Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Vereinbarte Debatte zur aktuellen Europapolitik
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Angelica Schwall-Düren, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute Morgen über die Europapolitik und stehen am Beginn des Jahres 2004, eines Jahres,
das ein Schicksalsjahr für die Europäische Union ist.
Zehn weitere Staaten treten der Europäischen Union bei.
Wir haben es mit einem großen Schritt zur europäischen
Wiedervereinigung zu tun. Im Augenblick finden in
New York noch Verhandlungen statt, um zu erreichen,
dass Zypern als Ganzes in die Europäische Union eintreten kann. Gerade für ein Land mit einer Vergangenheit als geteiltes Land hoffen wir sehr, dass ein Erfolg erreicht werden kann.
({0})
Dieses Jahr bringt Wahlen zum Europäischen Parlament. Ein neues Parlament, neue Kommissare, weitere
zehn Kommissare werden dann die Zukunft unserer Europäischen Union gestalten und werden die Lösung der
wichtigen Fragen der finanziellen Vorausschau, die im
Jahr 2005 beschlossen werden muss, vorbereiten.
Wir alle hatten gehofft, dass die Vertiefung der Europäischen Union vor der Erweiterung zu erreichen ist.
Wir hoffen nun, dass noch in diesem Jahr die europäische Verfassung, aufbauend auf dem Ergebnis, das der
Konvent vorgelegt hat, verabschiedet werden kann.
Wir sind ganz optimistisch, dass die irische Ratspräsidentschaft etwas erreichen kann; denn sie arbeitet proaktiv und sie arbeitet dezent. Gespräche und Verhandlungen
finden im Hintergrund statt. Die Kompromissmöglichkeiten sind in diesen Gesprächen auszuloten. Sie können
nicht auf dem offenen Markt verhandelt werden.
Wir wissen, dass in einem großen Teil Übereinstimmung erzielt worden ist. Die Teilnehmer an Regierungsgipfeln sprechen immer von 90 Prozent. Aber es gibt
noch eine Reihe offener Fragen, für die sicherlich Lösungen gefunden werden können, wenn sich alle aufeinander zu bewegen.
Der Hauptdissens betrifft das Prinzip der doppelten
Mehrheit. Zunächst einmal will ich sagen, dass ich
durchaus Verständnis für die Staaten habe, die sich auf
die geltende Vertragsgrundlage von Nizza berufen. Spanien als langjähriges EU-Mitglied hat Erfahrung damit,
Interessendivergenzen in diesem europäischen Prozess
als Balance zwischen nationalen Interessen und europäischem Mehrwert auszuhandeln. Polen als Repräsentant
einer Gruppe von Ländern, die über fünf Jahrzehnte
praktisch keine Souveränität hatten, scheint sich zu erhoffen, dass Einfluss auch über Verhinderungsmöglichkeiten gesichert werden kann.
Die Erfahrungen in der Europäischen Union lehren
uns aber, dass mit zunehmender Zahl von Staaten die
Entscheidungsfindung immer schwieriger wird. Eine
größere EU mit ihren ehrgeizigen Zielen - denken wir
nur einmal an die Lissabon-Strategie - wird noch mehr
Handlungsfähigkeit als in der Vergangenheit brauchen.
({1})
Deshalb ist zusätzliche Effizienz - gerade zur Überwindung des Wohlstandsgefälles - dringend erforderlich.
Diese zusätzliche Effizienz ist nicht nur in europäischem
Interesse, sondern auch im Interesse Ungarns, Estlands,
Polens und vieler anderer Staaten. Die Blockademinderheit muss überwunden werden, damit wir eine Gestaltungsmehrheit gewinnen.
({2})
Redetext
Mit dem Prinzip der doppelten Mehrheit können weder
ein einzelnes Land noch eine Zweierachse noch ein
Dreierdirektorium die anderen Länder majorisieren.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zu der nicht unkomplizierten Lage zwischen Deutschland und Polen sagen.
Es ist in der Tat schmerzhaft, dass durch verschiedene
Ereignisse des Jahres 2003 das bereits entstandene Vertrauensverhältnis zwischen Polen, unserem größten
Nachbarn im Osten, und Deutschland gestört wurde. Die
Schatten der Vergangenheit haben die Beziehungen wiederum überlagert. Ein unsensibler Umgang mit dem
Thema Vertreibung durch den BdV, aber auch durch einige Kolleginnen von der CDU/CSU und Entschädigungsforderungen haben die Beziehungen nachhaltig beeinträchtigt. Wir alle wissen, dass die Regierung wie
auch die große Mehrheit der Bevölkerung diese Entschädigungsforderungen ablehnt. Wir haben die Bitte an Polen, zu erkennen, dass Deutschland seine Interessen ausschließlich in Übereinstimmung mit seinen Nachbarn
umsetzen will und umsetzen kann.
({3})
Im Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Kollegen aus den neuen Mitgliedstaaten
werden an der Arbeit in der Europäischen Union teilnehmen. Zehn neue Kommissare werden dabei sein. Die
kommenden Jahre sind für die Umsetzung der LissabonStrategie entscheidend. Neben dem, was auf nationaler
Ebene geleistet werden muss, ist und bleibt das Solidarprinzip in der Europäischen Union ein Prinzip, das für
Kohäsion sorgt. Es gibt - man denke an Spanien und Irland - erfolgreiche Beispiele.
Mit der Mitteilung der Europäischen Kommission
über die politischen und haushaltspolitischen Prioritäten
der erweiterten Europäischen Union für die Zeit 2007 bis
2013 und mit dem für die nächste Woche angekündigten
Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt hat die Debatte um die Zukunft der erweiterten
Europäischen Union eine neue Dynamik erreicht. In der
Diskussion über den Finanzrahmen geht es um die
Frage, wie die erweiterte Union die Herausforderungen
der Zukunft meistern und auf welchen Gebieten sie politische und finanzielle Schwerpunkte setzen will.
Zu den wichtigsten Prioritäten gehören die erfolgreiche Integration der neuen Mitgliedstaaten, die Weiterführung einer erfolgreichen Politik des wirtschaftlichen
und sozialen Zusammenhalts, die Reformierung der
Agrarpolitik, neue Akzente in der Außen- und Sicherheitspolitik, im Bereich Justiz und Inneres und bei der
Fortführung der Lissabon-Strategie. Es geht aber auch
darum, wie hoch der EU-Haushalt insgesamt anwachsen soll, um die Herausforderungen der Zukunft zu
meistern, gleichzeitig aber die finanziellen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten nicht zu überfordern. Angesichts
der enormen Anstrengungen, die die meisten Mitglieder
bei der Konsolidierung ihrer nationalen Haushalte zu bewältigen haben, darf diese Frage nicht ausgeblendet werden.
Wir stimmen bei den politischen Prioritäten mit der
Europäischen Kommission weitgehend überein; wir hätten uns bei der Ausgestaltung des Finanzrahmens aber
mehr Realismus und Kohärenz gewünscht.
({4})
Die Vorschläge der Kommission sehen nämlich ein deutliches Anwachsen des EU-Budgets vor. Das würde insbesondere die Hauptzahlerländer, Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und
Österreich, in hohem Maße belasten.
Damit kein Zweifel aufkommt: Wir bekennen uns zur
europäischen Solidarität; aber es gibt Grenzen der Belastbarkeit. Deshalb unterstützen wir die von der Bundesregierung angemahnte Begrenzung des EU-Haushaltes auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens.
Meine Damen und Herren, die europäische Solidarität
ist keine Einbahnstraße. Deswegen müssen auch die
Staaten, die bisher von der europäischen Struktur- und
Kohäsionspolitik profitiert und dadurch an wirtschaftlicher Stärke zugenommen haben, Einschnitte hinnehmen.
Die bisherigen Empfängerländer müssen zusätzlich auf
Mittel verzichten, denn Verlässlichkeit und Berechenbarkeit aufseiten der Empfänger und Zahler muss zugleich mit Zumutbarkeit für die europäischen Steuerzahler verknüpft werden.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt hinweisen:
Es gibt einen eklatanten Widerspruch in der Argumentation der Europäischen Kommission. Während sie in der
Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht
anerkannt hat, dass die Haushaltseinschnitte negativen
Einfluss auf die Wachstumsaussichten haben, erklärt uns
die Europäische Kommission nun, dass eine drastische
Ausweitung des EU-Haushaltes vorgenommen werden
müsse, wolle man an dem Ziel der Stimulation des
Wachstums festhalten. Wir müssen im weiteren Verlauf
der Diskussion die Struktur- und Kohäsionspolitik sorgfältig analysieren und intensiv diskutieren. Netzwerke
müssen gebildet und Synergieeffekte erreicht werden.
Dann wird auch die weitere Entwicklung der EU positiv
verlaufen.
({5})
Europa steht vor großen Herausforderungen: Die
Integration von zehn Neumitgliedern muss gelingen. In
drei Jahren steht der Beitritt von Bulgarien und Rumänien an. Die Transformation von Nachbarländern der EU
muss im Interesse Europas aktiv unterstützt werden. Die
schwierigen Verhandlungen für den Finanzrahmen 2007
bis 2013 müssen schnell abgeschlossen werden, weil
dies Voraussetzung für Wohlstand und sozialen Zusammenhalt der EU und für das Behaupten im internationalen Wettbewerb ist.
Wir wünschen der irischen Ratspräsidentschaft viel
Geschick und Glück bei den Verhandlungen über eine
europäische Verfassung. Zugleich freue ich mich auf die
Feiern zum Beitritt der neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai
dieses Jahres, die an vielen Orten in unserer so reichen
Europäischen Union stattfinden werden.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
({6})
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Altmaier, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle
freuen uns, dass in wenigen Wochen mit dem Beitritt
von zehn neuen Staaten die Europäische Union einen
großen Erfolg feiern und dass damit auch das Ende des
Kalten Krieges in Europa offiziell besiegelt wird. Wir
haben die Erweiterung in den letzten Jahren trotz der
manchmal nicht einfachen Umstände gemeinsam über
alle Parteigrenzen vorangetrieben und freuen uns nun
mit den Bürgerinnen und Bürgern der neuen Mitgliedstaaten.
Aber am Vorabend der Erweiterung steht die Europäische Union auch vor einer schweren Krise, möglicherweise der schwersten Krise seit langer Zeit. Die deutsche
Bundesregierung steht inmitten dieser Krise hilflos und
konzeptionslos da
({0})
und wird von den übrigen Mitgliedstaaten - erstmals in
der Geschichte der Europäischen Union - nicht als Teil
der Lösung gesehen, sondern zunehmend als Teil des
Problems.
({1})
Meine Damen und Herren, es gab in der Europäischen
Union schon seit langer Zeit nicht mehr eine derartige
Häufung von Spannungen, von Misstrauen, von Gegensätzen und von Polarisierungen wie in den letzten Monaten. Die Tendenz ist leider Gottes wachsend. Wir haben
drei Bereiche, in denen eine starke Polarisierung
herrscht, die die Europäische Union zu lähmen und ihre
Handlungsfähigkeit zu beschädigen droht.
Erstens. Es gibt eine Frontstellung zwischen großen
und kleinen Mitgliedstaaten, geprägt von tiefem Misstrauen.
({2})
Das fing im Konvent an und findet seine Fortsetzung bis
in die jüngste Zeit. So wurde in den letzten Tagen vor einem Direktorium der großen Mitgliedstaaten gewarnt,
das über die Köpfe der kleinen hinweg entscheidet. Das
betrifft nicht nur Italien, sondern auch die Niederlande
und viele andere Mitgliedstaaten, mit denen wir seit Jahren und Jahrzehnten gute und enge Beziehungen unterhalten.
Zweitens. Es gibt eine Frontstellung zwischen dem
reichen Europa und dem armen Europa. Im Zusammenhang mit dem Finanzrahmen 2007 bis 2013 hat die
Bundesregierung eine Debatte auf den öffentlichen
Markt getragen, die dazu geführt hat, dass in der Europäischen Union Misstrauen entstanden ist, und zwar
nicht in erster Linie zwischen Deutschland und Spanien,
sondern zwischen Deutschland und den Staaten, die jetzt
in die Europäische Union kommen und die zu Recht darauf bauen, dass wir sie bei ihrem Aufholprozess nach
Kräften unterstützen.
Drittens. Es gibt die alte Frontstellung zwischen dem
alten und dem neuen Europa in der Irakkrise, bei der
die deutsche Bundesregierung durch ihre einseitige Festlegung zu einem frühen Zeitpunkt verhindert hat, dass
eine gemeinsame europäische Position zustande kommt.
Wir haben den dadurch entstandenen Schaden im Übrigen im Konvent erlebt, wo es nicht möglich war, Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik durchzusetzen. Wir sehen den Schaden auch jeden Tag bei den Beratungen mit unseren
Bündnispartnern in der NATO und in der Europäischen
Union.
Meine Damen und Herren, es muss Ihnen doch auffallen, dass Deutschland zum ersten Mal in diesen ganzen
Streitigkeiten nicht als Vermittler auftritt, nicht agiert,
um Lösungen zustande zu bringen, sondern angesehen
wird als jemand, der polarisiert und seine eigenen Interessen vertritt. Wenn Sie auf diese Art und Weise agieren, dann werden Sie den deutschen und europäischen
Interessen nicht nutzen, sondern ihnen schaden.
({3})
Herr Bundesaußenminister, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass jetzt eine Situation entsteht, in der
all diese Probleme vermengt werden, in der Junktims
entstehen, in der versucht wird, durch Zugeständnisse
auf dem einen Gebiet Forderungen auf anderen Gebieten
durchsetzen zu können. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass alles in einen Topf geworfen wird.
({4})
Wir müssen dafür sorgen, dass ein Problem nach dem
anderen gelöst wird. Deshalb appellieren wir an Sie
- und bieten Ihnen unsere Unterstützung an -, alles zu
tun, damit die europäische Verfassung, die Europa und
seine Bürger dringend brauchen, noch vor den Europawahlen am 13. Juni dieses Jahres zustande kommt.
({5})
Herr Bundesaußenminister, wir wissen, das ist keine
leichte Aufgabe. Aber sehen Sie, wir erwarten von den
beiden Volksgruppen auf Zypern, dass sie vor der Europawahl und dem Beitritt der zehn neuen Staaten imstande sind, einen jahrzehntealten Konflikt zu lösen und
sich wieder zu vereinigen. Dann muss es doch auch
möglich sein, dass die Europäische Union den Streit
über die Stimmenverteilung im Ministerrat in derselben
Frist in annehmbarer und vorzeigbarer Weise löst und
dazu beiträgt, dass die Verfassung verabschiedet werden
und pünktlich in Kraft treten kann.
({6})
Bei der Frage der Stimmengewichtung im Ministerrat geht es natürlich, wie bei anderen Fragen auch, um
Interessen. Es geht aber auch um Vertrauen, das die Europäische Union braucht, und es geht um Regeln, die Effizienz gewährleisten sollen. Wir müssen, wenn wir das,
was auf dem Gipfel in Brüssel vor Weihnachten geschehen ist, ändern wollen, versuchen, einen Kompromiss zu
finden. Das heißt, die Spanier und die Polen müssen sich
bewegen, aber auch wir Deutschen müssen uns bewegen, Herr Bundesaußenminister. Ich habe die Sorge, dass
es uns genauso ergeht wie bei dem Gipfel in Brüssel:
dass wir wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen und in diplomatischen Gesprächen versuchen, eine
Lösung zu finden, sich aber niemand bewegt und es am
Ende zu spät ist.
Herr Bundesaußenminister, ich glaube, Sie würden einen großen Beitrag leisten, wenn Sie heute von dieser
Stelle aus erklären: Alle müssen sich bewegen, auch wir.
Entscheidend ist, dass letzten Endes ein Kompromiss gefunden wird, der dazu beiträgt, dass die Europäische
Union handlungsfähig wird und Blockademinderheiten
reduziert werden. Da möchte ich der Frau Kollegin
Schwall-Düren ausdrücklich zustimmen; das muss unser
gemeinsames Ziel sein.
Meine Damen und Herren, in der Haushaltsfrage
sind wir uns einig: Wir müssen auf allen Ebenen sparen,
von der kommunalen Ebene über die Länder- bis hin zur
Bundesebene. Das gilt natürlich auch für Europa. Aber
eines geht nicht: dass Sie in Brüssel ständig neue Aufgaben und Zuständigkeiten für die Europäische Union beschließen und sich anschließend weigern, der Europäischen Union das Geld zur Verfügung zu stellen, das sie
für diese Aufgaben und die Wahrnehmung der Zuständigkeiten braucht.
({7})
Wir möchten daher ganz gerne von Ihnen wissen, wo
denn gespart werden soll. Möchten Sie zulasten der neu
hinzukommenden Länder sparen? Möchten Sie zulasten
der neuen Bundesländer sparen? - Nein! Da sind wir uns
einig. Wo wollen Sie also sparen? Wenn Sie dazu ein
vernünftiges und überzeugendes Konzept vorlegen, dann
werden Sie uns auf Ihrer Seite haben.
Lassen Sie mich noch ein Problem ansprechen, das in
diesen Tagen oft übersehen wird, aber ganz viele Menschen, was ihre persönliche Situation betrifft, berührt.
Die Osterweiterung ist ein Experiment. In ihr liegt eine
großartige Chance für die Europäische Union und für die
Wirtschaft in den alten Mitgliedstaaten der Europäischen
Union. Aber natürlich sind damit auch Risiken verbunden. Wir haben diese Tatsache parteiübergreifend anerkannt, indem wir Übergangsfristen im Bereich der Freizügigkeit vereinbart haben.
Mit dieser Erweiterung sind auch Risiken hinsichtlich
der Unternehmensansiedlungen auf beiden Seiten der
Grenzen verbunden. Wir werden einen Wettbewerb bei
den Lohnkosten erleben, von dem wir uns noch keine
genaue Vorstellung machen können. Deshalb appelliere
ich an Sie: Messen Sie den Problemen der Menschen in
den Grenzregionen, beispielsweise in Bayern, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt, mehr Aufmerksamkeit zu!
Wir brauchen ein Grenzgürtelprogramm und eine vernünftige Konzeption, um den Menschen zu zeigen, dass
ihre Probleme von der Politik anerkannt und ernst genommen werden.
({8})
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen:
Wir sind bereit, Herr Bundesaußenminister, Sie in den
kommenden schwierigen Wochen und Monaten zu unterstützen.
({9})
Wir haben in diesem Hause die gute Tradition, dass die
Europapolitik trotz aller Unterschiede im Detail in der
großen Linie immer eine gemeinsame Politik aller demokratischen Parteien ist. Aber wir erwarten von Ihnen,
dass Sie die Anstrengungen unternehmen, die notwendig
sind, um die Europäische Union aus ihrer Krise herauszuführen. Wir glauben, das lohnt jede Anstrengung und
jede Mühe. Dafür bieten wir Ihnen unsere Unterstützung
an.
({10})
Ich erteile das Wort Kollegen Rainder Steenblock,
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Altmaier, der Schluss Ihrer Rede klang
etwas versöhnlicher. Aber das, was Sie am Anfang Ihrer
Rede an Analyse geboten haben, hat mit der Entwicklung in Europa und mit der Rolle, die die Bundesregierung dabei gespielt hat, nur relativ wenig zu tun.
({0})
Sie haben den Konvent angesprochen und versucht,
deutlich zu machen, dass die Bundesregierung an dieser
Stelle Teil des Problems ist. Sie selber waren weiß Gott
genug damit befasst, um das besser wissen zu können:
Gerade diese Bundesregierung und insbesondere ihr Außenminister haben alles unternommen, um die Ergebnisse, die in den Verhandlungen im Konvent erreicht
wurden, zusammenzuführen und mitzutragen. Das war
eine der Kernaufgaben der deutschen Europapolitik und
soweit es in diesem Rahmen möglich war, ist sie sehr erfolgreich bewältigt worden. Im Gegenteil, Sie waren es,
die durch neue Forderungen, die Sie im Deutschen Bundestag erhoben haben, die Verhandlungen zum Konvent
belastet und damit das Erzielen von Ergebnissen erschwert haben, während wir versucht haben, die Ergebnisse zusammenzuführen. Dafür sollten wir dem Außenminister dankbar sein, anstatt ihn nachträglich dafür zu
kritisieren.
({1})
Die Gespräche, die mit dem britischen Premierminister anlässlich seines gestrigen Besuches geführt wurden,
machen deutlich, dass wir auf einem guten Weg sind, die
Probleme des letzten Jahres zu beherrschen und voranzukommen. Gerade was die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik angeht, gibt es ein neues Selbstverständnis der großen Partner in Europa. Das ist positiv
und das sollten Sie nicht kritisieren. Es ist ein wichtiger
Schritt, um in den zentralen Fragen gemeinsam voranzukommen. Wir sollten froh darüber sein, dass Großbritannien wieder mit im Boot ist. Das stärkt unsere Position
und auch die Position Europas in der Welt.
Wenn Sie über Irritationen im Verhältnis zu Polen
reden, lieber Kollege Altmaier, dann sollten Sie auch
einmal Ihre Kollegin Steinbach ansprechen; denn sie ist
für viele Irritationen verantwortlich, die es in der Vergangenheit gegeben hat.
({2})
Diese Argumentation zeigt, dass Sie mehr Probleme als
Lösungsangebote haben.
Wir stehen in Europa vor zwei großen Aufgaben:
Zum einen stehen wir vor der Vereinigung des Kontinents nach jahrzehntelanger Trennung, zum anderen
wollen wir die wettbewerbsfähigste und eine auf Wissen
basierte Volkswirtschaft werden. Dafür brauchen wir
- ganz im Sinne der Göteborg-Strategie - eine nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Soziales
und Umwelt. Das sind unsere Ziele, die wir Europa vor
dem Hintergrund der schwierigen Haushaltssituation, in
der sich alle Länder Europas befinden, ins Logbuch geschrieben haben.
Wir wollen den Motor Europa wieder anwerfen. Die
Schwerpunkte, die in der neuen finanziellen Vorausschau gesetzt worden sind, sind dafür eine Grundlage.
Auf der einen Seite besteht die Aufgabe der Solidarität
gegenüber den Beitrittsstaaten. Auf der anderen Seite ist
in das Blickfeld zu nehmen, dass die Lissabon-Strategie
umgesetzt werden muss. Das heißt, es muss mehr Geld
für Forschung, Innovation, Infrastruktur und die Transeuropäischen Netze bereitgestellt werden. Das brauchen
gerade wir in Deutschland; denn unsere deutsche Volkswirtschaft ist die stärkste Exportwirtschaft auf dem Binnenmarkt der EU. Deshalb ist es im Interesse unserer
Wirtschaft und stärkt es unsere Wirtschaftsstruktur,
wenn die Infrastruktur in den Beitrittsstaaten so rasch
wie möglich an das westeuropäische Niveau angeglichen
wird. Solidarität mit den Beitrittsstaaten ist ein Faktor,
der die deutsche Wirtschaft stärkt.
Daher brauchen wir einerseits Aufwüchse. Die
Schwerpunkte, so wie sie in der finanziellen Vorausschau gesetzt worden sind - davon bin ich sehr überzeugt -, sind richtig. Andererseits müssen wir sparen. Es
gibt in diesem Haushalt noch Ansätze zu sparen. Ich
halte es für schwer vermittelbar, dass es, gerade was die
Strukturfonds angeht, Haushaltsansätze gibt, die ständig
zu Rückflüssen führen. Wir müssen in der Strukturpolitik der EU realistische Haushaltsansätze finden. Wir
müssen unsere Mittel auf die Schwächsten konzentrieren, das heißt auf die Beitrittsländer der EU. Das ist eine
zentrale Herausforderung, vor der wir stehen.
Wir dürfen die Nettozahlerdebatte nicht so führen,
dass wir nur davon ausgehen, dass es bei den Nettozahlern zu exorbitanten Ausgaben kommt. Die EU hat angeboten, ein Rabattsystem einzuführen. Das halte ich für
den richtigen Weg. Den müssen wir weiterverfolgen, sodass wir zwischen den Beiträgen, die wir zu leisten haben, und den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, einen vernünftigen Kompromiss herstellen können. Das
darf nicht dazu führen, dass wir die neuen Aufgaben gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik und in der
Technologiepolitik vernachlässigen. Hier brauchen wir
einerseits in Zukunft Schwerpunkte, das heißt mehr
Geld. Andererseits müssen wir an anderen Stellen Sparpotenziale finden.
Mit Blick auf die Verhandlungen über die Zukunft
Europas, die jetzt folgen, sollten uns die beiden Pfeiler
der Solidarität und der Innovation bei der weiteren finanziellen Vorausschau leiten.
Vielen Dank.
({3})
Ich erteile das Wort Kollegin Sabine LeutheusserSchnarrenberger, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dem Schiff Europa, das so zuversichtlich mit neuen Passagieren zu neuen Ufern aufbrechen sollte, wurde mit
dem Scheitern der Regierungskonferenz im Dezember
letzten Jahres abrupt der Wind aus den Segeln genommen. Nun treibt das Schiff in seichten Gewässern und
läuft Gefahr, auf Grund zu laufen. Während die Kapitäne
öffentlich oder auch hinter verschlossenen Türen um den
zukünftigen Kurs streiten, regt sich Unmut unter den
Passagieren, nämlich den europäischen Bürgerinnen und
Bürgern.
Werfen wir doch einen Blick auf das letzte Eurobarometer: Die Ergebnisse sind niederschmetternd und spiegeln wider, wie von den Bürgerinnen und Bürgern die
Europapolitik wahrgenommen wird. Nur 39 Prozent der
deutschen Bevölkerung haben ein positives Bild von der
Europäischen Union. Die Institutionen wie das Europäische Parlament haben einen Vertrauensverlust erlitten
und mit dem Kapitän, dem Ministerrat, würden höchstens 32 Prozent gemeinsam in See stechen.
Das zeigt doch: Mit der Politik, wie wir sie hier in diesem Hause formulieren, ist etwas nicht in Ordnung. Wir
vermitteln den Bürgerinnen und Bürgern nicht, worum es
uns bei der europäischen Entwicklung geht. Es geht uns
natürlich um einzelne wichtige Punkte: um doppelte
Mehrheiten - wobei 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert sein müssen -, um eine handlungsfähige
Kommission, um eine geringe Zahl an Kommissaren.
In Wirklichkeit geht es aber darum, den Bürgern endlich zu sagen: Wir wollen ein demokratischeres, ein bürgernäheres Europa, das natürlich handlungsfähig ist, das
sich aber nicht darauf beschränkt, mit diesen Techniken
Europapolitik zu betreiben.
({0})
Deshalb müssen wir erreichen, dass in den nächsten Monaten auch in der Öffentlichkeit stärker über den Wert
der europäischen Verfassung und ihre Grundlagen geredet wird.
Ich habe erwartet, dass von den wichtigen Konsultationen mit dem französischen Premierminister Chirac
sowie gestern mit Herrn Blair - in der nächsten Woche
finden Konsultationen mit beiden zusammen statt - andere Signale ausgehen würden. Es sind nämlich keine
positiven Signale von diesen Treffen ausgegangen. Es ist
keine Linie aufgezeigt worden, wie man gemeinsam versuchen will, das dahindümpelnde Schiff wieder in tiefere
Gewässer zu bringen. Im Gegenteil: Die Reaktionen auf
die Treffen zeigen doch, wie skeptisch diese Gespräche
gesehen werden. Man hat nicht deutlich gemacht, dass
diejenigen, die für den europäischen Integrationsprozess
entscheidend sind, Verantwortung dafür tragen, Kompromisslinien aufzuzeigen.
({1})
Das hat bei dem Treffen zwischen Schröder und Chirac
in Genshagen sowie bei dem Treffen zwischen Schröder
und Blair gefehlt. Die Reaktion darauf wird Zurückhaltung und Abwarten sein. Man fragt sich: Soll die Angst
in der Europäischen Union wirklich stärker dominieren
oder nicht? Genau das schafft das falsche Klima und die
falsche Atmosphäre für die nächsten Monate.
Die Iren sind mit ihrer vorsichtigen Art zu sondieren
aus meiner Sicht Hoffnungsträger: Sie zeigen mögliche
Perspektiven auf und versuchen damit, alle zusammenzubringen.
Ich erwarte aber, dass man sich in Deutschland nicht
nur mit Chirac und Blair trifft. Ich erwarte, dass in den
nächsten Wochen - natürlich vor dem 1. Mai - Gespräche mit den Verantwortlichen aus anderen Mitgliedstaaten - natürlich auch mit den Spaniern, selbst wenn es
noch so schwierig ist, natürlich mit den Portugiesen,
aber auch mit den Ungarn und den Tschechen - geführt
werden.
({2})
Sie alle haben nämlich ein Interesse daran, dass die Osterweiterung, die Europäische Union der 25, gelingt und
dass der 1. Mai nicht zu einem Datum wird, über das es
später einmal heißt: An diesem Datum hat der Rückschritt der Europäischen Union zu einer Wirtschaftsunion begonnen. - Wir brauchen nämlich eine politische
Union.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger eines von der Europäischen Union erwarten - das zeigt das Eurobarometer
ganz deutlich -, dann ist es eine Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik. Wir alle wissen, dass es ohne
eine Stimme, die letztendlich in der Außen- und Sicherheitspolitik für die Europäische Union spricht, und ohne
Strukturen, die die Meinungsbildung erleichtern und Initiativrechte gewähren, jedenfalls im Rahmen der Europäischen Union keine Weiterentwicklung geben wird.
Das Verkehrteste wäre, wenn sich das bewahrheiten
würde, worüber nachgedacht wird und was manche
schon jetzt als große Gefahr erkennen: Man tut sich außerhalb der Verträge zusammen und versucht, Außenpolitik zu betreiben. So sorgt man für mehr Kernspaltung
anstatt für Kernfusion innerhalb der Europäischen
Union.
Ich sage deshalb an dieser Stelle noch einmal: Wir
fordern von der Bundesregierung, dass sie ihre große
Verantwortung wahrnimmt und auf der Grundlage des
EU-Konvents in den nächsten Wochen Kompromissbereitschaft zeigt. Das Prinzip der doppelten Mehrheit ist
richtig. Wir unterstützen es aus vielerlei Aspekten. Die
Ausgestaltung des Prinzips der doppelten Mehrheit darf
aber nicht dazu führen, dass daran letztlich die entscheidenden Verhandlungen zur Verfassung scheitern. Wir
wollen bis Mitte dieses Jahres einen Kompromiss; wenn
dieser nicht gelingt, dann - das ist unsere Meinung brauchen wir einen neuen Verfassungskonvent.
Vielen Dank.
({3})
Ich erteile Kollegen Michael Roth, SPD-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zweifellos, liebe Frau Kollegin LeutheusserSchnarrenberger, ist die Europäische Union in einer
schwierigen Lage. Wir befinden uns in einer Krise. Was
mich immer noch hoffnungsfroh stimmt, ist, dass es
große Erwartungen gegenüber dem wunderbaren politischen Projekt Europa gibt. Andererseits sinkt das Vertrauen in die EU - vor allem das Vertrauen in die Institutionen der Europäischen Union - rapide. Da haben Sie
völlig Recht.
Aber ich komme zu etwas anderen Schlussfolgerungen als Sie. Ich sehe ein großes Problem, über das Sie,
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nicht gesprochen haben. Es lohnt sich, über den Kern der Idee eines vereinigten Europas zu reden, gerade weil die Bürgerinnen
und Bürger spüren, ahnen und einige vielleicht sogar
wissen, dass das nationalstaatlich organisierte politische
Handeln immer mehr an seine Grenzen stößt. Was ist die
Konsequenz daraus? Darauf haben Sie keine Antwort
gefunden. Ich glaube, dass auch die FDP darauf keine
Antwort finden wird.
({0})
Die Globalisierung ruft Ängste, Skepsis und Ablehnung hervor. Das spüren wir überall. Das liegt unter anMichael Roth ({1})
derem daran, dass sich die EU im Bewusstsein der Menschen zweifellos als funktionierender Binnenmarkt
profiliert hat. Aber das ist zu wenig. Die EU hat sich mit
einer gemeinsamen Währung profiliert. Das ist ebenfalls
zu wenig. Sie hat sich mit einem Wettbewerbsmodell
profiliert. Auch das ist zu wenig. Die Europäische Union
ist nur zukunftsfähig, wenn sie sich auch - da stimme ich
Ihnen zu - als starker, verantwortungsbewusster internationaler Akteur, als Promoter von Bildung, Qualifizierung und Beschäftigung - so wie es Kollege Steenblock
ausgeführt hat - profiliert.
Sie muss sich aber auch als Garant einer nachhaltigen
sozialen und ökologischen Politik mit klaren sozialen
Regeln profilieren. Das europäische Sozialmodell ist
im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig. Aber wir
müssen etwas dafür tun, damit dieses europäische Sozialmodell auch in Zukunft wettbewerbsfähig ist, dass
die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass die Politik sich
ihrer Sorgen und Nöte annimmt und Antworten auf die
großen drängenden Fragen der Zeit findet.
({2})
Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als für
das europäische Verfassungsprojekt zu streiten. Denn
dieses Verfassungsprojekt hat deutlich gemacht: Die
Union ist nicht nur eine politische Kraft des Marktes,
nein, sie ist auch eine Kraft, die für Werte eintritt. Sie ist
nicht nur eine Union der Staaten, sie ist ebenso eine
Union der Bürgerinnen und Bürger. Die Vermittlung dieser Tatsachen ist bislang nicht in dem Maße gelungen,
wie es eigentlich notwendig wäre. Ich bin davon überzeugt, dass das Verfassungsprojekt die Bürgerinnen und
Bürger wieder näher an die EU heranführen kann, weil
es zum Gelingen dieses Verfassungsprojektes keine verantwortbare Alternative gibt.
({3})
Wir müssen jetzt darüber nachdenken, wie und mit
welcher Strategie wir in die nächsten Wochen gehen. Ich
plädiere für Kompromissbereitschaft. Aber es kann doch
jetzt zu diesem frühen Zeitpunkt keine Festlegung auf
vermeintliche Kompromisse geben, die die EU weder
demokratischer noch handlungsfähiger machen. Deswegen kann jetzt nicht darüber geredet werden, beispielsweise die EU-Kommission immer größer werden zu lassen. Es kann nicht darum gehen, dass wir noch einmal
eine Debatte darüber führen, wo wir von dem Prinzip der
Mehrheitsentscheidungen in der Europäischen Union abweichen. Es kann auch nicht noch einmal eine Diskussion darüber geben, dass wir das Prinzip der doppelten
Mehrheit infrage stellen. Es kann auch keine Diskussion
darüber geben, dass wir die EU als internationale Friedensmacht, als Garant der internationalen Sicherheit infrage stellen.
({4})
- Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Kollege Müller. Kollege Altmaier hat soeben eine Rede gehalten, die hätte er
einmal in der CDU/CSU-Fraktion halten müssen.
({5})
Denn die Union versagt aus meiner Sicht als Europapartei, und zwar immer mehr, weil Sie mit Ihrer Politik der
gespaltenen Zunge an Ihre Grenze stoßen.
({6})
Lieber Kollege Altmaier - wir wissen hoffentlich,
dass wir uns gegenseitig schätzen -, ich habe ein Thema
vermisst, und zwar das Thema Türkei, das vor allem
Kollege Hintze wie eine Monstranz vor sich herträgt.
Gerade damit wird der Populismus in der Europäischen
Union genährt. Mit dieser unsäglichen Türkeidebatte
werden Ängste geschürt. Jetzt betreiben Sie noch Harakiri in Sachen Europa, indem Sie, Kollege Müller und
Kollege Singhammer,
({7})
heute fordern, dass - auch bei einer Einigung im aktuellen Streit um die Stimmengewichtung - die EU-Verfassung abzulehnen ist.
({8})
Sie bauen doch immer höhere Hürden auf. Kürzlich, vor
wenigen Wochen, haben Sie noch gefordert - in diesem
Punkt stimmt Herr Altmaier nicht mehr mit Ihnen und
der CSU überein -, die Debatte über die finanzielle Vorausschau mit der Verfassungsdebatte zu verknüpfen.
({9})
Sie stimmen in Ihren eigenen Reihen doch vorne und
hinten nicht miteinander überein. Sie müssen erst einmal
eine klare Position entwickeln. Dann können Sie hier
selbstbewusst auftreten und für Europa streiten.
({10})
Ich will aber nicht nur in Ihre Richtung kritische
Anmerkungen machen, sondern auch in Richtung derjenigen, die ab dem 1. Mai dieses Jahres mit uns zusammenarbeiten wollen und müssen. Was mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei vielen Gesprächen beunruhigt
hat, ist, dass nicht wenige in Mittelosteuropa die EU als
Nachfolgeorganisation der Sowjetunion und Brüssel in
der Tradition des stalinistischen Moskau sehen.
({11})
Ich glaube, dass noch viele Gespräche und Diskussionen und viel Überzeugungsarbeit notwendig sind. Denn
die Faszination, die von der EU ausgeht, ist, dass wir
Michael Roth ({12})
demokratisch mitentscheiden können, dass wir an diesem Projekt mitarbeiten können und dass jeder gebraucht wird: die Kleinen genauso wie die Großen und
die Finanzschwächeren ebenso wie die Finanzstärkeren.
Es ist doch gerade das Prinzip der Solidarität, das in anderen politischen Systemen, die glücklicherweise zum
Einsturz gekommen sind, vermisst wurde.
Daher kann ich der irischen Präsidentschaft, die ihre
Sache, was das Management angeht, ganz hervorragend
macht, nur alles Gute wünschen. Ich bin mir sicher, dass
wir während der irischen Präsidentschaft sehr weit kommen werden. Ich hoffe, dass es uns hier im Bundestag
gelingt, dem Verfassungsprojekt neue Impulse zu verleihen.
({13})
Mein Eindruck ist, dass Europa mehr kann, als der Vertrag von Nizza zulässt. Um es deutlich zu sagen: Europa
muss auch mehr können als das, was im Vertrag von
Nizza festgelegt ist. Das sind wir den Bürgerinnen und
Bürgern in der Europäischen Union nämlich schuldig.
Vielen Dank.
({14})
Ich erteile Kollegen Albert Rupprecht, CDU/CSUFraktion, das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir
alle erwarten die Erweiterung der Europäischen Union in
76 Tagen mit Spannung. Wir stellen aber auch fest, dass
die Situation zurzeit ziemlich verfahren ist: Die Finanzierung ist ungeklärt, der Stabilitätspakt ist massiv angegriffen, die institutionellen Fragen sind offen und die Zukunft des Verfassungsvertrages ist unsicher. Natürlich
hat Helmut Schmidt Recht, wenn er sagt: Es war ein
Fehler, die Erweiterung zu vollziehen, bevor die Finanzierung und die institutionellen Fragen geklärt sind.
Welchen Beitrag hat die Bundesregierung in der intensiven Phase vor der Erweiterung geleistet? In einem
Punkt hat die Bundesregierung absolut Recht: Es ist
vollkommen inakzeptabel, dass der Beitrag Deutschlands zur Finanzierung des europäischen Haushalts in
den nächsten zehn Jahren um sage und schreibe
43 Prozent ansteigen soll. Das entspricht rund 10 Milliarden Euro mehr pro Jahr. Das ist schlichtweg nicht finanzierbar und vollkommen unrealistisch.
