Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Das Bundeskabinett hat heute einem von mir vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform des
Sanktionenrechts zugestimmt. Unser Ziel ist es, die
Sanktionen, die in Deutschland verhängt werden können, zu erweitern. Das Sanktionensystem, das im Moment Geld- und Freiheitsstrafen als Hauptstrafen vorsieht, gibt den Gerichten unserer Ansicht nach zu wenig
Spielraum, um im Bereich kleiner und mittlerer Kriminalität auch anders auf Straftäter einwirken zu können.
Wir wollen diese Möglichkeiten verbessern. Unser Ziel
ist es, die Vollstreckung von kurzen Freiheitsstrafen und
von Ersatzfreiheitsstrafen soweit wie möglich zu vermeiden. Unerwünschte Nebenwirkungen von Freiheitsstrafen, insbesondere der Verlust des Arbeitsplatzes, sollen so
verhindert werden. Wir wollen die knappen Kapazitäten
des Strafvollzuges - Sie alle wissen, dass all unsere Haftanstalten überbelegt sind - im Hinblick auf den Schutz der
Gemeinschaft den Fällen schwerer und schwerster Kriminalität vorbehalten. Darüber hinaus werden wir auch noch
einige Elemente zum Opferschutz einführen.
Was haben wir nun vorgelegt? Das strafrechtliche
Sanktionensystem wird in folgenden Punkten flexibilisiert: Zum einen wollen wir vermeiden, dass Menschen,
die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber
nicht bezahlen können, für kurze Zeit ins Gefängnis
müssen. Stattdessen sollen sie gemeinnützige Arbeit
leisten. Zum anderen soll es bei Ersttätern, die zu Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten verurteilt worden
sind, ebenfalls möglich sein, gemeinnützige Arbeit vorzusehen. Ein weiterer Punkt ist die Erweiterung des verkehrsstrafrechtlich ausgerichteten Fahrverbots, das bis
jetzt für bis zu drei Monaten verhängt werden kann. Wir
wollen es auf bis zu sechs Monaten erhöhen und zu einer
Hauptstrafe aufwerten. Zudem wird die Verwarnung mit
Strafvorbehalt gelockert, damit der praktische Anwendungsbereich, der heute relativ gering ist, erweitert werden kann.
Im Hinblick auf die Interessen der Opfer wollen wir
dem Gedanken der Wiedergutmachung der Schäden der
Opfer besser Rechnung tragen. Künftig soll das Gericht
die Abwendung der Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit dann gestatten,
wenn bei der Vollstreckung der Freiheitsstrafe die erhebliche Gefahr besteht, dass der Verurteilte den durch die
Straftat verursachten Schaden nicht wieder gutmachen
kann. Bei der Vollstreckung der Geldstrafen wird dem
Wiedergutmachungsanspruch des Opfers der Vorrang
eingeräumt. Das heißt, dass das Opfer, soweit ein Anspruch besteht, zunächst zu bezahlen ist und die Geldstrafe erst dann vollstreckt werden kann.
Ein weiterer, wichtiger Punkt ist für uns, dass wir in
diesem Gesetzentwurf vorsehen, dass künftig 5 Prozent
der eingehenden Geldbußen und Geldstrafen den Opferhilfevereinen zur Verfügung gestellt werden, also denjenigen Vereinen, die sich auf freiwilliger Basis darum
kümmern, dass Opfer eine zusätzliche Entschädigung
bekommen, und die Opfer psychisch und sozial betreuen. Diese Opferverbände leiden immer unter Geldnot. Unser Vorschlag, der einen Anteil von 5 Prozent
vorsieht - ursprünglich war ein größerer Anteil angedacht; das ist aber auf den erbitterten Widerstand der
Länder gestoßen -, geht in die richtige Richtung. Hiermit wurde wenigstens ein Anfang gemacht. Ich hoffe
sehr, dass wir auch dafür eine Mehrheit bekommen.
Ich bitte Sie, zunächst Fragen zu dem Themenbereich
zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Herr Kollege Röttgen, bitte.
Redetext
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin!
Meine erste Frage: War aus den Landesjustizverwaltungen, die Sie befragt haben, zu hören, dass es hinsichtlich
der gegenwärtigen Praxis Probleme gibt? Gab es aus den
Landesjustizverwaltungen, also aus der Praxis, Beschwerden über das jetzige Verfahren, die Sie dazu veranlasst haben, Veränderungen vorzunehmen? Schon
heute gibt es in Deutschland die Möglichkeit - das ist
gängige Praxis -, die Verhängung einer Freiheitsstrafe
durch die Verrichtung gemeinnütziger Arbeit abzuwenden. Das, was Sie vorschlagen, ist insofern also nicht
neu. Sie wollen die bestehende Praxis nun verändern,
und zwar zum Nachteil, wie wir meinen.
Ich möchte Sie zweitens nach der Wirkung der von
Ihnen vorgeschlagenen Regelung fragen. Wir sind der
Auffassung, dass die vorgesehene Änderung zum einen
einen Schritt zu einem täterfreundlichen Strafrecht darstellt, also sozusagen entkriminalisierende Wirkung hat,
und zum anderen die Bundesländer, so wie sie selber sagen, finanziell belastet. Darum ist sie abzulehnen.
Hinsichtlich der entkriminalisierenden Wirkung
möchte ich auf den Bereich der kurzen Freiheitsstrafen
eingehen. Ihr Vorschlag sieht vor, dass die Gerichte
durch eine Sollregelung verpflichtet werden, im Regelfall keine kurze Freiheitsstrafe zu verhängen, sondern
die Verrichtung gemeinnütziger Arbeit anzuordnen. Wie
ist dieser Vorschlag mit der gegenwärtigen Rechtslage in
Übereinstimmung zu bringen, dass eine kurze Freiheitsstrafe, also eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs
Monaten, nur als Ultima Ratio verhängt werden darf?
§ 47 Abs. 1 StGB sieht vor, dass nur unter besonderen
Umständen, die in der Tat oder in der Persönlichkeit des
Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur
Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der
Rechtsordnung unerlässlich ist. Nur dann, wenn es unerlässlich ist, eine kurze Freiheitsstrafe zu verhängen, darf
sie verhängt werden. Welchen Sinn macht also Ihr Vorschlag, die Gerichte durch eine Sollregelung für den
Regelfall zu verpflichten? Nach dem, was das Gesetz
vorschreibt, dürfen Freiheitsstrafen nur dann verhängt
werden, wenn es unerlässlich ist.
Herr Röttgen, ich will Ihre Fragen gerne beantworten.
Zu Ihrer ersten Frage. Der Gesetzgeber wird nicht nur
dann tätig, wenn es heftige Klagen aus der Praxis gibt,
sondern auch dann, wenn er die Erkenntnis hat, dass es
sinnvoll ist, bestimmte Regularien zu ändern. Es ist unsere Erkenntnis - das habe ich eingangs schon gesagt -,
dass die Möglichkeiten, wie man strafen kann, in
Deutschland relativ eingeschränkt sind. Ungefähr
80 Prozent aller Strafen sind Geldstrafen, der Rest sind
Freiheitsstrafen. Möglichkeiten, die darüber hinausgehen, gibt es in Deutschland so gut wie gar nicht. Das hat
dazu geführt, dass uns im europäischen Ausland vor allem das Stichwort Sanktionenarmut entgegengehalten
wird. Sie wissen, dass auch die Bundesländer verschiedene Versuche gemacht haben - Hessen zum Beispiel
mit der elektronischen Fußfessel -, um andere Sanktionsmöglichkeiten zu nutzen.
Ich bin der Überzeugung, dass gerade die Verrichtung
gemeinnütziger Arbeit eine sehr gute andere Sanktionsform ist. Denn die Verrichtung gemeinnütziger Arbeit
ermöglicht es, dass Menschen, die oft am Rande der Gesellschaft stehen und nicht gut integriert sind, weil sie
mehrfach straffällig geworden sind, wieder in einen normalen Rhythmus eingegliedert werden. In einem von
Sozialarbeitern betreuten Verfahren treffen sich diese
Menschen regelmäßig morgens zu einer bestimmten Zeit
und erfahren, wo bestimmte Arbeiten erledigt werden. In
Berlin beispielsweise müssen diese Menschen Sozialwohnungen entrümpeln, damit die Sozialwohnungen
wieder anderen zur Verfügung gestellt werden können,
oder leisten Pflegearbeiten in Grünanlagen und Ähnliches. Sie verrichten also Aufgaben, für die der Staat zuständig ist. Es findet eine Betreuung, eine Begleitung mit
einer geregelten Zeit statt. Von daher glaube ich, dass
diese Bereitstellung von zusätzlichen Sanktionen richtig
und gut ist.
({0})
Die Länder wollen diese Regelung nicht, weil sie sie
nicht für richtig halten. Sie sagen vielmehr, dass sie das
selber machen und selber entscheiden wollen. Manche
Länder aber wollen sich bei der Bereitstellung von gemeinnütziger Arbeit auf kommunaler Ebene momentan
leider nicht engagieren. Wir hoffen, dass wir hier im
Rahmen dieser für gut erkannten Sanktion einen gewissen wohltuenden Zwang ausüben können.
Zweiter Punkt.
({1})
Diese Einschränkung ist nicht in der Schärfe zu sehen, wie Sie es gerade vorgetragen haben; denn Sie wissen, dass es hier ein gestuftes Verfahren gibt, innerhalb
dessen entschieden wird, wann Freiheitsstrafen verhängt
werden müssen.
({2})
Dieser Gesetzestext entspricht dem des § 55 a unseres
jetzigen Gesetzentwurfs. Wir sagen, dass das Gericht
dem Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung einer
Freiheitsstrafe unter sechs Monaten durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden. Wir sagen auch, unter welchen
Voraussetzungen das möglich ist. Dem Verurteilten soll
das nämlich nur dann gestattet werden, wenn er erstmals
zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, oder wenn
die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens
durch den Verurteilten erheblich gefährden würde. Dabei
kann dem Verurteilten die Pflicht zum Nachweis der
Wiedergutmachung auferlegt werden. Die Gestattung
muss aber unterbleiben, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung unter Berücksichtigung ihres Umfangs soBundesministerin Brigitte Zypries
wie der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Verurteilten nicht zu erwarten ist.
({3})
Das heißt, es bleibt dabei: Das erkennende Gericht muss
jeweils unter Würdigung der Persönlichkeit der Täterin
oder des Täters beurteilen, ob sich die gemeinnützige
Arbeit, deren Vorteile ich eben geschildert habe, positiv
auf den Verurteilten auswirken kann.
