Erler, im Europaausschuss befassen wir uns intensiv mit der Fortführung der Erweiterung der Europäischen Union um Bulgarien und Rumänien. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass Kommissar Verheugen, als er das letzte Mal an einer Sitzung des Europaausschusses teilgenommen hat, uns, den Abgeordneten, gegenüber deutlich gemacht hat, dass er nicht richtig nachvollziehen könne, warum von den Volksvertretern das Jahr 2007, sozusagen in Stein gemeißelt, als Datum für den Beitritt von Bulgarien und Rumänien gesetzt worden ist. Ich frage Sie, inwiefern Sie die Position von Herrn Verheugen, der unserer Meinung nach eine hervorragende Politik betrieben hat, die am 1. Mai zum Beitritt der zehn Länder führen wird, teilen und ob Sie auch der Auffassung sind, dass der Abschluss der Vorbereitungen in den einzelnen Kapiteln entscheidend für den Vollzug der Erweiterung ist.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darin stimme ich Ihnen völlig zu. Das habe ich doch gerade gesagt. Das entscheidende Kriterium muss sein, ob die Beitrittsvoraussetzungen erfüllt werden. ({0}) Es gibt - das weiß Herr Verheugen ebenso gut wie Sie und ich - sehr klare Voraussagen, dass die Verhandlungen mit Bulgarien sogar noch in diesem Jahr und die mit Rumänien auf jeden Fall im nächsten Jahr abgeschlossen werden können. Insofern sieht die Lage sehr gut aus. Welchen Sinn hat es, diese Länder und ihre politischen Eliten, die diesen Verhandlungsprozess mit einem großen persönlichen Risiko führen, zu verunsichern, indem die Entscheidung, die in der EU schon gefällt worden ist, nämlich dass der Januar 2007 als Zielgröße gilt, jetzt wieder infrage gestellt wird? Das ist doch nichts anderes als populistisches Gequatsche - wenn ich das einmal so nennen darf - im Zusammenhang mit der Europawahl. ({1}) - Ich kenne Herrn Verheugens Position zu Bulgarien und Rumänien sehr gut und weiß, dass er diesen Beitrittsprozess nicht infrage stellt. Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes anmerken. Ich habe vorhin über die Kosten gesprochen. Die Erfahrung hinsichtlich der Friedenspolitik und der nach Beendigung von Konflikten anfallenden Kosten hat zu einer Veränderung der europäischen Strategie geführt. Die Europäische Union verfolgt derzeit nur zwei Strategien: Eine Strategie verfolgt die Erweiterung und den Integrationsprozess. Dabei ist völlig klar, dass Bulgarien und Rumänien eine völlig unzweideutige Zusage gegeben werden muss, immer vorausgesetzt, dass die Beitrittsbedingungen im Laufe der Verhandlungen erfüllt werden. Noch in diesem Jahr wird über den Beginn von Verhandlungen mit der Türkei entschieden. Auch mit den fünf so genannten Westbalkanstaaten stehen Verhandlungen an. Kroatien hat schon einen entsprechenden Antrag gestellt, den die EU bis spätestens April dieses Jahres beantworten wird. Wir erwarten demnächst einen Antrag von Mazedonien. Des Weiteren sind Serbien/Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien zusammen mit den beiden anderen Ländern im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess. Seit dem Europäischen Rat von Thessaloniki ist klar, dass auch das eine Integrationsperspektive darstellt. Die andere Strategie der EU besteht in der vertieften Nachbarschaft, die sich auf die außerhalb der Europäischen Union liegenden Länder, das „Wider Europe“, bezieht. Eine dritte Strategie gibt es nicht. Ihre Kopfgeburten einer privilegierten Partnerschaft oder Ähnliches bedeuten einen europäischen Sonderweg. Ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie auf, sich für einen europäischen Sonderweg einzusetzen! Europa wird seine Identität im Hinblick auf Frieden, Stabilität und Wohlstand wahren, wenn es bei der Verlässlichkeit der Aussagen zur Integration bleibt und wenn der Geleitzug der europäischen Integration nicht bei der ersten großen Krise - in der wir uns zurzeit befinden - aus der Spur gerät. Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, auf das Datum des Europawahlkampfes zu schielen! Hören Sie auf, für das beifällige Nicken von einigen Stammtischen die bisherige Verlässlichkeit infrage zu stellen! ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Schäuble, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist wichtig, in dieser Debatte noch einmal klar zu sagen - Peter Altmaier, der Bundesaußenminister und auch andere haben darauf schon hingewiesen -, dass die Erweiterung der Europäischen Union um zehn weitere Mitglieder am 1. Mai dieses Jahres nicht nur etwas ist, was historisch bedeutsam ist und was die europäische Spaltung überwindet, sondern auch etwas ist, was im deutschen Interesse ist und was uns in die Lage versetzt - das ist historisch fast einmalig -, alte Teilungen zu überwinden und eine bessere Zukunft zu gestalten. Deswegen ist es gar keine Frage, dass das, was am 1. Mai geschehen wird, in unserem gemeinsamen europäischen und nicht zuletzt in unserem nationalen Interesse liegt. ({0}) Herr Kollege Erler, trotz der Einigkeit über die Bedeutung dieses Datums ist es auch wahr, dass ein Großteil der Menschen der heutigen - das gilt auch für Deutschland - und der künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch nicht so sehr davon überzeugt ist wie - hoffentlich - Sie, ich und alle anderen in diesem Hohen Hause. Wir werden viel Arbeit haben, um die Menschen zu überzeugen, dass dies in unser aller Zukunftsinteresse liegt und das Beste ist. Im Hinblick darauf ist es gefährlich, so wie Sie schon von den nächsten Beitritten zu sprechen. Wir müssen zuerst die Europäische Union nach der Erweiterung um zehn neue Mitglieder - das ist ein historischer Schritt - ein Stück weit konsolidieren. ({1}) Ich rate hier zu äußerster Vorsicht. Sie könnten sonst die Zustimmung der Bevölkerung zu dem europäischen Projekt mehr gefährden, als Sie und wir das wollen. Es ist besonders tragisch - darauf hat Peter Altmaier bereits hingewiesen -, dass sich Europa ausgerechnet in dieser historischen Situation in einer schweren Krise befindet. Das macht es nicht leichter, sondern schwieriger. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Ein Grund war das unterschiedliche Verständnis der Regierungen der heutigen und der künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Hinblick auf das Verhältnis Europas zur atlantischen Partnerschaft und im Hinblick auf die Rolle Europas angesichts der globalen Probleme. Es ist gut, dass wir dabei sind, dies zu überwinden. Aber das war eine der Ursachen. Eine andere Ursache ist natürlich der Streit über den Stabilitäts- und Wachstumspakt gewesen. Der Bundesaußenminister war gestern anlässlich des 200. Todestags von Immanuel Kant in Königsberg; das war auch gut so. Aber gegen den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant ist verstoßen worden. Der Bundesfinanzminister hat gesagt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt sei nicht erfunden worden, um auf Deutschland angewandt zu werden. Ich kann dazu nur sagen: Die Regeln dieses europäischen Paktes gelten für große und kleine Staaten gleichermaßen. Das ist die Grundlage für Vertrauen. Wer dagegen verstößt, gefährdet das europäische Projekt. ({2}) Beim Streit über die künftige Finanzausstattung der Europäischen Union - das ist in dieser Woche im Europaausschuss deutlich geworden - sind zwei Pole genau zu bedenken. Auf der einen Seite ist es wahr, dass dann, wenn alle öffentlichen Haushalte, also die des Bundes, der Länder und der Kommunen, der Notwendigkeit der Begrenzung von Ausgabezuwächsen unterliegen, dies auch für den europäischen Haushalt gelten muss. Das muss die Europäische Kommission verstehen und akzeptieren. Aber wir müssen natürlich auf der anderen Seite sehen, dass in den neuen Bundesländern - da sehen wir übrigens, wie schwer es ist, solche historischen Erweiterungen wirklich zu konsolidieren - noch immer erhebliche Nachteile gegenüber den alten Bundesländern bestehen. Wir hätten vor 15 Jahren vielleicht gar nicht geglaubt, dass es so sein würde, aber es ist die Wahrheit. Deswegen darf bei den Menschen in den neuen Bundesländern natürlich unter gar keinen Umständen der Eindruck entstehen, dass ausgerechnet sie nun durch Verzicht auf die Regionalförderung, die sie bisher aus Brüssel bekommen haben, die Zeche für die Osterweiterung bezahlen sollen. ({3}) So reden die Menschen. Darauf muss man die richtigen Antworten finden und darf nicht einfach sagen - das macht überhaupt keinen Sinn -, man dürfe vor Stammtischen nicht einknicken. Bei der neuen Prioritätensetzung muss man mit der Kommission der Europäischen Union noch einmal intensiv darüber reden - anders wird es wohl nicht gehen -, ob denn ihr Verständnis, dass jede mitgliedstaatliche Zuständigkeit für Regionalförderung gegen das Prinzip von Wettbewerb und Binnenmarkt verstößt, richtig ist. Das ist, glaube ich, der falsche Weg. Wenn wir in der europäischen Politik neue Prioritäten setzen müssen - das müssen wir mit der Erweiterung -, dann müssen wir den Spielraum für Regionalförderung durch Mitgliedstaaten und Regionen erweitern. Das eine bedingt das andere. Das hängt zusammen. Nur so geht es. ({4}) Um aus diesen Krisen herauszukommen, die sich beim Scheitern des Brüsseler Gipfels gezeigt haben, müssen wir natürlich auch daran arbeiten, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Die Bundesregierung hat da eine Menge zu tun. Auf die Kritik von Peter Altmaier, die Bundesregierung sei an diesen Krisen mit schuldig, hat Herr Steenblock gesagt: Aber sie hat sich doch im Verfassungskonvent so sehr um die Verfassung bemüht. - Das hat sie getan, aber das ist keine Antwort auf die Kritik von Peter Altmaier. Die Bundesregierung hat sich im Verfassungskonvent in der Tat bemüht. Wir unterstützen sie auch darin, dass die Blockademöglichkeiten, die der Nizza-Vertrag bietet, abgebaut werden müssen. Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Aber das ändert eben nichts daran, dass die Bundesregierung in anderer Beziehung Fehler gemacht hat und dass als Folge davon Vertrauen zerstört worden ist. ({5}) - Beim Stabilitätspakt zum Beispiel. Dass die Regeln nicht für alle in gleicher Weise gelten, hat unglaublich viel Vertrauen zerstört - bei Großen und bei Kleinen. ({6}) Ich könnte vieles aufzählen, will es aber gar nicht tun. ({7}) - Der Bundesfinanzminister - er heißt noch immer Eichel - hat gesagt, der Stabilitätspakt sei doch nicht erfunden worden, um auf Deutschland angewandt zu werden; er gelte für kleine Länder, aber nicht für Deutschland. So zerstört man Vertrauen. Das dürfen wir nicht fortsetzen. Das müssen wir korrigieren. ({8}) Die Polen haben nicht zuletzt in den Auseinandersetzungen von Frankreich und Deutschland den Eindruck gehabt, sie hätten nicht die gleichen Rechte, sie seien nicht gleichwertig. Ich würde Sie wirklich um eines bitten: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Beschädigungen im wichtigen deutsch-polnischen Verhältnis, das gut entwickelt war, wieder ein Stück weit repariert werden! Hören Sie nun wirklich auf, die Initiative für ein Zentrum gegen Vertreibungen für die Beschädigung des deutsch-polnischen Verhältnisses verantwortlich zu machen! Das ist nun wirklich ein grober Unfug. ({9}) - Frau Schwall-Düren, Sie hatten ja gleich gesagt: die CDU/CSU. Die Frau Steinbach ist eine sehr geschätzte Kollegin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; das ist wahr. ({10}) Aber Peter Glotz ist bedauerlicherweise immer noch Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Es ist doch eine überparteiliche Initiative. Hören Sie vor allem auf, einigen in Polen die Ausrede zu liefern! Dabei ist es doch so, dass sie sich selber vor manchen Aufgeregtheiten ein bisschen schützen müssen. Die Parole „Nizza oder der Tod“ war auch eine Übertreibung. Es gibt Übertreibungen, nicht nur auf einer Seite. Sagen Sie Ihrem Parteifreund Verheugen, er solle aufhören, in einer unverschämten Weise solche Interviews zu geben wie das, das am Mittwoch in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war! Wir lassen das nicht zu! ({11}) - Ich kann es Ihnen vorlesen - ich habe es dabei -, will es aber gar nicht tun. Die Erklärung der beiden Staatsoberhäupter, des polnischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundespräsidenten, zu dieser Frage war doch wirklich versöhnend und weiterführend. Diese Erklärung ist von der Präsidentin des Bundesverbands der Vertriebenen, der Kollegin Erika Steinbach, ausdrücklich begrüßt und unterstützt worden. Deswegen sollten wir es dabei belassen. Mit einer - falschen - Legende zu den Ursachen der Schwierigkeiten im deutsch-polnischen Verhältnis machen wir die Dinge nicht besser, sondern erschweren sie eher. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, das sensible Thema der Vertreibungen im europäischen Kontext mit Polen und Deutschen gemeinsam in einer Weise zu lösen, die die Zukunft besser und nicht schwieriger macht! Aber lassen Sie uns auch daran arbeiten, dass die Europapolitik der deutschen Bundesregierung keinen Schaden anrichtet. ({12}) Herr Kollege Roth, Sie sind in dieser Debatte darauf eingegangen, welchen Beitrag - Modelle der Sozialpolitik, der Bildungspolitik usw. - Europa leisten muss. Was Sie dazu gesagt haben, mag alles richtig sein. Ich füge hinzu: Bei manchen Punkten bin ich ganz froh, dass nicht alles auf europäischer Ebene, sondern im Sinne der Subsidiarität und der Vielfalt durch die Mitgliedstaaten geregelt wird. ({13}) Der wichtigste Beitrag, den Europa in diesem und in den kommenden Jahren leisten muss - auch um die Menschen für die Notwendigkeit des europäischen Projekts zu gewinnen -, ist ein Beitrag zu globaler Stabilität. Angesichts der globalen Herausforderung werden wir uns entscheidend darauf konzentrieren müssen, die europäische Rolle im transatlantischen Verhältnis zu stärken. In diesen Zusammenhang gehört natürlich die Osterweiterung; das ist gar keine Frage. Europa wird keine globale Rolle spielen, wenn es nicht einmal in der Lage ist, die Teilung des europäischen Kontinents zu überwinden. Wir sollten aber auch die Chancen sehen. Ich habe in der gestrigen Ausgabe der „Zeit“ mit großem Interesse einen Aufsatz von Robert Kagan - über Äußerungen von ihm haben wir oft in anderen Zusammenhängen diskutiert - gelesen. In diesem Aufsatz steht Folgendes: Um den globalen Bedrohungen der Welt begegnen zu können, benötigen die Amerikaner die Legitimität, die Europa ihnen verschaffen könnte. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist geradezu eine flehentliche Bitte von amerikanischer Seite - man lernt dort auch aus Fehlern, die jenseits des Atlantiks gemacht worden sind - nach einem einigen, handlungsfähigen und stärkeren Europa. Wir werden uns in den europäischen Debatten vor allen Dingen darauf konzentrieren müssen. Auch deswegen möchte ich von der Bundesregierung, und zwar nicht nur durch den Sprecher der Bundesregierung in Bundespressekonferenzen, etwas Genaueres zu der angeblichen deutschbritisch-französischen Initiative, verschiedene Bataillone für schnelle Eingreifreserven aufzustellen, hören. Herr Bundesaußenminister - wenn ich richtig informiert bin, waren Sie gestern nicht nur in Kaliningrad, in Königsberg, sondern auch in Moskau -, ich hätte von Ihnen gern etwas zu den Meldungen gehört, Moskau mache im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung Schwierigkeiten. Vor allen Dingen sollte man im europäisch-atlantischen Bündnis darüber nachdenken, was wir gemeinsam tun können, um mit Russland besser zusammenzuarbeiten, damit es mehr Verantwortung - das gilt sogar für seine Rolle im Nahen und Mittleren Osten übernimmt. Wir haben eine sehr gute Chance, Russland, das sich in einer kritischen Phase der Entwicklung befindet, in einer positiven Weise zu beeinflussen, wenn wir die Position vertreten: Wir brauchen die Partnerschaft mit Russland; Russland muss an Initiativen wie derjenigen, die in München vorgestellt worden ist - Stichwort „Greater Middle East“ -, teilnehmen; wir beziehen Russland ein; wir nehmen Russland in die Verantwortung; aber wir erwarten von Russland auch einen konstruktiven Beitrag, der dem Verständnis von Russland als einer Großmacht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gerecht wird; Russland muss mitverantwortlich sein. Das umzusetzen ist eine der großen Aufgaben eines Europas, das sich als Teil der atlantischen Partnerschaft versteht. ({14}) Wenn wir europäische Politik so betreiben, dann leisten wir einen Beitrag zur globalen Stabilität und zur Friedenssicherung. Wenn die Menschen Europa als ein Projekt zur Herstellung von globaler Stabilität und Frieden verstehen, dann werden sie dieses Projekt auch weiterhin unterstützen. Vielen Dank. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Petra Pau das Wort.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Osterweiterung und die Annahme einer EU-Verfassung sollten einen Höhepunkt in der Geschichte Europas werden. So klang es bei Hofe; doch die Glocken im Lande wollen einfach nicht jubeln. Zu Missklängen im Zuge des Irakkrieges gesellte sich Krach um die künftige Hausordnung in Europa. Hinzu kommt jetzt Zoff um die gemeinsame Kasse. Es knirscht in nahezu allen Säulen, die das europäische Werk stützen sollen. Außerdem sinkt das Interesse der Bevölkerung, auch der deutschen, an der EU. Das ist im Vorfeld von Wahlen kein gutes Omen. Selbst die Medien überschlagen sich mit Eilmeldungen vom USA-Vorvorwahlkampf, während die anstehenden Europawahlen überhaupt keine Notiz wert sind. Das alles spricht für eine gründlichere Aussprache im Deutschen Bundestag, zumal ich davon ausgehe, dass alle hier vertretenen Parteien proeuropäisch sind; die PDS ist es jedenfalls. ({0}) Genau diese proeuropäische Position nährt allerdings auch unsere Kritik an aktuellen und grundsätzlichen Fragen der EU-Debatte. Sie beginnt beim vorliegenden Verfassungsentwurf. Er enthält vieles, was zu mehr DemoPetra Pau kratie und zu mehr Transparenz führen kann. Das begrüßen wir ausdrücklich. Er enthält aber auch eine Selbstverpflichtung zur Hochrüstung und Militarisierung der EU. Das ist einmalig und widersinnig; das lehnt die PDS im Bundestag ab. ({1}) Ich weiß, über diesen Punkt reden Sie von Rot-Grün nicht gerne; oder Sie reden, wenn doch, diesen Punkt der Verfassung schön. Wahrscheinlich ist das aber auch der wahre Grund, warum SPD und Grüne eine Volksabstimmung in Deutschland über die EU-Verfassung auf jeden Fall verhindern wollten. Dann sollten Sie allerdings in der Debatte nicht weiter so tun, als seien SPD und Grüne die Parteien, die für mehr Demokratie und Bürgerrechte in Europa eintreten. Sie tun es nicht. ({2}) Mit der konservativen Opposition müssen wir, wie ich denke, zwei andere Punkte klären. Einerseits gerieren Sie sich als oberste Hüter des so genannten Stabilitätspaktes. Dieser Pakt schafft aber keine Stabilität, er nimmt politische Spielräume und verhindert so eine aktive Politik gegen die Massenarbeitslosigkeit. Deshalb war die PDS schon immer gegen eine Stabilitätspolitik, die zwar Bankgeschäfte bedient, aber für soziale Fragen völlig taub ist. Vor diesem Hintergrund komme ich zur aktuellen Finanzdebatte. Die EU-Kommission rechnet überschaubar. Sie sagt, die EU wird größer, also muss auch ihr Haushalt wachsen. Finanzminister Eichel rechnet ebenso übersichtlich. Er sagt, wir müssen Schulden abbauen, also können wir nicht noch mehr Geld an die EU abführen. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Beide Argumente gehen am tatsächlichen Problem vorbei. Der Stabilitätspakt ist eine Fessel, keine Hilfe. Die fehlenden Finanzen resultieren wiederum aus einer falschen Steuerpolitik; darüber haben wir gestern sehr ausführlich diskutiert. So entpuppt sich das vermeintliche EU-Problem als ein hausgemachtes Problem. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der ungeklärte Streit über die Zukunft der EU wird allerdings auch nicht in dem auf Eis liegenden Verfassungsentwurf geklärt. Zweimal ist in ihm von der Marktwirtschaft als bestimmender Wirtschaftsordnung die Rede. Einmal ist von einer sozialen Marktwirtschaft die Rede und ein weiteres Mal von einer offenen Marktwirtschaft. Ich wiederhole gern: Die PDS setzt sich strikt für eine soziale Marktwirtschaft und konsequent gegen eine offene Marktwirtschaft ein. Ich fürchte, dass da unsere Auffassung nicht mit der der FDP, die auch heute vorgetragen wurde, übereinstimmt. Es ist aber keine abstrakte Frage, ob die Wirtschaft sozialen Zielen verpflichtet ist oder ob das Soziale untergeordnet oder gar gestrichen wird wie bei der Agenda 2010. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik für die EU gewinnen wollen - die PDS will dies -, dann kommen Sie um die soziale Frage nicht herum. Nun komme ich zum Schluss noch zu einer innenpolitischen Frage im engeren Sinne. Es ist unübersehbar, wie auch auf EU-Ebene die Bürgerrechte und der Datenschutz ausgehöhlt werden. Immer offensichtlicher ist, dass die Bundesrepublik hierbei zur Avantgarde gehört. Das trifft leider auch mit umgekehrtem Vorzeichen bezüglich der Haltung gegenüber einer humanen Flüchtlings- und Asylpolitik zu. Der nach wie vor anhaltende Streit um ein Zuwanderungsgesetz spiegelt hier nur die Auseinandersetzung um die zukünftige Haltung der EU wider: entweder human und weltoffen oder aber borniert geschlossen. Der aktuelle Stand - das sagt nicht nur die Europaabgeordnete der PDS, Sylvia-Yvonne Kaufmann - ist einfach niederschmetternd. Otto Schily und andere aus der Bundesregierung haben daran aktiv Anteil. Es gibt also viele gute und auch drängende Gründe, gründlicher über die künftige EU zu diskutieren, als es Ihnen bisher notwendig erschien. Die PDS wird es jedenfalls als Pro-Europa-Partei im beginnenden Wahlkampf tun. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Axel Schäfer, SPDFraktion.

Axel Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003624, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns so ernsthaft über Europa reden, wie es der Situation angemessen ist, und lassen Sie uns vor allen Dingen keine Krise herbeireden. Krise, das war Anfang 1999, als die Kommission zurücktrat, als wir im Kosovo zum ersten Mal in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt waren, als wir einen neuen finanziellen Rahmen bis 2006 schaffen mussten. Diese Krise ist durch diese Bundesregierung bewältigt worden. Wir haben gute Entscheidungen getroffen, was die Kommission, den Kosovo, die Friedenspolitik und die Finanzen anbelangt. Deshalb sollten wir die heutigen Schwierigkeiten nicht zu einer Krise hochreden, weil wir damit die Situation in Europa falsch beschreiben. ({0}) Ein Wort zur Klage gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dazu ist alles gesagt, was die Kommission anbelangt, die tatsächlich auf dem falschen Dampfer ist. Alles gesagt hat derjenige, der damals, als der Pakt geschlossen worden ist, führend mit dabei war: JeanClaude Juncker, luxemburgischer Ministerpräsident. Er ist Christdemokrat; vielleicht sollten die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU einmal lesen, was er gesagt hat; denn das bestätigt exakt die Position der deutschen Bundesregierung. Und das ist auch gut so. ({1}) Axel Schäfer ({2}) Lassen Sie mich zur finanziellen Vorausschau kommen. Es war richtig, dass sechs Länder Position bezogen haben: Großbritannien, Frankreich, Österreich, die Niederlande, Schweden und Deutschland. ({3}) Es war richtig, weil damit klar geworden ist, dass wir eine Balance finden müssen zwischen den Notwendigkeiten in Europa einerseits und den Zwängen in den Haushalten, auch den nationalen, andererseits. Dass es richtig war, sieht man vor allem, wenn man sich die Entwicklung in den letzten zehn Jahren anschaut: Der prozentuale Anteil an der Verpflichtungsermächtigung auf der Ebene der EU ist von 1,27 auf 1,08 Prozent gesunken. Bei den realen Ausgaben liegen wir bei 0,98 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die deutsche Position, die richtigerweise in Zusammenarbeit mit anderen Ländern eingenommen worden ist, ist damit bestätigt worden. Ich sage, gerade weil es um die Solidarität in Europa - nicht nur, wie bisher, mit 15, sondern mit 25 Staaten geht: Es gibt eine Reihe der so genannten neuen Mitgliedstaaten, die die Positionierung bei 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens für richtig halten. Es musste berücksichtigt werden, inwieweit die nationalen Haushalte die Mittel für Europa aufbringen können. Die neuen Staaten dürfen nicht überfordert werden. Wir müssen fordern und fördern, wie dürfen aber nicht überfordern. Deshalb ist der Weg richtig. ({4}) Wir sind ein Stück vorangekommen, was die Umstrukturierung und neue Prioritätensetzung im europäischen Haushalt anbelangt. Wir werden bis 2013 den Agraranteil von 46 auf 37 Prozent senken. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt, der auf einer Position beruht, die wir gemeinsam vertreten. Ein spezieller Satz bezüglich einer deutschen Position in Europa. Es war gut - ich glaube, auch die Christdemokraten im Europäischen Parlament fanden das gut; ebenso sollten das die Christdemokraten im Deutschen Bundestag gut finden -, dass diese Bundesregierung unter schwierigsten Bedingungen entscheidend dazu beigetragen hat, dass ein Abgeordnetenstatut in Europa verhindert wurde, das uns und den Kolleginnen und Kollegen in Brüssel viele Probleme bereitet hätte. Obendrein ist gut, dass die deutsche Bundesregierung zu denen gehört, die bei der Frage des Anstiegs der Beamtenbezüge in Brüssel immer auf der Bremse stehen. Auch das spielt beim Thema Ausgaben und Sparmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen jetzt am Beginn des Prozesses zur Verabschiedung der finanziellen Vorausschau. Wir wollen und müssen pro Jahr 4 Prozent unseres BNP im Rahmen des Transfers von West nach Ost zahlen und mit 1 Prozent unseres Haushaltes zur Finanzierung Europas beitragen. Das ist alles richtig so, aber die Balance muss stimmen. Ich bin mir sicher, dass wir diese Balance hinbekommen; denn wir haben die Erfahrungen von 1999. 1999 war deutlich: Diese Bundesregierung trägt entscheidend zur Lösung von europäischen Problemen bei. Diejenigen, die das damals gemacht haben, sind - das ist eher die Ausnahme, wie Sie feststellen, wenn Sie sich die anderen europäischen Regierungen heute anschauen - auch heute noch die Akteure, nämlich Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesaußenminister Joschka Fischer. Ich habe großes Vertrauen in die beiden, dass sie es auch diesmal schaffen - gemäß unserer Prämisse, dass die europäische Einigung das wichtigste nationale Interesse Deutschlands ist. Das ist in der Tat gut so. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik und zur Änderung der Neuartige-Lebensmittel-und-Lebensmittelzutaten-Verordnung - Drucksache 15/2397 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({0}) Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Bundesministerin Renate Künast.