({0})
Insgesamt hat die Bundesregierung bei wesentlichen
Fragen der Vorbereitung auf die Erweiterung in den vergangenen Monaten keine überzeugende Rolle gespielt.
Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung hat die Konflikte in Europa durch eine Vielzahl von Widersprüchen
verschärft. Das war auch beim Thema der Woche, der
mittelfristigen Finanzplanung, so. Die Position der Bundesregierung ist voller Widersprüche. Sie laden der Europäischen Union zusätzliche Aufgaben auf, sagen aber
nicht, wie sie finanziert werden sollen.
({1})
Ich nenne drei konkrete Beispiele. Erstes Beispiel:
Kanzler Schröder initiiert gemeinsam mit Herrn Chirac
zweifelhafte europäische Investitionsprogramme ohne
europäischen Mehrwert, ausschließlich um die nationalen Haushalte zu entlasten. Das geplante Volumen beträgt 50 Milliarden Euro.
Zweites Beispiel: Nach der Lissabon-Strategie soll
die Europäische Union der Motor für Innovation in
Europa sein. Das Ergebnis finden Sie in der Finanzplanung der Kommission. Die Ausgaben für Forschung und
Entwicklung werden glatt vervierfacht. Offensichtlich
glauben die Regierungschefs, eine zentral gesteuerte europäische Innovationspolitik sei erfolgreicher als eine
nationale.
({2})
Ich glaube, das ist einer der größten Irrtümer der Lissabon-Strategie schlechthin. Ganz im Gegenteil: Innovationen erfolgen in geeigneten Mikrostrukturen, in dezentralen Clustern. Wir werden erleben, dass zig Milliarden
Euro ohne Wirkung verpuffen werden.
Drittes Beispiel: Wer der Türkei den Beitritt in Aussicht stellt, muss auch sagen, wie er ihn finanzieren will;
auch das ist gemeint, wenn wir von „Integrationsfähigkeit“ reden. Die Vollmitgliedschaft der Türkei wird
Europa nach Berechnungen der Kommission 20 Milliarden Euro pro Jahr kosten; davon entfielen auf Deutschland 5 Milliarden Euro pro Jahr. Deutschland steht Kopf,
weil uns die Mautausfälle 2004 2,5 Milliarden Euro kosten. Der Beitritt der Türkei würde Deutschland jedes
Jahr das Doppelte kosten, nämlich 5 Milliarden Euro.
Erklären Sie das bitte der deutschen Öffentlichkeit!
({3})
Statt die Aufgaben und damit auch die Ausgaben der
Europäischen Union zu reduzieren, wollen Sie - ganz im
Gegenteil - die Kompetenzen der Europäischen Union
mehren. Sie sagen aber wiederum nicht, wie Sie das finanzieren wollen. Nach Ihren Vorstellungen werden im
Verfassungsvertrag auf 30 Politikfeldern neue Kompetenzen geschaffen und jedes neue Politikfeld führt natürlich früher oder später zu Initiativen und zu höheren
Kosten.
Am Mittwoch waren der Finanzminister und der Außenminister im Europaausschuss. Eichel redet vom
Sparen und von einer 1-Prozent-Obergrenze für den europäischen Haushalt, Fischer freut sich dagegen über ein
großes Europa mit vielen Aufgaben. Auch die grüne
Haushaltskommissarin Schreyer war im Haushaltsausschuss anwesend und hat sich redlich bemüht, den beiden Herren zu erklären, dass derjenige, der Europa ständig mit neuen Aufgaben zudeckt, auch sagen muss, wie
er es finanziert.
({4})
Albert Rupprecht ({5})
Ich stimme Frau Schreyer in ihrer Analyse zu, absolut.
Ich glaube nur, die Lösung ist eine andere: Es geht nicht
um mehr Geld, sondern es geht darum, Aufgaben endlich nach Deutschland zurückzuverlagern, wo immer es
möglich ist. Es ist doch zum Haareraufen, dass alle diesbezüglichen Versuche bisher im Sande verlaufen sind;
auch der Konvent war hier eine klare Enttäuschung.
({6})
Europa muss an vielen Stellen wesentlich schlanker werden, es muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Ich nenne Ihnen einen konkreten Vorschlag zur
Rückverlagerung: die Einführung der nationalen Kofinanzierung der Landwirtschaft im Umfang von 50 Prozent. So spart Europa Geld und die nationale Verantwortung für die Landwirtschaft wird gestärkt.
Sehr geehrte Damen und Herren, widersprüchlich
handelt die Bundesregierung nicht nur auf europäischer
Ebene, sondern auch dort, wo Deutschland selbst betroffen ist.
({7})
Der Kanzler hat Weihnachten 2000 in seiner Weidener
Erklärung über fünf Seiten ausgebreitet, wie er Deutschland, insbesondere die Grenzregionen, für die Osterweiterung fit machen will. Er hat unter anderem den
Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg,
Sachsen und Bayern ein „materiell unterlegtes Programm der Förderung der Grenzregionen“ versprochen.
Dieses nationale Programm ist bis heute - drei Jahre später! - nach wie vor mit 0 Cent ausgestattet.
Die Ministerpräsidenten der Länder an der Grenze zur
Tschechischen Republik und zu Polen sind natürlich in
Sorge, denn der Standortwettbewerb wird hart werden.
Je näher der 1. Mai kommt, desto panischer werden insbesondere die Ministerpräsidenten der neuen Länder.
Deswegen kämpfen sie mit Zähnen und mit Klauen um
die Erhaltung der europäischen Strukturförderung. Da
gibt es nun zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins: Die
deutschen Regionen bleiben weiter europäische Förderregionen. Dann wird - in der Konsequenz - der europäische Haushalt aufgebläht. Oder Möglichkeit zwei: Die
deutschen Regionen fallen aus der Förderung heraus.
Der Bund zahlt den betroffenen Regionen aber einen adäquaten Ausgleich. Dann braucht Europa weniger Geld
und die horrenden Beiträge Deutschlands könnten reduziert werden.
Eigentlich wäre die zweite Möglichkeit der wesentlich bessere Weg. Nur, die deutschen Ministerpräsidenten trauen dem Kanzler nicht. Sie glauben nicht, dass es
wirklich einen deutschen Ausgleich geben wird. Nach
der Erfahrung mit der Weidener Erklärung, ganz frei
nach dem Motto „Wer einmal lügt, dem glaubt man
nicht“, ist das auch keine Überraschung.
So hat sich nun in den vergangenen Wochen eine absolut bedenkliche und abstruse Konstellation
({8})
herausgebildet: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten
machen mit der Kommission gemeinsame Politik gegen
Bundeskanzler Schröder, ganz vorne dabei die SPD-Ministerpräsidenten.
({9})
Minister Eichel quittiert dies lapidar mit: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten spielen unsere Spanier.
({10})
Aber das ist doch wirklich abstrus: Die deutschen Ministerpräsidenten trauen eher dem französischen Kommissar Barnier zu, Arbeitsplätze in Deutschland zu retten,
als dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder.
({11})
Das passiert, wenn man Vertrauen verspielt.
Dies sind nur einige Beispiele, die aber zweierlei zeigen. Erstens. Die Europapolitik der Bundesregierung ist
voll tiefer Widersprüche und dadurch unzuverlässig.
({12})
Zweitens. Durch diese Widersprüche hat die Bundesregierung und insbesondere der Kanzler massiv an Vertrauen verloren, sowohl bei den Regierungschefs anderer
europäischer Staaten als auch bei den Menschen in
Deutschland selbst. Gerade Verlässlichkeit und Vertrauen sind aber zwingend notwendig, um Europa aus
den derzeitigen Konflikten herauszuführen.
({13})
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Joseph
Fischer.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben
uns gerade vorgeworfen, die Politik der Bundesregierung sei widersprüchlich. Wenn ich aber die Rede des
Kollegen Altmaier - ich teile zwar nicht alle, aber doch
die meisten seiner Grundannahmen - mit der seines
Fraktionskollegen von der CSU vergleiche, dann muss
ich feststellen, dass zwischen diesen Reden Welten liegen. Sie vertreten völlig unterschiedliche Konzeptionen.
({0})
Dieses Problem müssen aber nicht wir lösen, sondern
Sie. Das wird offensichtlich nicht einfach werden.
({1})
Die Europäische Union steht vor einer ganz großen
Veränderung. Ich möchte, gerade unter dem Eindruck,
den mir meine gestrige Reise nach Kaliningrad vermittelt hat, unterstreichen: Die Überwindung der Teilung
Europas führt dazu, dass Deutschland auf der Sonnenseite dieser historischen Entwicklung steht. Dafür sind
wir dankbar und dafür sollten wir auch dankbar sein.
({2})
Zum ersten Mal seit der Bildung des Nationalstaats ist
für Deutschland die Lage in der Mitte Europas nicht
Last. Sie wird in dem zusammenwachsenden Europa mit
offenen Grenzen vielmehr zu einem völlig veränderten
Sicherheitsumfeld führen. Die Konsequenz wird sein,
dass an allen unseren Grenzen die Situation so sein wird
wie schon heute an unserer Westgrenze.
Dieses Europa wird zusammenwachsen. Die Nationen werden zwar bestehen bleiben, aber vieles von dem,
was für uns heute noch eine bestimmte Bedeutung hat,
wird in dem sich vereinigenden und integrierenden Europa eine ganz andere Bedeutung bekommen. Europa
wird offen sein. Die Situation wird kooperativ werden,
so wie wir das an den Westgrenzen als selbstverständlich
empfunden haben, und nicht mehr konfrontativ sein.
Deswegen ist der 1. Mai meines Erachtens ein historisches Datum.
({3})
- Selbstverständlich hat es länger gedauert. Ich muss Ihnen dazu aber sagen: Die Frage der europäischen Integration ist 1989 mit dem Fall der Mauer entschieden
worden.
({4})
Wir können die Idee der europäischen Einheit nicht auf
einen kleinen westeuropäischen Ansatz reduzieren - ich
denke, darin waren wir uns immer einig -, wenn auch
die anderen Staaten, gründend auf Freiwilligkeit - das ist
selbstverständlich -, dazugehören wollen. Und alle wollen dazugehören. Deswegen können wir keine künstlichen neuen Grenzen ziehen, ohne schweren Schaden für
das Europa der Integration anzurichten. Das dürfen wir
nicht tun.
Die Schwierigkeit, vor der wir stehen, besteht darin,
dass nun folgende drei Schritte unternommen werden
müssen: Die räumliche Erweiterung der Union muss umgesetzt werden. Gleichzeitig muss eine Vertiefung stattfinden; das heißt diese Union muss handlungsfähig und
transparent werden und muss ein Akteur sein, der nach
außen seine Interessen vertreten kann.
({5})
Außerdem muss die Finanzierung dieser erweiterten
Union geklärt werden.
Auch ich könnte hier natürlich Polemik betreiben,
Herr Kollege Altmaier, will das heute aber lassen. Ehrlicherweise hätten Sie zuerst eine Antwort auf die Frage
finden müssen, warum es uns in Amsterdam nicht gelungen ist, die anstehenden Probleme zu lösen. Diese Situation hat über Nizza schlussendlich zum Konvent
geführt. Ich habe damals in der Opposition die Europapolitik von Bundeskanzler Kohl in wesentlichen Teilen
mit unterstützt, auch die Finanzierungskonsequenzen,
die sich daraus ergeben haben. Sie wissen so gut wie ich,
dass es, bedingt durch die deutsche Einheit, durch das
wesentlich komplexer werdende Europa und durch die
Schwierigkeiten, die im Inneren liegen, schon in Amsterdam nicht gelungen ist, die Fragen zu lösen, die dann
am Ende zum Konvent geführt haben.
Damals gab es eine andere Regierung. Weil es dieselben Themen sind, kann es also nicht daran liegen, dass
sich die Politik, dass sich das Verhalten etc. verändert
haben. Vor allem, weil wir hier einen sehr breiten Konsens haben, verstehe ich, dass die Opposition das alles
vorbringen muss. Sie müssen aber auch sehen, dass
schon in Amsterdam, wo noch andere die Verantwortung
trugen und das Vertrauen angeblich noch vorhanden war,
der Konsens aufgrund derselben Probleme nicht möglich
war. Für uns war es entscheidend, dass wir in Nizza zugestimmt haben, obwohl wir um die Schwächen wussten, weil es ansonsten zu einer Blockade des Erweiterungsprozesses gekommen wäre. Deswegen wurde
während der französischen Präsidentschaft bereits in den
Schlussfolgerungen von Nizza der Weg nach Laeken hin
zum Konvent geöffnet.
Im Konvent ist es gelungen, einen Kompromiss zu erreichen.
({6})
- Wir bedanken uns dafür. Das ist bestens. Ich bedanke
mich ebenfalls für die weitere Hilfe und bin mir sicher,
dass es sie auch in Zukunft geben wird, weil wir jenseits
aller Konfrontationsrhetorik wichtige Positionen teilen.
Mit der CSU ist es etwas schwieriger. Wenn es aber am
Ende Ernst wurde, sind auch sie immer dabei gewesen;
das finde ich auch gut und richtig.
Ich möchte hier den entscheidenden Punkt ansprechen: Wir brauchen in der 25er-Union ein transparentes
und einfaches Entscheidungsverfahren. Am wichtigsten ist: Es geht hier nicht um das Prestige. Ich habe den
Bundestag auch nie so verstanden, dass die Frage, ob
Deutschland mit Frankreich, Großbritannien und Italien
gleichberechtigt ist, entscheidend ist. Das ist sie zumindest aus Sicht der Bundesregierung nicht. Ich behaupte
auch, dass dies über alle Fraktionen des Deutschen Bundestages hinweg in weiten Teilen nicht unser Problem
ist. Das Problem von Nizza ist, dass das dort verabschiedete Abstimmungssystem intransparent ist und dass es
vor allen Dingen auf die Blockademöglichkeit von Minderheiten gründet. Das ist der entscheidende Punkt. Wir
dagegen wollen Gestaltungsmehrheiten.
Kollege Altmaier, damit komme ich zu einem weiteren wichtigen Punkt. Sie verlangen von uns, zu sagen,
alle müssten sich bewegen. Es stellt sich aber die Frage,
in welchem System dies geschehen soll. Man wird
schwerlich sagen können, dass sich hier alle bewegen
müssen. Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Sie haben anklingen lassen, es müsse das System der doppelten Mehrheiten geben. Genau das ist auch die Position
der Bundesregierung und der Koalition. Hier gibt es einen breiten Konsens. Es wird versucht, das alles in diesem Rahmen anzustreben. Ich muss Ihnen das doch nicht
erklären.
Der Bundestag hat durch seine Ausschüsse enge
Kontakte mit den Partnern. Sie wissen um die Schwierigkeiten. Auf diese möchte ich nicht im Detail eingehen. Es bedarf nicht Ihrer Aufforderung, dass wir uns
mit den Briten, den Franzosen, den Spaniern, den Polen,
den Slowenen, den Ungarn und mit wem auch immer
- nur, um einmal abzuarbeiten, mit wem wir in den letzten Tagen und Wochen über diese Fragen gesprochen haben - treffen; denn diese Treffen sind selbstverständlich.
Ich möchte unterstreichen: Die irische Präsidentschaft
hat unser volles Vertrauen. Ich denke, ihr Verfahrensvorschlag und ihr Engagement verdienen jede Unterstützung. Diese erhält sie von uns auch.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, eines verstehe ich
aber nicht: Die Probleme liegen nicht beim Konvent, sie
liegen bei der Umsetzung der Ergebnisse. Es geht um
den Weg vom Konvent in die Nationalstaaten, also in die
an der Regierungskonferenz beteiligten Regierungen.
Sie sagen, entweder müsse die Umsetzung in diesem
Frühjahr geschehen oder wir brauchten einen neuen
Konvent. Ich begreife nicht, wie uns das helfen sollte.
Im Grunde genommen würde dadurch die Tür für einen
gewaltigen Rückschritt geöffnet werden. Jeder, der den
Verfassungsprozess eher nicht wollte - ich will das Gegenteil; ich unterstütze diesen Prozess voll -, müsste eigentlich auf Ihren Vorschlag eingehen. Er müsste bis
Sommer blockieren, um danach einen neuen Konvent
durchzuführen. Dann würde er den Faden neu aufziehen.
Am Ende gäbe es dann aber gar nichts. Davor möchte
ich hier nachdrücklich warnen. Ehrlich gesagt scheint
mir das nicht sinnvoll.
({7})
Wir befinden uns hier in einer schwierigen Situation.
Herr Kollege Altmaier, ich möchte Ihnen nicht ausreden,
das zu verbinden. Die Irakposition der Union ist im Volk
wirklich sehr mehrheitsfähig. Deshalb wünsche ich mir,
dass Sie sie möglichst oft und möglichst laut in möglichst vielen Varianten vertreten.
({8})
Wie Sie angesichts der Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, die Position der Bundesregierung in diesem Punkt noch kritisieren können, verstehe ich nicht.
Das geht nur um den Preis des völligen Gedächtnisverlustes bezogen auf Ihre eigene Position. Ich möchte die
Irakposition hier aber weiß Gott nicht weiter diskutieren.
Ich freue mich ausdrücklich, dass die CDU die
Türkeifrage jetzt wesentlich realistischer sieht. Bei der
CSU ist das ganz offensichtlich noch anders einzuschätzen. Ihrer Meinung nach soll der Beitritt der Türkei abgewehrt werden. Das Thema wird emotionalisiert, obwohl wir hier über eine langfristige Perspektive reden
und es um eine rationale Abwägung geht. Ich kann Ihnen
eines prophezeien: Das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil: Die Zusagen, die in der Vergangenheit gemacht
wurden, wurden unter Teilhabe der CSU in allen Bundesregierungen gemacht.
({9})
Wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen.
({10})
Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Ich freue mich über die Unterstützung des Bundestages, der an der Notwendigkeit einer Verfassung festhält.
An der Kompromissbereitschaft und am Engagement der
Bundesregierung wird es nicht mangeln, der irischen
Präsidentschaft zum Erfolg zu verhelfen. Ich wünsche
mir, dass wir unter der irischen Präsidentschaft zu einer
Einigung kommen. Aber wenn nicht, dann wird die niederländische Präsidentschaft, die sich darauf schon vorbereitet, in der Pflicht sein. Ich wünsche mir eine Lösung
noch in diesem Frühjahr. Ich denke, die Chancen dazu
bestehen. Was wir dazu beitragen können, werden wir
tun.
({0})
Ich erteile das Wort Kollegin Claudia Winterstein,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte auf die Agenda 2007 eingehen, weil
dies in den kommenden Monaten in den einzelnen Mitgliedstaaten ein sehr wichtiges Diskussionsthema sein
wird.
Für die FDP ist eine tragende Säule des europäischen
Einigungsprozesses das Prinzip der Solidarität unter
den Mitgliedstaaten. Das heißt, die armen Mitgliedstaaten müssen selbstverständlich unterstützt werden. Solidarität bedeutet aber auch, dass den Nettozahlern und
insbesondere Deutschland, das die finanziellen Folgen
der Wiedervereinigung zu tragen hat und den Stabilitätspakt dreimal gebrochen hat, nicht zu viel aufgebürdet
wird. Auch unsere Leistungsfähigkeit hat Grenzen. Insofern ist aus Sicht der FDP die Forderung der Bundesregierung, die Ausgabenplanung der EU auf 1 Prozent des
Bruttonationaleinkommens zu begrenzen, völlig richtig.
Offensichtlich scheinen dies die Grünen nicht ganz so
zu sehen, denn Herr Steenblock hat vorgestern den Vorschlag der Kommission für die Erhöhung der EU-Ausgaben als einen guten Kompromiss bezeichnet. Ich frage
mich: Was gilt nun eigentlich? Die Bundesregierung hat
noch im Dezember von 1 Prozent gesprochen. Herr
Steenblock scheint nun die Grenze von 1,15 Prozent für
richtig und gut zu halten. Jedenfalls setzt offenbar die
Kommission darauf, für die neuen Aufgaben zusätzliches Geld zu bekommen. Das ist aber unserer Meinung
nach der falsche Weg.
Es darf nicht darum gehen, einfach aufzustocken. Das
Ziel muss sein, intelligent und zukunftsorientiert umzustrukturieren. Einige Punkte will ich hierzu nennen. Die
Vielzahl der Fonds und Fördertöpfe muss verringert werden, um mehr Transparenz zu schaffen und zu einem
effizienteren Mitteleinsatz zu kommen.
({0})
Wir brauchen auch eine neue Prioritätensetzung, zum
Beispiel für die Bereiche Forschung, Transeuropäische
Netze, Sicherung der Außengrenzen und Kriminalitätsbekämpfung. Diese neuen Aufgaben müssen natürlich
angemessen ausgestattet, aber aus den vorhandenen Mitteln bezahlt werden.
Ebenso müssen wir von der Gießkannenförderung
weg und die Mittel tatsächlich auf die Schwächsten konzentrieren. Dabei ist klar, dass es Übergangsregelungen
für diejenigen geben muss, die dann aus der Förderung
herausfallen. Die FDP ist dafür, dass der Kohäsionsfonds mit der nächsten Finanzperiode, also bis 2013,
langsam ausläuft. Es muss auch so sein, dass andere
Länder, nämlich die armen neuen Mitgliedstaaten, noch
in den Genuss dieses Fonds kommen. Die Länder Griechenland, Spanien, Portugal und Irland dürfen diese Gelder nicht weiterhin erhalten.
({1})
Die EU schiebt einen Berg von über 100 Milliarden
Euro an bewilligten, aber nicht abgeflossenen Mitteln
vor sich her. Das ist ein gesamter Jahreshaushalt der EU.
Es hapert offensichtlich entweder an förderfähigen Projekten oder an der Kofinanzierung der Empfängerländer.
Das ist alles andere als eine effektive Einsetzung von
Geldern. Daher fordern wir generell kurze Verfallsfristen
für die Mittel, die die EU für Projekte bereitstellt, wie es
zum Beispiel neuerdings bei den Strukturfonds der Fall
ist. Hier beträgt die Verfallsfrist drei Jahre. Ich halte das
für einen guten Weg, um die Gelder wirklich abfließen
zu lassen. Zurzeit gibt es Staus von über acht Jahren. Das
halte ich für einen unhaltbaren Zustand.
({2})
Die Verhandlungen mit den Ländern werden sicher nicht
leicht werden. Wir wissen, dass die Diskussion auch um
andere Dinge geht. Es wird festzustellen sein, inwieweit
Kompromisse gefunden werden können. Dennoch lautet
unsere Forderung: umstrukturieren statt aufstocken.
({3})
Ich erteile das Wort Kollegen Gernot Erler, SPDFraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
erleben in diesem Jahr einen Höhepunkt des europäischen Wiedervereinigungsprozesses, eines Prozesses
von historischer Dimension. Wir werden aber nicht den
Abschluss dieses Prozesses erleben. Verfassungsfragen
und Finanzfragen sind außerordentlich wichtig und es ist
bitter, dass die Probleme im Moment nicht gelöst sind.
Diese Probleme dürfen aber dem historischen Prozess
nicht in die Speichen greifen.
Ich möchte für meine Fraktion erklären, dass ich doch
sehr besorgt bin, dass einige Äußerungen gerade aus
letzter Zeit aus den Reihen der CDU/CSU exakt die
Funktion des In-die-Speichen-Greifens haben und die
Probleme damit vergrößern. Wir sind uns dessen bewusst, dass die Erweiterung der Union von 15 auf 25 ein
schwieriger Prozess wird, aber wir dürfen dabei nie vergessen, welche enormen Schwierigkeiten in den Staaten
überwunden worden sind, die jetzt das Recht auf Integration in die Europäische Union erworben haben.
({0})
Diese zwölf Jahre sind geprägt von einer enormen,
respektablen Leistung. Die müssen wir in Beziehung zu
den Problemen setzen, die wir vor uns haben. Das Mindeste, womit wir auf diese Leistung reagieren, ist, dass
dieser Integrationsprozess verlässlich bleibt und dass die
Zusagen und Zeitpläne eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang muss ich feststellen, dass
eine Infragestellung dieser Zeitpläne oder gar eine
dumpf-populistische Ausgrenzungspolitik die falschen
Antworten auf die Verfassungskrise sind.
({1})
Da muss ich eine Frage an Sie, Herr Wissmann, stellen.
Sie sind immerhin Vorsitzender des europapolitischen
Ausschusses. Sie haben Mitte Dezember plötzlich die
von der EU beschlossenen Zeitpläne für Bulgarien und
Rumänien infrage gestellt. Wieso tun Sie das? Herr
Stoiber hat vor drei Tagen plötzlich von der Notwendigkeit einer Erweiterungspause nach 2007 gesprochen.
Wissen Sie eigentlich, was Sie damit anrichten? Wissen
Sie eigentlich, wie viel Millionen von Menschen Sie mit
solchen unverantwortlichen Äußerungen verunsichern?
Haben Sie eigentlich vergessen, welche friedenspolitische Bedeutung dieser ganze Integrationsprozess in den
vergangenen zwölf Jahren hatte?
({2})
Es gibt eine gesplittete Entwicklung in Osteuropa, wo
die Integrationsperspektive einerseits tatsächlich zur Lösung von Nachbarschaftskonflikten und Minderheitenkonflikten geführt hat. Andererseits wissen wir heute
ganz genau, dass die Probleme auf dem Balkan mit vier
blutigen Kriegen auch etwas mit dem Fehlen einer gemeinsamen europäischen Politik und mit dem Fehlen einer Integrationsperspektive zu tun hatten. Deswegen hat
die EU ihre Politik auch geändert.
Denken Sie einmal an die Folgekosten von diesen
Konflikten, wenn Sie schon über Kosten reden. Alleine
für Bosnien-Herzegowina hat die Weltgemeinschaft seit
1995 mehr als 10 Milliarden Euro ausgegeben. Das wird
weitergehen. Die Kosten fallen auch im Kosovo, in Mazedonien und in der ganzen Region an. Der Integrationsprozess ist also auch ein Kosten sparender Prozess, ganz
nebenbei gesagt.
({3})
Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Wissmann?
Herr Wissmann, bitte schön, gerne.
Herr Kollege Erler, darf ich Sie fragen, wie Sie eigentlich auf die Idee kommen, den Eindruck zu erwecken, ich hätte mich gegen die Aufnahme von Bulgarien
und Rumänien gewendet, wenn ich die Frage gestellt
habe - die stelle ich auch hier -, wie wir eine weitere Erweiterung der Europäischen Union verantworten können, ohne vorher zu der von uns geforderten Vertiefung
gekommen zu sein? Es ist doch wohl eine gemeinsame
Position in diesem Haus, dass wir genau wissen, dass es
zwei Seiten einer Medaille gibt, nämlich Vertiefung und
Erweiterung. Dass jeder von uns die Erweiterung um
Bulgarien und Rumänien wünscht, wenn die Bedingungen erfüllt sind, ist doch nie im Zweifel geblieben.
Herr Kollege Wissmann, schauen Sie einmal in die
„Berliner Zeitung“ vom 16. Dezember letzten Jahres.
Darin werden Sie lesen, was Sie selber gesagt haben,
nämlich dass Sie diesen Zeitplan infrage stellen. Sie wissen, dass ich mich besonders mit diesen beiden Ländern
beschäftige. Was Sie gesagt haben, ist unheilvoll. Es ist
nicht mehr möglich, die von Ihnen verursachten Wogen
wieder zu glätten. Ihre Äußerung ist unverantwortlich.
Es gibt zwar durchaus einen Zusammenhang zwischen Integrations-, Erweiterungs- und Vertiefungsprozess, aber es geht nicht an, den Zeitplan infrage zu stellen. Der Zeitplan hängt doch nur noch davon ab, ob die
betreffenden Länder ihre Vorbereitungen für den Beitritt
in den entsprechenden Kapiteln - das sind für Bulgarien
sechs und für Rumänien noch elf - tatsächlich abschließen. Dann muss es möglich sein, dass die Zusagen, die
diesen Ländern gegeben wurden, erfüllt werden. Das
kann nicht wegen der Verfassungskrise infrage gestellt
werden.
({0})
Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger?
Bitte sehr.
Herr Kollege Erler, im Europaausschuss befassen wir
uns intensiv mit der Fortführung der Erweiterung der
Europäischen Union um Bulgarien und Rumänien. Ich
möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass Kommissar Verheugen, als er das letzte Mal an einer Sitzung
des Europaausschusses teilgenommen hat, uns, den Abgeordneten, gegenüber deutlich gemacht hat, dass er
nicht richtig nachvollziehen könne, warum von den
Volksvertretern das Jahr 2007, sozusagen in Stein gemeißelt, als Datum für den Beitritt von Bulgarien und
Rumänien gesetzt worden ist.
Ich frage Sie, inwiefern Sie die Position von Herrn
Verheugen, der unserer Meinung nach eine hervorragende Politik betrieben hat, die am 1. Mai zum Beitritt
der zehn Länder führen wird, teilen und ob Sie auch der
Auffassung sind, dass der Abschluss der Vorbereitungen
in den einzelnen Kapiteln entscheidend für den Vollzug
der Erweiterung ist.
Darin stimme ich Ihnen völlig zu. Das habe ich doch
gerade gesagt. Das entscheidende Kriterium muss sein,
ob die Beitrittsvoraussetzungen erfüllt werden.
({0})
Es gibt - das weiß Herr Verheugen ebenso gut wie Sie
und ich - sehr klare Voraussagen, dass die Verhandlungen mit Bulgarien sogar noch in diesem Jahr und die mit
Rumänien auf jeden Fall im nächsten Jahr abgeschlossen
werden können. Insofern sieht die Lage sehr gut aus.
Welchen Sinn hat es, diese Länder und ihre politischen Eliten, die diesen Verhandlungsprozess mit einem
großen persönlichen Risiko führen, zu verunsichern, indem die Entscheidung, die in der EU schon gefällt worden ist, nämlich dass der Januar 2007 als Zielgröße gilt,
jetzt wieder infrage gestellt wird? Das ist doch nichts anderes als populistisches Gequatsche - wenn ich das einmal so nennen darf - im Zusammenhang mit der Europawahl.
({1})
- Ich kenne Herrn Verheugens Position zu Bulgarien und
Rumänien sehr gut und weiß, dass er diesen Beitrittsprozess nicht infrage stellt.
Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes anmerken. Ich habe vorhin über die Kosten gesprochen. Die
Erfahrung hinsichtlich der Friedenspolitik und der nach
Beendigung von Konflikten anfallenden Kosten hat zu
einer Veränderung der europäischen Strategie geführt.
Die Europäische Union verfolgt derzeit nur zwei Strategien:
Eine Strategie verfolgt die Erweiterung und den Integrationsprozess. Dabei ist völlig klar, dass Bulgarien und
Rumänien eine völlig unzweideutige Zusage gegeben
werden muss, immer vorausgesetzt, dass die Beitrittsbedingungen im Laufe der Verhandlungen erfüllt werden.
Noch in diesem Jahr wird über den Beginn von Verhandlungen mit der Türkei entschieden. Auch mit den fünf
so genannten Westbalkanstaaten stehen Verhandlungen
an. Kroatien hat schon einen entsprechenden Antrag gestellt, den die EU bis spätestens April dieses Jahres beantworten wird. Wir erwarten demnächst einen Antrag
von Mazedonien. Des Weiteren sind Serbien/Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien zusammen mit
den beiden anderen Ländern im Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozess. Seit dem Europäischen Rat von
Thessaloniki ist klar, dass auch das eine Integrationsperspektive darstellt.
Die andere Strategie der EU besteht in der vertieften
Nachbarschaft, die sich auf die außerhalb der Europäischen Union liegenden Länder, das „Wider Europe“,
bezieht. Eine dritte Strategie gibt es nicht.
Ihre Kopfgeburten einer privilegierten Partnerschaft
oder Ähnliches bedeuten einen europäischen Sonderweg. Ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie auf, sich für einen europäischen Sonderweg einzusetzen! Europa wird
seine Identität im Hinblick auf Frieden, Stabilität und
Wohlstand wahren, wenn es bei der Verlässlichkeit der
Aussagen zur Integration bleibt und wenn der Geleitzug
der europäischen Integration nicht bei der ersten großen
Krise - in der wir uns zurzeit befinden - aus der Spur gerät.
Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, auf das
Datum des Europawahlkampfes zu schielen! Hören Sie
auf, für das beifällige Nicken von einigen Stammtischen
die bisherige Verlässlichkeit infrage zu stellen!
({2})
Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Schäuble,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich
denke, es ist wichtig, in dieser Debatte noch einmal klar
zu sagen - Peter Altmaier, der Bundesaußenminister und
auch andere haben darauf schon hingewiesen -, dass die
Erweiterung der Europäischen Union um zehn weitere
Mitglieder am 1. Mai dieses Jahres nicht nur etwas ist,
was historisch bedeutsam ist und was die europäische
Spaltung überwindet, sondern auch etwas ist, was im
deutschen Interesse ist und was uns in die Lage versetzt
- das ist historisch fast einmalig -, alte Teilungen zu
überwinden und eine bessere Zukunft zu gestalten. Deswegen ist es gar keine Frage, dass das, was am 1. Mai
geschehen wird, in unserem gemeinsamen europäischen
und nicht zuletzt in unserem nationalen Interesse liegt.
({0})
Herr Kollege Erler, trotz der Einigkeit über die Bedeutung dieses Datums ist es auch wahr, dass ein Großteil der Menschen der heutigen - das gilt auch für
Deutschland - und der künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch nicht so sehr davon überzeugt ist
wie - hoffentlich - Sie, ich und alle anderen in diesem
Hohen Hause. Wir werden viel Arbeit haben, um die
Menschen zu überzeugen, dass dies in unser aller Zukunftsinteresse liegt und das Beste ist. Im Hinblick darauf ist es gefährlich, so wie Sie schon von den nächsten
Beitritten zu sprechen. Wir müssen zuerst die Europäische Union nach der Erweiterung um zehn neue Mitglieder - das ist ein historischer Schritt - ein Stück weit konsolidieren.
({1})
Ich rate hier zu äußerster Vorsicht. Sie könnten sonst die
Zustimmung der Bevölkerung zu dem europäischen
Projekt mehr gefährden, als Sie und wir das wollen.
Es ist besonders tragisch - darauf hat Peter Altmaier
bereits hingewiesen -, dass sich Europa ausgerechnet in
dieser historischen Situation in einer schweren Krise befindet. Das macht es nicht leichter, sondern schwieriger.
Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Ein Grund war
das unterschiedliche Verständnis der Regierungen der
heutigen und der künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Hinblick auf das Verhältnis Europas zur
atlantischen Partnerschaft und im Hinblick auf die
Rolle Europas angesichts der globalen Probleme. Es ist
gut, dass wir dabei sind, dies zu überwinden. Aber das
war eine der Ursachen.
Eine andere Ursache ist natürlich der Streit über den
Stabilitäts- und Wachstumspakt gewesen. Der Bundesaußenminister war gestern anlässlich des 200. Todestags von Immanuel Kant in Königsberg; das war auch
gut so. Aber gegen den kategorischen Imperativ von
Immanuel Kant ist verstoßen worden. Der Bundesfinanzminister hat gesagt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt sei nicht erfunden worden, um auf Deutschland angewandt zu werden. Ich kann dazu nur sagen: Die
Regeln dieses europäischen Paktes gelten für große und
kleine Staaten gleichermaßen. Das ist die Grundlage für
Vertrauen. Wer dagegen verstößt, gefährdet das europäische Projekt.
({2})
Beim Streit über die künftige Finanzausstattung der
Europäischen Union - das ist in dieser Woche im Europaausschuss deutlich geworden - sind zwei Pole genau
zu bedenken. Auf der einen Seite ist es wahr, dass dann,
wenn alle öffentlichen Haushalte, also die des Bundes,
der Länder und der Kommunen, der Notwendigkeit der
Begrenzung von Ausgabezuwächsen unterliegen, dies
auch für den europäischen Haushalt gelten muss. Das
muss die Europäische Kommission verstehen und akzeptieren.
Aber wir müssen natürlich auf der anderen Seite sehen, dass in den neuen Bundesländern - da sehen wir
übrigens, wie schwer es ist, solche historischen Erweiterungen wirklich zu konsolidieren - noch immer erhebliche Nachteile gegenüber den alten Bundesländern bestehen. Wir hätten vor 15 Jahren vielleicht gar nicht
geglaubt, dass es so sein würde, aber es ist die Wahrheit.
Deswegen darf bei den Menschen in den neuen Bundesländern natürlich unter gar keinen Umständen der Eindruck entstehen, dass ausgerechnet sie nun durch Verzicht auf die Regionalförderung, die sie bisher aus
Brüssel bekommen haben, die Zeche für die Osterweiterung bezahlen sollen.
({3})
So reden die Menschen. Darauf muss man die richtigen
Antworten finden und darf nicht einfach sagen - das
macht überhaupt keinen Sinn -, man dürfe vor Stammtischen nicht einknicken.
Bei der neuen Prioritätensetzung muss man mit der
Kommission der Europäischen Union noch einmal intensiv darüber reden - anders wird es wohl nicht gehen -,
ob denn ihr Verständnis, dass jede mitgliedstaatliche Zuständigkeit für Regionalförderung gegen das Prinzip von
Wettbewerb und Binnenmarkt verstößt, richtig ist. Das
ist, glaube ich, der falsche Weg. Wenn wir in der europäischen Politik neue Prioritäten setzen müssen - das
müssen wir mit der Erweiterung -, dann müssen wir den
Spielraum für Regionalförderung durch Mitgliedstaaten und Regionen erweitern. Das eine bedingt das andere. Das hängt zusammen. Nur so geht es.
({4})
Um aus diesen Krisen herauszukommen, die sich
beim Scheitern des Brüsseler Gipfels gezeigt haben,
müssen wir natürlich auch daran arbeiten, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Die Bundesregierung hat da
eine Menge zu tun. Auf die Kritik von Peter Altmaier,
die Bundesregierung sei an diesen Krisen mit schuldig,
hat Herr Steenblock gesagt: Aber sie hat sich doch im
Verfassungskonvent so sehr um die Verfassung bemüht. - Das hat sie getan, aber das ist keine Antwort auf
die Kritik von Peter Altmaier. Die Bundesregierung hat
sich im Verfassungskonvent in der Tat bemüht. Wir unterstützen sie auch darin, dass die Blockademöglichkeiten, die der Nizza-Vertrag bietet, abgebaut werden müssen. Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Aber das
ändert eben nichts daran, dass die Bundesregierung in
anderer Beziehung Fehler gemacht hat und dass als
Folge davon Vertrauen zerstört worden ist.
({5})
- Beim Stabilitätspakt zum Beispiel. Dass die Regeln
nicht für alle in gleicher Weise gelten, hat unglaublich
viel Vertrauen zerstört - bei Großen und bei Kleinen.
({6})
Ich könnte vieles aufzählen, will es aber gar nicht tun.
({7})
- Der Bundesfinanzminister - er heißt noch immer
Eichel - hat gesagt, der Stabilitätspakt sei doch nicht erfunden worden, um auf Deutschland angewandt zu werden; er gelte für kleine Länder, aber nicht für Deutschland. So zerstört man Vertrauen. Das dürfen wir nicht
fortsetzen. Das müssen wir korrigieren.