Es stellt sich ja auch die Frage, um welche Delikte es
geht. Man wird das sicherlich nicht über einen Kamm
scheren können. Im letzten Jahr gab es beispielsweise
144 Fälle, in denen die Bestraften wegen Beleidigung zu
einer Freiheitsstrafe von knapp sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden sind. Man muss sich fragen,
ob es in diesen Fällen eine vernünftige Maßnahme sein
könnte, jemanden zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, anstatt ihn ins Gefängnis zu stecken.
Die nächste Frage kommt von Herrn Kollegen
Stünker.
Frau Ministerin, schönen Dank, dass Sie dem Kollegen Röttgen die Vorschrift gerade noch einmal erläutert
haben.
Herr Kollege Röttgen hat seine Frage vorhin ja recht
moderat gestellt. Mir liegt eine Pressemitteilung des
Kollegen Röttgen vor, die im Vorgriff auf den heutigen
Tage erstellt wurde. Darin steht:
Inhalt dieses Gesetzentwurfes ist eine Verharmlosung und Aufweichung staatlicher Sanktionierung
kriminellen Verhaltens.
({0})
Er schließt mit:
Diese Politik der Verharmlosung und Aufweichung
staatlicher Sanktionierung kriminellen Verhaltens
beschädigt den Rechtsstaat.
({1})
Ich frage Sie, ob in Ihrem Hause, in der Verfassungsabteilung der Bundesregierung, verfassungsrechtliche
Zweifel an dem Entwurf, den die Bundesregierung beschlossen hat, erörtert worden sind und, wenn ja, zu welchem Ergebnis Sie gekommen sind; denn der Kollege
Röttgen impliziert mit seiner Frage ja die Verfassungswidrigkeit.
({2})
- Ja, so kann man es etwas moderater sagen. Sie haben
es aber so, wie ich es vorgelesen habe, zu Papier gebracht.
Zweite Frage. Ich habe die Justizministerkonferenz
von Anfang November dieses Jahres, in der man sich zu
diesem Themenbereich geäußert hat, sehr aufmerksam
verfolgt.
({3})
- Ja, teilweise ablehnend. - Ich frage Sie: Welche rechtstatsächlichen Erfahrungen sind mit dem Prinzip
„Schwitzen statt Sitzen“ in den zurückliegenden Jahren
in den Bundesländern schon gemacht worden?
Herr Abgeordneter, selbstverständlich war die Verfassungsabteilung des Hauses an der Erstellung des Gesetzentwurfs beteiligt; das ist die Regel.
({0})
Wie es nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung
üblich ist, war nicht nur die Verfassungsabteilung, sondern waren auch andere Ressorts beteiligt. Auch von
dem anderen Verfassungsressort gab es in verfassungsrechtlicher Hinsicht hierzu keine Einwände. Ich gehe
also davon aus, dass Herrn Röttgens Einwand nicht verfassungsrechtlich, sondern eher rechtspolitisch gemeint
war.
({1})
Rechtspolitisch kann man hier unterschiedlicher Auffassung sein. Die Worte, die Sie gewählt haben, finde ich
ein bisschen harsch, abgesehen davon, dass ich sie teilweise nicht ganz verstanden habe. Das mag aber mein
Problem sein.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das wird Ihnen der
Kollege Röttgen gern noch einmal erklären!
- Ich denke auch, dass wir dies noch gemeinsam erörtern
werden.
Ich halte diese Regelung nicht für rechtspolitisch verfehlt; das habe ich eben schon gesagt. Ich sehe einen erheblichen Resozialisierungsfortschritt in gemeinnütziger
Arbeit und der damit verbundenen Eingliederung. Dies
wird durch Erkenntnisse aufgrund der durchgeführten
Verfahren in den Bundesländern bestätigt.
Das leitet zu Ihrer zweiten Frage über, Herr Abgeordneter - auch Herr Röttgen hat es schon angesprochen -:
Es ist nicht so, dass es in den einzelnen Bundesländern
noch keine Projekte zur Durchsetzung gemeinnütziger
Arbeit gibt. Im Gegenteil: Sie werden von den Bundesländern befürwortet. Als ein Beispiel nenne ich das Land
Bayern, das über gemeinnützige Arbeit bei der Resozialisierung positiv berichtet. Diese Berichte stammen allerdings noch von dem früheren Justizminister. Von seiner Nachfolgerin habe ich in dieser Sache noch nichts
gehört. Auf der anderen Seite wird dieser Gesetzentwurf
von einigen Ländern aber auch harsch kritisiert.
Ich glaube, dass die Einwände der Länder vor allen
Dingen auf die Sorge zurückzuführen sind, ihnen könnten Geldbußen entgehen, weil sich viele Verurteilte für
die gemeinnützige Arbeit statt der Geldbuße entscheiden
werden. Damit entgehen den Ländern Einnahmen. Dieses Argument - das muss ich ganz ehrlich sagen - halte
ich rechtspolitisch für nicht erlaubt. Rechtspolitisch
muss es uns darum gehen, Straftäter so gut wie möglich
zu resozialisieren und wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Ihnen muss die Chance gegeben werden, sich
künftig straffrei verhalten zu können. Das ist unser Ziel.
({2})
Es kann daher nicht sein, dass sich die Länder gegen
dieses Gesetz stellen mit der Begründung, dass ihnen dadurch Einnahmen für den allgemeinen Haushalt entgehen. Dasselbe Argument gilt übrigens hinsichtlich der
Abführung der Strafgelder an die Opferverbände. Es
geht nicht darum, den Opferverbänden keine Mittel zukommen zu lassen. Vielmehr ist die Frage: Woher soll
das Geld für die Opferverbände kommen? Nach Auffassung der Länder sollen diese Mittel nicht aus den Geldstrafen bzw. Geldbußen stammen, die ihnen jetzt für den
allgemeinen Haushalt zur Verfügung stehen. Diese Mittel sollen auf andere Weise aufgebracht werden. Insofern
halte ich diese Argumente - so Leid es mir tut - für nicht
sehr sachgerecht.
Die Kritik, die in der Justizministerkonferenz geäußert wurde, kann ich mir im Grunde nur so erklären;
denn eine inhaltliche Divergenz kann es nicht geben,
auch angesichts dessen, dasss zwar nicht alle, aber sehr
viele Länder solche Projekte bereits durchführen. Mecklenburg-Vorpommern hat als einziges Bundesland eine
gut evaluierte Studie durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bereitstellung von gemeinnütziger Arbeit - ich sprach schon davon, dass dafür Sozialarbeiter und Bewährungshelfer eingestellt werden müssen,
die das organisieren und betreuen - deutlich günstiger ist
als die Bereitstellung von Haftplätzen. Haftplätze sind
nämlich sehr viel teurer als die Personalkosten, die durch
die Bereitstellung der gemeinnützigen Arbeit entstehen.
Aus diesem Grunde kann ich mir die Kritik wirklich nur
so erklären, dass die Länder Einnahmeausfälle beim
Haushalt befürchten.
({3})
Die nächste Frage hat der Kollege Kauder.
Frau Justizministerin, „Schwitzen statt Sitzen“ hört
sich vordergründig gut an. Mir ist nur ein staatlicher
Strafanspruch bekannt. Mit „Schwitzen“ nehmen Sie gemeinnützige Vereine für staatliche Aufgaben in Anspruch. Es ist Ihnen sicherlich bekannt - ich möchte Sie
bitten, das zu erläutern -, dass wir schon heute Probleme
haben, Straftäter, die schwitzen statt sitzen, bei gemeinnützigen Institutionen unterzubringen.
Sind wir uns darüber einig, dass diese gemeinnützige
Arbeit Kosten verursacht, für deren Begleichung die
Vereine kein Geld haben? Ist daran gedacht, die gemeinnützigen Institutionen, die Straftäter aufnehmen und sie
schwitzen lassen, dafür angemessen zu vergüten? Das ist
die erste Frage.
Zweite Frage.
Herr Kollege Kauder, es ist vielleicht besser, wenn
zunächst die erste Frage beantwortet wird und Sie hinterher die zweite stellen. Das ist einfacher für die Ministerin.
Wie Sie wünschen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Mir ist bekannt, dass das Geld kostet. Ich habe gerade
anhand des Beispiels von Mecklenburg-Vorpommern
ausgeführt, wie viel für die Organisation dieser gemeinnützigen Arbeit aufzuwenden ist. Nicht richtig ist, was
Sie unterstellen, nämlich dass es immer bestehende gemeinnützige Vereine sein müssen, die mit diesen Aufgaben betraut sind. Jedes Land kann selbst entscheiden, ob
dafür eigene Vereine gegründet werden, ob es solch eine
Tätigkeit organisiert oder wie es insgesamt mit dem
Vollzug umgeht. Das ist Sache der Länder und fällt in
ihre Verwaltungskompetenz.
Es gibt unterschiedliche Modelle. Hier in Berlin gibt
es beispielsweise einen freien Träger, der seinerzeit von
der Stadt ins Leben gerufen wurde und von der Stadt finanziert wird. Dieser freie Träger organisiert das für
Berlin. Ich habe mich davon überzeugt, dass das sehr gut
funktioniert.
Ihre zweite Frage.
Frau Ministerin, es ist bekannt, dass die Regierungskoalition beabsichtigt, die Stelle des Protokollführers
beim Strafrichter zu streichen. Der Strafrichter soll selbst
Protokoll führen. Das bedeutet einen Mehraufwand für
den Richter.
Nun haben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf vor, dass der
erkennende Richter abweichend vom bisherigen Recht
sofort über Zahlungserleichterungen entscheiden soll.
Können Sie uns sagen, wie in einem Prozess über ein
Beleidigungsdelikt, den Sie eben erwähnt haben, der
Richter im Vollbeweis die finanzielle Situation des
Straftäters beurteilen soll? War nicht die Lösung des
§ 459 a StPO die geschicktere, wonach die Vollstreckungsbehörde im Nachhinein gegen Nachweis des Verurteilten zu ergründen versucht, wie dessen wirtschaftliche Verhältnisse sind?
Herr Abgeordneter, wir gehen nicht davon aus, dass
der Protokollführer generell abgeschafft wird. Unser
Vorschlag sieht vielmehr vor, dass der Richter selber
darüber entscheidet, ob er mit oder ohne Protokollführer
verhandelt.