Renate Künast (Minister:in)

Politiker ID: 11003576

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben ein Paket zu Regelungen auf dem Gebiet der Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion geschnürt: Am Mittwoch hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus verabschiedet. Heute geht es um ein Gentechnik-Durchführungsgesetz der Koalitionsfraktionen, das Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht bei gentechnisch veränderten Organismen regelt. Ab 18. April ist also drin, was draufsteht. Wie Sie wissen - das will ich vorab erwähnen -, sind die zentralen Bausteine bereits auf EU-Ebene geregelt worden. Mitte der 90er-Jahre wurden Genehmigungen für das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderBundesministerin Renate Künast tem Mais und Soja in der EU erteilt. 2001 trat eine Freisetzungsrichtlinie in Kraft, die vor allem den Freilandanbau gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft regelt. Am 18. April dieses Jahres tritt die europäische Verordnung über die Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln in Kraft, was konkret bedeutet, dass ab dem 18. April 2004 in allen EU-Mitgliedstaaten alle Produkte gekennzeichnet werden müssen, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, egal in welchem Ausmaß. Die Kennzeichnungspflicht ist wesentlicher Bestandteil unserer und auch der europäischen Politik auf diesem Gebiet. Diese Kennzeichnung geschieht zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich bewusst für ein bestimmtes Produkt entscheiden wollen. Sie geschieht zum Schutz der Bäuerinnen und Bauern - dabei ist es egal, ob es sich um konventionelle oder um Ökolandwirte handelt -, die in Zukunft auf den Einsatz der Gentechnik verzichten möchten. Solche Kennzeichnungsregelungen schützen auch Hersteller und Weiterverarbeiter, die Produkte ohne Gentechnik auf dem Markt anbieten wollen und die für die gesamte Produktionskette zurückverfolgen müssen, dass keine Gentechnik eingesetzt wurde. Es ist daher angemessen, dass wir uns in dieser Woche noch einmal mit dem Thema Gentechnik in der Landwirtschaft beschäftigen. Es geht jetzt darum, wie sichergestellt werden kann, dass diese Regeln auch eingehalten werden. Die konkreten Fragen lauten: Was passiert bei Verstößen? Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher sicher sein, dass sich Produzenten an die Regeln halten? Das Gentechnik-Durchführungsgesetz, das jetzt auf der Tagesordnung steht, regelt genau das. Wir haben in diesem Gesetz Sanktionen und Zuständigkeiten klar und deutlich benannt. Dieses Gesetz sieht - dazu hat uns die EU aufgefordert - Strafvorschriften vor: Bußgelder bis zu 50 000 Euro bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht bei gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln und Haftstrafen bis zu drei Jahren bei schwerwiegenden Verstößen. Darunter fällt, dass mit nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen gehandelt wird. Wir regeln die Mitwirkung von Zolldienststellen und Stellen, die für Lebensmittelkontrollen zuständig sind. Auch deren gute fachliche Arbeit wird von herausragender Bedeutung sein. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das zeigt, dass Lebensmittelkontrollen funktionieren können. In Bayern wurden illegal aus Hawaii eingeführte Papayas sichergestellt. Aufgrund von Kontrollen konnte festgestellt werden, dass diese Produkte aus den USA, die hier keine Zulassung haben, auf den europäischen Markt gebracht worden sind. Wir haben uns an die Botschaft mit der Aufforderung gewandt, dafür Sorge zu tragen, dass das deutsche bzw. europäische Recht eingehalten wird. Sie sehen, die hochsensibilisierten Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land können sich darauf verlassen, dass wir und die Länder darauf achten, dass Lebensmittel- und in Zukunft auch Futtermittelkontrollen tatsächlich funktionieren. Nach Umfragen sagen 70 Prozent der Menschen in Deutschland, sie wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel kaufen. ({0}) Landwirte - da haben wir fast die gleiche Prozentzahl fragen sich an dieser Stelle, was eigentlich mit ihrem Acker passiert - deshalb sind diese Vorschriften wichtig -, wenn es zum Beispiel Auskreuzungen gibt oder einmal nicht sorgfältig gearbeitet wird. Wir alle wissen, dass es an dieser Stelle auch darum geht, den grundgesetzlich festgelegten Schutz des Eigentums für diejenigen sicherzustellen, die zum Beispiel nicht gentechnisch veränderte Organismen anbauen wollen. Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz im Gesamtkontext des Regelwerkes die dafür notwendigen Vorschriften geschaffen haben. Sie wissen, dass wir mit der Novelle zum Gentechnikgesetz und der damit verbundenen Verordnung, in der die gute fachliche Praxis geregelt wird und die die Haftungsregeln enthält, auch an anderer Stelle notwendige Sicherheitsvorschriften festlegen, dies immer unter dem Gesichtspunkt, dass man bei neuen Technologien darauf achten muss, dass in Zukunft auch noch die bisherigen Technologien praktiziert werden können und es nicht zu einer schleichenden Dominanz kommt. ({1}) Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wählen können. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist die Ergänzung zu dem, was am 18. April dieses Jahres starten wird. Dann wird nämlich jede Verbraucherin und jeder Verbraucher, jede Landwirtin und jeder Landwirt jeweils auf der Zutatenliste eines Produktes erkennen, welche Bestandteile enthalten sind. Auf der Zutatenliste muss dann nämlich bei dem entsprechenden Bestandteil stehen, dass zum Beispiel genetisch verändertes Soja, genetisch veränderter Mais oder genetisch verändertes Lecithin benutzt wurde. Das heißt, die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich täglich im Supermarkt anhand der Kennzeichnung entscheiden. Im Übrigen: Wider viele andere Behauptungen gelten diese Regeln ab dem 18. April auch für den Wochenmarkt und die Restaurants. ({2}) Man kann insgesamt sagen: Wir haben mit diesem Gentechnik-Durchführungsgesetz einen Beitrag dazu geleistet, die Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitsregeln zum Tragen zu bringen. Wir sichern damit wirtschaftliche Aktivitäten. Wir verbinden ein Höchstmaß an Transparenz mit dem Schutz des Eigentums und werden damit meines Erachtens dem im Grundgesetz verankerten Schutz des Eigentums gerecht. Wir müssen dies tun; wir haben es getan. Den Rest entscheiden die Verbraucherinnen und Verbraucher. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Helmut Heiderich, CDU/CSU-Fraktion.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist erstaunlich, dass die Koalition - und nicht das Ministerium, Frau Künast - schon jetzt, wenige Monate nach der Verabschiedung der Verordnungen auf EUEbene, einen eigenen Gesetzentwurf zu diesem Thema vorlegt. Im Bereich der Bio- und Gentechnik sind wir von Ihnen anderes gewohnt. So haben Sie das Gentechnikgesetz, das Sie, wie eben von Ihnen ausgeführt, vor zwei Tagen endlich dem Kabinett vorgelegt haben, seit dem Jahre 2001 vor sich hergeschoben. Die Umsetzungsfrist war schon 2002 abgelaufen. Da wir ja die ehemalige Bundesministerin der Justiz hier haben, lassen Sie mich einflechten: Sie schieben die Biopatentverordnung ({0}) - sehr wohl, die Richtlinie; man sieht, die Fachfrau ist anwesend -, also die Biopatentrichtlinie seit 1998 vor sich her und sind bis heute nicht in der Lage gewesen, in diesem Hause darüber zu diskutieren. ({1}) Das Gentechnikgesetz, das Frau Künast eben angesprochen hat und das dem Kabinett am vergangenen Mittwoch vorgelegt worden ist, ist trotz der langen Zeit, die Sie gebraucht haben, keine reife Leistung, sondern schlicht und einfach unbrauchbar. Es ist ebenso unsystematisch wie unlogisch und es ist ein Widerspruch in sich. Die Ministerin scheut sich nicht, öffentlich zu sagen - gerade hat sie es wieder getan -, das Gesetz schütze den gentechnikfreien Anbau. ({2}) Mit Verlaub, sie sollte einmal in den Gesetzentwurf hineinschauen. In § 1 heißt es, Sinn und Zweck des Gesetzes sei die Nutzung und Förderung der Bio- und Gentechnik. ({3}) Das hat, wie man hört, wohl auf Druck des Kanzleramtes in dieses Gesetz hineingeschrieben werden müssen. Das, was Sie, verehrte Frau Künast, öffentlich verbreiten, ist genau das Gegenteil dessen, was in § 1 des Entwurfs eines Gentechnikgesetzes steht. Sie haben gerade die Haftungsregelungen angesprochen, die im Gesetzentwurf vorgesehen werden. Diese sind ein nationaler Alleingang Ihrerseits; die entsprechenden Haftungsregelungen werden nicht zu einer Koexistenz führen. Das haben auch Sie gerade deutlich gesagt. ({4}) Sie wollen eine Subexistenz, eine Unterordnung der Biotechnologie unter die Ansprüche Ihrer rot-grünen Ideologie in diesen Bereichen. Das werden wir nicht akzeptieren. ({5}) Ich frage Sie: Wie passt das mit der Vorgabe Ihres Kanzlers zusammen - die man landauf, landab in allen Reden zu hören bekommt - Bio- und Gentechnik in Deutschland sei die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts? Wie passt das zusammen? Mir scheint, hier ist die Richtlinienkompetenz des Kanzlers - ich muss Herrn Müntefering fragen, ob diese ihm noch geblieben ist oder des großen Vorsitzenden gefordert. Es muss endlich geklärt werden: Wollen Sie Bio- und Gentechnik als Schlüsseltechnologie oder wollen Sie diese Technologie wie Frau Künast verhindern und das öffentlich als Sinn des Gentechnikgesetzes erklären? ({6}) - Verehrte Frau Höfken, dass müssen Sie mit Ihrem Kanzler und mit Ihrem Koalitionspartner klären. Der Gesetzentwurf ist so, wie Sie ihn vorgelegt haben, Quatsch. ({7}) - Doch. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen Sie in der eben angeführten Eile den zweiten Schritt vor dem ersten. Insgesamt beinhaltet dieser Gesetzentwurf wieder einmal eine völlig überzogene und unverhältnismäßige Regulierung. Er widerspricht damit auch den Verordnungen der Europäischen Union, in denen ausdrücklich steht, es werde eine verhältnismäßige Umsetzung verlangt. Ich will Ihnen das, da ich genügend Redezeit habe, weiter erläutern. ({8}) In diesen Verordnungen geht es gerade nicht um die Regelung sicherheitsrelevanter Aspekte. Herr Müntefering, Sie werden das sicherlich verstehen. Es geht auch nicht um die Erhaltung gesundheitlich wichtiger Kriterien wie zum Beispiel bei der Ausweisung von Allergenen oder den Abdruck von Diäthinweisen, wie wir sie aus dem Lebensmittelbereich kennen. Nein, es geht in diesem Fall ausschließlich um eine Kennzeichnung zur Information des einkaufenden Verbrauchers. Das muss man wissen. Da es bei Ihnen immer in Vergessenheit gerät, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, dass es unsere Fraktion war, die schon 2001, als Erste in diesem Plenum, eine Kennzeichnung von Gentechnik beinhaltenHelmut Heiderich den Produkten gefordert und dies mit der Forderung eines einprozentigen Grenzwertes eingebracht hat. Ich glaube, das haben wir heute fast erreicht. Sie können uns also nicht vorwerfen, dass wir an dieser Stelle nicht frühzeitig unterwegs gewesen wären. ({9}) - Herr Weisheit, ich überlasse es ganz Ihnen, wie Sie das nach außen darstellen wollen. Zurück zur Verordnung: Die Koalitionsfraktionen wollen, dass bei einem fahrlässigen Verstoß gegen die Kennzeichnungsvorschriften zur Information Sanktionen bis zu 50 000 Euro eingeführt werden. Das ist im Lebensmittelrecht weder üblich noch angemessen. In vergleichbaren Kennzeichnungs- und Etikettierungsvorschriften, die es im LMBG gibt, werden maximal 15 000 Euro angesetzt, so beispielsweise beim Fehlen oder bei der fehlerhaften Angabe des Herstellers, beim Fehlen von Verkehrsbezeichnungen, bei Nichtaufdruck der erforderlichen Nährwertkennzeichnung. Hier geht der Ansatz, den Sie verfolgen, weit über die Verhältnismäßigkeit hinaus. Auch der von Ihnen angeführte Vergleich mit der Strafbewehrung in § 38 des Gentechnikgesetzes ist nicht plausibel. Bei dieser Vorschrift geht es nämlich ausdrücklich um Verstöße gegen Sicherheitsmaßnahmen. Bei den heute vorgelegten Verordnungen geht es - wie ich eben deutlich gesagt habe - jedoch um Hinweise für den Verbraucher und nicht um Sicherheitsmaßnahmen. In beiden Bereichen ist also - das wird auch der Bundesrat heute, der parallel zu uns tagt, fordern - eine Harmonisierung mit dem übrigen Lebensmittelrecht angesagt. Das bedeutet konkret eine maximale Strafgebühr von 25 000 Euro. Ansonsten sind - auch das wird vom Bundesrat moniert - viele der von Ihnen verwendeten Rechtsbegriffe von einer erheblichen Unbestimmtheit. Die von Ihnen vorgelegten Gesetzesvorschriften müssen also auch insoweit überarbeitet werden. Eines ist aber noch viel wichtiger: Frau Künast, Sie haben vorhin gesagt, alle Inhaltsstoffe würden klar und deutlich benannt und auf die Produkte werde draufgeschrieben, was drin ist. Frau Künast, dem ist nicht so. Die Inhaltsstoffe werden von Ihnen weder klar und deutlich benannt noch wird draufgeschrieben, was drin ist. Sie schreiben auch dann drauf, es handele sich um gentechnisch verändertes Material, wenn gar keine Gentechnik drin ist. Das ist die Vorschrift, die auf europäischer Ebene - mit Ihrer Zustimmung - erlassen worden ist, und das ist etwas anderes. Hier jedoch - und das wissen Sie genauso wie die Regierungsfraktionen - wissen wir noch nicht, wie diese Anwendungsregeln im Einzelnen aussehen sollen. Sie regeln also schon die Sanktionen, wissen aber überhaupt noch nicht, was genau sanktioniert werden soll. Ich will Ihnen das anhand einiger Beispiele belegen: Sowohl der Lebensmittelhandel als auch die Hersteller beklagen, dass bis jetzt völlig offen ist, ob und, wenn ja, wie in den Fällen, in denen im Produktionsprozess Gentechnik eingesetzt wird, im Endprodukt aber kein gentechnisch verändertes Material mehr enthalten ist, die Kennzeichnung erfolgen muss. ({10}) - Nicht mehr drin ist! Wenn nichts mehr drin ist, ist auch nichts mehr nachweisbar. ({11}) - Ganz ruhig. Ich will Ihnen das ein Stück weit auf der technischen Ebene erläutern. Vielleicht verstehen wir uns dann etwas besser. Lassen Sie mich diese technische Seite etwas näher betrachten. Beim Import von Soja, von dem wir seit Jahren zigtausend Tonnen importieren, wird - so steht es im Gesetz - per Zertifikat, das geprüft wird, mitgeteilt: kein gentechnisch verändertes Material enthalten. Staatssekretär Berninger war so freundlich, mir das auf meine Fragen deutlich darzustellen. Die Importbehörden schauen auf das Zertifikat und prüfen, ob das Zertifikat mit dem äußerlichen Zustand des Soja übereinstimmt. Beispiel Brasilien: Brasilien zertifiziert immer: alles gentechnikfrei. Jeder Mensch weiß aber, dass in Brasilien seit Jahren Gensoja angebaut wird. ({12}) Wie lautet die Regelung für den Importeur? Der Lieferant bestätigt ihm: gentechnikfrei. Nach Ihren Vorschriften hat der Importeur bislang jedenfalls nicht die Pflicht, eine Analyse vorzunehmen. Er nimmt sich das Zertifikat, sagt, es steht „gentechnikfrei“ drauf, also gebe ich meine Produkte als gentechnikfrei weiter. Irgendwann in der Kette nimmt jemand eine Analyse vor und sagt: Halt, Betrug! Diesen wollen Sie dann mit 50 000 Euro sanktionieren, obwohl Sie die Anwendbarkeit dieser Regel noch nicht geklärt haben. Das ist ein Beispiel. Es wird aber noch interessanter. Bei Soja kann man wenigstens noch eine Analyse durchführen. ({13}) - Das ist die Wahrheit und nicht Unfug. Das passiert täglich. Sie sollten sich einmal in der Praxis umhören, dann wüssten Sie auch, wovon Sie reden. Zweites Beispiel: Sie importieren jetzt nicht mehr Soja, sondern daraus erzeugte Stoffe, zum Beispiel Vitamine aus China oder Südkorea, Futterzusatzmittel, Aminosäuren, Fermentationsprodukte. Bei diesen können Sie trotz Analyse keine gentechnisch veränderten Materialien mehr nachweisen. Der Erzeuger im Ausland ist nun aber nicht an unsere Vorschriften gebunden. Er kennt ein völlig anderes Recht. Für ihn gilt: Ich muss Gentechnik nur dann zertifizieren, wenn sie analytisch nachweisbar ist. Wenn Sie nicht nachweisbar ist, muss er auch nichts zertifizieren. Diese Produkte werden nun also geliefert. Per Analyse können Sie nicht mehr feststellen, ob irgendwann im Produktionsprozess gentechnisch verändertes Material verwendet worden ist. Das ist technisch nicht möglich. Im Übrigen haben Sie bis heute auch noch keine Analyserichtwerte festgeschrieben. Sie haben auch noch keine Referenzlabore festgelegt. Sie haben das ganze Verfahren überhaupt noch nicht geklärt, sagen aber trotzdem: Wer dagegen verstößt, soll 50 000 Euro Strafe zahlen. Hier wird wirklich das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Sie haben hier eine große Bringschuld, bevor wir dieses Gesetz überhaupt verabschieden können. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Wenn sich der Importeur auf diese Daten verlässt und entsprechend weitergibt, macht er sich dann strafbar oder nicht, weil er die Verwendung gentechnisch veränderten Materials analytisch nicht nachweisen kann? Auch hier ist die Situation völlig offen. - Da Sie den Kopf schütteln, empfehle ich Ihnen, sich einmal mit den Experten auf europäischer Ebene zu unterhalten. Rufen Sie beim Europäischen Handelsinstitut an und lassen Sie sich sagen, welche Probleme es gibt! Die werden Ihnen das sehr ausführlich und deutlich vortragen. Ich meine, wir müssen in diesen Anwendungsbereichen erst einmal klären, wie die Probeentnahme erfolgt, wo das Referenzlabor ist, welche Analytik vorgeschrieben ist und wie der entsprechende Nachweis erbracht wird. ({14}) Erst dann können wir uns über Strafbewehrungen unterhalten. Ich könnte noch weitere hübsche Beispiele nennen. Aber so lang, dass ich sie hier vortragen könnte, ist meine Redezeit nicht. Das können wir allerdings gerne in einem persönlichen Gespräch nachholen. Es freut mich, Frau Künast, dass die Lebensmittelkontrolle in Bayern hervorragend funktioniert. Dieses Lob werden die Bayern sicherlich gerne mit nach Hause nehmen; denn Sie haben hier ja schon ganz andere Aussagen verbreitet. Dass man entdeckt hat, dass in Bayern Gen-Papayas aus Hawaii angeliefert wurden, ist sicherlich ein Fortschritt in der Lebensmittelkontrolle. Hier haben die Bayern hervorragende Arbeit geleistet. Das ist erfreulich. Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, mit dem auch Sie sich jetzt massiv beschäftigen: die Frage der Zuständigkeit der Behörden für den Bereich der Gentechnik. In diesem Jahr haben Sie ja schon einmal in Form eines Vorschaltgesetzes den Anlauf unternommen, das Bundesamt für Naturschutz hier als Benehmensbehörde zu installieren. Dazu gab es im Bundesrat zwar einen langen Beratungsprozess; aber letztlich ist dies umgesetzt worden. Jetzt tun Sie dasselbe wieder. Ausgerechnet das Bundesamt für Naturschutz soll für die Zulassung von Lebensmitteln zuständig sein. Da fragt sich doch wirklich jeder: Wo ist hier der inhaltliche Zusammenhang? ({15}) Ich sage Ihnen: Es gibt keinen inhaltlichen Zusammenhang. Wenn überhaupt, dann müssten Sie sich für das Umweltbundesamt entscheiden. Aber das Bundesamt für Naturschutz hat da inhaltlich nichts zu suchen. ({16}) - Ja, Frau Höfken. Der Bundesrat hat es selber so formuliert: Die Beteiligung des Bundesamtes für Naturschutz wird als nicht sachgerecht erachtet. Vielmehr ist hierfür das Umweltbundesamt vorzusehen. - Das ist also nicht nur meine Auffassung, sondern auch die einer ganzen Reihe anderer. Ich kann mir schon vorstellen, warum Sie so sehr darauf drängen. Wir haben ja schon einmal über den Mann an der Spitze dieses Amtes, Herrn Vogtmann, und seine Auffassung debattiert. ({17}) Jetzt lese ich, dass dort zum Thema Gentechnik ganz zufällig eine neue Abteilung geschaffen wird und Frau Tappeser vom Ökoinstitut in Freiburg im BfN eingestellt wird. Das sind schon Zufälle! ({18}) Ich sage Ihnen einmal, welchen Eindruck ich habe: Sie sind dabei, das Bundesamt für Naturschutz zu einer Biotech-Blockadebehörde auszubauen. Deswegen wird es immer nach vorne geschoben. ({19}) Das Entscheidende ist dabei Ihr politisches Ziel und nicht die inhaltliche Auseinandersetzung.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höfken?

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich. Das gibt mir Gelegenheit, einen Schluck Wasser zu trinken.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben ja auch nicht mehr viel Redezeit. Es wäre gut, das miteinander zu verbinden.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, auf diese Weise verlängert sich meine Redezeit.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich übernehme gerne die Redezeit, wenn Sie weiter Wasser trinken wollen. Ich frage Sie Folgendes: Erstens. Ist Ihnen bekannt, dass im Rahmen des Gentechnikgesetzes die Umweltwirkungen zu beobachten sind, dass dafür selbstverständlich eine Naturschutzbehörde sach- und fachgerecht zur Verfügung stehen sollte und dass mit dem Monitoring kaum andere Aufgaben verbunden sind? Zweitens. Welche Einwände haben Sie gegen Frau Tappeser und an welchen inhaltlichen Punkten machen Sie sie konkret fest? ({0})

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage. Wir reden hier nicht über das Gentechnikgesetz. ({0}) - Dann haben Sie mir vielleicht nicht richtig zugehört. Wir reden hier über den Gesetzentwurf zur Durchführung der Verordnungen, den Ihre Fraktionen vorgelegt haben. ({1}) Ich habe eine kurze Replik zum Gentechnikgesetz gegeben. ({2}) - Frau Künast hat diese Argumentation eingeführt. Sie hat mit dem Thema Gentechnikgesetz begonnen, obwohl es gar nicht auf der Tagesordnung steht. Daher fühlte ich mich veranlasst, Frau Künast zu replizieren. ({3}) Das ist, wie ich denke, der normale parlamentarische Umgang, den wir hier haben. ({4}) Sie haben jetzt also zum Gentechnikgesetz gefragt und nicht zu den Gentechnikverordnungen; das sage ich nur, damit wir die Dinge auseinander halten. Beim Gentechnikgesetz ist sicherlich für das Monitoring in dem schmalen Bereich, den Sie anführen, auch das Bundesamt für Naturschutz mit einzubeziehen. Aber für den Beurteilungsbereich in seiner vollen Breite hat das Bundesamt für Naturschutz überhaupt nicht die Kompetenz. Es gibt ein Amt, das hier die breite Kompetenz hat, nämlich das Umweltbundesamt. Das Umweltbundesamt hat das in der Vergangenheit auch immer gemacht, und zwar erfolgreich. Offensichtlich hat das Umweltbundesamt aber nicht die Ergebnisse erbracht, die politisch erwünscht sind. Deswegen wurde es weggeschoben und stattdessen das BfN eingespannt, das - ich sage es noch einmal - von Ihnen jetzt auch personell zu einer BiotechBlockadebehörde ausgebaut wurde. Diesen Eindruck habe ich; das ist meine politische Beurteilung. Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht: Ich meine, dass es über die Person von Frau Tappeser in der wissenschaftlichen Kommunität sehr eindeutige Auffassungen gibt. Ich will darauf hinweisen, dass Sie Frau Tappeser schon zweimal in Anspruch genommen haben, um eine schon beschlossene Zulassung von modernen Biotechnikprodukten mit einem Gutachten - aus meiner Sicht kam das einem Gefälligkeitsgutachten sehr nahe - auszuhebeln. Dieses Gutachten hat Ihnen die Argumentation geliefert, um gegen eine schon im Gang befindliche Zulassung per Ministerdekret, wie bei den Apfelbäumen in Quedlinburg, einzuschreiten. Dass es da, aus meiner Sicht, sehr enge Zusammenhänge gibt, können Sie mir, glaube ich, nun wirklich nicht absprechen. Deswegen halte ich Ihre Besetzung des BfN für sehr einseitig. Ich hoffe, dass ich Ihnen damit ausführlich gedient habe.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich danke Ihnen für die Aussage, die sicherlich einer Überprüfung standhalten wird.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da bin ich mir ganz sicher. Ich kenne die wissenschaftliche Literatur so gut, dass meine Aussage einer Überprüfung standhält.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt nicht zum Dialog, sondern zum schnellen Ende.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nun zum schnellen Ende, Frau Vorsitzende. - Summa summarum: Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen - so unscheinbar er daherkommt -, bedeutet aus meiner bzw. unserer Sicht erneut eine unverhältnismäßige Belastung der Bio- und Gentechnik. Er bringt erneut die notwendige Innovation ins Stolpern, die der Kanzler will. - Ihr Oberster ist gerade gegangen; er kann es schon weitergeben. - Der Gesetzentwurf bringt dem Standort Deutschland weitere Benachteiligungen, Herr Müntefering, und Sie wären gut beraten, den Kanzler zu unterstützen, dass Bio- und Gentechnik eine Schlüsseltechnik in Deutschland werden kann und nicht ständig von Frau Künast ausgebremst wird. Schönen Dank. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthias Weisheit.