({8})
Die Polen haben nicht zuletzt in den Auseinandersetzungen von Frankreich und Deutschland den Eindruck
gehabt, sie hätten nicht die gleichen Rechte, sie seien
nicht gleichwertig. Ich würde Sie wirklich um eines bitten: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die
Beschädigungen im wichtigen deutsch-polnischen Verhältnis, das gut entwickelt war, wieder ein Stück weit repariert werden! Hören Sie nun wirklich auf, die Initiative
für ein Zentrum gegen Vertreibungen für die Beschädigung des deutsch-polnischen Verhältnisses verantwortlich zu machen! Das ist nun wirklich ein grober Unfug.
({9})
- Frau Schwall-Düren, Sie hatten ja gleich gesagt: die
CDU/CSU. Die Frau Steinbach ist eine sehr geschätzte
Kollegin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; das ist
wahr.
({10})
Aber Peter Glotz ist bedauerlicherweise immer noch
Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Es ist doch
eine überparteiliche Initiative. Hören Sie vor allem auf,
einigen in Polen die Ausrede zu liefern! Dabei ist es
doch so, dass sie sich selber vor manchen Aufgeregtheiten ein bisschen schützen müssen. Die Parole „Nizza
oder der Tod“ war auch eine Übertreibung. Es gibt Übertreibungen, nicht nur auf einer Seite.
Sagen Sie Ihrem Parteifreund Verheugen, er solle aufhören, in einer unverschämten Weise solche Interviews
zu geben wie das, das am Mittwoch in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war! Wir lassen das nicht zu!
({11})
- Ich kann es Ihnen vorlesen - ich habe es dabei -, will
es aber gar nicht tun.
Die Erklärung der beiden Staatsoberhäupter, des polnischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundespräsidenten, zu dieser Frage war doch wirklich versöhnend
und weiterführend. Diese Erklärung ist von der Präsidentin des Bundesverbands der Vertriebenen, der Kollegin Erika Steinbach, ausdrücklich begrüßt und unterstützt worden. Deswegen sollten wir es dabei belassen.
Mit einer - falschen - Legende zu den Ursachen der
Schwierigkeiten im deutsch-polnischen Verhältnis
machen wir die Dinge nicht besser, sondern erschweren
sie eher.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, das sensible Thema der Vertreibungen im europäischen Kontext
mit Polen und Deutschen gemeinsam in einer Weise zu
lösen, die die Zukunft besser und nicht schwieriger
macht! Aber lassen Sie uns auch daran arbeiten, dass die
Europapolitik der deutschen Bundesregierung keinen
Schaden anrichtet.
({12})
Herr Kollege Roth, Sie sind in dieser Debatte darauf
eingegangen, welchen Beitrag - Modelle der Sozialpolitik, der Bildungspolitik usw. - Europa leisten muss. Was
Sie dazu gesagt haben, mag alles richtig sein. Ich füge
hinzu: Bei manchen Punkten bin ich ganz froh, dass
nicht alles auf europäischer Ebene, sondern im Sinne der
Subsidiarität und der Vielfalt durch die Mitgliedstaaten
geregelt wird.
({13})
Der wichtigste Beitrag, den Europa in diesem und in
den kommenden Jahren leisten muss - auch um die
Menschen für die Notwendigkeit des europäischen Projekts zu gewinnen -, ist ein Beitrag zu globaler Stabilität. Angesichts der globalen Herausforderung werden
wir uns entscheidend darauf konzentrieren müssen, die
europäische Rolle im transatlantischen Verhältnis zu
stärken. In diesen Zusammenhang gehört natürlich die
Osterweiterung; das ist gar keine Frage. Europa wird
keine globale Rolle spielen, wenn es nicht einmal in der
Lage ist, die Teilung des europäischen Kontinents zu
überwinden.
Wir sollten aber auch die Chancen sehen. Ich habe in
der gestrigen Ausgabe der „Zeit“ mit großem Interesse
einen Aufsatz von Robert Kagan - über Äußerungen
von ihm haben wir oft in anderen Zusammenhängen diskutiert - gelesen. In diesem Aufsatz steht Folgendes:
Um den globalen Bedrohungen der Welt begegnen
zu können, benötigen die Amerikaner die Legitimität, die Europa ihnen verschaffen könnte.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist geradezu
eine flehentliche Bitte von amerikanischer Seite - man
lernt dort auch aus Fehlern, die jenseits des Atlantiks gemacht worden sind - nach einem einigen, handlungsfähigen und stärkeren Europa. Wir werden uns in den europäischen Debatten vor allen Dingen darauf
konzentrieren müssen. Auch deswegen möchte ich von
der Bundesregierung, und zwar nicht nur durch den
Sprecher der Bundesregierung in Bundespressekonferenzen, etwas Genaueres zu der angeblichen deutschbritisch-französischen Initiative, verschiedene Bataillone für schnelle Eingreifreserven aufzustellen, hören.
Herr Bundesaußenminister - wenn ich richtig informiert bin, waren Sie gestern nicht nur in Kaliningrad, in
Königsberg, sondern auch in Moskau -, ich hätte von
Ihnen gern etwas zu den Meldungen gehört, Moskau mache im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung
Schwierigkeiten. Vor allen Dingen sollte man im europäisch-atlantischen Bündnis darüber nachdenken, was wir
gemeinsam tun können, um mit Russland besser zusammenzuarbeiten, damit es mehr Verantwortung - das gilt
sogar für seine Rolle im Nahen und Mittleren Osten übernimmt.
Wir haben eine sehr gute Chance, Russland, das sich
in einer kritischen Phase der Entwicklung befindet, in einer positiven Weise zu beeinflussen, wenn wir die Position vertreten: Wir brauchen die Partnerschaft mit Russland; Russland muss an Initiativen wie derjenigen, die in
München vorgestellt worden ist - Stichwort „Greater
Middle East“ -, teilnehmen; wir beziehen Russland ein;
wir nehmen Russland in die Verantwortung; aber wir erwarten von Russland auch einen konstruktiven Beitrag,
der dem Verständnis von Russland als einer Großmacht
in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gerecht wird;
Russland muss mitverantwortlich sein. Das umzusetzen
ist eine der großen Aufgaben eines Europas, das sich als
Teil der atlantischen Partnerschaft versteht.
({14})
Wenn wir europäische Politik so betreiben, dann leisten wir einen Beitrag zur globalen Stabilität und zur
Friedenssicherung. Wenn die Menschen Europa als ein
Projekt zur Herstellung von globaler Stabilität und Frieden verstehen, dann werden sie dieses Projekt auch weiterhin unterstützen.
Vielen Dank.
({15})
Ich erteile der Kollegin Petra Pau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
EU-Osterweiterung und die Annahme einer EU-Verfassung sollten einen Höhepunkt in der Geschichte Europas
werden. So klang es bei Hofe; doch die Glocken im
Lande wollen einfach nicht jubeln. Zu Missklängen im
Zuge des Irakkrieges gesellte sich Krach um die künftige
Hausordnung in Europa. Hinzu kommt jetzt Zoff um die
gemeinsame Kasse. Es knirscht in nahezu allen Säulen,
die das europäische Werk stützen sollen.
Außerdem sinkt das Interesse der Bevölkerung, auch
der deutschen, an der EU. Das ist im Vorfeld von Wahlen
kein gutes Omen. Selbst die Medien überschlagen sich
mit Eilmeldungen vom USA-Vorvorwahlkampf, während die anstehenden Europawahlen überhaupt keine
Notiz wert sind. Das alles spricht für eine gründlichere
Aussprache im Deutschen Bundestag, zumal ich davon
ausgehe, dass alle hier vertretenen Parteien proeuropäisch sind; die PDS ist es jedenfalls.
({0})
Genau diese proeuropäische Position nährt allerdings
auch unsere Kritik an aktuellen und grundsätzlichen Fragen der EU-Debatte. Sie beginnt beim vorliegenden Verfassungsentwurf. Er enthält vieles, was zu mehr DemoPetra Pau
kratie und zu mehr Transparenz führen kann. Das
begrüßen wir ausdrücklich. Er enthält aber auch eine
Selbstverpflichtung zur Hochrüstung und Militarisierung
der EU. Das ist einmalig und widersinnig; das lehnt die
PDS im Bundestag ab.
({1})
Ich weiß, über diesen Punkt reden Sie von Rot-Grün
nicht gerne; oder Sie reden, wenn doch, diesen Punkt der
Verfassung schön. Wahrscheinlich ist das aber auch der
wahre Grund, warum SPD und Grüne eine Volksabstimmung in Deutschland über die EU-Verfassung auf jeden
Fall verhindern wollten. Dann sollten Sie allerdings in
der Debatte nicht weiter so tun, als seien SPD und Grüne
die Parteien, die für mehr Demokratie und Bürgerrechte
in Europa eintreten. Sie tun es nicht.
({2})
Mit der konservativen Opposition müssen wir, wie
ich denke, zwei andere Punkte klären. Einerseits gerieren Sie sich als oberste Hüter des so genannten Stabilitätspaktes. Dieser Pakt schafft aber keine Stabilität, er
nimmt politische Spielräume und verhindert so eine aktive Politik gegen die Massenarbeitslosigkeit. Deshalb
war die PDS schon immer gegen eine Stabilitätspolitik,
die zwar Bankgeschäfte bedient, aber für soziale Fragen
völlig taub ist.
Vor diesem Hintergrund komme ich zur aktuellen Finanzdebatte. Die EU-Kommission rechnet überschaubar.
Sie sagt, die EU wird größer, also muss auch ihr Haushalt wachsen. Finanzminister Eichel rechnet ebenso
übersichtlich. Er sagt, wir müssen Schulden abbauen,
also können wir nicht noch mehr Geld an die EU abführen. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen:
Beide Argumente gehen am tatsächlichen Problem vorbei. Der Stabilitätspakt ist eine Fessel, keine Hilfe. Die
fehlenden Finanzen resultieren wiederum aus einer falschen Steuerpolitik; darüber haben wir gestern sehr ausführlich diskutiert. So entpuppt sich das vermeintliche
EU-Problem als ein hausgemachtes Problem.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der ungeklärte
Streit über die Zukunft der EU wird allerdings auch nicht
in dem auf Eis liegenden Verfassungsentwurf geklärt.
Zweimal ist in ihm von der Marktwirtschaft als bestimmender Wirtschaftsordnung die Rede. Einmal ist von einer sozialen Marktwirtschaft die Rede und ein weiteres
Mal von einer offenen Marktwirtschaft. Ich wiederhole
gern: Die PDS setzt sich strikt für eine soziale Marktwirtschaft und konsequent gegen eine offene Marktwirtschaft ein. Ich fürchte, dass da unsere Auffassung nicht
mit der der FDP, die auch heute vorgetragen wurde,
übereinstimmt. Es ist aber keine abstrakte Frage, ob die
Wirtschaft sozialen Zielen verpflichtet ist oder ob das
Soziale untergeordnet oder gar gestrichen wird wie bei
der Agenda 2010. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger
der Bundesrepublik für die EU gewinnen wollen - die
PDS will dies -, dann kommen Sie um die soziale Frage
nicht herum.
Nun komme ich zum Schluss noch zu einer innenpolitischen Frage im engeren Sinne. Es ist unübersehbar, wie
auch auf EU-Ebene die Bürgerrechte und der Datenschutz ausgehöhlt werden. Immer offensichtlicher ist,
dass die Bundesrepublik hierbei zur Avantgarde gehört.
Das trifft leider auch mit umgekehrtem Vorzeichen bezüglich der Haltung gegenüber einer humanen Flüchtlings- und Asylpolitik zu. Der nach wie vor anhaltende
Streit um ein Zuwanderungsgesetz spiegelt hier nur die
Auseinandersetzung um die zukünftige Haltung der EU
wider: entweder human und weltoffen oder aber borniert geschlossen. Der aktuelle Stand - das sagt nicht
nur die Europaabgeordnete der PDS, Sylvia-Yvonne
Kaufmann - ist einfach niederschmetternd. Otto Schily
und andere aus der Bundesregierung haben daran aktiv
Anteil.
Es gibt also viele gute und auch drängende Gründe,
gründlicher über die künftige EU zu diskutieren, als es
Ihnen bisher notwendig erschien. Die PDS wird es jedenfalls als Pro-Europa-Partei im beginnenden Wahlkampf tun.
({4})
Ich erteile das Wort Kollegen Axel Schäfer, SPDFraktion.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Lassen
Sie uns so ernsthaft über Europa reden, wie es der Situation angemessen ist, und lassen Sie uns vor allen Dingen
keine Krise herbeireden. Krise, das war Anfang 1999,
als die Kommission zurücktrat, als wir im Kosovo zum
ersten Mal in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt waren, als wir einen neuen finanziellen Rahmen
bis 2006 schaffen mussten. Diese Krise ist durch diese
Bundesregierung bewältigt worden. Wir haben gute Entscheidungen getroffen, was die Kommission, den Kosovo, die Friedenspolitik und die Finanzen anbelangt.
Deshalb sollten wir die heutigen Schwierigkeiten nicht
zu einer Krise hochreden, weil wir damit die Situation in
Europa falsch beschreiben.
({0})
Ein Wort zur Klage gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dazu ist alles gesagt, was die Kommission anbelangt, die tatsächlich auf dem falschen Dampfer ist.
Alles gesagt hat derjenige, der damals, als der Pakt geschlossen worden ist, führend mit dabei war: JeanClaude Juncker, luxemburgischer Ministerpräsident. Er
ist Christdemokrat; vielleicht sollten die Kolleginnen
und Kollegen von der CDU/CSU einmal lesen, was er
gesagt hat; denn das bestätigt exakt die Position der
deutschen Bundesregierung. Und das ist auch gut so.
({1})
Axel Schäfer ({2})
Lassen Sie mich zur finanziellen Vorausschau kommen. Es war richtig, dass sechs Länder Position bezogen
haben: Großbritannien, Frankreich, Österreich, die Niederlande, Schweden und Deutschland.
({3})
Es war richtig, weil damit klar geworden ist, dass wir
eine Balance finden müssen zwischen den Notwendigkeiten in Europa einerseits und den Zwängen in den
Haushalten, auch den nationalen, andererseits. Dass es
richtig war, sieht man vor allem, wenn man sich die Entwicklung in den letzten zehn Jahren anschaut: Der prozentuale Anteil an der Verpflichtungsermächtigung auf
der Ebene der EU ist von 1,27 auf 1,08 Prozent gesunken. Bei den realen Ausgaben liegen wir bei 0,98 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Das zeigt, dass wir
auf dem richtigen Weg sind. Die deutsche Position, die
richtigerweise in Zusammenarbeit mit anderen Ländern
eingenommen worden ist, ist damit bestätigt worden.
Ich sage, gerade weil es um die Solidarität in Europa
- nicht nur, wie bisher, mit 15, sondern mit 25 Staaten geht: Es gibt eine Reihe der so genannten neuen Mitgliedstaaten, die die Positionierung bei 1 Prozent des
Bruttonationaleinkommens für richtig halten. Es musste
berücksichtigt werden, inwieweit die nationalen Haushalte die Mittel für Europa aufbringen können. Die
neuen Staaten dürfen nicht überfordert werden. Wir
müssen fordern und fördern, wie dürfen aber nicht überfordern. Deshalb ist der Weg richtig.
({4})
Wir sind ein Stück vorangekommen, was die Umstrukturierung und neue Prioritätensetzung im europäischen Haushalt anbelangt. Wir werden bis 2013 den
Agraranteil von 46 auf 37 Prozent senken. Das ist ein
ganz wichtiger Fortschritt, der auf einer Position beruht,
die wir gemeinsam vertreten.
Ein spezieller Satz bezüglich einer deutschen Position
in Europa. Es war gut - ich glaube, auch die Christdemokraten im Europäischen Parlament fanden das gut;
ebenso sollten das die Christdemokraten im Deutschen
Bundestag gut finden -, dass diese Bundesregierung unter schwierigsten Bedingungen entscheidend dazu beigetragen hat, dass ein Abgeordnetenstatut in Europa verhindert wurde, das uns und den Kolleginnen und
Kollegen in Brüssel viele Probleme bereitet hätte.
Obendrein ist gut, dass die deutsche Bundesregierung
zu denen gehört, die bei der Frage des Anstiegs der Beamtenbezüge in Brüssel immer auf der Bremse stehen.
Auch das spielt beim Thema Ausgaben und Sparmöglichkeiten eine wichtige Rolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen jetzt am
Beginn des Prozesses zur Verabschiedung der finanziellen Vorausschau. Wir wollen und müssen pro Jahr
4 Prozent unseres BNP im Rahmen des Transfers von
West nach Ost zahlen und mit 1 Prozent unseres Haushaltes zur Finanzierung Europas beitragen. Das ist alles
richtig so, aber die Balance muss stimmen.
Ich bin mir sicher, dass wir diese Balance hinbekommen; denn wir haben die Erfahrungen von 1999. 1999
war deutlich: Diese Bundesregierung trägt entscheidend
zur Lösung von europäischen Problemen bei. Diejenigen, die das damals gemacht haben, sind - das ist eher
die Ausnahme, wie Sie feststellen, wenn Sie sich die anderen europäischen Regierungen heute anschauen - auch
heute noch die Akteure, nämlich Bundeskanzler Gerhard
Schröder und Bundesaußenminister Joschka Fischer. Ich
habe großes Vertrauen in die beiden, dass sie es auch
diesmal schaffen - gemäß unserer Prämisse, dass die europäische Einigung das wichtigste nationale Interesse
Deutschlands ist. Das ist in der Tat gut so.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen
Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik
und zur Änderung der Neuartige-Lebensmittel-und-Lebensmittelzutaten-Verordnung
- Drucksache 15/2397 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft ({0})
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Bundesministerin Renate Künast.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben ein Paket zu Regelungen auf dem Gebiet der Gentechnik in
der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion
geschnürt: Am Mittwoch hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus verabschiedet. Heute geht es um ein Gentechnik-Durchführungsgesetz der Koalitionsfraktionen, das Verstöße
gegen die Kennzeichnungspflicht bei gentechnisch veränderten Organismen regelt. Ab 18. April ist also drin,
was draufsteht.
Wie Sie wissen - das will ich vorab erwähnen -, sind
die zentralen Bausteine bereits auf EU-Ebene geregelt
worden. Mitte der 90er-Jahre wurden Genehmigungen
für das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderBundesministerin Renate Künast
tem Mais und Soja in der EU erteilt. 2001 trat eine Freisetzungsrichtlinie in Kraft, die vor allem den Freilandanbau gentechnisch veränderter Organismen in der
Landwirtschaft regelt. Am 18. April dieses Jahres tritt
die europäische Verordnung über die Kennzeichnung
von Lebens- und Futtermitteln in Kraft, was konkret bedeutet, dass ab dem 18. April 2004 in allen EU-Mitgliedstaaten alle Produkte gekennzeichnet werden müssen,
die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, egal
in welchem Ausmaß.
Die Kennzeichnungspflicht ist wesentlicher Bestandteil unserer und auch der europäischen Politik auf
diesem Gebiet. Diese Kennzeichnung geschieht zum
Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich
bewusst für ein bestimmtes Produkt entscheiden wollen.
Sie geschieht zum Schutz der Bäuerinnen und Bauern
- dabei ist es egal, ob es sich um konventionelle oder um
Ökolandwirte handelt -, die in Zukunft auf den Einsatz
der Gentechnik verzichten möchten. Solche Kennzeichnungsregelungen schützen auch Hersteller und Weiterverarbeiter, die Produkte ohne Gentechnik auf dem
Markt anbieten wollen und die für die gesamte Produktionskette zurückverfolgen müssen, dass keine Gentechnik eingesetzt wurde.
Es ist daher angemessen, dass wir uns in dieser Woche noch einmal mit dem Thema Gentechnik in der
Landwirtschaft beschäftigen. Es geht jetzt darum, wie sichergestellt werden kann, dass diese Regeln auch eingehalten werden. Die konkreten Fragen lauten: Was passiert bei Verstößen? Wie können Verbraucherinnen und
Verbraucher sicher sein, dass sich Produzenten an die
Regeln halten?
Das Gentechnik-Durchführungsgesetz, das jetzt auf
der Tagesordnung steht, regelt genau das. Wir haben in
diesem Gesetz Sanktionen und Zuständigkeiten klar
und deutlich benannt. Dieses Gesetz sieht - dazu hat uns
die EU aufgefordert - Strafvorschriften vor: Bußgelder
bis zu 50 000 Euro bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht bei gentechnisch veränderten Lebens- und
Futtermitteln und Haftstrafen bis zu drei Jahren bei
schwerwiegenden Verstößen. Darunter fällt, dass mit
nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen gehandelt wird.
Wir regeln die Mitwirkung von Zolldienststellen und
Stellen, die für Lebensmittelkontrollen zuständig sind.
Auch deren gute fachliche Arbeit wird von herausragender Bedeutung sein.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das zeigt, dass Lebensmittelkontrollen funktionieren können. In Bayern
wurden illegal aus Hawaii eingeführte Papayas sichergestellt. Aufgrund von Kontrollen konnte festgestellt werden, dass diese Produkte aus den USA, die hier keine
Zulassung haben, auf den europäischen Markt gebracht
worden sind. Wir haben uns an die Botschaft mit der
Aufforderung gewandt, dafür Sorge zu tragen, dass das
deutsche bzw. europäische Recht eingehalten wird.
Sie sehen, die hochsensibilisierten Verbraucherinnen
und Verbraucher in diesem Land können sich darauf verlassen, dass wir und die Länder darauf achten, dass Lebensmittel- und in Zukunft auch Futtermittelkontrollen
tatsächlich funktionieren.
Nach Umfragen sagen 70 Prozent der Menschen in
Deutschland, sie wollen keine gentechnisch veränderten
Lebensmittel kaufen.
({0})
Landwirte - da haben wir fast die gleiche Prozentzahl fragen sich an dieser Stelle, was eigentlich mit ihrem
Acker passiert - deshalb sind diese Vorschriften wichtig -,
wenn es zum Beispiel Auskreuzungen gibt oder einmal
nicht sorgfältig gearbeitet wird. Wir alle wissen, dass es
an dieser Stelle auch darum geht, den grundgesetzlich
festgelegten Schutz des Eigentums für diejenigen sicherzustellen, die zum Beispiel nicht gentechnisch veränderte Organismen anbauen wollen. Ich glaube, dass wir
mit diesem Gesetz im Gesamtkontext des Regelwerkes
die dafür notwendigen Vorschriften geschaffen haben.
Sie wissen, dass wir mit der Novelle zum Gentechnikgesetz und der damit verbundenen Verordnung, in der
die gute fachliche Praxis geregelt wird und die die Haftungsregeln enthält, auch an anderer Stelle notwendige
Sicherheitsvorschriften festlegen, dies immer unter dem
Gesichtspunkt, dass man bei neuen Technologien darauf
achten muss, dass in Zukunft auch noch die bisherigen
Technologien praktiziert werden können und es nicht zu
einer schleichenden Dominanz kommt.
({1})
Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wählen können. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist die
Ergänzung zu dem, was am 18. April dieses Jahres starten wird. Dann wird nämlich jede Verbraucherin und jeder Verbraucher, jede Landwirtin und jeder Landwirt jeweils auf der Zutatenliste eines Produktes erkennen,
welche Bestandteile enthalten sind. Auf der Zutatenliste
muss dann nämlich bei dem entsprechenden Bestandteil
stehen, dass zum Beispiel genetisch verändertes Soja,
genetisch veränderter Mais oder genetisch verändertes
Lecithin benutzt wurde. Das heißt, die Verbraucherinnen
und Verbraucher können sich täglich im Supermarkt anhand der Kennzeichnung entscheiden. Im Übrigen: Wider viele andere Behauptungen gelten diese Regeln ab
dem 18. April auch für den Wochenmarkt und die Restaurants.
({2})
Man kann insgesamt sagen: Wir haben mit diesem
Gentechnik-Durchführungsgesetz einen Beitrag dazu geleistet, die Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitsregeln zum Tragen zu bringen. Wir sichern damit wirtschaftliche Aktivitäten. Wir verbinden ein Höchstmaß an
Transparenz mit dem Schutz des Eigentums und werden
damit meines Erachtens dem im Grundgesetz verankerten Schutz des Eigentums gerecht. Wir müssen dies tun;
wir haben es getan. Den Rest entscheiden die Verbraucherinnen und Verbraucher.
({3})
Ich erteile das Wort Kollegen Helmut Heiderich,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist erstaunlich, dass die Koalition - und nicht das
Ministerium, Frau Künast - schon jetzt, wenige Monate
nach der Verabschiedung der Verordnungen auf EUEbene, einen eigenen Gesetzentwurf zu diesem Thema
vorlegt. Im Bereich der Bio- und Gentechnik sind wir
von Ihnen anderes gewohnt.
So haben Sie das Gentechnikgesetz, das Sie, wie eben
von Ihnen ausgeführt, vor zwei Tagen endlich dem Kabinett vorgelegt haben, seit dem Jahre 2001 vor sich hergeschoben. Die Umsetzungsfrist war schon 2002 abgelaufen. Da wir ja die ehemalige Bundesministerin der Justiz
hier haben, lassen Sie mich einflechten: Sie schieben die
Biopatentverordnung
({0})
- sehr wohl, die Richtlinie; man sieht, die Fachfrau ist
anwesend -, also die Biopatentrichtlinie seit 1998 vor
sich her und sind bis heute nicht in der Lage gewesen, in
diesem Hause darüber zu diskutieren.
({1})
Das Gentechnikgesetz, das Frau Künast eben angesprochen hat und das dem Kabinett am vergangenen
Mittwoch vorgelegt worden ist, ist trotz der langen Zeit,
die Sie gebraucht haben, keine reife Leistung, sondern
schlicht und einfach unbrauchbar. Es ist ebenso unsystematisch wie unlogisch und es ist ein Widerspruch in
sich.
Die Ministerin scheut sich nicht, öffentlich zu sagen - gerade hat sie es wieder getan -, das Gesetz schütze den
gentechnikfreien Anbau.
({2})
Mit Verlaub, sie sollte einmal in den Gesetzentwurf hineinschauen. In § 1 heißt es, Sinn und Zweck des Gesetzes sei die Nutzung und Förderung der Bio- und Gentechnik.
({3})
Das hat, wie man hört, wohl auf Druck des Kanzleramtes
in dieses Gesetz hineingeschrieben werden müssen. Das,
was Sie, verehrte Frau Künast, öffentlich verbreiten, ist
genau das Gegenteil dessen, was in § 1 des Entwurfs eines Gentechnikgesetzes steht.
Sie haben gerade die Haftungsregelungen angesprochen, die im Gesetzentwurf vorgesehen werden. Diese
sind ein nationaler Alleingang Ihrerseits; die entsprechenden Haftungsregelungen werden nicht zu einer Koexistenz führen. Das haben auch Sie gerade deutlich gesagt.
({4})
Sie wollen eine Subexistenz, eine Unterordnung der Biotechnologie unter die Ansprüche Ihrer rot-grünen Ideologie in diesen Bereichen. Das werden wir nicht akzeptieren.
({5})
Ich frage Sie: Wie passt das mit der Vorgabe Ihres
Kanzlers zusammen - die man landauf, landab in allen
Reden zu hören bekommt - Bio- und Gentechnik in
Deutschland sei die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts? Wie passt das zusammen? Mir scheint, hier ist
die Richtlinienkompetenz des Kanzlers - ich muss Herrn
Müntefering fragen, ob diese ihm noch geblieben ist oder des großen Vorsitzenden gefordert. Es muss endlich
geklärt werden: Wollen Sie Bio- und Gentechnik als
Schlüsseltechnologie oder wollen Sie diese Technologie
wie Frau Künast verhindern und das öffentlich als Sinn
des Gentechnikgesetzes erklären?
({6})
- Verehrte Frau Höfken, dass müssen Sie mit Ihrem
Kanzler und mit Ihrem Koalitionspartner klären. Der
Gesetzentwurf ist so, wie Sie ihn vorgelegt haben,
Quatsch.
({7})
- Doch.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen Sie in
der eben angeführten Eile den zweiten Schritt vor dem
ersten. Insgesamt beinhaltet dieser Gesetzentwurf wieder einmal eine völlig überzogene und unverhältnismäßige Regulierung. Er widerspricht damit auch den Verordnungen der Europäischen Union, in denen
ausdrücklich steht, es werde eine verhältnismäßige Umsetzung verlangt.
Ich will Ihnen das, da ich genügend Redezeit habe,
weiter erläutern.
({8})
In diesen Verordnungen geht es gerade nicht um die Regelung sicherheitsrelevanter Aspekte. Herr Müntefering,
Sie werden das sicherlich verstehen. Es geht auch nicht
um die Erhaltung gesundheitlich wichtiger Kriterien wie
zum Beispiel bei der Ausweisung von Allergenen oder
den Abdruck von Diäthinweisen, wie wir sie aus dem
Lebensmittelbereich kennen. Nein, es geht in diesem
Fall ausschließlich um eine Kennzeichnung zur Information des einkaufenden Verbrauchers. Das muss man wissen.
Da es bei Ihnen immer in Vergessenheit gerät, möchte
ich noch einmal in Erinnerung rufen, dass es unsere
Fraktion war, die schon 2001, als Erste in diesem Plenum, eine Kennzeichnung von Gentechnik beinhaltenHelmut Heiderich
den Produkten gefordert und dies mit der Forderung eines einprozentigen Grenzwertes eingebracht hat. Ich
glaube, das haben wir heute fast erreicht. Sie können uns
also nicht vorwerfen, dass wir an dieser Stelle nicht frühzeitig unterwegs gewesen wären.
({9})
- Herr Weisheit, ich überlasse es ganz Ihnen, wie Sie das
nach außen darstellen wollen.
Zurück zur Verordnung: Die Koalitionsfraktionen
wollen, dass bei einem fahrlässigen Verstoß gegen die
Kennzeichnungsvorschriften zur Information Sanktionen
bis zu 50 000 Euro eingeführt werden. Das ist im Lebensmittelrecht weder üblich noch angemessen. In vergleichbaren Kennzeichnungs- und Etikettierungsvorschriften, die es im LMBG gibt, werden maximal 15 000 Euro
angesetzt, so beispielsweise beim Fehlen oder bei der
fehlerhaften Angabe des Herstellers, beim Fehlen von
Verkehrsbezeichnungen, bei Nichtaufdruck der erforderlichen Nährwertkennzeichnung. Hier geht der Ansatz,
den Sie verfolgen, weit über die Verhältnismäßigkeit hinaus.
Auch der von Ihnen angeführte Vergleich mit der
Strafbewehrung in § 38 des Gentechnikgesetzes ist nicht
plausibel. Bei dieser Vorschrift geht es nämlich ausdrücklich um Verstöße gegen Sicherheitsmaßnahmen.
Bei den heute vorgelegten Verordnungen geht es - wie
ich eben deutlich gesagt habe - jedoch um Hinweise für
den Verbraucher und nicht um Sicherheitsmaßnahmen.
In beiden Bereichen ist also - das wird auch der Bundesrat heute, der parallel zu uns tagt, fordern - eine Harmonisierung mit dem übrigen Lebensmittelrecht angesagt. Das bedeutet konkret eine maximale Strafgebühr
von 25 000 Euro.
Ansonsten sind - auch das wird vom Bundesrat moniert - viele der von Ihnen verwendeten Rechtsbegriffe
von einer erheblichen Unbestimmtheit. Die von Ihnen
vorgelegten Gesetzesvorschriften müssen also auch insoweit überarbeitet werden.
Eines ist aber noch viel wichtiger: Frau Künast, Sie
haben vorhin gesagt, alle Inhaltsstoffe würden klar und
deutlich benannt und auf die Produkte werde draufgeschrieben, was drin ist. Frau Künast, dem ist nicht so.
Die Inhaltsstoffe werden von Ihnen weder klar und deutlich benannt noch wird draufgeschrieben, was drin ist.
Sie schreiben auch dann drauf, es handele sich um gentechnisch verändertes Material, wenn gar keine Gentechnik drin ist. Das ist die Vorschrift, die auf europäischer
Ebene - mit Ihrer Zustimmung - erlassen worden ist,
und das ist etwas anderes.
Hier jedoch - und das wissen Sie genauso wie die Regierungsfraktionen - wissen wir noch nicht, wie diese
Anwendungsregeln im Einzelnen aussehen sollen. Sie
regeln also schon die Sanktionen, wissen aber überhaupt noch nicht, was genau sanktioniert werden soll.
Ich will Ihnen das anhand einiger Beispiele belegen: Sowohl der Lebensmittelhandel als auch die Hersteller beklagen, dass bis jetzt völlig offen ist, ob und, wenn ja,
wie in den Fällen, in denen im Produktionsprozess Gentechnik eingesetzt wird, im Endprodukt aber kein gentechnisch verändertes Material mehr enthalten ist, die
Kennzeichnung erfolgen muss.
({10})
- Nicht mehr drin ist! Wenn nichts mehr drin ist, ist auch
nichts mehr nachweisbar.
({11})
- Ganz ruhig. Ich will Ihnen das ein Stück weit auf der
technischen Ebene erläutern. Vielleicht verstehen wir
uns dann etwas besser.
Lassen Sie mich diese technische Seite etwas näher
betrachten. Beim Import von Soja, von dem wir seit Jahren zigtausend Tonnen importieren, wird - so steht es im
Gesetz - per Zertifikat, das geprüft wird, mitgeteilt: kein
gentechnisch verändertes Material enthalten. Staatssekretär Berninger war so freundlich, mir das auf meine
Fragen deutlich darzustellen. Die Importbehörden
schauen auf das Zertifikat und prüfen, ob das Zertifikat
mit dem äußerlichen Zustand des Soja übereinstimmt.
Beispiel Brasilien: Brasilien zertifiziert immer: alles
gentechnikfrei. Jeder Mensch weiß aber, dass in Brasilien seit Jahren Gensoja angebaut wird.
({12})
Wie lautet die Regelung für den Importeur? Der Lieferant bestätigt ihm: gentechnikfrei. Nach Ihren Vorschriften hat der Importeur bislang jedenfalls nicht die Pflicht,
eine Analyse vorzunehmen. Er nimmt sich das Zertifikat,
sagt, es steht „gentechnikfrei“ drauf, also gebe ich meine
Produkte als gentechnikfrei weiter. Irgendwann in der
Kette nimmt jemand eine Analyse vor und sagt: Halt, Betrug! Diesen wollen Sie dann mit 50 000 Euro sanktionieren, obwohl Sie die Anwendbarkeit dieser Regel noch
nicht geklärt haben. Das ist ein Beispiel.
Es wird aber noch interessanter. Bei Soja kann man
wenigstens noch eine Analyse durchführen.
({13})
- Das ist die Wahrheit und nicht Unfug. Das passiert täglich. Sie sollten sich einmal in der Praxis umhören, dann
wüssten Sie auch, wovon Sie reden.
Zweites Beispiel: Sie importieren jetzt nicht mehr
Soja, sondern daraus erzeugte Stoffe, zum Beispiel Vitamine aus China oder Südkorea, Futterzusatzmittel, Aminosäuren, Fermentationsprodukte. Bei diesen können Sie
trotz Analyse keine gentechnisch veränderten Materialien mehr nachweisen. Der Erzeuger im Ausland ist nun
aber nicht an unsere Vorschriften gebunden. Er kennt ein
völlig anderes Recht. Für ihn gilt: Ich muss Gentechnik
nur dann zertifizieren, wenn sie analytisch nachweisbar
ist. Wenn Sie nicht nachweisbar ist, muss er auch nichts
zertifizieren. Diese Produkte werden nun also geliefert.
Per Analyse können Sie nicht mehr feststellen, ob irgendwann im Produktionsprozess gentechnisch verändertes Material verwendet worden ist. Das ist technisch
nicht möglich.
Im Übrigen haben Sie bis heute auch noch keine Analyserichtwerte festgeschrieben. Sie haben auch noch
keine Referenzlabore festgelegt. Sie haben das ganze
Verfahren überhaupt noch nicht geklärt, sagen aber trotzdem: Wer dagegen verstößt, soll 50 000 Euro Strafe zahlen. Hier wird wirklich das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Sie haben hier eine große Bringschuld, bevor
wir dieses Gesetz überhaupt verabschieden können. Das
ist jedenfalls meine Auffassung.
Wenn sich der Importeur auf diese Daten verlässt und
entsprechend weitergibt, macht er sich dann strafbar
oder nicht, weil er die Verwendung gentechnisch veränderten Materials analytisch nicht nachweisen kann?
Auch hier ist die Situation völlig offen. - Da Sie den
Kopf schütteln, empfehle ich Ihnen, sich einmal mit den
Experten auf europäischer Ebene zu unterhalten. Rufen
Sie beim Europäischen Handelsinstitut an und lassen Sie
sich sagen, welche Probleme es gibt! Die werden Ihnen
das sehr ausführlich und deutlich vortragen.
Ich meine, wir müssen in diesen Anwendungsbereichen erst einmal klären, wie die Probeentnahme erfolgt,
wo das Referenzlabor ist, welche Analytik vorgeschrieben ist und wie der entsprechende Nachweis erbracht
wird.
({14})
Erst dann können wir uns über Strafbewehrungen unterhalten.
Ich könnte noch weitere hübsche Beispiele nennen.
Aber so lang, dass ich sie hier vortragen könnte, ist
meine Redezeit nicht. Das können wir allerdings gerne
in einem persönlichen Gespräch nachholen.
Es freut mich, Frau Künast, dass die Lebensmittelkontrolle in Bayern hervorragend funktioniert. Dieses
Lob werden die Bayern sicherlich gerne mit nach Hause
nehmen; denn Sie haben hier ja schon ganz andere Aussagen verbreitet. Dass man entdeckt hat, dass in Bayern
Gen-Papayas aus Hawaii angeliefert wurden, ist sicherlich ein Fortschritt in der Lebensmittelkontrolle. Hier haben die Bayern hervorragende Arbeit geleistet. Das ist
erfreulich.
Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, mit dem
auch Sie sich jetzt massiv beschäftigen: die Frage der
Zuständigkeit der Behörden für den Bereich der Gentechnik. In diesem Jahr haben Sie ja schon einmal in
Form eines Vorschaltgesetzes den Anlauf unternommen,
das Bundesamt für Naturschutz hier als Benehmensbehörde zu installieren. Dazu gab es im Bundesrat zwar einen langen Beratungsprozess; aber letztlich ist dies umgesetzt worden. Jetzt tun Sie dasselbe wieder.
Ausgerechnet das Bundesamt für Naturschutz soll für
die Zulassung von Lebensmitteln zuständig sein. Da
fragt sich doch wirklich jeder: Wo ist hier der inhaltliche
Zusammenhang?
({15})
Ich sage Ihnen: Es gibt keinen inhaltlichen Zusammenhang. Wenn überhaupt, dann müssten Sie sich für das
Umweltbundesamt entscheiden. Aber das Bundesamt für
Naturschutz hat da inhaltlich nichts zu suchen.