({0})
- Das vermag ich jetzt nicht zu sagen. Ich war noch nicht
in dieser Situation.
Wenn Richterinnen und Richter meinen, dass sie einen Protokollführer brauchen, dann können sie ihn nutzen. Wenn sie in solchen Prozessen meinen, dass sie
mehr Hilfe brauchen, um sich zu erinnern, was über die
Vermögensverhältnisse des Angeklagten gesagt wurde,
dann können sie das tun. Ich glaube aber schon, dass
Richterinnen und Richter in der Lage sind, bei in der Regel relativ überschaubaren Vermögensverhältnissen der
Angeklagten eine Entscheidung zu treffen. Wenn ich es
richtig im Kopf habe, dann liegen 80 Prozent der Tagessätze bei 25 Euro. Das heißt, wir haben sehr überschaubare Vermögensverhältnisse der Angeklagten. Es sollte
also möglich sein, über solche Sachen gleich zu entscheiden.
Erlauben Sie eine Zusatzfrage?
Wenn Ihre Kollegen nichts dagegen haben. Es haben
sich weitere Kollegen gemeldet, Herr Kollege Kauder.
Es käme jetzt der Kollege Dr. Götzer dran.
({0})
Bitte schön, Herr Kollege Kauder.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass Strafrichter
die wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit nicht im strengen Beweis klären, sondern sich schlicht und ergreifend
nach einer Plausibilitätsprüfung darauf verlassen, was
der Angeklagte zu seinen Einkommensverhältnissen
sagt? Das heißt also, eine Plausibilitätsprüfung könnte
dazu führen, dass einem Straftäter zu Unrecht eine Ratenzahlung bewilligt wird.
({0})
Es wäre schlecht, wenn ihm das zu Unrecht bewilligt
würde. Ich gehe aber davon aus, dass das jetzige Verfahren völlig ausreichend ist.
({0})
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Götzer.
Frau Ministerin, Ihnen ist ja bekannt, dass der Vorsitzende Richter Breidling vom OLG Düsseldorf im Vorwort zum Urteil im Prozess gegen ein Mitglied der terroristisch-islamistischen Gruppe al-Tawhid eindringlich
die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung gefordert hat, die von den Koalitionsparteien in der vergangenen Legislaturperiode gegen unseren erbitterten Widerstand abgeschafft worden ist.
({0})
- Sie ist nicht verlängert worden. - Inzwischen hat sich
auch der BKA-Chef diese Forderung zu Eigen gemacht.
Das BKA untersteht dem Bundesinnenministerium.
Meine Frage ist: Warum sieht Ihr Gesetzentwurf
keine entsprechende Regelung vor? Können wir noch
damit rechnen oder wird eine Kronzeugenregelung weiterhin verhindert?
Herr Abgeordneter, der von uns vorgelegte Gesetzentwurf enthält deshalb keine entsprechende Regelung,
weil das eine nichts mit dem anderen zu tun hat.
({0})
In dem Gesetzentwurf geht es um das Sanktionenrecht.
Das hindert die Bundesregierung aber nicht daran, zu
prüfen, ob und in welcher Weise gegebenenfalls eine
Kronzeugenregelung wieder eingeführt werden sollte.
Sie haben eine Zusatzfrage. - Bitte.
Frau Ministerin, können Sie uns Ihre persönliche
Meinung zu diesem Thema sagen? Sind Sie für eine
Kronzeugenregelung?
Das ist leider nicht pauschal mit Ja oder Nein zu beantworten, Herr Abgeordneter; denn die Kronzeugenregelung birgt eine Vielzahl von Problemen.
({0})
Die Kronzeugenregelung bezieht sich in der Regel auf
Täter. Pauschale Forderungen nach rechtlichen Regelungen, die Täter straffrei stellen, wenn sie andere anschwärzen - wobei der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen nicht immer sofort zu überprüfen ist -, werfen ein
rechtsstaatliches Problem auf.
({1})
Deswegen ist die Frage, wie eine solche Regelung abzufassen ist, außerordentlich schwierig zu beantworten.
Nicht zuletzt deshalb wird seit langer Zeit beraten, wie
eine solche Regelung sinnvoll gestaltet werden kann.
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Gehb.
Frau Ministerin, bei allem Verständnis für Ihre Betonung des Resozialisierungsgedankens und auch des Täter-Opfer-Ausgleichs: Habe ich Sie eben richtig verstanden, dass sich jemand durch Zahlung von
möglicherweise zivilrechtlich ohnehin geschuldetem
Schadensersatz quasi von der Geldstrafe freikaufen
kann? Wenn das so ist, können Sie mir dann erklären,
welche kriminalpolitische Bedeutung die Strafe überhaupt hat?
Herr Abgeordneter, ich will mich gerne bemühen, die
Fragen zu beantworten. Das von Ihnen geschilderte Vorgehen entspricht dem geltendem Recht. Danach steht die
Verurteilung zu einer Geldstrafe unter dem Vorbehalt,
dass sich der Verurteilte straffrei verhält oder andere
Auflagen erfüllt. Unser Vorschlag sieht das ebenfalls
vor. Darüber hinaus sieht er aber als eine der künftig immer zu prüfenden Auflagen auch vor, dass die Opfer vordringlich befriedet werden. Insofern entspricht diese Regelung im Ergebnis dem geltenden Recht. Wir stellen
damit lediglich sicher, dass die Opfer tatsächlich zu ihrem Recht kommen.
Wenn das die Erklärung ist, dann habe ich sie gut verstanden
({0})
und möchte gleich eine andere Frage anknüpfen: Was
werden der normale Parksünder und derjenige, der nur
eine Ordnungswidrigkeit begeht, sagen, wenn sie Geldbußen zahlen müssen, während Täter, die Straftaten mittlerer Kriminalität begehen, im Endergebnis trotz einer
höheren kriminellen Energie in Zukunft den Gerichtssaal
ohne jede Strafe verlassen?
Das ist nicht der Fall. Ein Straftäter kann schließlich
nicht den Gerichtssaal ohne jede Strafe verlassen.
({0})
- Könnten Sie mir sagen, auf welche Norm Sie abzielen,
Herr Abgeordneter?
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn statt einer Geldstrafe eine Haftstrafe verhängt wird, die nicht angetreten
wird. Wenn der Täter dann „schwitzen statt sitzen“ soll,
aber keine entsprechenden Plätze zum Schwitzen vorhanden sind, dann bleibt er im Endergebnis völlig sanktionslos.
({0})
Nein. Wenn es keine Plätze zum Schwitzen gibt, wie
Sie sich auszudrücken pflegen, dann geht er ins Gefängnis. So sieht es das Gesetz vor.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Strässer.
Ich danke Ihnen erst einmal für Ihre sehr differenzierte Stellungnahme, soweit dies im Rahmen einer Befragung zum Thema Kronzeugenregelung möglich ist.
Ich glaube, das ist nicht der richtige Rahmen, um dieses
höchst komplizierte und umstrittene juristische Thema
zu diskutieren.
Ich möchte gerne auf den Aspekt des Opferschutzes
eingehen, den Sie dankenswerterweise angesprochen haben, und die Frage, die der Kollege Gehb angesprochen
hat, aus einem anderen Blickwinkel stellen. Sie haben
vorgesehen, dass im Falle bestehender Schadensersatzoder Schmerzensgeldansprüche die Opferbefriedigung
Vorrang gegenüber dem Verhängen von Sanktionen hat.
Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Wird durch dieses Konzept möglicherweise die Strafvollstreckung erheblich behindert?
Ich habe noch eine zweite Frage.
Wenn dem Täter bei der Wiedergutmachung der
Schäden des Opfers ein Aufschub eingeräumt wird, dann
wird das Vollstreckungsverfahren sicherlich etwas länger dauern. Aber ein solches Ergebnis ist in kriminalpolitischer Hinsicht von uns gewollt; denn unser Ziel ist,
insgesamt die Rechte der Opfer zu stärken. Das wollen
wir nicht nur mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, sondern auch mit anderen Gesetzentwürfen erreichen. Ich
erinnere Sie nur an den Entwurf eines Gesetzes zur Besserstellung der Opfer im Strafprozess, über den wir vor
wenigen Wochen diskutiert haben. Im Zweifelsfall muss
das Anliegen der Bundesländer, Einnahmen zu erzielen,
zurücktreten.
Sie haben noch eine zweite Frage, Herr Kollege
Strässer.
Meine zweite Frage geht in eine andere Richtung.
Wenn Sie andere Sanktionen als Alternative zur Vollstreckung von kurzen Freiheitsstrafen in den Strafrechtskatalog aufnehmen wollen, dann möchte ich die kritische
Nachfrage stellen - diese ist durchaus angebracht -, ob
bei der Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen besondere
Sozialprognosen vorliegen müssen, um die als Alternative vorgesehenen Sanktionen zu verhängen, und ob das
Ganze dadurch nicht ein klein wenig konterkariert wird.
Ich glaube, ich habe Ihre Frage nicht ganz verstanden.
Ich hatte ja bereits darauf hingewiesen, dass das erkennende Gericht nach dem von uns vorgeschlagenen § 55 a
prüfen muss, ob eine gemeinnützige Arbeit in Betracht
kommt oder ob eine solche Arbeit aus Gründen, die in
der Person des Täters liegen, keinen Sinn macht. Es ist
also in das Ermessen des Gerichts gestellt, dies zu entscheiden. Ich meine, dass das Gericht dadurch die Möglichkeit hat, die individuelle Täterpersönlichkeit und
auch das zugrunde liegende Delikt stärker zu würdigen
und eine möglichst sachgerechte Entscheidung in dem
Sinne zu treffen, dass im Rahmen des von uns vorgeschlagenen Katalogs die Sanktion gewählt werden kann,
die angemessen ist, um den Täter zu resozialisieren.
Dass der Resozialisierungseffekt der gemeinnützigen
Arbeit zumindest genauso groß ist wie der des Strafvollzugs, wissen wir aus verschiedenen Erkenntnissen, die
meinem Haus vorliegen.
Der Kollege Wanderwitz, bitte.
Frau Ministerin, ich möchte zur Aufwertung des
Fahrverbots zur Hauptstrafe gern zwei Fragen stellen.
Zum einen sind dagegen viele Widerstände aus der Praxis zu vernehmen, die vor allen Dingen dahin gehen,
dass die Vollstreckbarkeit und die Kontrolle ein recht
großes Problem darstellten. Insbesondere sei der Aufwand sehr groß, wenn solche Sanktionen in Zukunft
häufiger verhängt würden.
