Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die Sitzung und grüße Sie alle herzlich.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Neuordnung des Gentechnikrechts.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat heute im Kabinett den Entwurf für die
Novelle des Gentechnikgesetzes beschlossen. Das ist ein
Gesetz zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus in
Deutschland. Grundsätzlich muss man sagen: Die Grüne
Gentechnik ist ein hochsensibles Thema, das die Gemüter erregt und über das sehr kontrovers diskutiert wird.
Sowohl bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern als
auch bei den Landwirten herrscht große Skepsis, allerdings gibt es auch einen zunehmenden internationalen
Druck.
Ich möchte einen Hinweis auf das bestehende Regelungsgefüge vorausschicken. Die Grüne Gentechnik ist
zu einem großen Teil in Regelungen der Europäischen
Union verankert. Seit 1990 sind die Freisetzung und das
In-Verkehr-Bringen durch EU-Richtlinien geregelt.
Mitte der 90er-Jahre gab es die ersten Genehmigungen
für das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch verändertem Mais und Soja in der EU. Seit 1998 gibt es ein so genanntes De-facto-Moratorium und seit 2001 eine neue
Freisetzungsrichtlinie, die den Freilandanbau von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft
regelt. Vor eineinhalb Jahren wurden Entscheidungen
zur Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung getroffen,
die am 18. April dieses Jahres in Kraft treten. Dann ist
erkennbar, ob Produkte gentechnisch behandelt wurden.
Auf der europäischen Ebene bestehen Regelungen
zum In-Verkehr-Bringen, zur Kennzeichnung, zur Rückverfolgbarkeit und zum Monitoring. Es steht bevor, dass
die EU-Kommission nach sechs Jahren De-facto-Moratorium wieder neue Zulassungen für gentechnisch veränderte Organismen erteilen wird. Offen ist die Frage der
Schwellenwerte beim Saatgut, zu der die Kommission
Vorschläge machen will und wird.
Von grundlegender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass wir uns überlegen, welche Spielräume
wir haben, dass wir sie voll ausschöpfen und dass wir
Regeln zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus schaffen. Wir alle wissen: Auch der eingerichtete Gewerbebetrieb erfährt durch das Grundgesetz Schutz. Deshalb
haben wir den heute beschlossenen Entwurf vorgelegt.
Damit sind wir der erste Mitgliedstaat der EU, der sich
- über das Thema Freisetzung hinaus - mit der Schaffung von Regeln zur Koexistenz und damit zum Schutz
des gentechnikfreien Anbaus und zur Haftung beschäftigt.
Die Regelungen, die wir in diesem Gesetzentwurf getroffen haben, kann man in drei Blöcke aufteilen. Erstens
gibt es eine gesetzliche Vorsorgepflicht; das heißt, dass
denjenigen, die GVOs anbauen wollen, eine gesetzliche
Vorsorgepflicht auferlegt wird. Diese allgemeine Pflicht
wird insbesondere durch die gute fachliche Praxis im
Umgang mit GVOs geregelt. So wird zum Beispiel für
die gesamte Produktionskette geregelt, welcher Abstand
gehalten werden muss, um Auskreuzungen zu reduzieren. Dazu bedarf es einer Rechtsverordnung. Diese
Rechtsverordnung wird von uns erarbeitet, sodass die
Möglichkeit besteht, sie zeitgleich mit dem Gesetzentwurf zu verabschieden.
Zweitens. Die europäische Richtlinie schreibt ein
Standortregister vor, und zwar als notwendiges Werkzeug, um das wissenschaftliche Monitoring und die Begleitforschung betreiben zu können. In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, das Standortregister auch zu nutzen,
um einem möglicherweise beeinträchtigten Nachbarn eines Landwirtes, der GVOs anbaut, einen Anspruch auf
Auskunft - auf flurstückgenaue Auskunft - zu verschaffen. Diesen Anspruch braucht er, um wirtschaftliche
Redetext
Entscheidungen treffen zu können, möglicherweise
auch, um seinen Haftungsanspruch geltend machen zu
können.
Drittens. Für den Fall, dass es durch den Anbau von
GVOs zu wesentlichen Beeinträchtigungen kommt, war
die Frage der zivilrechtlichen Haftung zu klären. Wir haben die Rechtsunsicherheit beseitigt, die aufgrund der
unbestimmten Rechtsbegriffe in den BGB-Haftungsregelungen bestand, indem wir in der Novelle des Gentechnikgesetzes klar definiert haben, was eine „wesentliche
Beeinträchtigung“ ist, um dies nicht einem - möglicherweise über mehrere Instanzen laufenden - Gerichtsverfahren zu überlassen.
Laut der Novelle des Gentechnikgesetzes liegt eine
solche wesentliche Beeinträchtigung zum Beispiel dann
vor, wenn Lebensmittel wegen einer Auskreuzung nicht
mehr als „gentechnikfrei“ vermarktet werden können,
wenn also jemand sein Produkt nicht mehr als „Bio“Produkt vermarkten kann oder nicht mehr unter einem
Markenzeichen auftreten kann, das dafür steht, dass
Gentechnik nicht bewusst eingesetzt wird. Denn dadurch
wäre ein solcher Produzent wirtschaftlich beeinträchtigt,
hätte zumindest ein geringeres Einkommen oder verlöre
sogar die Zertifizierung als entsprechender Betrieb. Beweiserleichterung im Bereich der zivilrechtlichen Haftung gibt es durch gesamtschuldnerische Haftung mehrerer in Betracht kommender GVO-Anbauer.
Das sind die drei Kernpunkte, die den Sachverhalt
dem Vorsorgeprinzip gemäß akut und mittelfristig regeln. Daneben soll durch den Gesetzentwurf ein stärkeres Umwelt- und Gesundheitsprinzip verankert werden;
in dieser Hinsicht verstehen sich die Regeln über das
Monitoring. Das Vorsorgeprinzip ist ausdrücklich in den
Gesetzestext aufgenommen worden und ist somit Auslegungskriterium bei Fragen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Dieses Kriterium ist dann auch bei zu bearbeitenden Zulassungsanträgen - Freisetzung oder InVerkehr-Bringung - oder bei Sanktionen zu beachten.
Schließlich und endlich enthält der Gesetzentwurf
auch Regelungen für ökologisch sensible Gebiete. Für
diese Gebiete soll eine Anzeigepflicht gelten, vor allem
für die landwirtschaftliche Nutzung. Die Naturschutzbehörden in den Regionen untersagen den GVO-Anbau,
wenn er den naturschutzrechtlichen Vorgaben widerspricht.
Meine Damen und Herren, während wir politische
und rechtliche Rahmenbedingungen festlegen, finden im
Land viele Treffen statt, bei denen Verbände, Initiativen,
auch einzelne Landwirte bis hin zum Bauernverband
ihre Region zu „gentechnikfreien Regionen“ erklären.
Sie wollen sich mit diesem Werkzeug freiwillig schützen.
Ich meine, dass wir mit unserem Entwurf, der parallel
zu den Kennzeichnungsregeln und den Sanktionen bei
Verletzung der Kennzeichnungsregeln kommt, insgesamt ganz sensibel mit dem Thema Grüne Gentechnik
umgegangen sind.
Gibt es hierzu Fragen? - Bitte schön.
Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Einführung darauf
Wert gelegt, noch einmal darzustellen, dass es darum
geht, dem gentechnikfreien Anbau Schutz zu gewähren.
Als Zweck des Gesetzes wird ausdrücklich die Koexistenz des Anbaus von gentechnikfreien Pflanzen und des
Anbaus von GVOs genannt. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Wie kann dieses gewährleistet sein, wenn Sie insbesondere auf den Schutz des gentechnikfreien Anbaus abheben?
Frau Abgeordnete, der Begriff Koexistenz beinhaltet
logischerweise, dass beides existieren kann. Meines Erachtens kann dies nur dadurch sichergestellt werden,
dass dem gentechnikfreien Anbau Schutz gewährt wird.
Durch die Auskreuzungen, die in der Natur stattfinden,
könnte gentechnikfreier Anbau nämlich nach einer gewissen Zeit kaum noch stattfinden, weil es ohne Schutzregeln dazu kommen würde, dass - über Auskreuzungen, nach und nach - der Schwellenwert von 0,9 Prozent
für Spuren von gentechnisch veränderten Organismen
für Lebensmittel überschritten würde. Von diesem
Schwellenwert an wären die Lebensmittel entsprechend
zu kennzeichnen. Sie wären nicht mehr zu vermarkten
als „ohne Gentechnik hergestellt“, wodurch viele Betriebe ihre entsprechenden Zertifizierungen verlieren
würden.
Dieses Gesetz verfolgt das Ziel, den gentechnikfreien
Anbau zu schützen. Es enthält deshalb Regelungen, die
verhindern, dass es zu einer schleichenden Dominanz
von gentechnisch veränderten Organismen kommen
wird. Ausgangslage ist ja, dass sich die eine Art von Organismen ausbreitet und die andere Art von Organismen
zurückgedrängt wird.
Nächste Frage. Frau Kollegin Höfken, bitte.
Frau Ministerin, wir erhalten sehr viele Schreiben aus
der Bevölkerung, und zwar von Verbrauchern und von
Landwirten, in denen die Menschen ihre Sorge äußern,
dass eine gentechnisch veränderte Produktion nicht ihren
Vorstellungen entspricht und dass sie ein Ende der gentechnikfreien Produktion befürchten. Sie verweisen auf
eine ganze Reihe von Studien, die ihre Skepsis nähren
und sie in ihrer Haltung unterstützen, und zwar, wie ich
meine, berechtigterweise.
Sie fragen uns - diese Frage möchte ich an Sie weitergeben -, warum man in Deutschland den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und die Produktion gentechnisch veränderter Produkte nicht verbieten kann. Ich
möchte eine zweite Frage anschließen: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Koexistenz in
der landwirtschaftlichen Praxis abzusichern? Wird sie
dabei auf die Empfehlungen der EU-Kommission vom
Juni des letzten Jahres zurückgreifen?
Frau Abgeordnete, ich komme zu Ihrer ersten Frage,
ob wir den Anbau von GVOs nicht grundsätzlich verbieten können. In den verschiedenen Welthandelsabkommen wurden Prinzipien für den Handel vereinbart. Diese
besagen in diesem Fall, dass man den Zugang zum weltweiten Markt ohne ausreichenden wissenschaftlichen
Grund nicht verwehren darf. Man muss also für jeden
Einzelfall den wissenschaftlichen Nachweis vorlegen,
dass eine Gefährdung von Mensch, Tier oder Umwelt
vorliegt. Ein solcher wissenschaftlicher Nachweis gilt
nicht generell. Deshalb müssen immer Einzelfalluntersuchungen vorgenommen werden. Einzelfalluntersuchungen sind im EU-Recht vorgesehen und werden durch die
Behörden der EU und der Mitgliedstaaten durchgeführt.
Durch solche Einzelfalluntersuchungen sind wir zu
unseren spezifischen und detaillierten Regelungen auf
EU- und deutscher Ebene gekommen. Als Beispiele
möchte ich nennen: Zulassungen dürfen nur für zehn
Jahre erteilt werden. Mit der europäischen Zulassung
werden Auflagen erteilt, zum Beispiel ein Monitoring
mit bestimmten wissenschaftlichen Fragen durchzuführen. Es besteht rechtlich sogar die Möglichkeit, dass
man, wenn Schäden entstehen, darauf angemessen reagieren kann, bis hin zum Widerruf einer Zulassung.
Es tauchen immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf. Zum Beispiel hat das Ergebnis einer Forschungsarbeit vor einigen Monaten in Großbritannien
gezeigt, dass eine Reduzierung von chemischen und synthetischen Pflanzenschutzmitteln - diese wurde vermutet nicht belegt werden konnte. Die Belastung hinsichtlich
der Artenvielfalt war beim Anbau gentechnisch veränderten Pflanzen am Ende sogar größer als beim konventionellen Anbau. Sie sehen also, dass wir nach und nach
immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen.
Ihre zweite Frage bezog sich darauf, wie man die Koexistenz sicherstellt und den Schutz des gentechnikfreien
Anbaus regelt. Das Gesetz enthält die Ermächtigungsgrundlage für die Verabschiedung einer Rechtsverordnung, in der die Regelungen guten fachlichen Praxis aufgenommen werden. Sie schreibt fest, wie derjenige, der
gentechnisch veränderte Organismen anbaut, mit seinem
Produkt in der ganzen Produktionskette umgehen muss,
um den Betrieb des anderen zu schützen. Wir haben mit
Fachleuten aus unserem Haus und von außerhalb bereits
begonnen, eine solche Verordnung zu entwerfen. Diese
soll zeitgleich zur Vorlage des Gesetzes fertig sein.
Welche Maßnahmen soll sie enthalten? Ich will Ihnen
einige Punkte aus den freiwilligen Guidelines nennen,
die die Kommission den Mitgliedstaaten zur Verfügung
gestellt hat. - Leider hat sich die Kommission nicht entschieden, das EU-weit auszudehnen. Das hätte ich für
richtig gehalten, statt so zu einer Konkurrenzsituation
zwischen den Mitgliedstaaten beizutragen. - So müssen
Betriebe zum Beispiel Sicherheitsabstände zwischen den
Ackerflächen entsprechend dem Auskreuzungspotenzial
der einzelnen Kulturen einhalten, da sich die einzelnen
Kulturen unterschiedlich vermehren. Da sie, je nachdem
ob sie Selbst- oder Fremdbestäuber sind, unterschiedlich
vom Wind abhängig sind, muss man hier je nach Produkt
unterschiedliche Regeln schaffen.
Man muss auch überlegen, welche Pollenfallen, Barrieren, Pufferzonen - also Ackerflächen und Hecken man aufbauen kann. Es sollen Sorten mit reduzierter
Pollenbildung verwendet werden. Es geht um die Säuberung von Maschinen, zum Beispiel Drill- und Erntemaschinen. Das Saat- und das Erntegut sollen getrennt aufbewahrt werden und Maschinen sollen bei gleichen
Anbaumethoden gemeinsam genutzt werden, während
dies ansonsten zu trennen ist. Daneben nenne ich die Errichtung von Meldesystemen im Hinblick auf unerwartete Ereignisse und Beratungsdienste bis hin zu einem
Schlichtungsverfahren.
Die Kommission hat genauere Vorschläge zur Ausgestaltung des Standortregisters gemacht. Zum Beispiel
sollen Felder, auf denen gentechnisch veränderte Kulturen wachsen, auch im Internet sichtbar sein und es sollen
Kennzeichnungssysteme für Felder erstellt werden.
Es gibt also eine Vielzahl von Maßnahmen, die, wenn
man den gesamten Werkzeugkasten nutzt, tatsächlich
Schutz produzieren können.
Nächste Frage, Herr Kollege Herzog.
Frau Ministerin, ich will mit einer sehr einfachen
Frage beginnen:
({0})
Braucht Europa die Grüne Gentechnik, um eine ausreichende und ausgewogene Ernährung sicherzustellen,
und erwarten Sie zusätzliche Exportchancen für die
deutsche oder die europäische Landwirtschaft?
Wenn ich darf, möchte ich meine zweite Frage gleich
anschließen: Wie steht die Bundesregierung zur Einrichtung von GVO-freien Zonen und halten Sie diese Zonen
auch für einen wesentlichen Bestandteil der Koexistenz?
({1})
Einfach gestellte Fragen sind in der Realität am Ende
möglicherweise die kompliziertesten.
({0})
Angesichts der ohnehin begrenzten Zeit wäre es ganz
schön, wenn wir uns auf die Sachverhalte konzentrierten.
Ich will mit der zweiten Frage anfangen und beginne
mit den gentechnikfreien Zonen. Quer durch die Bundesrepublik gibt es mittlerweile viele, die sich überlegen,
was das für uns bedeutet. In Mecklenburg-Vorpommern
beispielsweise haben sich 16 Landwirte - konventionelle und Ökolandwirte -, die insgesamt circa
10 000 Hektar bestellen, zusammengetan, um sich sehr
frühzeitig ihre Vermarktungschancen zu sichern und um
jegliche Probleme bezüglich ihrer vertraglich vereinbarten Lieferungen zu vermeiden.
Mein Ministerium wird Entsprechendes schlicht und
einfach erst einmal sammeln. Ich glaube, dass die Zusammenstellung dieser Gebiete auch Sinn macht; denn
dadurch können wir zum Beispiel einen Vergleich mit
dem Anteil des Ökolandbaus in bestimmten Gebieten
anstellen. In den Gebieten der Bundesrepublik, in denen
es mittlerweile einen zehn- oder höherprozentigen Anteil
des Ökolandbaus gibt, macht es Sinn, wenn sich die Betriebe zusammentun, um die eigene Zertifizierung und
die Vermarktungschancen für die Zukunft zu sichern.
Die ökologisch sensiblen Gebiete - die Natura-2000Gebiete - haben wir entsprechend definiert. Wenn wir
diese Gebiete als Karte vor uns liegen haben, wird das
schon deshalb eine Unterstützung sein, weil sich die
Landwirte dann überlegen können, wie sie ihren Betrieb
absichern können. Zum Thema „gentechnikfreie Zonen“
wird es sicherlich weitere Debatten geben. Die Kommission ringt an verschiedenen Stellen noch darum, zu klären, was eigentlich zulässig ist.
Dass die Kommission zu gesetzlich geregelten Zonen
eine sehr kritische Haltung hat, löst bei mir - auch bei
anderen Mitgliedstaaten - immer noch ein paar Fragen
aus. Ich denke da zum Beispiel an die Überschwemmungsgebiete, die wir in Deutschland wegen der Hochwasserproblematik und der Prävention, die wir auf diesem Gebiet betreiben, bestens kennen. Hier muss man
sich fragen, ob es nicht Sinn machen würde, in klassischen Überschwemmungsgebieten eine feste Regel zu
haben. Ich meine nicht die Gebiete, die nur alle
100 Jahre vom Hochwasser betroffen sind, sondern die,
bei denen dies, relativ regelmäßig der Fall ist.
Zur ausreichenden Ernährung: Europa hat kein Ernährungsproblem; wir können von einer sowohl von der
Menge als auch den Inhaltsstoffen her ausreichenden Ernährung sprechen. Ich kenne keine Begründung, gemäß
der wir gentechnisch veränderte Organismen brauchen.
Für die Exportchancen sehe ich momentan auch keinen Vorteil. Ich kenne nur umgekehrt Länder, die durch
den Anbau von gentechnisch veränderten Produkten hier
und da auf der Welt ein paar Probleme haben. Wenn wir
so etwas diskutieren, dann sollte es nicht nur um den Export gehen, sondern auch darum, ob es Regionen - ein
paar habe ich genannt - oder auch Produktbereiche gibt,
in denen man einen Schutz vorsehen sollte.
Ich nenne das Beispiel Margarine. Die Margarineindustrie hat ein großes Interesse, mit der Margarine ein
reines Produkt am Markt zu haben. Sie möchte ganz offensichtlich nicht in die GVO-Debatte einsteigen. Deshalb signalisiert sie an verschiedenen Stellen, dass sie an
gentechnisch verändertem Raps nicht interessiert ist. Da
in manchen Regionen in Deutschland kleinteilig angebaut wird, wäre es hier besonders sinnvoll, nicht nur für
Regionen, sondern auch für gewisse Produkte Gentechnikfreiheit durchzusetzen; denn damit würden die Vermarktungschancen der entsprechenden Produzenten erhöht. Ansonsten werden die Hersteller von Margarine
ihre Zutaten anderswo einkaufen, um der Debatte um
Gentechnik zu entgehen. Wir müssen im Blick haben,
dasss wir hier über Produkte diskutieren, denen zwischen 60 und 70 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Landwirte zumindest skeptisch gegenüberstehen.