({16})
- Ja, Frau Höfken. Der Bundesrat hat es selber so formuliert: Die Beteiligung des Bundesamtes für Naturschutz
wird als nicht sachgerecht erachtet. Vielmehr ist hierfür
das Umweltbundesamt vorzusehen. - Das ist also nicht
nur meine Auffassung, sondern auch die einer ganzen
Reihe anderer.
Ich kann mir schon vorstellen, warum Sie so sehr darauf drängen. Wir haben ja schon einmal über den Mann
an der Spitze dieses Amtes, Herrn Vogtmann, und seine
Auffassung debattiert.
({17})
Jetzt lese ich, dass dort zum Thema Gentechnik ganz zufällig eine neue Abteilung geschaffen wird und Frau
Tappeser vom Ökoinstitut in Freiburg im BfN eingestellt
wird. Das sind schon Zufälle!
({18})
Ich sage Ihnen einmal, welchen Eindruck ich habe:
Sie sind dabei, das Bundesamt für Naturschutz zu einer
Biotech-Blockadebehörde auszubauen. Deswegen wird
es immer nach vorne geschoben.
({19})
Das Entscheidende ist dabei Ihr politisches Ziel und
nicht die inhaltliche Auseinandersetzung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Höfken?
Aber selbstverständlich. Das gibt mir Gelegenheit, einen Schluck Wasser zu trinken.
Sie haben ja auch nicht mehr viel Redezeit. Es wäre
gut, das miteinander zu verbinden.
Ja, auf diese Weise verlängert sich meine Redezeit.
Ich übernehme gerne die Redezeit, wenn Sie weiter
Wasser trinken wollen.
Ich frage Sie Folgendes: Erstens. Ist Ihnen bekannt,
dass im Rahmen des Gentechnikgesetzes die Umweltwirkungen zu beobachten sind, dass dafür selbstverständlich eine Naturschutzbehörde sach- und fachgerecht zur Verfügung stehen sollte und dass mit dem
Monitoring kaum andere Aufgaben verbunden sind?
Zweitens. Welche Einwände haben Sie gegen Frau
Tappeser und an welchen inhaltlichen Punkten machen
Sie sie konkret fest?
({0})
Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage. Wir reden hier
nicht über das Gentechnikgesetz.
({0})
- Dann haben Sie mir vielleicht nicht richtig zugehört.
Wir reden hier über den Gesetzentwurf zur Durchführung der Verordnungen, den Ihre Fraktionen vorgelegt
haben.
({1})
Ich habe eine kurze Replik zum Gentechnikgesetz gegeben.
({2})
- Frau Künast hat diese Argumentation eingeführt. Sie
hat mit dem Thema Gentechnikgesetz begonnen, obwohl
es gar nicht auf der Tagesordnung steht. Daher fühlte ich
mich veranlasst, Frau Künast zu replizieren.
({3})
Das ist, wie ich denke, der normale parlamentarische
Umgang, den wir hier haben.
({4})
Sie haben jetzt also zum Gentechnikgesetz gefragt
und nicht zu den Gentechnikverordnungen; das sage ich
nur, damit wir die Dinge auseinander halten. Beim Gentechnikgesetz ist sicherlich für das Monitoring in dem
schmalen Bereich, den Sie anführen, auch das Bundesamt für Naturschutz mit einzubeziehen. Aber für den
Beurteilungsbereich in seiner vollen Breite hat das Bundesamt für Naturschutz überhaupt nicht die Kompetenz.
Es gibt ein Amt, das hier die breite Kompetenz hat, nämlich das Umweltbundesamt. Das Umweltbundesamt hat
das in der Vergangenheit auch immer gemacht, und zwar
erfolgreich. Offensichtlich hat das Umweltbundesamt
aber nicht die Ergebnisse erbracht, die politisch erwünscht sind. Deswegen wurde es weggeschoben und
stattdessen das BfN eingespannt, das - ich sage es noch
einmal - von Ihnen jetzt auch personell zu einer BiotechBlockadebehörde ausgebaut wurde. Diesen Eindruck
habe ich; das ist meine politische Beurteilung.
Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht: Ich meine,
dass es über die Person von Frau Tappeser in der wissenschaftlichen Kommunität sehr eindeutige Auffassungen
gibt. Ich will darauf hinweisen, dass Sie Frau Tappeser
schon zweimal in Anspruch genommen haben, um eine
schon beschlossene Zulassung von modernen Biotechnikprodukten mit einem Gutachten - aus meiner Sicht
kam das einem Gefälligkeitsgutachten sehr nahe - auszuhebeln. Dieses Gutachten hat Ihnen die Argumentation geliefert, um gegen eine schon im Gang befindliche
Zulassung per Ministerdekret, wie bei den Apfelbäumen
in Quedlinburg, einzuschreiten.
Dass es da, aus meiner Sicht, sehr enge Zusammenhänge gibt, können Sie mir, glaube ich, nun wirklich
nicht absprechen. Deswegen halte ich Ihre Besetzung
des BfN für sehr einseitig. Ich hoffe, dass ich Ihnen damit ausführlich gedient habe.
Ich danke Ihnen für die Aussage, die sicherlich einer
Überprüfung standhalten wird.
Da bin ich mir ganz sicher. Ich kenne die wissenschaftliche Literatur so gut, dass meine Aussage einer
Überprüfung standhält.
Jetzt nicht zum Dialog, sondern zum schnellen Ende.
Nun zum schnellen Ende, Frau Vorsitzende. - Summa
summarum: Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen
- so unscheinbar er daherkommt -, bedeutet aus meiner
bzw. unserer Sicht erneut eine unverhältnismäßige Belastung der Bio- und Gentechnik. Er bringt erneut die
notwendige Innovation ins Stolpern, die der Kanzler
will. - Ihr Oberster ist gerade gegangen; er kann es
schon weitergeben. - Der Gesetzentwurf bringt dem
Standort Deutschland weitere Benachteiligungen, Herr
Müntefering, und Sie wären gut beraten, den Kanzler zu
unterstützen, dass Bio- und Gentechnik eine Schlüsseltechnik in Deutschland werden kann und nicht ständig
von Frau Künast ausgebremst wird.
Schönen Dank.
({0})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthias
Weisheit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es war nichts anderes von Ihnen zu erwarten, Kollege
Heiderich, und der Zeit angepasst war es fast eine Büttenrede.
({0})
Dass Sie das alles natürlich kritisieren - ({1})
- Ich lasse keine Zwischenfrage zu.
({2})
- Wir können uns die Freundlichkeiten im Ausschuss
noch in großem Umfange an den Kopf werfen,
({3})
aber wir müssen hier heute die Zeit nicht unnötig verzögern.
Ihre Rede war schon ganz bemerkenswert. Sie kritisieren immer, dass wir zu lange brauchen; das haben Sie
heute auch wieder gemacht. Dieses Mal waren wir
schnell. Das passt Ihnen aber auch nicht.
({4})
Dass wir diese drei EU-Verordnungen in nationales
Recht umsetzen, ist schon bemerkenswert. Letztendlich
geht es darum, den Verbraucheransprüchen auf Klarheit auf dem Etikett, auf Klarheit der Kennzeichnung
nachzukommen. Wir kommen auch den Ansprüchen
der Landwirtschaft nach, die wissen will: Können wir
- als Ökobauer oder als konventioneller Bauer, der gentechnikfrei produzieren will - uns darauf verlassen, dass
die Futtermittel, die wir einsetzen, auch tatsächlich gentechnikfrei sind? Dass die Futtermittel Gegenstand der
EU-Verordnung sind, ist also ganz wichtig.
Das Problem des Nachweises ist altbekannt; Sie haben das bereits angesprochen. Wir wissen sehr wohl,
dass das eine oder andere Produkt aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt ist, was am Produkt
selbst aber nicht nachweisbar ist. Deshalb haben wir bei
der Novel-Food-Verordnung, in der unter anderem die
Kennzeichnung geregelt war, darauf verzichtet, eine Regelung aufzunehmen, dass man ein solches Produkt
kennzeichnen muss.
Indem die Herkunft dokumentiert werden muss und
die Rückverfolgbarkeit sichergestellt ist, ist meiner
Überzeugung nach ein Weg gefunden worden, dass die
Hersteller ausweisen müssen, dass gentechnisch veränderte Organismen verwendet wurden, auch wenn dies im
Produkt nicht mehr nachweisbar ist. Sind sie im Einkauf
irgendwann nachweisbar, dann erscheint das auch in der
Dokumentation. Eine solche Regelung ist auch im freiwilligen QS-System bei Futtermitteln vorgesehen. Es
werden hohe Sanktionen verhängt, wenn jemand dagegen verstößt. Das hat die Wirtschaft freiwillig so geregelt. Warum soll man das also nicht auch in einem Gesetz regeln?
Es muss möglich sein, entsprechend hohe Sanktionen auszusprechen. Ich bin dafür, dass wir diesen Bereich mit dem übrigen Lebensmittelrecht harmonisieren,
allerdings in dem Sinne, dass die Sanktionen im übrigen
Lebensmittelrecht nach oben korrigiert werden. Ein großer Konzern, der wissentlich und fahrlässig dagegen verstößt, lacht doch nur über 25 000 Euro.
({5})
- Gibt es die wirklich noch?
({6})
- Deswegen heißt es im Gesetzentwurf auch „bis zu“.
Wie hoch genau die Sanktion ausfällt, müssen die Gerichte entscheiden. Meiner Überzeugung nach könnten
die Sanktionen noch höher ausfallen.
Durch die Dokumentationspflicht und die Verpflichtung, die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen, ist es also
möglich, die Kennzeichnung von Produkten zu verlangen, in denen gentechnisch veränderte Organismen enthalten sind, die man aber nicht mehr nachweisen kann.
Die Verbraucher haben inzwischen ein großes Interesse
daran; hier hat eine tolle Entwicklung stattgefunden. Ich
kann Ihnen das an folgendem Beispiel deutlich machen:
Greenpeace - für Sie ein Feindbild - hat eine Broschüre
mit einer Erstauflage von 200 000 Stück herausgegeben,
in der zu lesen ist, in welchen Produkten gentechnisch
veränderte Organismen enthalten sind und in welchen
nicht. Diese Broschüre war wenige Tage, nachdem sie
auf den Markt gekommen ist, bereits vergriffen. Man bekommt sie nicht mehr. Dabei hätte ich sie gerne heute
mitgebracht und gezeigt.
({7})
Daran sehen Sie, welch hohes Interesse in der Bevölkerung besteht, zu wissen, ob zum Beispiel für dieses bestimmte Ketchup gentechnisch veränderte Tomaten verwendet wurden oder nicht.
({8})
- Man kann das kontrollieren, wenn man weiß, woher
die Tomaten kommen, wer die Tomaten angebaut hat
und ob sie gentechnisch verändert sind oder nicht. Das
kann man in der Dokumentation eindeutig verfolgen.
Ich habe mich schon oft gefragt, warum man es nicht
deklariert und kennzeichnet, dass gentechnisch veränderte Organismen enthalten sind, wenn das so unbedenklich ist, wie immer behauptet wird. In diesem Fall
könnte es sogar ein hervorragendes Werbemittel sein.
Ich hege folgenden Verdacht: Man möchte es natürlich
nicht deklarieren, wenn man Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Organismen durch die Hintertür einführen will. Menschen, die über zehn Jahre und länger
geglaubt haben, sie könnten sich gentechnikfrei ernähren, erklärt man, das stimme nicht, weil man ihnen mit
diesen oder jenen Produkten, die sie jeden Tag einkaufen, seit langem heimlich gentechnisch veränderte Organismen zugeführt habe, und dann fragt man sie, ob es ihnen geschadet habe. Das ist eine Strategie verschiedener
Konzerne, die auf diesem Gebiet arbeiten, und in meinen
Augen leider auch eine Strategie einiger Vertreter hier
im Deutschen Bundestag. Diese Strategie darf nicht aufgehen.
({9})
Wir brauchen daher eine klare Kennzeichnungsregelung,
die Möglichkeit zur Rückverfolgung und eine Sanktionsregelung.
Ich sehe, ich bin mit meiner Redezeit richtig gut ausgekommen. Ich hätte zwar noch ein paar Sekunden, aber
die schenke ich dem nächsten Redner.
({10})
Herzlichen Dank.
({11})
Das ist eine seltene Großzügigkeit. - Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Christel Happach-Kasan.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bedanke mich zunächst einmal bei der CDU/CSU
und nun auch bei der SPD für die zusätzliche Redezeit.
Ich bin das nicht gewohnt. Es ist aber eine Sitte, die
durchaus fortgeführt werden könnte.
Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Redebeitrag einleitend gesagt, dass das Gentechnikgesetz, das am Mittwoch im Kabinett verabschiedet worden ist, dem Schutz
des gentechnikfreien Anbaus dienen solle. Kollege
Heiderich hat zutreffend darauf aufmerksam gemacht,
dass im Gesetz etwas anderes steht. Als Ziel des Gesetzes steht unter Punkt 2 zum Beispiel, dass die Koexistenz von gentechnikfreiem Anbau mit gentechnisch modifizierten Organismen geregelt werden solle.
Ich darf daran erinnern, dass der ökologische Anbau
zurzeit ungefähr 4 Prozent ausmacht. Diese Landwirte
haben sich verpflichtet, die Gentechnik nicht zu nutzen.
Ich bin der Meinung, dass eine solche Minderheit sehr
wohl geschützt werden muss und dass das Gentechnikgesetz dazu dienen muss, die Produktionsmöglichkeiten
dieser Minderheit zu erhalten. Eine Minderheit darf eine
Mehrheit aber nicht majorisieren.
({0})
So, wie sie es regeln, wird die Minderheit die Mehrheit
majorisieren. Das ist schlichtweg nicht in Ordnung.
Ich darf daran erinnern, dass in der überregionalen
Presse bezüglich Ihrer Politik von einem Veräppeln der
Forschung gesprochen wird. Genau das tun Sie, wenn
die Forschung zwar zugelassen wird, Freisetzungen von
Ihnen aber kurzfristig unterbunden werden, wie dies beispielsweise beim Apfelversuch in Pillnitz und Quedlinburg geschehen ist. Damit haben Sie gegen die Interessen der Obstbauern in Deutschland gehandelt, die darauf
warten, diese genetisch veränderten Organismen anbauen zu können.
({1})
Frau Ministerin, ich darf Ihnen auch sagen: Mit einer
Ihrer Aussagen liegen sie schlichtweg falsch. Gentechnisch verändertes Lezithin wird auch in Zukunft nicht
angezeigt werden müssen. Ich erinnere an die Verordnung 1829/2003. In Absatz 16 steht ausdrücklich:
Diese Verordnung sollte Lebensmittel und Futtermittel abdecken, die „aus“ einem GVO, jedoch
nicht solche, die „mit“ einem GVO hergestellt sind.
Bei Lezithin handelt es sich um ein Lebensmittel, das
mit einem GVO hergestellt worden ist. Es muss also
nicht gekennzeichnet werden.
Frau Ministerin, Ihre Falschaussagen auch hier im
Parlament nehmen überhand.
({2})
Beim goldenen Reis haben Sie hier wider besseres Wissen Falschaussagen getroffen. Heute haben Sie es wieder
getan. Bereiten Sie sich auf Ihre Regierungstätigkeit
bitte ein bisschen besser vor!
({3})
Kollege Weisheit, ich würde mir wünschen, dass Sie
die Kontrolle der Regierungsarbeit auch im Bereich der
Gentechnik ein bisschen ernster nehmen. Zu Recht haben auch Sie darauf hingewiesen, Bundeskanzler
Schröder habe im Januar die Innovation hervorgehoben
und herausgestellt. Das war eine notwendige und sinnvolle Initiative des Bundeskanzlers, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und unseren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Schon im Februar ist das aber
wieder vergessen.
Das uns heute aus dem Hause Künast vorgelegte
kleinkarierte Gesetz macht deutlich, dass die Innovationsinitiative des Bundeskanzlers eine Luftblase war.
({4})
Im Regierungsalltag setzen sich grüne Pepitapolitiker
durch, die in Lebensmitteln aus genetisch veränderten
Pflanzen den Untergang des Abendlandes wittern, obwohl diese Lebensmittel seit langem in aller Munde
sind.
Kollege Weisheit, ich glaube nicht, dass dies eine
Strategie der bösen Großkonzerne gewesen ist.
({5})
Es sind schlicht und ergreifend sinnvolle praktische Anwendungen. Denken Sie daran, dass Chymosin normalerweise aus Kälbern gewonnen wird! Denken Sie an das
Verfahren! Es ist nicht gerade appetitfördernd. Genetisch
hergestelltes Chymosin ist allemal die bessere Alternative. Dies wird gegessen und hat noch niemandem geschadet. Der Käse schmeckt uns allen.
({6})
- Hören Sie in den hinteren Reihen doch auf zu pöbeln.
Das brauche ich nicht.
Sie, Frau Ministerin Künast, stehen wie ein begossener Pudel da, seit Sie - darin unterstütze ich Sie
ausdrücklich - erklärt haben
({7})
- hören Sie doch bitte zu, was Ihre Ministerin gesagt
hat! -, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von
Lebensmitteln aus genetisch veränderten Pflanzen
Gesundheitsgefährdungen ausgehen. Recht hat sie; das
muss man einmal sagen dürfen.
({8})
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat Sie in dieser
Frage richtig beraten. Daher ist jetzt die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gefragt; denn Sie, Frau Ministerin, sind von den Gegnern der Gentechnik eingebunden und gefesselt und daher nicht in der Lage, die
richtigen Konsequenzen aus der eigenen Erkenntnis zu
ziehen.
Ein Ergebnis Ihrer Unfähigkeit, die eigenen Erkenntnisse umzusetzen, ist der Entwurf des GentechnikDurchführungsgesetzes, das wir beraten. Drei bzw. fünf
Jahre Haft sowie Geldbußen bis zu 50 000 Euro werden
in den Strafvorschriften des Gesetzentwurfs gefordert.
Das ist völlig überzogen. Damit werden bei Verfehlungen gegen das Gentechnik-Durchführungsgesetz deutlich härtere Strafen als im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz gefordert, obwohl das Schutzgut
dasselbe ist und die möglichen Gefährdungen sogar eher
geringer sind.
Die Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften
sind in der Sache nicht gerechtfertigt. Sie müssen mit denen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes
harmonisiert werden. Herr Kollege Weisheit, auch Sie
haben dies gefordert. Ich bedanke mich, dass wir hier einer Meinung sein können. Diese Harmonisierung darf
aber nicht auf zu hohem Niveau erfolgen, sondern es
muss zu einer praktikablen Lösung kommen. Meines Erachtens kann man beispielsweise fehlende Kennzeichnung nicht mit der Gefährdung von Leib und Leben
gleichsetzen. Das ist einfach falsch.
({9})
In dem Gesetz müssen jegliche Wertungswidersprüche vermieden werden; denn die Klärung darf in der Praxis nicht der Rechtsprechung überlassen werden. Dieser
Gesetzentwurf ist unsauber ausgearbeitet. Es sollen für
die Durchführung von drei EU-Verordnungen die zuständigen Behörden bestimmt und Strafvorschriften festgelegt werden. Es geht um die Rückverfolgbarkeit und
Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen, die
Umsetzung des Cartagena-Protokolls und die Umsetzung der Verordnung über genetisch veränderte Lebensund Futtermittel. Es müssen zügig die gesetzlichen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser drei Verordnungen geschaffen werden; denn die Verordnungen müssen
direkt umgesetzt werden. Aber dieser Aufgabe wird der
Gesetzentwurf nicht gerecht.
Die Regierung missbraucht das Gesetz, um den Umgang mit genetisch veränderten Organismen und daraus
hergestellten Lebens- und Futtermitteln durch die Hintertür der Umsetzung von EU-Vorschriften an den Pranger zu stellen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Der Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht
gearbeitet, so wie die Regierungsarbeit dieser rot-grünen
Koalition handwerklich schlecht ist,
({10})
weil er die notwendige Harmonisierung mit den Strafvorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes unterlässt und neue Rechtsbegriffe einführt.
({11})
- Man muss keine neuartigen Rechtsbegriffe einführen
und keine Wertungswidersprüche in ein Gesetz aufnehmen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu
schützen. Das ist schlicht Humbug. Man kann ein solches Gesetz fachlich und ordentlich sauber erarbeiten.
Die Verordnung 1829/2003 beschreibt als Ziel die
Grundlage für ein hohes Schutzniveau für Leben und
Gesundheit des Menschen sowie Gesundheit und Wohlergehen der Tiere. Dieses Ziel gehört eindeutig nicht zu
den Kernaufgaben des Bundesamtes für Naturschutz.
Die rot-grüne Vorliebe für die Beteiligung des Bundesnaturschutzamtes bei der Umsetzung von Gentechnikgesetzen ist schon auffällig. Sie hat nichts mit Ihrem
Interesse am Naturschutz zu tun, sondern gilt der personellen Ausgestaltung des Amtes als Hort des grünen
Fundamentalismus.
({12})
Das mag gut für grüne Karriereaussichten sein, aber es
ist schlecht für den Naturschutz.
({13})
Wir alle haben verfolgt, wie schlecht die FFH-Richtlinie in Deutschland umgesetzt worden ist und wie viele
Fehler das Bundesnaturschutzamt, grüne Minister und
Verwaltungen dabei gemacht haben. Es ist eine Katastrophe, in welcher Weise Naturschutz von Ihnen zugrunde
gerichtet wird. Das wird der Sache überhaupt nicht gerecht.
({14})
Frau Kollegin, denken Sie daran, dass Ihre Redezeit
abgelaufen ist.
Das ist ausgesprochen schade.
({0})
- Das ist nicht unanständig. - Es ist eine Tatsache, dass
es keine genfreien Tomaten gibt und es sie niemals gegeben hat. Ebenso gibt es keine gentechnikfreien Haushalte. Freiheit von Genen gibt es nicht. Der Verzicht auf
Gentechnik stellt - anders als Sie es uns weismachen
wollen - keinen Wert dar.
Frau Kollegin, das könnte doch Ihr Schlusssatz gewesen sein.
Ich bin beim letzten Satz. - Daher ist es an der Zeit,
notwendige Regelungen mit geringstem bürokratischen
Aufwand zu organisieren und sich vom Antigentechnikpopanz zu verabschieden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Herta DäublerGmelin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich sage: Ich finde
es gut, dass wir in der ersten Lesung zu dem EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz, das helfen soll, mehrere
EU-Verordnungen in deutsches Recht umzusetzen, auch
über Grundsatzprobleme reden. Aber mich macht der
Stil der Auseinandersetzung gelegentlich etwas verdrießlich.
Ich fand die Rede von Herrn Kollegen Heiderich ausgesprochen witzig und amüsant.
({0})
Wir alle wissen: Er ist für die Gentechnik und er bezeichnet sie als Schlüsseltechnik. Man muss diese Position aber nicht damit verbinden, dass man eine Ministerin oder alle Leute, die die Probleme nicht so sehen wie
Sie, verehrte Kollegin Happach-Kasan, persönlich angreift, sie für dumme Jungs
({1})
hält oder sie abwertet.
({2})
Wenn wir grundsätzlich über Gentechnik reden, dann
kann man die Probleme, die vorhanden sind, nicht einfach wegdefinieren, es sei denn, man wollte sich wirklich dem Vorwurf aussetzen, man sei begrenzt oder nur
ein Lobbyist der Agrochemie. Sie brauchen sich doch
nur einmal draußen umzuhören. Es sind die Verbraucher, die erhebliche Vorbehalte haben. Nun können Sie
sagen: Das interessiert mich nicht und ich mag das
nicht. - Aber selbstverständlich haben diese Leute
ebenso ein Recht, von uns ernst genommen zu werden,
wie diejenigen, für die Sie sich einsetzen.
({3})
Der zweite Punkt ist: Überlegen Sie einmal, warum
eigentlich Landwirte immer skeptischer gegenüber dem
Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen werden.
({4})
Herr Heiderich, Sie sollten einmal den Bauern vor Ort
sagen, was Sie hier vorgetragen haben.
({5})
Sie sollten sagen, dass das die Auffassung der CDU ist.
Dann hätten die auch ein Aha-Erlebnis. Die Argumente,
die diese Menschen bringen, liebe Frau Happach-Kasan
und werter Herr Heiderich, sind genauso viel wert
({6})
wie die Argumente von den Leuten, die jetzt mit ihren
Produkten, die sie für eine Schlüsseltechnologie halten,
in den Landwirtschaftssektor drücken wollen.
Die Landwirte sagen deutlich: Langzeituntersuchungen wie zuletzt die der Universität von Iowa - Sie werden hoffentlich mitfahren, wenn der Ausschuss nach
Amerika fährt, um sich ein Bild zu machen - zeigen,
dass sich die Heilsversprechen, nämlich dass man weniger Pflanzenschutzmittel brauche, wenn man bestimmte
gentechnisch veränderte Pflanzen anbaue, bei einem Anbau über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht aufrechterhalten lassen. Die Landwirte fragen dann, wozu
sie das alles machen sollen, wenn das noch mehr Geld
kostet.
({7})
- Gleich, Herr Heiderich. Ich bringe noch einige Punkte.
Dann können Sie noch mehr fragen.
Wir werden natürlich auch über andere Bedenken reden müssen. Viele Biobauern fragen: Wie kriegen wir
denn unsere guten, biologisch erzeugten Produkte an die
Verbraucher, wenn irgendjemand diese Produkte aufgrund von Heilsversprechen verunreinigt und dafür Ihrer
Meinung nach noch nicht einmal haften
({8})
bzw. für die Verunreinigung geradestehen soll?
Das ist übrigens völlig unabhängig davon, ob wirklich
dauerhafte Schäden an der Gesundheit oder an der
Umwelt festzustellen sind. Das kann im Übrigen heute
niemand mit großer Sicherheit sagen. Man kann es vermuten. Es gibt bestimmte Anhaltspunkte dafür, es gibt
aber auch Argumente dagegen. Wir sind nicht dazu da,
als Lobbyisten für die eine oder andere Seite einzutreten,
sondern dafür, die Argumente anzuhören und dann politisch zu entscheiden.
({9})
Ich glaube, dass wir mit den Regelungen des EGGentechnik-Durchführungsgesetzes auf dem richtigen
Weg sind. Deswegen ist es gut, dass man es jetzt eingebracht hat. Wir können doch nicht darüber hinwegsehen,
dass die EU die Grundfrage der Zulassung unter klaren
Kontrollen und Vorbehalten geregelt hat. Das gilt übrigens für alle Seiten. Dass dann aber nicht nur die Vorbehalte und die Kontrollen, die Sicherungsmechanismen
und die Prinzipien der Wahrhaftigkeit, Transparenz,
Kennzeichnung und Koexistenz durchgesetzt werden
müssen, sondern auch die Möglichkeit der Rückholbarkeit dieser Technologie gewährleistet werden muss,
wenn wir ehrlich bleiben wollen, daran besteht doch gar
kein Zweifel. Aber wenn man Verfahren und Kontrolle
als rot-grüne Katastrophe - oder wie lauteten Ihre
freundlichen Worte? - bezeichnet, liebe Frau HappachKasan, dann liegt doch der Widerspruch bei Ihnen und
nicht in einer vernünftigen Regelung.
Es geht um eine klare Kennzeichnung und Kontrolle.
Ob noch Verbesserungen an dem Gesetz möglich sind,
wird sich zeigen. Das werden wir genau prüfen.
Bei Ihren Ausführungen aber, Herr Heiderich, habe
ich mir einen Moment vorgestellt, alles, was Sie angesprochen haben, müsste in das Gesetz aufgenommen
werden. Ich bin mir sicher: Nicht nur ich würde schreiend vor einem solchen unlesbaren Horrorgesetz davonlaufen, sondern auch Sie würden das tun.
Wenn es Ihnen nur um eine Regelung des Verfahrens
geht, was nicht im Gesetz erfolgen muss - davon gehe
ich aus, weil ich Sie kenne -, dann macht es doch keinen
Sinn, alle Ihre Anwürfe der Ministerin an den Kopf zu
werfen.
({10})
Ich komme zu einen weiteren Punkt. Ich fand das von
Ihnen angeführte Beispiel eines Importeurs von Sojabohnen aus Brasilien merkwürdig. Wären Sie statt von
Sojabohnen von Automobilen und den entsprechenden
Sicherheitsvorschriften ausgegangen, dann wäre Ihnen
- ich sehe, Sie lächeln schon - Ihr Gedankengang komisch vorgekommen. Denn Sie wissen genau, dass da
bestimmte Standards eingehalten werden müssen. Wenn
dies nicht der Fall ist, haftet selbstverständlich auch der
Importeur, wenn er Produkte einführt, die den geltenden
Standards nicht entsprechen.
Warum das bei der Einfuhr von Pflanzen oder Futtermitteln anders sein soll, erschließt sich, glaube ich, nicht
nur mir nicht, sondern in Wirklichkeit auch Ihnen nicht.
({11})
Hierbei zeigt sich, dass es wahrscheinlich klüger gewesen wäre, wenn Sie einfach gesagt hätten: Ich bin für
genveränderte Pflanzen, mir passt der ganze Kurs nicht.
({12})
- Ich mache es so wie Sie und lasse die Zwischenfrage
am Ende meiner Redezeit zu; dann kann ich sie verlängern. Das war ein guter Tipp.
Aber neutral zu tun und dann zu erklären, das Gesetz
sei richtig, das ist nicht akzeptabel.
({13})
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Notwendig ist
auf jeden Fall, dass die Rückverfolgbarkeit und die
Rückholbarkeit sichergestellt werden, weil wir, wenn
wir ehrlich sind, alle nicht wissen, was im Einzelnen auf
uns zukommt. Wenn ich mich mit Landwirten in Bayern
und Baden-Württemberg unterhalte, die - lassen Sie
mich das hinzufügen; Gott sei es geklagt - immer noch
überwiegend die CDU wählen und ihnen Ihre heutigen
Ausführungen schildere, lieber Herr Heiderich, dann
wird das für die Landwirte ein starkes Aha-Erlebnis sein.
Sie können Gift darauf nehmen, dass ich das tue.
Frau Kollegin, es gibt zwei Wortmeldungen zu Zwischenfragen, nämlich der Kollegin Happach-Kasan und
des Kollegen Heiderich.
Ich habe noch 50 Sekunden Redezeit. Ich habe das
genau berechnet, weil ich schließlich meine Redezeit
verlängern will. Das ist doch klar.
Wenn heute nicht die Mehrheit des Bundesrates den
Haushalt 2004 sinnloserweise - weil wir das natürlich
zurückweisen werden - abgelehnt hätte, dann hätte ich
schon heute Nachmittag in Ulm/Ermingen angefangen.
Ich mache Ihnen aber einen Vorschlag, Herr Heiderich.
Wir - CDU-Leute, die so denken wie Sie, und SPDLeute, die eine differenzierte und klare verbraucher- und
landwirtsfreundliche Regelung anstreben - gehen gemeinsam zu den Landwirten. Dann erleben wir hoffentlich, dass die Argumente korrigiert werden; vielleicht
können wir sogar voneinander lernen.
Jetzt haben Sie die Möglichkeit zu Zwischenfragen.
Ich habe noch 6 Sekunden Redezeit.
({0})
Bitte schön, Frau Happach-Kasan.
Man sollte die Chance für einen Dialog nutzen. Ich
bedanke mich für die Möglichkeit einer Zwischenfrage.
Frau Kollegin Däubler-Gmelin, haben Sie zufällig zur
Kenntnis genommen, dass der Bundesrat eine sehr umfangreiche Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abgegeben und darin sehr deutlich verschiedene Kritikpunkte
zum Ausdruck gebracht hat? Ist Ihnen bewusst - ich
denke, das ist der Fall -, dass ein solches Gesetz von den
Ländern umzusetzen ist und dass der Bundesrat desweDr. Christel Happach-Kasan
gen ein sehr großes Interesse daran hat, dass die darin
enthaltenen Regelungen vollziehbar und umsetzbar
sind? Vor diesem Hintergrund sind die Vorstellungen zu
sehen, dass beispielsweise die Straf- und Bußgeldvorschriften harmonisiert und Wertungsunterschiede aufgehoben werden sollen, dass die Regelung nicht der Praxis
des Strafvollzugs anheim gestellt werden darf und dass
auch Bundesbehörden beteiligt werden sollen, die über
entsprechende Erfahrungen verfügen, wie es beispielsweise beim Umweltbundesamt der Fall ist, nicht aber
beim Bundesamt für Naturschutz. Wie stehen Sie dazu?
Liebe Frau Happach-Kasan, wie Sie wissen, geben
wir uns im Ausschuss große Mühe - übrigens seit 1998
ganz besonders -, in die Gesetzgebungsverfahren auch
die Länder einzubeziehen. Das wird auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fall sein.
Das Einzige, was ich an Ihrer Fragestellung korrigieren würde, wenn Sie es gestatten, ist das Wort „zufällig“.
Denn
({0})
selbstverständlich habe ich die entsprechenden Äußerungen gelesen. Ich gehe davon aus, dass Sie gehört haben,
was der Kollege Weisheit gesagt hat, und dass wir über
das eine oder andere noch nachdenken werden.
Ich möchte Sie auffordern, bei den Beratungen über
den vorliegenden Gesetzentwurf das zu tun, was wir
- erfreulicherweise - immer machen, nämlich die Argumente der Andersdenkenden, insbesondere derjenigen,
die berechtigte Sorgen haben, sehr ernst zu nehmen und
nicht so zu tun, als ob die anderen nur deswegen dumme
Jungen oder rückwärts gewandte Ideologen wären, weil
sie der Meinung sind, dass die Agrochemie, wenn sie etwas haben möchte, nicht nur nachweisen solle, dass es
nützlich ist, sondern auch, dass es nicht gesundheitsschädlich und nicht umweltschädlich ist.
Herzlichen Dank.
({1})
Ich danke auch und schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/2397 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut
Koschyk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Ergänzung der Kronzeugenregelungen im Strafrecht und zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten ({0})
- Drucksache 15/2333 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({1})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster
der Abgeordnete Dr. Norbert Röttgen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gestern haben wir in diesem Haus über die jahrelange
Untätigkeit der Koalition bei der Regelung der Sicherungsverwahrung von gefährlichen Wiederholungstätern gesprochen. Jahrelang ist nichts geschehen, bis das
Bundesverfassungsgericht jetzt interveniert und die
Reißleine gezogen hat. Heute reden wir über die jahrelange Untätigkeit der Koalition hinsichtlich des Einsatzes der Kronzeugenregelung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität.
Ob Sicherungsverwahrung, Kronzeugenregelung, genetischer Fingerabdruck, Graffitibekämpfung oder Telefonüberwachung, das Muster Ihrer Rechtspolitik und
insbesondere Ihrer Politik auf dem Gebiet der inneren
Sicherheit ist immer gleich: Obwohl es ein Gebot zum
Handeln gibt und die Mehrheit in diesem Hause handeln
möchte, handeln Sie nicht.
({0})
- Sie sind eine Schnecke in der Politik;
({1})
denn Sie kommen nicht zu Ergebnissen. Kein Wunder
also, dass Ihnen unsere Initiativen schon als Aktionismus vorkommen.
({2})
Es ist aber anders. Die Justizministerin übt sich in ihren Lieblingsdisziplinen: prüfen, abwarten und ankündigen. Der Bundesinnenminister ist inzwischen nur noch
mit sich selber und dem Bundeskriminalamt beschäftigt.
({3})
Es ist immer das Gleiche: Die innere Sicherheit ist bei
Rot-Grün in schlechten Händen. Das ist der Tatbestand.
({4})
- Rhetorisch sind Sie ja immer auf der Höhe; das bestreitet niemand. Aber Sie handeln nicht. Das Verwerfliche ist, dass die Bürger die Suppe, die ihnen die Koalition durch ihre politische Uneinigkeit und ihr KleinKlein eingebrockt hat, auslöffeln müssen. Sie tun zu wenig für die innere Sicherheit. Das ist der Tatbestand.
({5})
Wir stehen gerade im Bereich der inneren Sicherheit
vor großen Herausforderungen und vor schwierigen
rechtsstaatlichen Abwägungsprozessen. Das ist schon in
der gestrigen Debatte über die Sicherungsverwahrung
deutlich geworden.
({6})
Auch die Kronzeugenregelung ist ein schwieriger Fall.
Deshalb muss man eine klare Maxime haben, die deutlich macht, wie man bei der inneren Sicherheit vorgehen
will. Unsere Maxime ist, dass das rechtsstaatlich Mögliche und Vertretbare zugleich das rechtsstaatlich Gebotene ist.
({7})
Der Rechtsstaat hat zwei Aufgaben: Er hat natürlich die
Aufgabe, Grundrechtseingriffen eine Grundlage und
eine Begrenzung zu geben. Aber der Rechtsstaat hat
auch die Aufgabe, die Bürger zu schützen und Rechtsgüterschutz zu betreiben. Diese Aufgabe blenden Sie völlig
aus. Das, was möglich ist, muss getan werden.
({8})
- Sie machen nichts! Sie reden, aber Sie machen nichts.
Das ist der unbestreitbare Sachverhalt.
({9})
- Ihre Unruhe bestätigt diesen Befund. Wenn Sie etwas
vorzuweisen hätten, bräuchten Sie es einfach nur zu sagen. Außer Grummeln kommt von Ihnen leider nichts.
Es sind - das ist keine Frage - schwierige Fragen zu
entscheiden. Bei der Kronzeugenregelung zahlt der
Rechtsstaat seinen Preis. Niemand ignoriert die Schwierigkeiten. Kein Mensch sagt, dass das alles rechtsstaatlich im leichtfüßigen Galopp zu machen ist.
({10})
Aber man darf sich der Aufgabe und der Herausforderung nicht entziehen, nur weil es schwierig ist. Sie scheitern an der Herausforderung. Wir tun das nicht.
Die Frage ist: Warum sind wir bereit, für eine Kronzeugenregelung den rechtsstaatlichen Preis zu zahlen,
der darin besteht, dass ein Straftäter, mindestens ein Beschuldigter, der Strafe, die er verdient hat, nicht zugeführt wird? Warum sind wir bereit, diesen Preis zu zahlen? - Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen, weil der
Terrorismus die größte Friedensbedrohung unserer Zeit
ist und weil der Terrorismus mit Gefahren verbunden ist,
die katastrophale Dimensionen annehmen können. Das
sind die Qualität und die Dimension der Bedrohung, vor
der wir stehen. Darum können wir nicht einfach kapitulieren. Darum können wir uns das Klein-Klein der Koalition nicht leisten. Es sind enorme Gefahren. Die größte
Bedrohung, die der Frieden in der Welt zu fürchten hat,
geht vom internationalen, insbesondere islamistischen
Terrorismus aus.
Dieser Terrorismus arbeitet organisiert. Er arbeitet abgeschottet, sprachlich, organisatorisch und ethnisch abgeschottet. Den Strafverfolgungsbehörden gelingt es nur
sehr schwer, in diese abgeschotteten Strukturen einzudringen. Es ist ein Panzer aus Sprache, aus Sitte und aus
Ethnie, der für die Strafverfolgungsbehörden nur schwer
zu durchlöchern ist, um Straftaten zu verhindern.