Zum anderen stellt sich dann, wenn das Fahrverbot
zur Hauptstrafe aufgewertet wird und eine gleichwertige
Alternative zur Geldstrafe ist, die Frage, inwieweit das
Fahrverbot eine fühlbare Strafe - gerade unter dem bereits genannten Gesichtspunkt der Kontrollierbarkeit darstellt.
Diejenigen, die sich in der kriminalpolitischen Diskussion zu Wort melden, haben eigentlich immer das
Gegenteil gefordert. Unter anderem ist in diesem Hause
die Forderung nach Ausweitung des Fahrverbots erhoben worden. Man müsse diese Strafe auch für solche
Delikte vorsehen, die überhaupt nichts mit dem Autofahren zu tun haben. Das haben wir in unserem Gesetzentwurf nicht aufgegriffen. Wir haben vorgeschlagen,
ein Fahrverbot nur dann zu verhängen, wenn die Tat
auch im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges steht. Sie sehen aber an der Forderung nach
Ausweitung des Fahrverbots, die Ihre Fraktion häufiger
erhoben hat, dass offenbar bei den Rechtspolitikern der
Eindruck vorherrscht, dass ein Fahrverbot erstens eine
richtige und zweitens eine fühlbare Strafe ist. Mit „fühlbar“ ist gemeint, dass sich Menschen, insbesondere
junge Leute, die gerne Auto fahren, von einem Fahrverbot eher beeinträchtigt fühlen als durch das Zahlen einer Geldbuße.
Ihre Frage nach der Fühlbarkeit kann ich also, ehrlich
gesagt, nicht ganz nachvollziehen. Ich bin hier eher gegenteiliger Auffassung. Gerade bei jungen Leuten ist die
„Fühlbarkeit“ des Fahrverbots sehr hoch anzusetzen.
Sie fragen zu Recht nach der Kontrolle; sie stellt nämlich ein Problem dar. Damit haben wir es aber jetzt auch
schon zu tun. Es ist nie ganz einfach, zu kontrollieren, ob
jemand fährt, obwohl er ein Fahrverbot hat. Auffällig ist
wiederum, wie oft es vorkommt, dass man Menschen
beim Fahren erwischt, obwohl sie keinen Führerschein
haben. Das spricht also dafür, dass die Kontrolle nicht
ganz so unwirksam ist.
Im Grundsatz stimmt das: Die Kontrolle ist nicht einfach.
Herr Kollege Röttgen, jetzt sind Sie an der Reihe.
Ich möchte gern Fragen zu zwei Themenbereichen
stellen.
Erstens: die Kronzeugenregelung. Sie haben eine Prüfung in Aussicht gestellt. Sie prüfen seit vier Jahren; vor
vier Jahren ist die alte Regelung nämlich ausgelaufen.
Beim Chef des Bundeskriminalamtes ist diese schwierige Prüfung schon abgeschlossen. Das heißt, im nachgeordneten Bereich ist diese Frage geklärt.
({0})
Wie beurteilen Sie das? Bei dieser Frage handelt es sich
um einen rechtsstaatlichen Kompromiss; es ist keine einfache Frage. Es handelt sich auch um nichts, wozu man
sagt: Hurra, das ist etwas. Ich wiederhole: Es ist ein
- wirklich schwer zu findender - Kompromiss. Aber
man muss eine Lösung finden.
Meine Frage betrifft die Willensbildung der Bundesregierung - Sie haben das BMI eben als „befreundetes
Haus“ bezeichnet -: Teilen Sie meine Einschätzung,
dass diese Prüfung im BMI schon abgeschlossen ist?
Sonst wäre es komisch, dass der Chef einer dem Bundesinnenministerium nachgeordneten Behörde diese Prüfung schon beendet hat. Wann können wir mit dem Abschluss Ihrer Prüfung rechnen?
Das ist nicht immer so ganz einfach.
({0})
Ich kenne den Chef des Bundeskriminalamtes aus meiner vorherigen Tätigkeit.
({1})
Daher weiß ich, dass sich der Chef des Bundeskriminalamtes eine Meinung manchmal schneller als die Bundesregierung bildet, vielleicht auch, weil er nicht so viele
Interessen wie die Bundesregierung zu berücksichtigen
hat. Wenn man hier, in diesem Hohen Hause, sitzt - das
ist immer wieder ein Problem; das kennen Sie ja -, dann
darf man eben nicht Partikularinteressen vertreten, sondern man muss versuchen, das Gesamtwohl zu betrachten.
Der Chef des Bundeskriminalamtes denkt kriminalistisch. Er fragt sich: Wie erreiche ich das am schnellsten,
was ich erreichen möchte?
({2})
- Das ist keine Kritik. So vorzugehen, das ist seine Aufgabe. Er muss sein Amt vertreten. Es ist sein Job, dafür
zu sorgen, dass seine Ermittlungsmethoden möglichst
umfassend sind. Wie wir wissen, kümmern sich diejenigen, die Kriminalistik betreiben und entsprechende Aufgaben haben, darum, wie sie ihre Interessen am besten
verfolgen können.
Der Präsident des Bundeskriminalamts hat eine Meinung geäußert. Inwieweit das Innenministerium diese
Meinungsäußerung teilt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Es ist Sache des Innenministeriums, mit seinen nachgeordneten Behörden umzugehen.
({3})
- Ja, wir unterhalten uns auch darüber.
({4})
({5})
Herr Röttgen, Sie können sich sicher sein, dass wir
die vielfältigen Probleme, die Sie eingangs angesprochen haben, schon öfter behandelt haben.
({6})
- Nein, das weiß Gott nicht. Ich behandele sie mit ihm in
dieser Funktion erst seit gut einem Jahr.
({7})
Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Beantwortung
der Fragen.
({0})
- Diesen Bereich rufe ich jetzt gleich auf.
({1})
- Die Zeit für diesen Themenbereich ist abgelaufen,
Herr Kollege Röttgen.
({2})
Ich wiederhole: Frau Ministerin, vielen Dank für die
Beantwortung der Fragen.
({3})
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall.
Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Herr Kollege Kauder, bitte.
Frau Justizministerin, wir haben uns im Petitionsausschuss heute wieder einmal mit einer Petition beschäftigt, die sich mit dem Strafvollzug befasst. Es war die
Petition eines Untersuchungsgefangenen, der arm ist
und der, weil er in der Untersuchungshaft nicht arbeiten
darf, kein Geld bekommt. Jugendliche Straftäter, die
keine Arbeit haben, bekommen ein Taschengeld. Dieser
Gefangene bekommt keines. Er wird auf die Sozialhilfe
verwiesen. Es braucht sehr viel Zeit, bis die Sozialhilfe
bewilligt wird. In dieser Zeit gerät er unter Druck, weil
er ja finanzielle Bedürfnisse hat, und das erfahren auch
andere Gefangene.
Ist daran gedacht, dieses Problem zu lösen? - Es ist
sicherlich nur im Zusammenhang mit einem Untersuchungshaftvollzugsgesetz - ein entsprechender Entwurf
müsste eingebracht werden - zu regeln.
({0})
Herr Abgeordneter, die Frage der Vorlage eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes stellt sich, glaube ich,
unabhängig von diesem konkreten Problem.
({0})
Wenn uns die Petition zur Berücksichtigung überwiesen
wird, werden wir gern prüfen, wie wir damit verfahren,
und werden insbesondere mit den Ländern darüber reden, wie damit zu verfahren ist. Sie wissen ja, dass der
Haftvollzug Landessache ist
({1})
und dass die Kosten, die damit verbunden sind, nicht unerheblich sind.
Vielen Dank. - Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 15/2140 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur
Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische
Staatssekretär, Herr Christoph Matschie, bereit.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Hans
Georg Faust auf:
Wie viele Vorhaben genießen seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF, oder eines von ihm
beauftragten Dritten im Zusammenhang mit Förderungsanträgen neben dem in der Antwort des Parlamentarischen
Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Christoph Matschie, vom 6. November 2003 auf meine
schriftliche Frage 64 auf Bundestagsdrucksache 15/2022 geVizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
nannten Projekt ebenso eine „Priorität“ bei der Zuweisung
von Fördermitteln und in welcher Höhe werden durch diese
„Prioritätszuweisungen“ Haushaltsmittel des BMBF gebunden?
Herr Kollege Faust, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Beim Raumfahrtmanagement des DLR sind im
Auftrag des BMBF im letzten Jahr rund 210 Vorhaben
mit der Bitte um Prüfung auf Fördermöglichkeiten bearbeitet worden. Davon sind circa 130 Vorhaben mit einer
Fördersumme von rund 105 Millionen Euro als grundsätzlich förderungswürdig bewertet worden. In Anbetracht der begrenzten Fördermittel wurden davon rund
100 Vorhaben mit einem Volumen von 23 Millionen
Euro in 2004 und 55 Millionen Euro in 2005 als prioritär
eingestuft. Damit sind alle Mittel des Nationalen Weltraumprogramms ausgeschöpft. Für einen kurzfristigen
Förderbeginn sind 25 Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 13 Millionen Euro vorgesehen.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Ich stelle folgende Nachfrage: Aufgrund welcher Vorgaben oder Kriterien erhalten Förderungsanträge durch
das Ministerium oder durch einen beauftragten Dritten
eine Priorität und durch wen sind solche Vorgaben oder
Kriterien zur Zuweisung einer Priorität erstellt worden?
Für die Prioritätensetzung wird einerseits natürlich
die wissenschaftliche Exzellenz des Vorhabens geprüft
und andererseits erfolgt eine Fokussierung auf Nutzen
und Bedarf. Es kommt hinzu: Bei gleicher Qualität werden vordringlich die Vorhaben auf aussichtsreichen Gebieten in die Förderung kommen, für die mit relativ geringen Bundesmitteln beträchtliche Mittel von Dritten
mobilisiert werden können.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage: Wann wurden die Vorgaben zur Prioritätenzuweisung, die Sie gerade genannt haben, veröffentlicht, sodass alle sie zur Kenntnis nehmen
konnten?
Den genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen jetzt aus dem
Kopf nicht sagen. Aber jedem, der Förderanträge stellt,
wird im Rahmen der Bearbeitung dieser Anträge deutlich gemacht, nach welchen Kriterien über die Anträge
entschieden wird.
Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen des Kollegen Klaus
Hofbauer - das sind die Fragen 2 und 3 - werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Frage 4 der Kollegin Hannelore Roedel wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst bereit.