Matthias Weisheit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002458, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war nichts anderes von Ihnen zu erwarten, Kollege Heiderich, und der Zeit angepasst war es fast eine Büttenrede. ({0}) Dass Sie das alles natürlich kritisieren - ({1}) - Ich lasse keine Zwischenfrage zu. ({2}) - Wir können uns die Freundlichkeiten im Ausschuss noch in großem Umfange an den Kopf werfen, ({3}) aber wir müssen hier heute die Zeit nicht unnötig verzögern. Ihre Rede war schon ganz bemerkenswert. Sie kritisieren immer, dass wir zu lange brauchen; das haben Sie heute auch wieder gemacht. Dieses Mal waren wir schnell. Das passt Ihnen aber auch nicht. ({4}) Dass wir diese drei EU-Verordnungen in nationales Recht umsetzen, ist schon bemerkenswert. Letztendlich geht es darum, den Verbraucheransprüchen auf Klarheit auf dem Etikett, auf Klarheit der Kennzeichnung nachzukommen. Wir kommen auch den Ansprüchen der Landwirtschaft nach, die wissen will: Können wir - als Ökobauer oder als konventioneller Bauer, der gentechnikfrei produzieren will - uns darauf verlassen, dass die Futtermittel, die wir einsetzen, auch tatsächlich gentechnikfrei sind? Dass die Futtermittel Gegenstand der EU-Verordnung sind, ist also ganz wichtig. Das Problem des Nachweises ist altbekannt; Sie haben das bereits angesprochen. Wir wissen sehr wohl, dass das eine oder andere Produkt aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt ist, was am Produkt selbst aber nicht nachweisbar ist. Deshalb haben wir bei der Novel-Food-Verordnung, in der unter anderem die Kennzeichnung geregelt war, darauf verzichtet, eine Regelung aufzunehmen, dass man ein solches Produkt kennzeichnen muss. Indem die Herkunft dokumentiert werden muss und die Rückverfolgbarkeit sichergestellt ist, ist meiner Überzeugung nach ein Weg gefunden worden, dass die Hersteller ausweisen müssen, dass gentechnisch veränderte Organismen verwendet wurden, auch wenn dies im Produkt nicht mehr nachweisbar ist. Sind sie im Einkauf irgendwann nachweisbar, dann erscheint das auch in der Dokumentation. Eine solche Regelung ist auch im freiwilligen QS-System bei Futtermitteln vorgesehen. Es werden hohe Sanktionen verhängt, wenn jemand dagegen verstößt. Das hat die Wirtschaft freiwillig so geregelt. Warum soll man das also nicht auch in einem Gesetz regeln? Es muss möglich sein, entsprechend hohe Sanktionen auszusprechen. Ich bin dafür, dass wir diesen Bereich mit dem übrigen Lebensmittelrecht harmonisieren, allerdings in dem Sinne, dass die Sanktionen im übrigen Lebensmittelrecht nach oben korrigiert werden. Ein großer Konzern, der wissentlich und fahrlässig dagegen verstößt, lacht doch nur über 25 000 Euro. ({5}) - Gibt es die wirklich noch? ({6}) - Deswegen heißt es im Gesetzentwurf auch „bis zu“. Wie hoch genau die Sanktion ausfällt, müssen die Gerichte entscheiden. Meiner Überzeugung nach könnten die Sanktionen noch höher ausfallen. Durch die Dokumentationspflicht und die Verpflichtung, die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen, ist es also möglich, die Kennzeichnung von Produkten zu verlangen, in denen gentechnisch veränderte Organismen enthalten sind, die man aber nicht mehr nachweisen kann. Die Verbraucher haben inzwischen ein großes Interesse daran; hier hat eine tolle Entwicklung stattgefunden. Ich kann Ihnen das an folgendem Beispiel deutlich machen: Greenpeace - für Sie ein Feindbild - hat eine Broschüre mit einer Erstauflage von 200 000 Stück herausgegeben, in der zu lesen ist, in welchen Produkten gentechnisch veränderte Organismen enthalten sind und in welchen nicht. Diese Broschüre war wenige Tage, nachdem sie auf den Markt gekommen ist, bereits vergriffen. Man bekommt sie nicht mehr. Dabei hätte ich sie gerne heute mitgebracht und gezeigt. ({7}) Daran sehen Sie, welch hohes Interesse in der Bevölkerung besteht, zu wissen, ob zum Beispiel für dieses bestimmte Ketchup gentechnisch veränderte Tomaten verwendet wurden oder nicht. ({8}) - Man kann das kontrollieren, wenn man weiß, woher die Tomaten kommen, wer die Tomaten angebaut hat und ob sie gentechnisch verändert sind oder nicht. Das kann man in der Dokumentation eindeutig verfolgen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum man es nicht deklariert und kennzeichnet, dass gentechnisch veränderte Organismen enthalten sind, wenn das so unbedenklich ist, wie immer behauptet wird. In diesem Fall könnte es sogar ein hervorragendes Werbemittel sein. Ich hege folgenden Verdacht: Man möchte es natürlich nicht deklarieren, wenn man Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Organismen durch die Hintertür einführen will. Menschen, die über zehn Jahre und länger geglaubt haben, sie könnten sich gentechnikfrei ernähren, erklärt man, das stimme nicht, weil man ihnen mit diesen oder jenen Produkten, die sie jeden Tag einkaufen, seit langem heimlich gentechnisch veränderte Organismen zugeführt habe, und dann fragt man sie, ob es ihnen geschadet habe. Das ist eine Strategie verschiedener Konzerne, die auf diesem Gebiet arbeiten, und in meinen Augen leider auch eine Strategie einiger Vertreter hier im Deutschen Bundestag. Diese Strategie darf nicht aufgehen. ({9}) Wir brauchen daher eine klare Kennzeichnungsregelung, die Möglichkeit zur Rückverfolgung und eine Sanktionsregelung. Ich sehe, ich bin mit meiner Redezeit richtig gut ausgekommen. Ich hätte zwar noch ein paar Sekunden, aber die schenke ich dem nächsten Redner. ({10}) Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das ist eine seltene Großzügigkeit. - Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christel Happach-Kasan.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich zunächst einmal bei der CDU/CSU und nun auch bei der SPD für die zusätzliche Redezeit. Ich bin das nicht gewohnt. Es ist aber eine Sitte, die durchaus fortgeführt werden könnte. Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Redebeitrag einleitend gesagt, dass das Gentechnikgesetz, das am Mittwoch im Kabinett verabschiedet worden ist, dem Schutz des gentechnikfreien Anbaus dienen solle. Kollege Heiderich hat zutreffend darauf aufmerksam gemacht, dass im Gesetz etwas anderes steht. Als Ziel des Gesetzes steht unter Punkt 2 zum Beispiel, dass die Koexistenz von gentechnikfreiem Anbau mit gentechnisch modifizierten Organismen geregelt werden solle. Ich darf daran erinnern, dass der ökologische Anbau zurzeit ungefähr 4 Prozent ausmacht. Diese Landwirte haben sich verpflichtet, die Gentechnik nicht zu nutzen. Ich bin der Meinung, dass eine solche Minderheit sehr wohl geschützt werden muss und dass das Gentechnikgesetz dazu dienen muss, die Produktionsmöglichkeiten dieser Minderheit zu erhalten. Eine Minderheit darf eine Mehrheit aber nicht majorisieren. ({0}) So, wie sie es regeln, wird die Minderheit die Mehrheit majorisieren. Das ist schlichtweg nicht in Ordnung. Ich darf daran erinnern, dass in der überregionalen Presse bezüglich Ihrer Politik von einem Veräppeln der Forschung gesprochen wird. Genau das tun Sie, wenn die Forschung zwar zugelassen wird, Freisetzungen von Ihnen aber kurzfristig unterbunden werden, wie dies beispielsweise beim Apfelversuch in Pillnitz und Quedlinburg geschehen ist. Damit haben Sie gegen die Interessen der Obstbauern in Deutschland gehandelt, die darauf warten, diese genetisch veränderten Organismen anbauen zu können. ({1}) Frau Ministerin, ich darf Ihnen auch sagen: Mit einer Ihrer Aussagen liegen sie schlichtweg falsch. Gentechnisch verändertes Lezithin wird auch in Zukunft nicht angezeigt werden müssen. Ich erinnere an die Verordnung 1829/2003. In Absatz 16 steht ausdrücklich: Diese Verordnung sollte Lebensmittel und Futtermittel abdecken, die „aus“ einem GVO, jedoch nicht solche, die „mit“ einem GVO hergestellt sind. Bei Lezithin handelt es sich um ein Lebensmittel, das mit einem GVO hergestellt worden ist. Es muss also nicht gekennzeichnet werden. Frau Ministerin, Ihre Falschaussagen auch hier im Parlament nehmen überhand. ({2}) Beim goldenen Reis haben Sie hier wider besseres Wissen Falschaussagen getroffen. Heute haben Sie es wieder getan. Bereiten Sie sich auf Ihre Regierungstätigkeit bitte ein bisschen besser vor! ({3}) Kollege Weisheit, ich würde mir wünschen, dass Sie die Kontrolle der Regierungsarbeit auch im Bereich der Gentechnik ein bisschen ernster nehmen. Zu Recht haben auch Sie darauf hingewiesen, Bundeskanzler Schröder habe im Januar die Innovation hervorgehoben und herausgestellt. Das war eine notwendige und sinnvolle Initiative des Bundeskanzlers, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und unseren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Schon im Februar ist das aber wieder vergessen. Das uns heute aus dem Hause Künast vorgelegte kleinkarierte Gesetz macht deutlich, dass die Innovationsinitiative des Bundeskanzlers eine Luftblase war. ({4}) Im Regierungsalltag setzen sich grüne Pepitapolitiker durch, die in Lebensmitteln aus genetisch veränderten Pflanzen den Untergang des Abendlandes wittern, obwohl diese Lebensmittel seit langem in aller Munde sind. Kollege Weisheit, ich glaube nicht, dass dies eine Strategie der bösen Großkonzerne gewesen ist. ({5}) Es sind schlicht und ergreifend sinnvolle praktische Anwendungen. Denken Sie daran, dass Chymosin normalerweise aus Kälbern gewonnen wird! Denken Sie an das Verfahren! Es ist nicht gerade appetitfördernd. Genetisch hergestelltes Chymosin ist allemal die bessere Alternative. Dies wird gegessen und hat noch niemandem geschadet. Der Käse schmeckt uns allen. ({6}) - Hören Sie in den hinteren Reihen doch auf zu pöbeln. Das brauche ich nicht. Sie, Frau Ministerin Künast, stehen wie ein begossener Pudel da, seit Sie - darin unterstütze ich Sie ausdrücklich - erklärt haben ({7}) - hören Sie doch bitte zu, was Ihre Ministerin gesagt hat! -, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von Lebensmitteln aus genetisch veränderten Pflanzen Gesundheitsgefährdungen ausgehen. Recht hat sie; das muss man einmal sagen dürfen. ({8}) Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat Sie in dieser Frage richtig beraten. Daher ist jetzt die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gefragt; denn Sie, Frau Ministerin, sind von den Gegnern der Gentechnik eingebunden und gefesselt und daher nicht in der Lage, die richtigen Konsequenzen aus der eigenen Erkenntnis zu ziehen. Ein Ergebnis Ihrer Unfähigkeit, die eigenen Erkenntnisse umzusetzen, ist der Entwurf des GentechnikDurchführungsgesetzes, das wir beraten. Drei bzw. fünf Jahre Haft sowie Geldbußen bis zu 50 000 Euro werden in den Strafvorschriften des Gesetzentwurfs gefordert. Das ist völlig überzogen. Damit werden bei Verfehlungen gegen das Gentechnik-Durchführungsgesetz deutlich härtere Strafen als im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz gefordert, obwohl das Schutzgut dasselbe ist und die möglichen Gefährdungen sogar eher geringer sind. Die Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften sind in der Sache nicht gerechtfertigt. Sie müssen mit denen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes harmonisiert werden. Herr Kollege Weisheit, auch Sie haben dies gefordert. Ich bedanke mich, dass wir hier einer Meinung sein können. Diese Harmonisierung darf aber nicht auf zu hohem Niveau erfolgen, sondern es muss zu einer praktikablen Lösung kommen. Meines Erachtens kann man beispielsweise fehlende Kennzeichnung nicht mit der Gefährdung von Leib und Leben gleichsetzen. Das ist einfach falsch. ({9}) In dem Gesetz müssen jegliche Wertungswidersprüche vermieden werden; denn die Klärung darf in der Praxis nicht der Rechtsprechung überlassen werden. Dieser Gesetzentwurf ist unsauber ausgearbeitet. Es sollen für die Durchführung von drei EU-Verordnungen die zuständigen Behörden bestimmt und Strafvorschriften festgelegt werden. Es geht um die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen, die Umsetzung des Cartagena-Protokolls und die Umsetzung der Verordnung über genetisch veränderte Lebensund Futtermittel. Es müssen zügig die gesetzlichen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser drei Verordnungen geschaffen werden; denn die Verordnungen müssen direkt umgesetzt werden. Aber dieser Aufgabe wird der Gesetzentwurf nicht gerecht. Die Regierung missbraucht das Gesetz, um den Umgang mit genetisch veränderten Organismen und daraus hergestellten Lebens- und Futtermitteln durch die Hintertür der Umsetzung von EU-Vorschriften an den Pranger zu stellen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Der Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht gearbeitet, so wie die Regierungsarbeit dieser rot-grünen Koalition handwerklich schlecht ist, ({10}) weil er die notwendige Harmonisierung mit den Strafvorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes unterlässt und neue Rechtsbegriffe einführt. ({11}) - Man muss keine neuartigen Rechtsbegriffe einführen und keine Wertungswidersprüche in ein Gesetz aufnehmen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Das ist schlicht Humbug. Man kann ein solches Gesetz fachlich und ordentlich sauber erarbeiten. Die Verordnung 1829/2003 beschreibt als Ziel die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für Leben und Gesundheit des Menschen sowie Gesundheit und Wohlergehen der Tiere. Dieses Ziel gehört eindeutig nicht zu den Kernaufgaben des Bundesamtes für Naturschutz. Die rot-grüne Vorliebe für die Beteiligung des Bundesnaturschutzamtes bei der Umsetzung von Gentechnikgesetzen ist schon auffällig. Sie hat nichts mit Ihrem Interesse am Naturschutz zu tun, sondern gilt der personellen Ausgestaltung des Amtes als Hort des grünen Fundamentalismus. ({12}) Das mag gut für grüne Karriereaussichten sein, aber es ist schlecht für den Naturschutz. ({13}) Wir alle haben verfolgt, wie schlecht die FFH-Richtlinie in Deutschland umgesetzt worden ist und wie viele Fehler das Bundesnaturschutzamt, grüne Minister und Verwaltungen dabei gemacht haben. Es ist eine Katastrophe, in welcher Weise Naturschutz von Ihnen zugrunde gerichtet wird. Das wird der Sache überhaupt nicht gerecht. ({14})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, denken Sie daran, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist ausgesprochen schade. ({0}) - Das ist nicht unanständig. - Es ist eine Tatsache, dass es keine genfreien Tomaten gibt und es sie niemals gegeben hat. Ebenso gibt es keine gentechnikfreien Haushalte. Freiheit von Genen gibt es nicht. Der Verzicht auf Gentechnik stellt - anders als Sie es uns weismachen wollen - keinen Wert dar.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, das könnte doch Ihr Schlusssatz gewesen sein.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin beim letzten Satz. - Daher ist es an der Zeit, notwendige Regelungen mit geringstem bürokratischen Aufwand zu organisieren und sich vom Antigentechnikpopanz zu verabschieden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Herta DäublerGmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich sage: Ich finde es gut, dass wir in der ersten Lesung zu dem EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz, das helfen soll, mehrere EU-Verordnungen in deutsches Recht umzusetzen, auch über Grundsatzprobleme reden. Aber mich macht der Stil der Auseinandersetzung gelegentlich etwas verdrießlich. Ich fand die Rede von Herrn Kollegen Heiderich ausgesprochen witzig und amüsant. ({0}) Wir alle wissen: Er ist für die Gentechnik und er bezeichnet sie als Schlüsseltechnik. Man muss diese Position aber nicht damit verbinden, dass man eine Ministerin oder alle Leute, die die Probleme nicht so sehen wie Sie, verehrte Kollegin Happach-Kasan, persönlich angreift, sie für dumme Jungs ({1}) hält oder sie abwertet. ({2}) Wenn wir grundsätzlich über Gentechnik reden, dann kann man die Probleme, die vorhanden sind, nicht einfach wegdefinieren, es sei denn, man wollte sich wirklich dem Vorwurf aussetzen, man sei begrenzt oder nur ein Lobbyist der Agrochemie. Sie brauchen sich doch nur einmal draußen umzuhören. Es sind die Verbraucher, die erhebliche Vorbehalte haben. Nun können Sie sagen: Das interessiert mich nicht und ich mag das nicht. - Aber selbstverständlich haben diese Leute ebenso ein Recht, von uns ernst genommen zu werden, wie diejenigen, für die Sie sich einsetzen. ({3}) Der zweite Punkt ist: Überlegen Sie einmal, warum eigentlich Landwirte immer skeptischer gegenüber dem Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen werden. ({4}) Herr Heiderich, Sie sollten einmal den Bauern vor Ort sagen, was Sie hier vorgetragen haben. ({5}) Sie sollten sagen, dass das die Auffassung der CDU ist. Dann hätten die auch ein Aha-Erlebnis. Die Argumente, die diese Menschen bringen, liebe Frau Happach-Kasan und werter Herr Heiderich, sind genauso viel wert ({6}) wie die Argumente von den Leuten, die jetzt mit ihren Produkten, die sie für eine Schlüsseltechnologie halten, in den Landwirtschaftssektor drücken wollen. Die Landwirte sagen deutlich: Langzeituntersuchungen wie zuletzt die der Universität von Iowa - Sie werden hoffentlich mitfahren, wenn der Ausschuss nach Amerika fährt, um sich ein Bild zu machen - zeigen, dass sich die Heilsversprechen, nämlich dass man weniger Pflanzenschutzmittel brauche, wenn man bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen anbaue, bei einem Anbau über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht aufrechterhalten lassen. Die Landwirte fragen dann, wozu sie das alles machen sollen, wenn das noch mehr Geld kostet. ({7}) - Gleich, Herr Heiderich. Ich bringe noch einige Punkte. Dann können Sie noch mehr fragen. Wir werden natürlich auch über andere Bedenken reden müssen. Viele Biobauern fragen: Wie kriegen wir denn unsere guten, biologisch erzeugten Produkte an die Verbraucher, wenn irgendjemand diese Produkte aufgrund von Heilsversprechen verunreinigt und dafür Ihrer Meinung nach noch nicht einmal haften ({8}) bzw. für die Verunreinigung geradestehen soll? Das ist übrigens völlig unabhängig davon, ob wirklich dauerhafte Schäden an der Gesundheit oder an der Umwelt festzustellen sind. Das kann im Übrigen heute niemand mit großer Sicherheit sagen. Man kann es vermuten. Es gibt bestimmte Anhaltspunkte dafür, es gibt aber auch Argumente dagegen. Wir sind nicht dazu da, als Lobbyisten für die eine oder andere Seite einzutreten, sondern dafür, die Argumente anzuhören und dann politisch zu entscheiden. ({9}) Ich glaube, dass wir mit den Regelungen des EGGentechnik-Durchführungsgesetzes auf dem richtigen Weg sind. Deswegen ist es gut, dass man es jetzt eingebracht hat. Wir können doch nicht darüber hinwegsehen, dass die EU die Grundfrage der Zulassung unter klaren Kontrollen und Vorbehalten geregelt hat. Das gilt übrigens für alle Seiten. Dass dann aber nicht nur die Vorbehalte und die Kontrollen, die Sicherungsmechanismen und die Prinzipien der Wahrhaftigkeit, Transparenz, Kennzeichnung und Koexistenz durchgesetzt werden müssen, sondern auch die Möglichkeit der Rückholbarkeit dieser Technologie gewährleistet werden muss, wenn wir ehrlich bleiben wollen, daran besteht doch gar kein Zweifel. Aber wenn man Verfahren und Kontrolle als rot-grüne Katastrophe - oder wie lauteten Ihre freundlichen Worte? - bezeichnet, liebe Frau HappachKasan, dann liegt doch der Widerspruch bei Ihnen und nicht in einer vernünftigen Regelung. Es geht um eine klare Kennzeichnung und Kontrolle. Ob noch Verbesserungen an dem Gesetz möglich sind, wird sich zeigen. Das werden wir genau prüfen. Bei Ihren Ausführungen aber, Herr Heiderich, habe ich mir einen Moment vorgestellt, alles, was Sie angesprochen haben, müsste in das Gesetz aufgenommen werden. Ich bin mir sicher: Nicht nur ich würde schreiend vor einem solchen unlesbaren Horrorgesetz davonlaufen, sondern auch Sie würden das tun. Wenn es Ihnen nur um eine Regelung des Verfahrens geht, was nicht im Gesetz erfolgen muss - davon gehe ich aus, weil ich Sie kenne -, dann macht es doch keinen Sinn, alle Ihre Anwürfe der Ministerin an den Kopf zu werfen. ({10}) Ich komme zu einen weiteren Punkt. Ich fand das von Ihnen angeführte Beispiel eines Importeurs von Sojabohnen aus Brasilien merkwürdig. Wären Sie statt von Sojabohnen von Automobilen und den entsprechenden Sicherheitsvorschriften ausgegangen, dann wäre Ihnen - ich sehe, Sie lächeln schon - Ihr Gedankengang komisch vorgekommen. Denn Sie wissen genau, dass da bestimmte Standards eingehalten werden müssen. Wenn dies nicht der Fall ist, haftet selbstverständlich auch der Importeur, wenn er Produkte einführt, die den geltenden Standards nicht entsprechen. Warum das bei der Einfuhr von Pflanzen oder Futtermitteln anders sein soll, erschließt sich, glaube ich, nicht nur mir nicht, sondern in Wirklichkeit auch Ihnen nicht. ({11}) Hierbei zeigt sich, dass es wahrscheinlich klüger gewesen wäre, wenn Sie einfach gesagt hätten: Ich bin für genveränderte Pflanzen, mir passt der ganze Kurs nicht. ({12}) - Ich mache es so wie Sie und lasse die Zwischenfrage am Ende meiner Redezeit zu; dann kann ich sie verlängern. Das war ein guter Tipp. Aber neutral zu tun und dann zu erklären, das Gesetz sei richtig, das ist nicht akzeptabel. ({13}) Ich komme zu einem weiteren Punkt. Notwendig ist auf jeden Fall, dass die Rückverfolgbarkeit und die Rückholbarkeit sichergestellt werden, weil wir, wenn wir ehrlich sind, alle nicht wissen, was im Einzelnen auf uns zukommt. Wenn ich mich mit Landwirten in Bayern und Baden-Württemberg unterhalte, die - lassen Sie mich das hinzufügen; Gott sei es geklagt - immer noch überwiegend die CDU wählen und ihnen Ihre heutigen Ausführungen schildere, lieber Herr Heiderich, dann wird das für die Landwirte ein starkes Aha-Erlebnis sein. Sie können Gift darauf nehmen, dass ich das tue.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, es gibt zwei Wortmeldungen zu Zwischenfragen, nämlich der Kollegin Happach-Kasan und des Kollegen Heiderich.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch 50 Sekunden Redezeit. Ich habe das genau berechnet, weil ich schließlich meine Redezeit verlängern will. Das ist doch klar. Wenn heute nicht die Mehrheit des Bundesrates den Haushalt 2004 sinnloserweise - weil wir das natürlich zurückweisen werden - abgelehnt hätte, dann hätte ich schon heute Nachmittag in Ulm/Ermingen angefangen. Ich mache Ihnen aber einen Vorschlag, Herr Heiderich. Wir - CDU-Leute, die so denken wie Sie, und SPDLeute, die eine differenzierte und klare verbraucher- und landwirtsfreundliche Regelung anstreben - gehen gemeinsam zu den Landwirten. Dann erleben wir hoffentlich, dass die Argumente korrigiert werden; vielleicht können wir sogar voneinander lernen. Jetzt haben Sie die Möglichkeit zu Zwischenfragen. Ich habe noch 6 Sekunden Redezeit. ({0}) Bitte schön, Frau Happach-Kasan.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Man sollte die Chance für einen Dialog nutzen. Ich bedanke mich für die Möglichkeit einer Zwischenfrage. Frau Kollegin Däubler-Gmelin, haben Sie zufällig zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat eine sehr umfangreiche Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abgegeben und darin sehr deutlich verschiedene Kritikpunkte zum Ausdruck gebracht hat? Ist Ihnen bewusst - ich denke, das ist der Fall -, dass ein solches Gesetz von den Ländern umzusetzen ist und dass der Bundesrat desweDr. Christel Happach-Kasan gen ein sehr großes Interesse daran hat, dass die darin enthaltenen Regelungen vollziehbar und umsetzbar sind? Vor diesem Hintergrund sind die Vorstellungen zu sehen, dass beispielsweise die Straf- und Bußgeldvorschriften harmonisiert und Wertungsunterschiede aufgehoben werden sollen, dass die Regelung nicht der Praxis des Strafvollzugs anheim gestellt werden darf und dass auch Bundesbehörden beteiligt werden sollen, die über entsprechende Erfahrungen verfügen, wie es beispielsweise beim Umweltbundesamt der Fall ist, nicht aber beim Bundesamt für Naturschutz. Wie stehen Sie dazu?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Happach-Kasan, wie Sie wissen, geben wir uns im Ausschuss große Mühe - übrigens seit 1998 ganz besonders -, in die Gesetzgebungsverfahren auch die Länder einzubeziehen. Das wird auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fall sein. Das Einzige, was ich an Ihrer Fragestellung korrigieren würde, wenn Sie es gestatten, ist das Wort „zufällig“. Denn ({0}) selbstverständlich habe ich die entsprechenden Äußerungen gelesen. Ich gehe davon aus, dass Sie gehört haben, was der Kollege Weisheit gesagt hat, und dass wir über das eine oder andere noch nachdenken werden. Ich möchte Sie auffordern, bei den Beratungen über den vorliegenden Gesetzentwurf das zu tun, was wir - erfreulicherweise - immer machen, nämlich die Argumente der Andersdenkenden, insbesondere derjenigen, die berechtigte Sorgen haben, sehr ernst zu nehmen und nicht so zu tun, als ob die anderen nur deswegen dumme Jungen oder rückwärts gewandte Ideologen wären, weil sie der Meinung sind, dass die Agrochemie, wenn sie etwas haben möchte, nicht nur nachweisen solle, dass es nützlich ist, sondern auch, dass es nicht gesundheitsschädlich und nicht umweltschädlich ist. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich danke auch und schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/2397 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Kronzeugenregelungen im Strafrecht und zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten ({0}) - Drucksache 15/2333 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({1}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster der Abgeordnete Dr. Norbert Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben wir in diesem Haus über die jahrelange Untätigkeit der Koalition bei der Regelung der Sicherungsverwahrung von gefährlichen Wiederholungstätern gesprochen. Jahrelang ist nichts geschehen, bis das Bundesverfassungsgericht jetzt interveniert und die Reißleine gezogen hat. Heute reden wir über die jahrelange Untätigkeit der Koalition hinsichtlich des Einsatzes der Kronzeugenregelung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität. Ob Sicherungsverwahrung, Kronzeugenregelung, genetischer Fingerabdruck, Graffitibekämpfung oder Telefonüberwachung, das Muster Ihrer Rechtspolitik und insbesondere Ihrer Politik auf dem Gebiet der inneren Sicherheit ist immer gleich: Obwohl es ein Gebot zum Handeln gibt und die Mehrheit in diesem Hause handeln möchte, handeln Sie nicht. ({0}) - Sie sind eine Schnecke in der Politik; ({1}) denn Sie kommen nicht zu Ergebnissen. Kein Wunder also, dass Ihnen unsere Initiativen schon als Aktionismus vorkommen. ({2}) Es ist aber anders. Die Justizministerin übt sich in ihren Lieblingsdisziplinen: prüfen, abwarten und ankündigen. Der Bundesinnenminister ist inzwischen nur noch mit sich selber und dem Bundeskriminalamt beschäftigt. ({3}) Es ist immer das Gleiche: Die innere Sicherheit ist bei Rot-Grün in schlechten Händen. Das ist der Tatbestand. ({4}) - Rhetorisch sind Sie ja immer auf der Höhe; das bestreitet niemand. Aber Sie handeln nicht. Das Verwerfliche ist, dass die Bürger die Suppe, die ihnen die Koalition durch ihre politische Uneinigkeit und ihr KleinKlein eingebrockt hat, auslöffeln müssen. Sie tun zu wenig für die innere Sicherheit. Das ist der Tatbestand. ({5}) Wir stehen gerade im Bereich der inneren Sicherheit vor großen Herausforderungen und vor schwierigen rechtsstaatlichen Abwägungsprozessen. Das ist schon in der gestrigen Debatte über die Sicherungsverwahrung deutlich geworden. ({6}) Auch die Kronzeugenregelung ist ein schwieriger Fall. Deshalb muss man eine klare Maxime haben, die deutlich macht, wie man bei der inneren Sicherheit vorgehen will. Unsere Maxime ist, dass das rechtsstaatlich Mögliche und Vertretbare zugleich das rechtsstaatlich Gebotene ist. ({7}) Der Rechtsstaat hat zwei Aufgaben: Er hat natürlich die Aufgabe, Grundrechtseingriffen eine Grundlage und eine Begrenzung zu geben. Aber der Rechtsstaat hat auch die Aufgabe, die Bürger zu schützen und Rechtsgüterschutz zu betreiben. Diese Aufgabe blenden Sie völlig aus. Das, was möglich ist, muss getan werden. ({8}) - Sie machen nichts! Sie reden, aber Sie machen nichts. Das ist der unbestreitbare Sachverhalt. ({9}) - Ihre Unruhe bestätigt diesen Befund. Wenn Sie etwas vorzuweisen hätten, bräuchten Sie es einfach nur zu sagen. Außer Grummeln kommt von Ihnen leider nichts. Es sind - das ist keine Frage - schwierige Fragen zu entscheiden. Bei der Kronzeugenregelung zahlt der Rechtsstaat seinen Preis. Niemand ignoriert die Schwierigkeiten. Kein Mensch sagt, dass das alles rechtsstaatlich im leichtfüßigen Galopp zu machen ist. ({10}) Aber man darf sich der Aufgabe und der Herausforderung nicht entziehen, nur weil es schwierig ist. Sie scheitern an der Herausforderung. Wir tun das nicht. Die Frage ist: Warum sind wir bereit, für eine Kronzeugenregelung den rechtsstaatlichen Preis zu zahlen, der darin besteht, dass ein Straftäter, mindestens ein Beschuldigter, der Strafe, die er verdient hat, nicht zugeführt wird? Warum sind wir bereit, diesen Preis zu zahlen? - Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen, weil der Terrorismus die größte Friedensbedrohung unserer Zeit ist und weil der Terrorismus mit Gefahren verbunden ist, die katastrophale Dimensionen annehmen können. Das sind die Qualität und die Dimension der Bedrohung, vor der wir stehen. Darum können wir nicht einfach kapitulieren. Darum können wir uns das Klein-Klein der Koalition nicht leisten. Es sind enorme Gefahren. Die größte Bedrohung, die der Frieden in der Welt zu fürchten hat, geht vom internationalen, insbesondere islamistischen Terrorismus aus. Dieser Terrorismus arbeitet organisiert. Er arbeitet abgeschottet, sprachlich, organisatorisch und ethnisch abgeschottet. Den Strafverfolgungsbehörden gelingt es nur sehr schwer, in diese abgeschotteten Strukturen einzudringen. Es ist ein Panzer aus Sprache, aus Sitte und aus Ethnie, der für die Strafverfolgungsbehörden nur schwer zu durchlöchern ist, um Straftaten zu verhindern. Was wir vortragen, ist nicht nur eine politische Forderung, sondern es ist fast schon der Hilferuf aus der Praxis. ({11}) Ich lese Ihnen jetzt einmal einen dieser Hilferufe vor. ({12}) Er ist immerhin vom Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf. ({13}) - Vielleicht hören Sie einfach einmal zu! Ich schlage vor, dass wir denjenigen, die damit in der Strafrechtspraxis betraut sind, einmal zuhören. Die Fähigkeit zum Zuhören ist auch eine demokratische Fähigkeit. Ich bitte Sie, dem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, der dem al-Tawhid-Verfahren vorgesessen hat, zuzuhören. ({14}) Er sagt - ich zitiere aus dem Urteil; er hat es in sein Urteil hineingeschreiben -: Eine Kronzeugenregelung ist zur Bekämpfung des organisierten Terrorismus unverzichtbar. ... Unser Fall hier zeigt geradezu exemplarisch mehrere ... Aspekte auf: Auch in den islamistischen Terrorgruppen finden sich Mitglieder, die unter bestimmten Gegebenheiten zum Ausstieg bereit sind, wie es sich im Falle des Angeklagten gezeigt hat. Es ist zu kurz gegriffen, bei den Mitgliedern solcher Vereinigungen ausnahmslos von unbeugsam ideologisch verhafteten Islamisten auszugehen, die einer Ansprache mit möglichen Strafvergünstigungen nicht zugänglich sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stünker?

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde gerne das Zitat beenden. Dann lasse ich die Zwischenfrage zu. Ich zitiere weiter: Die fehlende Möglichkeit der gesetzlich abgesicherten Zusage einer Vergünstigung erschwert, ja behindert die Aufklärung begangener und die Verhinderung weiterer terroristischer Straftaten. … ({0}) Deshalb geht der dringende Appell an den Gesetzgeber, sich aufgrund der Erfahrungen mit dem vorliegenden Strafverfahren erneut der ({1})Einführung einer Kronzeugenregelung anzunehmen. Hören Sie die Appelle! Hören Sie den Notruf der Praxis! Verweigern Sie sich nicht - das ist unser Appell -, weil Sie in der Regierung keine Einigkeit haben, meine Damen und Herren! ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt ist die Redezeit schon zu Ende. Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen: Wir sollten es nicht zur Dauerregel machen, auf diese Weise zu längeren Debatten zu kommen. Das ist, glaube ich, im Interesse von uns allen. ({0}) Ich lasse es jetzt noch einmal zu, aber dann nicht mehr. Bitte.

Joachim Stünker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Röttgen, Sie haben den Notruf der Praxis vorgetragen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass sowohl der Deutsche Richterbund als auch der Deutsche Anwaltverein hierzu eine genau gegenteilige Stellungnahme abgegeben haben?