Frau Kollegin Happach-Kasan.
Frau Ministerin, Sie haben bei der Vorstellung des
Gesetzentwurfs ausgeführt, dass Sie keinerlei Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung durch gentechnisch veränderte Pflanzen sehen. Auch die Bundesregierung hat mir in einer Antwort auf eine Anfrage
dargelegt, dass ihr Beispiele für eine Gesundheitsgefährdung oder auch für ökologische Gefahren durch gentechnisch veränderte Pflanzen nicht bekannt sind. Insofern
frage ich Sie, Frau Ministerin, warum in diesem Gesetzentwurf derartig rigide Regelungen für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen vorgesehen sind, die den
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen insbesondere
aufgrund der Haftungsregelungen für einen Landwirt
fast zu einem Existenzrisiko werden lässt.
Zu meiner zweiten Frage, Frau Ministerin. Der Anbau
von Kulturpflanzen, also die normale Landwirtschaft,
stellt - dessen sind wir uns bewusst - einen erheblichen
Eingriff in Natur und Landschaft dar. Inwiefern, Frau
Ministerin, bedeutet der Anbau gentechnisch veränderter
Pflanzen ein erhöhtes Risiko, sodass dies im Gesetzentwurf eigenständig geregelt werden muss?
Frau Happach-Kasan, ich sage nicht, dass es keinerlei
Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung gibt,
sondern, dass wir keine wissenschaftlichen Beweise dafür haben. Das ist ja ein Unterschied. Wissenschaftlich
sind wir bei diesem Thema noch in den Anfängen. Klar
ist: Wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, muss es seitens der Politik die Möglichkeit geben zu intervenieren.
Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt.
Wir haben aus vielen Lebensmittelskandalen der Vergangenheit gelernt, dass wir nicht sehenden Auges Risiken eingehen dürfen, deren Folgen wir später nicht mehr
reparieren oder rückgängig machen können. Diese Gefahr besteht zum Beispiel, wenn man den gentechnikfreien Anbau nicht langfristig sicherstellt. Wir können
bestimmte Sorten von Saatgut oder Produkten nicht einfach in Genbanken erhalten. Es wäre auch, wenn später
Probleme auftreten sollten - ähnlich wie nach der Vertreibung aus dem Paradies -, sehr mühsam, mit einem
Tütchen gentechnikfreiem Saatgut wieder von vorn anzufangen.
Die Wissenschaft macht auf diesem Gebiet täglich
Fortschritte. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen ist jede Menge Begleitforschung
nötig. Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu erkennen, dass der Anbau von gentechnisch veränderten
Organismen und die Nutzung sehr starker Pflanzenschutzmittel, die beispielsweise außer dem Mais alles
andere beseitigen, einen erheblichen Eingriff in die Natur darstellen. Man muss aufpassen, was es bedeutet,
wenn andere Pflanzen fehlen, wenn damit die Nahrungsgrundlage für Insekten wegfällt und so alle Insekten vernichtet werden, die Teil der Natur sind. Ich jedenfalls
maße mir nicht an - ich kenne kaum ernst zu nehmende
Wissenschaftler, die dies tun -, hierüber alles zu wissen.
Im 21. Jahrhundert sollten wir gelernt haben, Politik mit
offenen Augen und Ohren so zu gestalten - das ist unsere Aufgabe -, dass man Möglichkeiten zur Reparatur
und zur Richtungsänderung hat. Das ist das Ziel unserer
Aktivitäten.
Nun zu Ihrer Frage zu den ökologisch sensiblen Gebieten. Ich habe gerade auf unser noch unzureichendes
Wissen auf diesem Gebiet verwiesen. Die Forschung
wird uns nach und nach immer neue Daten und Informationen liefern. Wir wissen, dass die ökologisch sensiblen
Gebiete im besonderen Maße dem Erhalt der Artenvielfalt dienen sollen. Dies bedeutet, dass wir alte Organismen, die es schon sehr lange gibt, erhalten wollen. Da
fängt meines Erachtens die naturschutzrechtliche Frage
schon an. Man sollte die Möglichkeit haben zu prüfen;
sonst haben diese Naturschutzgebiete in der Realität
nicht mehr viel Sinn. Wir haben das Gesetz allerdings so
gestaltet, dass es eine Anzeigepflicht gibt, wobei die Naturschutzbehörde innerhalb von zwei Monaten prüfen
kann, ob es Gründe gibt zu intervenieren.
Es gibt noch zwei Fragen. Dann müssen wir diesen
Komplex abschließen. - Zunächst Herr Kollege
Ostendorff und dann Herr Kollege Deß.
Frau Ministerin, meine erste Frage bezieht sich auf die
Reaktion und die Position der Landwirtschaft. Wie schätzen Sie die Positionen der Betroffenen in der Landwirtschaft zu den Regelungen im Regierungsentwurf ein?
Meine zweite Frage: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffindung gentechnisch veränderter Papayafrüchte in Bayern?
({0})
Ich finde die zweite Frage überhaupt nicht albern
- das muss ich einmal ganz klar sagen -, weil dieser Vorfall zwei Dinge beweist: Erstens. Bayern hat gut gearbeitet. Sie sehen, dass Lebensmittelkontrollen vor Ort funktionieren können. Sie sehen an diesem Vorfall auch, dass
das europäische Frühwarnsystem im Bereich der Lebens- und Futtermittel funktionieren kann, weil die Meldungen sehr schnell verbreitet wurden, sodass andere
Bundesländer und andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union prüfen können, ob auch sie gentechnisch
veränderte Papayas - diese kam aus Hawaii - haben.
Zweitens - ich weiß überhaupt nicht, was es da auch
nur zu schmunzeln gibt - handelt es sich um eine Papaya, die in Europa nicht zugelassen ist. Das heißt, es hat
keine europäische Sicherheitsüberprüfung gegeben, also
eine Überprüfung der Auswirkungen dieser Frucht auf
die Umwelt und den Menschen. Da lasse ich nicht mit
mir spaßen. Daran ist nichts Lustiges. Wir führen diese
Überprüfungen nicht aus lauter Daffke durch, sondern
weil wir ernsthaft wissen wollen, welche Auswirkungen
es gibt. Dazu brauchen wir die Wissenschaft.
Wir haben unsererseits reagiert. Die Vollzugsbehörden der Länder kontrollieren die Wege nach, um solche
Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Wir haben uns an die
US-Botschaft gewandt und sie gebeten, bei den zuständigen Behörden in den USA auf geltendes deutsches und
europäisches Recht hinzuweisen und darauf, dass man
eine Zulassung braucht. Wir erwarten, dass man sich daran hält.
Zur Frage nach der Reaktion der Verbände muss ich
sagen: Sie ist sehr schwer einzuschätzen, weil Kritik aus
allen und in alle Richtungen kommt. Einige sagen, dass
wir zu wenig Regelungen haben, andere sagen, dass ihnen die Regelungen zu weit gehen. Ich glaube, am Ende
muss sich das Ganze daran messen lassen, ob es praktikabel ist und ob die Regelungen diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland, die keine Gentechnik wollen, auch tatsächlich schützen.
Insbesondere in den neuen Bundesländern gibt es sehr
große, gut funktionierende Ökobetriebe. Es gibt Regionen in Sachsen-Anhalt, die sehr hochwertigen Weizen
produzieren. Die werden ihrer bisherigen Vermarktungsmöglichkeiten beraubt, wenn es im Bereich der GVOs
keine ordentlichen Regelungen und keine ordentliche
Praxis gibt. Die Position der Funktionäre und der Landwirte bezüglich der Regelungen ist noch im Werden begriffen. Auf jeden Fall ist die Reaktion der Funktionäre
und der betroffenen Landwirte oftmals nicht die gleiche.
Letzter Fragesteller zu diesem Komplex ist Herr Kollege Deß.
Frau Ministerin, ohne Ihre Gesetzesvorschläge bewerten zu wollen, habe ich eine Frage: Wie schützen Sie
die Bauern im Grenzgebiet zu Tschechien, Polen oder
anderen EU-Ländern, wenn dort die Verordnung aus
Brüssel ganz anders als bei uns umgesetzt wird? Wie
schützen Sie den Biolandwirt, der an der tschechischen
Grenze einen Betrieb hat, wenn Tschechien ganz andere
Vorschriften macht?
Das ist eine gute Frage, Herr Deß, gleichwohl ist der
Biolandwirt an der tschechischen Grenze zu Sachsen gar
nicht unser Problem, weil der Biolandwirt keine Gentechnik einsetzt. Das Problem wäre der konventionelle
Landwirt, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut.
Den meinten Sie.
In dieser Frage hoffe ich auf Unterstützung Ihrer Partei
im Europäischen Parlament. Wir müssen Druck machen,
damit die freiwilligen Richtlinien, die die Kommission
einmal als Diskussionspapier für die Koexistenz vorgelegt hat, tatsächlich in europäisches Recht umgesetzt werden. Ich weiß, dass das unter dieser Kommission zeitlich
nicht mehr möglich ist. Aber Sie können sicher sein, dass
wir direkt nach der Sommerpause unsere Arbeit fortsetzen und auf die Schaffung solcher EU-einheitlichen Regelungen hinwirken werden. Ich glaube, dass wir auch
unter den anderen Mitgliedstaaten Mitstreiter finden werden, weil in dieser Frage viele besorgt sind.
Der andere Punkt ist - das ist schon jetzt erkennbar -,
dass in diesem Bereich teilweise grenzüberschreitende
Aktivitäten - ähnlich den Euroregionen in anderen Politikbereichen - notwendig sind. Ich hoffe, dass zumindest
die Landesregierungen ihre Landwirte unterstützen,
grenzüberschreitende Kontakte herzustellen. In vielen
Regionen gibt es diese Kontakte längst. Im Wirtschaftsverkehr - ob zwischen Deutschland und Polen, Deutschland und Tschechien oder anderen - sind bereits so viele
grenzüberschreitende Kontakte vorhanden, dass sie von
den Landkreisen genutzt werden können, wenn es darum
geht, die nächsten Schritte zu planen.
Eine entsprechende EU-Regelung werden wir in den
nächsten Monaten nicht erreichen können, weil das zeitlich und faktisch - aufgrund der fehlenden Bereitschaft
der Kommission - noch nicht möglich ist.
Vielen Dank Frau Ministerin. - Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Herr
Kollege Koppelin.
Gestern war in der Presse folgende Äußerung des
Sprechers des Seeheimer Kreises zu lesen - der Bundeskanzler hat sich ähnlich geäußert -: Wenn Minister weiter handwerkliche Fehler machen oder in neue Kakophonie verfallen, dann wird man handeln müssen. Jedes
Regierungsmitglied steht jetzt unter besonderer Beobachtung.
Darf ich fragen, ob der Bundeskanzler in der heutigen
Kabinettssitzung darauf zu sprechen gekommen ist bzw.
ob er eine Kabinettsumbildung angesprochen hat? Was
die Beobachtung angeht, wüsste ich gerne, ob bestimmte
Minister oder Ministerinnen - gerade hat eine von ihnen
gesprochen - gemeint sind. Oder ist mein Eindruck richtig, dass das gesamte Kabinett unter Beobachtung steht,
da alle bisher handwerkliche Fehler gemacht haben?
({0})
Zur Beantwortung der Fragen hat sich freiwillig Frau
Staatsministerin Weiss gemeldet. Bitte schön.
Das war nicht Thema der heutigen Kabinettssitzung,
Herr Abgeordneter.
Gibt es noch Fragen zu anderen Themen, die heute
nicht Gegenstand der Kabinettssitzung waren?
({0})
- Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann frage ich, ob
es noch weitere Fragen an die Bundesregierung gibt.
({1})
- Das mag im Allgemeinen zutreffen, aber es werden
keine Fragen angemeldet. Dann können wir die Befragung der Bundesregierung abschließen.
Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksache 15/2460 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann auf:
Trifft es zu, dass die Bundesregierung der Auffassung ist,
dass die Konzentration der Veredelungswirtschaft in bestimmten Regionen wie in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen
problematisch ist - vergleiche ddp vom 22. Januar 2004 -,
und, wenn ja, warum?
Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie mir, dass ich die
Fragen 1 und 2 im Zusammenhang beantworte?
Dann rufe ich auch noch die Frage 2 des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann auf:
Welche Maßnahmen - gegebenenfalls mit Prioritätenliste - wird die Bundesregierung ergreifen, um dieses von ihr
benannte Problem zu beseitigen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Die Bundesregierung sieht in der Tat in den zu hohen
Viehdichten in einigen Regionen Deutschlands ein gravierendes Umweltproblem. Dieses Umweltproblem findet vor allem in den Nährstoffüberschüssen seinen Ausdruck, die sich daraus ergeben, dass in diesen Regionen
hohe Viehdichten auf zu wenig landwirtschaftlicher
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
Fläche anzutreffen sind. Die Ausscheidungen aus der
Viehmast können zu entsprechenden Umweltproblemen
führen. Das Hauptproblem in diesem Zusammenhang ist
das auch von der Europäischen Union angesprochene
Thema Ammoniak. Von den Ammoniakemissionen sind
sowohl hinsichtlich der Folgen für die Böden durch die
Nitratbelastung als auch hinsichtlich der im Waldbereich
auftretenden Probleme, die zu etwa 80 Prozent auf die
landwirtschaftliche Produktion zurückzuführen sind, die
Regionen mit einer hohen Viehdichte besonders betroffen. In Deutschland sind in diesem Zusammenhang vier
Landkreise zu nennen, nämlich die Landkreise Vechta,
Cloppenburg, Borken und die Grafschaft Bentheim.
Diese vier Landkreise weisen insgesamt mehr Großvieheinheiten auf, als es für die Umwelt gut ist, und zwar
auf den einzelnen Landkreis bezogen über zwei Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftliche Fläche. Im
Vergleich dazu liegt der Bundesdurchschnitt bei 0,85.
Zu den Maßnahmen. Wir haben im Mai 2003 ein Programm zur Ammoniakreduzierung entsprechend den
Vorgaben aus Brüssel vorgelegt. Wir haben das Agrarinvestitionsförderungsprogramm verändert und fördern
nur noch Stallbauten für Betriebe, die zwei Großvieheinheiten pro Hektar Viehbesatz in den Betrieben nicht
überschreiten.
Wir sind zurzeit dabei, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen das
Baurecht dahin gehend zu ändern, dass die zuständigen
Behörden der Länder und der Kreise mehr Möglichkeiten haben, Investitionen der wirtschaftlichen Betriebe in
solchen viehdichten Regionen durch Ausweisung entsprechender Sonderflächen einzuschränken. Auch bei
der Privilegierung im Außenbereich, etwa beim Rückbau, werden wir Verschärfungen vornehmen, um dafür
Sorge zu tragen, dass sich der Viehbesatz in Deutschland
insgesamt besser verteilt. Außerdem erwarten wir aufgrund der Veränderungen in der europäischen Agrarpolitik, insbesondere durch die Entkopplung bezüglich der
Rindermast, einen deutlichen Rückgang der Produktionsintensität in einigen Regionen und damit eine Verbesserung der ökologischen Situation.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Goldmann.
Ich bedanke mich zuerst für die Antworten. Aber die
letzten Ausführungen haben mich ein bisschen verwundert; denn mir ist nicht bekannt, dass die Rindviehwirtschaft in der von Ihnen angesprochenen Region Cloppenburg/Vechta besonders ausgeprägt ist. Diese Region
ist eher für Geflügel- und Schweinewirtschaft bekannt,
was, soweit ich weiß, nichts mit der EU zu tun hat.
Ich möchte Folgendes nachfragen: Ist Ihnen bekannt,
dass die Wertschöpfung in den von Ihnen angesprochenen Regionen extrem hoch ist, dass zum Beispiel die
Region Südoldenburg, also Cloppenburg/Vechta, die
geringste Arbeitslosenquote und die höchste Ausbildungsquote hat und dass dies einer sehr intelligenten
Veredelungswirtschaft im Agrar- und Ernährungsbereich
zu verdanken ist? Sind Sie bereit zu akzeptieren, dass die
von Ihnen angesprochene schrittweise Entzerrung unter
Nachhaltigkeitsgesichtspunkten alle drei Komponenten
umfassen sollte, die ökonomische, die ökologische und
die soziale Seite? Werden Sie die Entzerrungsschritte so
gestalten, dass diese Region ihre Leistungsfähigkeit
nicht verliert?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass
Sie darauf hingewiesen haben, dass in der Region Cloppenburg/Vechta vor allem Geflügel und Schweine aufgestallt sind. Ich habe ja darauf hingewiesen, dass sich die
Entkopplung vor allem in der Rindfleischproduktion
auswirken wird. Es gibt in manchen Regionen, in denen
intensiv Bullenmast betrieben wird, etwa in Bayern, in
Teilen Hessens oder in Nordrhein-Westfalen, besondere
Probleme, die ich darstellen wollte.
Nun zu Ihrer Frage: Dieses Thema unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu betrachten ist ganz im Sinne der
Bundesregierung. Sie haben ja darauf hingewiesen, dass
die Arbeitslosigkeit in der Region Cloppenburg/Vechta
äußerst gering ist. Wenn Sie sich aber die fünf neuen
Bundesländer anschauen, dann stellen Sie fest, dass es
dort Regionen gibt, in denen die Arbeitslosigkeit im
ländlichen Raum besonders hoch ist. Die Bundesregierung glaubt, dass es ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit
ist, gerade in solchen Regionen landwirtschaftliche Investitionen zu befördern. Seit der deutschen Einheit stehen dort ausreichend landwirtschaftliche Flächen zur
Verfügung. In der ehemaligen DDR lag der Viehbesatz
bei einer Großvieheinheit pro Hektar. Nach der Wiedervereinigung hat aber eine Viehwanderung von Ost nach
West stattgefunden, wodurch bestimmte Regionen in der
ehemaligen DDR die Hälfte ihres Viehbesatzes und damit auch viele Arbeitsplätze verloren haben. Die Bundesregierung glaubt daher, dass eine umweltorientierte
Politik, die eine Veränderung des Viehbesatzes und eine
Förderung der entsprechenden Investitionen zum Ziel
hat, gerade in den neuen Bundesländern und in anderen
ländlichen Räumen eher zu einer Revitalisierung führen
wird. Man muss auch festhalten, dass gerade die besonders positive Situation in Ihrer Heimat es rechtfertigt,
dass man der landwirtschaftlichen Produktion und der
Ernährungswirtschaft in anderen Regionen eine Chance
gibt. Das ist gut für die Umwelt und gut für die Arbeitsplätze in den Regionen, die bisher weniger Perspektiven
haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Goldmann.
Herr Staatssekretär, meine Heimat ist das Emsland.
Die Region Südoldenburg ist allerdings auch sehr
schön. - Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr
Staatssekretär, wollen Sie einen Prozess gegen den
Markt steuern. Wenn Sie eine Zerschlagung in der Region Südoldenburg quasi hinnehmen, dann interessiert
mich, welche Mittel Sie bereitstellen wollen, um den
Aufbau in den so genannten neuen Ländern zu gestalten.