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Jens Spahn auf:
Aus welchem Grund hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die möglichen Transporte von Castorbehältern des Typs MTR-2 aus dem Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden für das Jahr 2004
nicht offiziell, sondern informell anlässlich eines „Gespräches“, das Mitglieder der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in
Ahaus“ in Berlin mit einem Ministeriumsmitarbeiter geführt
haben - Bericht der „Münsterland-Zeitung“ vom 2. Dezember 2003 -, angekündigt und wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, sie habe damit unnötig Schärfe und
Verunsicherung in die Diskussion gebracht?
Sehr geehrter Herr Kollege, derzeit läuft ein Genehmigungsverfahren zur Einlagerung von Brennelementen
aus Forschungsreaktoren in Behältern vom Typ Castor
MTR-2 in das Transportbehälterlager Ahaus. Zu diesen
Brennelementen gehören auch die Brennelemente des
Forschungsreaktors Rossendorf, die derzeit in 18 Behältern auf dem Gelände in Rossendorf zum Transport bereitgestellt sind. Ein positiver Abschluss dieses Genehmigungsverfahrens ist nach jetzigem Kenntnisstand in
2004 möglich. Dieses wurde auch anlässlich des von Ihnen genannten Gesprächs mitgeteilt. Allerdings kann die
Bundesregierung Ihre Einschätzung, sie bringe unnötig
Schärfe und Verunsicherung in die Diskussion, nicht
nachvollziehen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, die Verantwortlichen, insbesondere der Stadt Ahaus - das ist zugleich auch die Einleitung meiner Zusatzfrage, denn ich bin Ratsmitglied der
Stadt -, sind natürlich sehr verwundert, dass einerseits
das Bundesministerium 1998 geschrieben hat, dass die
Castorbehälter in der Lagerhalle in Rossendorf hinreichend sicher gelagert seien und von daher kein Bedarf
bestehe, sie in Ahaus einzulagern, andererseits aber
einige Zeit später in einem informellen Gespräch von
einem Mitarbeiter Ihres Hauses gesagt wird, es werde
nächstes Jahr zu Transporten kommen. Damit wurde die
ganze Region überrascht. Was ist also der neue Umstand, der dazu führte, dass die 1998 gemachte Aussage
des Ministeriums, dass die Behälter in Rossendorf verbleiben könnten, nicht mehr gültig ist?
Sie wissen, dass für die Behälter in Rossendorf eine
Umgangsgenehmigung nach § 9 Atomgesetz und keine
Lagergenehmigung besteht. Es gibt keinen neuen Umstand, sondern es liegt vielmehr die Tatsache zugrunde,
dass beantragt wurde, die Brennelemente aus Forschungsreaktoren, die nicht zurück in die USA verbracht
werden können, in Ahaus zu lagern. Dazu müssen bestimmte Genehmigungsverfahren durchlaufen werden.
Diese Genehmigungsverfahren sind nicht abgeschlossen. Sie wissen, dass der Transport - deswegen sage ich
auch mit aller Vorsicht, nach jetzigem Kenntnisstand
könne dieses Genehmigungsverfahren in 2004 abgeschlossen werden - erst dann möglich ist, wenn eine Lagergenehmigung für Ahaus vorliegt.
Ihre weitere Zusatzfrage.
Wäre es trotzdem möglich - darüber würde ich mich
freuen -, eine Aussage zu den Umständen zu treffen, unter denen das Ganze bekannt geworden ist, nämlich im
Rahmen eines informellen Gesprächs einer Bürgerinitiative in Ihrem Hause, ohne dass irgendwelche offiziellen
Stellen informiert wurden? Da diese Umstände etwas
merkwürdig anmuten, ist es kein Wunder, dass hier von
„unnötiger Schärfe“ die Rede ist.
Ich teile Ihre Einschätzung und Ihre Bewertung, dass
es einen neuen Umstand gibt, nicht. Sie wissen, dass
Rossendorf seit 1995 Verträge mit Ahaus hat, dass dort
Stellplätze vorgehalten werden. Von Rossendorf ist noch
kein Transport beantragt worden. Außer der Tatsache,
dass nun das Genehmigungsverfahren zur möglichen
Einlagerung in Ahaus läuft, gibt es nichts Neues. Insofern wurde hier alles korrekt und sachlich dargestellt,
denn die Genehmigung dieses Transports unterliegt keiner politischen Einflussnahme. Demzufolge kann man
hier auch nicht mit den Begriffen „informell“ oder „offiziell“ arbeiten. Selbstverständlich wird die Region informiert, wenn das Genehmigungsverfahren abgeschlossen
ist. Erst dann gibt es neue Fakten; erst dann macht es
Sinn, sich über das weitere Verfahren zu unterhalten.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Jens Spahn auf:
Unter welchen Umständen ist wann mit dem nächsten
Transport von Castorbehältern aus dem Forschungsreaktor
Rossendorf bei Dresden zu rechnen?
Sie fragen, unter welchen Umständen und wann mit
dem nächsten Transport von Castorbehältern aus dem
Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden zu rechnen
ist. Eine Antwort darauf habe ich schon in meinen vorherigen Ausführungen gegeben. Transporte von Rossendorf nach Ahaus sind also erst möglich, wenn die notwendigen Genehmigungen vorliegen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, gleichzeitig wurde der Bürgerinitiative mitgeteilt, dass in den nächsten Jahren auch
Transporte aus dem Forschungsreaktor Garching anstünden. Meine Frage lautet: Unter welchen Umständen ist
wann mit solchen Transporten zu rechnen und um welche Art von radioaktivem Material würde es sich handeln?
Die Betreiber des Forschungsreaktors Garching beabsichtigen, ihre Brennelemente in Ahaus zwischenzulagern. Hier läuft ein Genehmigungsverfahren, da beantragt wurde, diese Brennelemente in Ahaus einlagern zu
dürfen. Dieses Verfahren zur Erteilung einer Lagergenehmigung ist noch nicht abgeschlossen. Insofern kann
keine Aussage über den Zeithorizont gemacht werden.
Ich kann Ihnen nur informell sagen: nicht in nächster Zukunft.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Meine letzte Zusatzfrage bezieht sich auf den genauen Zeitpunkt; danach hatte ich sehr konkret gefragt.
Sie sagten, 2004 wird der Antrag weitestgehend bearbeitet sein. Wann wäre denn nach Einschätzung Ihres Hauses mit einem Transport aus Rossendorf zu rechnen?
Hier geht es nicht um Einschätzungen. Wenn die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen und die Genehmigung erteilt ist, dann kann transportiert werden. Ich
habe ausgeführt, dass die Genehmigung nach jetzigem
Kenntnisstand 2004 erteilt werden könnte. Aber wir
müssen das Genehmigungsverfahren abwarten.
Die Fragen 7 und 8 der Kollegin Gitta Connemann
werden schriftlich beantwortet.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Tanja Gönner auf:
Wird die Bundesregierung aus dem „3. Monitoring-Bericht Bauabfälle“ der Bauwirtschaft vom 31. Oktober 2003
und den darin enthaltenen Warnungen bezüglich der Gefährdung des güteüberwachten Baustoffrecyclings durch fehlende
transparente und zuverlässige Rahmenbedingungen sowie
durch überzogene umweltrelevante Anforderungen Konsequenzen ziehen und, wenn ja, welche?
Liebe Frau Gönner, gestatten Sie, dass ich Ihre beiden
Fragen aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs
gemeinsam beantworte. Das erspart uns allen Wiederholungen.
Dann rufe ich auch die Frage 10 der Kollegin Gönner
auf:
Sieht die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem
„3. Monitoring-Bericht Bauabfälle“ der Bauwirtschaft vom
31. Oktober 2003 eine Gefährdung der Existenz des güteüberwachten Baustoffrecyclings durch überzogene umweltrelevante Anforderungen an die Qualität der verwendeten Baustoffe und ist die Bundesregierung bereit, zum Erhalt des
Baustoffrecyclings der Bauwirtschaft in Bezug auf die Grenzwerte der Bodenschutzverordnung entgegenzukommen?
Die Bundesregierung begrüßt die Ergebnisse des
„3. Monitoring-Berichts Bauabfälle“, mit dem für das
Erhebungsjahr 2000 wiederum die Einhaltung der
Selbstverpflichtung aus dem Jahre 1996 sehr eindrucksvoll nachgewiesen wurde. Ich glaube, dieser Bericht
macht deutlich, dass die Einhaltung der Selbstverpflichtung gut funktioniert. Wir sind sehr froh, dass die absoluten Mengen an Recyclingbaustoffen deutlich gesteigert werden konnten.
Die im Monitoring-Bericht zum Ausdruck gebrachten
Warnungen der Wirtschaft, auf die sich Ihre Fragen beziehen, nehmen wir sehr ernst. Wir unterstützen die Baustoffrecyclingwirtschaft in ihren Anstrengungen, das gegenwärtige Niveau der zur Verfügung gestellten
Recyclingbaustoffe im Hinblick auf die Menge und auch
auf ihre Qualität aufrechtzuerhalten.
Das Gütesicherungssystem hat sich bewährt. Selbstverständlich muss es sich an den festgelegten Rahmenbedingungen - wie denen zum Grundwasser- und
Bodenschutz - orientieren. Die entsprechenden Anforderungen werden gegenwärtig bei der Überarbeitung
der einschlägigen Richtlinien durch die Länderarbeitsgemeinschaft „Abfall“, LAGA, berücksichtigt. Die Anforderungen enthalten neben einem allgemeinen Teil
sehr spezielle Regeln für den Einsatz mineralischer
Abfälle im Hinblick auf unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Sie wissen, dass diese technischen Regeln
in den jeweiligen Arbeitsgruppen erarbeitet werden, in
denen auch Vertreter der Baustoffrecyclingwirtschaft
vertreten sind. Nach Fertigstellung dieser Entwürfe
wird selbstverständlich allen betroffenen Wirtschaftskreisen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt
werden.