Was wir vortragen, ist nicht nur eine politische Forderung, sondern es ist fast schon der Hilferuf aus der Praxis.
({11})
Ich lese Ihnen jetzt einmal einen dieser Hilferufe vor.
({12})
Er ist immerhin vom Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf.
({13})
- Vielleicht hören Sie einfach einmal zu! Ich schlage
vor, dass wir denjenigen, die damit in der Strafrechtspraxis betraut sind, einmal zuhören. Die Fähigkeit zum Zuhören ist auch eine demokratische Fähigkeit. Ich bitte
Sie, dem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
Düsseldorf, der dem al-Tawhid-Verfahren vorgesessen
hat, zuzuhören.
({14})
Er sagt - ich zitiere aus dem Urteil; er hat es in sein
Urteil hineingeschreiben -:
Eine Kronzeugenregelung ist zur Bekämpfung des
organisierten Terrorismus unverzichtbar. ... Unser
Fall hier zeigt geradezu exemplarisch mehrere ...
Aspekte auf:
Auch in den islamistischen Terrorgruppen finden
sich Mitglieder, die unter bestimmten Gegebenheiten zum Ausstieg bereit sind, wie es sich im Falle
des Angeklagten gezeigt hat. Es ist zu kurz gegriffen, bei den Mitgliedern solcher Vereinigungen ausnahmslos von unbeugsam ideologisch verhafteten
Islamisten auszugehen, die einer Ansprache mit
möglichen Strafvergünstigungen nicht zugänglich
sind.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Stünker?
Ich würde gerne das Zitat beenden. Dann lasse ich die
Zwischenfrage zu.
Ich zitiere weiter:
Die fehlende Möglichkeit der gesetzlich abgesicherten Zusage einer Vergünstigung erschwert, ja
behindert die Aufklärung begangener und die Verhinderung weiterer terroristischer Straftaten. …
({0})
Deshalb geht der dringende Appell an den Gesetzgeber, sich aufgrund der Erfahrungen mit dem vorliegenden Strafverfahren erneut der ({1})Einführung einer Kronzeugenregelung anzunehmen.
Hören Sie die Appelle! Hören Sie den Notruf der Praxis! Verweigern Sie sich nicht - das ist unser Appell -,
weil Sie in der Regierung keine Einigkeit haben, meine
Damen und Herren!
({2})
Jetzt ist die Redezeit schon zu Ende. Ich möchte nur
auf Folgendes hinweisen: Wir sollten es nicht zur Dauerregel machen, auf diese Weise zu längeren Debatten zu
kommen. Das ist, glaube ich, im Interesse von uns allen.
({0})
Ich lasse es jetzt noch einmal zu, aber dann nicht mehr.
Bitte.
Herr Kollege Röttgen, Sie haben den Notruf der Praxis vorgetragen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass
sowohl der Deutsche Richterbund als auch der Deutsche
Anwaltverein hierzu eine genau gegenteilige Stellungnahme abgegeben haben?
Mir ist bekannt, dass der Vorsitzende des Deutschen
Richterbundes eine andere Stellungnahme abgegeben
hat
({0})
und der DAV ebenso. Aber der DAV ist nicht die Vertretung der Richterschaft. Ich habe einen richterlichen
Praktiker zitiert, der in seiner konkreten richterlichen
Tätigkeit mit Terroristenprozessen befasst ist.
({1})
Diesen Praktiker hören wir und wir nehmen das sehr
ernst, was er aus seiner praktischen Erfahrung sagt, was
er Hilfe suchend an die Politik gewandt sagt.
Dass es bei dieser Frage in den Verbänden eine einheitliche Meinung gibt, ist nicht zu erwarten.
({2})
Ich nehme einen Praktiker, der betroffen ist und aus seinen Erfahrungen berichtet, sehr ernst. Wir halten die
Auffassung, die er vertritt, für zutreffend.
({3})
Darum haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir
haben ihn rechtsstaatlich eingebettet. Deshalb bestehen
keine Bedenken, ihm zu folgen. Wir fordern Sie auf,
nicht nur von den Gefahren zu reden, sondern auch zu
handeln, und zwar effektiv.
Danke sehr.
({4})
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
Alfred Hartenbach.
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrtes Präsidium!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die innere Sicherheit ist bei Rot-Grün in guten Händen.
({0})
Seit wir in der Regierungsverantwortung sind, geht nämlich laut Kriminalstatistik die Anzahl schwerer Straftaten
zurück und die Aufklärungsquote steigt.
Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von
der Unionsfraktion, präsentieren heute aber wieder einmal einen Gesetzentwurf, den wir zum größten Teil
schon aus der vergangenen Wahlperiode kennen. Er hat
bereits damals keinen Erfolg gehabt und - so viel vorweg - ich kann mir kaum vorstellen, dass das diesmal
anders ausgeht.
Lassen Sie mich zunächst auf die absolute Neuigkeit
Ihres Entwurfs eingehen, also auf Art. 1, der praktisch
zum Wiederaufleben der alten Kronzeugenregelung bei
terroristischen Straftaten führen würde. Die alte Regelung
ist Ende 1999 nicht verlängert worden. Die Gründe dafür
sind so oft und so intensiv erörtert worden, dass ich sie
hier nicht wiederholen muss. Für einen Rechtsstaat ist es
nun einmal kein einfaches und selbstverständliches Anliegen, einen Straftäter - das ist der Kronzeuge - mit einer
geringeren als der eigentlich verwirkten Strafe davonkommen zu lassen.
Ich bin mir außerdem sicher, dass Sie die Mehrheit
dieses Hauses nicht zu einer Änderung der Entscheidung
von 1999 bringen werden, wenn Sie in der Entwurfsbegründung allein und pauschal - das haben Sie auch eben
getan - auf die Erfahrungen in Verfahren gegen
islamistische Terroristen hinweisen. Gerade da bietet
sich nämlich in Wahrheit ein ausgesprochen zwiespältiges Bild: In einem Verfahren hat der von Ihnen zitierte
Vorsitzende Richter - er hat im Moment große Probleme - für eine Kronzeugenregelung plädiert, weil das
Aussageverhalten eines Beschuldigten in diesem einen
konkreten Verfahren das nahe legte. Er hat ihn auch ohne
diese Regelung verurteilt.
Bei anderen Beschuldigten aus diesem Umfeld sind
sich die Experten aber weitgehend sicher, dass sie für
mögliche Anreize einer Kronzeugenregelung kaum empfänglich wären. Das ist insbesondere angesichts des
ideologischen, religiös-fanatischen Hintergrunds der Beschuldigten auch nicht anders zu erwarten. Ein solcher
Hintergrund dürfte bei der Mehrheit der infrage kommenden Personen bestehen.
Immerhin wollen wir gerne mit Ihnen zusammen darüber nachdenken, welche Möglichkeiten zum Schutz
der Bevölkerung vor schwersten Straftaten sinnvoll erscheinen.
({1})
- Herr Röttgen, hören Sie einem erfahrenen Praktiker
einmal zu! Sie haben eben ja auch einen zitiert.
({2})
Allerdings brauchen wir noch etwas mehr und substanzielleren Hintergrund, als Sie ihn liefern.
Wenn wir schon über ernsthafte Erörterungen sprechen, dann sollten Sie übrigens besser damit aufhören,
die Kronzeugenregelung als Forderung „nahezu der gesamten Praxis“ zu bezeichnen.
({3})
Es wäre schön, wenn Sie als Beleg dafür eine Studie des
Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen
nicht nur zitieren, sondern diese Studie irgendwann auch
einmal lesen würden. Der Rücklauf der bundesweiten
Erhebung bestand im Wesentlichen aus 466 Fragebögen.
231 davon stammten aus dem Justizbereich - 231 Fragebögen bei etwa 15 000 Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit und etwa 6 000 Staats- und Amtsanwälten!
Dieses Zahlenverhältnis entwertet nicht diese Studie,
der sich auf jeden Fall wertvolle Aspekte für eine sachliche Diskussion entnehmen lassen. Ihre Behauptung, die
Einführung einer Kronzeugenregelung entspreche einer
Forderung „nahezu der gesamten Praxis“, kommentiert
sich danach allerdings praktisch von selbst.
Von mir dazu nur noch der Hinweis - Herr Stünker
hat ihn schon gegeben -, dass sich der Deutsche Richterbund ausdrücklich gegen eine Kronzeugenregelung ausgesprochen hat.
Noch schwerer fällt es, mit Ihnen einen Erfolg versprechenden Dialog zu führen, wenn man die Art. 2 bis 9
Ihres Gesetzentwurfs ansieht.
({4})
Wir haben in der Vergangenheit einen Dialog angeboten
und wir haben erklärt, was uns an diesem Entwurf rein
fachlich fehlerhaft zu sein scheint. Wir können leider
nicht feststellen, dass das in irgendeiner Form Niederschlag gefunden hätte.
({5})
Hier nur einige Stichworte: Unverändert streut der
Entwurf 20 einzelne Kronzeugenregelungen quer durch
StGB und Nebenstrafrecht; das ist in seiner Unübersichtlichkeit völlig unpraktikabel. Deshalb wurde der Entwurf gerade von den Praktikern in der Anhörung des
Rechtsausschusses im November 2001 regelrecht verrissen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Röttgen?
Ich möchte weiterreden; er hat schon genug geredet. Unverändert fehlt jede nachvollziehbare sachliche Erklärung dafür, weshalb Sie eigentlich bei diesen und jenen
Delikten Kronzeugenregelungen vorsehen wollen, bei
anderen jedoch nicht. Was soll einerseits eine Kronzeugenregelung im Ausführungsgesetz über das Chemiewaffenübereinkommen, wenn Sie andererseits in Ihrem
Entwurf nicht einmal dem kleinen Schläger am Rande
einer kriminellen Organisation den Anreiz geben, über
seine Bosse auszupacken? Nicht, dass mir der kleine
Schläger sonderlich sympathisch wäre; im Gegenteil.
Aber hier kommen wir schnell wieder zur Grundsatzfrage, ob man überhaupt eine Kronzeugenregelung vorsehen sollte. Ich versuche im Moment also nur, Ihren
Ansatz konsequent zu Ende zu denken, kann aber in Ihrem Ansatz keine Konsequenz erkennen.
Auch hinsichtlich anderer Delikte ist Ihr Ansatz inkonsequent. Ich kann leider aufgrund der zu Ende gehenden Redezeit nicht weiter darauf eingehen, möchte
nur noch einige Ungereimtheiten bezüglich der prozessualen Regelungen aufzeigen: Wie soll das zum Beispiel
mit dem Wiederaufnahmeverfahren gegen den lügenden
Kronzeugen vonstatten gehen? Denken Sie doch bitte
einmal darüber nach, was Sie da in einer Strafprozessordnung anrichten, die sich bisher in ihren Grundzügen
bewährt hat.
({0})
Das kurze Fazit aus meinen Bemerkungen kann nur
lauten: Völlig unabhängig davon, wie man sich bezüglich der Frage Kronzeugenregelung grundsätzlich entscheidet - pro oder kontra -, ist dennoch festzuhalten:
So wie Ihr Entwurf das vorsieht, darf man das nicht machen. Sie, Herr Röttgen, haben mit klingender Rhetorik
nur Nebelkerzen geworfen, weil Ihnen die Sachargumente während Ihrer Oppositionszeit offensichtlich abhanden gekommen sind.
({1})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg van Essen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben die Frage der Kronzeugenregelung hier im
Bundestag ja bereits häufiger debattiert.
({0})
Ich habe für die Freien Demokraten deutlich gemacht,
dass wir für eine Kronzeugenregelung sind. Ich betone
dabei aber, wie ich es bisher auch immer unterstrichen
habe, dass wir für eine rechtsstaatliche Kronzeugenregelung sind.
({1})
Warum sind wir dafür? Gerade im Bereich der organisierten Schwerstkriminalität kann man in den Kern
der Organisationen nur eindringen, wenn man demjenigen, der bereit ist, einer solchen kriminellen Organisation den Rücken zu kehren, die Hand reicht. Eine wichtige Möglichkeit, die Hand für die Zusammenarbeit mit
der Justiz zu reichen, bietet eine solche Kronzeugenregelung. Das Ganze ist nicht unproblematisch, weil diese
Straftäter natürlich in aller Regel eine schwere Schuld
auf sich geladen haben. Das macht deutlich, dass eine
solche Kronzeugenregelung nur unter bestimmten Voraussetzungen greifen kann und greifen darf.
Die CDU/CSU hat einen Entwurf vorgelegt, der, wie
ich hoffe, uns Gelegenheit geben wird, die Fragen, die
notwendigerweise diskutiert werden müssen, hier im
Deutschen Bundestag auch zu diskutieren. Dass ein solches Vorgehen quer durch alle Fraktionen möglich ist,
hat der Umgang mit dem Vorschlag der FDP-Bundestagsfraktion hinsichtlich der heimlichen Aufnahmen gezeigt. Am Anfang wurden zwar auch diese oder jene Bedenken geäußert, dann aber haben sich alle Fraktionen in
einem, wie ich finde, vorbildlichen Verfahren auf einen
gemeinsamen Gesetzentwurf verständigt. Das muss auch
hier gelingen.
Ich will ein paar Punkte ansprechen, die für uns als
FDP wichtig sind:
Erstens. Wir wollen nicht, dass es einem Pseudokronzeugen gelingt, Strafvorteile zu erreichen. Einer,
der zunächst mit der Justiz zusammenarbeitet, dann aber
beispielsweise im Prozess auf einmal Gedächtnislücken
hat und diese Zusammenarbeit einstellt, darf nicht von
der Kronzeugenregelung profitieren; das ist vollkommen
klar. Sie haben das in Ihrem Entwurf erfreulicherweise
auch so vorgesehen. Ob das immer so geschehen ist,
dass man die Regelungen problemlos umsetzen könnte,
möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Der Vertreter der Bundesregierung hat dies ja gerade auch schon
kritisiert. Aber ich denke, dass der Ansatz, den Sie dort
haben, richtig ist: Ein Pseudokronzeuge darf keine Strafminderung bekommen.
In einem zweiten Punkt stimme ich mit Ihnen nicht
überein. Für uns ist ganz wichtig, dass eine Verurteilung
nicht allein auf der Aussage eines Kronzeugen beruhen
darf. Es muss auch weitere Mittel geben, die zur Feststellung der Schuld des Täters führen. Denn gerade die
Kronzeugen kommen häufig aus einem zwielichtigen
Milieu und sind in schärfste Straftaten verwickelt. Man
kann nicht ausschließen, dass sie die Dinge so darstellen,
dass sie selbst günstig wegkommen. Deshalb müssen
weitere Beweismittel hinzukommen. Eine entsprechende
Regelung finde ich in Ihrem Gesetzentwurf nicht; Sie
schließen das ausdrücklich aus. Ich bedaure das.
Ein weiterer Punkt, über den wir nachdenken müssen, ist,
ob es richtig ist, dass Sie sich an die Organisationsdelikte in
§ 129 a und 129 b Strafgesetzbuch anhängen. Ich selbst
bin in dem Bereich als Oberstaatsanwalt längere Zeit tätig gewesen und ich weiß, wie schwierig es ist, ein Organisationsdelikt nachzuweisen. Aber schwerste Straftaten,
die für solche Organisationen typisch sind, können häufig nachgewiesen werden. Deshalb halte ich es für überlegenswert, ob man statt der Organisationsdelikte nicht
besser einen Katalog der schwersten Verbrechen als Anknüpfungspunkt nimmt. Darüber sollten wir sprechen.
Ähnlich kritisch wie Staatssekretär Hartenbach bin
ich bei den vielen Einzelregelungen, die Sie im Strafgesetzbuch, aber auch in den Nebengesetzen vorsehen. Ich
bin der Auffassung, dass wir gut beraten sind, wenn wir
das auf einige wenige Fälle beschränken und keine Ausweitung vornehmen, beispielsweise auf den Tatbestand
des Betruges, wie Sie es vorsehen. Auch da sehe ich Gesprächsbedarf.
Alles, was Sie gerade von mir gehört haben, macht
deutlich, dass die Liberalen eine rechtsstaatliche Kronzeugenregelung wollen. Ich denke, dass die heutige Debatte gezeigt hat, dass es genügend Gesprächsstoff für
alle gibt. Ich appelliere noch einmal an uns alle - gerade
weil ich aus der Praxis komme, weil ich die Nöte meiner
Kollegen, die in diesem schwierigen Bereich als Staatsanwälte ermitteln müssen, kenne -, dafür zu sorgen, dass
wir zu einer rechtsstaatlichen Kronzeugenregelung kommen. Der Weg dahin müsste eigentlich zu ebnen sein.
Ich appelliere insbesondere an die Kollegen von der
SPD, weil ich weiß, dass es bei Ihnen viele gibt, die genauso denken wie ich.
Herzlichen Dank.
({2})
Das Wort hat jetzt der Kollege Montag, dem wir vorweg zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.
({0})
Ganz herzlichen Dank für diese persönliche Erwähnung, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Röttgen, Ihre These, die Sie
heute hier vorgetragen haben - was rechtsstaatlich möglich sei, das sei im Wege des Handelns auch geboten -, ist,
verzeihen Sie mir bitte, absurd. Rechtsstaatlich möglich
ist sehr vieles. Aber wir werden nur das machen, was
sachlich geboten ist.
({0})
Das, was sachlich geboten ist, entspricht nicht dem, was
Sie hier vorgelegt haben; es ist unsachlich. Wir werden
diesem Weg nicht folgen.
Ich will den - wie ich befürchte, leider Gottes untauglichen - Versuch machen, einen Begriff aus der Debatte
zurückzuholen. Wir leben nicht in einer Monarchie, sondern in einer Demokratie. Bei uns ist die Staatsanwaltschaft nicht die Vertreterin der Krone, sondern die der
Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist der Begriff des
Kronzeugen, der auf das angelsächsische Recht zurückgeht und der besagt, dass die Exekutive einen Beschuldigten unter ihre Fittiche nimmt, die Erkenntnisse auswertet und ihn der Justiz vorenthält - das ist das Wesen
der Kronzeugenregelung -, auf unser Rechtssystem und
auf das, was bei uns möglich ist, überhaupt nicht übertragbar.
Ich lehne es auch ab, von Verrätern zu sprechen, deren Verrat man liebt. Aber lasst uns von den Straftätern
reden, die sich im Rahmen des Strafgesetzbuches Milderung verdienen wollen, indem sie ihre Erkenntnisse den
Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen! Die Frage
ist: Braucht man dazu überhaupt neue gesetzliche Regelungen? In der Praxis ist man überwiegend der Meinung:
Nein, das ist mit den geltenden Regeln sehr wohl zu machen.
({1})
In diesem Zusammenhang muss man zwei Fragen
stellen. Erste Frage: Welche Aussage wird belohnt: die
wichtige oder die richtige? In § 1 Ihres Gesetzentwurfs
stellen Sie ausschließlich darauf ab, dass die Aussage für
die Ermittlungsbehörden von Bedeutung sein muss.
Aber an keiner Stelle steht, dass die Aussage richtig sein
muss.
({2})
Völlig absurd sind die Regelungen in den folgenden
Paragraphen. Sie wollen nämlich jemanden, der seine
falsche Aussage zugunsten der Wahrheit zurücknehmen
will, mit einer höheren Strafe bedrohen.
({3})
Das ist so rechtsstaatswidrig und so absurd, dass ich Ihnen nur sagen kann: Ziehen Sie Ihren vorgelegten Gesetzentwurf schnellstens zurück!
({4})
Nach der Frage der materiellen Richtigkeit der belastenden Aussagen stellt sich die zweite Frage: Wer
soll in der Lage sein, einem solchen Menschen eine
rechtsverbindliche Zusicherung zu machen?
({5})
Sie sagen dazu, das könne der Generalbundesanwalt
sein. Wir sagen, dass es nur - wenn überhaupt; dafür gibt
es Instrumentarien - das erkennende Gericht sein kann,
nachdem es selbst geprüft hat, ob die Aussage der Wahrheit entspricht.
({6})
Das sind die beiden Fragen, um die es geht.
Herr Dr. Röttgen, ich komme jetzt zu der Frage, die
Sie angesprochen haben. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf auf der ersten Seite:
Wie jüngste Erfahrungen in Prozessen gegen islamistische Terroristen bestätigen, sind Kronzeugenregelungen in diesem Bereich unerlässlich.
Tatsächlich sind Sie in der Lage, aus einem Urteil eines
OLG zu zitieren, in dem sich der Vorsitzende Richter in
einer bestimmten Richtung geäußert hat. Schaut man
sich die Sache etwas genauer an, dann stellt man fest,
dass dieser Vorsitzende Richter zu einer Zeit, als Sie die
Regierung stellten, im Bundesjustizministerium für die
alte Kronzeugenregelung verantwortlich war.
Dieser ehemalige Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums spricht als Vorsitzender Richter in einem Urteil
in einen Obiter Dictum eine rechtspolitische Fragestellung an, die in dieses Urteil überhaupt nicht hineingehört.
({7})
Fakt ist nämlich, dass in diesem Verfahren, das Sie angesprochen haben, der Angeklagte einer Straftat verdächtig
war, für die ein Strafrahmen von einem bis zehn Jahren
vorgesehen ist. Er hat von diesem Gericht eine Strafe
von vier Jahren bekommen. Das Gericht hätte aber nach
geltenden Regeln diesem Straftäter aufgrund seiner kooperativen Mitarbeit leicht eine Strafe von nur einem Jahr
geben können. Hören Sie genau zu: Der Verteidiger dieses Angeklagten hat das Urteil sofort angenommen und
direkt nach der Urteilsverkündung gesagt, dass er für
seinen Mandanten keine Kronzeugenregelung gebraucht
hätte, weil das geltende Recht vollständig ausgereicht
hätte.
Zum Schluss will ich noch eines sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Richter sprechen Recht. Manchmal haben sie sogar Recht. Deswegen hören Sie auf die
Richter des Deutschen Richterbundes, die am 26. Januar 2004 zu diesem Thema gesagt haben - ich zitiere -:
Das Kronzeugengesetz von 1989 hat die Erwartungen der Praxis nicht erfüllt.
({8})
Es besteht die Gefahr eines Missbrauchs: Um die
eigene Strafbarkeit zu verharmlosen, wird falsch
ausgesagt und werden Dritte zu Unrecht belastet.
Weiter heißt es dann:
Bereits nach den geltenden Gesetzen kann die Kooperationsbereitschaft eines Beschuldigten ausreichend berücksichtigt und „honoriert“ werden.
Dies ist die Stimme der deutschen Richterschaft. Ich
empfehle Ihnen, dass Sie Ihren Gesetzentwurf zurückziehen und sich dieser Auffassung anschließen.
({9})
Jetzt hat der Abgeordnete Thomas Strobl das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der deutschen Sicherheitsarchitektur gibt es gewaltige Schwachstellen. Das Fehlen einer Kronzeugenregelung, wie wir sie heute in unserem Gesetzentwurf
einbringen, ist eine gravierende Sicherheitslücke.
Herr Kollege Montag, ich will einmal Praktiker der
Strafverfolgungsbehörden zitieren - denn Sie haben ja das,
was Kollege Röttgen hier vorgetragen hat, bestritten -, und
zwar den Bund Deutscher Kriminalbeamter,
({0})
der die Bundesregierung, die Koalitionsfraktionen und
insbesondere Ihren Kollegen Beck scharf kritisiert:
Es ist kaum zu glauben, in welcher Weise ein halbes
Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September
die damalige Ankündigungspolitik zur Makulatur
verkommt! Eine Kronzeugenregelung ist für die
Aufklärung und Verhinderung schwerster Straftaten
im Bereich des Terrorismus und der organisierten
Kriminalität unabdingbar. Bereits vor zwei Jahren
hat die Innenministerkonferenz sich eindeutig in
diesem Sinne festgelegt, im Herbst letzten Jahres
hat die Bundesregierung dies als Reaktion auf die
Terroranschläge nochmals bekräftigt. Im Ergebnis
ist nichts geschehen und jetzt will man dieses wirkungsvolle Instrument zur Gewinnung von Aussteigern aus hochkriminellen Szenen offenbar völlig
auf Eis legen.
Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
({1})
Herr Staatssekretär, Sie haben sich darauf bezogen,
dass wir einen solchen Gesetzentwurf bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingebracht haben; das ist
richtig. Diesen haben Sie damals abgelehnt. Sie können
das heute wieder tun. Sie sollten nur berücksichtigen,
dass vor zweieinhalb Jahren, am 11. September 2001, etwas geschehen ist.
({2})
Wir sind uns doch sicherlich alle darin einig, dass wir
vor einer Herausforderung in einer ganz neuen und anderen Dimension stehen: dem radikalen, internationalen
islamistischen Terrorismus. Ziel unser aller Politik
sollte es sein - jedenfalls ist es das Ziel der CDU/CSU -,
alles dafür zu tun, um unsere Bevölkerung vor dieser
neuen Bedrohung zu schützen. Das heißt aber konkret,
unseren Sicherheitsorganen alle rechtsstaatlichen Mittel
an die Hand zu geben, um die Bevölkerung wirksam
schützen zu können.
Dazu gehört selbstverständlich, entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen. Das ist unsere Aufgabe.
Im Rahmen eines Gesamtkonzepts, einer umfassenden
neuen Sicherheitsarchitektur müssen alle Sicherheitsorgane in die Lage versetzt werden, vernetzt und effektiv
gegen internationale Terrorgruppen vorzugehen.
Die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ist
ein Baustein einer solchen Sicherheitsarchitektur. Ihr
Ziel liegt vor allem im präventiven, also im vorbeugenden Bereich, in der Verhinderung schwerer und schwerster Straftaten. Deshalb bringen wir den Entwurf eines
Gesetzes zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung
ein.
Die überwiegende Anzahl der Praktiker unterstützt
eine solche Regelung.
({3})
- Auch Richter sind selbstverständlich Praktiker. Es gibt
zwar bei den Richtern unterschiedliche Stimmen; aber
die überwiegende Anzahl der Strafrechtspraktiker unterstützt die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung.
({4})
- Das ist doch ganz unstreitig. Herr Kollege, wenn Sie
dies nicht glauben, dann fragen Sie einmal Ihren Nachbarn, den Kollegen Kemper. Er war ein paar Jahre länger
als Sie Kriminalbeamter.
({5})
Kriminalbeamte sind ebenfalls Praktiker. Die haben sogar einmütig eine Stellungnahme dazu abgegeben.
Ich kann gerne auch einmal Bundesinnenminister
Schily zitieren.
({6})
Thomas Strobl ({7})
Der ist ja nun unverdächtig; zumindest ist er Mitglied Ihrer Partei. Ich zitiere aus einer Bundestagsdebatte vom
11. Oktober 2001:
Eine Kronzeugenregelung kann … ein wichtiges
Hilfsmittel zur Verhinderung und zur Aufklärung
von Straftaten sein,
({8})
wenn sie so gestaltet ist, dass jemand im Hinblick
auf Sanktionen strafrechtlich milder behandelt
wird, wenn er dazu beiträgt, eine Straftat zu verhindern oder sie aufzuklären.
({9})
Das ist beispielsweise der Fall, wenn er die Ermittlungsbehörden zu einem Sprengstoffversteck bzw.
zu einer konspirativen Wohnung führt oder in anderer objektiv nachweisbarer Weise dazu beiträgt, bei
der Strafverfolgung zu helfen.
So Otto Schily am 11. Oktober 2001. Der Mann hat
Recht. Wir danken dem Bundesinnenminister für die Begründung unseres Gesetzentwurfes.
({10})
Es war im Übrigen so, dass die 1999 ausgelaufene
Kronzeugenregelung durchaus ein Erfolg gewesen ist.
Sie ist zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
und auch zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
unverzichtbar. Richtig ist, dass wir insbesondere bei der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit den
üblichen Ermittlungsmethoden - Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten und Telefonüberwachung Probleme haben.
({11})
- Herr Kollege Montag, deswegen ist es insbesondere
aufgrund der Bedrohungssituation durch den internationalen islamistischen Terrorismus, die Sie ja nicht in Abrede stellen, umso notwendiger, dass wir die Kronzeugenregelung wieder einführen. Sie ermöglicht es, in den
Kern krimineller Strukturen einzudringen, diese zu
sprengen und - ich wiederhole es - schwere und
schwerste Straftaten zu verhindern.
Ich gebe zu, die Kronzeugenregelung ist nicht das allein selig machende Mittel, aber sie ist eine Chance und
ohne Zweifel ein wichtiger Baustein für die ermittelnden
Behörden im Kampf gegen Terror und organisiertes Verbrechen. Deshalb möchte ich uns alle auffordern: Machen wir den Weg für eine wichtige Maßnahme im
Kampf gegen Terror und organisiertes Verbrechen frei!
Schließen wir eine gravierende Sicherheitslücke, die seit
Ende 1999 in Deutschland besteht!
Herr Kollege van Essen, man kann in der Debatte
über manches reden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass im Grundsatz der von uns eingebrachte Gesetzentwurf zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung absolut in die richtige Richtung geht.
Besten Dank.
({12})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tobias Marhold.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung ist sich der anhaltenden Bedrohung bewusst, die vom Terrorismus sowohl innerhalb
als auch außerhalb unseres Landes ausgeht. Davon können Sie ausgehen, Herr Strobl.
({0})
Mit den Antiterrorgesetzen infolge des
11. Septembers wurden bereits zahlreiche Maßnahmen
einer wirksamen Antiterrorbekämpfung eingeleitet.
Wir haben unser Land sicherer gemacht. Das sei vorab
einmal gesagt.
({1})
Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf der CDU/
CSU sieht die Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung vor. Um es gleich zu sagen, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der CDU/CSU: Ihr Entwurf ist ein alter
Hut, den wir uns nicht aufsetzen werden,
({2})
weil er garantiert nicht zu mehr Sicherheit führen wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wir
begrüßen es sehr, dass Sie eigene Vorschläge machen,
aber Sie sollten doch genauer hinschauen, ob Ihre Vorschläge auch sinnvoll sind. Wir alle wissen, dass die
Kronzeugenregelung in der Vergangenheit umstritten
war, und zwar nicht ohne Grund. Die damalige Regelung
war nicht in dem Maße erfolgreich wie erhofft. Sie
wurde nur auf einige wenige Fälle angewandt. Das ist
zweifellos kein gutes Ergebnis. Daher haben wir die alte
Kronzeugenregelung zum Jahr 2000 auslaufen lassen.
Die bereichsspezifischen Lösungen, auf die Sie in Ihrem Entwurf setzen, führen in die Irre. Schon mit den bestehenden Regelungen, die es etwa im Betäubungsmittelgesetz gibt, ist es nicht gelungen, Strukturen
aufzudecken und an die „großen Fische“ zu kommen.
Das können Ihnen die Praktiker bestätigen.
({3})
Sie wollen mit Ihrem Entwurf auch eine Vielzahl von
Vorschriften des Strafgesetzbuches ändern. Doch denken
Sie auch einmal an die gesetzgeberische Klarheit, die in
diesem sensiblen Bereich notwendig ist. Lassen Sie
mich an dieser Stelle gleich eines anmerken, was mich
doch sehr verwundert hat: Gestern wollte uns der Kollege Röttgen Nachhilfe in Sachen Schutz des Bürgerwohls erteilen und heute wollen Sie eine Strafmilderung
für Mörder durchsetzen,
({4})
und zwar mit dem Ergebnis, dass diese gefährlichen
Straftäter nach nur drei Jahren wieder in die Freiheit entlassen werden können. So jedenfalls steht es in Ihrem
Entwurf, und zwar in Art. 1 § 3 Satz 2. Sie können es
gern nachlesen.
({5})
Ich will mich nicht der Polemik und dem Populismus
des gestrigen Tages anschließen, als wir über die nachträgliche Sicherungsverwahrung gesprochen haben.
Denken Sie bitte selbst darüber nach, ob diese Regelung
so vertretbar ist oder nicht. Ich persönlich habe da große
Bedenken.
Sie übersehen auch, dass im Strafrecht und im Strafprozessrecht bereits Möglichkeiten bestehen, Strafen zu
mildern oder Verfahren einzustellen, wenn ein Tatbeteiligter seine Kenntnisse dem Gericht umfassend zur Verfügung stellt. Das haben Sie in Ihrer Begründung übersehen.
Ein ist jedoch auch klar - lassen Sie mich das als Innenpolitiker sagen -: Die organisierte Kriminalität und
international agierende Terrornetzwerke lassen sich
oftmals nur von innen knacken; denn die Beteiligten haben ihre Methoden verfeinert und von außen sind die
Organisationsstrukturen nur schwer durchschaubar.
Die Beweisführung gegen diese Gruppen und Personen
ist daher keinesfalls einfacher geworden. Das wissen wir
alle.
Wichtig ist es deshalb, rechtsstaatlich vernünftige Regelungen zu treffen, die Sicherheit schaffen.
({6})
Das betrifft durchaus auch den Bereich, in dem es darum
geht, Aussagen von Tatbeteiligten zu bekommen, die
dann wiederum helfen, Netzwerke und Gruppen aufzudecken und strafrechtlich zu verfolgen.
({7})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte gern im Zusammenhang vortragen.
Die Bundesregierung hat hier schon einiges auf den
Weg gebracht.
({0})
- Hören Sie einfach zu, vielleicht lernen Sie dann noch
etwas. - Denken Sie beispielsweise an das Zeugenschutzharmonisierungsgesetz. Seit 2001 können Aussagen und andere Beweise, die für die Strafverfolgung
bislang wegen der Bedrohung von Zeugen nicht genutzt
werden konnten, von den Gerichten verwertet werden,
weil Zeugen jetzt besser geschützt werden können und
deshalb aussagebereit sind. Dass dadurch besonders der
sensible Bereich der Terrorismusbekämpfung angesprochen ist, liegt meiner Ansicht nach auf der Hand.
Die Bekämpfung des Terrorismus, liebe Kolleginnen
und Kollegen, hatte und hat für die Bundesregierung
nach wie vor höchste Priorität und jegliche Formen von
Extremismus und Gewalt müssen durch ein entschlossenes, aber gleichzeitig auch besonnenes Handeln des
Rechtsstaates bekämpft werden.
({1})
Das betrifft auch die Frage, wie es uns gelingen kann,
Aussagen von Tatbeteiligten zu erlangen, die dann zur
Aufklärung oder Verhinderung anderer Straftaten beitragen.
Lassen Sie mich betonen: Hierüber müssen wir nachdenken. Viele Wege sind denkbar.
({2})
Das alles erfordert eine sorgfältige Prüfung, der wir uns
nicht verschließen werden. Wir brauchen effiziente Regelungen, die Sicherheitsbedürfnisse und Rechtsstaatlichkeit miteinander verbinden. Richtig ist - das ist auch
kein Geheimnis -, dass im Hinblick auf diese Frage zwischen den Koalitionspartnern durchaus unterschiedliche
Bewertungen bestehen. Das halte ich aber für einen normalen Vorgang und ich darf Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen, daran erinnern, dass die Einführung der alten
Kronzeugenregelung zu einigen Auseinandersetzungen
mit Ihrem damaligen Koalitionspartner FDP führte. Das
haben Sie hoffentlich nicht vergessen.
Wir werden diese Frage, wie alle anderen auch, gemeinsam klären und dann zu einer Lösung kommen.
({3})
Sicher ist, dass dabei Rechtsstaatlichkeit, Effizienz und
gesetzgeberische Klarheit die Hauptrollen spielen werden. Ihr Entwurf aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ist dabei leider wenig hilfreich.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang
Zeitlmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich bin eigentlich erstaunt, dass man hier so entrüstet und grundsätzlich diskutiert. Ich halte den Ansatz
des Kollegen van Essen eigentlich für ganz entscheidend: Wenn man dem Wunsch mancher Praktiker - ich
gebe zu: nicht aller - nach besseren Methoden zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität nachkommen will, dann darf man nicht jahrelang
- das sind jetzt immerhin schon fünf Jahre - die Dinge
an die Wand spielen und so tun, als würden wir hier etwas ganz Entsetzliches vorschlagen. Gleichzeitig geben
Sie, Herr Kollege Marhold, zu, dass es diese Regelung
im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes gibt. Dieses
apodiktische „Um Gottes willen“ und „Das ist von Übel
und rechtsstaatlich undenkbar“ muss aufhören.
({0})
Es muss einem doch zu denken geben, dass Leute wie
Freiberg und Kersten die Kronzeugenregelung als eine
Möglichkeit der Terrorismusbekämpfung sehen. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine Kannbestimmung. Es wird also niemand zu etwas gezwungen.
Wenn sich für den Gesetzgeber eine Möglichkeit eröffnet und Praktiker sich diese Möglichkeit wünschen,
müssten beim Gesetzgeber eigentlich die roten Lampen
ausgehen und man müsste sagen: Diese Regelung ist
rechtsstaatlich möglich und sie scheint für manche auch
hilfreich zu sein.
Ich erinnere mich noch sehr genau, dass im Vorfeld
der damaligen Kronzeugenregelung immer die Frage gestellt wurde, ob es sich hinterher beweisen lässt, dass es
aufgrund der Aussage des Kronzeugen einen Durchbruch bei den Ermittlungen gab. Das ist natürlich eine an
sich unzulässige Fragestellung, denn beweisen kann man
das hinterher nicht immer. Denn die Verunsicherung im
Milieu und im Terrorismusbereich wäre schon ausreichend. Der Richter selbst weiß doch, wann es passt und
wann nicht. Er kann die Materie vor Ort eingehend beurteilen und sagen, ob im Einzelfall wirklich etwas erreicht
wurde oder nicht.
Ich glaube, dass Sie nie eine einvernehmliche Regelung schaffen können, der alle Richter, Praktiker und
Verbände zustimmen. Ohne Zweifel besteht auch für Sie
die Gefahr, dass - was Gott verhüten möge -, wenn wieder einmal ein terroristisches Ereignis stattgefunden hat,
unter dem Druck einer Debatte und auch vieler Populisten doch entsprechende Regelungen geschaffen werden
müssten.
Seit fünf Jahren sagen Sie, unser Entwurf sei nicht
ausreichend. Auch Herr van Essen hat ja Bedenken. Darüber kann man reden. Man ist ja kompromissfähig.
Aber nur Nein zu sagen und auf diesem Felde fünf Jahre
lang nichts zu tun, das scheint mir beim besten Willen
nicht angemessen und nicht richtig. Sie können von mir
aus auch einen eigenen Entwurf vorlegen. Aber fünf
Jahre lang, also seitdem die alte Regelung ausgelaufen
ist, nichts zu tun, scheint mir eine ganz gefährliche Situation zu sein, die aber Sie zu verantworten haben.
({1})
Auch vom Vertreter des Ministeriums hätte ich erwartet,
dass er nicht nur die Mängel des jetzigen Entwurfs aufzeigt, sondern auch eine gewisse Bringschuld erfüllt und
sagt, wie man eine solche Regelung seiner Meinung
nach gestalten könnte und wo es richtige Entwicklungen
gibt.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenfassend sage ich eines: Wenn der Gesetzentwurf, den wir
eingebracht haben, wenigstens dazu führen würde, dass
Ihre Ideologie ein bisschen zurückgedrängt wird und die
Praktiker etwas mehr Möglichkeiten haben, um zu argumentieren,
({3})
dann wäre dies schon ein Erfolg an sich.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({4})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Abgeordnete
Joachim Stünker.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Präsidentin, bitte.