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir ist bekannt, dass der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes eine andere Stellungnahme abgegeben hat ({0}) und der DAV ebenso. Aber der DAV ist nicht die Vertretung der Richterschaft. Ich habe einen richterlichen Praktiker zitiert, der in seiner konkreten richterlichen Tätigkeit mit Terroristenprozessen befasst ist. ({1}) Diesen Praktiker hören wir und wir nehmen das sehr ernst, was er aus seiner praktischen Erfahrung sagt, was er Hilfe suchend an die Politik gewandt sagt. Dass es bei dieser Frage in den Verbänden eine einheitliche Meinung gibt, ist nicht zu erwarten. ({2}) Ich nehme einen Praktiker, der betroffen ist und aus seinen Erfahrungen berichtet, sehr ernst. Wir halten die Auffassung, die er vertritt, für zutreffend. ({3}) Darum haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir haben ihn rechtsstaatlich eingebettet. Deshalb bestehen keine Bedenken, ihm zu folgen. Wir fordern Sie auf, nicht nur von den Gefahren zu reden, sondern auch zu handeln, und zwar effektiv. Danke sehr. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die innere Sicherheit ist bei Rot-Grün in guten Händen. ({0}) Seit wir in der Regierungsverantwortung sind, geht nämlich laut Kriminalstatistik die Anzahl schwerer Straftaten zurück und die Aufklärungsquote steigt. Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, präsentieren heute aber wieder einmal einen Gesetzentwurf, den wir zum größten Teil schon aus der vergangenen Wahlperiode kennen. Er hat bereits damals keinen Erfolg gehabt und - so viel vorweg - ich kann mir kaum vorstellen, dass das diesmal anders ausgeht. Lassen Sie mich zunächst auf die absolute Neuigkeit Ihres Entwurfs eingehen, also auf Art. 1, der praktisch zum Wiederaufleben der alten Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten führen würde. Die alte Regelung ist Ende 1999 nicht verlängert worden. Die Gründe dafür sind so oft und so intensiv erörtert worden, dass ich sie hier nicht wiederholen muss. Für einen Rechtsstaat ist es nun einmal kein einfaches und selbstverständliches Anliegen, einen Straftäter - das ist der Kronzeuge - mit einer geringeren als der eigentlich verwirkten Strafe davonkommen zu lassen. Ich bin mir außerdem sicher, dass Sie die Mehrheit dieses Hauses nicht zu einer Änderung der Entscheidung von 1999 bringen werden, wenn Sie in der Entwurfsbegründung allein und pauschal - das haben Sie auch eben getan - auf die Erfahrungen in Verfahren gegen islamistische Terroristen hinweisen. Gerade da bietet sich nämlich in Wahrheit ein ausgesprochen zwiespältiges Bild: In einem Verfahren hat der von Ihnen zitierte Vorsitzende Richter - er hat im Moment große Probleme - für eine Kronzeugenregelung plädiert, weil das Aussageverhalten eines Beschuldigten in diesem einen konkreten Verfahren das nahe legte. Er hat ihn auch ohne diese Regelung verurteilt. Bei anderen Beschuldigten aus diesem Umfeld sind sich die Experten aber weitgehend sicher, dass sie für mögliche Anreize einer Kronzeugenregelung kaum empfänglich wären. Das ist insbesondere angesichts des ideologischen, religiös-fanatischen Hintergrunds der Beschuldigten auch nicht anders zu erwarten. Ein solcher Hintergrund dürfte bei der Mehrheit der infrage kommenden Personen bestehen. Immerhin wollen wir gerne mit Ihnen zusammen darüber nachdenken, welche Möglichkeiten zum Schutz der Bevölkerung vor schwersten Straftaten sinnvoll erscheinen. ({1}) - Herr Röttgen, hören Sie einem erfahrenen Praktiker einmal zu! Sie haben eben ja auch einen zitiert. ({2}) Allerdings brauchen wir noch etwas mehr und substanzielleren Hintergrund, als Sie ihn liefern. Wenn wir schon über ernsthafte Erörterungen sprechen, dann sollten Sie übrigens besser damit aufhören, die Kronzeugenregelung als Forderung „nahezu der gesamten Praxis“ zu bezeichnen. ({3}) Es wäre schön, wenn Sie als Beleg dafür eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen nicht nur zitieren, sondern diese Studie irgendwann auch einmal lesen würden. Der Rücklauf der bundesweiten Erhebung bestand im Wesentlichen aus 466 Fragebögen. 231 davon stammten aus dem Justizbereich - 231 Fragebögen bei etwa 15 000 Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit und etwa 6 000 Staats- und Amtsanwälten! Dieses Zahlenverhältnis entwertet nicht diese Studie, der sich auf jeden Fall wertvolle Aspekte für eine sachliche Diskussion entnehmen lassen. Ihre Behauptung, die Einführung einer Kronzeugenregelung entspreche einer Forderung „nahezu der gesamten Praxis“, kommentiert sich danach allerdings praktisch von selbst. Von mir dazu nur noch der Hinweis - Herr Stünker hat ihn schon gegeben -, dass sich der Deutsche Richterbund ausdrücklich gegen eine Kronzeugenregelung ausgesprochen hat. Noch schwerer fällt es, mit Ihnen einen Erfolg versprechenden Dialog zu führen, wenn man die Art. 2 bis 9 Ihres Gesetzentwurfs ansieht. ({4}) Wir haben in der Vergangenheit einen Dialog angeboten und wir haben erklärt, was uns an diesem Entwurf rein fachlich fehlerhaft zu sein scheint. Wir können leider nicht feststellen, dass das in irgendeiner Form Niederschlag gefunden hätte. ({5}) Hier nur einige Stichworte: Unverändert streut der Entwurf 20 einzelne Kronzeugenregelungen quer durch StGB und Nebenstrafrecht; das ist in seiner Unübersichtlichkeit völlig unpraktikabel. Deshalb wurde der Entwurf gerade von den Praktikern in der Anhörung des Rechtsausschusses im November 2001 regelrecht verrissen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Röttgen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich möchte weiterreden; er hat schon genug geredet. Unverändert fehlt jede nachvollziehbare sachliche Erklärung dafür, weshalb Sie eigentlich bei diesen und jenen Delikten Kronzeugenregelungen vorsehen wollen, bei anderen jedoch nicht. Was soll einerseits eine Kronzeugenregelung im Ausführungsgesetz über das Chemiewaffenübereinkommen, wenn Sie andererseits in Ihrem Entwurf nicht einmal dem kleinen Schläger am Rande einer kriminellen Organisation den Anreiz geben, über seine Bosse auszupacken? Nicht, dass mir der kleine Schläger sonderlich sympathisch wäre; im Gegenteil. Aber hier kommen wir schnell wieder zur Grundsatzfrage, ob man überhaupt eine Kronzeugenregelung vorsehen sollte. Ich versuche im Moment also nur, Ihren Ansatz konsequent zu Ende zu denken, kann aber in Ihrem Ansatz keine Konsequenz erkennen. Auch hinsichtlich anderer Delikte ist Ihr Ansatz inkonsequent. Ich kann leider aufgrund der zu Ende gehenden Redezeit nicht weiter darauf eingehen, möchte nur noch einige Ungereimtheiten bezüglich der prozessualen Regelungen aufzeigen: Wie soll das zum Beispiel mit dem Wiederaufnahmeverfahren gegen den lügenden Kronzeugen vonstatten gehen? Denken Sie doch bitte einmal darüber nach, was Sie da in einer Strafprozessordnung anrichten, die sich bisher in ihren Grundzügen bewährt hat. ({0}) Das kurze Fazit aus meinen Bemerkungen kann nur lauten: Völlig unabhängig davon, wie man sich bezüglich der Frage Kronzeugenregelung grundsätzlich entscheidet - pro oder kontra -, ist dennoch festzuhalten: So wie Ihr Entwurf das vorsieht, darf man das nicht machen. Sie, Herr Röttgen, haben mit klingender Rhetorik nur Nebelkerzen geworfen, weil Ihnen die Sachargumente während Ihrer Oppositionszeit offensichtlich abhanden gekommen sind. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Frage der Kronzeugenregelung hier im Bundestag ja bereits häufiger debattiert. ({0}) Ich habe für die Freien Demokraten deutlich gemacht, dass wir für eine Kronzeugenregelung sind. Ich betone dabei aber, wie ich es bisher auch immer unterstrichen habe, dass wir für eine rechtsstaatliche Kronzeugenregelung sind. ({1}) Warum sind wir dafür? Gerade im Bereich der organisierten Schwerstkriminalität kann man in den Kern der Organisationen nur eindringen, wenn man demjenigen, der bereit ist, einer solchen kriminellen Organisation den Rücken zu kehren, die Hand reicht. Eine wichtige Möglichkeit, die Hand für die Zusammenarbeit mit der Justiz zu reichen, bietet eine solche Kronzeugenregelung. Das Ganze ist nicht unproblematisch, weil diese Straftäter natürlich in aller Regel eine schwere Schuld auf sich geladen haben. Das macht deutlich, dass eine solche Kronzeugenregelung nur unter bestimmten Voraussetzungen greifen kann und greifen darf. Die CDU/CSU hat einen Entwurf vorgelegt, der, wie ich hoffe, uns Gelegenheit geben wird, die Fragen, die notwendigerweise diskutiert werden müssen, hier im Deutschen Bundestag auch zu diskutieren. Dass ein solches Vorgehen quer durch alle Fraktionen möglich ist, hat der Umgang mit dem Vorschlag der FDP-Bundestagsfraktion hinsichtlich der heimlichen Aufnahmen gezeigt. Am Anfang wurden zwar auch diese oder jene Bedenken geäußert, dann aber haben sich alle Fraktionen in einem, wie ich finde, vorbildlichen Verfahren auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf verständigt. Das muss auch hier gelingen. Ich will ein paar Punkte ansprechen, die für uns als FDP wichtig sind: Erstens. Wir wollen nicht, dass es einem Pseudokronzeugen gelingt, Strafvorteile zu erreichen. Einer, der zunächst mit der Justiz zusammenarbeitet, dann aber beispielsweise im Prozess auf einmal Gedächtnislücken hat und diese Zusammenarbeit einstellt, darf nicht von der Kronzeugenregelung profitieren; das ist vollkommen klar. Sie haben das in Ihrem Entwurf erfreulicherweise auch so vorgesehen. Ob das immer so geschehen ist, dass man die Regelungen problemlos umsetzen könnte, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Der Vertreter der Bundesregierung hat dies ja gerade auch schon kritisiert. Aber ich denke, dass der Ansatz, den Sie dort haben, richtig ist: Ein Pseudokronzeuge darf keine Strafminderung bekommen. In einem zweiten Punkt stimme ich mit Ihnen nicht überein. Für uns ist ganz wichtig, dass eine Verurteilung nicht allein auf der Aussage eines Kronzeugen beruhen darf. Es muss auch weitere Mittel geben, die zur Feststellung der Schuld des Täters führen. Denn gerade die Kronzeugen kommen häufig aus einem zwielichtigen Milieu und sind in schärfste Straftaten verwickelt. Man kann nicht ausschließen, dass sie die Dinge so darstellen, dass sie selbst günstig wegkommen. Deshalb müssen weitere Beweismittel hinzukommen. Eine entsprechende Regelung finde ich in Ihrem Gesetzentwurf nicht; Sie schließen das ausdrücklich aus. Ich bedaure das. Ein weiterer Punkt, über den wir nachdenken müssen, ist, ob es richtig ist, dass Sie sich an die Organisationsdelikte in § 129 a und 129 b Strafgesetzbuch anhängen. Ich selbst bin in dem Bereich als Oberstaatsanwalt längere Zeit tätig gewesen und ich weiß, wie schwierig es ist, ein Organisationsdelikt nachzuweisen. Aber schwerste Straftaten, die für solche Organisationen typisch sind, können häufig nachgewiesen werden. Deshalb halte ich es für überlegenswert, ob man statt der Organisationsdelikte nicht besser einen Katalog der schwersten Verbrechen als Anknüpfungspunkt nimmt. Darüber sollten wir sprechen. Ähnlich kritisch wie Staatssekretär Hartenbach bin ich bei den vielen Einzelregelungen, die Sie im Strafgesetzbuch, aber auch in den Nebengesetzen vorsehen. Ich bin der Auffassung, dass wir gut beraten sind, wenn wir das auf einige wenige Fälle beschränken und keine Ausweitung vornehmen, beispielsweise auf den Tatbestand des Betruges, wie Sie es vorsehen. Auch da sehe ich Gesprächsbedarf. Alles, was Sie gerade von mir gehört haben, macht deutlich, dass die Liberalen eine rechtsstaatliche Kronzeugenregelung wollen. Ich denke, dass die heutige Debatte gezeigt hat, dass es genügend Gesprächsstoff für alle gibt. Ich appelliere noch einmal an uns alle - gerade weil ich aus der Praxis komme, weil ich die Nöte meiner Kollegen, die in diesem schwierigen Bereich als Staatsanwälte ermitteln müssen, kenne -, dafür zu sorgen, dass wir zu einer rechtsstaatlichen Kronzeugenregelung kommen. Der Weg dahin müsste eigentlich zu ebnen sein. Ich appelliere insbesondere an die Kollegen von der SPD, weil ich weiß, dass es bei Ihnen viele gibt, die genauso denken wie ich. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Montag, dem wir vorweg zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren. ({0})

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ganz herzlichen Dank für diese persönliche Erwähnung, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Röttgen, Ihre These, die Sie heute hier vorgetragen haben - was rechtsstaatlich möglich sei, das sei im Wege des Handelns auch geboten -, ist, verzeihen Sie mir bitte, absurd. Rechtsstaatlich möglich ist sehr vieles. Aber wir werden nur das machen, was sachlich geboten ist. ({0}) Das, was sachlich geboten ist, entspricht nicht dem, was Sie hier vorgelegt haben; es ist unsachlich. Wir werden diesem Weg nicht folgen. Ich will den - wie ich befürchte, leider Gottes untauglichen - Versuch machen, einen Begriff aus der Debatte zurückzuholen. Wir leben nicht in einer Monarchie, sondern in einer Demokratie. Bei uns ist die Staatsanwaltschaft nicht die Vertreterin der Krone, sondern die der Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist der Begriff des Kronzeugen, der auf das angelsächsische Recht zurückgeht und der besagt, dass die Exekutive einen Beschuldigten unter ihre Fittiche nimmt, die Erkenntnisse auswertet und ihn der Justiz vorenthält - das ist das Wesen der Kronzeugenregelung -, auf unser Rechtssystem und auf das, was bei uns möglich ist, überhaupt nicht übertragbar. Ich lehne es auch ab, von Verrätern zu sprechen, deren Verrat man liebt. Aber lasst uns von den Straftätern reden, die sich im Rahmen des Strafgesetzbuches Milderung verdienen wollen, indem sie ihre Erkenntnisse den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen! Die Frage ist: Braucht man dazu überhaupt neue gesetzliche Regelungen? In der Praxis ist man überwiegend der Meinung: Nein, das ist mit den geltenden Regeln sehr wohl zu machen. ({1}) In diesem Zusammenhang muss man zwei Fragen stellen. Erste Frage: Welche Aussage wird belohnt: die wichtige oder die richtige? In § 1 Ihres Gesetzentwurfs stellen Sie ausschließlich darauf ab, dass die Aussage für die Ermittlungsbehörden von Bedeutung sein muss. Aber an keiner Stelle steht, dass die Aussage richtig sein muss. ({2}) Völlig absurd sind die Regelungen in den folgenden Paragraphen. Sie wollen nämlich jemanden, der seine falsche Aussage zugunsten der Wahrheit zurücknehmen will, mit einer höheren Strafe bedrohen. ({3}) Das ist so rechtsstaatswidrig und so absurd, dass ich Ihnen nur sagen kann: Ziehen Sie Ihren vorgelegten Gesetzentwurf schnellstens zurück! ({4}) Nach der Frage der materiellen Richtigkeit der belastenden Aussagen stellt sich die zweite Frage: Wer soll in der Lage sein, einem solchen Menschen eine rechtsverbindliche Zusicherung zu machen? ({5}) Sie sagen dazu, das könne der Generalbundesanwalt sein. Wir sagen, dass es nur - wenn überhaupt; dafür gibt es Instrumentarien - das erkennende Gericht sein kann, nachdem es selbst geprüft hat, ob die Aussage der Wahrheit entspricht. ({6}) Das sind die beiden Fragen, um die es geht. Herr Dr. Röttgen, ich komme jetzt zu der Frage, die Sie angesprochen haben. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf auf der ersten Seite: Wie jüngste Erfahrungen in Prozessen gegen islamistische Terroristen bestätigen, sind Kronzeugenregelungen in diesem Bereich unerlässlich. Tatsächlich sind Sie in der Lage, aus einem Urteil eines OLG zu zitieren, in dem sich der Vorsitzende Richter in einer bestimmten Richtung geäußert hat. Schaut man sich die Sache etwas genauer an, dann stellt man fest, dass dieser Vorsitzende Richter zu einer Zeit, als Sie die Regierung stellten, im Bundesjustizministerium für die alte Kronzeugenregelung verantwortlich war. Dieser ehemalige Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums spricht als Vorsitzender Richter in einem Urteil in einen Obiter Dictum eine rechtspolitische Fragestellung an, die in dieses Urteil überhaupt nicht hineingehört. ({7}) Fakt ist nämlich, dass in diesem Verfahren, das Sie angesprochen haben, der Angeklagte einer Straftat verdächtig war, für die ein Strafrahmen von einem bis zehn Jahren vorgesehen ist. Er hat von diesem Gericht eine Strafe von vier Jahren bekommen. Das Gericht hätte aber nach geltenden Regeln diesem Straftäter aufgrund seiner kooperativen Mitarbeit leicht eine Strafe von nur einem Jahr geben können. Hören Sie genau zu: Der Verteidiger dieses Angeklagten hat das Urteil sofort angenommen und direkt nach der Urteilsverkündung gesagt, dass er für seinen Mandanten keine Kronzeugenregelung gebraucht hätte, weil das geltende Recht vollständig ausgereicht hätte. Zum Schluss will ich noch eines sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Richter sprechen Recht. Manchmal haben sie sogar Recht. Deswegen hören Sie auf die Richter des Deutschen Richterbundes, die am 26. Januar 2004 zu diesem Thema gesagt haben - ich zitiere -: Das Kronzeugengesetz von 1989 hat die Erwartungen der Praxis nicht erfüllt. ({8}) Es besteht die Gefahr eines Missbrauchs: Um die eigene Strafbarkeit zu verharmlosen, wird falsch ausgesagt und werden Dritte zu Unrecht belastet. Weiter heißt es dann: Bereits nach den geltenden Gesetzen kann die Kooperationsbereitschaft eines Beschuldigten ausreichend berücksichtigt und „honoriert“ werden. Dies ist die Stimme der deutschen Richterschaft. Ich empfehle Ihnen, dass Sie Ihren Gesetzentwurf zurückziehen und sich dieser Auffassung anschließen. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Abgeordnete Thomas Strobl das Wort.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der deutschen Sicherheitsarchitektur gibt es gewaltige Schwachstellen. Das Fehlen einer Kronzeugenregelung, wie wir sie heute in unserem Gesetzentwurf einbringen, ist eine gravierende Sicherheitslücke. Herr Kollege Montag, ich will einmal Praktiker der Strafverfolgungsbehörden zitieren - denn Sie haben ja das, was Kollege Röttgen hier vorgetragen hat, bestritten -, und zwar den Bund Deutscher Kriminalbeamter, ({0}) der die Bundesregierung, die Koalitionsfraktionen und insbesondere Ihren Kollegen Beck scharf kritisiert: Es ist kaum zu glauben, in welcher Weise ein halbes Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September die damalige Ankündigungspolitik zur Makulatur verkommt! Eine Kronzeugenregelung ist für die Aufklärung und Verhinderung schwerster Straftaten im Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität unabdingbar. Bereits vor zwei Jahren hat die Innenministerkonferenz sich eindeutig in diesem Sinne festgelegt, im Herbst letzten Jahres hat die Bundesregierung dies als Reaktion auf die Terroranschläge nochmals bekräftigt. Im Ergebnis ist nichts geschehen und jetzt will man dieses wirkungsvolle Instrument zur Gewinnung von Aussteigern aus hochkriminellen Szenen offenbar völlig auf Eis legen. Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. ({1}) Herr Staatssekretär, Sie haben sich darauf bezogen, dass wir einen solchen Gesetzentwurf bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingebracht haben; das ist richtig. Diesen haben Sie damals abgelehnt. Sie können das heute wieder tun. Sie sollten nur berücksichtigen, dass vor zweieinhalb Jahren, am 11. September 2001, etwas geschehen ist. ({2}) Wir sind uns doch sicherlich alle darin einig, dass wir vor einer Herausforderung in einer ganz neuen und anderen Dimension stehen: dem radikalen, internationalen islamistischen Terrorismus. Ziel unser aller Politik sollte es sein - jedenfalls ist es das Ziel der CDU/CSU -, alles dafür zu tun, um unsere Bevölkerung vor dieser neuen Bedrohung zu schützen. Das heißt aber konkret, unseren Sicherheitsorganen alle rechtsstaatlichen Mittel an die Hand zu geben, um die Bevölkerung wirksam schützen zu können. Dazu gehört selbstverständlich, entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen. Das ist unsere Aufgabe. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts, einer umfassenden neuen Sicherheitsarchitektur müssen alle Sicherheitsorgane in die Lage versetzt werden, vernetzt und effektiv gegen internationale Terrorgruppen vorzugehen. Die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ist ein Baustein einer solchen Sicherheitsarchitektur. Ihr Ziel liegt vor allem im präventiven, also im vorbeugenden Bereich, in der Verhinderung schwerer und schwerster Straftaten. Deshalb bringen wir den Entwurf eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ein. Die überwiegende Anzahl der Praktiker unterstützt eine solche Regelung. ({3}) - Auch Richter sind selbstverständlich Praktiker. Es gibt zwar bei den Richtern unterschiedliche Stimmen; aber die überwiegende Anzahl der Strafrechtspraktiker unterstützt die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung. ({4}) - Das ist doch ganz unstreitig. Herr Kollege, wenn Sie dies nicht glauben, dann fragen Sie einmal Ihren Nachbarn, den Kollegen Kemper. Er war ein paar Jahre länger als Sie Kriminalbeamter. ({5}) Kriminalbeamte sind ebenfalls Praktiker. Die haben sogar einmütig eine Stellungnahme dazu abgegeben. Ich kann gerne auch einmal Bundesinnenminister Schily zitieren. ({6}) Thomas Strobl ({7}) Der ist ja nun unverdächtig; zumindest ist er Mitglied Ihrer Partei. Ich zitiere aus einer Bundestagsdebatte vom 11. Oktober 2001: Eine Kronzeugenregelung kann … ein wichtiges Hilfsmittel zur Verhinderung und zur Aufklärung von Straftaten sein, ({8}) wenn sie so gestaltet ist, dass jemand im Hinblick auf Sanktionen strafrechtlich milder behandelt wird, wenn er dazu beiträgt, eine Straftat zu verhindern oder sie aufzuklären. ({9}) Das ist beispielsweise der Fall, wenn er die Ermittlungsbehörden zu einem Sprengstoffversteck bzw. zu einer konspirativen Wohnung führt oder in anderer objektiv nachweisbarer Weise dazu beiträgt, bei der Strafverfolgung zu helfen. So Otto Schily am 11. Oktober 2001. Der Mann hat Recht. Wir danken dem Bundesinnenminister für die Begründung unseres Gesetzentwurfes. ({10}) Es war im Übrigen so, dass die 1999 ausgelaufene Kronzeugenregelung durchaus ein Erfolg gewesen ist. Sie ist zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und auch zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität unverzichtbar. Richtig ist, dass wir insbesondere bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit den üblichen Ermittlungsmethoden - Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten und Telefonüberwachung Probleme haben. ({11}) - Herr Kollege Montag, deswegen ist es insbesondere aufgrund der Bedrohungssituation durch den internationalen islamistischen Terrorismus, die Sie ja nicht in Abrede stellen, umso notwendiger, dass wir die Kronzeugenregelung wieder einführen. Sie ermöglicht es, in den Kern krimineller Strukturen einzudringen, diese zu sprengen und - ich wiederhole es - schwere und schwerste Straftaten zu verhindern. Ich gebe zu, die Kronzeugenregelung ist nicht das allein selig machende Mittel, aber sie ist eine Chance und ohne Zweifel ein wichtiger Baustein für die ermittelnden Behörden im Kampf gegen Terror und organisiertes Verbrechen. Deshalb möchte ich uns alle auffordern: Machen wir den Weg für eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen Terror und organisiertes Verbrechen frei! Schließen wir eine gravierende Sicherheitslücke, die seit Ende 1999 in Deutschland besteht! Herr Kollege van Essen, man kann in der Debatte über manches reden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass im Grundsatz der von uns eingebrachte Gesetzentwurf zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung absolut in die richtige Richtung geht. Besten Dank. ({12})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tobias Marhold.

Tobias Marhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003189, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung ist sich der anhaltenden Bedrohung bewusst, die vom Terrorismus sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Landes ausgeht. Davon können Sie ausgehen, Herr Strobl. ({0}) Mit den Antiterrorgesetzen infolge des 11. Septembers wurden bereits zahlreiche Maßnahmen einer wirksamen Antiterrorbekämpfung eingeleitet. Wir haben unser Land sicherer gemacht. Das sei vorab einmal gesagt. ({1}) Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf der CDU/ CSU sieht die Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung vor. Um es gleich zu sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Ihr Entwurf ist ein alter Hut, den wir uns nicht aufsetzen werden, ({2}) weil er garantiert nicht zu mehr Sicherheit führen wird. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir begrüßen es sehr, dass Sie eigene Vorschläge machen, aber Sie sollten doch genauer hinschauen, ob Ihre Vorschläge auch sinnvoll sind. Wir alle wissen, dass die Kronzeugenregelung in der Vergangenheit umstritten war, und zwar nicht ohne Grund. Die damalige Regelung war nicht in dem Maße erfolgreich wie erhofft. Sie wurde nur auf einige wenige Fälle angewandt. Das ist zweifellos kein gutes Ergebnis. Daher haben wir die alte Kronzeugenregelung zum Jahr 2000 auslaufen lassen. Die bereichsspezifischen Lösungen, auf die Sie in Ihrem Entwurf setzen, führen in die Irre. Schon mit den bestehenden Regelungen, die es etwa im Betäubungsmittelgesetz gibt, ist es nicht gelungen, Strukturen aufzudecken und an die „großen Fische“ zu kommen. Das können Ihnen die Praktiker bestätigen. ({3}) Sie wollen mit Ihrem Entwurf auch eine Vielzahl von Vorschriften des Strafgesetzbuches ändern. Doch denken Sie auch einmal an die gesetzgeberische Klarheit, die in diesem sensiblen Bereich notwendig ist. Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich eines anmerken, was mich doch sehr verwundert hat: Gestern wollte uns der Kollege Röttgen Nachhilfe in Sachen Schutz des Bürgerwohls erteilen und heute wollen Sie eine Strafmilderung für Mörder durchsetzen, ({4}) und zwar mit dem Ergebnis, dass diese gefährlichen Straftäter nach nur drei Jahren wieder in die Freiheit entlassen werden können. So jedenfalls steht es in Ihrem Entwurf, und zwar in Art. 1 § 3 Satz 2. Sie können es gern nachlesen. ({5}) Ich will mich nicht der Polemik und dem Populismus des gestrigen Tages anschließen, als wir über die nachträgliche Sicherungsverwahrung gesprochen haben. Denken Sie bitte selbst darüber nach, ob diese Regelung so vertretbar ist oder nicht. Ich persönlich habe da große Bedenken. Sie übersehen auch, dass im Strafrecht und im Strafprozessrecht bereits Möglichkeiten bestehen, Strafen zu mildern oder Verfahren einzustellen, wenn ein Tatbeteiligter seine Kenntnisse dem Gericht umfassend zur Verfügung stellt. Das haben Sie in Ihrer Begründung übersehen. Ein ist jedoch auch klar - lassen Sie mich das als Innenpolitiker sagen -: Die organisierte Kriminalität und international agierende Terrornetzwerke lassen sich oftmals nur von innen knacken; denn die Beteiligten haben ihre Methoden verfeinert und von außen sind die Organisationsstrukturen nur schwer durchschaubar. Die Beweisführung gegen diese Gruppen und Personen ist daher keinesfalls einfacher geworden. Das wissen wir alle. Wichtig ist es deshalb, rechtsstaatlich vernünftige Regelungen zu treffen, die Sicherheit schaffen. ({6}) Das betrifft durchaus auch den Bereich, in dem es darum geht, Aussagen von Tatbeteiligten zu bekommen, die dann wiederum helfen, Netzwerke und Gruppen aufzudecken und strafrechtlich zu verfolgen. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Tobias Marhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003189, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich möchte gern im Zusammenhang vortragen. Die Bundesregierung hat hier schon einiges auf den Weg gebracht. ({0}) - Hören Sie einfach zu, vielleicht lernen Sie dann noch etwas. - Denken Sie beispielsweise an das Zeugenschutzharmonisierungsgesetz. Seit 2001 können Aussagen und andere Beweise, die für die Strafverfolgung bislang wegen der Bedrohung von Zeugen nicht genutzt werden konnten, von den Gerichten verwertet werden, weil Zeugen jetzt besser geschützt werden können und deshalb aussagebereit sind. Dass dadurch besonders der sensible Bereich der Terrorismusbekämpfung angesprochen ist, liegt meiner Ansicht nach auf der Hand. Die Bekämpfung des Terrorismus, liebe Kolleginnen und Kollegen, hatte und hat für die Bundesregierung nach wie vor höchste Priorität und jegliche Formen von Extremismus und Gewalt müssen durch ein entschlossenes, aber gleichzeitig auch besonnenes Handeln des Rechtsstaates bekämpft werden. ({1}) Das betrifft auch die Frage, wie es uns gelingen kann, Aussagen von Tatbeteiligten zu erlangen, die dann zur Aufklärung oder Verhinderung anderer Straftaten beitragen. Lassen Sie mich betonen: Hierüber müssen wir nachdenken. Viele Wege sind denkbar. ({2}) Das alles erfordert eine sorgfältige Prüfung, der wir uns nicht verschließen werden. Wir brauchen effiziente Regelungen, die Sicherheitsbedürfnisse und Rechtsstaatlichkeit miteinander verbinden. Richtig ist - das ist auch kein Geheimnis -, dass im Hinblick auf diese Frage zwischen den Koalitionspartnern durchaus unterschiedliche Bewertungen bestehen. Das halte ich aber für einen normalen Vorgang und ich darf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, daran erinnern, dass die Einführung der alten Kronzeugenregelung zu einigen Auseinandersetzungen mit Ihrem damaligen Koalitionspartner FDP führte. Das haben Sie hoffentlich nicht vergessen. Wir werden diese Frage, wie alle anderen auch, gemeinsam klären und dann zu einer Lösung kommen. ({3}) Sicher ist, dass dabei Rechtsstaatlichkeit, Effizienz und gesetzgeberische Klarheit die Hauptrollen spielen werden. Ihr Entwurf aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ist dabei leider wenig hilfreich. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Zeitlmann.