Wollen Sie das im Rahmen der EU-Agrarreform machen
oder wollen Sie Haushaltsmittel zum Beispiel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung stellen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter, mit dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm haben wir ein sehr nachgefragtes Instrument zur Förderung von Investitionen, das aufgrund der
Grenzen, die wir festgelegt haben, gerade in den Regionen, in denen der Viehbesatz gering ist, in besonderem
Maße angewendet wird bzw. angewendet werden kann.
Durch die Reform der europäischen Agrarpolitik gibt es
weitere Mittel, speziell für die ländlichen Räume in den
neuen Ländern, die für diesen Bereich mobilisiert werden sollten. Hinzu kommt, dass wir Investitionsentscheidungen vonseiten der Ernährungswirtschaft zugunsten
derjenigen Regionen in den neuen Ländern, in denen die
Arbeitslosigkeit besonders hoch ist, lieber sähen.
Meines Wissens gehören Sie dem Bundestag über die
Landesliste Niedersachsen an. Insofern habe ich ganz
Niedersachsen als Ihre Heimat betrachtet.
({0})
Ein Dialog sollte hier nicht geführt werden. Gegebenenfalls lässt sich da etwas sozusagen über die Zusatzfragen zur zweiten Frage organisieren.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich hatte schon die
Sorge, dass das Zusammenfassen der beiden Fragen nur
zwei Zusatzfragen zulässt.
Herr Berninger, Sie haben bei der Grünen Woche erklärt, dass die EU die Konzentration der Veredlungswirtschaft in den von Ihnen angegebenen Regionen nicht akzeptiert. Sie haben vorhin ein Beispiel genannt. Ist Ihnen
bekannt, dass in diesen Regionen die Belastung, die Sie
vorhin angesprochen haben, in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen ist und dass die EU keineswegs irgendwelchen Druck ausübt - das ist mir zumindest nicht
bekannt -, um diese Regionen sozusagen zu entzerren?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter, es gibt die Richtlinie 2001/81/EG,
die so genannte NEC-Richtlinie, die durchaus berücksichtigt, dass etwa in Holland oder auch in anderen Regionen ein Rückgang zu verzeichnen ist. Der ist aus Sicht
der Europäischen Union aber keineswegs so drastisch,
wie Sie es darstellen; da sind die Zahlen, glaube ich, eindeutig. Es ist nach wie vor so, dass die Ammoniakbelastung in diesen Intensivregionen zu hoch ist und ein weiterer Abbau notwendig ist. Die Instrumentarien dafür,
dass dies erreicht wird, sowohl ordnungsrechtlicher als
auch fördernder Art, habe ich in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 dargestellt.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben bei der Grünen Woche
auch ausgeführt, dass Sie diese Reformpolitik mit Augenmaß machen wollen - ich habe vorhin den Eindruck
gehabt, dass Sie das eher im Zerschlageverfahren machen wollen - und dass das auf Landes- und auf kommunaler Ebene umgesetzt werden muss. Welche Vorstellungen haben Sie denn dazu, außer den Maßnahmen, die Sie
vorhin genannt haben, also dem Baurecht für den Außenbereich oder der agrarischen Entwicklung im Außenbereich?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Dass die Bundesregierung hier mit Augenmaß vorgeht, können Sie schon daran erkennen, dass die Änderungen des Baurechts nicht etwa Verbote vorsehen. Vielmehr sollen den kommunalen Entscheidungsträgern und
den Entscheidungsträgern auf Landesebene - da gibt es
für die Regionalplanung je nach Bundesland unterschiedliche Kompetenzen - stärkere Instrumente dafür
in die Hand gegeben werden, dass sie in solchen Regionen Landwirten, die nicht genug landwirtschaftliche Fläche vorweisen können, das Bauen im Außenbereich versagen können. Hier geht es also nicht um ein Verbot im
engeren Sinne, sondern um den Abbau von Privilegien.
Das Privileg für landwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich beinhaltet, denke ich, dass sie auch Land zur
Bewirtschaftung haben müsssen. Betriebe, die nicht genug Land haben, sondern auf geringer Fläche intensiven
Viehbesatz haben und die Futtergrundlage etwa durch
Importe aus Übersee sicherstellen, sind dann eben Wirtschaftsbetriebe, die sich aus meiner Sicht jedenfalls in
Zukunft nicht mehr auf Privilegien berufen können, die
der traditionellen Landwirtschaft zugute kommen sollen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Happach-Kasan.
Herr Staatssekretär, die Tatsache, dass in einer Region
ein Abbau von Arbeitsplätzen erfolgt, bedeutet natürlich
noch nicht, dass in einer anderen Region tatsächlich eine
Investition erfolgt. Ich frage vor diesem Hintergrund:
Wie wollen Sie sicherstellen, dass es mit der von meinem Kollegen Goldmann genannten Zerschlagung innerhalb der vier von Ihnen aufgeführten Kreise tatsächlich
zu einer erhöhten Wertschöpfung in den neuen Ländern
kommt, und sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass Betriebe, die sich aufgrund ihrer Bestimmung in diesen
Kreisen nicht mehr halten können, ins osteuropäische
Ausland abwandern?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete, alle Szenarien der Europäischen
Union hinsichtlich der Marktentwicklung nach der Erweiterung weisen darauf hin, dass die Veredelungswirtschaft in Deutschland insbesondere dort, wo Investitionen notwendig sind, wie das im Bereich der
Viehwirtschaft der Fall ist, von der Erweiterung eher
profitieren wird. Gerade in den neuen Ländern gibt es
unausgelastete moderne Schlachthöfe und genug landwirtschaftliche Fläche. Das heißt, dort wird man ohne
größeren Investitionsaufwand wettbewerbsfähig produzieren können.
Jenseits der Interessen einer prosperierenden Region
- so wurde es ja bezeichnet - sollte es doch angezeigt
sein, sich dafür einzusetzen, gerade dem ländlichen
Raum in den neuen Ländern eine Perspektive zu geben.
Hier die Interessen arbeitssuchender Menschen mit den
Interessen der Umwelt in Einklang zu bringen, das sollte
doch unser aller Anliegen sein.
Wir leben in einer Marktwirtschaft. Auch im landwirtschaftlichen Bereich soll es marktwirtschaftliche
Elemente geben, weswegen die Bundesregierung natürlich nicht alle Investitionsentscheidungen treffen wird.
Vielmehr möchte sie mit ihrer Politik Betriebe ermutigen, in den neuen Ländern zu investieren, sodass nicht
dort, wo schon heute zu viel Vieh aufgestallt ist, noch
weitere Konzentrationsprozesse in Gang gesetzt werden.
Frau Happach-Kasan, Sie können jetzt leider keine
weitere Zusatzfrage stellen.
Die Kollegin Connemann hat sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Sie erwähnten, dass es für jeden Betrieb erforderlich
sei, über eine bestimmte Fläche zu verfügen. Das ist
rechtlich vorgeschrieben. Ist es denn auch faktisch sinnvoll, dass jemand, der eine Geflügelmast betreibt, über
sehr viel Fläche verfügt? Wie soll er auf dieser Grundlage die notwendigen Futtermittel zur Verfügung stellen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete, ich glaube, dass es - gerade in der
Kombination aus Innovationen im Bereich der Futtermittelzusatzstoffe und einer Eigenfuttergrundlage auf
landwirtschaftlicher Fläche - in Zukunft sehr gut möglich sein wird, zu produzieren. Ich halte die Abhängigkeit unserer landwirtschaftlichen Produktion von großen
Lieferungen, etwa von Ölsaaten, auch deshalb für problematisch, weil die weltweite Entwicklung dahin geht
- ich erinnere an die stärkere Verstädterung in Asien -,
dass der Fleischkonsum zunimmt. Diese Märkte werden
in Zukunft starken Schwankungen unterworfen sein.
Langer Rede kurzer Sinn: Ökologische und ökonomische Gründe sprechen dafür, die eigene, also aus der Region stammende Futtergrundlage mit der landwirtschaftlichen Tierproduktion wieder stärker in Verbindung zu
bringen. Die völlige Abkopplung der Intensivmast von
der Futtergrundlage ist auf lange Sicht auch ökonomisch
hoch fragwürdig. Ökologisch führt das natürlich - daran
besteht gar kein Zweifel - zu einem Nährstoffüberschuss; denn die entsprechenden Exkremente werden
nicht in diejenigen Länder exportiert, die das Futter geliefert haben, sondern sie landen auf unseren Äckern und
leider Gottes auch in den Grundwassern der Regionen.
Gerade die Grundwasserbelastungen mit Nitrat sind ein
langfristiges Problem, mit dem wir zu kämpfen haben.
Einige Intensivregionen können davon ein Lied singen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Ostendorff.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Bemühungen - Frau Connemann hat danach gefragt; ich sehe das
aber etwas anders -, die Tierhaltung und die Fläche in
Einklang zu bringen? Unserer Meinung nach muss verstärkt darauf geachtet werden - gestatten Sie mir noch
diesen einen Satz -, dass die Fläche zur Tierhaltung
passt.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Der Erfolg des Agrarinvestitionsprogrammes zeigt,
dass die Landwirte bereit sind, dort zu investieren, wo es
letzten Endes eine Förderung gibt. Wir geben jetzt gezielt Steuergelder dafür aus, landwirtschaftliche Betriebe
zu unterstützen, die ausreichende eigene Futtergrundlagen haben. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird darüber hinaus
ein bedeutsames Element fördern, nämlich die Zusammenführung von landwirtschaftlicher und Energieproduktion.
Ich möchte auch noch das Problem ansprechen
- mich stört das sehr; wir bekommen sehr viele Zuschriften dazu -, dass Landwirte in vieharmen Regionen
investieren wollen, dort aber auf erhebliche Widerstände
der Bevölkerung stoßen. Von daher ist es angezeigt, die
Bevölkerung dafür zu gewinnen, dass in die Landwirtschaft investiert wird, allerdings an der richtigen Stelle.
Ich finde, es ist nicht in Ordnung, dass diese Investitionen nur dort getätigt werden, wo eine Intensivproduktion
stattfindet, weil die Folgen für die Umwelt auch mit dem
EU-Recht nicht in Einklang zu bringen sind. Insofern
werben wir für eine vernünftige, vorausschauende, die
Bevölkerung gewinnende Politik, um beispielsweise die
Menschen in den neuen Ländern, aber auch in Regionen
wie meiner Heimat Nordhessen zu Investitionen anzuregen.
Wir beenden damit diesen Geschäftsbereich.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Trifft es zu, dass in Deutschland mehr als 2 000 Menschen
pro Jahr durch Röntgenuntersuchungen an Krebs erkranken
und damit unser Land einen europäischen Spitzenplatz belegt
- „Spiegel online“ vom 30. Januar 2004 -, und was unternimmt die Bundesregierung, um unnötige Röntgenuntersuchungen einzuschränken?
Liebe Frau Kollegin Lötzsch, gestatten Sie mir eine
Vorbemerkung zu dem gesamten Themenkomplex:
Grundsätzlich ist es nur dann erlaubt, einen Menschen
Röntgenstrahlen auszusetzen, wenn der gesundheitliche
Nutzen das Strahlenrisiko überwiegt. In diesem Rahmen
wird in der Öffentlichkeit seit einigen Jahren intensiv
diskutiert, wie viele zusätzliche Krebserkrankungen, insbesondere durch die Anwendung ionisierender Strahlung
in der Medizin, verursacht werden. Hier wird anhand
von Rechenmodellen die Zahl zusätzlich verursachter
Krebserkrankungen abgeschätzt. Die Werte, die diskutiert werden, beruhen auf der Summe der einzelnen
Strahlendosen aller mit Röntgenstrahlen durchgeführten
Untersuchungen. Das Bundesamt für Strahlenschutz und
auch die Strahlenschutzkommission haben immer wieder festgestellt, dass aus der Summe der Strahlendosen
aller Einzelanwendungen nicht auf eine bestimmte Zahl
dadurch zu erwartender Krebserkrankungen hochgerechnet werden darf.
Ich darf zusätzlich darauf hinweisen, dass die in dem
„Spiegel online“-Artikel, auf den Sie sich in Ihrer Frage
beziehen, zugrunde gelegten Rechenmodelle gegebenenfalls Schwankungen bei den vorgelegten Zahlen von bis
zu 50 Prozent aufweisen können. Nichtsdestotrotz weisen die Zahlen über die durchgeführten Röntgenuntersuchungen, die der Bundesregierung vorliegen, eine
höhere Aufnahmeanzahl als in vergleichbaren Industriestaaten auf. Allerdings liegen keine Angaben über die
aus diesen Zahlen resultierenden diagnostischen Vorteile
vor.
Unser Bestreben ist es, unnötige Röntgenuntersuchungen zu vermeiden und einen besseren Strahlenschutz bei
medizinischen Anwendungen zu gewährleisten. Deshalb
haben wir in der Novelle der Röntgenverordnung die
Anforderungen an die Durchführung von Röntgenuntersuchungen erhöht. Jede einzelne Röntgenuntersuchung
ist durch den Arzt, der die Untersuchung durchführt, zu
rechtfertigen. In der Röntgenverordnung finden Sie das
unter „Rechtfertigende Indikation“. Hier geht es sowohl
um das Ob als auch um das Wie der durchgeführten Untersuchungen.
Durch das Bundesamt für Strahlenschutz werden regelmäßig diagnostische Referenzwerte erstellt und veröffentlicht. Diese Referenzwerte geben an, wie hoch die
jeweiligen Expositionswerte für die verschiedenen Untersuchungsarten bei einem durchschnittlich konstituierten Patienten höchstens liegen dürfen. Als Kontrollinstrument dieser strahlenschutzrechtlichen Vorschriften
wurden die ärztlichen und zahnärztlichen Stellen eingeführt, die als Bindeglied zwischen dem anwendenden
Arzt und der zuständigen Überwachungsbehörde dienen.
Die Aufgabe dieser Stellen ist es insbesondere, den Arzt
im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Dosisreduzierung
zu beraten.
Zusatzfrage, Frau Lötzsch.
Frau Staatssekretärin, nun ist ja in der Oxford-Studie,
auf der meine Frage basiert, festgestellt worden, dass
deutsche Ärzte Röntgenweltmeister sind. Als eine Ursache dieses Weltmeistertums wurde herausgearbeitet,
dass viele Ärzte, die aufgrund miserabler Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern den Weg in die Selbstständigkeit gewählt haben, ihre hohen Anschaffungskosten
amortisieren wollen.
({0})
- Und auch müssen; natürlich. - Nun wäre ja die Frage
zu stellen, was die Bundesregierung im Zusammenhang
mit den Veränderungen im Gesundheitswesen unternimmt, um die Arbeitsbedingungen von Ärzten in Krankenhäusern zu verbessern und dieses Überangebot von
Arztpraxen außerhalb von Krankenhäusern einzudämmen.
Die aus dem ersten Teil des Artikels zitierten Äußerungen hinsichtlich der Amortisation der Anschaffungskosten der Geräte stellen sicherlich ein sachfremdes Argument für eine Röntgenuntersuchung dar. Genau aus
diesem Grunde habe ich den Grundsatz vorangestellt,
dass der gesundheitliche Nutzen das Strahlenrisiko überwiegen muss. So haben wir in der novellierten Röntgenverordnung, um zu einer Reduzierung der Strahlendosis
zu kommen, dem Arzt mehr Verantwortung zugestanden
und entsprechende Instrumente verankert.
Von meiner Seite möchte ich mich auf den Aspekt des
Strahlenschutzes beschränken und Ihnen zusätzlich noch
sagen, dass sich auch die Strahlenschutzkommission intensiv mit diesem Themenkomplex befasst und im Moment Überweisungskriterien für Bild gebende Verfahren
in der Medizin erarbeitet. Diese Überweisungskriterien
sollen auch als Hilfsmittel für den Arzt dienen, der so
geeignete Untersuchungsverfahren auswählen kann, vor
allen Dingen durch den Vergleich mit anderen Untersuchungsmethoden, die keine oder eine geringere Strahlenexposition verursachen, zum Beispiel Ultraschall
oder Magnetresonanztomographie.
Ich glaube, dass es in der Verantwortung der Ärzte
liegt - auch wenn das nicht meine Baustelle ist, Frau
Kollegin Caspers-Merk -, ihre Patientinnen und Patienten
gut zu informieren, auch über alternative Methoden. Die
Patienten und Ärzte sollten über so viele Informationen
verfügen, dass sie nur dann auf Röntgenuntersuchungen
zurückgreifen, wenn es medizinisch gerechtfertigt ist.
Weitere Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung entscheidet selbst, wer die Fragen beantwortet; das ist völlig klar.
Ich hätte aber auch eine Stellungnahme aus dem Gesundheitsministerium erwartet. Deshalb habe ich die
Nachfrage, ob die Bundesregierung aus Studien wie der
Oxford-Studie nicht die Schlussfolgerung ziehen müsste,
dass der sprechenden Medizin gegenüber der Gerätemedizin ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt
werden müsste.
Diese Frage könnte ich kurz mit Ja beantworten. Unsere Antwort ist zwischen dem Gesundheitsministerium
und dem Umweltministerium abgesprochen. Das Umweltministerium ist federführend bei der Röntgenverordnung und beim Strahlenschutz. Aus meinen Ausführungen können Sie ersehen, dass wir alles tun, um
für ausreichende Information und Beratung zu sorgen.
Als Kontrollinstrument haben wir die von mir genannten
„Ärztlichen und zahnärztlichen Stellen“ eingeführt, die
überwachen, dass die Werte der Strahlendosen die
diagnostischen Referenzwerte nicht ungerechtfertigt
überschreiten. Ich glaube, unsere Gesundheitspolitik
zeigt, dass wir, insbesondere im Strahlenschutz, auf eine
Minimierung der Gefahren, die aus der Bestrahlung resultieren, setzen. In diesem Sinne werden natürlich Informationen weitergegeben. Im Vordergrund steht, dass
die Patienten geheilt werden.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 4 und 5
des Kollegen Schauerte werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie bewertet die Bundesregierung inhaltlich die Forderung, das Staatsziel „gleiche Lebensverhältnisse“ aus dem
Grundgesetz zu streichen, wie dies etwa - vergleiche den
„Spiegel“ vom 2. Februar 2004 - der Ministerpräsident des
Landes Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, gefordert hat?
Die Frage wird vom Parlamentarischen Staatssekretär
Alfred Hartenbach beantwortet.
Verehrte Frau Kollegin Pau, da uns die Forderung von
Ministerpräsident Steinbrück nur aus dem „Spiegel“Artikel vom 2. Februar dieses Jahres, auf den Sie sich beziehen, bekannt ist, darf ich Ihnen folgende Antwort
geben: Entsprechend der ständigen Praxis dieser Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen nehmen wir zu Pressemeldungen keine Stellung.
Zusatzfrage, Frau Pau?
Wie Sie richtig erkannt haben, habe ich mich auf eine
„Spiegel“-Meldung bezogen. Ich habe aber absichtsvoll
das Wörtchen „inhaltlich“ im Sinne von Bewertung in
meine Frage eingefügt; denn jenseits der Frage, ob das
im „Spiegel“ stand, sind in der Vergangenheit bereits
mehrere Ministerpräsidenten mit der Forderung, dieses
Staatsziel aus dem Grundgesetz zu streichen, zitiert worden. Insofern wünsche ich eine Auskunft, wie die Bundesregierung zu dieser Forderung der Streichung des
Staatsziels steht.