Bezüglich der Maßnahmen, nach denen Sie fragen,
kann ich nur sagen: Solange die konkreten Anforderungen, die auf die Baustoffrecyclingwirtschaft gegebenenfalls zukommen, nicht feststehen, können wir die Konsequenzen nicht verlässlich abschätzen. Insofern wird die
Bundesregierung die Arbeiten an den konkreten technischen Regelwerken mit großem Interesse weiterverfolgen und alle Beteiligten zu gegebener Zeit auffordern,
Alternativen zum gegenwärtigen Umfang des Baustoffrecyclings zu entwickeln, wenn dies erforderlich sein
sollte. Hierzu - auch das sage ich Ihnen ganz offen - bedarf es natürlich konkreter Angaben aus der Wirtschaft,
ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bestimmte
mineralische Abfälle, beispielsweise wegen eines erhöhten Schadstoffgehaltes, nicht mehr in dem gegenwärtigen Umfang als Recyclingbaustoffe verwertet werden
können.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Stimmen Sie mit mir überein, dass in Anbetracht der
Güte des bisherigen Baustoffrecyclingmaterials, die Sie
selber hervorgehoben haben, an sich keine Notwendigkeit vorhanden ist, eine Veränderung von Grenzwerten,
etwa beim Bodenschutz, vorzunehmen?
Wir kennen ja das Ergebnis noch nicht. Deshalb
kann ich Ihre Frage so nicht beantworten. Für mich sind
der Grundwasserschutz und der Bodenschutz als Ziele
selbstverständlich gleichwertig mit dem Ziel des Baustoffrecyclings. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen,
gerade was den Bodenschutz angeht, die fraktionsübergreifend in dieser und auch schon in den vergangenen
Legislaturperioden entwickelt wurden, müssen natürlich eingehalten werden. Insofern bewegen sich die
Vorschläge im gesetzlichen Rahmen. Falls Probleme
auftreten, müssen wir darauf reagieren. Aber es kann
nicht sein, dass die Vorgaben in Bezug auf den Bodenschutz und den Grundwasserschutz nicht eingehalten
werden.
Stimmen Sie aber mit mir überein, dass Grenzwerte, die über das hinausgehen, was wir übereinstimmend festgelegt haben, nicht notwendig wären? Die
Diskussion innerhalb der Länderarbeitsgemeinschaft
geht derzeit wohl dahin, dass wir etwas zu strenge
Grenzwerte haben, was möglicherweise dazu führt,
dass Mineralien, die im Boden vorkommen, höhere
Werte aufweisen als das, was wir über das Baustoffrecycling einbringen dürfen. Kann das eine richtige
Zielsetzung sein?
Sie werden verstehen, dass ich den Ergebnissen der
Länderarbeitsgemeinschaft nicht vorgreifen werde. Ich
habe deutlich gemacht, dass wir die technischen Regelungen, die von der LAGA vorgesehen sind, mit großem
Interesse verfolgen und dass die beiden Ziele, einmal
Baustoffrecycling in hohem Umfang - wir danken der
Wirtschaft, dass die Selbstverpflichtung so gut funktioniert - und zum anderen die Einhaltung der gesetzlichen
Vorgaben, den maßgeblichen Rahmen bilden. Auf welche konkreten Ergebnisse sich die LAGA verständigen
wird, können wir nicht einschätzen. Ich hoffe, deutlich
gemacht zu haben, dass diese Ergebnisse, wenn sie vorliegen, den betroffenen Wirtschaftskreisen zugeleitet
werden, damit sie Stellungnahmen dazu abgeben können. Wir werden das sehr ausführlich auswerten.
Inwiefern findet denn von Ihrer Seite bereits vorab
der Versuch einer Abstimmung mit der LAGA statt?
Wir haben eine gute Kooperation. Aber selbstverständlich können wir eine Bewertung erst vornehmen,
wenn die Ergebnisse vorliegen. Sicherlich würde die Bewertung sehr erleichtert werden, wenn die Wirtschaft
uns operationalisierbare und handhabbare konkrete Daten zur Verfügung stellen würde, die dann bewertet werden können.
Damit schließe ich den Geschäftsbereich. Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der
Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid.
Die Fragen 11 und 12 des Kollegen Hartwig Fischer
({0}) werden schriftlich beantwortet.
Deshalb kommen wir zur Frage 13 der Kollegin
Conny Mayer ({1}):
Welche Kriterien legt die Bundesregierung zur Berechnung der Mittel zur HIV-/Aidsbekämpfung an und wie begründet sie diese Auswahl?
Ich gehe einmal davon aus, dass Sie nur die Mittel
meinen, die sich auf die HIV-/Aidsbekämpfung in Entwicklungsländern beziehen. - Dann möchte ich Ihre
Frage folgendermaßen beantworten.
Erstens. Es werden sowohl Maßnahmen als auch Beiträge erfasst, die der HIV-/Aidsbekämpfung dienen. Sie
wissen, dass wir selber bzw. unsere Durchführungsorganisationen Maßnahmen ergreifen und dass wir Mittel in
internationale Fonds einzahlen.
Zweitens. Im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit werden Mittel für die Maßnahmen, die
der HIV-/Aidsbekämpfung dienen, entsprechend der
Schlüsselzahlen elektronisch ermittelt. Es gibt eindeutige HIV-/Aidsbekämpfungsprogramme. Das Geld, das
in diese Programme fließt, kann man elektronisch einfach ermitteln. Bei Vorhaben, die ein ganzes Maßnahmen- oder auch Zielbündel beinhalten, werden die Anteile für die HIV-/Aidsbekämpfung von Fachleuten
qualifiziert geschätzt.
Drittens. Bei multilateralen Programmen wird die Rechengröße aus den Angaben der durchführenden Institutionen und dem deutschen Anteil daran ermittelt. Wir bekommen also von der WHO oder anderen Institutionen
mitgeteilt, wie hoch unser Anteil an ihren gesamten
Maßnahmen zur HIV-/Aidsbekämpfung war.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Ist es richtig, dass bei Vorhaben der reproduktiven
Gesundheit, bei Familienplanung oder bei Basisgesundheitsdiensten pauschal 25 Prozent des Gesamtvolumens
in die Berechnung der HIV-/Aidsmittel einbezogen werden, unabhängig davon, wie hoch der tatsächliche Anteil
am Projekt ist?
Die Zahl 25 Prozent ist ein Durchschnittswert. Diese
Zahl ist korrekt. Allerdings ist sie das Ergebnis von qualifizierten Schätzungen. Diese Zahl ergibt sich, indem
man für jedes Programm den Anteil, der der HIV-/Aidsbekämpfung zurechenbar ist, qualifiziert schätzt. Dabei
kommen wir letztendlich auf eine Durchschnittsgröße
von 25 Prozent.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Sind Sie mit mir einig, Frau Staatssekretärin, dass es
ein Widerspruch ist, wenn Sie zum einen sagen,
25 Prozent des jeweiligen Volumens eines Projektes
würden für HIV-/Aidsbekämpfung genommen, zum anderen aber zugeben, dass qualifiziert erhoben werde, wie
hoch der Anteil an dem jeweiligen Projekt ist?
Ich habe gesagt: Das ist ein Durchschnittswert. Der
Wert kann also in dem einen Fall niedriger und in dem
anderen Fall höher sein.
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Conny Mayer ({0}) auf:
Inwieweit hat die Bundesregierung im Jahr 2000 ihre Kriterien verändert, nach denen die Mittel zur HIV-/Aidsbekämpfung errechnet werden, und ist dadurch der Etat zur HIV-/
Aidsbekämpfung nominell gestiegen?
Dies ist nicht der Fall. Die Kriterien wurden nicht verändert.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Ist es richtig, Frau Staatssekretärin, dass die Mittel für
die HIV-/Aidsbekämpfung im Jahr 2000 für die Rahmenplanung fast dreimal so hoch waren wie im Jahr
1999, und wie erklären Sie dies, wenn nicht mit konkreten Änderungen bei Projekten oder Haushaltsansätzen?
Frau Abgeordnete Mayer, als wir 1998 die Regierung
übernommen haben, hatte die Vorgängerregierung, wenn
ich mich recht erinnere, einen Ansatz von 30 Millionen
DM für die Aidsbekämpfung. Wir setzen mittlerweile im
Durchschnitt 300 Millionen Euro pro Jahr dafür ein.
Diese Erhöhung haben wir deshalb vorgenommen, weil
die Herausforderungen zur Bekämpfung von Aids ungeheuer hoch sind. Das sind sie übrigens nicht erst seit
1998. Ich bin froh darüber, dass die jetzige Bundesregierung die Mittel für die Aidsbekämpfung massiv erhöht
hat.
Hinzu kommt, dass wir in der Entwicklungskooperation ganz massiv in den Basisgesundheitsdienst investiert haben. Um zum Beispiel die Übertragung von Aids
auf ungeborene Kinder oder während der Geburt auf das
Neugeborene zu verhindern, können wir nicht einfach
Medikamente verteilen. Wir brauchen erst einmal Basisgesundheitseinrichtungen, damit sich Frauen überhaupt
auf Aids untersuchen lassen können und in diesem Zusammenhang professionell betreut werden können.
Nun können Sie sagen, Basisgesundheitsdienste brauche man sowieso, das habe mit Aidsbekämpfung unmittelbar nichts zu tun. Dem würde ich nicht zustimmen.
Denn es gibt Programme, bei denen wir explizit Basisgesundheitseinrichtungen gefordert haben, um eine medikamentöse Versorgung der schwangeren aidsinfizierten
Frauen gewährleisten zu können.
Selbstverständlich ist es für unsere Fachleute, die die
Anteile der Mittel für die HIV-/Aidsbekämpfung qualifiziert schätzen, nicht immer einfach. Aber ich vertraue
den Expertinnen und Experten. Ich denke, dass der jeweilige Ansatz in den Haushaltsplänen korrekt ist.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, da Sie meine Frage offensichtlich nicht ganz verstanden haben, will ich sie noch konkreter stellen: Die Erhöhung der Mittel für die HIV-/
Aidsbekämpfung im Jahr 2000 - die Mittel stiegen in
diesem Jahr im Vergleich zum Jahr 1999 signifikant - ist
also, wenn ich Ihre Antwort auf meine letzte Frage richtig verstanden habe, vor allem auf die drastische Erhöhung der Basisgesundheitsdienste zurückzuführen?
Nein, wir haben auch die Mittel für gezielte Aidsprogramme erhöht.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Sibylle Pfeiffer
auf:
Wie hoch wären die aktuellen bilateralen und multilateralen Ausgaben im Bereich HIV-/Aidsbekämpfung, wenn man
die Kalkulation der im Jahr 1999 geltenden Berechnungskriterien zugrunde legt?
Da diese Frage im Prinzip identisch mit der Frage 14
der Abgeordneten Mayer ist, kann ich darauf nur antworten, dass sich die Bezugsgröße nicht ändert, weil die
Kriterien nicht verändert worden sind.