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich erstaunt, dass man hier so entrüstet und grundsätzlich diskutiert. Ich halte den Ansatz des Kollegen van Essen eigentlich für ganz entscheidend: Wenn man dem Wunsch mancher Praktiker - ich gebe zu: nicht aller - nach besseren Methoden zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität nachkommen will, dann darf man nicht jahrelang - das sind jetzt immerhin schon fünf Jahre - die Dinge an die Wand spielen und so tun, als würden wir hier etwas ganz Entsetzliches vorschlagen. Gleichzeitig geben Sie, Herr Kollege Marhold, zu, dass es diese Regelung im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes gibt. Dieses apodiktische „Um Gottes willen“ und „Das ist von Übel und rechtsstaatlich undenkbar“ muss aufhören. ({0}) Es muss einem doch zu denken geben, dass Leute wie Freiberg und Kersten die Kronzeugenregelung als eine Möglichkeit der Terrorismusbekämpfung sehen. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine Kannbestimmung. Es wird also niemand zu etwas gezwungen. Wenn sich für den Gesetzgeber eine Möglichkeit eröffnet und Praktiker sich diese Möglichkeit wünschen, müssten beim Gesetzgeber eigentlich die roten Lampen ausgehen und man müsste sagen: Diese Regelung ist rechtsstaatlich möglich und sie scheint für manche auch hilfreich zu sein. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass im Vorfeld der damaligen Kronzeugenregelung immer die Frage gestellt wurde, ob es sich hinterher beweisen lässt, dass es aufgrund der Aussage des Kronzeugen einen Durchbruch bei den Ermittlungen gab. Das ist natürlich eine an sich unzulässige Fragestellung, denn beweisen kann man das hinterher nicht immer. Denn die Verunsicherung im Milieu und im Terrorismusbereich wäre schon ausreichend. Der Richter selbst weiß doch, wann es passt und wann nicht. Er kann die Materie vor Ort eingehend beurteilen und sagen, ob im Einzelfall wirklich etwas erreicht wurde oder nicht. Ich glaube, dass Sie nie eine einvernehmliche Regelung schaffen können, der alle Richter, Praktiker und Verbände zustimmen. Ohne Zweifel besteht auch für Sie die Gefahr, dass - was Gott verhüten möge -, wenn wieder einmal ein terroristisches Ereignis stattgefunden hat, unter dem Druck einer Debatte und auch vieler Populisten doch entsprechende Regelungen geschaffen werden müssten. Seit fünf Jahren sagen Sie, unser Entwurf sei nicht ausreichend. Auch Herr van Essen hat ja Bedenken. Darüber kann man reden. Man ist ja kompromissfähig. Aber nur Nein zu sagen und auf diesem Felde fünf Jahre lang nichts zu tun, das scheint mir beim besten Willen nicht angemessen und nicht richtig. Sie können von mir aus auch einen eigenen Entwurf vorlegen. Aber fünf Jahre lang, also seitdem die alte Regelung ausgelaufen ist, nichts zu tun, scheint mir eine ganz gefährliche Situation zu sein, die aber Sie zu verantworten haben. ({1}) Auch vom Vertreter des Ministeriums hätte ich erwartet, dass er nicht nur die Mängel des jetzigen Entwurfs aufzeigt, sondern auch eine gewisse Bringschuld erfüllt und sagt, wie man eine solche Regelung seiner Meinung nach gestalten könnte und wo es richtige Entwicklungen gibt. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenfassend sage ich eines: Wenn der Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, wenigstens dazu führen würde, dass Ihre Ideologie ein bisschen zurückgedrängt wird und die Praktiker etwas mehr Möglichkeiten haben, um zu argumentieren, ({3}) dann wäre dies schon ein Erfolg an sich. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Joachim Stünker. ({0})

Joachim Stünker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Präsidentin, bitte. ({0})

Joachim Stünker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- Entschuldigung, Frau Präsidentin. - Kollege Röttgen hat vorhin eingangs seiner Rede zu Recht den Zusammenhang zur gestrigen Debatte zur Sicherungsverwahrung hergestellt. ({0}) Herr Kollege Röttgen, eigentlich könnten die Gegensätze zwischen uns nicht deutlicher werden als durch das, was Sie am heutigen Tag zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ausgeführt haben. Diese Gegensätze sind für einen Strafrechtler in der Tat schwer verdaubar. ({1}) - Darum geht es doch nicht. - Um es anders auszudrücken: Hier bestehen wirklich erhebliche Akzeptanzprobleme. Denn nach dem 11. September 2001 haben wir hier gemeinsam - das war ja eine vernünftige Aktion des Deutschen Bundestages - Vorkehrungen getroffen, um uns im Bereich der inneren Sicherheit besser gegen Anschläge zu wappnen. Aber worüber reden wir eigentlich, wenn es heute um Ihren Entwurf geht? Hier muss man einmal in die Details gehen. Wir reden darüber, dass Sie mit der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung zukünftig einen Mörder, einen Totschläger, einen schweren Gewaltverbrecher, einen Vergewaltiger oder sonstige Schwerstkriminelle entweder völlig straffrei lassen oder aber mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren davonkommen lassen wollen. ({2}) Mit dieser Regelung wollen Sie die Androhung einer lebenslangen Freiheitsstrafe durchbrechen, sodass ein Mörder zukünftig mit einer dreijährigen Freiheitsstrafe davonkommen kann.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Strobl?

Joachim Stünker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- Nein danke, Frau Präsidentin. Ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen. ({0}) - Herr Grindel, der Schreihals da vorne, verhält sich in seinem Wahlkreis genauso. Sie sollten vielleicht einmal in Ruhe zuhören. Das würde Ihnen gut tun. ({1}) Die Voraussetzung hierfür, Herr Kollege Röttgen, soll sein, dass der Betreffende den Strafverfolgungsbehörden Kenntnisse vermittelt, die geeignet sind, das Begehen einer terroristischen Straftat zu verhindern, eine solche aufzuklären oder die Täter zu ergreifen. Ich wiederhole: Mitteilung seines Wissens über Tatsachen, die geeignet sind - mehr ist nicht Voraussetzung dafür, dass ein Mörder zukünftig im Ergebnis mit nur drei Jahren Freiheitsstrafe davonkommen kann. Der Erfolg als solcher muss nicht einmal eingetreten sein. Dann stellt sich auch die weitere Frage: Welche Tatsachen sind denn geeignet? Wer will beurteilen, welche Tatsachen geeignet sind? Die Rechtsfolge ist immer weit gehend. ({2}) - Schauen Sie in Ihren Gesetzentwurf hinein, da steht etwas anderes drin. ({3}) Solch eine Regelung ist ein Einfallstor für Lüge und Denunziation im Strafprozess. Eine andere Frage ist, was in diesen Fällen mit dem Opferschutz ist, den Sie gestern hier in der Debatte wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben. ({4}) - Herr Kollege Röttgen, bei der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung soll eindeutig Täterschutz vor Opferschutz gehen. Genau das werden wir nicht mitmachen. ({5}) - Herr Kollege Röttgen, Sie haben vorhin wörtlich gesagt, dass Sie rechtsstaatlich diesen Preis zahlen wollen. Ich sage Ihnen: Wir wollen diesen Preis nicht zahlen. Ich sage Ihnen auch - wie schon in der letzten Legislaturperiode -: Mit solch einer Regelung tut sich eine gewaltige Gerechtigkeitslücke auf. Von daher ist solch eine Regelung für uns nicht akzeptabel. Zu Ihren Vorschlägen, bereichsspezifisch im StGB und in Nebenstrafgesetzen Kronzeugenregelungen einzuführen, ({6}) garniert sogar mit einem Wiederaufnahmegrund zuungunsten des verurteilten Kronzeugen, wenn er als Zeuge vorher falsch ausgesagt hat, kann ich Ihnen nur sagen: Die ganze Praxis, die Sie vorhin so beschworen haben, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen angesichts solch einer unpraktikablen Regelung. ({7}) Ich wiederhole, wie in der letzten Legislaturperiode: Die alte Kronzeugenregelung hat sich nicht bewährt; Sie können das in allen Veröffentlichungen nachlesen. ({8}) Sie haben vorhin eine Stimme zitiert, sozusagen als Zeugen für die Berechtigung Ihres Gesetzentwurfes. Der Deutsche Richterbund in toto hat derartige Regelungen in einer Stellungnahme abgelehnt, der Deutsche Anwaltverein, der sicherlich auch eine Stimme in diesem Land hat, ebenfalls. Die Zitate dazu will ich mir schenken. Die Frage, die hier zu Recht von Ihnen gestellt worden ist und die auch der Kollege van Essen hier thematisiert hat, ist ja: Was sind eure Vorschläge? Was schlagt ihr vor, wenn wir hier eine Lücke haben? - Herr Kollege van Essen, ich bin wie Sie der Meinung, dass wir darüber wirklich in Ruhe im Rechtsausschuss diskutieren sollten. Unser Vorschlag wird dahin gehen, dass wir im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches im Rahmen der Strafzumessungsregeln Kriterien einführen, etwa in Form eines § 46 b StGB, ({9}) wonach kriminalpolitisch sinnvolles Aufklärungs- und Präventionsverhalten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden kann. Das ist etwas ganz anderes als das Versprechen einer Straffreiheit für Schwerstkriminelle, Herr Kollege Röttgen. ({10}) Das ist der Hintergrund. Wenn Sie den Unterschied nicht verstehen, können wir uns gerne im Rechtsausschuss darüber unterhalten. Das ist genau der gravierende Unterschied. Genau das - das Zitat wurde vorhin angeführt - hat auch der Innenminister gesagt. Genau diese Richtung hat er aufgezeigt. Genau in diese Richtung werden wir auch gehen. Schönen Dank. ({11})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Punkt. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP Roadmap wieder beleben - Genfer Initiative unterstützen - Drucksache 15/2392 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Einen Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dietmar Nietan.

Dietmar Nietan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003199, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Punkte des Entwurfs eines Abkommens über den endgültigen Status zwischen Israel und Palästina werden am Ende - davon bin ich fest überzeugt - Bestandteil eines Friedensabkommens zwischen diesen beiden Staaten sein. Von denjenigen in den beiden Völkern, die den Entwurf eines Statusabkommens heute noch ablehnen, werden sich etliche wundern, wie viel davon am Ende Realität sein wird. Dies ist der richtige Weg hin zu einem Frieden im Nahen und Mittleren Osten. ({0}) Aber unabhängig von dem Wann und Wie der Realisierung der Genfer Initiative bin ich der festen Überzeugung, dass sie schon jetzt ein großer Erfolg ist. Denn sie gibt der stecken gebliebenen Roadmap eine konkrete Perspektive und zeigt auf, wie eine tragfähige Zweistaatenlösung aussehen kann. Ich glaube, das Fehlen dieser Perspektive war einer der Fehler, welche die Roadmap bislang aufwies. Nun haben wir also eine Roadmap, die den Weg zum Frieden markieren soll. In der Genfer Initiative wird das Ziel dieses Weges beschrieben, und zwar, wie ich finde, in großer Klarheit. Jetzt müssen die politischen Führer in Israel, in Palästina, in Europa und in den USA nach vielen Worten endlich den Mut haben, die notwendigen Schritte zu gehen, die nötig sind, um am Ende zum Frieden zu kommen. Auch daran hakte es bisher. Insbesondere in Palästina und Israel ist es an der Zeit für klare und mutige Schritte; das sage ich an dieser Stelle sehr deutlich. Ich erwarte, dass Ministerpräsident Kurei keinerlei Zweifel daran aufkommen lässt, dass er und seine Administration das Existenzrecht des Staates Israel uneingeschränkt anerkennen, und dass er das in dieser Deutlichkeit öffentlich sagt. ({1}) Von der palästinensischen Seite erwarte ich den Mut, die bittere Wahrheit beim Flüchtlingsproblem auszusprechen, die da heißt: Eine Perspektive für die Rückkehr aller Flüchtlinge nach Israel wird es nicht geben, wenn man den Frieden wirklich will. Das muss die palästinensische Seite so sagen. ({2}) Ich habe es von Ministerpräsident Scharon als sehr mutig empfunden, dass er noch vor seiner Nominierung als Kandidat des Likud-Blocks und vor den israelischen Wahlen klar gesagt hat, dass er für eine Zweistaatenlösung ist. Er ist der erste Likud-Führer, der das in dieser Deutlichkeit ausgesprochen hat. Ich habe als sehr mutig empfunden, was wir in letzter Zeit von ihm und seiner Regierung zur Räumung von Siedlungen haben hören können. Es war Scharon, der gesagt hat, dass bei ihm Bereitschaft auch zu schmerzhaften Konzessionen vorhanden ist. Ich sage aber speziell an ihn als Ministerpräsidenten und an seine Regierung: Sie müssen nun die Stärke haben, den mutigen Worten auch mutige Taten folgen zu lassen. Das ist Aufgabe der israelischen Seite. Jetzt ist die Zeit dafür gekommen. ({3}) Natürlich ist es die Pflicht einer jeden israelischen Regierung, die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Angesichts des schrecklichen und menschenverachtenden Terrors durch Selbstmordattentate entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass man auf die Idee kommt, man könne durch die Errichtung eines ZauDietmar Nietan nes mehr Sicherheit herstellen. Ich habe aber die Sorge, dass diese Denkweise kurzsichtig ist. Wir wissen, dass sich der internationale Terrorismus durch Zäune nicht abhalten lässt. Er lässt sich nur bekämpfen, indem man die Ursachen bekämpft. Ich befürchte, dass der Zaun kurzfristig etwas mehr Sicherheit bringt, aber langfristig Dünger für die Saat des Hasses ist, die in der arabischen Welt ausgestreut worden ist. Man sollte besser den Sumpf des Hasses gegen Israel trockenlegen. Ich glaube nicht, dass die Errichtung des Zauns das geeignete Mittel dafür ist. ({4}) Ich kann in diesem gut behüteten Parlament eines Landes, das nicht von solch schlimmen Terroranschlägen heimgesucht wird wie Israel, nur dann so sprechen, wenn ich von uns selber - von uns Parlamentariern, von unserer Regierung und von unseren Ministern - einfordere, dass auch wir diese mutigen Schritte unternehmen, die wir von anderen einfordern. Wir müssen deutlich machen, dass jede Regierung und jeder Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde, die zu mutigen Schritten bereit sind, unsere volle Unterstützung haben. Es darf seitens der Europäer oder der deutschen Regierung nicht nur warme Worte geben, es muss auch eine klare Unterstützung für diese Kräfte des Friedens erfolgen. ({5}) Die deutsche Regierung darf deshalb keinen Zweifel daran lassen - sie verhält sich entsprechend; das will ich hier ausdrücklich betonen -, dass die Bundesrepublik Deutschland zu allen Schritten bereit ist, die dazu dienen, Sicherheitsgarantien für den Staat Israel aufzustellen. Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass mit dem heute vorgelegten gemeinsamen Antrag deutlich geworden wäre, dass wir nicht nur das Existenzrecht eines anonymen Staates Israel unterstützen, sondern dass wir für das Existenzrecht eines israelischen Staates jüdischen Charakters einstehen, dass wir dem jüdischen Volk eine Zukunft geben wollen und dass wir für seine Sicherheit mit garantieren wollen. ({6}) Zu den mutigen Schritten gehört aber auch, deutlich zu machen, dass wir bereit sind, auch der palästinensischen Seite Garantien zu geben, wenn sie zu einem umfassenden Frieden bereit ist. Wir müssen ökonomische und soziale Perspektiven für die Menschen in Palästina - für ihr persönliches Leben, für ihre Familien und für ihr Fortkommen - schaffen, damit sie erkennen können, dass sich der Frieden lohnt. Auch hier müssen wir zu unserem Wort stehen. ({7}) Am Ende heißt es auch, Verantwortung im Quartett zu übernehmen. Ich hoffe, dass das, was ich an dieser Stelle jetzt sage, niemand missverständlich auffasst: Wenn es sich abzeichnen sollte, dass sich die Initiativen der amerikanischen Seite, der Roadmap zum Durchbruch zu verhelfen, nicht gerade überschlagen, dann müssen die Europäer stärker als bisher Verantwortung und Eigeninitiative übernehmen. Es wäre fatal, darauf zu warten, bis eine US-Administration der Roadmap wieder die Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdient hat. ({8}) Ich meine, dass die Initiative unseres Außenministers auf der Sicherheitskonferenz in München, mit der er einen Mittelmeerprozess angeregt hat, der gemeinsam von der NATO und der EU getragen wird, die Unterstützung des Parlaments verdient. Durch eine regionale Sicherheitskooperation sollen genau die Sicherheitsaspekte eingeschlossen werden, die Israel benötigt. Gleichzeitig wird mit der angestrebten Freihandelszone bis 2010 genau die ökonomische Perspektive eröffnet, die zum Beispiel die Palästinenser dringend brauchen. Ich hoffe, dass diese Initiative bei unseren Partnern in der NATO und in der EU sehr bald eine entsprechende Resonanz findet. ({9}) Der zweite Vorschlag des Außenministers war ebenfalls genau richtig. Es geht darum, Eigenverantwortung zu übernehmen. Man muss anbieten, eine gemeinsame Erklärung abzugeben, nach der man zu einer gemeinsamen friedlichen Zukunft in dieser Region kommen will. Daran müssen wir arbeiten und handeln. Dafür kann der heute vorliegende Antrag, den ich ausdrücklich begrüße, nur ein erster Schritt sein. Auch für uns ist es jetzt Zeit zu handeln. Vielen Dank. ({10})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hermann Gröhe.

Hermann Gröhe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002666, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch den Antrag aller Fraktionen dieses Hauses „Roadmap wieder beleben - Genfer Initiative unterstützen“ wird deutlich, dass es einer erneuten politischen Kraftanstrengung bedarf, die Roadmap, den Fahrplan des Quartetts aus EU, USA, Vereinten Nationen und Russland, mit neuem Leben zu erfüllen. Zugleich bringen wir mit diesem Antrag zum Ausdruck, dass zivilgesellschaftliche Initiativen wie die mutige Genfer Initiative eine wichtige Ergänzung dieses Fahrplans sind, zeigt doch gerade das so genannte Genfer Abkommen auf, wie ein Friedensschluss, zu dem die Roadmap den Weg öffnen will, konkret aussehen kann. Denen, die unter Federführung des früheren israelischen Justizministers Beilin und des früheren palästinensischen Informationsministers Rabbo den Vertragsentwurf in zweieinhalb Jahren erarbeitet haben, gebührt dafür ein herzlicher Dank. ({0}) Der Hinweis darauf, dass dies ohne jedes offizielle Mandat und damit ohne jede Bindung der Regierenden geschah, mindert eine ganz entscheidende Leistung der daran beteiligten Politiker, Schriftsteller, Schauspieler, Ex-Generale, Friedensaktivisten und Geschäftsleute nicht. Ihre Initiative, die nahezu jedem israelischen und palästinensischen Haushalt zugestellt wurde, leitet in beiden Gesellschaften einen Willensbildungsprozess, der auch bisherige Tabuthemen einschließt, ein und treibt ihn voran. Eindringlich formuliert der israelische Schriftsteller David Grossmann, der an der Erarbeitung der Genfer Initiative beteiligt war - ich zitiere -: Das Genfer Ankommen enthält schmerzhafte israelische Verzichtsleistungen. Auch die Palästinenser haben ihrerseits harte Verzichte geleistet. Es ist keiner unter uns, der nicht Schmerz und Trauer über diese Zugeständnisse empfindet. In dieser Situation ist es eindrucksvoll, dass Umfragen zufolge ungefähr 40 Prozent der Palästinenser und der Israelis diese Genfer Initiative unterstützen. Aber es gibt auch jene 250 Rabbiner in Israel, die die Unterzeichner in einem Urteilsspruch nach religiösem Recht zu Verrätern erklärt haben, und islamistische Religionsvertreter haben eine Fatwa, eine Art Verurteilung, gegen die palästinensischen Unterzeichner erlassen. Das Eis der Feindschaft hat gerade erst begonnen zu schmelzen, wie dies symbolisch die Aktion „Breaking the Ice“ von sechs Männern und zwei Frauen, Israelis und Palästinensern, zum Ausdruck brachte. Diese Gruppe - unter ihnen zwei israelische Elitesoldaten, die früher in den besetzten Gebieten eingesetzt waren, und zwei Palästinenser, die in israelischen Gefängnissen gesessen haben - hat in der Antarktis einen 1 000 Meter hohen Berg bestiegen und ihn zum Berg der palästinensisch-israelischen Freundschaft ernannt. Es ist gut, wenn wir solch mutigen Initiativen der Zivilgesellschaft den Rücken stärken. ({1}) Es ist gut, wenn dieser Antrag und die Tatsache, dass wir ihn gemeinsam einbringen, deutlich macht, dass die Grundsätze deutscher Nahostpolitik von allen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam geteilt werden. Dazu gehört das uneingeschränkte Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Wir verurteilen die verbrecherischen Terroranschläge palästinensischer Extremisten. ({2}) Immer wieder fallen ihnen unschuldige Zivilisten zum Opfer. Erst vor zwei Wochen riss eine solche verabscheuungswürdige Tat in Jerusalem über zehn Menschen in den Tod. Die Palästinensische Autonomiebehörde muss ihre Ankündigung, extremistische Gewalt bekämpfen zu wollen, endlich glaubwürdig unter Beweis stellen. ({3}) Bislang ist Präsident Arafat hier seiner besonderen Verantwortung nicht gerecht geworden. Wir bekennen uns in gleicher Weise aber auch zum legitimen Recht der Palästinenser, in einem eigenen lebensfähigen und demokratischen Staat zu leben. Dass in dieser Debatte, aber auch bei anderer Gelegenheit zu diesen Themen nicht zuletzt jüngere Bundestagskolleginnen und -kollegen aus allen Fraktionen das Wort ergreifen und sich damit zu den gemeinsamen Grundsätzen deutscher Nahostpolitik bekennen, macht deutlich, dass jedes törichte und gefährliche Schlussstrichgerede im Hinblick auf die besondere Verantwortung Deutschlands Israel gegenüber, die sich für uns Deutsche aus dem einzigartigen Verbrechen des Holocaust ergibt, auch in der jüngeren Politikergeneration keine Chance hat. ({4}) Allerdings kann und will ich nicht verhehlen, dass mir selbst diese Solidarität mit Israel und die entschiedene Ablehnung aller Feinde Israels lange Zeit den Blick für die berechtigten Interessen des palästinensischen Volkes verstellt hat. Erst mit dem beginnenden Friedensprozess Anfang der 90er-Jahre habe ich seine Sicht der Dinge erlebt. Zu der Abscheu über verbrecherische Selbstmordattentate trat die Überzeugung, dass auch Art und Umfang der Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Sicherheitskräfte, die anhaltende Demütigung der Besatzung und die fortgesetzte Siedlungspolitik einem friedlichen Miteinander von Israelis und Palästinensern im Wege stehen. Wenn - das ist sicher begrüßenswert - Ministerpräsident Scharon nun erklärt, die jüdischen Siedlungen im Gazastreifen weitgehend räumen zu wollen, so darf doch nicht übersehen werden, dass in den letzten drei Jahren 36 000 neue Siedler ins Westjordanland gezogen sind und erst jüngst Pläne bekannt gegeben wurden, auf den Golanhöhen 900 neue Familien anzusiedeln und damit auch diese Siedlung massiv auszubauen. Gerade als Freunde Israels müssen wir diese fortgesetzte Siedlungspolitik kritisieren, wie auch den Bau des Sperrzauns zwischen Israelis und Palästinensern. ({5}) Dabei bestreiten wir natürlich nicht das Recht Israels, seine Bürger vor Terror und Gewalt zu schützen. Jenseits der grünen Grenze verlaufend und palästinensisches Gebiet durchtrennend, wirkt der so genannte Terrorabwehrzaun jedoch als Provokation, die neues Unheil heraufbeschwört. Was sollen die Menschen in der völlig eingeschlossenen Enklave Kalkilia, wo von 41 000 Einwohnern bereits über 4 000 Menschen in den letzten Wochen die Stadt verlassen haben, von der Zukunft erwarHermann Gröhe ten? Es ist noch lange keine Rechtfertigung von verbrecherischen Anschlägen, wenn man mit Schimon Peres feststellt - ich zitiere -: Solange es Besatzung gibt, wird es Terror geben. Gerade wir Deutsche müssen die Existenzängste Israels ernst nehmen. Durch die von Nazideutschland begangenen Verbrechen sind wir in tragischer Weise mit dem Umstand verbunden, dass sich die stärkere der beiden Konfliktparteien - jedenfalls heute ist das Israel - für die schwächere hält. Dürfen wir, die Deutschen, Israelis dazu auffordern, um des Friedens willen Risiken einzugehen, die sie für existenzbedrohend halten? Natürlich kann Israel kein existenzielles Risiko eingehen. Dabei wird es uns immer an seiner Seite haben. ({6}) Was wäre das aber für eine Solidarität, wenn wir unsere Überzeugung verschwiegen, dass eine bestimmte israelische Politik nicht zuletzt den berechtigten Sicherheitsinteressen des eigenen Landes schadet und der Sehnsucht der allermeisten Menschen in dieser leidgeprüften Region, endlich in Frieden leben zu können, entgegensteht? ({7}) Unser gemeinsamer Antrag bringt dies in, im besten Sinne des Wortes, ausgewogener Weise zum Ausdruck und in der richtigen Tonlage. Ich danke Ihnen. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ludger Volmer.