Die Bundesregierung hat bei der Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung immer das Spannungsfeld
zwischen Wettbewerb und Solidarität zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hält allerdings an einem solidarischen Föderalismus fest, insbesondere im Interesse
der neuen Bundesländer.
Weitere Zusatzfrage.
Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass die Bundesregierung auch in der gerade geschaffenen Kommission
zur Neuordnung des Föderalismus in der Bundesrepublik
entsprechend agiert und Initiativen zur Einführung eines
verstärkten Wettbewerbsföderalismus, die aus den so genannten starken Bundesländern kommen, zurückweist?
Sie dürfen meine Worte gerne interpretieren. Die
Bundesregierung wird - das ist ihre Position in der
Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen
Ordnung - alle Bemühungen sowie alle vorgebrachten
Äußerungen und Vorschläge von Interesse immer in dem
von mir soeben genannten Spannungsfeld betrachten
und unter Beachtung dieses solidarischen Föderalismus
beurteilen.
Weitere Zusatzfrage von Frau Lötzsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bitte den Unterschied zwischen solidarischem Föderalismus und dem in
der Verfassung verankerten Staatsziel, gleiche Lebensverhältnisse herzustellen, erklären. Sehen Sie da einen
Unterschied oder ist es für Sie deckungsgleich?
Ein solidarischer Föderalismus bedeutet, dass wir alle
füreinander einstehen.
({0})
Ansonsten bin ich für Semantik nicht verantwortlich,
Frau Lötzsch.
Das wird viele trösten.
({0})
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ditmar
Staffelt zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 7 des Kollegen Hans
Michelbach auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, zur Abwehr negativer
Folgen der zum 1. Mai 2004 stattfindenden EU-Osterweiterung für die Grenzregionen zu den Beitrittsländern ein Maßnahmenpaket in Form eines so genannten Grenzgürtelprogramms aufzunehmen, und, wenn nein, warum nicht?
Den vier Bundesländern an der deutschen EU-Außengrenze stehen umfangreiche Mittel aus vielfältigen Förderprogrammen und Instrumenten der Europäischen
Union, des Bundes und der Länder zur Verfügung. Zur
Abfederung des erweiterungsbedingten Anpassungsdrucks hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit der
Republik Österreich für ein EU-Grenzlandprogramm
eingesetzt. Von der EU-Kommission wurden daraufhin
den Grenzregionen der fünf von der EU-Erweiterung betroffenen Mitgliedsländern im Zeitraum von 2001 bis
2006 insgesamt 265 Millionen Euro unter anderem zur
Aufstockung des Budgets für die Transeuropäischen
Netze, zusätzliche Mittel für Interreg und KMUs sowie
Mittel für das Programm „Jugend“ zur Verfügung gestellt.
Regionalpolitik ist in erster Linie Aufgabe der Länder. Es liegt daher vorrangig in der Verantwortung der
Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften, regionale Schwerpunkte zu setzen und die erforderlichen
Maßnahmen zur Bewältigung des Strukturwandels als
Folge der EU-Osterweiterung zu ergreifen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort allgemein auf EU-Programme abgehoben. Es gibt aber eine
Zusage des Bundeskanzlers. Er hat im Jahre 2001 in
Weiden spezielle Investitionshilfen für die Wirtschaft
versprochen. Wenn diese Hilfe ausbleibt: Was werden
Sie tun, um das Fördergefälle zu den EU-Beitrittsländern
hinsichtlich der Investitionen abzuschwächen? Wie können Sie es bewerkstelligen, dass es zu weniger Verlagerungen von Betrieben kommt?
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass
weder unserem Hause noch dem Bundeskanzleramt eine
derartige Zusage des Bundeskanzlers bekannt ist.
Ich hatte schon darauf verwiesen, dass in Anerkennung der Problematik eines Fördergefälles Initiativen
gegenüber der Europäischen Union ergriffen worden
sind, die in der Hauptsache - das sagte ich Ihnen schon
in meiner Antwort auf Ihre Frage - in das EU-Grenzlandprogramm einmündeten.
Ich weise in dem Zusammenhang auch darauf hin
- das ergibt sich aus den Erkenntnissen unseres Hauses
über den Einsatz der Finanzmittel des EU-Grenzlandprogramms zur Förderung der vier betroffenen deutschen
Bundesländer -, dass insbesondere das Bundesland, aus
dem Sie kommen, in erheblichem Umfange von dem
von der Bundesregierung gemeinsam mit Österreich
durchgesetzten Grenzlandprogramm profitiert hat. Ich
will jetzt nicht die einzelnen Zahlen nennen, darf Ihnen
aber vielleicht die entsprechenden Unterlagen in Form
eines Zahlenwerkes an die Hand geben.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Michelbach.
Herr Staatssekretär, bei diesen Programmen handelt
es sich ja vor allem um Infrastrukturförderprogramme.
Mir geht es speziell um Investitionsprogramme für die
Wirtschaft. Wie können Sie ausschließen, dass die Förderung, die in nationaler Hoheit verbleibt, in Zukunft
immer geringer wird, obwohl wir eine immer höhere
Nettozahlung - jetzt geht man von mehr als 1 Prozent
des Bruttosozialproduktes aus - an die EU leisten? Die
Bundesländer haben, Sie sprachen die Regionalförderung an, aufgrund des Wettbewerbsrechts auf dem Binnenmarkt kaum Möglichkeiten, nationale Fördermaßnahmen zu treffen.
Ich darf zum Ersten darauf verweisen, dass es zwischen der Bundesregierung und den entsprechenden
Gremien der Europäischen Union keine Verständigung
über eine mögliche Erhöhung der Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland in den Haushalt der Europäischen Union gibt. Insoweit gibt es hier keine neue Entwicklung, die berichtenswert wäre.
Zum Zweiten will ich insbesondere auf Folgendes
hinweisen: Wir haben dafür Sorge getragen, dass Grenzregionen, die nicht mehr in die GA-Förderung fallen,
durch so genannte E-Fördergebiete ersetzt werden, über
die die bisherige GA-Förderung insbesondere gewerblicher Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen
sowie in die kommunale wirtschaftsnahe Infrastruktur
ermöglicht werden kann. Das heißt, für dieses Segment,
das Sie eben angesprochen haben, ist ein zusätzlicher
Korridor geschaffen worden, der Ihrer Intention Rechnung trägt.
Herr Abgeordneter Michelbach, ich möchte allerdings
darauf verweisen, dass es auch im Bundesland Bayern
- über diese Tatsache sollte man sich dort klar werden strukturschwächere Regionen gibt und dass größere Anstrengungen dieses Bundeslandes nicht schaden könnten, um diesen Teilen des Bundeslandes Bayern ein
Stückchen mehr Hilfe zukommen zu lassen als die Hilfe,
die wir bisher beobachten konnten.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer.
Herr Staatssekretär, ich komme zwar nicht aus Bayern, trotzdem möchte ich fragen - ganz einfach -: Werden Sie im Rahmen der neuen Strukturpolitik dafür sorgen, dass es zu keinem Fördergefälle kommt dergestalt,
dass einerseits Länder wie Tschechien und Polen
100 Prozent bekommen, während die angesprochenen
Gebiete Deutschland andererseits weit weniger erhalten?
Ich glaube, dass eine solche Zusage schlicht nicht gemacht werden kann. Schon in der Vergangenheit gab es
ein Fördergefälle - übrigens auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland - und auch heute unterscheidet
man zwischen Ziel-1-Gebieten, Ziel-2-Gebieten und
Ziel-3-Gebieten. Insofern kann es gar nicht um einen
100-prozentigen Ausgleich, sondern nur um Hilfen gehen. Sie dürfen dabei nicht vergessen, dass die Hilfen,
die die Europäische Union gewährt, Gründe haben: Es
handelt sich um unterstrukturierte Gebiete. Denen stehen
in aller Regel Gebiete gegenüber, die sehr viel stärker
strukturiert sind. Die dortige wirtschaftliche Leistungskraft muss in Rechnung gestellt werden. Ein 100-prozentiger Ausgleich wäre nicht nur nicht erstrebenswert,
sondern auch nicht sinnvoll.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Deß.
Herr Staatssekretär Staffelt, Ihnen ist doch sicher bekannt, dass Bayern mehr als viele andere Bundesländer
die strukturschwachen Gebiete fördert. Aber das Problem liegt doch darin, dass es die EU in Zukunft nicht
mehr ermöglicht, dass diese Gebiete gefördert werden.
Meine Frage: Was unternimmt die Bundesregierung, damit es auch in Zukunft möglich ist, dass Bayern seine
strukturschwachen Gebiete insbesondere an der tschechischen Grenze fördert, damit verhindert wird, dass die
Betriebe von Bayern nach Tschechien abwandern?
Ich habe Ihnen das eben am Beispiel der E-Fördergebiete erläutert. Es ist in der Tat so, dass GA-Mittel genutzt werden können, um einem solchen Bundesland wie
dem Ihren entsprechende Unterstützung zu gewähren.
Dieser Korridor ist geschaffen worden, obwohl zum Beispiel Weiden oder auch Schwandorf nicht mehr in die
EU-Fördergebietskategorie hineinfallen.
({0})
Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Gitta Connemann
auf:
Welche Änderungen plant die Bundesregierung bei der angekündigten Novellierung bzw. Vereinfachung des Vergaberechts - vergleiche „Handelsblatt“ vom 5. Februar 2004 - und
inwieweit trifft es zu, dass diesbezüglich gegensätzliche Vorstellungen zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit, BMWA, und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, BMVBW, bestehen?
Die Bundesregierung, Frau Abgeordnete, hat im Februar 2003 beschlossen, im Rahmen der Initiative „Bürokratieabbau“ das deutsche Vergaberecht zu verschlanken. Das mittlerweile komplex und unübersichtlich
gewordene Vergaberecht soll vereinfacht werden. Es soll
transparent, wettbewerbs-, investitions- und mittelstandsfreundlich ausgestaltet werden und für die Anwender leicht verständlich sein. Damit soll auch die Korruptionsprävention verstärkt werden.
Gleichzeitig sind die am 3. Februar 2004 vom Rat
und Europaparlament beschlossenen novellierten EUVergaberichtlinien in deutsches Recht umzusetzen. Eine
Arbeitsgruppe beim Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit hat im Jahr 2003 Möglichkeiten für eine solche Vereinfachung des Vergaberechts geprüft und Vorschläge für eine Verschlankung des Vergaberechts gemacht.
Als mögliche Ansatzpunkte für eine Verschlankung
des Vergaberechts wurden in der Arbeitsgruppe eine Änderung der Regelungsstruktur, die Straffung und Bereinigung der Einzelregelungen des Vergabeverfahrens sowie
Änderungen an den Vorschriften über den Rechtsschutz
angesehen. In der Arbeitsgruppe, der auch Vergaberechtsexperten des Bundeswirtschaftsministeriums und
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen angehörten, bestanden unterschiedliche
Auffassungen darüber, ob eine Vereinfachung im bestehenden Vergaberechtssystem oder auch durch weiter gehende Strukturveränderungen erfolgen sollte.
Die Bundesregierung wird sich daher in Kürze über
ein Konzept für die künftige Struktur eines modernen
Vergaberechts verständigen.
Ihre Zusatzfrage, Frau Connemann.
Das klingt sehr beeindruckend. Vielen Dank für die
Antwort, Herr Staatssekretär.
Sie haben angesprochen, dass die Bundesregierung
im Rahmen der Initiative „Bürokratieabbau“ plant, das
Verfahren zu straffen. Zu diesem Verfahren gehören sehr
viele Schutzmechanismen, die gerade verhindern sollen,
dass es zu Korruption kommen kann. Ich spreche in diesem Zusammenhang das Vieraugenprinzip und die Tatsache an, dass Angebote in einer bestimmten Art und
Weise unterbreitet werden müssen.
Angesichts der doch sehr zahlreichen Ungereimtheiten in der letzten Zeit bei Vergabeverfahren, so bei der
Bundesagentur für Arbeit oder seitens der Bundesregierung, die offensichtlich auch Probleme mit der Anwendung des Vergaberechts haben, frage ich: Hält es die
Bundesregierung tatsächlich für angezeigt, auch solche
Mechanismen abzubauen, die letztlich der Produktqualität, der Kostenersparnis und dem Wettbewerb dienen
sollen?
Frau Abgeordnete, ich darf Sie beruhigen. Das Gegenteil ist der Fall. Unser Ministerium, das sich federführend mit dieser Thematik beschäftigt, ist einerseits
bemüht, aus Fehlern der Vergangenheit, die es sicherlich
über viele Jahre hinweg überall in Verwaltungen, im öffentlichen Bereich gegeben haben mag, zu lernen, es will
sich andererseits aber auch an dem orientieren, was
Maßstab in anderen europäischen Ländern ist, und tatsächlich ein grundlegend neues Vergaberecht schaffen.
Ich füge hinzu, dass wir in diesem Zusammenhang
selbstverständlich großen Wert auf Transparenz legen,
um Korruption gegebenenfalls schon präventiv entgegenwirken zu können. Im Übrigen werden wir uns - darüber sollten wir vielleicht den Dialog fortsetzen - mit
dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ins Benehmen setzen, um als Beschluss der
Bundesregierung eine Regelung vorzulegen, die im Parlament in ausreichender Weise diskutiert werden kann.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen 9 und 10 des
Kollegen Günther Friedrich Nolting werden schriftlich
beantwortet.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg Wagner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Gero Storjohann
auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über einen
im Dezember 2003 bei der Bundesluftwaffe erfolgten Abbruch der Ausbildung für angehende Flugzeugführer und
Waffensystemoffiziere trotz Zusicherung einer späteren Verwendung und wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang auch für andere Truppengattungen vor dem Hintergrund
des Vertrauensschutzes für die Soldaten hinsichtlich weiterer
vorgesehener Truppenreduzierungen?
Herr Präsident! Herr Kollege, zu Beginn des vergangenen Jahres sind die Aufgaben und Fähigkeiten der
Bundeswehr mit dem Ziel überprüft worden, die Planung von Betrieb und Investitionen mit der Finanzplanung in Übereinstimmung zu bringen und die Struktur
der Bundeswehr den gegenwärtigen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen weiter anzupassen.
Wie Sie wissen, hat der Bundesminister der Verteidigung am 21. Mai 2003 Verteidungspolitische Richtlinien
erlassen, in denen die Aufgaben der Bundeswehr neu gewichtet werden und an denen sich die weitere Entwicklung der Streitkräfte zu orientieren hat. Zugleich hat der
Minister damit im Zusammenhang stehende Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Reform der Bundeswehr bekannt gegeben.
Die Ministerentscheidung zur Auflösung eines weiteren Geschwaders der Luftwaffe und des Marinefliegergeschwaders 2 sowie zur Übernahme von aktiven und
auszubildenden Luftfahrzeugbesatzungen der Marine
werden den künftigen Bedarf an Luftfahrzeugbesatzungen in der Luftwaffe weiter reduzieren. Vor diesem Hintergrund, Herr Kollege, konnte ein Teil der bereits eingestellten Anwärter und Anwärterinnen des Fliegerischen
Dienstes nicht im bisherigen Ausbildungsgang verbleiben.
Die Betroffenen wurden am 8. und 9. Dezember 2003
im Rahmen einer Informationsveranstaltung durch Vertreter des Führungsstabes der Luftwaffe und des Personalamtes der Bundeswehr ausführlich - sozusagen aus
erster Hand - über Entscheidungen, Entwicklungen und
deren Ursachen unterrichtet.
Die Entscheidung über die weitere Verwendung erfolgte bedarfsorientiert im Rahmen einer Bestenauslese
auf der Grundlage von Eignung, Befähigung, Leistung
sowie Fortschritt in der Ausbildung und damit für alle
Anwärter und Anwärterinnen des Fliegerischen Dienstes
der Luftwaffe und der Marine unabhängig von ihrem
Geschlecht nach gleichen Grundsätzen. Insgesamt sind
56 Anwärter und Anwärterinnen für den Fliegerischen
Dienst von der erforderlichen Umsteuerung betroffen.
Das entspricht einem Anteil von rund 20 Prozent.
Der Vertrauensschutz auf Beschäftigung und Ausbildung wird weiterhin gewährleistet. So wurden allen Anwärtern und Anwärterinnen, für die keine Verwendung
im Fliegerischen Dienst der Luftwaffe mehr vorgesehen
werden kann, alternative Ausbildungsgänge und Tätigkeiten aufgezeigt. Dabei werden die persönlichen Wünsche der Anwärter und Anwärterinnen beispielweise im
Hinblick auf einen Werdegangs- und Teilstreitkraftwechsel, die Aufnahme eines Studiums an der Universität der Bundeswehr, die Ausbildung zum Hubschrauberführer beim Heer oder eine Dienstzeitverkürzung wo
immer möglich berücksichtigt. Alle umzuplanende Anwärter und Anwärterinnen haben eine weitere Perspektive in den Streitkräften. Eine Entlassung aus dem
Dienstverhältnis erfolgt nur auf eigenen Wunsch. Gleiches würde gelten, wenn in anderen Truppengattungen
vergleichbare Maßnahmen erforderlich würden. Dies ist
in der Luftwaffe derzeit nicht der Fall.
Zusatzfrage, Herr Kollege Storjohann?
Herr Staatssekretär, Sie stellten dar, dass am
21. Mai 2003 eine neue politische Richtung vorgegeben
worden ist. Die Anwärter sind am 8. und 9. Dezember
2003 informiert worden. Halten Sie es für angemessen,
dass die jungen Leute, denen zu Beginn der Ausbildung
praktisch zugesichert worden ist, dass sie später eine
Verwendung als Strahlenflugzeugführer finden, erst
dann informiert worden sind, oder hätte man die Anwärter nicht eher informieren müssen?
Sie wissen, dass die Verteidigungspolitischen Richtlinien am 21. Mai 2003 erlassen wurden. Die Folgerungen
daraus müssen die Teilstreitkräfte ziehen. Im Bereich der
Luftwaffe konnten die Anwärterinnen und Anwärter Anfang Dezember vergangenen Jahres informiert werden so rechtzeitig, dass diese sich auf andere Bereiche der
Bundeswehr umorientieren können.
Weitere Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, nach meinen Informationen haben die Anwärter am 8. und 9. Dezember 2003 erstmalig
von der neuen Situation erfahren. Ist Ihnen bekannt, innerhalb welchen Zeitraums sie sich für eine neue Verwendung entscheiden müssen, und halten Sie diesen kurzen Zeitraum für angemessen?
Das müssen die Luftwaffe und die anderen Teilstreitkräfte, die dafür zuständig sind, selbst beurteilen. Das ist
wohl so geschehen. Es ist nicht Sache des Ministeriums,
zu sagen: Das muss innerhalb von 14 Tagen passieren.
Ich halte die Zeit für ausreichend. Die Zusage, dass alle
Anwärterinnen und Anwärter im Bereich der Bundeswehr untergebracht werden, stellt schon einen Wert an
sich dar.
Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Pau auf:
Auf welcher Rechtsgrundlage wird die Operation Active
Endeavour durchgeführt und welche Faktoren haben dazu geführt, dass die am 8. Dezember 2003 von der NATO ausgesetzte Operation am 12. Januar 2004 wieder aufgenommen
werden musste?