Frau Kollegin Pfeiffer, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, haben sich die Kriterien zwischen 1998 und 1999 geändert? Sie haben vorhin von
30 Millionen in 1998 und 300 Millionen in 1999 gesprochen, während Ihre Ministerin von 18 Millionen und
300 Millionen geredet hat. Für mich gibt es hier diverse
Differenzen. Wenn wir die Berechnungsmethoden von
1999 zugrunde legen, wie sähe dann die Zahl von 1998
aus?
Frau Abgeordnete Pfeiffer, die Berechnungsgrundlagen werden durch den Förderbereichsschlüssel des
DAC, des Development Assistance Committee der
OECD, festgelegt. Insofern sind die Kriterien, die wir
zugrunde legen, transparent. Die Kriterien sind nicht geändert worden.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ich habe keine.
Dann rufe ich die Zusatzfrage der Kollegin Conny
Mayer auf.
Frau Staatssekretärin, gibt es im Nachhinein eine
Überprüfung der Mittelverteilung? Wird zum Beispiel
überprüft, ob tatsächlich 25 Prozent der Mittel eines Projektes der HIV-/Aidsbekämpfung zukommen?
Ich habe bereits gesagt, dass 25 Prozent ein Durchschnittswert ist. Es kann sein, dass es sich bei einem Projekt in der Tat um 25 Prozent handelt, bei anderen Projekten kann es aber mehr oder weniger sein. Natürlich
kann man Überprüfungen durchführen, aber das ist nicht
so einfach. Wenn im Rahmen eines von uns geförderten
Basisgesundheitsdienstes festgestellt wird, dass 25 Prozent der Patienten HIV-infiziert sind, dann kann man
eindeutig sagen - da würden Sie vermutlich zustimmen -, dass 25 Prozent der Mittel des Basisgesundheitsprojekts für die HIV-/Aidsbekämpfung ausgegeben werden. Insofern wäre das überprüfbar. Wir könnten auch
HIV-/Aidsprogramme im Nachhinein darauf überprüfen,
ob die Gewichtung punktgenau zutrifft oder nicht.
Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Sibylle Pfeiffer
auf:
Werden die Mittel, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dem Globalen
Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose zur Verfügung stellt, vollständig den Ausgaben für HIV/
Aids zugerechnet und, wenn ja, trifft es nach Kenntnis der
Bundesregierung zu, dass nur 60 Prozent der Mittel des Globalen Fonds für die HIV-/Aidsbekämpfung ausgegeben werden?
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Mittel, die
wir für die Jahre 2002 und 2003 dem Globalen Fonds
zur Verfügung gestellt haben, sind vollständig der HIV-/
Aidsbekämpfung zugerechnet worden. Eine Differenzierung der Beiträge nach den drei Erkrankungen, die im
Titel des Fonds genannt werden, ist zum Zeitpunkt der
Einzahlung schwierig. Es ist international nicht üblich,
festzulegen, wie viel Prozent genau für die Bekämpfung
von Malaria, HIV/Aids und Tuberkulose zur Verfügung
gestellt werden. Man kann höchstens am Jahresende ausrechnen, wie viele Anträge der Antragstellerländer sich
auf welche Krankheit bezogen haben. Das kann man
aber erst im Nachhinein tun.
Eine Zuordnung zu den einzelnen Krankheiten ist
trotzdem schwierig, weil die Ausbreitung der Tuberkulose in hohem Maße durch die HIV-/Aidspandemie bedingt ist, sodass man die beiden Krankheiten kaum voneinander trennen kann. Deswegen ist Ihre Frage schwer
zu beantworten.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, die Frage ist sicher etwas
schwer zu beantworten. Ich meine aber zu wissen, dass
in den Richtlinien des Global Fund sehr wohl steht, dass
circa - das können natürlich nur ungefähre Angaben
sein - 60 Prozent der Mittel für die HIV-/Aidsbekämpfung, 23 Prozent für die Malariabekämpfung und
17 Prozent für die Tuberkulosebekämpfung aufgewendet
werden müssen. Die Mittel, die jährlich für den Global
Fund ausgegeben werden, rechnen wir unsererseits ja
vollständig den Ausgaben für HIV/Aids zu. In Kenntnis
dieses Schlüssels frage ich Sie, ob das auch für die Mittel zur Tuberkulose- und Malariabekämpfung zutrifft, ob
diese Mittel also quasi jeweils doppelt erfasst werden?
Ich kann Ihnen die Frage nur ganz allgemein beantworten. Bei den ersten Überlegungen zur Gründung dieses Fonds wurde zunächst von einem Fonds ausschließlich zur Bekämpfung von HIV/Aids ausgegangen. In den
Gründungsverhandlungen haben dann verschiedene
Ländergruppierungen darauf gedrängt, den Fonds auf die
Bekämpfung von Tuberkulose und Malaria auszuweiten.
Eine prozentuale Festlegung von Quoten für die drei
Krankheiten ist formell nicht erfolgt. Es gibt keine diesbezügliche Festlegung.
In der Umsetzung des Fonds zeichnet sich nun zunehmend ab, dass die Zahl der Anträge aus einzelnen Entwicklungsländern zur Förderung der Bekämpfung von
Tuberkulose und Malaria abnimmt und Anträge zur
HIV-/Aidsbekämpfung nunmehr den größten Anteil ausmachen.
Gut, vielleicht haben wir verschiedene Informationen
bekommen.
Ist Ihnen bekannt, Frau Staatssekretärin, wie andere
Länder - zum Beispiel Frankreich - mit den Ausgaben
für den Global Fund verfahren? Werden diese Ausgaben
zu 60 Prozent den Ausgaben für HIV/Aids zugerechnet,
wie es rechnerisch und buchhalterisch richtig wäre, oder
verfahren die wie wir?
Bereits in der Fragestunde am 2. Juli ist die Frage gestellt worden, wie sich die anderen EU-Mitgliedstaaten in
Bezug auf die HIV-/Aidsbekämpfung verhalten. Schon
seinerzeit habe ich gesagt, dass es sich nach meinen Informationen um globale Zusagen handelt. Präsident
Chirac hat ebenso wie die Briten und die Niederländer
- und viele andere Staaten auch - globale Zusagen gemacht. Mit ist nicht bekannt, dass diese ihre Zusagen anteilsmäßig auf die Malaria-, Tuberkulose- und HIV-/Aidsbekämpfung aufteilen. Das wäre auch schwierig; denn
letztlich antworten wir auf Anfragen der Entwicklungsländer. Wir können doch nicht bestimmen, dass eine gewisse Summe für die Malariabekämpfung ausgegeben
werden muss, wenn die Antragsteller ihren Schwerpunkt
auf die HIV-/Aidsbekämpfung legen. Dann würde auch
die ganze Philosophie des Globalen Fonds nicht stimmen.
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Mayer.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Nachfrage. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Forderung
des deutschen Initiativkreises „Aktionsbündnis gegen
Aids“, jährlich 350 Millionen Euro für den Globalen
Fonds zur Verfügung zu stellen - Sie wissen, dieses
Bündnis berechnet das nach einem VN-Schlüssel, wonach jährlich 7 bis 10 Milliarden Dollar für die HIV-/
Aidsbekämpfung angesetzt werden -, und der Darstellung der Ministerin, dass die deutschen Ausgaben zur
HIV-/Aidsbekämpfung bei 300 Millionen Euro liegen?
Da besteht ein zahlenmäßiger Zusammenhang. Anfangs hatte der Bundeskanzler dem Globalen Fonds
150 Millionen Euro zugesagt. Die Entwicklungsministerin hat sich dann für weitere 50 Millionen Euro eingesetzt und im Juli haben wir noch einmal
100 Millionen Euro zugesagt, sodass unsererseits jetzt
Zusagen für den Globalen Fonds in Höhe von insgesamt
300 Millionen Euro bestehen. Zusammen mit unseren
Beiträgen für unsere bilateralen und multilateralen Verpflichtungen im Bereich der HIV-/Aidsbekämpfung
kommen wir pro Jahr auf etwa 300 Millionen Euro. Ich
freue mich, wenn wir damit nahe an der Summe liegen,
die andere für richtig halten.
Es liegen keine weiteren Fragen vor. Damit schließe
ich den Geschäftsbereich. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Eid, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Fragen beantwortet Frau Staatsministerin
Kerstin Müller.
Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Koppelin auf:
Welche Bundesministerien waren an der Vorbereitung der
Reise des Bundeskanzlers Gerhard Schröder in die Volksrepublik China im Dezember 2003 beteiligt?
Herr Kollege Koppelin, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Die Reise des Bundeskanzlers in die Volksrepublik
China wurde, wie in solchen Fällen üblich, vom Bundeskanzleramt in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien vorbereitet.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Frau Staatsministerin, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass die politischen Äußerungen des Bundeskanzlers in China - zum Verkauf der Plutoniumanlage Hanau, zum Thema Rüstungsexport - selbstverständlich
mit diesen Ministerien abgestimmt waren? Denn so
muss ich Ihre Antwort ja verstehen.
Sie können meine Antwort dahin gehend verstehen,
dass die generelle Vorbereitung in Zusammenarbeit mit
den zuständigen Ministerien erfolgt. Aber für einzelne
Äußerungen trägt der Bundeskanzler, der ja die Leitlinien der Politik bestimmt, die Verantwortung. Diese
werden nicht bis ins Einzelne abgestimmt.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatsministerin, wollen Sie mir damit sagen,
dass diese Äußerungen des Bundeskanzlers, die für die
Politik der Bundesrepublik Deutschland durchaus wichtig sind - man denke an die Frage der Menschenrechte,
an Rüstungsexporte und Ähnliches - und über die es in
den Tagen nach der Reise des Bundeskanzlers auch Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition gegeben hat,
mit Ihrem Hause oder dem Umweltministerium in keiner
Weise abgesprochen worden sind?
Nein, das wollte ich damit nicht sagen.
Aha.
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Jürgen Koppelin
auf:
Welche Initiativen beabsichtigt die Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen der EU zu ergreifen, um das Rüstungsembargo gegenüber der Volksrepublik China aufzuheben, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Aufenthalt in der Volksrepublik China im Dezember 2003
vorgeschlagen hat?
Herr Kollege Koppelin, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Das EU-Waffenembargo beruht auf einem Beschluss des Europäischen Rates vom 26. Juni 1989. EURatsbeschlüsse können nur im Konsens aufgehoben
werden. Das Waffenembargo wurde von der EU vor
14 Jahren als Reaktion auf das Massaker auf dem Platz
des Himmlischen Friedens in Peking verhängt.