({0})
- Entschuldigung, Frau Präsidentin. - Kollege Röttgen
hat vorhin eingangs seiner Rede zu Recht den Zusammenhang zur gestrigen Debatte zur Sicherungsverwahrung hergestellt.
({0})
Herr Kollege Röttgen, eigentlich könnten die Gegensätze zwischen uns nicht deutlicher werden als durch
das, was Sie am heutigen Tag zur Wiedereinführung der
Kronzeugenregelung ausgeführt haben. Diese Gegensätze sind für einen Strafrechtler in der Tat schwer verdaubar.
({1})
- Darum geht es doch nicht. - Um es anders auszudrücken: Hier bestehen wirklich erhebliche Akzeptanzprobleme. Denn nach dem 11. September 2001 haben
wir hier gemeinsam - das war ja eine vernünftige Aktion
des Deutschen Bundestages - Vorkehrungen getroffen,
um uns im Bereich der inneren Sicherheit besser gegen
Anschläge zu wappnen.
Aber worüber reden wir eigentlich, wenn es heute um
Ihren Entwurf geht? Hier muss man einmal in die Details
gehen. Wir reden darüber, dass Sie mit der von Ihnen
vorgeschlagenen Regelung zukünftig einen Mörder, einen Totschläger, einen schweren Gewaltverbrecher, einen Vergewaltiger oder sonstige Schwerstkriminelle entweder völlig straffrei lassen oder aber mit einer
Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren davonkommen
lassen wollen.
({2})
Mit dieser Regelung wollen Sie die Androhung einer
lebenslangen Freiheitsstrafe durchbrechen, sodass ein
Mörder zukünftig mit einer dreijährigen Freiheitsstrafe
davonkommen kann.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Strobl?
- Nein danke, Frau Präsidentin. Ich möchte gerne im
Zusammenhang vortragen.
({0})
- Herr Grindel, der Schreihals da vorne, verhält sich in
seinem Wahlkreis genauso. Sie sollten vielleicht einmal
in Ruhe zuhören. Das würde Ihnen gut tun.
({1})
Die Voraussetzung hierfür, Herr Kollege Röttgen, soll
sein, dass der Betreffende den Strafverfolgungsbehörden
Kenntnisse vermittelt, die geeignet sind, das Begehen einer terroristischen Straftat zu verhindern, eine solche
aufzuklären oder die Täter zu ergreifen. Ich wiederhole:
Mitteilung seines Wissens über Tatsachen, die geeignet
sind - mehr ist nicht Voraussetzung dafür, dass ein Mörder zukünftig im Ergebnis mit nur drei Jahren Freiheitsstrafe davonkommen kann. Der Erfolg als solcher muss
nicht einmal eingetreten sein.
Dann stellt sich auch die weitere Frage: Welche Tatsachen sind denn geeignet? Wer will beurteilen, welche
Tatsachen geeignet sind? Die Rechtsfolge ist immer weit
gehend.
({2})
- Schauen Sie in Ihren Gesetzentwurf hinein, da steht etwas anderes drin.
({3})
Solch eine Regelung ist ein Einfallstor für Lüge und Denunziation im Strafprozess.
Eine andere Frage ist, was in diesen Fällen mit dem
Opferschutz ist, den Sie gestern hier in der Debatte wie
eine Monstranz vor sich hergetragen haben.
({4})
- Herr Kollege Röttgen, bei der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung soll eindeutig Täterschutz vor Opferschutz
gehen. Genau das werden wir nicht mitmachen.
({5})
- Herr Kollege Röttgen, Sie haben vorhin wörtlich gesagt, dass Sie rechtsstaatlich diesen Preis zahlen wollen.
Ich sage Ihnen: Wir wollen diesen Preis nicht zahlen. Ich
sage Ihnen auch - wie schon in der letzten Legislaturperiode -: Mit solch einer Regelung tut sich eine gewaltige
Gerechtigkeitslücke auf. Von daher ist solch eine Regelung für uns nicht akzeptabel.
Zu Ihren Vorschlägen, bereichsspezifisch im StGB
und in Nebenstrafgesetzen Kronzeugenregelungen einzuführen,
({6})
garniert sogar mit einem Wiederaufnahmegrund zuungunsten des verurteilten Kronzeugen, wenn er als
Zeuge vorher falsch ausgesagt hat, kann ich Ihnen nur
sagen: Die ganze Praxis, die Sie vorhin so beschworen
haben, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen angesichts solch einer unpraktikablen Regelung.
({7})
Ich wiederhole, wie in der letzten Legislaturperiode:
Die alte Kronzeugenregelung hat sich nicht bewährt; Sie
können das in allen Veröffentlichungen nachlesen.
({8})
Sie haben vorhin eine Stimme zitiert, sozusagen als Zeugen für die Berechtigung Ihres Gesetzentwurfes. Der
Deutsche Richterbund in toto hat derartige Regelungen
in einer Stellungnahme abgelehnt, der Deutsche Anwaltverein, der sicherlich auch eine Stimme in diesem Land
hat, ebenfalls. Die Zitate dazu will ich mir schenken.
Die Frage, die hier zu Recht von Ihnen gestellt worden ist und die auch der Kollege van Essen hier thematisiert hat, ist ja: Was sind eure Vorschläge? Was schlagt
ihr vor, wenn wir hier eine Lücke haben? - Herr Kollege
van Essen, ich bin wie Sie der Meinung, dass wir darüber wirklich in Ruhe im Rechtsausschuss diskutieren
sollten. Unser Vorschlag wird dahin gehen, dass wir im
Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches im Rahmen der
Strafzumessungsregeln Kriterien einführen, etwa in
Form eines § 46 b StGB,
({9})
wonach kriminalpolitisch sinnvolles Aufklärungs- und
Präventionsverhalten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden kann. Das ist etwas ganz anderes als das
Versprechen einer Straffreiheit für Schwerstkriminelle, Herr Kollege Röttgen.
({10})
Das ist der Hintergrund. Wenn Sie den Unterschied nicht
verstehen, können wir uns gerne im Rechtsausschuss
darüber unterhalten. Das ist genau der gravierende Unterschied. Genau das - das Zitat wurde vorhin angeführt - hat auch der Innenminister gesagt. Genau diese
Richtung hat er aufgezeigt. Genau in diese Richtung
werden wir auch gehen.
Schönen Dank.
({11})
Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Punkt.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist
nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
Roadmap wieder beleben - Genfer Initiative
unterstützen
- Drucksache 15/2392 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Einen
Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Dietmar Nietan.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Viele Punkte des Entwurfs eines Abkommens über den
endgültigen Status zwischen Israel und Palästina werden
am Ende - davon bin ich fest überzeugt - Bestandteil eines Friedensabkommens zwischen diesen beiden Staaten
sein. Von denjenigen in den beiden Völkern, die den Entwurf eines Statusabkommens heute noch ablehnen, werden sich etliche wundern, wie viel davon am Ende Realität sein wird. Dies ist der richtige Weg hin zu einem
Frieden im Nahen und Mittleren Osten.
({0})
Aber unabhängig von dem Wann und Wie der Realisierung der Genfer Initiative bin ich der festen Überzeugung, dass sie schon jetzt ein großer Erfolg ist. Denn sie
gibt der stecken gebliebenen Roadmap eine konkrete
Perspektive und zeigt auf, wie eine tragfähige Zweistaatenlösung aussehen kann. Ich glaube, das Fehlen dieser
Perspektive war einer der Fehler, welche die Roadmap
bislang aufwies.
Nun haben wir also eine Roadmap, die den Weg zum
Frieden markieren soll. In der Genfer Initiative wird das
Ziel dieses Weges beschrieben, und zwar, wie ich finde,
in großer Klarheit. Jetzt müssen die politischen Führer in
Israel, in Palästina, in Europa und in den USA nach vielen Worten endlich den Mut haben, die notwendigen
Schritte zu gehen, die nötig sind, um am Ende zum Frieden zu kommen. Auch daran hakte es bisher. Insbesondere in Palästina und Israel ist es an der Zeit für klare
und mutige Schritte; das sage ich an dieser Stelle sehr
deutlich.
Ich erwarte, dass Ministerpräsident Kurei keinerlei
Zweifel daran aufkommen lässt, dass er und seine Administration das Existenzrecht des Staates Israel uneingeschränkt anerkennen, und dass er das in dieser Deutlichkeit öffentlich sagt.
({1})
Von der palästinensischen Seite erwarte ich den Mut, die
bittere Wahrheit beim Flüchtlingsproblem auszusprechen, die da heißt: Eine Perspektive für die Rückkehr aller Flüchtlinge nach Israel wird es nicht geben, wenn
man den Frieden wirklich will. Das muss die palästinensische Seite so sagen.
({2})
Ich habe es von Ministerpräsident Scharon als sehr
mutig empfunden, dass er noch vor seiner Nominierung
als Kandidat des Likud-Blocks und vor den israelischen
Wahlen klar gesagt hat, dass er für eine Zweistaatenlösung ist. Er ist der erste Likud-Führer, der das in dieser
Deutlichkeit ausgesprochen hat. Ich habe als sehr mutig
empfunden, was wir in letzter Zeit von ihm und seiner
Regierung zur Räumung von Siedlungen haben hören
können. Es war Scharon, der gesagt hat, dass bei ihm
Bereitschaft auch zu schmerzhaften Konzessionen vorhanden ist. Ich sage aber speziell an ihn als Ministerpräsidenten und an seine Regierung: Sie müssen nun die
Stärke haben, den mutigen Worten auch mutige Taten
folgen zu lassen. Das ist Aufgabe der israelischen Seite.
Jetzt ist die Zeit dafür gekommen.
({3})
Natürlich ist es die Pflicht einer jeden israelischen
Regierung, die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger
zu garantieren. Angesichts des schrecklichen und menschenverachtenden Terrors durch Selbstmordattentate
entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass man auf die
Idee kommt, man könne durch die Errichtung eines ZauDietmar Nietan
nes mehr Sicherheit herstellen. Ich habe aber die Sorge,
dass diese Denkweise kurzsichtig ist. Wir wissen, dass
sich der internationale Terrorismus durch Zäune nicht
abhalten lässt. Er lässt sich nur bekämpfen, indem man
die Ursachen bekämpft. Ich befürchte, dass der Zaun
kurzfristig etwas mehr Sicherheit bringt, aber langfristig
Dünger für die Saat des Hasses ist, die in der arabischen
Welt ausgestreut worden ist. Man sollte besser den
Sumpf des Hasses gegen Israel trockenlegen. Ich glaube
nicht, dass die Errichtung des Zauns das geeignete Mittel
dafür ist.
({4})
Ich kann in diesem gut behüteten Parlament eines
Landes, das nicht von solch schlimmen Terroranschlägen heimgesucht wird wie Israel, nur dann so sprechen,
wenn ich von uns selber - von uns Parlamentariern, von
unserer Regierung und von unseren Ministern - einfordere, dass auch wir diese mutigen Schritte unternehmen,
die wir von anderen einfordern. Wir müssen deutlich
machen, dass jede Regierung und jeder Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde, die zu mutigen
Schritten bereit sind, unsere volle Unterstützung haben.
Es darf seitens der Europäer oder der deutschen Regierung nicht nur warme Worte geben, es muss auch eine
klare Unterstützung für diese Kräfte des Friedens erfolgen.
({5})
Die deutsche Regierung darf deshalb keinen Zweifel daran lassen - sie verhält sich entsprechend; das will ich
hier ausdrücklich betonen -, dass die Bundesrepublik
Deutschland zu allen Schritten bereit ist, die dazu dienen, Sicherheitsgarantien für den Staat Israel aufzustellen.
Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass mit dem
heute vorgelegten gemeinsamen Antrag deutlich geworden wäre, dass wir nicht nur das Existenzrecht eines anonymen Staates Israel unterstützen, sondern dass wir für
das Existenzrecht eines israelischen Staates jüdischen
Charakters einstehen, dass wir dem jüdischen Volk eine
Zukunft geben wollen und dass wir für seine Sicherheit
mit garantieren wollen.
({6})
Zu den mutigen Schritten gehört aber auch, deutlich
zu machen, dass wir bereit sind, auch der palästinensischen Seite Garantien zu geben, wenn sie zu einem umfassenden Frieden bereit ist. Wir müssen ökonomische
und soziale Perspektiven für die Menschen in Palästina
- für ihr persönliches Leben, für ihre Familien und für
ihr Fortkommen - schaffen, damit sie erkennen können,
dass sich der Frieden lohnt. Auch hier müssen wir zu unserem Wort stehen.
({7})
Am Ende heißt es auch, Verantwortung im Quartett
zu übernehmen. Ich hoffe, dass das, was ich an dieser
Stelle jetzt sage, niemand missverständlich auffasst:
Wenn es sich abzeichnen sollte, dass sich die Initiativen
der amerikanischen Seite, der Roadmap zum Durchbruch zu verhelfen, nicht gerade überschlagen, dann
müssen die Europäer stärker als bisher Verantwortung
und Eigeninitiative übernehmen. Es wäre fatal, darauf zu
warten, bis eine US-Administration der Roadmap wieder
die Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdient hat.
({8})
Ich meine, dass die Initiative unseres Außenministers
auf der Sicherheitskonferenz in München, mit der er einen Mittelmeerprozess angeregt hat, der gemeinsam von
der NATO und der EU getragen wird, die Unterstützung
des Parlaments verdient. Durch eine regionale Sicherheitskooperation sollen genau die Sicherheitsaspekte
eingeschlossen werden, die Israel benötigt. Gleichzeitig
wird mit der angestrebten Freihandelszone bis 2010 genau die ökonomische Perspektive eröffnet, die zum Beispiel die Palästinenser dringend brauchen. Ich hoffe,
dass diese Initiative bei unseren Partnern in der NATO
und in der EU sehr bald eine entsprechende Resonanz
findet.
({9})
Der zweite Vorschlag des Außenministers war ebenfalls genau richtig. Es geht darum, Eigenverantwortung
zu übernehmen. Man muss anbieten, eine gemeinsame
Erklärung abzugeben, nach der man zu einer gemeinsamen friedlichen Zukunft in dieser Region kommen will.
Daran müssen wir arbeiten und handeln.
Dafür kann der heute vorliegende Antrag, den ich
ausdrücklich begrüße, nur ein erster Schritt sein. Auch
für uns ist es jetzt Zeit zu handeln.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hermann Gröhe.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Durch den Antrag aller Fraktionen dieses Hauses
„Roadmap wieder beleben - Genfer Initiative unterstützen“ wird deutlich, dass es einer erneuten politischen
Kraftanstrengung bedarf, die Roadmap, den Fahrplan
des Quartetts aus EU, USA, Vereinten Nationen und
Russland, mit neuem Leben zu erfüllen.
Zugleich bringen wir mit diesem Antrag zum Ausdruck, dass zivilgesellschaftliche Initiativen wie die mutige Genfer Initiative eine wichtige Ergänzung dieses
Fahrplans sind, zeigt doch gerade das so genannte Genfer Abkommen auf, wie ein Friedensschluss, zu dem die
Roadmap den Weg öffnen will, konkret aussehen kann.
Denen, die unter Federführung des früheren israelischen
Justizministers Beilin und des früheren palästinensischen Informationsministers Rabbo den Vertragsentwurf
in zweieinhalb Jahren erarbeitet haben, gebührt dafür ein
herzlicher Dank.
({0})
Der Hinweis darauf, dass dies ohne jedes offizielle
Mandat und damit ohne jede Bindung der Regierenden
geschah, mindert eine ganz entscheidende Leistung der
daran beteiligten Politiker, Schriftsteller, Schauspieler,
Ex-Generale, Friedensaktivisten und Geschäftsleute
nicht. Ihre Initiative, die nahezu jedem israelischen und
palästinensischen Haushalt zugestellt wurde, leitet in
beiden Gesellschaften einen Willensbildungsprozess, der
auch bisherige Tabuthemen einschließt, ein und treibt
ihn voran.
Eindringlich formuliert der israelische Schriftsteller
David Grossmann, der an der Erarbeitung der Genfer
Initiative beteiligt war - ich zitiere -:
Das Genfer Ankommen enthält schmerzhafte israelische Verzichtsleistungen. Auch die Palästinenser
haben ihrerseits harte Verzichte geleistet. Es ist keiner unter uns, der nicht Schmerz und Trauer über
diese Zugeständnisse empfindet.
In dieser Situation ist es eindrucksvoll, dass Umfragen
zufolge ungefähr 40 Prozent der Palästinenser und der
Israelis diese Genfer Initiative unterstützen.
Aber es gibt auch jene 250 Rabbiner in Israel, die die
Unterzeichner in einem Urteilsspruch nach religiösem
Recht zu Verrätern erklärt haben, und islamistische Religionsvertreter haben eine Fatwa, eine Art Verurteilung,
gegen die palästinensischen Unterzeichner erlassen.
Das Eis der Feindschaft hat gerade erst begonnen zu
schmelzen, wie dies symbolisch die Aktion „Breaking
the Ice“ von sechs Männern und zwei Frauen, Israelis
und Palästinensern, zum Ausdruck brachte. Diese
Gruppe - unter ihnen zwei israelische Elitesoldaten, die
früher in den besetzten Gebieten eingesetzt waren, und
zwei Palästinenser, die in israelischen Gefängnissen gesessen haben - hat in der Antarktis einen 1 000 Meter
hohen Berg bestiegen und ihn zum Berg der palästinensisch-israelischen Freundschaft ernannt. Es ist gut, wenn
wir solch mutigen Initiativen der Zivilgesellschaft den
Rücken stärken.
({1})
Es ist gut, wenn dieser Antrag und die Tatsache, dass
wir ihn gemeinsam einbringen, deutlich macht, dass die
Grundsätze deutscher Nahostpolitik von allen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam geteilt werden. Dazu gehört das uneingeschränkte Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Wir verurteilen die verbrecherischen
Terroranschläge palästinensischer Extremisten.
({2})
Immer wieder fallen ihnen unschuldige Zivilisten zum
Opfer. Erst vor zwei Wochen riss eine solche verabscheuungswürdige Tat in Jerusalem über zehn Menschen
in den Tod.
Die Palästinensische Autonomiebehörde muss ihre
Ankündigung, extremistische Gewalt bekämpfen zu
wollen, endlich glaubwürdig unter Beweis stellen.
({3})
Bislang ist Präsident Arafat hier seiner besonderen Verantwortung nicht gerecht geworden. Wir bekennen uns
in gleicher Weise aber auch zum legitimen Recht der Palästinenser, in einem eigenen lebensfähigen und demokratischen Staat zu leben.
Dass in dieser Debatte, aber auch bei anderer Gelegenheit zu diesen Themen nicht zuletzt jüngere Bundestagskolleginnen und -kollegen aus allen Fraktionen das
Wort ergreifen und sich damit zu den gemeinsamen
Grundsätzen deutscher Nahostpolitik bekennen, macht
deutlich, dass jedes törichte und gefährliche Schlussstrichgerede im Hinblick auf die besondere Verantwortung Deutschlands Israel gegenüber, die sich für uns
Deutsche aus dem einzigartigen Verbrechen des Holocaust ergibt, auch in der jüngeren Politikergeneration
keine Chance hat.
({4})
Allerdings kann und will ich nicht verhehlen, dass mir
selbst diese Solidarität mit Israel und die entschiedene
Ablehnung aller Feinde Israels lange Zeit den Blick für
die berechtigten Interessen des palästinensischen Volkes
verstellt hat. Erst mit dem beginnenden Friedensprozess
Anfang der 90er-Jahre habe ich seine Sicht der Dinge erlebt. Zu der Abscheu über verbrecherische Selbstmordattentate trat die Überzeugung, dass auch Art und Umfang der Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Sicherheitskräfte, die anhaltende Demütigung der Besatzung und die fortgesetzte Siedlungspolitik einem
friedlichen Miteinander von Israelis und Palästinensern
im Wege stehen.
Wenn - das ist sicher begrüßenswert - Ministerpräsident Scharon nun erklärt, die jüdischen Siedlungen im
Gazastreifen weitgehend räumen zu wollen, so darf doch
nicht übersehen werden, dass in den letzten drei Jahren
36 000 neue Siedler ins Westjordanland gezogen sind
und erst jüngst Pläne bekannt gegeben wurden, auf den
Golanhöhen 900 neue Familien anzusiedeln und damit
auch diese Siedlung massiv auszubauen. Gerade als
Freunde Israels müssen wir diese fortgesetzte Siedlungspolitik kritisieren, wie auch den Bau des Sperrzauns
zwischen Israelis und Palästinensern.
({5})
Dabei bestreiten wir natürlich nicht das Recht Israels,
seine Bürger vor Terror und Gewalt zu schützen. Jenseits
der grünen Grenze verlaufend und palästinensisches Gebiet durchtrennend, wirkt der so genannte Terrorabwehrzaun jedoch als Provokation, die neues Unheil heraufbeschwört. Was sollen die Menschen in der völlig
eingeschlossenen Enklave Kalkilia, wo von 41 000 Einwohnern bereits über 4 000 Menschen in den letzten Wochen die Stadt verlassen haben, von der Zukunft erwarHermann Gröhe
ten? Es ist noch lange keine Rechtfertigung von
verbrecherischen Anschlägen, wenn man mit Schimon
Peres feststellt - ich zitiere -: Solange es Besatzung gibt,
wird es Terror geben.
Gerade wir Deutsche müssen die Existenzängste Israels ernst nehmen. Durch die von Nazideutschland begangenen Verbrechen sind wir in tragischer Weise mit dem
Umstand verbunden, dass sich die stärkere der beiden
Konfliktparteien - jedenfalls heute ist das Israel - für die
schwächere hält. Dürfen wir, die Deutschen, Israelis
dazu auffordern, um des Friedens willen Risiken einzugehen, die sie für existenzbedrohend halten? Natürlich
kann Israel kein existenzielles Risiko eingehen. Dabei
wird es uns immer an seiner Seite haben.
({6})
Was wäre das aber für eine Solidarität, wenn wir unsere
Überzeugung verschwiegen, dass eine bestimmte israelische Politik nicht zuletzt den berechtigten Sicherheitsinteressen des eigenen Landes schadet und der Sehnsucht
der allermeisten Menschen in dieser leidgeprüften Region, endlich in Frieden leben zu können, entgegensteht?
({7})
Unser gemeinsamer Antrag bringt dies in, im besten
Sinne des Wortes, ausgewogener Weise zum Ausdruck und in der richtigen Tonlage.
Ich danke Ihnen.
({8})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ludger Volmer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sind uns alle einig - das kommt auch in dem Antrag
zum Ausdruck, den wir heute im Konsens verabschieden
werden -, dass die politischen Rahmenpläne zur Lösung
des Nahostkonfliktes in der so genannten Roadmap zusammengefasst sind. Das ist die offiziell verabredete und
völkerrechtlich verbindliche Linie. Wir hoffen, dass die
Akteure, die sich auf die Roadmap verpflichtet haben,
die Kraft und auch den Willen finden, diesen Prozess ihrerseits von staatlicher Seite aus auf der internationalen
Ebene und durch bilaterale Maßnahmen endlich mit Leben zu erfüllen.
({0})
Weil es daran in den letzten Monaten gemangelt hat, begrüßen wir umso mehr, dass es nun aus der Tiefe der Gesellschaften Israels und Palästinas zivilgesellschaftliche
Initiativen gegeben hat - getragen auch von Personen,
die dem sicherheitspolitischen Establishment dieser beiden Staaten angehörten -, die ihrerseits nun versuchen,
die Roadmap mit Leben zu erfüllen und das, was als Ziel
der Roadmap angegeben ist, nämlich ein garantierter
Frieden zwischen einem sicheren Israel und einem souveränen Palästina, herzustellen.
Wir begrüßen insbesondere, dass die Genfer Friedensinitiative den Prozess vom Ende her denkt und nicht
mehr sagt, man werde sich Schritt für Schritt auf ein Ergebnis zubewegen. Vielmehr haben die Leute den Mut
gefunden, sich zusammenzusetzen, um alle einzelnen
Probleme anzupacken und für diese Probleme eine Lösung zu suchen. Und siehe da: Sie haben bewiesen, dass
der Verhandlungsfrieden im Nahen Osten möglich ist.
Wir sollten den Initiatoren dazu gratulieren und sie nach
allen Kräften unterstützen.
({1})
Sie haben immer noch mit starken Widerständen zu
kämpfen. Auf der palästinensischen Seite - so haben wir
gerade schon gehört - gibt es immer noch die verheerenden, grauenhaften und durch nichts zu rechtfertigenden
Selbstmordattentate. Sie sind auch nicht durch die
Flüchtlingsfrage zu rechtfertigen. Insbesondere die Initiatoren der Genfer Initiative haben darauf hingewiesen,
dass die Flüchtlingsfrage nicht so gelöst werden kann,
wie sich das einige Hardliner auf palästinensischer Seite
wünschen. Es werden nicht alle Flüchtlinge an ihre Ursprungsorte zurückkehren können. Das ist eine realistische Einsicht, die offensichtlich jetzt auch große Teile
der Palästinenser haben. Wir Deutsche haben, um einen
Seitenblick auf unsere Geschichte zu werfen, viel Verständnis für die Problematik und können der palästinensischen Seite nur gratulieren, dass sie von unhaltbaren
Maximalpositionen Abstand nimmt.
Umgekehrt sehen wir immer noch das Problem der
Siedlungspolitik, selbst wenn Präsident Scharon nun angekündigt hat, Siedlungen in Gaza zu räumen. Auch
wenn wir das ausdrücklich begrüßen, so steht dahinter
möglicherweise dennoch die Idee, die beiden Staaten in
der Form zu separieren, dass für den Palästinenserstaat
nicht die Gebiete übrig bleiben, die auf der Basis der
grünen Linie von 1967 vorgesehen waren, sondern erheblich weniger.
Wenn man sich den Verlauf des Zauns anschaut, dieser Sperranlagen, die uns fatal an so manches Mauerwerk erinnern, mit dem auch wir in unserer Geschichte
konfrontiert waren, dann sieht man, der Zaun durchschneidet palästinensisches Wohngebiet, er trennt Familien und Nachbarn. Auf dieser Basis wäre ein Staat überhaupt nicht lebensfähig. Deshalb begrüßen wir, dass die
israelische Seite in dem Genfer Verhandlungsprozess
deutlich gemacht hat, dass dieser Verlauf des Zauns absolut nicht akzeptabel ist.
({2})
Es gibt leider auf beiden Seiten immer noch Kräfte,
die meinen, man könnte die andere Seite endgültig politisch besiegen und die eigenen Maximalpositionen
durchsetzen. Diese Position hat keine Zukunft.
Es gibt keine Alternative zu einem Verhandlungsprozess, der von der Vorstellung Abschied nimmt, man
könnte die andere Seite in die Knie zwingen und ohne
weiteres die eigenen Maximalpositionen durchsetzen.
Ich meine, am besten kommt diese neue Haltung, die
sich auch in der Genfer Friedensinitiative findet, in einem Zitat des israelischen Schriftstellers Amos Oz zum
Ausdruck, der vor vielen Jahren sehr treffend geschrieben hat:
Tragödien lassen sich auf zweierlei Weisen zu einem Ende bringen. Es gibt die Shakespeare-Lösung
einer Tragödie und es gibt die Tschechow-Lösung
einer Tragödie. In der Shakespeare-Tragödie ist die
Bühne am Schluss mit Leichen bedeckt, und vielleicht, vielleicht schwebt die Gerechtigkeit hoch
über ihnen, oder auch nicht. In der Tschechow-Tragödie ist jedermann am Schluss desillusioniert, verbittert, gebrochen, enttäuscht, zerschmettert, aber er
lebt. Ich wünsche eine Tschechow-Lösung, keine
Shakespeare-Lösung der Nahost-Tragödie.
Ich möchte mich diesen Worten anschließen.
({3})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Stinner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir behandeln heute einen Antrag, dem wir alle
zustimmen und der wiederholt die wesentlichen Grundbestandteile einer gemeinsamen deutschen Nahost-Politik zusammenfasst und darstellt. Wir stehen mit ganzer
Kraft dahinter und ich begrüße es, dass wir heute einen
Konsens erzielen können.
Anlass des Antrags war aber das gemeinsame Gespräch mit Rabbo, Beilin und ihren Delegationen zum
Genfer Abkommen im Auswärtigen Ausschuss. Von
dem Geist dieses Gesprächs, von der eindeutigen Zustimmung und der emphatischen Unterstützung ist leider
in dem Antrag nicht mehr genug zu spüren. Deshalb haben wir darauf bestanden, dass auch unser eigener Antrag hier beraten wird. Zu unserem großen Erstaunen haben Sie, Herr Weisskirchen, Herr Volmer und Herr
Pflüger, es abgelehnt, unseren Antrag, der die Genfer
Initiative viel stärker unterstützt als der vorliegende Antrag, heute zu beraten. Darüber wundern wir uns sehr.
Dabei müssen Wirkkräfte am Werk gewesen sein, die
wir nicht verstehen.
({0})
Der Bundespräsident ist in dieser Frage weiter als wir.
Anfang Mai findet in Schloss Bellevue unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ein Symposium zur
Unterstützung der Genfer Initiative statt. Das ist die öffentliche Unterstützung, wie wir sie Rabbo und Beilin
eigentlich versprochen haben. Das ist eine Unterstützung
mit der Kraft und Symbolhaftigkeit, die ich auch von
uns, den freien Parlamentariern des Deutschen Bundestages, erwartet hätte.
({1})
- Weshalb ist denn unser Antrag, der eine eindeutige
Unterstützung vorsieht, nicht auf die Tagesordnung aufgenommen worden, Herr Pflüger? Das nehmen auch die
Beobachter zur Kenntnis, denen die Anträge bekannt
sind.
Der Geist dessen, was wir am 14. Januar gemeinsam
besprochen haben, kommt in dem vorliegenden Antrag
nicht zur Genüge zum Ausdruck. Das sehen übrigens
auch die Herren Rabbo, Beilin und Primor so, mit denen
ich in den vergangenen Tagen gesprochen habe. Ich
werde Beilin nächste Woche in Israel treffen. Dann wird
sich zeigen, wie man darauf reagiert, Herr Pflüger.
Wir alle wissen, das die Genfer Initiative etwas Besonderes ist. Darauf brauche ich nicht weiter einzugehen. Ich bin froh darüber, dass das auch die Kollegen der
anderen Fraktionen so deutlich zum Ausdruck gebracht
haben.
({2})
Wir alle wissen auch, dass die Genfer Initiative keinerlei
staatliche Legitimation hat. Wir erkennen aber an, dass
Patrioten auf beiden Seiten bereit waren, den schmerzhaften Weg zu Kompromissen zu gehen. Das müssen wir
deutlich unterstützen.
({3})
Wir wissen doch alle, dass die Lösung dieses verhängnisvollen Konflikts nicht von außen kommen kann.
Sie kann nicht durch unsere Resolutionen erzielt werden.
Sie ist nur dann möglich, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung in Palästina und Israel nachhaltig vergrößert
wird. Dabei können wir unsere Unterstützung leisten.
Darum haben uns Rabbo und Beilin ausdrücklich gebeten und wir haben ihnen das auch zugesagt.
Ein Letztes: In dem gemeinsamen Antrag - diesem
stimmen wir zu, weil er richtig ist - fordern wir wieder
einmal alle anderen auf: Israel, Palästina, Syrien, den
Iran, Amerika - Gott und die Welt! Nur an uns selber, an
die Europäer und insbesondere an die Deutschen, stellen
wir keine Forderungen. Wir müssen aber weitergehen.
Wenn es stimmt, dass dieser Konflikt unsere vitalen Interessen berührt - darüber sind wir uns ja einig -, dann
müssen wir selber als Europäer und insbesondere als
Deutsche bereit sein, Leistungen zu erbringen. Was
spricht denn dagegen, wenn wir die Bundesregierung
auffordern, das aktiv zu unterstützen, und wenn wir die
EU auffordern, Projekthilfe zur Unterstützung dieses
Anliegens zu leisten? Ich glaube, dass wir das deutlicher
zum Ausdruck bringen sollten, als wir das bisher tun.
Zum Schluss: Wir stehen voll hinter dem Antrag, den
wir heute gemeinsam verabschieden. Wir glauben aber,
dass eine Chance für eine nachhaltigere und deutlichere
Unterstützung der Genfer Initiative vertan worden ist.
Wir unterstützen mit ganzer Kraft die Genfer Initiative
und werden das überall deutlich zum Ausdruck bringen.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Christoph
Zöpel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich möchte drei Bemerkungen zu dem
vorliegenden Antrag machen.
Erste Bemerkung: Die Botschaft der von Jossi Beilin
und Mohammed Abbu Rabbo geführten Delegation, die
anlässlich ihres Berlinbesuchs auch bei uns im Auswärtigen Ausschuss war, ist für mich wichtig. Dieser Delegation ging es um die Mobilisierung der Öffentlichkeit in
Israel und Palästina und auch um die der Weltöffentlichkeit. Beilin ist von seiner Zuordnung zur Zivilgesellschaft abgerückt, denn es gibt keinen Zweifel daran, dass
er und Rabbo in den politischen Systemen ihrer Länder
tätig waren und es noch sind. Es geht ihnen um Öffentlichkeit, weil sie offenkundig den Eindruck haben, dass
in einer noch zu sehr staatlich vermachteten Welt die Diplomatie der Staaten Lösungen nicht schafft, wenn die
Weltöffentlichkeit sie nicht will. Ich glaube, wir erweisen dieser Initiative einen sehr guten Dienst, wenn wir
die heutige Debatte, deren Inhalte die Medien der deutschen Öffentlichkeit vermitteln, nutzen, um über sie zu
sprechen, wenn wir Ja zu den Inhalten und den Methoden sagen, die Beilin und Rabbo vorgeschlagen haben,
({0})
und wenn wir ihr Anliegen unterstützen, die Weltöffentlichkeit zu mobilisieren. Denn nur wenn sich die Weltöffentlichkeit gegen die vorgebliche Unlösbarkeit auch des
Mittelostproblems engagiert, stellt sie sich hinter unsere
gemeinsame Einsicht, dass es aufgrund des Unvermögens der Diplomatie vermachteter Staaten bisher nicht
gelöst werden konnte.
Zweite Bemerkung, zur Lösung: Die Welt ist im Prinzip der Lösung nicht nur näher gekommen, sie hat sie
vielmehr gefunden. Kein vernünftiger Mensch sieht eine
Alternative zu dem, was vorgeschlagen worden ist: zwei
Staaten mit sicheren Grenzen - Grenzen brauchen die
beiden Staaten auch in einer Welt, in der sonst Grenzen
überflüssig werden, weil das israelische und das palästinensische Volk zu sehr in Gewalttätigkeiten und Verletzungen verstrickt sind - und eine Garantie der internationalen Gemeinschaft unter Beteiligung der Vereinigten
Staaten, weil nur sie über die notwendigen militärischen
Mittel verfügen, und jedes anderen Staates einschließlich
Deutschland, wenn beide Länder das wollen. Das ist die
Lösung.
({1})
Die entsprechenden Schritte werden noch zu finden sein.
Sie erfolgen bislang nicht mangels Ideen, sondern mangels Bereitschaft. Das ist das Tragische.
Dritte Bemerkung, zu der moralischen Dimension: Im
Jahr 2004, also in dem Jahr, in dem sich zum 200. Mal
der Todestag von Kant jährt, ist für mich die moralische
Antwort eindeutig. Wie wir Deutsche, wie die Amerikaner und wie jeder andere leben auch die Menschen in Palästina und Israel unter dem einen gestirnten Himmel.
Sie leben nach demselben universellen Gesetz, das jeder
Mensch in sich hat.
({2})
Das ist die moralische Bewertung dieses Konflikts, nicht
die Aufrechnung - darauf komme ich zurück - und auch
nicht die Aufrechnung von Verantwortlichkeiten kollektiver Identitäten.
Wenn wir uns so an Kant orientieren, dann ist dort jeder Mensch, der unter Berufung auf die Rechte kollektiver Identitäten getötet wird, ein Toter zu viel. Es gehört
für mich zu den bedrückenden Erfahrungen meiner Besuche in der arabischen Welt, dass der Präsident der arabischen Majlis-al-Shura, ein muslimischer Geistlicher,
nicht bereit ist, sich prinzipiell von Selbstmordattentätern zu distanzieren, sondern sagt, dies sei eine seelsorgerische Frage, die nur im Einzelfall beantwortet werden
könne. Dies erschüttert mich.
({3})
Selbstmordattentate, warum auch immer, müssen verhindert werden. Es gibt keinen Grund, sie moralisch zu
rechtfertigen.
({4})
Ich erlaube mir eine weitere Bemerkung. Die Art und
Weise, in der sich der Staat Israel um seine Soldaten
kümmert, in der er zu verhindern sucht, dass sie sterben,
sie zu befreien sucht, wenn sie gefangen genommen
worden sind, sich sogar noch darum sorgt, dass sie ihrem
Glauben gemäß bestattet werden können, sollte ein universelles Gesetz im Sinne von Kant sein; dieselbe Sorge
sollte man auch jedem toten Palästinenser angedeihen
lassen.
({5})
Das ist für mich die Grundlage der Verhältnismäßigkeit
der Mittel, auch bei Kriegsführung und Gefahrenabwehr
von Staaten. Wenn wir das nicht sehen und den Fall des
eigenen Toten weiter für einen Fall halten, der mehr
Sorge verlangt als der des anderen Toten, werden wir
keine auf Dauer friedliche Welt erreichen.
({6})
Das ändert nichts daran, dass kollektive Identitäten in
der Geschichte existiert haben. Solange wir von kollektiven Identitäten sprechen und solange sich kollektive
Identitäten ihre Staaten suchen, sind sie eine Realität.
Aber für mich bleiben sie nachrangig, und zwar den universellen Moralgesetzen nachrangig.
({7})
Nachrangig gibt es eine deutsche Verantwortung, aus
der wir uns nicht stehlen können.
({8})
Wir sollten uns aber darauf verständigen und auch mit
Israelis und Palästinensern darüber sprechen: Wird es
nicht wirklich einfacher, wenn wir uns - vor jeder
Schuldzuweisung an kollektiven Identitäten - dem Weltethos, dem Denken von Kant, der europäischen Aufklärung, die ohne die eminent wichtigen Beiträge jüdischer
Denker in Europa nicht möglich gewesen wäre, verpflichtet fühlen,
({9})
Schritt für Schritt von diesem Denken in kollektiven
Schuldzuweisungen weiter Abschied nehmen und eine
Zukunft formulieren, in der jeder das gleiche Recht zum
Leben hat?
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Hildegard Müller von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab schon viele Friedensprogramme für die Lösung des Konflikts im Nahen Osten. Über zwei davon
debattieren wir heute und lassen ihnen dadurch eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Dies ist sicherlich richtig und wichtig.
Herr Stinner, ein Hinweis sei mir erlaubt: Wir haben
bewusst einen gemeinsamen Antrag zu diesem Thema
formuliert. Es ist auch gut so, dass sich das Parlament
für einen gemeinsamen Antrag entschieden hat.