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns alle einig - das kommt auch in dem Antrag zum Ausdruck, den wir heute im Konsens verabschieden werden -, dass die politischen Rahmenpläne zur Lösung des Nahostkonfliktes in der so genannten Roadmap zusammengefasst sind. Das ist die offiziell verabredete und völkerrechtlich verbindliche Linie. Wir hoffen, dass die Akteure, die sich auf die Roadmap verpflichtet haben, die Kraft und auch den Willen finden, diesen Prozess ihrerseits von staatlicher Seite aus auf der internationalen Ebene und durch bilaterale Maßnahmen endlich mit Leben zu erfüllen. ({0}) Weil es daran in den letzten Monaten gemangelt hat, begrüßen wir umso mehr, dass es nun aus der Tiefe der Gesellschaften Israels und Palästinas zivilgesellschaftliche Initiativen gegeben hat - getragen auch von Personen, die dem sicherheitspolitischen Establishment dieser beiden Staaten angehörten -, die ihrerseits nun versuchen, die Roadmap mit Leben zu erfüllen und das, was als Ziel der Roadmap angegeben ist, nämlich ein garantierter Frieden zwischen einem sicheren Israel und einem souveränen Palästina, herzustellen. Wir begrüßen insbesondere, dass die Genfer Friedensinitiative den Prozess vom Ende her denkt und nicht mehr sagt, man werde sich Schritt für Schritt auf ein Ergebnis zubewegen. Vielmehr haben die Leute den Mut gefunden, sich zusammenzusetzen, um alle einzelnen Probleme anzupacken und für diese Probleme eine Lösung zu suchen. Und siehe da: Sie haben bewiesen, dass der Verhandlungsfrieden im Nahen Osten möglich ist. Wir sollten den Initiatoren dazu gratulieren und sie nach allen Kräften unterstützen. ({1}) Sie haben immer noch mit starken Widerständen zu kämpfen. Auf der palästinensischen Seite - so haben wir gerade schon gehört - gibt es immer noch die verheerenden, grauenhaften und durch nichts zu rechtfertigenden Selbstmordattentate. Sie sind auch nicht durch die Flüchtlingsfrage zu rechtfertigen. Insbesondere die Initiatoren der Genfer Initiative haben darauf hingewiesen, dass die Flüchtlingsfrage nicht so gelöst werden kann, wie sich das einige Hardliner auf palästinensischer Seite wünschen. Es werden nicht alle Flüchtlinge an ihre Ursprungsorte zurückkehren können. Das ist eine realistische Einsicht, die offensichtlich jetzt auch große Teile der Palästinenser haben. Wir Deutsche haben, um einen Seitenblick auf unsere Geschichte zu werfen, viel Verständnis für die Problematik und können der palästinensischen Seite nur gratulieren, dass sie von unhaltbaren Maximalpositionen Abstand nimmt. Umgekehrt sehen wir immer noch das Problem der Siedlungspolitik, selbst wenn Präsident Scharon nun angekündigt hat, Siedlungen in Gaza zu räumen. Auch wenn wir das ausdrücklich begrüßen, so steht dahinter möglicherweise dennoch die Idee, die beiden Staaten in der Form zu separieren, dass für den Palästinenserstaat nicht die Gebiete übrig bleiben, die auf der Basis der grünen Linie von 1967 vorgesehen waren, sondern erheblich weniger. Wenn man sich den Verlauf des Zauns anschaut, dieser Sperranlagen, die uns fatal an so manches Mauerwerk erinnern, mit dem auch wir in unserer Geschichte konfrontiert waren, dann sieht man, der Zaun durchschneidet palästinensisches Wohngebiet, er trennt Familien und Nachbarn. Auf dieser Basis wäre ein Staat überhaupt nicht lebensfähig. Deshalb begrüßen wir, dass die israelische Seite in dem Genfer Verhandlungsprozess deutlich gemacht hat, dass dieser Verlauf des Zauns absolut nicht akzeptabel ist. ({2}) Es gibt leider auf beiden Seiten immer noch Kräfte, die meinen, man könnte die andere Seite endgültig politisch besiegen und die eigenen Maximalpositionen durchsetzen. Diese Position hat keine Zukunft. Es gibt keine Alternative zu einem Verhandlungsprozess, der von der Vorstellung Abschied nimmt, man könnte die andere Seite in die Knie zwingen und ohne weiteres die eigenen Maximalpositionen durchsetzen. Ich meine, am besten kommt diese neue Haltung, die sich auch in der Genfer Friedensinitiative findet, in einem Zitat des israelischen Schriftstellers Amos Oz zum Ausdruck, der vor vielen Jahren sehr treffend geschrieben hat: Tragödien lassen sich auf zweierlei Weisen zu einem Ende bringen. Es gibt die Shakespeare-Lösung einer Tragödie und es gibt die Tschechow-Lösung einer Tragödie. In der Shakespeare-Tragödie ist die Bühne am Schluss mit Leichen bedeckt, und vielleicht, vielleicht schwebt die Gerechtigkeit hoch über ihnen, oder auch nicht. In der Tschechow-Tragödie ist jedermann am Schluss desillusioniert, verbittert, gebrochen, enttäuscht, zerschmettert, aber er lebt. Ich wünsche eine Tschechow-Lösung, keine Shakespeare-Lösung der Nahost-Tragödie. Ich möchte mich diesen Worten anschließen. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Stinner.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Antrag, dem wir alle zustimmen und der wiederholt die wesentlichen Grundbestandteile einer gemeinsamen deutschen Nahost-Politik zusammenfasst und darstellt. Wir stehen mit ganzer Kraft dahinter und ich begrüße es, dass wir heute einen Konsens erzielen können. Anlass des Antrags war aber das gemeinsame Gespräch mit Rabbo, Beilin und ihren Delegationen zum Genfer Abkommen im Auswärtigen Ausschuss. Von dem Geist dieses Gesprächs, von der eindeutigen Zustimmung und der emphatischen Unterstützung ist leider in dem Antrag nicht mehr genug zu spüren. Deshalb haben wir darauf bestanden, dass auch unser eigener Antrag hier beraten wird. Zu unserem großen Erstaunen haben Sie, Herr Weisskirchen, Herr Volmer und Herr Pflüger, es abgelehnt, unseren Antrag, der die Genfer Initiative viel stärker unterstützt als der vorliegende Antrag, heute zu beraten. Darüber wundern wir uns sehr. Dabei müssen Wirkkräfte am Werk gewesen sein, die wir nicht verstehen. ({0}) Der Bundespräsident ist in dieser Frage weiter als wir. Anfang Mai findet in Schloss Bellevue unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ein Symposium zur Unterstützung der Genfer Initiative statt. Das ist die öffentliche Unterstützung, wie wir sie Rabbo und Beilin eigentlich versprochen haben. Das ist eine Unterstützung mit der Kraft und Symbolhaftigkeit, die ich auch von uns, den freien Parlamentariern des Deutschen Bundestages, erwartet hätte. ({1}) - Weshalb ist denn unser Antrag, der eine eindeutige Unterstützung vorsieht, nicht auf die Tagesordnung aufgenommen worden, Herr Pflüger? Das nehmen auch die Beobachter zur Kenntnis, denen die Anträge bekannt sind. Der Geist dessen, was wir am 14. Januar gemeinsam besprochen haben, kommt in dem vorliegenden Antrag nicht zur Genüge zum Ausdruck. Das sehen übrigens auch die Herren Rabbo, Beilin und Primor so, mit denen ich in den vergangenen Tagen gesprochen habe. Ich werde Beilin nächste Woche in Israel treffen. Dann wird sich zeigen, wie man darauf reagiert, Herr Pflüger. Wir alle wissen, das die Genfer Initiative etwas Besonderes ist. Darauf brauche ich nicht weiter einzugehen. Ich bin froh darüber, dass das auch die Kollegen der anderen Fraktionen so deutlich zum Ausdruck gebracht haben. ({2}) Wir alle wissen auch, dass die Genfer Initiative keinerlei staatliche Legitimation hat. Wir erkennen aber an, dass Patrioten auf beiden Seiten bereit waren, den schmerzhaften Weg zu Kompromissen zu gehen. Das müssen wir deutlich unterstützen. ({3}) Wir wissen doch alle, dass die Lösung dieses verhängnisvollen Konflikts nicht von außen kommen kann. Sie kann nicht durch unsere Resolutionen erzielt werden. Sie ist nur dann möglich, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung in Palästina und Israel nachhaltig vergrößert wird. Dabei können wir unsere Unterstützung leisten. Darum haben uns Rabbo und Beilin ausdrücklich gebeten und wir haben ihnen das auch zugesagt. Ein Letztes: In dem gemeinsamen Antrag - diesem stimmen wir zu, weil er richtig ist - fordern wir wieder einmal alle anderen auf: Israel, Palästina, Syrien, den Iran, Amerika - Gott und die Welt! Nur an uns selber, an die Europäer und insbesondere an die Deutschen, stellen wir keine Forderungen. Wir müssen aber weitergehen. Wenn es stimmt, dass dieser Konflikt unsere vitalen Interessen berührt - darüber sind wir uns ja einig -, dann müssen wir selber als Europäer und insbesondere als Deutsche bereit sein, Leistungen zu erbringen. Was spricht denn dagegen, wenn wir die Bundesregierung auffordern, das aktiv zu unterstützen, und wenn wir die EU auffordern, Projekthilfe zur Unterstützung dieses Anliegens zu leisten? Ich glaube, dass wir das deutlicher zum Ausdruck bringen sollten, als wir das bisher tun. Zum Schluss: Wir stehen voll hinter dem Antrag, den wir heute gemeinsam verabschieden. Wir glauben aber, dass eine Chance für eine nachhaltigere und deutlichere Unterstützung der Genfer Initiative vertan worden ist. Wir unterstützen mit ganzer Kraft die Genfer Initiative und werden das überall deutlich zum Ausdruck bringen. Vielen Dank. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Christoph Zöpel.

Dr. Christoph Zöpel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002604, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte drei Bemerkungen zu dem vorliegenden Antrag machen. Erste Bemerkung: Die Botschaft der von Jossi Beilin und Mohammed Abbu Rabbo geführten Delegation, die anlässlich ihres Berlinbesuchs auch bei uns im Auswärtigen Ausschuss war, ist für mich wichtig. Dieser Delegation ging es um die Mobilisierung der Öffentlichkeit in Israel und Palästina und auch um die der Weltöffentlichkeit. Beilin ist von seiner Zuordnung zur Zivilgesellschaft abgerückt, denn es gibt keinen Zweifel daran, dass er und Rabbo in den politischen Systemen ihrer Länder tätig waren und es noch sind. Es geht ihnen um Öffentlichkeit, weil sie offenkundig den Eindruck haben, dass in einer noch zu sehr staatlich vermachteten Welt die Diplomatie der Staaten Lösungen nicht schafft, wenn die Weltöffentlichkeit sie nicht will. Ich glaube, wir erweisen dieser Initiative einen sehr guten Dienst, wenn wir die heutige Debatte, deren Inhalte die Medien der deutschen Öffentlichkeit vermitteln, nutzen, um über sie zu sprechen, wenn wir Ja zu den Inhalten und den Methoden sagen, die Beilin und Rabbo vorgeschlagen haben, ({0}) und wenn wir ihr Anliegen unterstützen, die Weltöffentlichkeit zu mobilisieren. Denn nur wenn sich die Weltöffentlichkeit gegen die vorgebliche Unlösbarkeit auch des Mittelostproblems engagiert, stellt sie sich hinter unsere gemeinsame Einsicht, dass es aufgrund des Unvermögens der Diplomatie vermachteter Staaten bisher nicht gelöst werden konnte. Zweite Bemerkung, zur Lösung: Die Welt ist im Prinzip der Lösung nicht nur näher gekommen, sie hat sie vielmehr gefunden. Kein vernünftiger Mensch sieht eine Alternative zu dem, was vorgeschlagen worden ist: zwei Staaten mit sicheren Grenzen - Grenzen brauchen die beiden Staaten auch in einer Welt, in der sonst Grenzen überflüssig werden, weil das israelische und das palästinensische Volk zu sehr in Gewalttätigkeiten und Verletzungen verstrickt sind - und eine Garantie der internationalen Gemeinschaft unter Beteiligung der Vereinigten Staaten, weil nur sie über die notwendigen militärischen Mittel verfügen, und jedes anderen Staates einschließlich Deutschland, wenn beide Länder das wollen. Das ist die Lösung. ({1}) Die entsprechenden Schritte werden noch zu finden sein. Sie erfolgen bislang nicht mangels Ideen, sondern mangels Bereitschaft. Das ist das Tragische. Dritte Bemerkung, zu der moralischen Dimension: Im Jahr 2004, also in dem Jahr, in dem sich zum 200. Mal der Todestag von Kant jährt, ist für mich die moralische Antwort eindeutig. Wie wir Deutsche, wie die Amerikaner und wie jeder andere leben auch die Menschen in Palästina und Israel unter dem einen gestirnten Himmel. Sie leben nach demselben universellen Gesetz, das jeder Mensch in sich hat. ({2}) Das ist die moralische Bewertung dieses Konflikts, nicht die Aufrechnung - darauf komme ich zurück - und auch nicht die Aufrechnung von Verantwortlichkeiten kollektiver Identitäten. Wenn wir uns so an Kant orientieren, dann ist dort jeder Mensch, der unter Berufung auf die Rechte kollektiver Identitäten getötet wird, ein Toter zu viel. Es gehört für mich zu den bedrückenden Erfahrungen meiner Besuche in der arabischen Welt, dass der Präsident der arabischen Majlis-al-Shura, ein muslimischer Geistlicher, nicht bereit ist, sich prinzipiell von Selbstmordattentätern zu distanzieren, sondern sagt, dies sei eine seelsorgerische Frage, die nur im Einzelfall beantwortet werden könne. Dies erschüttert mich. ({3}) Selbstmordattentate, warum auch immer, müssen verhindert werden. Es gibt keinen Grund, sie moralisch zu rechtfertigen. ({4}) Ich erlaube mir eine weitere Bemerkung. Die Art und Weise, in der sich der Staat Israel um seine Soldaten kümmert, in der er zu verhindern sucht, dass sie sterben, sie zu befreien sucht, wenn sie gefangen genommen worden sind, sich sogar noch darum sorgt, dass sie ihrem Glauben gemäß bestattet werden können, sollte ein universelles Gesetz im Sinne von Kant sein; dieselbe Sorge sollte man auch jedem toten Palästinenser angedeihen lassen. ({5}) Das ist für mich die Grundlage der Verhältnismäßigkeit der Mittel, auch bei Kriegsführung und Gefahrenabwehr von Staaten. Wenn wir das nicht sehen und den Fall des eigenen Toten weiter für einen Fall halten, der mehr Sorge verlangt als der des anderen Toten, werden wir keine auf Dauer friedliche Welt erreichen. ({6}) Das ändert nichts daran, dass kollektive Identitäten in der Geschichte existiert haben. Solange wir von kollektiven Identitäten sprechen und solange sich kollektive Identitäten ihre Staaten suchen, sind sie eine Realität. Aber für mich bleiben sie nachrangig, und zwar den universellen Moralgesetzen nachrangig. ({7}) Nachrangig gibt es eine deutsche Verantwortung, aus der wir uns nicht stehlen können. ({8}) Wir sollten uns aber darauf verständigen und auch mit Israelis und Palästinensern darüber sprechen: Wird es nicht wirklich einfacher, wenn wir uns - vor jeder Schuldzuweisung an kollektiven Identitäten - dem Weltethos, dem Denken von Kant, der europäischen Aufklärung, die ohne die eminent wichtigen Beiträge jüdischer Denker in Europa nicht möglich gewesen wäre, verpflichtet fühlen, ({9}) Schritt für Schritt von diesem Denken in kollektiven Schuldzuweisungen weiter Abschied nehmen und eine Zukunft formulieren, in der jeder das gleiche Recht zum Leben hat? Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Hildegard Müller von der CDU/CSU-Fraktion.

Hildegard Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003598, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab schon viele Friedensprogramme für die Lösung des Konflikts im Nahen Osten. Über zwei davon debattieren wir heute und lassen ihnen dadurch eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Dies ist sicherlich richtig und wichtig. Herr Stinner, ein Hinweis sei mir erlaubt: Wir haben bewusst einen gemeinsamen Antrag zu diesem Thema formuliert. Es ist auch gut so, dass sich das Parlament für einen gemeinsamen Antrag entschieden hat. Wir vergessen bei der Diskussion der Einzelpunkte allerdings oft, dass es eine Vielzahl von Initiativen abseits des großen Medieninteresses gibt, mit dem beispielsweise der Geneva Accord in Berlin bedacht wurde. Es gibt viele weitere Bausteine für den Frieden. Ich bedauere zum Beispiel, dass etwa dem symbolischen Handschlag in der Friedenspräambel des früheren israelischen Sicherheitschefs Ayalon und des Präsidenten der Ost-Jerusalemer al-Quds-Universität, Nusseibeh, in Deutschland nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wurde. Ein weiteres Beispiel für eine ganz konkrete und praktische Initiative ist die von der Konrad-AdenauerStiftung begleitete Economic Working Group mit Repräsentanten der israelischen und der palästinensischen Regierung. Diese Arbeitsgruppe hat kein Interesse am Presserummel, sondern arbeitet an konkreten praktischen wirtschaftlichen Fortschritten im Alltag. Das ist, glaube ich, eine sehr wichtige und friedensbildende Maßnahme. All diesen gut gemeinten Initiativen steht jedoch der Terror entgegen, ein Terror, den wir in Europa kaum ermessen können. Allein in den vergangenen 40 Monaten hat es in Israel rund 18 000 Attacken der unterschiedlichsten Art gegeben. Diese 18 000 Terrorattacken sind Teil einer bislang nicht enden wollenden Spirale der Gewalt. Bevor wir also auf einen dauerhaften Frieden zwischen zwei souveränen Ländern - einem jüdischen Staat Israel einerseits und einem palästinensischen Staat andererseits - hoffen können, muss es zu einem Ende des Terrors kommen. Dies bedeutet für mich auch, dass für eine umfassende Friedensregelung alle Angriffe auf Israel beendet werden müssen. Sie lassen sich in keiner Weise rechtfertigen und tangieren das berechtigte Schutzinteresse Israels. Der so genannte Schutzwall, dessen Errichtung wir Europäer sicher kritisch beobachten und über dessen Verlauf besonders diskutiert werden muss, wäre auf keinen Fall nötig, wenn die palästinensische Autonomiebehörde ihre Ankündigung, extremistische Gewalt zu bekämpfen, in die Tat umsetzte. ({0}) Herr Volmer, es sei mir der Hinweis erlaubt, dass dieser Schutzwall - egal über welchen Punkt man in diesem Zusammenhang diskutiert - mit der Berliner Mauer unter keinen Umständen vergleichbar ist. Mit der Berliner Mauer wurden die Bürger des eigenen Staates eingesperrt. Das lässt sich mit der Situation im Nahen Osten nicht vergleichen. ({1}) Ich muss das an dieser Stelle erwähnen. Sie haben das gerade etwas merkwürdig formuliert. ({2}) Gerade Präsident Arafat müsste sich als Träger des Friedensnobelpreises der besonderen Verantwortung für sein Volk bewusst sein. Dieser ist er bisher nicht gerecht geworden. Im Sinne eines stabilen und dauerhaften Friedens ist es richtig, dass wir auf die Rolle der Nachbarn konkret Rücksicht nehmen. Wie schwierig sich die Situation auf israelischer Seite darstellt, konnten wir in diesen Tagen erkennen. Die Ankündigung von Premier Scharon, die Siedlungen im Gazastreifen räumen zu lassen, ist richtig und von uns zu begrüßen und zu unterstützen. Mir ist unverständlich, dass Herr Beilin diese Position zurzeit kritisiert. Wir brauchen diese Schritte. Sie werden jetzt zu Recht eingefordert. Der wichtigste Schritt ist die Umsetzung der Roadmap. Wir sollten die entsprechenden Punkte nicht vergessen. Die Roadmap ist der erste gemeinsame Text der vier Hauptakteure im Nahen Osten. Es ist wichtig, dass dem Nahostquartett und nicht immer nur den anderen, wie es gefordert wird, eine besondere Rolle zugeschrieben wird. Gerade dies ist ein Punkt, bei dem wir Europäer uns an die eigene Nase fassen müssen. Es ist nicht nur nachhaltig ärgerlich, sondern auch indiskutabel, dass sehr wahrscheinlich Terroraktivitäten auch mit EU-Geldern indirekt finanziert worden sind. Gerade wir Deutschen müssen konsequent darauf achten, dass die Gelder, die wir für humanitäre Zwecke und zum Aufbau von Strukturen ausgeben, richtig verwendet und nicht zweckentfremdet werden. Präsident Arafat hat hierbei eine Schlüsselposition. Herr Außenminister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dies am Montag und Dienstag zusammen mit Ihren belgischen und spanischen Kollegen vor Ort betonten: Die Europäische Union ist keinesfalls bereit, zu akzeptieren, dass Gelder veruntreut werden. ({3}) Bevor wir also immer wieder von neuen Initiativen sprechen, sollten wir uns selbst an unsere Garantien und Versprechen halten. In diesem Sinne hat insbesondere die Roadmap als staatliche Initiative, die wir unterstützen können und müssen, auch weiterhin unsere Unterstützung verdient. Mein Appell ist es, diesem Weg zum Frieden zum Erfolg zu verhelfen. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Bundesminister Joseph Fischer.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, dass sich die Fraktionen hier auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt haben und dass die Grundposition des Hauses voll in der Kontinuität der bisherigen deutschen Außenpolitik steht: Unser Sonderverhältnis zu Israel als Partner und Freund gründet auf der historischen und moralischen Verantwortung unseres Landes für die Verbrechen des Holocaust. Daraus ergibt sich eine besondere Beziehung. Sie lässt sich daran festmachen, dass das Existenzrecht Israels - das heißt auch das Recht seiner Bürger, ohne Angst vor Terror und Gewalttaten zu leben - für uns von zentraler Bedeutung ist. Dieses Recht ist für uns unantastbar und mit niemandem verhandelbar. Das sind die Grundlagen, die seit Konrad Adenauer unbeschadet der Zusammensetzung der Bundesregierung gelten und zu den Grundfesten dieses Hauses gehören. Es ist wichtig, dass wir das bei einer solchen Debatte nochmals unterstreichen. ({0}) Meine Erfahrung ist, dass es unsere arabischen Partner und Freunde schätzen, wenn sie wissen, woran sie sind. Es nützt nichts, hier einen Zweifel aufkommen zu lassen. Meine Erfahrung ist, dass man auch und gerade mit der arabischen Seite viel vertrauensvoller umgehen kann, wenn bei diesen Grundsatzfragen Klarheit besteht. Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Friedensprozess stagniert, dass die mörderischen Terroranschläge gegen Männer, Frauen und Kinder in Israel fortgeführt werden. Auch auf der palästinensischer Seite kommen unschuldige Menschen - Kinder, Zivilisten - zu Tode. Das Leid hält also auf beiden Seiten an. Auch die Alternativen sind klar: Ich denke, dass man hier nochmals unterstreichen muss, was Präsident Bush in seiner Rede am 4. Juni letzten Jahres definiert hat, nämlich dass auf der Grundlage, dass zwei demokratische Staaten, Israel und Palästina, friedlich Seite an Seite leben, die Lösung gefunden werden muss. Nun zur Bedeutung der Genfer Initiative. Zunächst lassen Sie mich festhalten, dass alle Elemente x-mal durchdiskutiert worden sind. Alle Details bezüglich der Wasserfrage, der Sicherheit und der territorialen Abgrenzung bis auf die Ebene der einzelnen Straßen usw. - man muss nur in die Schubladen beider Seiten greifen - sind nicht zehnmal, nicht hundertmal, sondern vermutlich tausendmal in den Verhandlungen durchdiskutiert worden. Selbst Elemente zur Lösung der schwierigsten Fragen, wie der Status von Jerusalem und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge und Ähnliches, sind vorhanden. Das eigentliche Problem ist also nicht, dass man nicht weiß, wie der Endstatus aussehen soll. Vielmehr geht es hier um eine Frage des politischen Willens und jenseits davon auch der Mehrheits- und Zustimmungsfähigkeit der Vorschläge. Die große Resonanz, die der Vorschlag einer Zweistaatenregelung, der von Privatleuten, also von Nichtregierungsmitgliedern, gekommen ist - darauf wurde hingewiesen -, international, aber auch in Israel und auf palästinensischer Seite gefunden hat, hat klar gemacht, dass ein Vakuum existiert, was die Friedensperspektive betrifft. Die Genfer Initiative verdient genau unter dem Gesichtspunkt, dass ein historischer Kompromiss zwischen diesen beiden Völkern in diesem langen tragischen Konflikt denkbar geworden ist, weil Elemente zur Lösung vorhanden sind, Unterstützung. ({1}) Die Schwierigkeit liegt aber, wie gesagt, in dem Weg dorthin. Hier ist es aus unserer Sicht unverzichtbar, an der Roadmap festzuhalten. Bei allen Schwierigkeiten, die gegenwärtig groß sind, möchte ich folgende Erfahrung in Erinnerung rufen. Eine Folge des Scheiterns des Abkommens von Camp David, wo die USA unter Präsident Clinton noch allein verhandelt haben, war, dass der frühere amerikanische Senator Mitchell einen weiteren Anlauf unternahm und die so genannten Mitchell-Vorschläge unterbreitete. Was ist von diesen so genannten Mitchell-Vorschlägen geblieben? Zum ersten Mal in der Geschichte des Nahostkonfliktes haben die wesentlichen internationalen Akteure eine gemeinsame Position vertreten. Das mag auf den ersten Blick wenig sein, aber die Gemeinsamkeit der internationalen Staatengemeinschaft ist meines Erachtens von zentraler Bedeutung. USA, Europa, Russland und die Vereinten Nationen, vertreten durch den Generalsekretär, haben versucht, die Dinge in dieselbe Richtung zu bewegen. Diese Erkenntnis ist in das Quartett, in dem Europa durch Javier Solana vertreten ist, mit eingeflossen. Insofern rate ich dringend dazu, dieses Element auf keinen Fall infrage zu stellen und aufzugeben. Es ist von überragender Bedeutung. Wenn dieses Quartett auseinander fallen würde, würden jeweils beide Seiten wieder versuchen, wie wir es in den Jahrzehnten vorher oft erlebt haben, unterschiedliche Positionen bei unterschiedlichen Partnern voranzubringen, getreu dem Motto: Funktioniert es diesseits des Atlantiks nicht, geht man auf die andere Seite und umgekehrt. Das sind für mich die entscheidenden Punkte, die für die Roadmap als eine Vereinbarung, die von der internationalen Staatengemeinschaft getragen wird, sprechen. Lassen Sie mich Folgendes in Richtung FDP sagen: Erstens glaube ich, dass die Tonalität eine große Rolle spielt. Wenn Ihr Antrag vom Deutschen Bundestag angenommen worden wäre, dann hätten wir - das prophezeie ich Ihnen - in Israel großen Interpretationsbedarf und hätten das Gegenteil von dem erreicht, was das Haus will und was ich voll unterstütze. ({2}) Gerade in diesem sensiblen Konflikt kommt es nicht nur darauf an, wie wir die Dinge sehen, sondern auch darauf, wie wir wahrgenommen werden. Unsere Geschichte ist zwar oft Last, aber im Nahostkonflikt haben wir uns Vertrauenskapital auf beiden Seiten erworben, und zwar nicht erst diese Bundesregierung; ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass das eine lange Tradition hat. Damit sollten wir sorgsam umgehen. Das heißt, mit allen, mit denen wir sprechen, müssen wir aufgrund der existenzbedrohenden Situation und der Ängste, die auf Existenzbedrohung gründen, sehr sensibel umgehen. Deshalb freue ich mich, dass hier der Ton insgesamt - die Tonalität ist, wie gesagt, oft sehr wichtig im Nahostkonflikt ein anderer ist. Mir fehlt jetzt die Zeit, um darauf näher einzugehen. Ein zweites wesentliches Element, um das es gegenwärtig geht - diese Diskussion hat in Israel begonnen und wird auf palästinensischer Seite schon länger geführt -, ist die Frage der Demographie. Wenn man die demographische Struktur erhalten will - wir unterstützen das mit dem Existenzrecht Israels, eines jüdischen Staates Israel -, wird an einer Zweistaatenlösung kein Weg vorbeiführen können; denn alles andere würde dazu führen, dass die demographische Struktur eines nicht allzu fernen Tages dem jüdischen Charakter des Staates Israel zuwider laufen würde. Das Dritte ist: Terror und Gewalt müssen ein Ende haben. Das Vierte ist: Die Palästinenser müssen eine Perspektive haben. Weiterer territorialer Verlust wird von ihnen nicht hingenommen werden. Das sind die Elemente, mit denen wir es beim Siedlungsbau und beim Abbau von Siedlungen in Wirklichkeit zu tun haben. Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird weiterhin versuchen, den mühseligen Prozess der Annährung zu unterstützen, ihn zu begleiten, Ideen zu entwickeln, weil es sich um einen Konflikt handelt, der in einer hochgefährlichen Region stattfindet. Sosehr ich für eine Initiative für den Nahen Osten bin, wie sie von amerikanischer Seite nach den Ereignissen vom 11. September 2001 überlegt wird, glaube ich nicht, dass diese Initiative erfolgreich sein wird, wenn man meint, sie um den Nahostkonflikt herum umsetzen zu können. Wir werden uns nicht zur Geisel dieses Konfliktes machen dürfen, aber wir werden ihn auch nicht ausklammern dürfen. ({3}) Es ist notwendig, darüber in der Zukunft Diskussionen mit unseren amerikanischen Partnern zu führen. Meine Damen und Herren, die Lösung des Nahostkonfliktes ist gewiss nicht alles. Der Nahostkonflikt ist auch nicht für alle negativen Entwicklungen im Nahen Osten verantwortlich; solchen Behauptungen muss man entgegentreten. Seit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 wurde der Konflikt immer wieder dafür benutzt, von dem Versagen von nationalen Eliten, unhaltbaren Zuständen, mangelnder Entwicklungsperspektive und Ähnlichem mehr abzulenken. Es wird jedoch, ohne dass der Nahostkonflikt auf dem Wege eines historischen Kompromisses gelöst wird, einen dauerhaften Frieden in der Region nicht geben. Auch das ist ein wesentlicher Punkt, den wir beachten müssen. Auf dieser Grundlage werden wir versuchen, den Prozess voranzubringen. Die Genfer Initiative war dafür ein bedeutendes Signal und verdient als solches jede Unterstützung. Aber klar muss auch sein: Der Weg führt über die Roadmap, über den Zusammenhalt der Staatengemeinschaft und vor allen Dingen über die Beendigung von Terror und Gewalt. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Hörster von der CDU/CSU-Fraktion.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass die Fraktionen dieses Hohen Hauses den vorliegenden gemeinsamen Antrag zustande geJoachim Hörster bracht haben. Ich glaube, das war die logische Konsequenz aus der Anhörung der Vertreter der Genfer Initiative, die wir im Auswärtigen Ausschuss durchgeführt haben. Wir alle wissen, dass die Genfer Initiative zwar kein Abkommen ist und dass sie keine völkerrechtliche Qualität hat. Aber in folgendem Punkt möchte ich dem Kollegen Volmer zustimmen: Es ist der erste Vorschlag, der kein Detail ausgelassen hat, das geklärt werden muss, damit man zu einer Lösung kommen kann. Deswegen finde ich, dass eine solche Initiative, die sich sehr konkret auf die einzelnen Sachverhalte bezieht, in dem eigentlich bereits vorhandenen internationalen Rahmen notwendig war. Ich erinnere daran, dass wir den Barcelona-Prozess und die Roadmap haben. Es gibt auch den Friedensplan des saudischen Kronprinzen Abdullah, der von der Arabischen Liga immerhin einstimmig beschlossen worden ist. Dieser Friedensplan wird nach meinem Dafürhalten zu wenig beachtet, vielleicht auch deswegen, weil er mit einem Problem beginnt, das nicht so gelöst werden kann, wie es im Friedensplan vorgesehen ist. Denn dort wird die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge in ihre frühere Heimat verlangt. Jeder, auch in der arabischen Welt, weiß, dass das völlig unrealistisch ist. Mehr als 80 Prozent der palästinensischen Flüchtlinge sind in Syrien und Jordanien voll integriert. Aufgrund des Bevölkerungsgleichgewichtes stellen sie im Libanon ein Problem dar. Dort muss eine Lösung gefunden werden. Aber in Tat und Wahrheit geht es ja darum - auch das wissen die arabischen Staaten -, eine Entschädigungsgrundlage zu schaffen. Wir müssen einmal klarstellen: Die Kritik, die eben geäußert worden ist, wir Deutschen und die Europäische Union würden für die Lösung des Konfliktes zu wenig tun, ist nicht gerechtfertigt, Herr Stinner. Wenn es ums Zahlen und um die Leistung konkreter Hilfe geht, dann tun wir das und haben das in der Vergangenheit in aller Regel getan. Deswegen wird es eine Lösung bezüglich der Flüchtlinge ohne unsere finanzielle Hilfe und ohne unser wirtschaftliches Engagement nicht geben. Ich bin der Auffassung, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben. Ich bin sehr zufrieden, dass der Bundesaußenminister auf der Münchener Sicherheitskonferenz alle diese Initiativen, einschließlich der von der amerikanischen Regierung angekündigten größeren Initiative für den Nahen und Mittleren Osten, zusammengefasst hat. Nach meiner Meinung steht das Rahmenwerk. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die beiden betroffenen Parteien, nämlich Israel und Palästina, versuchen, die Vorschläge, die es im Rahmen dieser Friedensinitiative für die Lösung der Probleme gegeben hat, nach und nach abzuarbeiten. Dann kommt man nach meinem Dafürhalten weiter. Wenn diese Vorschläge nach und nach abgearbeitet werden, dann wird damit das Vertrauen geschaffen, das auf beiden Seiten notwendig ist. Dass es bisher nicht vorangegangen ist, liegt daran, dass in der einen Gesellschaft kein Vertrauen in die jeweils andere Gesellschaft vorhanden ist. Ich habe das größte Zutrauen in die israelische Gesellschaft, wenn es um die Problemlösungskompetenz geht. Die palästinensische Gesellschaft, vor allem ihre politische Führung, hat im Grunde genommen in der Vergangenheit weitestgehend versagt. Selbst wenn ich das in Rechnung stelle, was der Kollege Gröhe hinsichtlich der Lebensbedingungen der Palästinenser zutreffend geschildert hat, muss ich sagen: Die Palästinenser haben viele Chancen nicht genutzt. Sie haben beispielsweise nicht die Chance genutzt, mehr Demokratie zu schaffen. Das wäre möglich gewesen; dieser Prozess wäre von Israel nicht behindert worden. ({0}) Die Palästinenser hätten ein besseres Bildungssystem schaffen können. Auch das wäre von Israel nicht behindert worden. Sie hätten ihrer Bevölkerung aufgrund der Hilfen der Europäischen Union eine Friedensdividende zukommen lassen können. Dann wäre es nicht dazu gekommen, dass heute viele Palästinenser unter der Armutsgrenze leben. ({1}) Die jetzige Situation hätte verhindert werden können. Sie ist die Folge des Versagens der palästinensischen Regierung. Dafür sind nicht - das muss man festhalten die äußeren Einflüsse verantwortlich zu machen. ({2}) Ich verfolge die Diskussion in der israelischen Gesellschaft, weil dort, wie ich glaube, der Schlüssel zur Lösung dieses Konflikts liegt. Diese Gesellschaft besitzt die größere Friedenskompetenz und den größeren Willen, den Frieden herbeizuführen. Allerdings will ich diejenigen, die auf palästinensischer Seite an der Genfer Initiative mitgearbeitet haben, nicht herabsetzen. Ganz im Gegenteil: Angesichts des Kurses der palästinensischen Führung muss man sagen, dass es sich um extrem mutige Menschen handelt. Auch deswegen müssen sie unterstützt werden. ({3}) Ich glaube, dass Uri Avnery Recht hat, wenn er die Situation in Israel wie folgt beschreibt: Während der letzten Monate ist in der öffentlichen Meinung eine bemerkbare Wende eingetreten. Dies hat verschiedene Gründe: allgemeine Müdigkeit der endlosen Spirale des Blutvergießens, die Erkenntnis, dass es keine militärische Lösung gibt, die Verschlechterung der wirtschaftlichen Krise, die unermüdliche Aktivität der radikalen Friedensgruppen. Die Liste der sich häufenden Symptome wird länger: die Bewegung der jungen Leute, die den Armeedienst in den besetzten Gebieten verweigern; die Revolte der 30 Luftwaffenpiloten; die Ayalon8244 Nusseibeh-Initiative; das Statement der vier früheren Geheimdienstchefs; die Kritik vom Generalstabschef und in dieser Woche der öffentliche Angriff der Reserveoffiziere auf die fortdauernde Existenz der Siedlung Nezarim im Gazastreifen. Die Genfer Initiative gab dieser Wende in Israel einen großen Auftrieb - und im Ausland ein eindrucksvolles Echo. Die Teilnahme von internationalen Persönlichkeiten bei der feierlichen Zeremonie in der Schweiz verliehen ihr Rang und Prestige. Im weiteren Verlauf dieses Artikels, der am 6. Dezember des vergangenen Jahres erschienen ist, erinnert sich Uri Avnery an eine erste Konferenz mit Palästinensern, die nach seiner Erinnerung vor 31 Jahren in Bologna stattgefunden hat. Er erinnert sich, dort gesagt zu haben: Der Vietnamkrieg wird in der amerikanischen Öffentlichkeit gewonnen, der algerische Krieg in der französischen Öffentlichkeit, und der palästinensische Krieg wird in der israelischen öffentlichen Meinung gewonnen werden. Unser Anteil kann darin liegen, dass wir unverrückbar an dem Standpunkt der deutschen Politik festhalten, der seit Konrad Adenauer - der Bundesaußenminister und andere haben es gesagt - gilt, nämlich dass das Existenzrecht des Staates Israel in keiner Weise infrage gestellt werden kann, dass wir eine Sonderbeziehung haben, die auch so bleiben wird. Meine persönliche Erfahrung ist im Übrigen: Wenn man das arabischen Freunden und Gesprächspartnern genauso sagt, wird dies akzeptiert und auch anerkannt. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/ Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/2392 mit dem Titel „Roadmap wieder beleben - Genfer Initiative unterstützen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. ({0}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als gesamtdeutschen Strukturförderungsrahmen erhalten und fortentwickeln - Drucksache 15/1986 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({1}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Klaus Hofbauer von der CDU/CSU-Fraktion.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne jegliche Ankündigung, ohne Information der zuständigen parlamentarischen Gremien, ja in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat die rot-grüne Bundesregierung den Bundesanteil der Gemeinschaftsaufgabe „West“ gestrichen. Selbst Übergangsregelungen sind nicht geplant. ({0}) Angesichts der aktuellen Diskussion über die europäische Strukturpolitik ist dies ein völlig falsches Signal nach Brüssel. ({1}) Warum soll die EU Deutschland Strukturförderung gewähren, wenn die rot-grüne Bundesregierung nationale Mittel streicht und damit selbst die Strukturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland infrage stellt? ({2}) Die Bundesregierung beteuert immer wieder, auf europäischer Ebene um nationale Handlungsspielräume in der Strukturpolitik zu kämpfen. Aufgrund ihrer Entscheidung zur GA ist dies ein reines Lippenbekenntnis. ({3}) Was macht es für einen Sinn, nationale Eigenverantwortung zu fordern, wenn man die bewährten Instrumente der nationalen Strukturförderung finanziell aushöhlt? Erlauben Sie mir diese zentrale Aussage: Wer die GA „West“ abschafft, ist nicht weit davon entfernt, die GA „Ost“ auf null zu fahren. Das ist das zentrale Thema, das wir ansprechen müssen. ({4}) Die Strukturpolitik der verschiedenen Ebenen, angefangen von den Kommunen bis hin zu Europa, hat in den letzten Jahren bei uns in Deutschland viel Positives bewirkt. ({5}) Der Auftrag des Grundgesetzes, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen, wurde vielfach erreicht. Bestimmte begrüßenswerte Ereignisse, zum Beispiel die Wiedervereinigung Deutschlands, die EU-Osterweiterung, die Globalisierung usw., erfordern auch in den nächsten Jahren eine zukunftsorientierte nationale Strukturpolitik. ({6}) Für mich ist entscheidend: Strukturpolitik hat mit Subventionen nichts zu tun. Strukturpolitik ist ein entscheidender Beitrag zur Schaffung, Sicherung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, insbesondere im ländlichen Raum. ({7}) Bei der GA beweist die Bundesregierung schon seit Jahren Konzeptlosigkeit. Ich darf kurz erinnern: Noch im Sommer 2002 beschloss die rot-grüne Mehrheit in diesem Hause einen eigenen Antrag mit dem Titel „Die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur als regelgebundenes Fördersystem erhalten“. Nach der Bundestagswahl wurde dieser Antrag vergessen. In den rot-grünen Haushaltsberatungen wurde die GA „West“ ganz gestrichen und die Mittel für die GA „Ost“ wurden weiter gekürzt. Damit setzt Rot-Grün die Gemeinschaftsaufgabe in ganz Deutschland aufs Spiel. ({8}) Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist das wichtigste nationale Instrument der Strukturförderung. Sie ist ein bewährter Ordnungs- und Koordinierungsrahmen, der Subventionswettläufe wirksam verhindert. Die GA - das ist ein zentraler Punkt - wirkt direkt in die Unternehmen hinein. In meinem Wahlkreis laufen zurzeit noch 17 Anträge zur GA mit einem Investitionsvolumen von 37 Millionen Euro. Allein diese Zahl beweist, dass sich mittelständische Unternehmen zum Beispiel auf die EUOsterweiterung vorbereiten wollen und deshalb investieren. Wenn im Rahmen von 17 Anträgen 37 Millionen Euro investiert werden, dann ist das der Beweis, dass insbesondere unsere mittelständischen Firmen eine konkrete Hilfe erhalten. ({9}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die GA weist - wie sonst kaum ein anderes Programm auf europäischer Ebene - eine nachvollziehbare Erfolgskontrolle auf. Als so genannter Wessi möchte ich klar und deutlich zum Ausdruck bringen: Die GA wird auch in Zukunft in den neuen Bundesländern eine ganz entscheidende Rolle spielen. ({10}) Wir wissen nicht, wie die Verhandlungen zur Strukturpolitik auf europäischer Ebene ausgehen werden. Es ist leichtfertig, ich möchte sagen, es ist unverantwortlich, in dieser Phase der europäischen Diskussion über die Strukturpolitik die Mittel für die GA zu kürzen. Ich möchte ein ganz klares Bekenntnis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur GA in den neuen Bundesländern ablegen. ({11}) Es ist für mich wichtig, festzustellen, dass es auch in den westlichen Bundesländern verschiedene Problemgebiete gibt. Ich denke an das ehemalige Zonenrandgebiet, an die Küstenregionen und die strukturschwachen Gebiete, die es nach wie vor gibt. Im ehemaligen Zonenrandgebiet, an der Grenze zwischen Niedersachsen und den neuen Bundesländern, gibt es bereits ein ganz gewaltiges Fördergefälle. Wir können die Förderung doch nicht auf null herunterfahren. Der Herr Bundesverteidigungsminister ist jetzt anwesend. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten eine Diskussion um die Reduzierung der Bundeswehrstandorte führen. Herr Minister der Verteidigung, Sie haben gesagt, strukturpolitische Überlegungen spielten bei Ihren Standortentscheidungen keine Rolle. Natürlich spielen Bundeswehrstandorte eine ganz wichtige strukturpolitische Rolle. Sie befinden sich überwiegend in ländlichen Räumen. Wenn diese strukturpolitischen Überlegungen für die Bundeswehr - ich habe Verständnis für diese sachliche Entscheidung - keine Rolle spielen, dann müssen wir uns Instrumente überlegen, um den Wegfall der Bundeswehrstandorte abzufedern und die dadurch entstehenden strukturpolitischen Probleme zu lösen. ({12}) Ich möchte noch einen Punkt konkret ansprechen, der die Grenzregionen zu den EU-Beitrittsländern betrifft. Diese Gebiete werden nicht nur einem ganz gewaltigen Fördergefälle ausgesetzt sein, sondern auch einem Lohn- und Wohlstandsgefälle. In den Grenzregionen betrifft das besonders den Mittelstand und das Dienstleistungsgewerbe. Deswegen möchte ich noch einmal klar und deutlich an das gewaltige Versprechen erinnern, das der Herr Bundeskanzler vor wenigen Jahren in Ostbayern abgegeben hat. Er hat gesagt: Das gehört zusammen: ein vernünftiges, auch materiell unterlegtes Programm der Förderung der Grenzregionen, aber auch die Chance, dass wir mit unseren regionalen und nationalen Förderinstrumenten, ohne dass dies als Beihilfe aus Brüssel begriffen wird, Strukturpolitik nicht nur bereden, sondern wirklich machen können. Dies beides gehört zusammen und wir haben für beides zu sorgen. ({13}) - Er hat Recht. Bisher ist aber nichts geschehen. ({14}) Ich fordere den Bundeskanzler jetzt auf, sich endlich für diese Aussage zu rechtfertigen bzw. entsprechend zu handeln oder sich wieder bei den Menschen zu entschuldigen. Das hat er schon oft gemacht, wenn er falsche Aussagen getroffen hat. Meine zentrale Forderung lautet: Herr Bundeskanzler, entweder Sie entschuldigen sich für diese Aussage oder Sie handeln endlich und halten die Zusagen, die Sie gemacht haben, ein. ({15}) Ich glaube, dass es in dieser wichtigen Entscheidungsphase insbesondere im Hinblick auf die Diskussion in Europa darum geht, die Gemeinschaftsaufgabe insgesamt in der Bundesrepublik zu erhalten. Es wird unsere zentrale Forderung sein, die Strukturpolitik weiterzuentwickeln. In diesem zentralen Punkt besteht Handlungsbedarf. Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ergeben sich daher folgende grundsätzliche Forderungen, die auch in dem von uns eingereichten Antrag enthalten sind. Erstens. Die GA muss als regelgebundenes System einer gemeinsamen Regionalförderung von Bund und Ländern auf Dauer erhalten bleiben. ({16}) Zweitens. Die GA ist perspektivisch zu einem gesamtdeutschen Strukturförderungsinstrument fortzuentwickeln. Drittens ist für mich eines von ganz entscheidender Bedeutung: Angesichts des Haushaltsvermerks für das Jahr 2004 frage ich mich, warum dies nicht umgesetzt wird. Welche Streitpunkte gibt es zwischen dem Finanzund Wirtschaftsministerium, die zu Verzögerungen führen? Hier muss Klarheit geschaffen werden, damit diese Gelder ausgereicht werden können. Es reicht nicht, eine Sicherheit lediglich für das Jahr 2004 zu bekommen, sondern dies muss auf Dauer geregelt werden. Wir brauchen auch in Zukunft eine nationale Strukturpolitik. Sie muss entsprechend gestaltet werden. Deswegen bitte ich Sie, dem Antrag der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion zuzustimmen. Herzlichen Dank. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Müller von der SPD-Fraktion.