Frau Kollegin Pau, die Operation Active Endeavour
im östlichen Mittelmeer und in der Straße von Gibraltar
ist der NATO-geführte Teil der gemeinsamen Reaktion
auf die terroristischen Angriffe gegen die Vereinigten
Staaten von Amerika. Vor dem Hintergrund einer potenziellen Gefährdung des internationalen Schiffsverkehrs
durch terroristische Überfälle wurde Active Endeavour
im März 2003 auf Begleitschutzoperationen für alliierte
Handelsschiffe in der Straße von Gibraltar sowie auf so
genannte Compliant Boardings im östlichen Mittelmeer
ausgeweitet.
Der Einsatz findet auf der Grundlage des Art. 51 der
Charta der Vereinten Nationen, des Art. V des Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen 1368 und 1373
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen aus dem
Jahre 2001 statt. Die Präsenzoperationen im östlichen
Mittelmeer sind seit Beginn ununterbrochen fortgesetzt
worden. Die Geleitschutzoperationen in der Straße von
Gibraltar waren bis zum 29. Januar 2004 unter der Voraussetzung ausgesetzt, dass die alliierten Nationen nur
einen geringen Bedarf an Geleitschutz anmelden und die
Sicherheitslage darüber hinaus eine Aussetzung erlaubt.
Danach sind die Forderungen ziviler alliierter Schiffe für
Geleitschutz wieder angestiegen. Das deutsche Schnellbootkontingent kehrte mit der Aussetzung in seinen Heimathafen zurück und wurde am 12. Januar 2004 zeitgerecht wieder in Marsch gesetzt.
Ihre Zusatzfrage, Frau Pau.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Sie haben
sich ja schon auf Art. V des Nordatlantikvertrages, also
den Verteidigungsfall, berufen. An dieser Stelle frage ich
Folgendes nach: Kann der Geleitschutz für Handelsschiffe heute, im Jahre 2004, ernsthaft noch unter Berufung auf Art. V des Nordatlantikvertrages durchgeführt
werden? Konkret: Von wem geht dort welche Bedrohung
aus, sodass der Schluss gezogen werden muss, dass nach
wie vor der Verteidigungsfall vorliegt?
Gerade auf der Straße von Gibraltar, dieser Enge zwischen Nordafrika und dem europäischen Kontinent, sind
terroristische Übergriffe durchaus möglich. Sie werden
durch den Geleitschutz unterbunden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich habe eine Frage zur Bilanz dieses Einsatzes bzw.
zum Vergleich der Situation vor und nach der Unterbrechung. Konkret: Wie viele Schiffe wurden kontrolliert?
Wie viele terroristische Aktivitäten konnten tatsächlich
unterbunden oder verhindert werden? Gab es Festnahmen oder wurde Material beschlagnahmt, welches für
terroristische Anschläge verwendbar gewesen wäre?
Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich diese Details
hier nicht darstelle. Aber ich werde sie Ihnen schriftlich
nachreichen, damit Sie eine ausreichende Auskunft bekommen.
Danke.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf.
Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Hinsken und Frage 15 des Kollegen Hofbauer werden schriftlich beantwortet.
Damit komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk zur Verfügung. Ich rufe Frage 16 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb auf:
Welche Definition des Begriffs „Beratervertrag“ ist der
Antwort der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale
Sicherung, Ulla Schmidt, vom 21. Januar 2004 auf das
Schreiben des Abgeordneten Dr. Dieter Thomae vom
18. Dezember 2003 zur Anzahl der Beraterverträge, die das
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung,
BMGS, abgeschlossen hat, zugrunde gelegt worden?
Herr Präsident! Herr Kollege Kolb, die Bundesministerin Ulla Schmidt hat ein Schreiben des Kollegen
Dr. Thomae beantwortet, das er am 18. Dezember 2003
an sie gerichtet hatte. Sie fragen nun, welche Definition
des Begriffs „Beratervertrag“ darin zugrunde gelegt
worden ist.
Der Beraterbegriff kann in unterschiedlicher Weise
interpretiert werden. Um eine einheitliche Antwort zu
gewährleisten, wurde die Frage des Abgeordneten
Dr. Thomae auf Grundlage einer bereits bei der Beantwortung früherer Fragen zugrunde gelegten Definition
beantwortet, nach der unter Beratern Einzelpersonen
oder Firmen verstanden werden, die auf vertraglicher
Basis beratend tätig geworden sind.
Nicht von dieser Definition umfasst sind unter anderem Verträge zur Beantwortung von technischen und
rechtlichen Fragestellungen. So wäre zum Beispiel
denkbar, dass das BMGS bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte eine Beratertätigkeit hinsichtlich der Themen Investitionen und Auswirkungen auf
die einzelnen Aspekte der Selbstverwaltung ausschreibt.
Diese würde nicht unter die genannte Begriffsdefinition
fallen.
Auch Einzelkommissionen, die schon vorher regelhaft eingerichtet waren, fallen nicht unter diesen Beraterbegriff.
Gleiches gilt für Verträge, die überwiegend keine
bzw. nur einen kleinen Anteil von Beratungsleistungen
beinhalten. Ein Beispiel: Wenn Sie in Ihrem Haus neue
Software installieren lassen, dann beinhalten solche Verträge immer auch Schulung und Beratung. Aber es ist
klar, dass solche Verträge nicht in diesem Sinne als Beraterverträge zu verstehen wären.
Herr Kollege Kolb.
Frau Staatssekretärin, in der Antwort an den Kollegen
Thomae, die mir als Kopie vorliegt, ist die Rede davon,
dass der einzige derartige Vertrag mit einem „Beratungsunternehmen“, wie es dort heißt, abgeschlossen wurde.
Auch den Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben,
entnehme ich, dass es seitens des Ministeriums keine
sonstigen Beratungsverträge, etwa mit Einzelpersonen,
gegeben hat. Ist das richtig?
Herr Kollege Dr. Kolb, ich verweise auf zwei Quellen, die Sie bitte auch zu Rate ziehen sollten. Es gab eine
Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, in der insgesamt nach Beratungsstrukturen der Bundesregierung
gefragt wurde. Dort wurde nach Beiräten, nach Kommissionen, nach Forschungsprojekten und nach Einzelleistungen gefragt. In der Antwort sind alle aufgeführt und
insofern öffentlich gemacht worden.
Herr Dr. Thomae hat zusätzlich nach Einzelberaterverträgen gefragt; diesbezüglich ist die Antwort, die wir
gegeben haben, vollständig. Natürlich müssen Sie beides
zusammen betrachten, um ein komplettes Bild zu bekommen. Sie haben ja auch nach den Kosten für den
Sachverständigenrat gefragt.
Frau Staatssekretärin, auf welcher Grundlage findet
die wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung
statt? In welche Kategorie etwa wäre die Beratung durch
Hochschulprofessoren einzuordnen?
Noch einmal, Herr Kollege Dr. Kolb: Es gibt die
Kommissionen und Beiräte. Diese haben in aller Regel
schon immer Beratungstätigkeiten ausgeführt. Natürlich
gibt es dafür unterschiedliche Abrechnungsstrukturen,
etwa den Ausgleich für fixe Kosten, die Erstattung von
Reisekosten oder die Entschädigung ehrenamtlicher Tätigkeit. In meinem Bereich als Drogenbeauftragter der
Bundesregierung wurde zum Beispiel ein Aids-Beirat
gebildet sowie ein Beirat für Drogen- und Suchtforschung eingerichtet. Natürlich wird hier kein individueller Beratervertrag abgeschlossen, sondern es ist klar,
dass für diese Beratung lediglich Reisekosten erstattet
werden oder ehrenamtliche Tätigkeit honoriert wird.
Ich denke, Sie sind mit mir einer Meinung, dass danach natürlich nicht gefragt war. Ihnen ging es um eine
wirtschaftliche Tätigkeit Einzelner. Diese Frage ist mit
dem Vertrag, den die Bundesministerin Ulla Schmidt
Herrn Kollegen Dr. Thomae genannt hat, zutreffend beantwortet worden.
Herr Kollege Fricke.
Frau Staatssekretärin, gehe ich recht in der Annahme,
dass das bedeutet, dass jedes Mitglied eines solchen Beratungsgremiums, das Sie eben genannt haben, dann,
wenn es auch in anderer Weise das Ministerium berät,
hier nicht als Berater genannt würde?
Das ist falsch. Vielmehr handelt es sich dabei dann
um eine einzelvertragliche Leistung. Ich möchte der Beantwortung der nächsten Frage von Herrn Kollegen
Dr. Kolb nach den Kosten des Sachverständigenrates
nicht vorgreifen, aber es ist klar: Wenn ein Sachverständigenrat tätig wird, dann werden Einzelpersonen in den
Sachverständigenrat berufen. Diese Einzelpersonen erhalten zusätzlich zu ihren Reisekosten eine Aufwandsentschädigung. Das war schon immer so - unter Ihrer
Bundesregierung genauso wie unter der rot-grünen Bundesregierung. Ich glaube, das ist auch nicht der Kern
dessen, was gefragt wurde. Deshalb haben wir diese Art
von Beratung ausdrücklich nicht gemeint. Eine vollständige Übersicht über Kommissionen und Beiräte finden
Sie in der öffentlich zugänglichen Bundestagsdrucksache mit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion.
Ich rufe jetzt die Frage 17 des Kollegen Dr. Kolb auf.
Wie hoch sind die Kosten für den Sachverständigenrat in
den letzten vier Jahren gewesen?
Herr Kollege Dr. Kolb, Sie fragen nach der Entwicklung der Kosten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Dazu darf
ich darauf hinweisen, dass diese Kosten im Haushalt Kap. 1501, Titelgruppe 04 - veranschlagt und damit öffentlich sind. Im Jahre 2000 beliefen sich diese auf
583 000 Euro, im Jahre 2001 auf 730 000 Euro, im
Jahre 2002 auf 626 000 Euro und im Jahre 2003 auf
521 000 Euro.
Nur zum Vergleich: Im letzten Jahr der Amtszeit der
CDU/CSU-geführten Bundesregierung entfielen auf dieses Gremium 420 000 Euro. Sie sehen also, dass sich
dies im Rahmen der allgemeinen Preissteigerung bei den
Reisekosten bzw. den Kosten für die Einrichtung von
Geschäftsstellen hält und auch mit der normalen Steigerungsrate für Löhne und Gehälter erklärbar ist.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, darf ich dem, was Sie bei der
Beantwortung der Zusatzfrage des Kollegen Fricke
schon angedeutet haben, entnehmen, dass der Sachverständigenrat nicht nur als Gesamtgremium beratend gegenüber der Bundesregierung auftritt, sondern dass die
Bundesregierung auch direkt auf einzelne Sachverständige aus diesem Gremium zugreift?
Wenn Sie meinen, dass damit ein weiterer Tatbestand
entsteht, der zusätzlich entlohnt werden muss, dann kann
ich Ihnen sagen, dass das nicht der Fall ist.
Meine zweite Frage knüpft direkt daran an: Wenn ein
einzelner Sachverständiger in besonderem Maße in Anspruch genommen wird, weil er über besondere Sachkenntnisse in einem Bereich verfügt, wird er dafür nicht
gesondert entlohnt? Ist das mit der Pauschale für diese
Tätigkeit also abgedeckt?
Das ist mit der Pauschale abgedeckt, es sei denn, es
handelt sich um einen eigenständigen Auftrag. Dies
wäre dann aber berichtspflichtig.
Ich sehe es richtig, dass solche aber nicht vergeben
worden sind?
Ja.
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Daniel Bahr auf:
Stellt Professor Dr. Karl Lauterbach dem BMGS seine Erkenntnisse unentgeltlich zur Verfügung und, wenn nein, in
welcher Größenordnung liegen die finanziellen Zuwendungen?
Herr Kollege Bahr, ich nehme an, dass Ihre Frage in
dieselbe Richtung zielt wie die beiden vorhergehenden
Fragen. Ich bin darüber bestürzt, dass eine Einzelperson,
die Mitglied in einem Sachverständigengremium ist, herausgegriffen wird und ihr unterstellt wird, sie erhielte
zusätzliche Leistungen, die nicht ausgewiesen würden.
Das weise ich ausdrücklich zurück.
Herr Professor Dr. Karl Lauterbach ist seit 1999 Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der
Entwicklung im Gesundheitswesen. Der Rat wird auf
Grundlage von § 142 SGB V vom Bundesministerium
für Gesundheit und Soziale Sicherung berufen. Der Erlass über die Errichtung eines Sachverständigenrats für
die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen beim Bundesminister für Gesundheit vom 12. November 1992, zuletzt geändert am 2. Januar 1997, enthält in § 13 die Regelung, dass die Mitglieder des Rates als Honorar eine
feste Vergütung sowie Ersatz ihrer Reisekosten erhalten.
Das Nähere regelt ein Werkvertrag. Seit dem Jahr 1997,
in dem das so beschlossen wurde, ist dies nicht geändert
worden. Wir handhaben das also weiterhin so wie die damalige Bundesregierung.
Herr Kollege Bahr, bitte.
Frau Staatssekretärin, Ihre Unterstellung trifft nicht
zu. Ich weise sie zurück. Ich habe diese Frage gestellt
- sie ist eine rein sachliche und fachliche Frage -, weil
mir zu Ohren gekommen ist, dass Herr Professor
Lauterbach während der Verhandlungen zur Gesundheitsreform zwischen der Regierung, den Regierungsfraktionen und der Opposition im letzten Sommer für
Hilfestellungen, Beratungen und Empfehlungen zur Verfügung stand. Trifft das zu?
Herr Professor Dr. Lauterbach stand, wie andere Professoren und Fachleute, während der Beratungen im
Sommer auf Rückfrage zur Verfügung. Wir haben damals zusätzlichen Sachverstand eingezogen. Das müssten Ihnen Ihre beiden Kollegen, die die Verhandlungen
begleitet haben, bis sie kurz vor deren Abschluss „ausgestiegen“ sind, mitgeteilt haben. Wir haben zum Beispiel
Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen, der privaten
Versicherungswirtschaft und Einzelsachverständige je
nach Sachverhalt eingeladen. Dadurch ist nicht ein besonderer Beraterstatus oder ein besonderer Beratervertrag entstanden.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Bahr.
Ich verstehe Sie also richtig, Frau Staatssekretärin,
dass die Empfehlungen, Hilfestellungen, die Berechnung
und letztlich die Beratung, die Professor Lauterbach und
andere Professoren in der Verhandlung der Regierung
gegeben haben, vollkommen unentgeltlich waren?
Ich kann zumindest bestätigen, dass sie ohne Honorar
erfolgt sind. Ob Reisekosten im üblichen Rahmen erstattet worden sind, kann ich Ihnen nicht beantworten.
Herr Kollege Fricke.
Frau Staatssekretärin, kann ich daraus schließen, dass
die Leistungen, die unter anderem durch Herrn
Lauterbach im Rahmen der Beratungen zur Gesundheitsreform erbracht worden sind, nur im Rahmen seiner Tätigkeit im Sachverständigenrat erfolgt sind?
Das habe ich so nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass
wir von Fall zu Fall auf Einzelsachverständige zugegangen sind, um ihren Rat einzuholen. Das haben wir aber
nicht als Bundesregierung getan. Die an den Verhandlungen zur Gesundheitsreform Beteiligten haben gemeinsam entschieden, wen man zu einem Sachverhalt
hören will. Dabei waren auch einzelne andere tätig. Zum
Beispiel haben wir Herrn Professor Dr. Glaeske damals,
als es um das Arzneimittelrecht ging, auch auf Bitten Ihrer Fraktion hinzugezogen. Es ist ein ganz normaler
Sachverhalt, dass man einzelne Sachverständige um ihre
Meinung bittet, wenn man ein komplexes Gesetzgebungsverfahren durchführt. Aus dieser Struktur ist keine
weitere Beratungstätigkeit und schon gar keine exklusive oder eine zusätzlich honorierte Beratungstätigkeit
entstanden.
({0})
Herr Kollege Kolb.
Frau Staatssekretärin, der Presse war zu entnehmen,
dass Professor Lauterbach auch Vergütungen seitens des
Rhön-Klinikums beziehen soll. Ist der Bundesregierung
dieser Sachverhalt bekannt und, wenn ja, seit wann?
Ich kann zu diesem Sachverhalt nichts sagen, weil
Professor Dr. Lauterbach uns gegenüber nicht rechenschafts- oder auskunftspflichtig ist. Öffentliche Verlautbarungen dazu habe ich nicht zu kommentieren.
Ich rufe nun die Frage 19 des Kollegen Daniel Bahr
auf:
Gibt es weitere Professoren, die für das BMGS beratend
tätig werden, und, wenn ja, welche Ausgaben fallen hierfür
an?
Herr Kollege Bahr, Professoren und andere sachverständige Personen sind in vielfältiger Weise für das
BMGS tätig. Dies zeigt auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion,
Bundestagsdrucksache 15/2365. So sind in der Antwort
auf die Frage 28 die im Jahre 2003 beim BMGS tätigen
Beiräte aufgelistet.
Darüber hinaus wird in der dortigen Antwort auf
Frage 5 aufgelistet, zu welchen Themen und Fragestellungen unter anderem Analysen und Studien vergeben
wurden. Auch bei diesen wirken Professoren naturgemäß mit. Ein Beratervertrag besteht mit einem Professor
im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Dabei geht es um
den effizienten und ökonomischen Einsatz von Kommunikationsmitteln. Dies ist dem Kollegen Dr. Thomae in
dem bereits erwähnten Brief auch mitgeteilt worden. Insofern ist das kein neuer Sachverhalt. Es ist der einzige
Beratervertrag, der diese Kriterien erfüllt.
Ich darf noch zwei Beispiele aus der Beantwortung
der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion herausziehen. Es gibt zum Beispiel einen Ärztlichen Sachverständigenbeirat und einen Nationalen Aids-Beirat, in denen
Professoren mitwirken. Daneben gibt es Wissenschaftliche Beiräte bei der BZgA, die unsere Präventionsbemühungen mit ihren Ratschlägen begleiten. Selbstverständlich wird hierbei wissenschaftlicher Sachverstand
abgerufen. Schließlich gibt es den Gemeinsamen Wissenschaftlichen Beirat. Auch hier wirken Professoren
mit.
Herr Kollege Bahr.
Wir freuen uns, dass die Bundesregierung im Gesundheitsbereich einen wissenschaftlich-fachlichen und
-sachlichen Rat auch und insbesondere von Professoren
nutzt. Das ist ab und zu auch besonders nötig. Weil es
gerade nur um Professor Lauterbach ging, frage ich jetzt
nach, ob auch weiteren Professoren, von denen Sie eben
sprachen, im Rahmen der Gesundheitsverhandlungen
oder anderer vergleichbarer Tätigkeiten nur Reisekosten
im üblichen Maße erstattet wurden.
Ich darf Ihnen die Frage mit drei Bemerkungen beantworten:
Erstens. Wenn Forschungsprojekte ausgeschrieben
und im Anschluss daran vergeben werden, dann entstehen für diese Forschungsprojekte natürlich Kosten.
Diese werden aufgelistet; das ist selbstverständlich.