Wir vergessen bei der Diskussion der Einzelpunkte
allerdings oft, dass es eine Vielzahl von Initiativen abseits des großen Medieninteresses gibt, mit dem beispielsweise der Geneva Accord in Berlin bedacht wurde.
Es gibt viele weitere Bausteine für den Frieden.
Ich bedauere zum Beispiel, dass etwa dem symbolischen Handschlag in der Friedenspräambel des früheren
israelischen Sicherheitschefs Ayalon und des Präsidenten der Ost-Jerusalemer al-Quds-Universität, Nusseibeh,
in Deutschland nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil
wurde. Ein weiteres Beispiel für eine ganz konkrete und
praktische Initiative ist die von der Konrad-AdenauerStiftung begleitete Economic Working Group mit Repräsentanten der israelischen und der palästinensischen Regierung. Diese Arbeitsgruppe hat kein Interesse am Presserummel, sondern arbeitet an konkreten praktischen
wirtschaftlichen Fortschritten im Alltag. Das ist, glaube
ich, eine sehr wichtige und friedensbildende Maßnahme.
All diesen gut gemeinten Initiativen steht jedoch der
Terror entgegen, ein Terror, den wir in Europa kaum ermessen können. Allein in den vergangenen 40 Monaten
hat es in Israel rund 18 000 Attacken der unterschiedlichsten Art gegeben. Diese 18 000 Terrorattacken sind
Teil einer bislang nicht enden wollenden Spirale der
Gewalt.
Bevor wir also auf einen dauerhaften Frieden zwischen zwei souveränen Ländern - einem jüdischen Staat
Israel einerseits und einem palästinensischen Staat andererseits - hoffen können, muss es zu einem Ende des
Terrors kommen. Dies bedeutet für mich auch, dass für
eine umfassende Friedensregelung alle Angriffe auf Israel beendet werden müssen. Sie lassen sich in keiner
Weise rechtfertigen und tangieren das berechtigte
Schutzinteresse Israels.
Der so genannte Schutzwall, dessen Errichtung wir
Europäer sicher kritisch beobachten und über dessen
Verlauf besonders diskutiert werden muss, wäre auf keinen Fall nötig, wenn die palästinensische Autonomiebehörde ihre Ankündigung, extremistische Gewalt zu bekämpfen, in die Tat umsetzte.
({0})
Herr Volmer, es sei mir der Hinweis erlaubt, dass dieser Schutzwall - egal über welchen Punkt man in diesem
Zusammenhang diskutiert - mit der Berliner Mauer unter keinen Umständen vergleichbar ist. Mit der Berliner
Mauer wurden die Bürger des eigenen Staates eingesperrt. Das lässt sich mit der Situation im Nahen Osten
nicht vergleichen.
({1})
Ich muss das an dieser Stelle erwähnen. Sie haben das
gerade etwas merkwürdig formuliert.
({2})
Gerade Präsident Arafat müsste sich als Träger des
Friedensnobelpreises der besonderen Verantwortung für
sein Volk bewusst sein. Dieser ist er bisher nicht gerecht
geworden. Im Sinne eines stabilen und dauerhaften Friedens ist es richtig, dass wir auf die Rolle der Nachbarn
konkret Rücksicht nehmen.
Wie schwierig sich die Situation auf israelischer Seite
darstellt, konnten wir in diesen Tagen erkennen. Die Ankündigung von Premier Scharon, die Siedlungen im Gazastreifen räumen zu lassen, ist richtig und von uns zu
begrüßen und zu unterstützen. Mir ist unverständlich,
dass Herr Beilin diese Position zurzeit kritisiert. Wir
brauchen diese Schritte. Sie werden jetzt zu Recht eingefordert.
Der wichtigste Schritt ist die Umsetzung der
Roadmap. Wir sollten die entsprechenden Punkte nicht
vergessen. Die Roadmap ist der erste gemeinsame Text
der vier Hauptakteure im Nahen Osten. Es ist wichtig,
dass dem Nahostquartett und nicht immer nur den anderen, wie es gefordert wird, eine besondere Rolle zugeschrieben wird.
Gerade dies ist ein Punkt, bei dem wir Europäer uns
an die eigene Nase fassen müssen. Es ist nicht nur nachhaltig ärgerlich, sondern auch indiskutabel, dass sehr
wahrscheinlich Terroraktivitäten auch mit EU-Geldern
indirekt finanziert worden sind. Gerade wir Deutschen
müssen konsequent darauf achten, dass die Gelder, die
wir für humanitäre Zwecke und zum Aufbau von Strukturen ausgeben, richtig verwendet und nicht zweckentfremdet werden. Präsident Arafat hat hierbei eine
Schlüsselposition.
Herr Außenminister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie dies am Montag und Dienstag zusammen mit Ihren
belgischen und spanischen Kollegen vor Ort betonten:
Die Europäische Union ist keinesfalls bereit, zu akzeptieren, dass Gelder veruntreut werden.
({3})
Bevor wir also immer wieder von neuen Initiativen
sprechen, sollten wir uns selbst an unsere Garantien und
Versprechen halten. In diesem Sinne hat insbesondere
die Roadmap als staatliche Initiative, die wir unterstützen können und müssen, auch weiterhin unsere Unterstützung verdient. Mein Appell ist es, diesem Weg zum
Frieden zum Erfolg zu verhelfen.
({4})
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Joseph Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zu
begrüßen, dass sich die Fraktionen hier auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt haben und dass die Grundposition des Hauses voll in der Kontinuität der bisherigen
deutschen Außenpolitik steht: Unser Sonderverhältnis zu
Israel als Partner und Freund gründet auf der historischen
und moralischen Verantwortung unseres Landes für die
Verbrechen des Holocaust.
Daraus ergibt sich eine besondere Beziehung. Sie
lässt sich daran festmachen, dass das Existenzrecht
Israels - das heißt auch das Recht seiner Bürger, ohne
Angst vor Terror und Gewalttaten zu leben - für uns von
zentraler Bedeutung ist. Dieses Recht ist für uns unantastbar und mit niemandem verhandelbar. Das sind die
Grundlagen, die seit Konrad Adenauer unbeschadet der
Zusammensetzung der Bundesregierung gelten und zu
den Grundfesten dieses Hauses gehören. Es ist wichtig,
dass wir das bei einer solchen Debatte nochmals unterstreichen.
({0})
Meine Erfahrung ist, dass es unsere arabischen Partner und Freunde schätzen, wenn sie wissen, woran sie
sind. Es nützt nichts, hier einen Zweifel aufkommen zu
lassen. Meine Erfahrung ist, dass man auch und gerade
mit der arabischen Seite viel vertrauensvoller umgehen
kann, wenn bei diesen Grundsatzfragen Klarheit besteht.
Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Friedensprozess stagniert, dass die mörderischen Terroranschläge gegen Männer, Frauen und Kinder in Israel fortgeführt werden. Auch auf der
palästinensischer Seite kommen unschuldige Menschen
- Kinder, Zivilisten - zu Tode. Das Leid hält also auf
beiden Seiten an.
Auch die Alternativen sind klar: Ich denke, dass man
hier nochmals unterstreichen muss, was Präsident Bush
in seiner Rede am 4. Juni letzten Jahres definiert hat,
nämlich dass auf der Grundlage, dass zwei demokratische Staaten, Israel und Palästina, friedlich Seite an Seite
leben, die Lösung gefunden werden muss.
Nun zur Bedeutung der Genfer Initiative. Zunächst
lassen Sie mich festhalten, dass alle Elemente x-mal
durchdiskutiert worden sind. Alle Details bezüglich der
Wasserfrage, der Sicherheit und der territorialen Abgrenzung bis auf die Ebene der einzelnen Straßen usw. - man
muss nur in die Schubladen beider Seiten greifen - sind
nicht zehnmal, nicht hundertmal, sondern vermutlich
tausendmal in den Verhandlungen durchdiskutiert worden. Selbst Elemente zur Lösung der schwierigsten Fragen, wie der Status von Jerusalem und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge und Ähnliches, sind vorhanden.
Das eigentliche Problem ist also nicht, dass man nicht
weiß, wie der Endstatus aussehen soll. Vielmehr geht es
hier um eine Frage des politischen Willens und jenseits
davon auch der Mehrheits- und Zustimmungsfähigkeit
der Vorschläge.
Die große Resonanz, die der Vorschlag einer Zweistaatenregelung, der von Privatleuten, also von Nichtregierungsmitgliedern, gekommen ist - darauf wurde hingewiesen -, international, aber auch in Israel und auf
palästinensischer Seite gefunden hat, hat klar gemacht,
dass ein Vakuum existiert, was die Friedensperspektive
betrifft. Die Genfer Initiative verdient genau unter dem
Gesichtspunkt, dass ein historischer Kompromiss zwischen diesen beiden Völkern in diesem langen tragischen Konflikt denkbar geworden ist, weil Elemente zur
Lösung vorhanden sind, Unterstützung.
({1})
Die Schwierigkeit liegt aber, wie gesagt, in dem Weg
dorthin. Hier ist es aus unserer Sicht unverzichtbar, an
der Roadmap festzuhalten.
Bei allen Schwierigkeiten, die gegenwärtig groß sind,
möchte ich folgende Erfahrung in Erinnerung rufen.
Eine Folge des Scheiterns des Abkommens von Camp
David, wo die USA unter Präsident Clinton noch allein
verhandelt haben, war, dass der frühere amerikanische
Senator Mitchell einen weiteren Anlauf unternahm und
die so genannten Mitchell-Vorschläge unterbreitete. Was
ist von diesen so genannten Mitchell-Vorschlägen geblieben? Zum ersten Mal in der Geschichte des Nahostkonfliktes haben die wesentlichen internationalen Akteure eine gemeinsame Position vertreten. Das mag auf
den ersten Blick wenig sein, aber die Gemeinsamkeit der
internationalen Staatengemeinschaft ist meines Erachtens von zentraler Bedeutung. USA, Europa, Russland
und die Vereinten Nationen, vertreten durch den Generalsekretär, haben versucht, die Dinge in dieselbe Richtung zu bewegen.
Diese Erkenntnis ist in das Quartett, in dem Europa
durch Javier Solana vertreten ist, mit eingeflossen. Insofern rate ich dringend dazu, dieses Element auf keinen
Fall infrage zu stellen und aufzugeben. Es ist von überragender Bedeutung. Wenn dieses Quartett auseinander
fallen würde, würden jeweils beide Seiten wieder versuchen, wie wir es in den Jahrzehnten vorher oft erlebt haben, unterschiedliche Positionen bei unterschiedlichen
Partnern voranzubringen, getreu dem Motto: Funktioniert es diesseits des Atlantiks nicht, geht man auf die
andere Seite und umgekehrt. Das sind für mich die entscheidenden Punkte, die für die Roadmap als eine Vereinbarung, die von der internationalen Staatengemeinschaft getragen wird, sprechen.
Lassen Sie mich Folgendes in Richtung FDP sagen:
Erstens glaube ich, dass die Tonalität eine große
Rolle spielt. Wenn Ihr Antrag vom Deutschen Bundestag
angenommen worden wäre, dann hätten wir - das prophezeie ich Ihnen - in Israel großen Interpretationsbedarf und hätten das Gegenteil von dem erreicht, was das
Haus will und was ich voll unterstütze.
({2})
Gerade in diesem sensiblen Konflikt kommt es nicht nur
darauf an, wie wir die Dinge sehen, sondern auch darauf,
wie wir wahrgenommen werden. Unsere Geschichte ist
zwar oft Last, aber im Nahostkonflikt haben wir uns Vertrauenskapital auf beiden Seiten erworben, und zwar
nicht erst diese Bundesregierung; ich habe vorhin darauf
hingewiesen, dass das eine lange Tradition hat. Damit
sollten wir sorgsam umgehen. Das heißt, mit allen, mit
denen wir sprechen, müssen wir aufgrund der existenzbedrohenden Situation und der Ängste, die auf Existenzbedrohung gründen, sehr sensibel umgehen. Deshalb
freue ich mich, dass hier der Ton insgesamt - die Tonalität ist, wie gesagt, oft sehr wichtig im Nahostkonflikt ein anderer ist. Mir fehlt jetzt die Zeit, um darauf näher
einzugehen.
Ein zweites wesentliches Element, um das es gegenwärtig geht - diese Diskussion hat in Israel begonnen
und wird auf palästinensischer Seite schon länger geführt -, ist die Frage der Demographie. Wenn man die
demographische Struktur erhalten will - wir unterstützen
das mit dem Existenzrecht Israels, eines jüdischen Staates Israel -, wird an einer Zweistaatenlösung kein Weg
vorbeiführen können; denn alles andere würde dazu führen, dass die demographische Struktur eines nicht allzu
fernen Tages dem jüdischen Charakter des Staates Israel
zuwider laufen würde.
Das Dritte ist: Terror und Gewalt müssen ein Ende
haben. Das Vierte ist: Die Palästinenser müssen eine
Perspektive haben. Weiterer territorialer Verlust wird
von ihnen nicht hingenommen werden. Das sind die Elemente, mit denen wir es beim Siedlungsbau und beim
Abbau von Siedlungen in Wirklichkeit zu tun haben.
Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird
weiterhin versuchen, den mühseligen Prozess der Annährung zu unterstützen, ihn zu begleiten, Ideen zu entwickeln, weil es sich um einen Konflikt handelt, der in
einer hochgefährlichen Region stattfindet. Sosehr ich für
eine Initiative für den Nahen Osten bin, wie sie von amerikanischer Seite nach den Ereignissen vom 11. September 2001 überlegt wird, glaube ich nicht, dass diese Initiative erfolgreich sein wird, wenn man meint, sie um
den Nahostkonflikt herum umsetzen zu können. Wir
werden uns nicht zur Geisel dieses Konfliktes machen
dürfen, aber wir werden ihn auch nicht ausklammern
dürfen.
({3})
Es ist notwendig, darüber in der Zukunft Diskussionen
mit unseren amerikanischen Partnern zu führen.
Meine Damen und Herren, die Lösung des Nahostkonfliktes ist gewiss nicht alles. Der Nahostkonflikt ist
auch nicht für alle negativen Entwicklungen im Nahen
Osten verantwortlich; solchen Behauptungen muss man
entgegentreten. Seit der Gründung des Staates Israel im
Jahre 1948 wurde der Konflikt immer wieder dafür benutzt, von dem Versagen von nationalen Eliten, unhaltbaren Zuständen, mangelnder Entwicklungsperspektive
und Ähnlichem mehr abzulenken. Es wird jedoch, ohne
dass der Nahostkonflikt auf dem Wege eines historischen Kompromisses gelöst wird, einen dauerhaften
Frieden in der Region nicht geben. Auch das ist ein wesentlicher Punkt, den wir beachten müssen.
Auf dieser Grundlage werden wir versuchen, den Prozess voranzubringen. Die Genfer Initiative war dafür ein
bedeutendes Signal und verdient als solches jede Unterstützung. Aber klar muss auch sein: Der Weg führt über
die Roadmap, über den Zusammenhalt der Staatengemeinschaft und vor allen Dingen über die Beendigung
von Terror und Gewalt.
Ich danke Ihnen.
({4})
Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Hörster von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin
dankbar dafür, dass die Fraktionen dieses Hohen Hauses
den vorliegenden gemeinsamen Antrag zustande geJoachim Hörster
bracht haben. Ich glaube, das war die logische Konsequenz aus der Anhörung der Vertreter der Genfer Initiative, die wir im Auswärtigen Ausschuss durchgeführt
haben. Wir alle wissen, dass die Genfer Initiative zwar
kein Abkommen ist und dass sie keine völkerrechtliche
Qualität hat. Aber in folgendem Punkt möchte ich dem
Kollegen Volmer zustimmen: Es ist der erste Vorschlag,
der kein Detail ausgelassen hat, das geklärt werden
muss, damit man zu einer Lösung kommen kann. Deswegen finde ich, dass eine solche Initiative, die sich sehr
konkret auf die einzelnen Sachverhalte bezieht, in dem
eigentlich bereits vorhandenen internationalen Rahmen
notwendig war.
Ich erinnere daran, dass wir den Barcelona-Prozess
und die Roadmap haben. Es gibt auch den Friedensplan
des saudischen Kronprinzen Abdullah, der von der Arabischen Liga immerhin einstimmig beschlossen worden
ist. Dieser Friedensplan wird nach meinem Dafürhalten
zu wenig beachtet, vielleicht auch deswegen, weil er mit
einem Problem beginnt, das nicht so gelöst werden kann,
wie es im Friedensplan vorgesehen ist. Denn dort wird
die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge in ihre
frühere Heimat verlangt. Jeder, auch in der arabischen
Welt, weiß, dass das völlig unrealistisch ist. Mehr als
80 Prozent der palästinensischen Flüchtlinge sind in
Syrien und Jordanien voll integriert. Aufgrund des Bevölkerungsgleichgewichtes stellen sie im Libanon ein
Problem dar. Dort muss eine Lösung gefunden werden.
Aber in Tat und Wahrheit geht es ja darum - auch das
wissen die arabischen Staaten -, eine Entschädigungsgrundlage zu schaffen.
Wir müssen einmal klarstellen: Die Kritik, die eben
geäußert worden ist, wir Deutschen und die Europäische
Union würden für die Lösung des Konfliktes zu wenig
tun, ist nicht gerechtfertigt, Herr Stinner. Wenn es ums
Zahlen und um die Leistung konkreter Hilfe geht, dann
tun wir das und haben das in der Vergangenheit in aller
Regel getan. Deswegen wird es eine Lösung bezüglich
der Flüchtlinge ohne unsere finanzielle Hilfe und ohne
unser wirtschaftliches Engagement nicht geben. Ich bin
der Auffassung, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben.
Ich bin sehr zufrieden, dass der Bundesaußenminister
auf der Münchener Sicherheitskonferenz alle diese
Initiativen, einschließlich der von der amerikanischen
Regierung angekündigten größeren Initiative für den Nahen und Mittleren Osten, zusammengefasst hat.
Nach meiner Meinung steht das Rahmenwerk. Wir
müssen jetzt dafür sorgen, dass die beiden betroffenen
Parteien, nämlich Israel und Palästina, versuchen, die
Vorschläge, die es im Rahmen dieser Friedensinitiative
für die Lösung der Probleme gegeben hat, nach und nach
abzuarbeiten. Dann kommt man nach meinem Dafürhalten weiter. Wenn diese Vorschläge nach und nach abgearbeitet werden, dann wird damit das Vertrauen geschaffen, das auf beiden Seiten notwendig ist. Dass es bisher
nicht vorangegangen ist, liegt daran, dass in der einen
Gesellschaft kein Vertrauen in die jeweils andere Gesellschaft vorhanden ist.
Ich habe das größte Zutrauen in die israelische Gesellschaft, wenn es um die Problemlösungskompetenz
geht. Die palästinensische Gesellschaft, vor allem ihre
politische Führung, hat im Grunde genommen in der
Vergangenheit weitestgehend versagt. Selbst wenn ich
das in Rechnung stelle, was der Kollege Gröhe hinsichtlich der Lebensbedingungen der Palästinenser zutreffend
geschildert hat, muss ich sagen: Die Palästinenser haben
viele Chancen nicht genutzt. Sie haben beispielsweise
nicht die Chance genutzt, mehr Demokratie zu schaffen.
Das wäre möglich gewesen; dieser Prozess wäre von Israel nicht behindert worden.
({0})
Die Palästinenser hätten ein besseres Bildungssystem
schaffen können. Auch das wäre von Israel nicht behindert worden. Sie hätten ihrer Bevölkerung aufgrund der
Hilfen der Europäischen Union eine Friedensdividende
zukommen lassen können. Dann wäre es nicht dazu gekommen, dass heute viele Palästinenser unter der Armutsgrenze leben.
({1})
Die jetzige Situation hätte verhindert werden können.
Sie ist die Folge des Versagens der palästinensischen Regierung. Dafür sind nicht - das muss man festhalten die äußeren Einflüsse verantwortlich zu machen.
({2})
Ich verfolge die Diskussion in der israelischen Gesellschaft, weil dort, wie ich glaube, der Schlüssel zur
Lösung dieses Konflikts liegt. Diese Gesellschaft besitzt
die größere Friedenskompetenz und den größeren Willen, den Frieden herbeizuführen. Allerdings will ich diejenigen, die auf palästinensischer Seite an der Genfer
Initiative mitgearbeitet haben, nicht herabsetzen. Ganz
im Gegenteil: Angesichts des Kurses der palästinensischen Führung muss man sagen, dass es sich um extrem
mutige Menschen handelt. Auch deswegen müssen sie
unterstützt werden.
({3})
Ich glaube, dass Uri Avnery Recht hat, wenn er die
Situation in Israel wie folgt beschreibt:
Während der letzten Monate ist in der öffentlichen
Meinung eine bemerkbare Wende eingetreten. Dies
hat verschiedene Gründe: allgemeine Müdigkeit der
endlosen Spirale des Blutvergießens, die Erkenntnis, dass es keine militärische Lösung gibt, die Verschlechterung der wirtschaftlichen Krise, die unermüdliche Aktivität der radikalen Friedensgruppen.
Die Liste der sich häufenden Symptome wird länger: die Bewegung der jungen Leute, die den Armeedienst in den besetzten Gebieten verweigern;
die Revolte der 30 Luftwaffenpiloten; die Ayalon8244
Nusseibeh-Initiative; das Statement der vier früheren Geheimdienstchefs; die Kritik vom Generalstabschef und in dieser Woche der öffentliche Angriff der Reserveoffiziere auf die fortdauernde
Existenz der Siedlung Nezarim im Gazastreifen.
Die Genfer Initiative gab dieser Wende in Israel einen großen Auftrieb - und im Ausland ein eindrucksvolles Echo.
Die Teilnahme von internationalen Persönlichkeiten bei der feierlichen Zeremonie in der Schweiz
verliehen ihr Rang und Prestige.
Im weiteren Verlauf dieses Artikels, der am
6. Dezember des vergangenen Jahres erschienen ist, erinnert sich Uri Avnery an eine erste Konferenz mit Palästinensern, die nach seiner Erinnerung vor 31 Jahren in
Bologna stattgefunden hat. Er erinnert sich, dort gesagt
zu haben:
Der Vietnamkrieg wird in der amerikanischen Öffentlichkeit gewonnen, der algerische Krieg in der
französischen Öffentlichkeit, und der palästinensische Krieg wird in der israelischen öffentlichen
Meinung gewonnen werden.
Unser Anteil kann darin liegen, dass wir unverrückbar
an dem Standpunkt der deutschen Politik festhalten, der
seit Konrad Adenauer - der Bundesaußenminister und
andere haben es gesagt - gilt, nämlich dass das Existenzrecht des Staates Israel in keiner Weise infrage gestellt
werden kann, dass wir eine Sonderbeziehung haben, die
auch so bleiben wird.
Meine persönliche Erfahrung ist im Übrigen: Wenn
man das arabischen Freunden und Gesprächspartnern
genauso sagt, wird dies akzeptiert und auch anerkannt.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({4})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/
Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/2392 mit
dem Titel „Roadmap wieder beleben - Genfer Initiative
unterstützen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
({0})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Hofbauer, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als gesamtdeutschen Strukturförderungsrahmen erhalten
und fortentwickeln
- Drucksache 15/1986 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({1})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile
ich das Wort dem Kollegen Klaus Hofbauer von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ohne jegliche Ankündigung, ohne Information
der zuständigen parlamentarischen Gremien, ja in einer
Nacht-und-Nebel-Aktion hat die rot-grüne Bundesregierung den Bundesanteil der Gemeinschaftsaufgabe
„West“ gestrichen. Selbst Übergangsregelungen sind
nicht geplant.
({0})
Angesichts der aktuellen Diskussion über die europäische Strukturpolitik ist dies ein völlig falsches Signal
nach Brüssel.
({1})
Warum soll die EU Deutschland Strukturförderung
gewähren, wenn die rot-grüne Bundesregierung nationale Mittel streicht und damit selbst die Strukturpolitik
in der Bundesrepublik Deutschland infrage stellt?
({2})
Die Bundesregierung beteuert immer wieder, auf europäischer Ebene um nationale Handlungsspielräume in
der Strukturpolitik zu kämpfen. Aufgrund ihrer Entscheidung zur GA ist dies ein reines Lippenbekenntnis.
({3})
Was macht es für einen Sinn, nationale Eigenverantwortung zu fordern, wenn man die bewährten Instrumente
der nationalen Strukturförderung finanziell aushöhlt? Erlauben Sie mir diese zentrale Aussage: Wer die GA
„West“ abschafft, ist nicht weit davon entfernt, die GA
„Ost“ auf null zu fahren. Das ist das zentrale Thema, das
wir ansprechen müssen.
({4})
Die Strukturpolitik der verschiedenen Ebenen, angefangen von den Kommunen bis hin zu Europa, hat in den
letzten Jahren bei uns in Deutschland viel Positives bewirkt.
({5})
Der Auftrag des Grundgesetzes, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen, wurde vielfach erreicht. Bestimmte begrüßenswerte Ereignisse, zum Beispiel die
Wiedervereinigung Deutschlands, die EU-Osterweiterung, die Globalisierung usw., erfordern auch in den
nächsten Jahren eine zukunftsorientierte nationale Strukturpolitik.
({6})
Für mich ist entscheidend: Strukturpolitik hat mit
Subventionen nichts zu tun. Strukturpolitik ist ein entscheidender Beitrag zur Schaffung, Sicherung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, insbesondere im ländlichen
Raum.
({7})
Bei der GA beweist die Bundesregierung schon seit
Jahren Konzeptlosigkeit. Ich darf kurz erinnern: Noch
im Sommer 2002 beschloss die rot-grüne Mehrheit in
diesem Hause einen eigenen Antrag mit dem Titel „Die
Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur als regelgebundenes Fördersystem
erhalten“. Nach der Bundestagswahl wurde dieser Antrag vergessen.
In den rot-grünen Haushaltsberatungen wurde die GA
„West“ ganz gestrichen und die Mittel für die GA „Ost“
wurden weiter gekürzt. Damit setzt Rot-Grün die Gemeinschaftsaufgabe in ganz Deutschland aufs Spiel.
({8})
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist das wichtigste nationale
Instrument der Strukturförderung. Sie ist ein bewährter
Ordnungs- und Koordinierungsrahmen, der Subventionswettläufe wirksam verhindert. Die GA - das ist ein
zentraler Punkt - wirkt direkt in die Unternehmen hinein. In meinem Wahlkreis laufen zurzeit noch 17 Anträge zur GA mit einem Investitionsvolumen von
37 Millionen Euro. Allein diese Zahl beweist, dass sich
mittelständische Unternehmen zum Beispiel auf die EUOsterweiterung vorbereiten wollen und deshalb investieren. Wenn im Rahmen von 17 Anträgen 37 Millionen
Euro investiert werden, dann ist das der Beweis, dass
insbesondere unsere mittelständischen Firmen eine
konkrete Hilfe erhalten.
({9})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die GA
weist - wie sonst kaum ein anderes Programm auf europäischer Ebene - eine nachvollziehbare Erfolgskontrolle auf. Als so genannter Wessi möchte ich klar und
deutlich zum Ausdruck bringen: Die GA wird auch in
Zukunft in den neuen Bundesländern eine ganz entscheidende Rolle spielen.
({10})
Wir wissen nicht, wie die Verhandlungen zur Strukturpolitik auf europäischer Ebene ausgehen werden. Es
ist leichtfertig, ich möchte sagen, es ist unverantwortlich, in dieser Phase der europäischen Diskussion über
die Strukturpolitik die Mittel für die GA zu kürzen. Ich
möchte ein ganz klares Bekenntnis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur GA in den neuen Bundesländern ablegen.
({11})
Es ist für mich wichtig, festzustellen, dass es auch in
den westlichen Bundesländern verschiedene Problemgebiete gibt. Ich denke an das ehemalige Zonenrandgebiet,
an die Küstenregionen und die strukturschwachen Gebiete, die es nach wie vor gibt. Im ehemaligen Zonenrandgebiet, an der Grenze zwischen Niedersachsen und
den neuen Bundesländern, gibt es bereits ein ganz gewaltiges Fördergefälle. Wir können die Förderung doch
nicht auf null herunterfahren.
Der Herr Bundesverteidigungsminister ist jetzt anwesend. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten
eine Diskussion um die Reduzierung der Bundeswehrstandorte führen. Herr Minister der Verteidigung, Sie
haben gesagt, strukturpolitische Überlegungen spielten
bei Ihren Standortentscheidungen keine Rolle. Natürlich
spielen Bundeswehrstandorte eine ganz wichtige strukturpolitische Rolle. Sie befinden sich überwiegend in
ländlichen Räumen. Wenn diese strukturpolitischen
Überlegungen für die Bundeswehr - ich habe Verständnis für diese sachliche Entscheidung - keine Rolle spielen, dann müssen wir uns Instrumente überlegen, um den
Wegfall der Bundeswehrstandorte abzufedern und die
dadurch entstehenden strukturpolitischen Probleme zu
lösen.
({12})
Ich möchte noch einen Punkt konkret ansprechen, der
die Grenzregionen zu den EU-Beitrittsländern betrifft. Diese Gebiete werden nicht nur einem ganz gewaltigen Fördergefälle ausgesetzt sein, sondern auch einem
Lohn- und Wohlstandsgefälle. In den Grenzregionen betrifft das besonders den Mittelstand und das Dienstleistungsgewerbe. Deswegen möchte ich noch einmal klar
und deutlich an das gewaltige Versprechen erinnern, das
der Herr Bundeskanzler vor wenigen Jahren in Ostbayern abgegeben hat. Er hat gesagt:
Das gehört zusammen: ein vernünftiges, auch materiell unterlegtes Programm der Förderung der
Grenzregionen, aber auch die Chance, dass wir mit
unseren regionalen und nationalen Förderinstrumenten, ohne dass dies als Beihilfe aus Brüssel begriffen wird, Strukturpolitik nicht nur bereden, sondern wirklich machen können. Dies beides gehört
zusammen und wir haben für beides zu sorgen.
({13})
- Er hat Recht. Bisher ist aber nichts geschehen.
({14})
Ich fordere den Bundeskanzler jetzt auf, sich endlich
für diese Aussage zu rechtfertigen bzw. entsprechend zu
handeln oder sich wieder bei den Menschen zu entschuldigen. Das hat er schon oft gemacht, wenn er falsche
Aussagen getroffen hat. Meine zentrale Forderung lautet: Herr Bundeskanzler, entweder Sie entschuldigen
sich für diese Aussage oder Sie handeln endlich und halten die Zusagen, die Sie gemacht haben, ein.
({15})
Ich glaube, dass es in dieser wichtigen Entscheidungsphase insbesondere im Hinblick auf die Diskussion in Europa darum geht, die Gemeinschaftsaufgabe
insgesamt in der Bundesrepublik zu erhalten. Es wird
unsere zentrale Forderung sein, die Strukturpolitik weiterzuentwickeln. In diesem zentralen Punkt besteht
Handlungsbedarf.
Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ergeben
sich daher folgende grundsätzliche Forderungen, die
auch in dem von uns eingereichten Antrag enthalten
sind.
Erstens. Die GA muss als regelgebundenes System einer gemeinsamen Regionalförderung von Bund und
Ländern auf Dauer erhalten bleiben.
({16})
Zweitens. Die GA ist perspektivisch zu einem gesamtdeutschen Strukturförderungsinstrument fortzuentwickeln.
Drittens ist für mich eines von ganz entscheidender
Bedeutung: Angesichts des Haushaltsvermerks für das
Jahr 2004 frage ich mich, warum dies nicht umgesetzt
wird. Welche Streitpunkte gibt es zwischen dem Finanzund Wirtschaftsministerium, die zu Verzögerungen führen? Hier muss Klarheit geschaffen werden, damit diese
Gelder ausgereicht werden können.
Es reicht nicht, eine Sicherheit lediglich für das
Jahr 2004 zu bekommen, sondern dies muss auf Dauer
geregelt werden. Wir brauchen auch in Zukunft eine nationale Strukturpolitik. Sie muss entsprechend gestaltet
werden. Deswegen bitte ich Sie, dem Antrag der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
({17})
Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Müller von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Hofbauer, Sie sprachen eben von einer
Nacht-und-Nebel-Aktion des Bundeswirtschaftsministers. Das war es doch wohl nicht. Denn er hat seine Position immerhin ausführlich, zeitig und auch begründet
vorgetragen. Mindestens das soll an dieser Stelle erwähnt werden. Es kann ja wohl keinesfalls darum gehen
- Sie unterstellen das aber -, dass die Koalition dabei
sei, nach der GA „West“ nun auch noch die GA „Ost“
abzuschaffen. Erstens sprechen die Tatsachen dagegen
und zweitens ist das auch nicht unser Ziel. Ich finde, angesichts der Komplexität dieses Themas, die auch mit
den Beziehungen zwischen Bund und Ländern zu tun
hat, ist das eine zu einfache Argumentation.
Dann erwähnten Sie dankenswerterweise unseren Antrag auf Drucksache 14/9242 aus dem Jahre 2002, den
der Deutsche Bundestag beschlossen hatte und der - das
können Sie ja nachlesen - mit einem ähnlichen Titel ausgestattet war. Sie meinen nun, dieser Antrag sei vergessen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ganz im Gegenteil; denn
dieser Antrag hat noch heute seine Funktion. Damals allerdings war er eine notwendige Reaktion des Deutschen
Bundestages auf den Beschluss der Ministerpräsidenten
der Länder vom Juni 2001, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen. Demnach sollten beispielsweise auch die Gemeinschaftsaufgaben aufgegeben werden.
({0})
- Geschätzter Kollege, das ist keine andere Frage. Denn
wer die Mischfinanzierung abschaffen will, muss logischerweise auch über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ reden.
Das tut mir Leid.
Im Übrigen ist dies damals aufgrund einer Initiative
der Ministerpräsidenten von Bayern und NordrheinWestfalen zustande gekommen. Auch dies soll der Korrektheit halber erwähnt werden. Im Kontrast dazu hatten
der Wirtschaftsminister des Bundes und die der Länder
im Mai 2002 ihrer Absicht Ausdruck verliehen, die Gemeinschaftsaufgabe zu erhalten. Auch das gehört zu dem
sehr interessanten Konzert von Meinungen, die wir
heute kennen.
Der heute vorliegende Antrag der CDU/CSU greift
dieses Thema wieder auf und setzt in seinen wesentlichen Zielen gleiche Akzente, die bereits Gegenstand des
Beschlusses des Deutschen Bundestages waren. Allerdings - das ist korrekt - hat sich die Situation um die GA
im Jahr 2003 verändert. Im Zuge der Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres begründete der Wirtschaftsminister seine Position, nach der die GA „West“ bis zum
Jahr 2006 auslaufen soll. Seitens des Bundes sollten daher ab dem Haushaltsjahr 2005 keine neuen Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung gestellt werden. Da
aber bis 2006 ein genehmigtes Fördergebiet vorliegt,
könnten die westdeutschen Länder bis dahin von dieser
Förderkulisse Gebrauch machen.
Die Koalitionsfraktionen gelangten im Zuge der
Haushaltsberatungen jedoch zu der Auffassung, dass es,
gerade unter Bezug auf die Beschlusslage des Deutschen
Bundestages, als nicht sinnvoll erscheint, durch eine rein
haushaltspolitische Entscheidung einem fachpolitischen Entscheidungsprozess über die Mischfinanzierungen vorzugreifen. Wir sind nämlich der Ansicht, dass
Christian Müller ({1})
dies nicht pauschal geschehen darf, sondern dass zwischen den verschiedenen Formen von Mischfinanzierungen und Gemeinschaftsaufgaben abgewogen werden
muss. Wesentlich ist: Wir als Deutscher Bundestag wollen uns dazu natürlich auch äußern dürfen.
Die parlamentarische Beratung des vorliegenden
Antrags allein wird diesen komplizierten Abwägungsprozess zwischen Bund und Ländern allerdings nicht
auflösen können. Deswegen rate ich Ihnen von der Opposition, nicht zu sehr mit dem Finger auf die Bundesregierung zu zeigen; denn es wird, wenn es um die Finanzbeziehungen zwischen beiden Partnern geht, auch sehr
auf die Haltung der Bundesländer ankommen. Auch
das Agieren Bayerns, dessen Ministerpräsident immerhin für die Abschaffung der Mischfinanzierung gewesen
ist, sollte in diesem konkreten Zusammenhang sehr aufmerksam betrachtet werden.
({2})
Eine anders lautende, offizielle Position kenne ich bis
heute nicht.
Um für diesen Klärungsprozess, der notwendig ist,
genug Zeit zu haben, haben die Koalitionsfraktionen in
einer gründlichen Abwägung verschiedener Positionen
mithilfe eines Haushaltsvermerks im Titel der GA „Ost“
100 Millionen Euro zur Verwendung für die GA „West“
zur Verfügung gestellt, den Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe mit der Umsetzung betraut und den
Deutschen Bundestag um einen Bericht dazu gebeten.
Wir gehen davon aus, dass dies - zunächst einmal für
den Nahbereich - zu einem erträglichen Kompromiss
führt.
Die Kritik im vorliegenden Antrag hinsichtlich der
generell sinkenden Mittelausstattung muss jedoch
deutlich relativiert werden. Erstens ist dies ein bedauerlicher Prozess, den wir bereits vor acht Jahren, zu Zeiten
einer anderer Regierung, konstatiert und auch kritisiert
haben.
Zweitens muss die aktuelle Lage bei der Mittelausstattung im Kontext der Haushaltslage des Bundes und
der Länder und der unabweisbaren Notwendigkeit zur
Einsparung von Haushaltsmitteln gesehen werden. Drei
Jahre ohne Wachstum haben ihre Spuren hinterlassen;
das wissen Sie. Auch daran sollte die Opposition denken, die keine Gelegenheit auslässt, den Bundesfinanzminister wegen zu hoher Neuverschuldung zu kritisieren.
Drittens sollten Sie sich einen Überblick darüber verschaffen, in welchem Umfang die bereitgestellten Mittel
von den Ländern, insbesondere auch den ostdeutschen
Ländern, kofinanziert werden können und dort abfließen.
Die Koalitionsfraktionen wollen die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als regelgebundenes Instrument der Regionalförderung erhalten. Entwicklungsprobleme von
Regionen, regionale Disparitäten werden auch künftig
eintreten; die Ursachen dafür sind hinlänglich bekannt
und sollen nicht auch noch von mir erwähnt werden. Jedenfalls wissen wir, dass meistens die ohnehin strukturschwachen Regionen - sehr oft sind es ländliche - davon
betroffen sind.
Deshalb begrüßen wir - im Unterschied zu Ihnen das von der Bundesregierung formulierte Ziel, im Zuge
einer Begrenzung des nationalen Beitrags zum Haushalt
der Europäischen Union und deren Strukturpolitik Spielräume für eine eigenständige Regionalpolitik zurückzugewinnen.