Christian Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Hofbauer, Sie sprachen eben von einer Nacht-und-Nebel-Aktion des Bundeswirtschaftsministers. Das war es doch wohl nicht. Denn er hat seine Position immerhin ausführlich, zeitig und auch begründet vorgetragen. Mindestens das soll an dieser Stelle erwähnt werden. Es kann ja wohl keinesfalls darum gehen - Sie unterstellen das aber -, dass die Koalition dabei sei, nach der GA „West“ nun auch noch die GA „Ost“ abzuschaffen. Erstens sprechen die Tatsachen dagegen und zweitens ist das auch nicht unser Ziel. Ich finde, angesichts der Komplexität dieses Themas, die auch mit den Beziehungen zwischen Bund und Ländern zu tun hat, ist das eine zu einfache Argumentation. Dann erwähnten Sie dankenswerterweise unseren Antrag auf Drucksache 14/9242 aus dem Jahre 2002, den der Deutsche Bundestag beschlossen hatte und der - das können Sie ja nachlesen - mit einem ähnlichen Titel ausgestattet war. Sie meinen nun, dieser Antrag sei vergessen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ganz im Gegenteil; denn dieser Antrag hat noch heute seine Funktion. Damals allerdings war er eine notwendige Reaktion des Deutschen Bundestages auf den Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder vom Juni 2001, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen. Demnach sollten beispielsweise auch die Gemeinschaftsaufgaben aufgegeben werden. ({0}) - Geschätzter Kollege, das ist keine andere Frage. Denn wer die Mischfinanzierung abschaffen will, muss logischerweise auch über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ reden. Das tut mir Leid. Im Übrigen ist dies damals aufgrund einer Initiative der Ministerpräsidenten von Bayern und NordrheinWestfalen zustande gekommen. Auch dies soll der Korrektheit halber erwähnt werden. Im Kontrast dazu hatten der Wirtschaftsminister des Bundes und die der Länder im Mai 2002 ihrer Absicht Ausdruck verliehen, die Gemeinschaftsaufgabe zu erhalten. Auch das gehört zu dem sehr interessanten Konzert von Meinungen, die wir heute kennen. Der heute vorliegende Antrag der CDU/CSU greift dieses Thema wieder auf und setzt in seinen wesentlichen Zielen gleiche Akzente, die bereits Gegenstand des Beschlusses des Deutschen Bundestages waren. Allerdings - das ist korrekt - hat sich die Situation um die GA im Jahr 2003 verändert. Im Zuge der Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres begründete der Wirtschaftsminister seine Position, nach der die GA „West“ bis zum Jahr 2006 auslaufen soll. Seitens des Bundes sollten daher ab dem Haushaltsjahr 2005 keine neuen Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung gestellt werden. Da aber bis 2006 ein genehmigtes Fördergebiet vorliegt, könnten die westdeutschen Länder bis dahin von dieser Förderkulisse Gebrauch machen. Die Koalitionsfraktionen gelangten im Zuge der Haushaltsberatungen jedoch zu der Auffassung, dass es, gerade unter Bezug auf die Beschlusslage des Deutschen Bundestages, als nicht sinnvoll erscheint, durch eine rein haushaltspolitische Entscheidung einem fachpolitischen Entscheidungsprozess über die Mischfinanzierungen vorzugreifen. Wir sind nämlich der Ansicht, dass Christian Müller ({1}) dies nicht pauschal geschehen darf, sondern dass zwischen den verschiedenen Formen von Mischfinanzierungen und Gemeinschaftsaufgaben abgewogen werden muss. Wesentlich ist: Wir als Deutscher Bundestag wollen uns dazu natürlich auch äußern dürfen. Die parlamentarische Beratung des vorliegenden Antrags allein wird diesen komplizierten Abwägungsprozess zwischen Bund und Ländern allerdings nicht auflösen können. Deswegen rate ich Ihnen von der Opposition, nicht zu sehr mit dem Finger auf die Bundesregierung zu zeigen; denn es wird, wenn es um die Finanzbeziehungen zwischen beiden Partnern geht, auch sehr auf die Haltung der Bundesländer ankommen. Auch das Agieren Bayerns, dessen Ministerpräsident immerhin für die Abschaffung der Mischfinanzierung gewesen ist, sollte in diesem konkreten Zusammenhang sehr aufmerksam betrachtet werden. ({2}) Eine anders lautende, offizielle Position kenne ich bis heute nicht. Um für diesen Klärungsprozess, der notwendig ist, genug Zeit zu haben, haben die Koalitionsfraktionen in einer gründlichen Abwägung verschiedener Positionen mithilfe eines Haushaltsvermerks im Titel der GA „Ost“ 100 Millionen Euro zur Verwendung für die GA „West“ zur Verfügung gestellt, den Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe mit der Umsetzung betraut und den Deutschen Bundestag um einen Bericht dazu gebeten. Wir gehen davon aus, dass dies - zunächst einmal für den Nahbereich - zu einem erträglichen Kompromiss führt. Die Kritik im vorliegenden Antrag hinsichtlich der generell sinkenden Mittelausstattung muss jedoch deutlich relativiert werden. Erstens ist dies ein bedauerlicher Prozess, den wir bereits vor acht Jahren, zu Zeiten einer anderer Regierung, konstatiert und auch kritisiert haben. Zweitens muss die aktuelle Lage bei der Mittelausstattung im Kontext der Haushaltslage des Bundes und der Länder und der unabweisbaren Notwendigkeit zur Einsparung von Haushaltsmitteln gesehen werden. Drei Jahre ohne Wachstum haben ihre Spuren hinterlassen; das wissen Sie. Auch daran sollte die Opposition denken, die keine Gelegenheit auslässt, den Bundesfinanzminister wegen zu hoher Neuverschuldung zu kritisieren. Drittens sollten Sie sich einen Überblick darüber verschaffen, in welchem Umfang die bereitgestellten Mittel von den Ländern, insbesondere auch den ostdeutschen Ländern, kofinanziert werden können und dort abfließen. Die Koalitionsfraktionen wollen die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als regelgebundenes Instrument der Regionalförderung erhalten. Entwicklungsprobleme von Regionen, regionale Disparitäten werden auch künftig eintreten; die Ursachen dafür sind hinlänglich bekannt und sollen nicht auch noch von mir erwähnt werden. Jedenfalls wissen wir, dass meistens die ohnehin strukturschwachen Regionen - sehr oft sind es ländliche - davon betroffen sind. Deshalb begrüßen wir - im Unterschied zu Ihnen das von der Bundesregierung formulierte Ziel, im Zuge einer Begrenzung des nationalen Beitrags zum Haushalt der Europäischen Union und deren Strukturpolitik Spielräume für eine eigenständige Regionalpolitik zurückzugewinnen. ({3}) Dies bedarf jedoch eines verlässlichen und erprobten Instruments, das bei aller Flexibilität als regelgebundenes System Subventionswettläufe zu verhindern in der Lage ist. Wir meinen, dass die Gemeinschaftsaufgabe, wie wir sie kennen, diese Bedingung sehr gut erfüllt. Es wäre also nicht sinnvoll, dieses Instrument aus der Hand zu geben. Im Gegenteil - darauf verweist auch der Koalitionsantrag vom Juni 2002 eindeutig -: Die GA, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, ist ein geeigneter Koordinierungsrahmen auch für die künftigen raumwirksamen Politiken des Bundes und der Länder. Den wollen wir entwickeln, meine Damen und Herren. ({4}) Deshalb werden wir die GA auch für die Zeit nach 2006 in Angriff nehmen und auf den Weg bringen. Allerdings - das ist meine abschließende Bemerkung zu diesem Thema - müssen auch die Länder klar sagen, ob sie dies so wollen, und sich vor allen Dingen darauf verständigen, mit welchem Instrument die zurückzugewinnenden Handlungsspielräume ausgefüllt werden sollen. Wir sind der Meinung, dass dies die GA sein kann, aber ohne die Länder wird es nicht gehen. ({5}) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gudrun Kopp von der FDP-Fraktion.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Ohne Zweifel gibt es am Wirtschaftsstandort Deutschland riesengroße Probleme. Die Verhältnisse in den jeweiligen Regionen sind sehr unterschiedlich. Das hat Ursachen, die wir alle kennen. Die rot-grüne Bundesregierung hat es bis heute nicht geschafft, verlässliche Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, und zwar für ganz Deutschland, bereitzustellen. Das ist der Hauptkritikpunkt. Angesichts der jetzt Jahrzehnte zurückliegenden Aufgaben- und Finanzverflechtungen im Zeichen der Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse scheint ein besonderer Bedarf an einer Entflechtung vorzuliegen. ({0}) In einem System, in dem alle mitreden und alle gemeinsam bezahlen und meist der kleinste gemeinsame Nenner als Kompromiss herhalten muss, trägt kaum jemand Verantwortung. In einem solchen System wird vielmehr das Monopol des Stillstands gefestigt, ohne dass Anreize zu Innovation und Kreativität gegeben werden. Nach Art. 30 des Grundgesetzes sind für die Regionalförderung die Länder zuständig. Gemäß Art. 91 a des Grundgesetzes wirkt der Bund bei den Gemeinschaftsaufgaben mit. Die Frage, die sich angesichts dessen stellt, lautet, wie wir einen gesunden Wettbewerb befördern. Dazu scheint, wie ich finde, der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion leider nicht beitragen zu können. Auch wir Liberale, wir von der FDP, wollen nicht, dass hier ein kurzsichtiger Kahlschlag stattfindet. Es ist aber unsere Aufgabe, aufzuzeigen, wohin die Reise gehen soll. Die bisherige Förderung auf Dauer und trotz des wachsenden Europas so beizubehalten, das werden wir nicht durchhalten. Dieser realistischen Sichtweise müssen wir uns stellen. Eine Fortführung der Gemeinschaftsaufgaben auf ewig ist unrealistisch. ({1}) Realistisch ist dagegen, die Notwendigkeit zu erkennen, dass wir versuchen müssen, eine neue Föderalismusdebatte zu führen, die überfällig ist. Wir müssen klären, wer wofür zuständig ist und wer wofür Verantwortung übernimmt. Wir brauchen eine Agenda, die folgende Punkte beinhaltet: mehr Wettbewerb; mehr Kompetenzen auf regionaler Ebene; weniger Mischfinanzierung; Aufgabenentflechtungen; eindeutige Zuordnung von Verantwortlichkeiten in bestimmten Bereichen. ({2}) Wir müssen gemeinsam an der Erstellung eines entsprechenden Rahmenkonzepts arbeiten, mit dem der ökonomische Niedergang unseres Landes wirksam bekämpft werden kann. Wir haben im Moment eine strukturelle Reformunfähigkeit - das sagte ich schon -, die die rot-grüne Bundesregierung zu verantworten hat. Diese gilt es auszumerzen. ({3}) Strukturelle Reformen unserer politischen Institutionen verdienen dann diesen Namen, wenn sie zu mehr Wettbewerb, mehr Kreativität und mehr Innovationsfreude führen. Nur dann werden wir den ökonomischen und sozialen Strukturwandel überhaupt bewältigen können. Ich erinnere daran: Wir von der FDP haben erst gestern das ausgearbeitete Konzept einer Steuerreform vorgelegt. ({4}) Wir haben zur Stärkung der Gemeinden beispielsweise ein eigenes Konzept zur Gemeindefinanzreform auf den Tisch gelegt. ({5}) Wir halten es für absolut notwendig, Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen voranzubringen, damit sich die Regionen entwickeln können. ({6}) Lassen Sie mich zum Schluss folgenden Hinweis geben: Wir müssen von der Auffassung wegkommen, der Staat könnte auf Dauer Gelder bereitstellen, ohne dass das nötige Konzept vorliegt, wohin die Reise gehen soll und wie strukturelle Unterschiede aus eigener Kraft, aus dem Wissen der jeweiligen Region heraus ausgeglichen werden können. Staatsmittel stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Wir brauchen also Mut für durchgreifende Reformen. Diesen Mut wünsche ich uns allen. Er ist dringend notwendig. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Hettlich vom Bündnis 90/Die Grünen.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen haben wir an dieser Stelle das Investitionszulagengesetz 2005 in erster Lesung behandelt. Wir waren uns fraktionsübergreifend einig, dass die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Förderinstrumentes für den weiteren wirtschaftlichen Aufholprozess in den neuen Bundesländern unverzichtbar ist. Die Frage, ob und wie die Investitionszulage über das Jahr 2006 hinaus verlängert werden kann, kann heute allerdings noch nicht richtig beantwortet werden. Die Investitionszulage und der Investitionszuschuss aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bilden gemeinsam ein Kernstück deutscher regionaler Strukturpolitik. Diese regionale Förderung soll dem Ausgleich von Standortnachteilen der geförderten Regionen dienen und deren Chancen im Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen verbessern. ({0}) Die Gemeinschaftsaufgabe hat sich seit 1972 als ein erfolgreiches Förderprogramm für benachteiligte Gebiete bewährt. In den alten Bundesländern wurden damit die ehemaligen Zonenrandgebiete, die vom Strukturwandel betroffenen Industrieregionen, die Küstenregionen und die ostbayrischen Grenzregionen unterstützt. ({1}) Nach 1990 ist die GA auch in den neuen Bundesländern zu einem unverzichtbaren Förderinstrument geworden. ({2}) Ich möchte besonders hervorheben, dass es ein Hauptziel der Förderung war und ist, Investitionen zu unterstützen, die insbesondere der Schaffung und der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen. Allein in den Jahren 2000 bis 2002 wurden laut Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit mit einem Mitteleinsatz von rund 8 Milliarden Euro Investitionen von rund 32 Milliarden Euro angestoßen. Damit konnten rund 310 000 Arbeitsplätze gesichert und rund 120 000 Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Auf die neuen Bundesländer entfielen dabei 267 000 bzw. 68 000 Arbeitsplätze. Diese beeindruckenden Zahlen sprechen für sich und für eine Fortführung dieses regionalen Förderinstrumentes. ({3}) Zwischen 1991 und 2001 flossen rund 27 Milliarden Euro an GA- und EFRE-Mitteln in die neuen Bundesländer. Davon gingen rund 90 Prozent an kleine und mittelständische Unternehmen. Dies ist insofern besonders bemerkenswert, da hoch subventionierte Industrien wie beispielsweise die Chipindustrie in Dresden, die Werften in Mecklenburg-Vorpommern oder die Autofabriken in Thüringen und Sachsen in der Öffentlichkeit viel stärker wahrgenommen wurden. Daher müssen unsere Bestrebungen auch in Zukunft auf die Stärkung von kleinen und mittelständischen Unternehmen gerichtet sein. ({4}) Diese haben ihre Investitionen weniger in Rationalisierungsmaßnahmen gesteckt als geförderte Großunternehmen, wodurch sie einen deutlich größeren Beitrag zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen geleistet haben. Dies kann nur in unserem Interesse liegen. ({5}) Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Rückblick. Im Juni 2001 hatten die Länder auf Initiative der Ministerpräsidenten Clement und Stoiber beschlossen, die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern anzugehen. Insbesondere sollten die Mischfinanzierungen und die Entflechtungen der Gemeinschaftsaufgaben vereinbart werden. Das macht ja durchaus Sinn, allerdings dürfen wir die Folgen nicht negieren; denn ein zunehmendes Auseinanderklaffen der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung, Wettbewerbsverzerrungen und ein Deutschland zweier Geschwindigkeiten wären die harten Konsequenzen. Daher ist es unerlässlich, intensiv über die Frage nachzudenken, wie eine regionale Wirtschaftsförderung - noch dazu EUkonform - weitergeführt werden kann, und sie im Interesse der betroffenen Regionen schnell zu beantworten. Ich erinnere daran - das hat der Kollege Müller eben auch getan -, dass der Bundestag dies bereits in seinem Beschluss vom 5. Juni 2002 gefordert hat. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute über die Gemeinschaftsaufgabe diskutieren, dann kommen wir nicht umhin, die ebenfalls noch ungeklärte Zukunft der EU-Strukturförderung anzusprechen. Mit der EU-Osterweiterung werden die regionalen Entwicklungsunterschiede in der EU erheblich zunehmen. Das könnte bedeuten, dass sich die Einstufungen der bisherigen deutschen Förderzielgebiete ab 2007 zu deren Ungunsten erheblich verändern werden. Wir sollten uns dann aber auch die Frage stellen, ob wir es uns leisten wollen, über eine Erhöhung des EU-Haushaltes - quasi über die Hintertür - die bisherigen Förderzielgebiete zu erhalten und unserer nationalen regionalen Förderpolitik einen größeren Freiraum zu verschaffen. Auch das hat der Kollege Müller eben angesprochen. Das ist nur dann möglich, wenn wir die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als ein regelgebundenes System und als Koordinierungsrahmen einer gemeinsamen Regionalförderung von Bund und Ländern erhalten. Zum Schluss sei auch noch das heikle Thema der unterschiedlichen Finanzausstattung der GA „Ost“ und der GA „West“ angesprochen. Wir alle wissen, dass die Anzahl der Fördergebiete in den alten Bundesländern durch die Vorgaben der EU-Kommission stark eingeschränkt ist. Es könnte daher der Eindruck entstehen, dass sich die ungleiche Verteilung der GA-Mittel zwischen West und Ost im Verhältnis von eins zu neun als Argument für eine Debatte über West-Ost-Transfers anbietet. Als dann - wie in den Beratungen zum Haushalt 2004 geschehen - die GA „West“ ganz gestrichen werden sollte, bestand tatsächlich die Gefahr dafür. Diese konnte allerdings dadurch abgewehrt werden, dass die Verpflichtungsermächtigungen der GA Ost zugunsten der GA West um 100 Millionen Euro gekürzt wurden. Es darf nicht sein, dass wir die Diskussion um die Zukunft der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ dazu missbrauchen, die wirtschaftlich benachteiligten Regionen gegeneinander auszuspielen. ({6}) Es liegt vielmehr in unserer Verantwortung, hier auch in Zukunft für Kontinuität und für die Verlässlichkeit bewährter Förderinstrumente einzutreten. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Robert Hochbaum von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Robert Hochbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003557, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Saldo von Unternehmensgründungen von 19 400 im Jahre 1998 auf 5 300 im Jahre 2002 ist gesunken. Die Bruttowertschöpfung ist von 0,6 auf 0,3 Prozent reduziert. Der Wohnbevölkerungsanteil ist von 22,9 Prozent auf 18,9 Prozent gefallen. Die Arbeitslosigkeit steigt mit einem Plus von 2,6 Prozent zum Vorjahresmonat. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 122 347. Das sind keine Fantasiezahlen, meine Damen und Herren von der Koalition, sondern die Tatsachen aus dem aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit und dem letzten von Ihnen verfassten Jahresbericht zur deutschen Einheit. Diese Zahlen spiegeln die Realität im Osten wider: fehlendes Wirtschaftswachstum, steigende Arbeitslosigkeit und stetige Abwanderung. Es ist schon eigenartig, im Jahresbericht zur deutschen Einheit beispielsweise folgenden Satz zu lesen: „Der angestoßene wirtschaftliche Entwicklungsprozess ist auf dem richtigen Weg.“ Auch in der gestrigen Rede des Wirtschaftsministers war zu hören, dass die Wirtschaftspolitik der Regierung erfolgreich ist. Ich kann mir kaum vorstellen, meine Damen und Herren von RotGrün, dass dies die Arbeitslosen im Osten genauso sehen und - so wie Sie gestern - dazu noch Beifall spenden. Da ich Ihnen von der Koalition aber keine unlauteren Absichten unterstellen will, kommt es mir so vor, als hätten Sie Ihren Realitätssinn in der Frage der wirtschaftlichen Entwicklung und speziell in der im Osten vollkommen verloren. ({0}) Dazu passt die seit einiger Zeit andauernde Diskussion über die weitere Förderung im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Die Bundesregierung versucht nicht nur, sich hier schrittweise aus der Verantwortung zu stehlen. ({1}) Nein, sie versucht in dieser Frage sogar, von sich abzulenken, indem sie die alten und die neuen Bundesländer gegeneinander ausspielt. Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch in hohem Maße verantwortungslos. ({2}) Doch erinnern wir uns: Es ist noch gar nicht lange her - es klingt schon wie ein Märchen -, dass die Angelegenheit Aufbau Ost zur Chefsache erklärt wurde. Die Funktion Staatsminister Ost wurde ins Leben gerufen, die es in dieser Form inzwischen allerdings nicht mehr gibt und deren Stelleninhaber von seinen Wählern für die Aufbauarbeit im Osten „belohnt“ wurde. Nichts außer großen Worten, den negativen Wirtschaftszahlen und dem ständigen Versuch der Regierung, die Situation schönzureden, ist also davon übrig geblieben. ({3}) Was geschieht nun in der nahen Zukunft? Der Anpassungsdruck des Ostens im regionalen Standortwettbewerb steigt weiter. Den strukturschwachen Regionen bleibt kaum eine Atempause. Das Wachstum in den neuen Ländern war in den letzten Jahren mehr als verhalten und brachte beim relativen Pro-Kopf-Einkommen kaum Fortschritte. Der wirtschaftliche Umstrukturierungsprozess ist also noch lange nicht abgeschlossen und erfordert auch weiterhin besondere Maßnahmen der Regionalpolitik. Nicht vergessen werden darf dabei, dass die bevorstehende EU-Osterweiterung weit reichende politische, soziale und vor allem auch wirtschaftliche Auswirkungen auf ganz Deutschland, insbesondere aber auf die Regionen im Osten und speziell auf die Grenzregion haben wird. ({4}) Schlagworte wie der „statistische Effekt“ und „Wegfall als Ziel-1-Gebiete“ stehen in diesem Zusammenhang drohend im Raum. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagte dazu in der „Welt“, die Fördermittel der EU würden deutlich reduziert und fehlten künftig beim Ausbau der Infrastruktur in Ostdeutschland. Dabei handele es sich um einen schleichenden Prozess, der die Entwicklung in Ostdeutschland mindestens noch über zehn bis 15 Jahre beeinträchtigen werde. Wie reagiert die Bundesregierung darauf? Sie beabsichtigt, bei den Mitteln der GA zu sparen. Hierzu hat sie zuerst einmal die GA-Mittel der alten Länder auf null gesetzt, um danach aus dem schon geschmälerten Osthaushalt 100 Millionen Euro auf das Westkonto zu buchen. Diese Art der Kürzung in West wie in Ost kann nur als Versuch gewertet werden, einen Keil in die Solidarität zwischen ostdeutschen und westdeutschen Ländern zu treiben. Dies ist mit uns nicht machbar. ({5}) Eines muss hierbei ganz klar gesagt werden: Es geht nicht darum, die westdeutschen Länder bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur außen vor zu lassen. Ganz im Gegenteil. Natürlich gibt es auch in den alten Ländern inzwischen zunehmend Problemregionen, in denen eine Förderung von Investitionsmaßnahmen dringend erforderlich ist. Gerade daran zeigt sich übrigens ganz besonders das wirtschaftliche Versagen dieser Regierung. ({6}) Darum fordere ich Rot-Grün auf: Nehmen Sie Ihre Verantwortung für die regionale Wirtschaftsentwicklung, die Sie nicht zuletzt durch das Grundgesetz haben, wahr und fördern Sie Ost und West, ohne die Mittel gegeneinander aufzurechnen! Denn wer bei Investitionen spart, spart sich ein Stück seiner Zukunft weg. Danke schön, meine Damen und Herren. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich dem Kollegen Dr. Heinz Köhler von der SPDFraktion das Wort.