Zweitens. Beiräte handeln auf unterschiedlichen
Grundlagen. Für einige wird ein festes ehrenamtliches
Honorar zuzüglich der Reisekosten gezahlt, anderen
werden lediglich die Reisekosten erstattet.
Drittens. Wenn Einzelpersonen beratend tätig werden,
dann ist dies aufzulisten. Wir haben einen Beratervertrag
gemeldet. Es gibt keine weiteren.
Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?
Zweite Zusatzfrage.
Sie sprachen eben von einem festen ehrenamtlichen
Honorar. Können Sie mir eine Vorstellung davon geben,
in welchem finanziellen Rahmen sich das bewegt?
({0})
Herr Kollege, Sie wissen genau - ({0})
- Wir haben die Zahl nicht genannt, weil sie in jedem
Beirat unterschiedlich ist. Sie erkennen es aber an der
Summe.
Ich kann Ihnen sagen, dass beim Gemeinsamen Wissenschaftlichen Beirat pro Jahr 4 000 Euro anfallen. Daran sehen Sie, dass es hierbei nicht darum geht, Geld zu
verdienen. Ich bin sehr froh, dass uns der wissenschaftliche Sachverstand in vielen Bereichen zur Verfügung gestellt wird. Ich bedaure den Soupçon, den diese Debatte
in der Öffentlichkeit ausgelöst hat.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich zum Beispiel die Enquete-Kommissionen des Bundestages halb
aus Abgeordneten und halb aus Sachverständigen zusammensetzen. Bei jeder Anhörung sind wir auf Sachverständige angewiesen, die teilweise nur gegen Auslage
ihrer Reisekosten für uns tätig werden. Uns steht also
vielfältiger wissenschaftlicher Sachverstand zur Verfügung. Wir sollten einmal nach außen tragen, dass es ein
normaler Vorgang ist, dass wir alle miteinander auf externen Sachverstand angewiesen sind.
Herr Kollege von Klaeden.
Frau Staatssekretärin, die Öffentlichkeit ist über die
Beratungsverträge sehr erstaunt gewesen, die die frühere
niedersächsische Landesregierung abgeschlossen hat.
Deswegen interessiert mich der Kommunikationsberater,
von dem Sie gesprochen haben. Was kann und macht er,
was die Pressestelle nicht kann und nicht macht?
Herr von Klaeden, die Antwort auf diese Frage wurde
dem Kollegen Thomae in einem Schreiben zur Verfügung gestellt. Ich bin gerne bereit, Ihnen dies nachzureichen.
Herr Kollege Kolb.
Frau Staatssekretärin, gibt es in Ihrem Haus eine Vorschrift oder wenigstens eine Selbstverpflichtung, dass
Sachverständige, die für die Bundesregierung tätig werden, nicht gleichzeitig bei Interessengruppen oder
Lobbyisten gegen Entgelt beschäftigt sind, weil dann die
Gefahr der Interessenverquickung zu befürchten ist?
Gibt es in Ihrem Haus Überlegungen in diese Richtung?
Herr Kollege Kolb, ich kann hier nur für meinen Bereich sprechen. Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung habe ich selbst einen wissenschaftlichen Beirat ins
Leben gerufen. Dabei habe ich bei der Auswahl darauf
geachtet, dass es durch Struktur und Zusammensetzung
nicht zu Interessenkollisionen kommt. Ich kann zwar
nicht für das ganze Haus sprechen und kenne auch nicht
alle Beiräte, aber ich bin gerne bereit, Ihnen die Antwort
schriftlich nachzureichen.
Wir sind sehr daran interessiert, erstens plurale und
zweitens neutrale, also keine interessengeleiteten Meinungen zu hören. Sie wissen genauso gut wie ich, dass
es gerade im Gesundheitswesen um sehr große Summen
und vielfältige Interessen geht. Insofern ist da besondere
Vorsicht angezeigt.
({0})
Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Ina Lenke auf:
In welcher Höhe sind Kosten für die Beratertätigkeit der
Rürup-Kommission entstanden und aus welchem Titel wurden sie beglichen?
Frau Kollegin Lenke, im Haushaltsplan 2003 des
Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung war unter Kap. 1501 Tit. 526 04 ein Betrag von insgesamt 1 Million Euro für die Kommission veranschlagt.
Die Istausgaben - das können wir nach der Abrechnung
sehen - liegen unterhalb dieser Summe. Sie betragen
rund 943 000 Euro.
Zusatzfrage? - Keine.
Dann rufe ich die Frage 21 von Frau Kollegin Ina
Lenke auf:
Haben untergeordnete Behörden, wie zum Beispiel das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das
Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut oder das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information, externe Berater in Anspruch genommen und, wenn ja, in
welchem Umfang?
Im nachgeordneten Bereich wurden vier Berater in
Anspruch genommen, und zwar jeweils ein Berater im
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte,
im Paul-Ehrlich-Institut, im Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information und im Bundesversicherungsamt.
Zusatzfrage?
Ich meine, die Frage ist nicht vollständig beantwortet
worden. In der Frage wird auch nach dem Umfang gefragt.
Das kommt vor, aber dafür haben Sie die Möglichkeit
zu einer Zusatzfrage.
Ich möchte gerne die Frage an Sie, Frau Staatssekretärin, richten, in welchem Umfang externe Berater in
Anspruch genommen wurden.
Für alle vier Verträge?
({0})
Ich habe die Zahlen für die jeweiligen Verträge nicht
vorliegen. Ich darf aber wieder auf die Antwort auf die
Kleine Anfrage verweisen. Dort sind diese Beraterverträge der nachgeordneten Behörden aufgeführt. In diesem Falle handelt es sich um die gleichen Institute. Ich
habe hier nur die gesamte Summe von 995 000 Euro für
alle vier Verträge zur Hand. Die einzelnen Sachverhalte,
um die es dabei ging, sind, wie schon gesagt, in der Antwort auf die Kleine Anfrage einzeln aufgeführt.
Weitere Zusatzfrage? - Herr Kollege Kolb.
Frau Staatssekretärin, ist denn denkbar, dass die Bundesregierung Forschungsaufträge an Lehrstühle von Professoren vergibt, die im Übrigen auch Mitglied einer
Sachverständigenkommission sind, sei es durch nachgeordnete Behörden, sei es durch das Ministerium
selbst? Wenn ja, sind Ihnen solche Fälle bekannt?
So etwas ist denkbar, wenn es sich um Ausschreibungen handelt. Wir versuchen auf jeden Fall, schon den
Anschein zu vermeiden, dass man durch Mitwirkung in
einer Sachverständigenkommission automatisch einen
Zugang zu Forschungsaufträgen hat. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass man hier ganz klar trennt,
aber es sollen natürlich auch keine Nachteile entstehen.
Das heißt, jeder kann sich mit seinem Forschungsinstitut
an Ausschreibungen beteiligen. Bei den Ausschreibungen wird gegebenenfalls von einem wissenschaftlichen
Gremium noch einmal geprüft, welche Forscher besonders qualifiziert erscheinen und welches Forschungsdesign besonders überzeugend ist. Dann kann es sein, dass
ein Professor, der sich dafür bewirbt, den Zuschlag
erhält. Es wird aber strikt darauf geachtet, dass es sich
um Ausschreibungen handelt.
Herr Kollege Fricke.
Ist Ihnen bekannt, ob unter den zuvor in den Fragen
genannten Professoren oder unter anderen Professoren
aus einem solchen Sachverständigengremium jemand
ist, der bei nachgeordneten Behörden aktuell Beraterverträge hat?
Nein.
Die Frage 22 der Kollegin Connemann wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur
Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Fragen 23 und 24 des Kollegen
Volkmar Uwe Vogel auf:
Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass die Neu- und
Ausbaustrecke Halle/Leipzig-Erfurt-Nürnberg, die Teil des
transeuropäischen Verkehrsnetzes ist und als Verkehrsprojekt
„Deutsche Einheit“ im Bundesverkehrswegeplan von der
Bundesregierung als Vorhaben im vordringlichen Bedarf eingestuft wird, trotz gegenteiliger Aussagen der Deutschen
Bahn AG, DB AG, in der Öffentlichkeit prioritär realisiert
wird?
Ist zu befürchten, dass auch die Ertüchtigung der MitteDeutschland-Schienenverbindung und der Fertigstellungstermin der Sachsenmagistrale im Jahr 2008 gefährdet sind?
Lieber Herr Kollege Vogel, mit Ihrer Erlaubnis und
der des Herrn Präsidenten möchte ich die beiden Fragen
im Zusammenhang beantworten, denn Aussagen zu den
verfügbaren Bundesmitteln für Schienenwegeinvestitionen im Jahre 2004 sind erst mit der Verabschiedung des
Haushaltsgesetzes möglich.
Im Bereich der Bedarfsplanvorhaben ist eine Priorisierung hinsichtlich deren Realisierung vorzunehmen.
Diese zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Bund
abzustimmende Priorisierung ist bisher noch nicht abgeschlossen.
Zusatzfrage?
Sie sagen, eine Priorisierung sei noch nicht abgeschlossen. War die Bundesregierung daran beteiligt, als
es darum ging, eine Auswahl von Projekten vorzunehmen, die voraussichtlich wegen Geldmangels nicht realisiert werden bzw. nicht zu Ende geführt werden?
Nein. - Sie haben am Freitag die Möglichkeit, mitzuhelfen, dass wir den Haushalt beschließen können. Dann
werden wir in die Gespräche mit der DB AG einsteigen
und erklären, welche Mittel für Investitionen zur Verfügung stehen. Erst dann können wir eine Priorisierung
vornehmen, also die Schwerpunkte benennen.
Weitere Zusatzfrage?
Der Bund ist Eigentümer der Deutschen Bahn AG. Inwieweit nimmt die Bundesregierung Einfluss auf die
Planungen der Bahn, wenn es darum geht, die Projekte,
die auch im vordringlichen Bedarf des von Ihnen vorgelegten Bundesverkehrswegeplans stehen, tatsächlich zu
realisieren?
Sie wissen, dass uns beiden ein Projekt ganz besonders am Herzen liegt, nämlich das Verkehrsprojekt
„Deutsche Einheit“ 8.1 und 8.2.
({0})
- Uns liegen selbstverständlich noch ein paar andere am
Herzen. - Sie wissen, dass wir in den Gesprächen mit
der DB AG, die allerdings ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist, auf diese Prioritäten, die für uns ganz
wichtig sind, immer wieder hinweisen.
Gestatten Sie mir eine weitere Zusatzfrage. Sie sprachen die Verabschiedung des Haushaltes am Freitag an.
Wann ist damit zu rechnen, dass von Verkehrsminister
Stolpe die Finanzierungsvereinbarungen zur Fortsetzung
der Mitte-Deutschland-Schienenverbindung unterzeichnet werden? Er sprach das bereits im Dezember in Erfurt
an.
Bei der Mitte-Deutschland-Schienenverbindung besteht das Problem, dass die notwendigen Teilfinanzierungsvereinbarungen für die Baumaßnahmen im Zusammenhang mit dem elektronischen Stellwerk in Gera und
Gera-Süd, die mit EFRE-Mitteln finanziert werden, derzeit aus haushaltsrechtlichen Gründen noch nicht abgeschlossen werden. Zudem sind die EFRE-Mittel - auch
das ist wichtig - noch nicht durch die EU-Kommission
bewilligt worden. Insofern hängt der Abschluss der Teilfinanzierungsvereinbarungen neben der zurzeit geltenden vorläufigen Haushaltsführung auch von der Bewilligung der EFRE-Mittel ab. Erst nach Freigabe dieser
Mittel kann die entsprechende Teilfinanzierungsvereinbarung abgeschlossen werden.
Gestatten Sie mir eine letzte Zusatzfrage. Wie Sie
wissen, findet im Jahr 2007 die BUGA in Gera und Ronneburg statt. Ist es trotz der Verzögerungen noch möglich, dass ein sehr wichtiges Projekt im Bereich Gera/
Ronneburg, nämlich die Brücke zum Gessental nach
Öffnung des Bahndamms, fristgerecht am 15. Juni in
Angriff genommen werden kann? Anderenfalls würden
der BUGA GmbH hohe Kosten entstehen.
Herr Kollege Vogel, Sie wissen, dass ich selber in
Gera vor Ort war. Wir beide sind im Gespräch miteinander, aber auch der Kollege Schönfeld fragt mich immer
wieder danach. Sie sind beide in dieser Frage sehr aktiv.
Ich gehe davon aus, dass wir das hinbekommen können.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Nitzsche auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung, dass
das jährliche Antrags- und Zusagevolumen für die Altschuldenhilfe im Stadtumbau Ost in beachtlicher Größenordnung
in den jeweiligen Bundesländern divergiert?
Herr Kollege Nitzsche, das unterschiedliche Antragsund Zusagevolumen beruht vor allem auf der unterschiedlichen Anzahl der Wohneinheiten und Leerstandsquoten der jeweiligen Bundesländer. Die Leerstandsquote reicht von 9,9 Prozent in Berlin bis zu
17,6 Prozent in Sachsen.
Wenn aber mit der Frage nicht die absolute Größenordnung des Antrags- und Zusagevolumens gemeint ist,
sondern das Verhältnis zwischen dem Antrags- und Zusagevolumen, das in den einzelnen Bundesländern divergiert, so ist dies auf die unterschiedliche zeitliche Entwicklung der Leerstandsquote zurückzuführen. In
einigen Ländern sind Wohnungsunternehmen früher in
die als Antragsvoraussetzung erforderliche Leerstandsquote von 15 Prozent hineingewachsen als in anderen
Ländern.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, man muss das Zusagevolumen
in Relation zu dem Abrufvolumen sehen. Sie erwähnten
eben Berlin. Berlin weist mit Stand von vorigem Montag
ein Zusagevolumen in Höhe von 14 Millionen Euro auf,
dem ein Abrufvolumen von 1,2 Millionen Euro gegenübersteht. Bei 3 000 WE Abriss ist also noch nicht einmal ein Zehntel des Zusagevolumens abgerufen worden.
Sie wissen selber, dass der Prozess des Stadtumbaus
Ost eine gewisse Dynamik braucht. Sie haben das oft als
Lernprozess bezeichnet. Ich denke, wir alle haben gelernt. Notwendig ist aber auch ein bestimmtesTempo.
Ich denke, dass es durch die Verzögerungen beim Abruf und die damit einhergehenden verzögerten Abrisse
auch zu Verzögerungen im Stadtumbau Ost kommen
kann. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Prozess zu
beschleunigen?
Sie wissen, dass die Anträge auf die Altschuldenhilfe
durch die Wohnungsunternehmen gestellt werden. Sie
wissen auch, dass die Antragstellung durch die Wohnungsunternehmen nach dem Windhundverfahren erfolgt und dass erst nach Realisierung der Abrisse die
Mittel fließen. Das hat sehr viel damit zu tun, dass die
Unternehmen vor Ort ihre Projekte sehr schnell zu Ende
führen müssen. Wir wissen, dass es in einigen Bereichen
sehr schnell gegangen ist - Sie kennen auch in Ihrem
Bundesland entsprechende Beispiele, Herr Nitzsche -,
wir alle kennen aber auch Beispiele, bei denen es etwas
länger gedauert hat. Das hängt davon ab, ob ein großflächiger oder ein kleinteiliger Abriss erfolgt, ob der
Rückbau etagenweise erfolgt usw. An diesem Punkt
muss die Beschleunigung zuerst ansetzen.
Ich möchte zur Klarstellung auf Folgendes hinweisen:
Wenn alle Unterlagen, beispielsweise die Länderbescheinigungen und die Bankenbestätigungen, vorliegen
- Sie wissen, dass es in beiden Punkten manchmal
durchaus Schwierigkeiten gibt, was auch zu Verzögerungen führen kann, das heißt, wenn die Wohnungsunternehmen nicht schnell genug sind -, dann kann die KfW
sehr schnell - innerhalb von zwei bis drei Wochen - entscheiden; das tut sie auch. Daran kann es also nicht liegen. Die KfW ist hier wirklich engagiert und wird allerorten gelobt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Danke. - Nächste Zusatzfrage: Die KfW hat festgestellt, dass die maximale Entlastung aller Anträge inklusive Zusagen eine Summe von etwa 1,148 Milliarden
Euro ergebe. Wenn man die Haushaltsmittel in Höhe von
658 Millionen Euro subtrahiert, dann kommt man auf
ein Restvolumen von 490 Millionen Euro. Die spannende Frage ist, wie die Bundesregierung gedenkt dieses
Restvolumen für die Altschuldenhilfe aufzubringen.
Herr Kollege Nitzsche, wir waren uns in den Haushaltsberatungen ja einig darüber, dass man zusätzlich zu
dem erhöhten Betrag aus dem letzten Haushalt einen Betrag in Höhe von circa 375 Millionen Euro benötigt. Am
31. Dezember 2003 ist Antragsschluss gewesen. Sie haben vollkommen Recht: Aufgrund der uns vorliegenden
Anträge besteht ein Bedarf von 490 Millionen Euro.
({0})
Ich verweise darauf, dass wir in den Haushalt - er ist nur
vorläufig - Mittel in dieser Größenordnung eingestellt
haben, um den Stadtumbau Ost zu forcieren. Wir werden
am kommenden Freitag die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die B-Länder im Bundesrat im Hinblick auf den Haushalt mit Kanzlermehrheit zurückweisen können. Das hat aber zu Verzögerungen geführt, die
sehr bedauerlich sind, da sich diese auch auf die Verwaltungsvereinbarungen auswirken werden.
({1})
Wir werden demnächst im Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen über die Umsetzung der
Koch/Steinbrück-Beschlüsse, die von allen Ministerpräsidenten, auch von denen der neuen Bundesländer, übernommen worden sind und die eine Kürzung der Mittel
für die Altschuldenhilfe vorsehen, reden müssen, genauso wie über die Frage, wie wir der Wohnungswirtschaft und dem Projekt „Stadtumbau Ost“ weiter auf die
Sprünge helfen können.
Danke.
Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Dr. Peter Jahr sowie die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dietrich
Austermann werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 30 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Welche Grenzübergänge zur Republik Polen und zur
Tschechischen Republik, die derzeit nur PKW-Verkehr abwickeln, wären von ihrer baulichen Ausstattung her geeignet,
auch LKW-Verkehr abzufertigen, und bei welchen dieser
Grenzübergänge könnte sich die Bundesregierung vorstellen,
im Einvernehmen mit dem Nachbarland und vor dem Hintergrund der in den vergangenen Monaten extrem zunehmenden
Wartezeiten diese Übergänge auch für den regionalen Wirtschaftslastverkehr zu öffnen?
Sehr geehrter Herr Kollege Kretschmer, an der
deutsch-polnischen Grenze gibt es derzeit 22 Straßengrenzübergänge, von denen 14 Grenzübergänge im Zuge
von Bundesfernstraßen liegen. Von den Straßenübergängen insgesamt sind zehn dem grenzüberschreitenden
Warenverkehr gewidmet. Im deutsch-tschechischen
Grenzverlauf befinden sich 33 Straßengrenzübergänge,
von denen zwölf Grenzübergänge im Zuge von Bundesfernstraßen liegen. Von den Straßenübergängen sind
17 dem grenzüberschreitenden Warenverkehr gewidmet.