({3})
Dies bedarf jedoch eines verlässlichen und erprobten Instruments, das bei aller Flexibilität als regelgebundenes
System Subventionswettläufe zu verhindern in der Lage
ist. Wir meinen, dass die Gemeinschaftsaufgabe, wie wir
sie kennen, diese Bedingung sehr gut erfüllt. Es wäre
also nicht sinnvoll, dieses Instrument aus der Hand zu
geben. Im Gegenteil - darauf verweist auch der Koalitionsantrag vom Juni 2002 eindeutig -: Die GA, die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“, ist ein geeigneter Koordinierungsrahmen auch für die künftigen raumwirksamen
Politiken des Bundes und der Länder. Den wollen wir
entwickeln, meine Damen und Herren.
({4})
Deshalb werden wir die GA auch für die Zeit nach
2006 in Angriff nehmen und auf den Weg bringen. Allerdings - das ist meine abschließende Bemerkung zu diesem Thema - müssen auch die Länder klar sagen, ob sie
dies so wollen, und sich vor allen Dingen darauf verständigen, mit welchem Instrument die zurückzugewinnenden Handlungsspielräume ausgefüllt werden sollen. Wir
sind der Meinung, dass dies die GA sein kann, aber ohne
die Länder wird es nicht gehen.
({5})
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gudrun Kopp von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen!
Ohne Zweifel gibt es am Wirtschaftsstandort Deutschland riesengroße Probleme. Die Verhältnisse in den jeweiligen Regionen sind sehr unterschiedlich. Das hat
Ursachen, die wir alle kennen. Die rot-grüne Bundesregierung hat es bis heute nicht geschafft, verlässliche
Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, und
zwar für ganz Deutschland, bereitzustellen. Das ist der
Hauptkritikpunkt. Angesichts der jetzt Jahrzehnte zurückliegenden Aufgaben- und Finanzverflechtungen
im Zeichen der Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse scheint ein besonderer Bedarf an einer Entflechtung vorzuliegen.
({0})
In einem System, in dem alle mitreden und alle gemeinsam bezahlen und meist der kleinste gemeinsame
Nenner als Kompromiss herhalten muss, trägt kaum jemand Verantwortung. In einem solchen System wird
vielmehr das Monopol des Stillstands gefestigt, ohne
dass Anreize zu Innovation und Kreativität gegeben werden.
Nach Art. 30 des Grundgesetzes sind für die Regionalförderung die Länder zuständig. Gemäß Art. 91 a des
Grundgesetzes wirkt der Bund bei den Gemeinschaftsaufgaben mit. Die Frage, die sich angesichts dessen
stellt, lautet, wie wir einen gesunden Wettbewerb befördern. Dazu scheint, wie ich finde, der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion leider nicht beitragen zu
können. Auch wir Liberale, wir von der FDP, wollen
nicht, dass hier ein kurzsichtiger Kahlschlag stattfindet.
Es ist aber unsere Aufgabe, aufzuzeigen, wohin die
Reise gehen soll. Die bisherige Förderung auf Dauer und
trotz des wachsenden Europas so beizubehalten, das
werden wir nicht durchhalten. Dieser realistischen Sichtweise müssen wir uns stellen. Eine Fortführung der Gemeinschaftsaufgaben auf ewig ist unrealistisch.
({1})
Realistisch ist dagegen, die Notwendigkeit zu erkennen, dass wir versuchen müssen, eine neue Föderalismusdebatte zu führen, die überfällig ist. Wir müssen
klären, wer wofür zuständig ist und wer wofür Verantwortung übernimmt. Wir brauchen eine Agenda, die
folgende Punkte beinhaltet: mehr Wettbewerb; mehr
Kompetenzen auf regionaler Ebene; weniger Mischfinanzierung; Aufgabenentflechtungen; eindeutige Zuordnung von Verantwortlichkeiten in bestimmten Bereichen.
({2})
Wir müssen gemeinsam an der Erstellung eines entsprechenden Rahmenkonzepts arbeiten, mit dem der
ökonomische Niedergang unseres Landes wirksam bekämpft werden kann. Wir haben im Moment eine strukturelle Reformunfähigkeit - das sagte ich schon -, die
die rot-grüne Bundesregierung zu verantworten hat.
Diese gilt es auszumerzen.
({3})
Strukturelle Reformen unserer politischen Institutionen verdienen dann diesen Namen, wenn sie zu mehr
Wettbewerb, mehr Kreativität und mehr Innovationsfreude führen. Nur dann werden wir den ökonomischen
und sozialen Strukturwandel überhaupt bewältigen können.
Ich erinnere daran: Wir von der FDP haben erst gestern das ausgearbeitete Konzept einer Steuerreform vorgelegt.
({4})
Wir haben zur Stärkung der Gemeinden beispielsweise
ein eigenes Konzept zur Gemeindefinanzreform auf
den Tisch gelegt.
({5})
Wir halten es für absolut notwendig, Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen voranzubringen, damit sich die
Regionen entwickeln können.
({6})
Lassen Sie mich zum Schluss folgenden Hinweis geben: Wir müssen von der Auffassung wegkommen, der
Staat könnte auf Dauer Gelder bereitstellen, ohne dass
das nötige Konzept vorliegt, wohin die Reise gehen soll
und wie strukturelle Unterschiede aus eigener Kraft, aus
dem Wissen der jeweiligen Region heraus ausgeglichen
werden können. Staatsmittel stehen nicht unbegrenzt zur
Verfügung. Wir brauchen also Mut für durchgreifende
Reformen. Diesen Mut wünsche ich uns allen. Er ist
dringend notwendig.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Hettlich vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Vor zwei Wochen haben wir an dieser
Stelle das Investitionszulagengesetz 2005 in erster Lesung behandelt. Wir waren uns fraktionsübergreifend einig, dass die Verlängerung der Geltungsdauer dieses
Förderinstrumentes für den weiteren wirtschaftlichen
Aufholprozess in den neuen Bundesländern unverzichtbar ist. Die Frage, ob und wie die Investitionszulage
über das Jahr 2006 hinaus verlängert werden kann, kann
heute allerdings noch nicht richtig beantwortet werden.
Die Investitionszulage und der Investitionszuschuss
aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bilden gemeinsam ein
Kernstück deutscher regionaler Strukturpolitik. Diese regionale Förderung soll dem Ausgleich von Standortnachteilen der geförderten Regionen dienen und deren
Chancen im Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen
verbessern.
({0})
Die Gemeinschaftsaufgabe hat sich seit 1972 als ein
erfolgreiches Förderprogramm für benachteiligte Gebiete bewährt. In den alten Bundesländern wurden damit
die ehemaligen Zonenrandgebiete, die vom Strukturwandel betroffenen Industrieregionen, die Küstenregionen
und die ostbayrischen Grenzregionen unterstützt.
({1})
Nach 1990 ist die GA auch in den neuen Bundesländern
zu einem unverzichtbaren Förderinstrument geworden.
({2})
Ich möchte besonders hervorheben, dass es ein
Hauptziel der Förderung war und ist, Investitionen zu
unterstützen, die insbesondere der Schaffung und der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen. Allein in den Jahren 2000 bis 2002 wurden laut Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit mit einem Mitteleinsatz von rund
8 Milliarden Euro Investitionen von rund 32 Milliarden
Euro angestoßen. Damit konnten rund 310 000 Arbeitsplätze gesichert und rund 120 000 Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Auf die neuen Bundesländer entfielen
dabei 267 000 bzw. 68 000 Arbeitsplätze. Diese beeindruckenden Zahlen sprechen für sich und für eine Fortführung dieses regionalen Förderinstrumentes.
({3})
Zwischen 1991 und 2001 flossen rund 27 Milliarden
Euro an GA- und EFRE-Mitteln in die neuen Bundesländer. Davon gingen rund 90 Prozent an kleine und mittelständische Unternehmen. Dies ist insofern besonders bemerkenswert, da hoch subventionierte Industrien
wie beispielsweise die Chipindustrie in Dresden, die
Werften in Mecklenburg-Vorpommern oder die Autofabriken in Thüringen und Sachsen in der Öffentlichkeit
viel stärker wahrgenommen wurden. Daher müssen unsere Bestrebungen auch in Zukunft auf die Stärkung von
kleinen und mittelständischen Unternehmen gerichtet
sein.
({4})
Diese haben ihre Investitionen weniger in Rationalisierungsmaßnahmen gesteckt als geförderte Großunternehmen, wodurch sie einen deutlich größeren Beitrag zum
Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen geleistet
haben. Dies kann nur in unserem Interesse liegen.
({5})
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Rückblick. Im Juni 2001 hatten die Länder auf Initiative der
Ministerpräsidenten Clement und Stoiber beschlossen,
die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern anzugehen. Insbesondere sollten
die Mischfinanzierungen und die Entflechtungen der Gemeinschaftsaufgaben vereinbart werden. Das macht ja
durchaus Sinn, allerdings dürfen wir die Folgen nicht negieren; denn ein zunehmendes Auseinanderklaffen der
regionalen wirtschaftlichen Entwicklung, Wettbewerbsverzerrungen und ein Deutschland zweier Geschwindigkeiten wären die harten Konsequenzen. Daher ist es unerlässlich, intensiv über die Frage nachzudenken, wie
eine regionale Wirtschaftsförderung - noch dazu EUkonform - weitergeführt werden kann, und sie im Interesse der betroffenen Regionen schnell zu beantworten.
Ich erinnere daran - das hat der Kollege Müller eben
auch getan -, dass der Bundestag dies bereits in seinem
Beschluss vom 5. Juni 2002 gefordert hat.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute
über die Gemeinschaftsaufgabe diskutieren, dann kommen wir nicht umhin, die ebenfalls noch ungeklärte Zukunft der EU-Strukturförderung anzusprechen. Mit
der EU-Osterweiterung werden die regionalen Entwicklungsunterschiede in der EU erheblich zunehmen. Das
könnte bedeuten, dass sich die Einstufungen der bisherigen deutschen Förderzielgebiete ab 2007 zu deren Ungunsten erheblich verändern werden. Wir sollten uns
dann aber auch die Frage stellen, ob wir es uns leisten
wollen, über eine Erhöhung des EU-Haushaltes - quasi
über die Hintertür - die bisherigen Förderzielgebiete zu
erhalten und unserer nationalen regionalen Förderpolitik
einen größeren Freiraum zu verschaffen. Auch das hat
der Kollege Müller eben angesprochen. Das ist nur dann
möglich, wenn wir die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als ein regelgebundenes System und als Koordinierungsrahmen einer
gemeinsamen Regionalförderung von Bund und Ländern
erhalten.
Zum Schluss sei auch noch das heikle Thema der unterschiedlichen Finanzausstattung der GA „Ost“ und der
GA „West“ angesprochen. Wir alle wissen, dass die Anzahl der Fördergebiete in den alten Bundesländern durch
die Vorgaben der EU-Kommission stark eingeschränkt
ist. Es könnte daher der Eindruck entstehen, dass sich die
ungleiche Verteilung der GA-Mittel zwischen West und
Ost im Verhältnis von eins zu neun als Argument für
eine Debatte über West-Ost-Transfers anbietet. Als dann
- wie in den Beratungen zum Haushalt 2004 geschehen - die GA „West“ ganz gestrichen werden sollte,
bestand tatsächlich die Gefahr dafür. Diese konnte allerdings dadurch abgewehrt werden, dass die Verpflichtungsermächtigungen der GA Ost zugunsten der
GA West um 100 Millionen Euro gekürzt wurden.
Es darf nicht sein, dass wir die Diskussion um die Zukunft der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ dazu missbrauchen, die
wirtschaftlich benachteiligten Regionen gegeneinander
auszuspielen.
({6})
Es liegt vielmehr in unserer Verantwortung, hier auch in
Zukunft für Kontinuität und für die Verlässlichkeit bewährter Förderinstrumente einzutreten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({7})
Das Wort hat jetzt der Kollege Robert Hochbaum von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Saldo von Unternehmensgründungen von
19 400 im Jahre 1998 auf 5 300 im Jahre 2002 ist gesunken. Die Bruttowertschöpfung ist von 0,6 auf 0,3 Prozent
reduziert. Der Wohnbevölkerungsanteil ist von 22,9 Prozent auf 18,9 Prozent gefallen. Die Arbeitslosigkeit
steigt mit einem Plus von 2,6 Prozent zum Vorjahresmonat. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr ein Minus
von 122 347. Das sind keine Fantasiezahlen, meine Damen und Herren von der Koalition, sondern die Tatsachen aus dem aktuellen Bericht der Bundesagentur für
Arbeit und dem letzten von Ihnen verfassten Jahresbericht zur deutschen Einheit. Diese Zahlen spiegeln die
Realität im Osten wider: fehlendes Wirtschaftswachstum, steigende Arbeitslosigkeit und stetige Abwanderung.
Es ist schon eigenartig, im Jahresbericht zur deutschen Einheit beispielsweise folgenden Satz zu lesen:
„Der angestoßene wirtschaftliche Entwicklungsprozess
ist auf dem richtigen Weg.“ Auch in der gestrigen Rede
des Wirtschaftsministers war zu hören, dass die Wirtschaftspolitik der Regierung erfolgreich ist. Ich kann mir
kaum vorstellen, meine Damen und Herren von RotGrün, dass dies die Arbeitslosen im Osten genauso sehen
und - so wie Sie gestern - dazu noch Beifall spenden.
Da ich Ihnen von der Koalition aber keine unlauteren
Absichten unterstellen will, kommt es mir so vor, als
hätten Sie Ihren Realitätssinn in der Frage der wirtschaftlichen Entwicklung und speziell in der im Osten
vollkommen verloren.
({0})
Dazu passt die seit einiger Zeit andauernde Diskussion über die weitere Förderung im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Die Bundesregierung versucht nicht nur,
sich hier schrittweise aus der Verantwortung zu stehlen.
({1})
Nein, sie versucht in dieser Frage sogar, von sich abzulenken, indem sie die alten und die neuen Bundesländer
gegeneinander ausspielt. Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch in hohem Maße verantwortungslos.
({2})
Doch erinnern wir uns: Es ist noch gar nicht lange her
- es klingt schon wie ein Märchen -, dass die Angelegenheit Aufbau Ost zur Chefsache erklärt wurde. Die
Funktion Staatsminister Ost wurde ins Leben gerufen,
die es in dieser Form inzwischen allerdings nicht mehr
gibt und deren Stelleninhaber von seinen Wählern für
die Aufbauarbeit im Osten „belohnt“ wurde. Nichts außer großen Worten, den negativen Wirtschaftszahlen und
dem ständigen Versuch der Regierung, die Situation
schönzureden, ist also davon übrig geblieben.
({3})
Was geschieht nun in der nahen Zukunft? Der Anpassungsdruck des Ostens im regionalen Standortwettbewerb steigt weiter. Den strukturschwachen Regionen
bleibt kaum eine Atempause. Das Wachstum in den
neuen Ländern war in den letzten Jahren mehr als verhalten und brachte beim relativen Pro-Kopf-Einkommen
kaum Fortschritte. Der wirtschaftliche Umstrukturierungsprozess ist also noch lange nicht abgeschlossen und
erfordert auch weiterhin besondere Maßnahmen der Regionalpolitik.
Nicht vergessen werden darf dabei, dass die bevorstehende EU-Osterweiterung weit reichende politische, soziale und vor allem auch wirtschaftliche Auswirkungen
auf ganz Deutschland, insbesondere aber auf die Regionen im Osten und speziell auf die Grenzregion haben
wird.
({4})
Schlagworte wie der „statistische Effekt“ und „Wegfall
als Ziel-1-Gebiete“ stehen in diesem Zusammenhang
drohend im Raum.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagte dazu in der
„Welt“, die Fördermittel der EU würden deutlich reduziert und fehlten künftig beim Ausbau der Infrastruktur
in Ostdeutschland. Dabei handele es sich um einen
schleichenden Prozess, der die Entwicklung in Ostdeutschland mindestens noch über zehn bis 15 Jahre beeinträchtigen werde.
Wie reagiert die Bundesregierung darauf? Sie beabsichtigt, bei den Mitteln der GA zu sparen. Hierzu hat sie
zuerst einmal die GA-Mittel der alten Länder auf null
gesetzt, um danach aus dem schon geschmälerten Osthaushalt 100 Millionen Euro auf das Westkonto zu buchen. Diese Art der Kürzung in West wie in Ost kann nur
als Versuch gewertet werden, einen Keil in die Solidarität zwischen ostdeutschen und westdeutschen Ländern
zu treiben. Dies ist mit uns nicht machbar.
({5})
Eines muss hierbei ganz klar gesagt werden: Es geht
nicht darum, die westdeutschen Länder bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur außen vor zu
lassen. Ganz im Gegenteil. Natürlich gibt es auch in den
alten Ländern inzwischen zunehmend Problemregionen,
in denen eine Förderung von Investitionsmaßnahmen
dringend erforderlich ist. Gerade daran zeigt sich übrigens ganz besonders das wirtschaftliche Versagen dieser
Regierung.
({6})
Darum fordere ich Rot-Grün auf: Nehmen Sie Ihre
Verantwortung für die regionale Wirtschaftsentwicklung, die Sie nicht zuletzt durch das Grundgesetz haben,
wahr und fördern Sie Ost und West, ohne die Mittel gegeneinander aufzurechnen! Denn wer bei Investitionen
spart, spart sich ein Stück seiner Zukunft weg.
Danke schön, meine Damen und Herren.
({7})
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich dem Kollegen Dr. Heinz Köhler von der SPDFraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU ist überflüssig. Er bietet
nichts Neues. Alles, was darin steht, ist bekannt und war
Gegenstand von Diskussionen im Plenum im Juni 2002,
also vor anderthalb Jahren. Es gibt also keine Notwendigkeit für eine neue Debatte im Bundestag, denn die
Koalition steht zur Gemeinschaftsaufgabe. Im Übrigen
will ich anmerken: Wir haben das im Haushalt bewiesen,
während sich die CDU/CSU nicht an der Abstimmung
beteiligt hat. Wäre es nach Ihnen von der CDU/CSU gegangen, dann wäre überhaupt nichts gewesen. Das ist die
Wahrheit.
({0})
Jeder in diesem Haus weiß: Das föderale System der
Bundesrepublik Deutschland steht auf dem Prüfstand.
Wir haben eine Föderalismuskommission, wir haben
Absprachen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten, wir reden über den Abbau von Mischfinanzierungstatbeständen, wir reden seit Jahr und Tag über Entflechtungen und wir reden darüber, ob und, wenn ja,
welche Gemeinschaftsaufgaben heute noch sinnvoll
sind. Aber es ist in diesem Bereich noch nichts entschieden. Wir befinden uns vielmehr mitten in der Debatte,
die in Kommissionen und Gremien des Bundestages und
des Bundesrates geführt wird. Deshalb ist das ein Antrag
zur Unzeit.
({1})
Warum aber stellt die CDU/CSU einen solchen Antrag? Die Antwort: Es geht ihr nicht um die Sache, sondern es geht ihr nur darum, Sand ins Getriebe zu streuen.
({2})
Es geht ihr um Parteitaktik. Es geht darum, die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung auseinander
zu treiben. Das wird Ihnen, meine Damen und Herren
von der Union, nicht gelingen.
({3})
Wir finden besonders interessant, dass Sie, Herr
Hofbauer, eine öffentliche Debatte führen wollen. Bitte
schön, kann ich nur sagen. Es ist doch Ihr Ministerpräsident, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber,
der seit Jahr und Tag gegen die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ wettert und sie lieber heute als morgen abgeschafft wissen
will.
({4})
- Das nehme ich nicht zurück, weil ich es gehört habe.
In Berlin als Gralshüter der Gemeinschaftsaufgabe
auftreten und sich in Bayern vor der Politik der Landesregierung ducken und wegtauchen - so geht das nicht.
({5})
Bitte schön, Herr Hofbauer, klären Sie erst einmal in Ihrer eigenen Partei, was nun eigentlich gilt. Gemeinschaftsaufgabe ja oder nein? Stoiber oder Hofbauer? Es
geht nur eines.
({6})
Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen, genauso wie wir es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn
aus Ihren Reihen offensichtlich die Unwahrheit gesagt
wird.
In Presseerklärungen im bayerischen Raum heißt es,
die Bundesregierung werde das Grenzgebietförderprogramm Interreg der Europäischen Union nicht weiter
unterstützen.
({7})
Ich lese Ihnen aus dem Eckpunktepapier vom Dezember
2002 vor, wie die Bundesregierung tatsächlich darüber
denkt:
Für die Beibehaltung einer begrenzten EU-Strukturpolitik außerhalb von Ziel 1 sprechen integrations- und regionalpolitische Überlegungen sowie
der horizontale Ansatz des Europäischen Sozialfonds. Infrage kommen horizontale Fördermaßnahmen mit einem besonders hohen europäischen
Mehrwert, vor allem: Netzwerke, Erfahrungsaustausch … sowie grenzüberschreitende, interregionale und transnationale Zusammenarbeit.
Das heißt, Interreg wird doch beibehalten. Bitte bleiben
Sie bei der Wahrheit!
Wir sind uns darin einig, dass uns die EU-Osterweiterung zu einer Neuorientierung der europäischen Strukturpolitik und damit auch der nationalen Strukturpolitik
zwingt. Wir sind uns auch darin einig, dass die europäische Regionalpolitik schon aus finanziellen Erwägungen
nach 2006 nicht mehr in der derzeitigen Form fortgeführt werden kann.
Wir alle in diesem Haus sollten ein Interesse daran
haben, dem Bundesfinanzminister in Brüssel den Rücken zu stärken.
({8})
Sie haben die Gelegenheit, das an dieser Stelle auch öffentlich zu tun.
Wir werden die nationalen Spielräume der Regionalpolitik wieder vergrößern. Das gilt für den Bund, aber
auch für die Länder und Kommunen. Wichtig ist dabei,
dass wir in Zukunft noch stärker als bisher die Raumwirksamkeit der Politik auf Bundes- und Länderebene
beachten und sie so weit wie möglich zu konsistenten
Regionalentwicklungskonzepten weiterentwickeln. In
den vergangenen Jahren ist hierfür schon einiges getan
worden. Dieser Weg muss konsequent fortgesetzt werden.
Die Raumwirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik der
Bundesagentur für Arbeit ist - allein schon wegen ihrer
finanziellen Volumina - viel wichtiger als die Regionalpolitik der Gemeinschaftsaufgabe. Der Nettotransfer der
Bundesagentur für Arbeit von West nach Ost betrug beispielsweise im Jahr 2001 12,5 Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie die Transfers im Rahmen des
Länderfinanzausgleichs mit 5,8 Milliarden Euro. Die
knapp 1 Milliarde Euro, die der Bund für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ aufwendet, nimmt sich dagegen geradezu bescheiden aus.
Bei der Renationalisierung der regionalen Strukturpolitik muss es uns darauf ankommen, die hinsichtlich der
Raumwirksamkeit entstehenden Effekte der Ausgabenpolitik der einzelnen Gebietskörperschaften noch stärker
als bisher zu beachten und zu bündeln.
Ich möchte noch ein weiteres Thema anschneiden.
Wir befinden uns im Jahr 14 nach der Wiedervereinigung. Ich meine, die Aufteilung zwischen einer
Gemeinschaftsaufgabe Ost und einer Gemeinschaftsaufgabe West kann und muss jetzt beendet werden. Unterschiedliche Haushaltstitel sind nicht mehr zeitgemäß
und tragen nur zu einer weiteren Spaltung zwischen Ost
und West bei.
({9})
Im Ruhrgebiet oder auch im bayerischen Grenzraum
gibt es Regionen, denen es schlechter geht als mancher
Region in Sachsen und Thüringen. Das ist für Dresden,
Leipzig oder Jena positiv. Trotzdem müssen wir auf
diese Entwicklung reagieren. Deshalb meine ich, dass es
in Deutschland nur eine Gemeinschaftsaufgabe geben
darf, die sich unabhängig von West und Ost nach der
Strukturschwäche richten muss.
({10})
Selbstverständlich wird der Osten auch in Zukunft
noch wesentlich stärker gefördert werden müssen als der
Westen, weil die Indikatoren wesentlich schlechter sind.
Aber die Aufteilung in eine Ost- und Westförderung ist
nicht zeitgemäß.
Ich komme zum Schluss. Es ist richtig, dass wir eine
Politik für strukturschwache Regionen brauchen. Sie
kann aber nicht losgelöst vom Umbau unseres föderalen
Staatswesens, den wir in einer großen Anstrengung zu
bewältigen haben, gestaltet werden. Für parteitaktisches
Klein-Klein bleibt dabei kein Raum.
({11})
Zu einer Kurzintervention - die Wortmeldung habe
ich zuvor übersehen; sie wird uns helfen, die Zeit zu
überbrücken, bis die Ergebnisse aus dem Bundesrat vorliegen - erteile ich das Wort der Kollegin Bettina
Hagedorn von der SPD-Fraktion.
({0})
- Einen Moment noch, Frau Hagedorn. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, ein wenig ruhiger zu sein,
damit die Kollegin zu Wort kommen und sich Gehör verschaffen kann.
Bitte schön, Frau Hagedorn.
Vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen, um die
Zeit überbrücken zu helfen.
Meine Kurzintervention bezieht sich auf die Rede des
Kollegen Hofbauer. Ich stimme meinem Vorredner zu,
dass es überflüssig ist, sich im Bundestag mit dem Antrag der CDU/CSU zur Gemeinschaftsaufgabe zu beschäftigen. Wenn wir uns aber schon mit dem Antrag Ihrer Fraktion auseinander setzen, sehr geehrter Herr
Kollege, dann ist es meiner Meinung nach ausgesprochen wichtig, dass Sie bei der Wahrheit bleiben. Ihre
Aussage, dass sich das, was im Haushaltsausschuss auf
Antrag von Rot-Grün beschlossen worden ist, nämlich
100 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe zur
Verfügung zu stellen, auf 2004 beziehe, stimmt nicht.
Vielmehr gilt das für den Zeitraum von 2005 bis 2007.
Nach allem, was Sie angeführt haben, um deutlich zu
machen, wie wichtig der CDU/CSU die Förderung der
regionalen Wirtschaftsstruktur ist, bitte ich Sie um Aufklärung darüber - das ist für mich die wichtigste Frage -,
warum die Union dem Antrag von Rot-Grün auf Erhalt
der Verpflichtungsermächtigung im Umfang von
100 Millionen Euro im Haushaltsauschuss nicht zugestimmt hat. Im Übrigen hat auch die FDP unseren Antrag abgelehnt. Ich kann Ihnen versichern - mir liegen
sogar Dankesschreiben der IHKs vor -: Rot-Grün hat
hier tatsächlich gehandelt. Aber Sie haben heute nur geredet.
({0})
Herr Kollege Hofbauer, wollen Sie erwidern? - Bitte
schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin! Erste Bemerkung: Ihre Aussage trifft nicht zu, weil bis heute
keine klare und endgültige Entscheidung betreffend die
100 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe getroffen worden ist. Dieser Haushaltsvermerk hilft uns im
Grunde genommen nicht weiter. Man hat das nur an den
Planungsausschuss verwiesen. Dieser konnte bisher
nicht entscheiden, weil sich das Bundesfinanzministerium sowie das Bundeswirtschafts- und das Bundesarbeitsministerium hierüber nicht einig sind. Das, was Sie
behauptet haben, trifft also nicht zu.
({0})
Zweite Bemerkung: Sie behaupten, eine Entscheidung bis 2007 getroffen zu haben. Es ist aber lediglich
eine Entscheidung für 2004. Schließlich diskutieren wir
nicht über den Haushalt 2006 oder 2007. Das bedeutet
also, dass Sie keine Entscheidung getroffen haben, um
die Gemeinschaftsaufgabe West auf Dauer zu sichern.
Ich habe den Eindruck, dass Sie mit den Diskussionen
in den letzten Wochen ein völlig falsches Zeichen sowohl nach innen als auch nach außen gesetzt haben. Die
Wirtschaft ist jedenfalls mit Ihrer Entscheidung nicht zufrieden; denn insbesondere die mittelständische Wirtschaft wünscht sich die Gemeinschaftsaufgabe. Sie haben die falschen Akzente gesetzt.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1986 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung des Beschlusses ({0})
des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität ({1})
- Drucksache 15/1719 ({2})
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3})
- Drucksache 15/2484 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Stünker
Michael Grosse-Brömer
Jörg van Essen
Es ist vereinbart, die Reden zu Protokoll zu nehmen.
Es handelt sich um die Reden der Kollegen Joachim
Stünker von der SPD-Fraktion, Michael Grosse-Brömer
und Michael Stübgen von der CDU/CSU-Fraktion, Jerzy
Montag vom Bündnis 90/Die Grünen, Jörg van Essen
von der FDP-Fraktion und für die Bundesregierung die
Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs Alfred
Hartenbach.1)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Umsetzung des Beschlusses des Rates vom 28. Februar
2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung
1) Anlage 2
der Bekämpfung der schweren Kriminalität, Drucksache 15/1719. Der Rechtsausschuss empfiehlt auf
Drucksache 15/2484, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen! Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Börnsen ({4}), Dr. Ole Schröder,
Dirk Fischer ({5}), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Schaffung einer nationalen Küstenwache
- Drucksache 15/2337 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({6})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auch zu diesem Punkt sollen die Reden zu Protokoll
genommen werden. Es handelt sich um die Reden der
Kollegin Annette Faße von der SPD-Fraktion und der
Kollegen Wolfgang Börnsen und Dr. Ole Schröder,
CDU/CSU, Rainder Steenblock, Bündnis 90/Die Grü-
nen, Hans-Michael Goldmann, FDP-Fraktion sowie der
Parlamentarischen Staatssekretärin Angelika Mertens
für die Bundesregierung.2)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/2337 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
- Drucksache 15/2286 ({7})
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({8})
- Drucksache 15/2448 -
2) Anlage 3
Abgeordnete Gerold Reichenbach
Beatrix Philipp
Silke Stokar von Neuforn
Gisela Piltz
Rücküberweisung an den federführenden Innenausschuss
Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen. - Wie ich
sehe, sind Sie damit einverstanden.
Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf auf
Drucksache 15/2286 sowie die Beschlussempfehlung
und den Bericht des Innenausschusses dazu auf Drucksache 15/2448 zur Beratung an den Innenausschuss zurückzuüberweisen. Eine Mitberatung durch andere Ausschüsse ist nicht vorgesehen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist
so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der
Abstimmungen des Bundesrates liegen noch nicht vor.
Es ist aber absehbar, dass sie in Kürze vorliegen werden.
Ich bitte Sie daher, hier zu bleiben.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Vorliegen der Ergebnisse.
({0})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung
von Einsprüchen des Bundesrates zu erweitern und diese
jetzt als Zusatzpunkte 7 a bis 7 c aufzurufen. - Ich sehe,
Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe somit die Zusatzpunkte 7 a bis 7 c auf:
a) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes-
rates gegen das Haushaltsgesetz 2004
- Drucksache 15/2504 -
b) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes-
rates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003
- Drucksache 15/2505 -
c) Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt
für Landwirtschaft und Ernährung
- Drucksache 15/2506 Der Präsident des Bundesrates hat soeben schriftlich
mitgeteilt, dass der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung
beschlossen hat, gegen das Haushaltsgesetz 2004, gegen
das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 sowie gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Einspruch einzulegen.
({0})
Es liegen drei Anträge der Fraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Einsprüche des Bundesrates vor.
Bevor wir gleich zur Abstimmung über die Anträge
kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige
Hinweise zum Abstimmungsverfahren. Es ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Nach Art. 77 Abs. 4
des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des
Deutschen Bundestages erforderlich, das sind mindestens 302 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen
will, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen außer Ihren
Stimmkarten auch Ihre Stimmausweise in den Farben
Grün, Rosa und Blau. Die Farbe des zu verwendenden
Stimmausweises werde ich bei der jeweiligen Abstimmung bekannt geben. Die Stimmausweise können Sie,
soweit noch nicht geschehen, Ihrem Stimmkartenfach
entnehmen. Bitte achten Sie darauf, dass Stimmkarten
und Stimmausweise Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre
Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte den
jeweiligen Stimmausweis einem der Schriftführer an der
Urne.
Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich,
darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen
und Kollegen in die Urnen geworfen werden, die vorher
ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abgegeben
haben.
Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen Ihren Stimmausweis in der Farbe
Grün. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Haushaltsgesetz 2004 auf Drucksache 15/2504.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sie sind offensichtlich eingenommen. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen sich einen Moment gedulden, weil einige Mitglieder des Bundesrates noch auf dem Weg hierher sind.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen zur
zweiten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen jetzt
Ihren Stimmausweis in der Farbe Rosa. Abstimmung
über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 auf Drucksache 15/2505. - Ich eröffne die
Abstimmung.
Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme
abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen jetzt
zur letzten namentlichen Abstimmung. Sie benötigen
nun Ihren Stimmausweis in der Farbe Blau.
Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung
des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur
Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Drucksache 15/2506. - Ich eröffne die Abstimmung.
Haben jetzt alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme
abgegeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
Wir unterbrechen jetzt die Sitzung so lange, bis die
Abstimmungsergebnisse vorliegen.
({1})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und
gebe Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt.
Zunächst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Haushaltsgesetz 2004. Abgegebene
Stimmen 586. Mit Ja haben gestimmt 306, mit Nein 280.
Der Antrag ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Der Einspruch des Bundesrates ist damit zurückgewiesen.
({0})
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon
ja: 306
nein: 280
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({1})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({2})
Klaus Barthel ({3})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({4})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({5})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({6})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({7})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({8})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({9})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({10})
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({11})
Walter Hoffmann
({12})
Iris Hoffmann ({13})
Frank Hofmann ({14})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus-Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler ({15})
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({16})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({17})
Christian Müller ({18})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({19})
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({20})
Michael Roth ({21})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({22})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({23})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({24})
Ulla Schmidt ({25})
Silvia Schmidt ({26})
Dagmar Schmidt ({27})
Wilhelm Schmidt ({28})
Heinz Schmitt ({29})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({30})
Reinhard Schultz
({31})
Swen Schulz ({32})
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({33})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis ({34})
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({35})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({36})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({37})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({38})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({39})
Volker Beck ({40})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({41})
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({42})
Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({43})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({44})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({45})
Werner Schulz ({46})
Petra Selg
Ursula Sowa
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({47})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({48})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({49})
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({50})
Cajus Caesar
Manfred Carstens ({51})
Peter H. Carstensen
({52})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({53})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({54})
Dirk Fischer ({55})
Axel E. Fischer ({56})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({57})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger-Heinrich Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({58})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({59})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({60})
Dr. Karl A. Lamers
({61})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({62})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({63})
Stephan Mayer ({64})
Conny Mayer ({65})
Dr. Martin Mayer
({66})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({67})
Doris Meyer ({68})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller ({69})
Bernward Müller ({70})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({71})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({72})
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz-Xaver Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({73})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({74})
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({75})
Andreas Schmidt ({76})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({77})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({78})
Gerald Weiß ({79})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr ({80})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Otto Fricke
Horst Friedrich ({81})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({82})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Christoph Hartmann
({83})
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Ina Lenke
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Volker Wissing
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Dr. Gesine Lötzsch
Wir kommen nun zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003. Abgegebene Stimmausweise 586, abgegebene Stimmen ebenfalls 586. Mit Ja haben gestimmt 306, mit Nein haben gestimmt 280. Der
Antrag ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Der Einspruch des Bundesrates ist auch hier
zurückgewiesen.
({84})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon
ja: 304
nein: 280
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({85})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({86})
Klaus Barthel ({87})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({88})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({89})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({90})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({91})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({92})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({93})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({94})
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({95})
Walter Hoffmann
({96})
Iris Hoffmann ({97})
Frank Hofmann ({98})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus-Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler ({99})
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({100})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Michael Müller ({101})
Christian Müller ({102})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({103})
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({104})
Michael Roth ({105})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({106})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({107})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({108})
Ulla Schmidt ({109})
Silvia Schmidt ({110})
Dagmar Schmidt ({111})
Wilhelm Schmidt ({112})
Heinz Schmitt ({113})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({114})
Reinhard Schultz
({115})
Swen Schulz ({116})
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({117})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis ({118})
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({119})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({120})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({121})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({122})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({123})
Volker Beck ({124})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({125})
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({126})
Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({127})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({128})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({129})
Werner Schulz ({130})
Petra Selg
Ursula Sowa
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({131})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({132})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({133})
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({134})
Cajus Caesar
Manfred Carstens ({135})
Peter H. Carstensen
({136})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({137})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({138})
Dirk Fischer ({139})
Axel E. Fischer ({140})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({141})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger-Heinrich Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({142})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({143})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({144})
Dr. Karl A. Lamers
({145})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({146})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({147})
Stephan Mayer ({148})
Conny Mayer ({149})
Dr. Martin Mayer
({150})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({151})
Doris Meyer ({152})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller ({153})
Bernward Müller ({154})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({155})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({156})
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz-Xaver Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({157})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({158})
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({159})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Andreas Schmidt ({160})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({161})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({162})
Gerald Weiß ({163})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr ({164})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Otto Fricke
Horst Friedrich ({165})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({166})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Christoph Hartmann
({167})
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Ina Lenke
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Volker Wissing
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Dr. Gesine Lötzsch
Schließlich zum Ergebnis der Abstimmung zur Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung
einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Abgegebene Stimmausweise und Stimmen wiederum
586. Mit Ja haben gestimmt 307, mit Nein haben gestimmt 279.
({168})
Der Antrag ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Der Einspruch des Bundesrates ist auch hier
zurückgewiesen.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon
ja: 307
nein: 279
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({169})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({170})
Klaus Barthel ({171})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({172})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({173})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({174})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({175})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({176})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({177})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({178})
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({179})
Walter Hoffmann
({180})
Iris Hoffmann ({181})
Frank Hofmann ({182})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus-Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler ({183})
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({184})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({185})
Christian Müller ({186})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({187})
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({188})
Michael Roth ({189})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({190})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({191})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({192})
Ulla Schmidt ({193})
Silvia Schmidt ({194})
Dagmar Schmidt ({195})
Wilhelm Schmidt ({196})
Heinz Schmitt ({197})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({198})
Reinhard Schultz
({199})
Swen Schulz ({200})
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({201})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis ({202})
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({203})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({204})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({205})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({206})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({207})
Volker Beck ({208})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({209})
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({210})
Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({211})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({212})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({213})
Werner Schulz ({214})
Petra Selg
Ursula Sowa
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({215})
Fraktionslose Abgeordnete
Dr. Gesine Lötzsch
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({216})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({217})
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({218})
Cajus Caesar
Manfred Carstens ({219})
Peter H. Carstensen
({220})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({221})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({222})
Dirk Fischer ({223})
Axel E. Fischer ({224})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({225})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger-Heinrich Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({226})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({227})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({228})
Dr. Karl A. Lamers
({229})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({230})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({231})
Stephan Mayer ({232})
Conny Mayer ({233})
Dr. Martin Mayer
({234})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({235})
Doris Meyer ({236})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller ({237})
Bernward Müller ({238})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({239})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({240})
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz-Xaver Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({241})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({242})
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({243})
Andreas Schmidt ({244})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({245})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({246})
Gerald Weiß ({247})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr ({248})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Otto Fricke
Horst Friedrich ({249})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({250})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Christoph Hartmann
({251})
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Ina Lenke
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Volker Wissing
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. März 2004, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.