Dr. Heinz Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU ist überflüssig. Er bietet nichts Neues. Alles, was darin steht, ist bekannt und war Gegenstand von Diskussionen im Plenum im Juni 2002, also vor anderthalb Jahren. Es gibt also keine Notwendigkeit für eine neue Debatte im Bundestag, denn die Koalition steht zur Gemeinschaftsaufgabe. Im Übrigen will ich anmerken: Wir haben das im Haushalt bewiesen, während sich die CDU/CSU nicht an der Abstimmung beteiligt hat. Wäre es nach Ihnen von der CDU/CSU gegangen, dann wäre überhaupt nichts gewesen. Das ist die Wahrheit. ({0}) Jeder in diesem Haus weiß: Das föderale System der Bundesrepublik Deutschland steht auf dem Prüfstand. Wir haben eine Föderalismuskommission, wir haben Absprachen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten, wir reden über den Abbau von Mischfinanzierungstatbeständen, wir reden seit Jahr und Tag über Entflechtungen und wir reden darüber, ob und, wenn ja, welche Gemeinschaftsaufgaben heute noch sinnvoll sind. Aber es ist in diesem Bereich noch nichts entschieden. Wir befinden uns vielmehr mitten in der Debatte, die in Kommissionen und Gremien des Bundestages und des Bundesrates geführt wird. Deshalb ist das ein Antrag zur Unzeit. ({1}) Warum aber stellt die CDU/CSU einen solchen Antrag? Die Antwort: Es geht ihr nicht um die Sache, sondern es geht ihr nur darum, Sand ins Getriebe zu streuen. ({2}) Es geht ihr um Parteitaktik. Es geht darum, die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung auseinander zu treiben. Das wird Ihnen, meine Damen und Herren von der Union, nicht gelingen. ({3}) Wir finden besonders interessant, dass Sie, Herr Hofbauer, eine öffentliche Debatte führen wollen. Bitte schön, kann ich nur sagen. Es ist doch Ihr Ministerpräsident, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der seit Jahr und Tag gegen die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ wettert und sie lieber heute als morgen abgeschafft wissen will. ({4}) - Das nehme ich nicht zurück, weil ich es gehört habe. In Berlin als Gralshüter der Gemeinschaftsaufgabe auftreten und sich in Bayern vor der Politik der Landesregierung ducken und wegtauchen - so geht das nicht. ({5}) Bitte schön, Herr Hofbauer, klären Sie erst einmal in Ihrer eigenen Partei, was nun eigentlich gilt. Gemeinschaftsaufgabe ja oder nein? Stoiber oder Hofbauer? Es geht nur eines. ({6}) Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen, genauso wie wir es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn aus Ihren Reihen offensichtlich die Unwahrheit gesagt wird. In Presseerklärungen im bayerischen Raum heißt es, die Bundesregierung werde das Grenzgebietförderprogramm Interreg der Europäischen Union nicht weiter unterstützen. ({7}) Ich lese Ihnen aus dem Eckpunktepapier vom Dezember 2002 vor, wie die Bundesregierung tatsächlich darüber denkt: Für die Beibehaltung einer begrenzten EU-Strukturpolitik außerhalb von Ziel 1 sprechen integrations- und regionalpolitische Überlegungen sowie der horizontale Ansatz des Europäischen Sozialfonds. Infrage kommen horizontale Fördermaßnahmen mit einem besonders hohen europäischen Mehrwert, vor allem: Netzwerke, Erfahrungsaustausch … sowie grenzüberschreitende, interregionale und transnationale Zusammenarbeit. Das heißt, Interreg wird doch beibehalten. Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit! Wir sind uns darin einig, dass uns die EU-Osterweiterung zu einer Neuorientierung der europäischen Strukturpolitik und damit auch der nationalen Strukturpolitik zwingt. Wir sind uns auch darin einig, dass die europäische Regionalpolitik schon aus finanziellen Erwägungen nach 2006 nicht mehr in der derzeitigen Form fortgeführt werden kann. Wir alle in diesem Haus sollten ein Interesse daran haben, dem Bundesfinanzminister in Brüssel den Rücken zu stärken. ({8}) Sie haben die Gelegenheit, das an dieser Stelle auch öffentlich zu tun. Wir werden die nationalen Spielräume der Regionalpolitik wieder vergrößern. Das gilt für den Bund, aber auch für die Länder und Kommunen. Wichtig ist dabei, dass wir in Zukunft noch stärker als bisher die Raumwirksamkeit der Politik auf Bundes- und Länderebene beachten und sie so weit wie möglich zu konsistenten Regionalentwicklungskonzepten weiterentwickeln. In den vergangenen Jahren ist hierfür schon einiges getan worden. Dieser Weg muss konsequent fortgesetzt werden. Die Raumwirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit ist - allein schon wegen ihrer finanziellen Volumina - viel wichtiger als die Regionalpolitik der Gemeinschaftsaufgabe. Der Nettotransfer der Bundesagentur für Arbeit von West nach Ost betrug beispielsweise im Jahr 2001 12,5 Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie die Transfers im Rahmen des Länderfinanzausgleichs mit 5,8 Milliarden Euro. Die knapp 1 Milliarde Euro, die der Bund für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ aufwendet, nimmt sich dagegen geradezu bescheiden aus. Bei der Renationalisierung der regionalen Strukturpolitik muss es uns darauf ankommen, die hinsichtlich der Raumwirksamkeit entstehenden Effekte der Ausgabenpolitik der einzelnen Gebietskörperschaften noch stärker als bisher zu beachten und zu bündeln. Ich möchte noch ein weiteres Thema anschneiden. Wir befinden uns im Jahr 14 nach der Wiedervereinigung. Ich meine, die Aufteilung zwischen einer Gemeinschaftsaufgabe Ost und einer Gemeinschaftsaufgabe West kann und muss jetzt beendet werden. Unterschiedliche Haushaltstitel sind nicht mehr zeitgemäß und tragen nur zu einer weiteren Spaltung zwischen Ost und West bei. ({9}) Im Ruhrgebiet oder auch im bayerischen Grenzraum gibt es Regionen, denen es schlechter geht als mancher Region in Sachsen und Thüringen. Das ist für Dresden, Leipzig oder Jena positiv. Trotzdem müssen wir auf diese Entwicklung reagieren. Deshalb meine ich, dass es in Deutschland nur eine Gemeinschaftsaufgabe geben darf, die sich unabhängig von West und Ost nach der Strukturschwäche richten muss. ({10}) Selbstverständlich wird der Osten auch in Zukunft noch wesentlich stärker gefördert werden müssen als der Westen, weil die Indikatoren wesentlich schlechter sind. Aber die Aufteilung in eine Ost- und Westförderung ist nicht zeitgemäß. Ich komme zum Schluss. Es ist richtig, dass wir eine Politik für strukturschwache Regionen brauchen. Sie kann aber nicht losgelöst vom Umbau unseres föderalen Staatswesens, den wir in einer großen Anstrengung zu bewältigen haben, gestaltet werden. Für parteitaktisches Klein-Klein bleibt dabei kein Raum. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention - die Wortmeldung habe ich zuvor übersehen; sie wird uns helfen, die Zeit zu überbrücken, bis die Ergebnisse aus dem Bundesrat vorliegen - erteile ich das Wort der Kollegin Bettina Hagedorn von der SPD-Fraktion. ({0}) - Einen Moment noch, Frau Hagedorn. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, ein wenig ruhiger zu sein, damit die Kollegin zu Wort kommen und sich Gehör verschaffen kann. Bitte schön, Frau Hagedorn.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen, um die Zeit überbrücken zu helfen. Meine Kurzintervention bezieht sich auf die Rede des Kollegen Hofbauer. Ich stimme meinem Vorredner zu, dass es überflüssig ist, sich im Bundestag mit dem Antrag der CDU/CSU zur Gemeinschaftsaufgabe zu beschäftigen. Wenn wir uns aber schon mit dem Antrag Ihrer Fraktion auseinander setzen, sehr geehrter Herr Kollege, dann ist es meiner Meinung nach ausgesprochen wichtig, dass Sie bei der Wahrheit bleiben. Ihre Aussage, dass sich das, was im Haushaltsausschuss auf Antrag von Rot-Grün beschlossen worden ist, nämlich 100 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung zu stellen, auf 2004 beziehe, stimmt nicht. Vielmehr gilt das für den Zeitraum von 2005 bis 2007. Nach allem, was Sie angeführt haben, um deutlich zu machen, wie wichtig der CDU/CSU die Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur ist, bitte ich Sie um Aufklärung darüber - das ist für mich die wichtigste Frage -, warum die Union dem Antrag von Rot-Grün auf Erhalt der Verpflichtungsermächtigung im Umfang von 100 Millionen Euro im Haushaltsauschuss nicht zugestimmt hat. Im Übrigen hat auch die FDP unseren Antrag abgelehnt. Ich kann Ihnen versichern - mir liegen sogar Dankesschreiben der IHKs vor -: Rot-Grün hat hier tatsächlich gehandelt. Aber Sie haben heute nur geredet. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Hofbauer, wollen Sie erwidern? - Bitte schön.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin! Erste Bemerkung: Ihre Aussage trifft nicht zu, weil bis heute keine klare und endgültige Entscheidung betreffend die 100 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe getroffen worden ist. Dieser Haushaltsvermerk hilft uns im Grunde genommen nicht weiter. Man hat das nur an den Planungsausschuss verwiesen. Dieser konnte bisher nicht entscheiden, weil sich das Bundesfinanzministerium sowie das Bundeswirtschafts- und das Bundesarbeitsministerium hierüber nicht einig sind. Das, was Sie behauptet haben, trifft also nicht zu. ({0}) Zweite Bemerkung: Sie behaupten, eine Entscheidung bis 2007 getroffen zu haben. Es ist aber lediglich eine Entscheidung für 2004. Schließlich diskutieren wir nicht über den Haushalt 2006 oder 2007. Das bedeutet also, dass Sie keine Entscheidung getroffen haben, um die Gemeinschaftsaufgabe West auf Dauer zu sichern. Ich habe den Eindruck, dass Sie mit den Diskussionen in den letzten Wochen ein völlig falsches Zeichen sowohl nach innen als auch nach außen gesetzt haben. Die Wirtschaft ist jedenfalls mit Ihrer Entscheidung nicht zufrieden; denn insbesondere die mittelständische Wirtschaft wünscht sich die Gemeinschaftsaufgabe. Sie haben die falschen Akzente gesetzt. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/1986 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Beschlusses ({0}) des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität ({1}) - Drucksache 15/1719 ({2}) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3}) - Drucksache 15/2484 - Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Stünker Michael Grosse-Brömer Jörg van Essen Es ist vereinbart, die Reden zu Protokoll zu nehmen. Es handelt sich um die Reden der Kollegen Joachim Stünker von der SPD-Fraktion, Michael Grosse-Brömer und Michael Stübgen von der CDU/CSU-Fraktion, Jerzy Montag vom Bündnis 90/Die Grünen, Jörg van Essen von der FDP-Fraktion und für die Bundesregierung die Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs Alfred Hartenbach.1) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung des Beschlusses des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung 1) Anlage 2 der Bekämpfung der schweren Kriminalität, Drucksache 15/1719. Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2484, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen! Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen ({4}), Dr. Ole Schröder, Dirk Fischer ({5}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Schaffung einer nationalen Küstenwache - Drucksache 15/2337 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({6}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Auch zu diesem Punkt sollen die Reden zu Protokoll genommen werden. Es handelt sich um die Reden der Kollegin Annette Faße von der SPD-Fraktion und der Kollegen Wolfgang Börnsen und Dr. Ole Schröder, CDU/CSU, Rainder Steenblock, Bündnis 90/Die Grü- nen, Hans-Michael Goldmann, FDP-Fraktion sowie der Parlamentarischen Staatssekretärin Angelika Mertens für die Bundesregierung.2) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/2337 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe - Drucksache 15/2286 ({7}) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({8}) - Drucksache 15/2448 - 2) Anlage 3

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Gerold Reichenbach Beatrix Philipp Silke Stokar von Neuforn Gisela Piltz Rücküberweisung an den federführenden Innenausschuss Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen. - Wie ich sehe, sind Sie damit einverstanden. Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/2286 sowie die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses dazu auf Drucksache 15/2448 zur Beratung an den Innenausschuss zurückzuüberweisen. Eine Mitberatung durch andere Ausschüsse ist nicht vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der Abstimmungen des Bundesrates liegen noch nicht vor. Es ist aber absehbar, dass sie in Kürze vorliegen werden. Ich bitte Sie daher, hier zu bleiben. Ich unterbreche die Sitzung bis zum Vorliegen der Ergebnisse. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder, liebe Kolleginnen und Kollegen. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord- nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung von Einsprüchen des Bundesrates zu erweitern und diese jetzt als Zusatzpunkte 7 a bis 7 c aufzurufen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen. Ich rufe somit die Zusatzpunkte 7 a bis 7 c auf: a) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes- rates gegen das Haushaltsgesetz 2004 - Drucksache 15/2504 - b) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes- rates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 - Drucksache 15/2505 - c) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - Drucksache 15/2506 Der Präsident des Bundesrates hat soeben schriftlich mitgeteilt, dass der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung beschlossen hat, gegen das Haushaltsgesetz 2004, gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 sowie gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Einspruch einzulegen. ({0}) Es liegen drei Anträge der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Einsprüche des Bundesrates vor. Bevor wir gleich zur Abstimmung über die Anträge kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstimmungsverfahren. Es ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich, das sind mindestens 302 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen außer Ihren Stimmkarten auch Ihre Stimmausweise in den Farben Grün, Rosa und Blau. Die Farbe des zu verwendenden Stimmausweises werde ich bei der jeweiligen Abstimmung bekannt geben. Die Stimmausweise können Sie, soweit noch nicht geschehen, Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie darauf, dass Stimmkarten und Stimmausweise Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte den jeweiligen Stimmausweis einem der Schriftführer an der Urne. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen und Kollegen in die Urnen geworfen werden, die vorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abgegeben haben. Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen Ihren Stimmausweis in der Farbe Grün. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Haushaltsgesetz 2004 auf Drucksache 15/2504. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sie sind offensichtlich eingenommen. Dann eröffne ich die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen sich einen Moment gedulden, weil einige Mitglieder des Bundesrates noch auf dem Weg hierher sind. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen zur zweiten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen jetzt Ihren Stimmausweis in der Farbe Rosa. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 auf Drucksache 15/2505. - Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen jetzt zur letzten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen nun Ihren Stimmausweis in der Farbe Blau. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Drucksache 15/2506. - Ich eröffne die Abstimmung. Haben jetzt alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Wir unterbrechen jetzt die Sitzung so lange, bis die Abstimmungsergebnisse vorliegen. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und gebe Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt. Zunächst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Haushaltsgesetz 2004. Abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben gestimmt 306, mit Nein 280. Der Antrag ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Der Einspruch des Bundesrates ist damit zurückgewiesen. ({0}) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 306 nein: 280 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({1}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({2}) Klaus Barthel ({3}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({4}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({5}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({6}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({7}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({8}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({9}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({10}) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({11}) Walter Hoffmann ({12}) Iris Hoffmann ({13}) Frank Hofmann ({14}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler ({15}) Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({16}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({17}) Christian Müller ({18}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({19}) Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({20}) Michael Roth ({21}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({22}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({23}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer ({24}) Ulla Schmidt ({25}) Silvia Schmidt ({26}) Dagmar Schmidt ({27}) Wilhelm Schmidt ({28}) Heinz Schmitt ({29}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({30}) Reinhard Schultz ({31}) Swen Schulz ({32}) Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({33}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({34}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({35}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({36}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({37}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({38}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({39}) Volker Beck ({40}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({41}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Undine Kurth ({42}) Markus Kurth Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({43}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({44}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({45}) Werner Schulz ({46}) Petra Selg Ursula Sowa Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({47}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({48}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({49}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({50}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({51}) Peter H. Carstensen ({52}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({53}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({54}) Dirk Fischer ({55}) Axel E. Fischer ({56}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({57}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({58}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({59}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({60}) Dr. Karl A. Lamers ({61}) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold ({62}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({63}) Stephan Mayer ({64}) Conny Mayer ({65}) Dr. Martin Mayer ({66}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({67}) Doris Meyer ({68}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Stefan Müller ({69}) Bernward Müller ({70}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({71}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({72}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz-Xaver Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({73}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({74}) Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({75}) Andreas Schmidt ({76}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({77}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({78}) Gerald Weiß ({79}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Daniel Bahr ({80}) Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Otto Fricke Horst Friedrich ({81}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({82}) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann ({83}) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Ina Lenke Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Günter Rexrodt Dr. Rainer Stinner Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Dr. Gesine Lötzsch Wir kommen nun zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003. Abgegebene Stimmausweise 586, abgegebene Stimmen ebenfalls 586. Mit Ja haben gestimmt 306, mit Nein haben gestimmt 280. Der Antrag ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Der Einspruch des Bundesrates ist auch hier zurückgewiesen. ({84}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 584; davon ja: 304 nein: 280 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({85}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({86}) Klaus Barthel ({87}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({88}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({89}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({90}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({91}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({92}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({93}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({94}) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({95}) Walter Hoffmann ({96}) Iris Hoffmann ({97}) Frank Hofmann ({98}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler ({99}) Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({100}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Michael Müller ({101}) Christian Müller ({102}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({103}) Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({104}) Michael Roth ({105}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({106}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({107}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer ({108}) Ulla Schmidt ({109}) Silvia Schmidt ({110}) Dagmar Schmidt ({111}) Wilhelm Schmidt ({112}) Heinz Schmitt ({113}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({114}) Reinhard Schultz ({115}) Swen Schulz ({116}) Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({117}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({118}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({119}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({120}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({121}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({122}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({123}) Volker Beck ({124}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({125}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Undine Kurth ({126}) Markus Kurth Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({127}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({128}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({129}) Werner Schulz ({130}) Petra Selg Ursula Sowa Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({131}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({132}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({133}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({134}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({135}) Peter H. Carstensen ({136}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({137}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({138}) Dirk Fischer ({139}) Axel E. Fischer ({140}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({141}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({142}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({143}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({144}) Dr. Karl A. Lamers ({145}) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold ({146}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({147}) Stephan Mayer ({148}) Conny Mayer ({149}) Dr. Martin Mayer ({150}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({151}) Doris Meyer ({152}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Stefan Müller ({153}) Bernward Müller ({154}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({155}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({156}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz-Xaver Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({157}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({158}) Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({159}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Andreas Schmidt ({160}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({161}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({162}) Gerald Weiß ({163}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Daniel Bahr ({164}) Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Otto Fricke Horst Friedrich ({165}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({166}) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann ({167}) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Ina Lenke Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Günter Rexrodt Dr. Rainer Stinner Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Dr. Gesine Lötzsch Schließlich zum Ergebnis der Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Abgegebene Stimmausweise und Stimmen wiederum 586. Mit Ja haben gestimmt 307, mit Nein haben gestimmt 279. ({168}) Der Antrag ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Der Einspruch des Bundesrates ist auch hier zurückgewiesen. Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 307 nein: 279 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({169}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({170}) Klaus Barthel ({171}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({172}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({173}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({174}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({175}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({176}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({177}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({178}) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({179}) Walter Hoffmann ({180}) Iris Hoffmann ({181}) Frank Hofmann ({182}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler ({183}) Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({184}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({185}) Christian Müller ({186}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({187}) Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({188}) Michael Roth ({189}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({190}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({191}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer ({192}) Ulla Schmidt ({193}) Silvia Schmidt ({194}) Dagmar Schmidt ({195}) Wilhelm Schmidt ({196}) Heinz Schmitt ({197}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({198}) Reinhard Schultz ({199}) Swen Schulz ({200}) Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({201}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({202}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({203}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({204}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({205}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({206}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({207}) Volker Beck ({208}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({209}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Undine Kurth ({210}) Markus Kurth Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({211}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({212}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({213}) Werner Schulz ({214}) Petra Selg Ursula Sowa Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({215}) Fraktionslose Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({216}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({217}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({218}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({219}) Peter H. Carstensen ({220}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({221}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({222}) Dirk Fischer ({223}) Axel E. Fischer ({224}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({225}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({226}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({227}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({228}) Dr. Karl A. Lamers ({229}) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold ({230}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({231}) Stephan Mayer ({232}) Conny Mayer ({233}) Dr. Martin Mayer ({234}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({235}) Doris Meyer ({236}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Stefan Müller ({237}) Bernward Müller ({238}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({239}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({240}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz-Xaver Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({241}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({242}) Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({243}) Andreas Schmidt ({244}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({245}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({246}) Gerald Weiß ({247}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Daniel Bahr ({248}) Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Otto Fricke Horst Friedrich ({249}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({250}) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann ({251}) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Ina Lenke Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Günter Rexrodt Dr. Rainer Stinner Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. März 2004, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.