Die Grenzübergänge, die im Zuge von Landes-,
Kreis- bzw. Staatsstraßen liegen, sind aufgrund ihres
Ausbauzustandes im Allgemeinen nicht dazu geeignet,
zusätzlich zum PKW-Verkehr unbeschränkten LKWVerkehr aufzunehmen. Die Grenzübergänge im Zuge
von Bundesfernstraßen sind weit gehend für den Warenverkehr geöffnet. Einzelne Beschränkungen resultieren
hier aus regionalen bzw. grenzabfertigungstechnischen
Gegebenheiten. Ein kurzfristiger Ausbau der Grenzabfertigungsanlagen zur Abfertigung von LKW-Verkehren
scheint vor dem Hintergrund des EU-Beitritts am 1. Mai
dieses Jahres und des damit verbundenen Wegfalls der
zollrechtlichen Warenkontrollen nicht sinnvoll zu sein.
Eine Zusatzfrage, Kollege Kretschmer.
Frau Staatssekretärin, vielen Dank. Das war aber
nicht meine Frage. Meine Frage ist vielmehr, ob die
Bundesregierung es für sinnvoll hält, bestehende Grenzübergänge, die es von der baulichen Kapazität her zulassen, LKW-Verkehr abzufertigen, zu öffnen. Frau Staatssekretärin, dafür sind Verhandlungen mit Polen und der
Tschechischen Republik notwendig. Vielleicht können
Sie darauf noch eingehen.
Herr Kollege Kretschmer, wie Sie wahrscheinlich
wissen, gibt es im Moment Waren- und Zollkontrollen
an den Grenzen; das ist der Sachverhalt. Insofern sind
die von mir genannten, noch nicht geöffneten Übergänge
im Moment auch nicht geeignet, diese Verkehre aufzunehmen.
Weitere Zusatzfrage.
Ich möchte das konkretisieren, Frau Staatssekretärin.
Es gibt Grenzübergänge in Guben, in Görlitz und an anderer Stelle, die vor wenigen Monaten eröffnet worden
sind, die für den PKW-Verkehr zugelassen sind. Unweit
dieser Grenzübergänge gibt es Übergänge, an denen sich
Staus mit Wartezeiten von 20 Stunden und mehr bilden.
In diesen Staus müssen auch LKWs stehen, die nur für
den regionalen Wirtschaftsverkehr unterwegs sind. Das
behindert den regionalen Warenaustausch.
Das wird auch nach der EU-Erweiterung nicht anders
sein. Sie wissen, dass das Schengen-Abkommen noch
nicht gilt. Nach allen Aussagen, die wir von Speditionsverbänden, vom BGS usw. erhalten, werden die Stauzeiten eher noch zunehmen.
Deswegen noch einmal die Frage: Steht die Bundesregierung in Verhandlungen mit der polnischen und der
tschechischen Seite mit dem Ziel, weitere Grenzübergänge für den regionalen Wirtschaftsverkehr zu öffnen?
Ich will es gern noch etwas präzisieren, Herr Kollege.
({0})
Von den meines Wissens 14 Übergängen im Zuge von
Bundesfernstraßen im deutsch-polnischen Grenzbereich
sind nur fünf für den LKW-Verkehr geschlossen. Im Übrigen handelt es sich sozusagen um Staatsstraßen bzw.
Landesstraßen. Im deutsch-tschechischen Grenzverlauf
sind von den zwölf Übergängen im Zuge von Bundesfernstraßen nur zwei nicht für den LKW-Verkehr zugelassen.
Sie sprachen Guben an der B 112 an. An diesem
Grenzübergang hat es im zweiten Halbjahr 2003 tatsächlich unerträgliche Stausituationen gegeben. Ursache war
die Verkehrsverlagerung von den Autobahnübergängen
bei Frankfurt/Oder und Forst-Erlenhorst nach Guben.
Die zum Übergang führende B 112 wurde von der Landespolizei Brandenburg für LKWs über 20 Tonnen von
donnerstags bis sonntags gesperrt. Die polnische Seite
ist nicht damit einverstanden. BMI und Land Brandenburg versuchen, mit Polen ein Einvernehmen herzustellen.
Das ist auch die weitere Antwort auf Ihre Frage.
Selbstverständlich gibt es verschiedene bi- und trilaterale Grenzkommissionen, die sich auf der Grundlage der
geltenden Abkommen kontinuierlich mit der Thematik
der Nutzungserweiterung bzw. auch der Nutzungsänderung beschäftigen. Dabei wurde festgelegt, dass bis zum
EU-Beitritt beider Länder keine Änderungen vorgeschlagen werden. Nach dem EU-Beitritt werden sich die
Vertragspartner darüber verständigen, inwieweit an einigen Grenzübergängen, die derzeit nur für PKW freigegeben sind, Nutzungsänderungen, beispielsweise zugunsten des regionalen Wirtschaftsverkehrs, möglich sind.
Es gibt eine weitere Zusatzfrage, nämlich die des Kollegen Ulrich Adam. Bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben das Land Mecklenburg-Vorpommern ausgelassen. Mich interessiert
konkret, wie Sie speziell die Situation auf der Insel Usedom sehen. Welchen Regelungsbedarf gibt es da? Welche zeitlichen Planungen sind vonseiten der Bundesregierung im Hinblick auf die Öffnung der Grenze zu
Polen vorgesehen?
Herr Kollege Adam, ich würde gern nachher klären,
welche Situation genau auf der Insel Usedom besteht,
weil ich sonst zu lange blättern müsste.
Selbstverständlich habe ich das Land MecklenburgVorpommern nicht vergessen. Ich habe von bi- und trilateralen Kommissionen gesprochen. Dort finden deutschpolnische, deutsch-tschechische oder deutsch-polnischtschechische Gespräche statt. In dem Länderdreieck gibt
es eben grenzüberschreitende Verkehrsführungen. Insofern sind wir da im Gespräch.
Was den konkreten Fall Usedom angeht, sehe ich, wie
gesagt, gleich in den Unterlagen nach; es sind wirklich
sehr viele.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Gleicke.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christoph
Matschie zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Kretschmer auf:
Welche Programme der Bundesregierung im Bereich Forschung und Entwicklung sind ähnlich wie das Programm Pro
Inno zwar im Haushalt 2004 vorgesehen, aber bislang nicht
angelaufen und welche Differenz wird nach Erwartung der
Bundesregierung zum Jahresende zwischen dem geplanten
Fördervolumen und der tatsächlichen Mittelausschüttung aufgrund der eingetretenen Verzögerungen liegen?
Herr Kollege Kretschmer, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt:
Das Haushaltsgesetz 2004 konnte wegen des Einspruchs des Bundesrates bisher noch nicht verkündet
werden; daher finden die Vorschriften zur vorläufigen
Haushaltsführung zurzeit auf alle Programme der Bundesregierung im Bereich „Forschung und Entwicklung“
Anwendung. Ausgaben für neue Maßnahmen dürfen nur
unter den Voraussetzungen von Art. 111 des Grundgesetzes, zum Beispiel zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, oder, für den Fall ihrer Unabweisbarkeit, unter den
Voraussetzungen einer über- bzw. außerplanmäßigen
Ausgabe nach Art. 112 des Grundgesetzes mit Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen geleistet
werden.
Es ist nicht abschätzbar, welche Differenz bei Programmen der Bundesregierung im Bereich „Forschung
und Entwicklung“ aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung zum Ende des Jahres 2004 zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Fördervolumen liegen
wird.
Erste Zusatzfrage, Herr Kretschmer.
Herr Staatssekretär, uns liegt ein Brief von einem
Wissenschaftler im Bereich „Optische Technologien“
vor. Er schreibt, dass der Haushaltstitel für dieses Jahr
70 Millionen Euro ausmacht - das ist korrekt -, dass
aber bereits aus dem vergangenen Jahr Festlegungen und
Zusagen in Höhe von 5,7 Millionen Euro vorliegen;
nach Abzug der Minderausgabe in allen Bereichen
bleibe am Ende nicht viel übrig. Können Sie das bestätigen?
Das kann ich zunächst nicht bestätigen. Ich müsste
mir dieses Beispiel einmal genauer anschauen. Ich kann
Ihnen hier nur bestätigen, dass wir im Moment aufgrund
der vorläufigen Haushaltsführung keine neuen Maßnahmen beginnen können. Die vorläufige Haushaltsführung
ist, wie Sie wissen, dadurch bedingt, dass der Bundesrat
aufgrund des Stimmverhaltens der unionsgeführten Bundesländer gegen den Haushalt Einspruch eingelegt hat.
Ich hoffe, dass wir die durch diese Blockade entstandenen Verspätungen bei der Bewilligung neuer Projekte bis
zum Jahresende wieder aufholen können. Das muss sich
aber im Einzelfall zeigen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kretschmer.
Herr Staatssekretär, das war natürlich ein wichtiger
Einspruch; denn auch Sie wissen, dass dieser Haushalt
vorne und hinten nicht stimmt und völlig unseriös ist.
Das muss man den Menschen natürlich deutlich zeigen.
Die Frage, die sich uns stellt, lautet aber - vielleicht
können Sie das beantworten, wenn Sie das andere schon
nicht beantworten können -: Welcher Anteil des Haushaltsvolumens für diese Projektvorhaben ist schon aus
Vorjahren gebunden?
Herr Kollege, Sie wissen, dass immer Mittel für Folgejahre gebunden werden; dazu gibt es Verpflichtungsermächtigungen. Wie viel aus Vorjahren schon konkret gebunden ist, differiert in den einzelnen Förderbereichen.
Ich kann Ihnen dazu natürlich aus dem Kopf keine Details nennen. Man müsste die einzelnen Förderbereiche
genau betrachten, um detailliert Auskunft geben zu können.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Matthäus
Strebl:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wie viele
Betriebe aufgrund der hohen Ausbildungskosten nicht in der
Lage sind, Ausbildungsplätze bereitzuhalten?
Herr Kollege Strebl, ich beantworte Ihre erste Frage
wie folgt: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie hoch die Zahl derjenigen Betriebe
ist, die aufgrund hoher Ausbildungskosten nicht in der
Lage sind, auszubilden. Untersuchungen des Bundesinstituts für Berufsbildung haben jedoch gezeigt, dass die
spezifischen Kosten der Ausbildung nicht ausschlaggebend dafür sind, ob sich Unternehmen dazu entscheiden,
auszubilden, oder nicht. Vor allem sind Faktoren wie der
eigene künftige Bedarf an Fachkräften, Einschätzungen
über die Marktentwicklung sowie die rechtlichen und die
im jeweiligen Unternehmen vorhandenen materiellen
Ausbildungsvoraussetzungen für das Engagement von
Unternehmen in der Ausbildung entscheidend.
Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen hat
die Bundesregierung mit der Aussetzung der AusbilderEignungsverordnung für fünf Jahre im Mai 2003 eine
wesentliche Verbesserung auf den Weg gebracht. Bezüglich der Ausbildungsvergütungen müssen die Tarifparteien Vereinbarungen treffen, die für Unternehmer
Anreize schaffen, sich in der Qualifizierung des Fachkräftenachwuchses zu engagieren.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung im
Falle der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe eine
Ausnahmeregelung für kleine und mittlere Betriebe
schaffen, da sie aufgrund der hohen Kosten nicht in der
Lage sind, Ausbildungsplätze bereitzuhalten? Die uns
bekannten Ergebnisse der verschiedenen Institute besagen, dass nur etwa 30 bis 35 Prozent der Betriebe in
Deutschland ausbilden. Liegt das nicht an der wirtschaftlichen Lage und damit auch an der Politik dieser Bundesregierung?
Ich hatte Ihnen eben geschildert, dass es unterschiedliche Gründe für die Entscheidung von Unternehmen
gibt, Ausbildungsplätze anzubieten oder nicht. Ich will
in dem Zusammenhang noch einmal zu der erwähnten
Initiative für eine Ausbildungsumlage sagen: Das ist
eine Initiative der Koalitionsfraktionen. Die Bundesregierung ist gebeten worden, Formulierungshilfen für einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Das
geschieht im Moment. Ich kann Ihnen aber abschließend
noch nichts zu den Regelungen sagen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicher auch bekannt,
dass besonders die hohen Ausbildungskosten viele Betriebe, die gerne ausbilden möchten, davon abhalten auszubilden. Meine Frage an Sie: Gibt es Planungen der
Bundesregierung oder in Ihrem Hause, hier tätig zu werden, um die Kosten für Ausbildung insgesamt zu reduzieren?
Herr Kollege, ich will Ihnen noch einmal vortragen,
dass nach den Untersuchungen des Bundesinstituts für
Berufsbildung die Kosten der Ausbildung nicht der ausschlaggebende Faktor bei der Entscheidung von Unternehmen sind, ob sie ausbilden. Die Frage der Ausbildungsvergütungen ist eine Frage, die die Tarifparteien
miteinander regeln müssen.
Eine weitere Frage des Kollegen Dr. Klaus Rose.
Herr Staatssekretär, bisher hat man ja gehört, dass der
Bundeskanzler dezidiert gegen die Erhebung einer Ausbildungsplatzabgabe ist. Nachdem Sie vorhin gerade
gesagt haben, dass die Prüfungen noch nicht abgeschlossen sind und nun schon wieder hin und her überlegt
wird, möchte ich Sie fragen: Hat der Bundeskanzler bei
Ihnen nichts mehr zu sagen?
Herr Kollege, ich will es für Sie gerne wiederholen:
Es gibt eine Initiative der Koalitionsfraktionen, ein entsprechendes Gesetz für die Erhebung einer Ausbildungsumlage auf den Weg zu bringen, um sicherzustellen,
dass jeder Jugendliche, der ausbildungsfähig und -willig
ist, auch einen Ausbildungsplatz bekommt. Die Bundesregierung ist gebeten worden, dazu Formulierungshilfen
zu liefern. Diese werden im Moment gerade erarbeitet.
Ich kann Ihnen aus unserer Sicht noch nicht abschließend sagen, wie die Regelungen im Einzelnen aussehen,
da es sich hierbei um eine Initiative der Fraktionen handelt.
Dann kommen wir zur Frage 33 des Kollegen Strebl:
Plant die Bundesregierung für den Fall der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe Regelungen, die auch die Betriebe mit der Ausbildungsplatzabgabe erfassen, die im Ausland ausbilden?
Herr Kollege Strebl, Sie fragen danach, ob auch Betriebe, die im Ausland ausbilden, eine Ausbildungsplatzabgabe zahlen müssen. Die Fraktionsvorsitzenden von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Franz Müntefering
und Krista Sager, haben mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 die Bundesministerin für Bildung und Forschung gebeten, eine Formulierungshilfe für ein Gesetz
über eine Ausbildungsumlage zu erstellen, das sich an
den mit diesem Schreiben übersandten Eckpunkten orientieren soll. Ein ähnlich lautendes Schreiben mit der
Bitte um Unterstützung ging mit gleichem Datum an den
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. Insofern handelt es sich hierbei um eine Initiative der Koalitionsfraktionen. Der Entwurf einer Formulierungshilfe wird zurzeit im BMBF erarbeitet. Im weiteren Verlauf wird
innerhalb der Bundesregierung das Abstimmungsverfahren eingeleitet, um eine Klärung noch offener Rechtsund Sachfragen zu erreichen.
Es ist aber offensichtlich, dass sich Regelungen eines
eventuellen Ausbildungsplatzabgabegesetzes nur auf
diejenigen Betriebe beziehen können, die ihren Sitz in
der Bundesrepublik Deutschland haben, Arbeitgeber
sind sowie Ausbildungsverträge nach Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung et cetera anbieten können.
Tochterunternehmen deutscher Firmen mit Sitz im Ausland unterliegen bei Ausbildungen, für die sie entsprechende Verträge geschlossen haben und die bei ihnen
durchgeführt werden, dem Recht des jeweiligen Sitzlandes.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin Kerstin Müller zur Verfügung.
Die Fragen 34 und 35 des Kollegen Koppelin sollen
schriftlich beantwortet werden.
Damit rufe ich Frage 36 des Kollegen Reinhard
Grindel auf:
Warum gilt trotz des aufgrund der beobachteten Einreisevorkommnisse insbesondere aus osteuropäischen Staaten seitens des Bundesministeriums des Innern, BMI, gemachten
Vorschlags, die Visaerteilung in der Ukraine erst nach eingehender Prüfung von Reisezweck und Rückkehrbereitschaft zu
erteilen, gemäß dem Runderlass des Auswärtigen Amtes, AA,
vom 3. März 2000 weiterhin, dass die Ablehnung eines
Visums für einen langfristigen Aufenthalt nur in „krassen
Ausnahmefällen“ infrage kommt, wie auch der Grundsatz „in
dubio pro libertate“, im Zweifel für die Reisefreiheit, nach
Abwägung des Einzelfalles?
Herr Kollege Grindel, bei der Visumserteilung bewegen sich unsere Botschaften und Generalkonsulate in einem Spannungsfeld: Einerseits hat unser Land ein großes Interesse an einem regelmäßigen persönlichen
Austausch mit dem Ausland, sei es aus wirtschaftlichen,
kulturellen oder rein persönlichen Gründen; andererseits
müssen wir den zahlreichen Versuchen der illegalen Einreise nach Deutschland und Europa effektiv begegnen
und zudem unserer inneren Sicherheit Rechnung tragen.
Die Bundesregierung prüft daher kontinuierlich die
bestehenden Verfahren, um einerseits im Interesse der
gesetzestreuen Visabewerber - das ist die große Mehrzahl - ein möglichst unbürokratisches Visumsverfahren
zu gewährleisten und andererseits immer neuen Formen
des Missbrauchs zu begegnen. Dabei arbeiten das Auswärtige Amt sowie die Innenbehörden des Bundes und
der Länder untereinander ebenso wie mit den jeweiligen
europäischen Partnern eng zusammen.
Bei über 3 Millionen Visaanträgen, mit denen unsere
Auslandsvertretungen jährlich konfrontiert werden, können Fehler natürlich nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. Wenn es aber zu einem konkreten Missbrauchsverdacht kommt, hat die Bundesregierung selbst
das größte Interesse an einer umfassenden Aufklärung
des Sachverhaltes und arbeitet dabei eng und aktiv mit
den entsprechenden Ermittlungsbehörden zusammen.
Der Erlass vom 3. März 2000, den Sie in Ihrer Frage
erwähnen, ist Bestandteil der kontinuierlichen Weiterentwicklung unseres Visumsverfahrens. Teile seines Inhalts wurden zwischenzeitlich durch weitere Erlasse
fortgeschrieben. Bei Anträgen auf Dauervisa, das heißt
für Aufenthalte von mehr als drei Monaten - darauf zielt
Ihre Frage -, gilt weiterhin, dass diese nicht von der
deutschen Botschaft, sondern nur von der Ausländerbehörde des Zielortes des Antragstellers bewilligt werden können. Das heißt, die Bewilligung eines Dauervisums ohne die Einwilligung der zuständigen deutschen
Ausländerbehörde kommt in keinem Fall in Betracht.
Die Erlasslage regelt insoweit lediglich die Ausnahmefälle, in denen eine deutsche Botschaft einen solchen
Antrag auf ein längerfristiges Visum ohne Beteiligung
oder sogar trotz eines positiven Votums der zuständigen
deutschen Ausländerbehörde ablehnen kann. Das heißt,
es geht um Fälle, in denen die zuständige deutsche Ausländerbehörde einen Visumsantrag bereits geprüft und
positiv beschieden hat. Dass eine deutsche Botschaft
einen solchen Antrag dann dennoch aufgrund von Tatsachen, die auf ihrer Orts- oder Personenkenntnis beruhen, ablehnen muss, kommt in der Tat nur sehr selten
vor.
Der von Ihnen andererseits zitierte Grundsatz „Im
Zweifel für die Reisefreiheit“ unterstreicht das große Interesse unseres Landes an einem regelmäßigen persönlichen Austausch mit dem Ausland, sei es aus wirtschaftlichen, kulturellen oder persönlichen Gründen. Das
heißt, wir wollen auch Besuchern aus Ländern, für die
Visapflicht besteht, die Reise zu uns nur dann untersagen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass sie
die Voraussetzungen für ein Visum erfüllen. Aus den
zahlreichen Fällen, in denen sich Abgeordnete aller
Fraktionen dieses Hauses für einzelne Visaantragsteller
einsetzen, weiß ich, dass dieser Grundsatz hier auf breite
Zustimmung stößt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Grindel? - Bitte.
Frau Staatsministerin, Sie haben das Spannungsfeld
zwischen dem wirtschaftlichen und auch dem kulturellen
Interesse Deutschlands am Kontakt mit Staatsangehörigen anderer Länder einerseits und dem Anspruch, die innere Sicherheit zu wahren, andererseits angesprochen.
Halten Sie es denn für richtig, dass im „Volmer-Erlass“
unterschiedslos für alle Länder gesagt wird, man solle
im Zweifel für die Reisefreiheit entscheiden? Wäre es
nicht angebracht, in Ländern, von denen bekannt ist,
dass dort Schleuseraktivitäten in erheblichem Umfang
stattfinden, wie in dem von uns angesprochenen Beispiel
der Ukraine, im Rahmen des Ermessensspielraumes den
Sicherheitsaspekt etwas stärker in den Vordergrund zu
stellen?
In der Ermessensentscheidung spielen solche Dinge
natürlich eine Rolle. Man muss aber grundsätzlich Folgendes unterscheiden - darauf will ich noch einmal hinweisen -: Der so genannte Volmer-Erlass betrifft vor allen Dingen das Kriterium der Rückkehrbereitschaft und
nur auf das bezieht sich auch der Grundsatz „Im Zweifel
für die Reisefreiheit“. Alle anderen Voraussetzungen
müssen natürlich ebenfalls sehr gründlich geprüft werden und werden das auch. Das geschieht im Wege einer
Einzelfallprüfung und fließt in die jeweilige Ermessensentscheidung ein.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, nun ist uns heute Morgen im
Innenausschuss mitgeteilt worden, dass, bezogen auf die
Ukraine und den konkreten Fall, der unseren Anfragen
zugrunde liegt, 16 Ortskräfte entlassen worden sind. Ich
frage Sie, wie es dazu kommen kann, dass, offenbar
ohne dass vorgesetzte Stellen in der Botschaft in Kiew
davon Kenntnis bekommen haben, in derartigem Umfang Ortskräfte ihre Tätigkeit nicht sachgerecht versehen
haben, und ob man nicht vor Ort schneller hätte feststellen müssen, dass es dort einen so sprunghaften Anstieg
der Zahl der Visaanträge und auch der erteilten Visa gibt,
dass man die Schleuserwege durch eine genauere Prüfung rechtzeitig hätte schließen können und müssen.
Sofern das Auswärtige Amt von solchen Missbrauchsfällen hört - ich habe eben schon erwähnt, dass
sich diese Missbrauchsfälle angesichts von 3 Millionen
erteilten Visa nicht vermeiden lassen -, reagiert es sofort. Sie wissen, dass wir in diesem konkreten Fall einen
Angestellten in die Frührente geschickt und 16 Ortskräfte entlassen haben. Wenn wir also von Missständen
erfahren, dann handeln wir natürlich sofort. Das bezieht
sich im Übrigen auch auf die entsprechende Erlasslage.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Clemens Binninger.
Frau Staatsministerin, die von Ihnen beschriebene
Visa-Praxis hat dazu geführt, dass Schleusungen aus der
Ukraine in noch nie dagewesenem Ausmaß erfolgt sind.
Es gab vor dem Kölner Landgericht ein Strafverfahren,
in dem der Vorsitzende Richter gesagt hat - ich zitiere
mit Zustimmung des Präsidenten -:
Das war ein kalter Putsch der politischen Leitung
des Auswärtigen Amtes gegen die bestehende Gesetzeslage.
Der Richter meint damit Ihre Visa-Praxis. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt sagt zu diesem Fall,
dass quasi unter den Augen und mit Kenntnis der
Ministerien und der deutschen Botschaft in Kiew
bandenmäßige Schleusung durchgeführt wurde.
Wie wollen Sie das der deutschen Öffentlichkeit erklären?
Zum Ersten möchte ich sagen, dass der so genannte
Volmer-Erlass, auf den Sie anspielen und den Sie erwähnt haben, einen klaren rechtlichen Rahmen und eine
klare Rechtsgrundlage hat. Der rechtliche Rahmen für
die Visa-Erteilung und auch für diesen Erlass ist das
europäische Gemeinschaftsrecht und das deutsche Ausländergesetz.
Zum Zweiten möchte ich auf ein grundsätzliches Problem hinweisen, das meiner Meinung nach besteht. Bei
einer Visumserteilung sind verschiedene Kriterien wie
die Finanzierung und die Rückkehrbereitschaft zu prüfen. Der Grundsatz „im Zweifel für die Reisefreiheit“
- wobei auch dabei natürlich in jedem Einzelfall eine
individuelle Abwägung erfolgt - betrifft das Kriterium
der Rückkehrbereitschaft. Das hat aber nichts mit dem
zu tun, worum es in dem Verfahren ging. Dort ging es
vor allen Dingen um die Praxis bei dem Nachweis der
Finanzierbarkeit.
Damit sind wir beim Thema Reiseschutzpässe, das
heute in den Ausschüssen ausführlich behandelt wurde.
Diese Reiseschutzpässe gehen auf eine sehr lange ausgeübte Praxis zurück. Die ersten vereinfachten Verfahren
wurden 1995 noch unter der Vorgängerregierung eingeführt. Sie wurden sodann ausgeweitet. Als sich aber
herausstellte, dass sie schwierig zu handhaben sind, wurden sie korrigiert. Die Reiseschutzpässe werden seit
März 2003 weltweit nicht mehr als Ersatz für die so genannte Verpflichtungserklärung akzeptiert. Allein die
haben unseres Erachtens etwas mit dem Verfahren zu tun
und um die ging es auch in dem Prozess. Es ist also juristisch und politisch geboten, in der Sache zu unterscheiden.
Eine weitere Frage des Kollegen Dr. Klaus Rose.
Frau Staatsministerin, die beiden Kollegen haben vorhin zu Recht betont, dass es sich hier um die Ukraine
handelt. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass man
wissen muss, wo kriminelle Organisationen tätig sind.
Sie können sich nicht hinter der Zahl von 3 Millionen
Visumsanträgen, die in der ganzen Welt gestellt werden,
verschanzen. Es geht um bestimmte Länder, bei denen
sich seit längerem konkret abgezeichnet hat, dass hier
ein Missbrauch stattfindet. Sie brauchen nur die Innenbehörden auch unserer benachbarten Staaten zu fragen.
Die große Schleuserkriminalität - die Schleusungen erfolgen aus der Ukraine über die Slowakei nach Mitteleuropa - ist bekannt. Trotzdem sind ausgerechnet in
Kiew Visa-Genehmigungen fast in Massenproduktion
erteilt worden. Wie stehen Sie dazu?
Erstens haben wir in Kiew besonders viele Anträge
auf Visaerteilung. Man muss natürlich sehen, in welchem Land und in welcher Stadt aus welchen Gründen
Visaanträge gestellt werden.
Zweitens will ich den hier latent vorhandenen Vorwurf zurückweisen, wir hätten mit der Visapraxis, das
heißt mit diesem Erlass, irgendwelcher Schleuserkriminalität Tür und Tor geöffnet. Dies ist nicht der Fall. Zum
einen hat das Problem der Reiseschutzpässe und das Problem der Finanzierbarkeit mit dem Volmer-Erlass, in
dem es vor allen Dingen um das Kriterium der Rückkehrbereitschaft ging, nichts zu tun. Das sind zwei verschiedene Dinge, die man trennen muss. Zum anderen
möchte ich noch einmal erwähnen - ich habe es eben
schon einmal gesagt -: Auf Initiative von Bundesminister Kinkel und des damaligen Innenministeriums wurde
im August 1995 ein Erlass an die Vertretungen in Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland und Litauen zur Einführung des so genannten Carnet de Touriste des ADAC
herausgegeben. Dem vorausgegangen waren Verhandlungen der damaligen Regierung mit dem ADAC. Ein
solches Carnet de Touriste wurde also als Erstes eingeführt.
Ich frage Sie, ob Sie im Hinblick auf das damalige
Vorgehen den gleichen Vorwurf erheben. Man steht eben
bei der Visaerteilung und in der Visapraxis genau in dem
von mir schon beschriebenen Spannungsverhältnis.
Dies hat die jetzige Bundesregierung im Oktober
1999 durch einen entsprechenden Erlass fortgeführt und
auf alle GUS-Staaten ausgeweitet. Unmittelbar nachdem
wir gemerkt haben, dass es an bestimmten Stellen Probleme gegeben hat, haben wir entsprechend gehandelt
und die Praxis ausgesetzt bzw. beendet.
Weitere Frage des Kollegen Dr. Ludger Volmer.
Frau Staatsministerin, würden Sie mir bestätigen, dass
einer der Einleitungssätze in dem nach mir benannten
Erlass ganz ausdrücklich den gesetzlichen Rahmen festlegt, in dem sich zukünftige Ermessensentscheidungen
zu bewegen haben? Ich möchte diesen kurz zitieren:
Das deutsche Ausländerrecht, das Schengener
Durchführungsübereinkommen und die Gemeinsame Konsularische Instruktion der an den Schengen-Acquis gebundenen EU-Partner sind der rechtliche Rahmen für die Erteilung von Visa, an den
sich die Auslandsvertretungen zu halten haben.
Ja, dies kann ich bestätigen. Das ist ein Zitat aus der
Einleitung des Erlasses vom 3. März 2000.
Wir kommen dann zur Frage 37 des Kollegen
Dr. Klaus Rose:
Trifft der Inhalt des „Stern“-Artikels vom 29. Januar 2004
zu, dass das AA ohne weitere Nachprüfung den Aussagen eines Beamten des BMI zur Erstellung eines privaten Reiseschutzpasses gefolgt ist und dass es über das entscheidende
Gespräch kein Protokoll gibt?
Beim so genannten Reiseschutzpass handelt es sich
um eine Reiseschutzversicherung. Diese wurde zunächst
vom ADAC unter dem Namen „Carnet de Touriste“ angeboten und garantierte, vereinfachend gesagt, dass die
Versicherung, wenn ein Ausländer die von ihm in
Deutschland verursachten Kosten nicht begleichen
konnte, für diese Kosten aufkommen würde.
Mit diesem Versicherungsprodukt sollte das Visumverfahren für die deutschen Behörden sicherer und für
den Antragsteller einfacher gemacht werden. Sicherer
für die deutschen Behörden wie zum Beispiel die Sozialhilfeträger, weil sie sich bei von einem Ausländer verursachten und nicht beglichenen Kosten unmittelbar mit
einer Versicherung in Verbindung setzen konnten - dies
lag insofern im Interesse der öffentlichen Hand -, und
einfacher für den Antragsteller, weil er sich nicht um die
individuelle Verpflichtungserklärung einer in Deutschland lebenden Gewährsperson bemühen musste.
Nachdem die Bundesregierung entschieden hatte, das
entsprechende Angebot des ADAC zu akzeptieren, war
klar, dass auch vergleichbare Konkurrenzprodukte für
eine Anerkennung infrage kamen. Zu diesem Thema haben laufend Gespräche zwischen dem BMI und dem AA
stattgefunden. Zum fraglichen Zeitpunkt gab es keine
Hinweise auf Zweifel an der Seriösität des Anbieters der
Versicherung mit dem Namen „Reiseschutzpass“.
Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatsministerin, nachdem Sie jetzt nicht die
Frage 37, sondern die Frage 38 beantwortet haben, frage
ich zunächst einmal zu letzterer nach: Ist aufgrund der
Praxis, die speziell im Hinblick auf solche Reisesschutzpässe entstanden ist, irgendeine Konsequenz in Bezug
auf Terroristen, die auch in Moskau tätig geworden sind,
zu sehen? Sie wissen, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, dass im Rahmen dieser Schleuserkriminalität auch Terroristen eingeschleust wurden, die
sogar in Moskau tätig geworden sind. Es wäre natürlich
sehr dramatisch, wenn das aufgrund dieser Praxis mit ermöglicht wurde.
({0})
- Sie hat leider nicht die erste Frage beantwortet. Jetzt
muss sie zunächst die zweite Frage beantworten. Hätte
sie die Frage 37 beantwortet - Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Ich habe die Antwort auf die Frage 37 gegeben.
({1})
Wie wäre es, wenn Sie gleich beide Fragen beantworten würden, Frau Staatsministerin?
Beantworten Sie bitte meine erste Frage.
Das habe ich bereits getan. Sie müssten Ihre Nachfrage präzisieren. Die Frage 38 beginnt mit: „Wann hat
das AA …?“
Nein. Meine erste Frage beginnt mit: „Trifft der Inhalt
des ‚Stern‘-Artikels …?“ Wenn Sie jetzt sagen, dass dieser Artikel nicht zutrifft, sieht die Sache anders aus.
Das verstehe ich nicht. Wir sind jetzt bei der Frage 37.
Und ich habe Ihnen meine Antwort darauf vorgetragen.
Ja.
Die habe ich beantwortet.
Nein, Sie haben die Frage 38 beantwortet.
Nein, das war meine Antwort auf die Frage 37.
({0})
Ich habe Sie gefragt, ob der Inhalt des „Stern“-Artikels vom 29. Januar 2004 zutrifft.
In Bezug auf was? Der Inhalt des „Stern“-Artikels betrifft sozusagen viele Aussagen. Das müssen Sie schon
genauer fragen.
Herr Präsident! Die Frage ist ganz konkret. Ich habe
nur einen Satz aus dem „Stern“-Artikel zitiert. Mehr
nicht. Ich kann aber gern den ganzen „Stern“-Artikel
vortragen.
Wenn die Frage jetzt nicht abschließend beantwortet
werden kann, würde ich um eine schriftliche Beantwortung bitten. Wir wollen uns damit nicht weiter aufhalten.
Wir reden wohl aneinander vorbei.
Nein. - Ich habe eine zweite Zusatzfrage, also frage
ich das noch einmal.
Gern. Aber was nutzt die Zusatzfrage, wenn die eigentliche Frage nicht beantwortet worden ist? Die eigentliche Frage kann im Moment wohl nicht beantwortet
werden.
Meine zweite Zusatzfrage lautet: Gehe ich recht in
der Annahme, dass das Auswärtige Amt deshalb meine
Frage nicht beantworten kann, weil es ablehnt, dass der
Inhalt des „Stern“-Artikels stimmt?
Nein, natürlich nicht. Ich bitte Sie.
Den Krieg mit dem „Stern“ wollen Sie also nicht?
Wir haben gerade festgestellt, dass wir von zwei verschiedenen Fragen sprechen. Ich bitte Sie daher, Ihre
Frage zu konkretisieren. Dann kann ich sie auch beantworten. Im „Stern“-Artikel sind viele Dinge erwähnt.
Wenn Sie mir konkret sagen, was Sie meinen, kann ich
Ihnen darauf antworten.
({0})
Ich habe eine vierte Zusatzfrage. Mir ist egal, in welcher Reihenfolge sie beantwortet werden.
Wiederholen Sie die Frage.
Frau Staatsministerin, ich habe gefragt: Trifft der Inhalt des „Stern“-Artikels vom 29. Januar 2004 zu, dass
das AA ohne weitere Nachprüfung den Aussagen eines
Beamten des BMI zur Erstellung eines privaten Reiseschutzpasses gefolgt ist und dass es über das entscheidende Gespräch kein Protokoll gibt?
Dazu möchte ich einen ganz klaren kurzen Satz hören.
Genau diese Frage habe ich beantwortet.
Haben Sie irgendetwas vom Protokoll gesagt?
Wenn Sie diese Frage wiederholen, dann verweise ich
auf meine Antwort, die ich Ihnen soeben gegeben habe.
({0})
- Nein, es gibt kein Protokoll. Wenn das das Problem ist
und sich die Nachfrage darauf bezog, kann ich die Frage
beantworten. Es gibt darüber kein Protokoll. Es muss
aber auch nicht über jedes Gespräch, das wir im Rahmen
der Ressortabstimmung oder über andere Fragen mit anderen Ressorts führen, ein Protokoll geben.
Es gibt jetzt noch eine Zusatzfrage des Kollegen
Hartmut Koschyk.
Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Weitere
Zusatzfragen kann ich jetzt nicht mehr aufnehmen.
Frau Staatsministerin, es hat doch wohl eine Fortentwicklung des Carnet-de-Touriste-Verfahrens des ADAC
dahin gehend gegeben, dass ein Unternehmer, ein gewisser Herr Kübler, mit dem BMI ein Reiseschutzpassverfahren entwickelt und dieses dem Auswärtigen Amt vorgetragen hat. Das Auswärtige Amt hat daraufhin dieses
neue Reiseschutzpassverfahren, das nichts mit dem ursprünglichen Carnet-de-Touriste-Verfahren des ADAC
zu tun hat, angewandt. Warum, aufgrund welcher Tatsache hat man einem privaten Unternehmer, der ein solches Verfahren entwickelt hat, vonseiten der Bundesregierung, des Auswärtigen Amtes und des BMI, vertraut?
Erstens ist die Aussage nicht richtig, dass das mit dem
so genannten Carnet de Touriste nichts zu tun hat. Es
geht nämlich exakt darum, die Finanzierung nachzuweisen. Das Carnet de Touriste ist ausgeweitet worden, indem auch vergleichbare Konkurrenzprodukte anerkannt
wurden. Dabei geht es unter anderem um eine Vereinfachung. Es gab viele Briefe aus allen Fraktionen, die darum gebeten haben, zu Vereinfachungen zu kommen.
Ich habe es gerade schon einmal ausgeführt. Es lagen
zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Hinweise vor, dass
diese Person das vereinfachte Verfahren missbrauchen
würde. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass wir, nachdem
wir Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren gegen
Herrn Kübler, dem Inhaber der Reise-Schutz AG,
erhielten - das war am 27. Juni 2002 -, sofort am nächsten Tag per Erlass an Kiew die Anerkennung des Reiseschutzpasses aufgrund des Ermittlungsverfahrens ausgesetzt haben.
Am 28. März 2003 kam es durch einen weiteren Erlass an alle Vertretungen zur generellen Einstellung des
Verfahrens, die Vorlage einer so genannten Reiseschutzversicherung als Surrogat für die sonst üblichen Verpflichtungserklärungen bezüglich der Finanzierungen
anzuerkennen. Wir haben sofort gehandelt, sobald wir
davon erfahren haben.
({0})
Die Zeit für die Fragestunde ist schon um einige Minuten überschritten. Die offen bleibenden Fragen werden
wie immer schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde und am
Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. Februar 2004,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.