Wenn im EU-Kreis die Frage einer Aufhebung geprüft wird, wäre dabei vor allem die gegenwärtige Menschenrechtslage in China zu berücksichtigen. Dabei wird
die von China mehrfach zugesagte Ratifizierung des
VN-Paktes über politische und bürgerliche Rechte, von
China im Jahre 1998 gezeichnet, ein wichtiges Element
darstellen. Die Bundesregierung setzt sich seit langem
für eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in
China ein und wird sich auch weiterhin aktiv hierum bemühen.
Ein weiteres Element ist die Bereitschaft Chinas zu
einer friedlichen Streitbeilegung mit Taiwan. Die Anwendung der restriktiven Rüstungsexportpolitik der
Bundesregierung bleibt von der Diskussion über eine
mögliche Aufhebung des EU-Waffenembargos unberührt.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsministerin, auch Ihnen ist bekannt, was der
Bundeskanzler in China gesagt hat. Er hat den Vorschlag
gemacht, das Rüstungsembargo der EU aufzuheben. Sie
haben meine Frage nicht beantwortet, nämlich welche
Initiativen die Bundesregierung ergreifen wird, damit
das, was der Bundeskanzler politisch geäußert hat, in die
Tat umgesetzt wird? Denn er wird wohl kaum etwas ankündigen, wenn er nicht auch selbst Initiativen ergreifen
wird.
Natürlich habe ich Ihre Frage beantwortet.
({0})
- Sie müssen schon mir überlassen, wie ich Ihre Frage
beantworte. Es gibt einen EU-Ratsbeschluss; dieser kann
nur im Konsens aufgehoben werden. Dabei wird vor allen Dingen die gegenwärtige Menschenrechtslage in
China zu berücksichtigen sein. Das heißt, es geht um die
von China mehrfach zugesagte Ratifizierung des VNPaktes. Der Zivilpakt ist ein ganz wichtiges Element.
Darüber hinaus werden wir uns für eine Verbesserung
der Menschenrechtssituation einsetzen. Dazu zählt zum
Beispiel der Rechtsstaatsdialog und in seinem Rahmen
auch der Menschenrechtsdialog. Dies sind die Parameter.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? Bitte.
So wie ich Ihnen nicht vorschreiben kann und will,
was Sie antworten,
Das ist nett!
- können auch Sie mir nicht vorschreiben, was ich
frage. Insofern stelle ich erst einmal fest - vielleicht können Sie mir darin folgen -, dass Sie meine Frage nicht
beantwortet haben und ich diese deshalb noch einmal
stellen muss.
Der Bundeskanzler ist in China gewesen und hat erklärt, jetzt sei der Zeitpunkt, um das Rüstungsembargo
aufzuheben; das müsse man in der EU besprechen. Die
Gründe, aus denen es dieses Rüstungsembargo einmal
gegeben hat, sind im entsprechenden FDP-Antrag dieser
Woche nachzulesen. Das kann ich selbst tun, so viel
weiß auch ich. Ich frage Sie also: Warum hat der Bundeskanzler dies verkündet? Das muss doch mit den Ministerien abgestimmt sein. Ist eventuell mein Eindruck
richtig, dass sich hier etwas verwirklicht, was der Bundeskanzler schon vor längerer Zeit einmal gesagt hat,
nämlich dass in einer Koalition der eine der Koch und
der andere der Kellner sei?
Herr Kollege Koppelin, Sie erlauben, dass ich Ihnen
auf den letzten Teil Ihrer Frage, der sehr polemisch war,
hier keine Antwort gebe. Natürlich ist die Reise mit den
zuständigen Ministerien abgestimmt worden - das habe
ich schon gesagt - und damit auch mit dem Auswärtigen
Amt.
Es ist ganz klar: Über die Aufhebung des Waffenembargos - hierzu wird auf europäischer Ebene eine Diskussion geführt - kann nur im Konsens entschieden
werden. Maßgeblich für eine Aufhebung wird die Menschenrechtssituation in China sein. Sie wird in die Bewertung einfließen. Darüber führen wir in einen intensiven Dialog. Alles Weitere kann ich zum jetzigen
Zeitpunkt nicht kommentieren.
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch.
Frau Staatsministerin, Sie haben darauf hingewiesen,
dass die Menschenrechtsverletzungen in China im Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit stehen. Wie konkret haben die Ministerien, die die Reise vorbereitet haben, auf
die Menschenrechtsverletzungen hingewiesen? Haben
sie zum Beispiel darauf hingewiesen, dass es Arbeitslager gibt, in die Menschen ohne Gerichtsverfahren und
auf unbestimmte Zeit eingewiesen werden? Haben die
Ministerien die Reise des Bundeskanzlers dahin gehend
vorbereitet, dass nach Fakten, die in Deutschland bekannt sind - dazu zählt zum Beispiel die Existenz von
Arbeitslagern -, nachgefragt werden konnte? Wenn ja, in
welcher Form ist das geschehen?
Sie können davon ausgehen, dass sämtliche Fakten,
die uns zur Menschenrechtssituation in China vorliegen,
in die Vorbereitung der Reise des Bundeskanzlers eingegangen sind.
Ich selber habe den Bundespräsidenten auf seiner
Reise nach China begleitet und kann Ihnen von daher sagen, welche Informationen uns zur Menschenrechtssituation zur Verfügung stehen. Insgesamt stellen wir eine
Verbesserung der Situation in China fest, vor allen Dingen seit 1989. Es gibt in der Entwicklung hin zu mehr
Rechtsstaatlichkeit viele positive Schritte; die chinesische Regierung hat inzwischen auch entsprechende
Rechtsnormen erlassen.
Aber trotz feststellbarer Fortschritte werden die Menschenrechte nicht hinreichend beachtet. Es gibt auch
weiterhin Folter, die so genannte Administrativhaft und
eine hohe Zahl von Hinrichtungen. Das gibt nach wie
vor Anlass zur Besorgnis. Das wird in den Gesprächen
angesprochen. Außerdem setzen wir uns ständig für Einzelpersonen ein, deren individueller Fall uns bekannt ist.
Das geschieht vor allem auf dem Wege der stillen Diplomatie. Im Rahmen des Menschenrechtsdialogs bearbeiten wir zusammen mit der chinesischen Regierung alle
diese Fragen.
Es gibt eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Pfeiffer.
Frau Staatsministerin, wie der Kollege Koppelin habe
ich den Eindruck, dass seine Eingangsfrage nicht beantwortet ist. Auch in der heutigen Sitzung des Ausschusses
für wirtschaftliche Zusammenarbeit, auf der wir uns
ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt haben, wollte man
plötzlich durchgehend den Eindruck vermitteln, dass es
sich um eine Privatmeinung des Bundeskanzlers handelt.
Man konnte sogar vermuten, dass diese Äußerung des
Kanzlers noch nicht einmal mit dem Kabinett abgesprochen worden ist, also in dieser Frage sehr wohl ein Dissens herrscht. Angesichts der Äußerung des Bundeskanzlers, dass er sich dafür einsetzen werde, dass das
EU-Waffenembargo aufgehoben wird, frage ich Sie:
Welche Hebel will er auf europäischer Ebene in Gang
setzen, um dieses Ziel zu erreichen?
Dazu wird es im Rahmen des EU-Rates Gespräche
geben. Da es sich um einen EU-Ratsbeschluss handelt,
kann das Embargo nur im Konsens aufgehoben werden.
Dabei wird - ich kann mich nur wiederholen - die Menschenrechtslage in China ausführlich zu erörtern und zu
berücksichtigen sein.
Das Wort zur Geschäftsordnung gebe ich dem Kollegen Koppelin.
Frau Präsidentin! Es hat sich herausgestellt, dass die
Staatsministerin nicht in der Lage ist, konkrete Fragen
zu beantworten.
({0})
Sie ist auf die Fragen nicht eingegangen. Ich beantrage
deswegen, den Bundesaußenminister herbeizurufen.
Außerdem bitte ich das Präsidium, die Geschäftsführer der Koalitionsfraktionen nicht vorab über solche Anträge zu informieren.
Frau Kollegin Deligöz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Koppelin, ich sehe gar keinen Grund für eine solche Geschäftsordnungsdebatte. Die Staatssekretärin hat
die von Ihnen gestellten Fragen
({0})
in ausreichender Form beantwortet.
In dieser Runde werden wir gleich noch weitere Debattenbeiträge dazu hören, da Sie eine Aktuelle Stunde
zu diesem Thema beantragt haben. Von daher sehen wir
überhaupt keinen Grund, Herrn Fischer hierher zu zitieren. Ich fordere Sie auf, diesen Antrag zurückzuziehen
und wieder in die reguläre Debatte einzutreten. Wir
- auch Sie - werden in diesem Rahmen noch genug Gelegenheiten haben, uns mit dem Außenminister auszutauschen. Von daher halte ich Ihren Antrag für nicht notwendig.
Frau Kollegin Falk, bitte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt das Anliegen der FDP.
({0})
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Koppelin, demgemäß der Bundesaußenminister in die Fragestunde zu zitieren ist. Wer für diesen Geschäftsordnungsantrag ist,
den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Kollegen Koppelin ist damit angenommen.
Ich unterbreche die Sitzung, bis der Herr Außenminister hier eintrifft.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Herzlich willkommen, Herr Außenminister!
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe nochmals die Frage 18 des Abgeordneten
Koppelin auf:
Welche Initiativen beabsichtigt die Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen der EU zu ergreifen, um das Rüstungsembargo gegenüber der Volksrepublik China aufzuheben, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Aufenthalt in der Volksrepublik China im Dezember 2003
vorgeschlagen hat?
({0})
Herr Minister, Sie müssen die Frage beantworten. Bitte
schalten Sie Ihr Mikrofon an!
({1})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Gestatten Sie mir, dass ich die Frage - nicht wissend um
den bisherigen Antwortstand - nochmals vollständig beantworte: Das EU-Waffenembargo beruht auf einem Beschluss des Europäischen Rates vom 26. Juni 1989.
({0})
EU-Ratsbeschlüsse können nur im Konsens aufgehoben
werden. Das Waffenembargo wurde von der EU vor
14 Jahren als Reaktion auf das Massaker auf dem Platz
des Himmlischen Friedens in Peking verhängt.
Wenn die Frage einer Aufhebung im EU-Kreis geprüft wird, wäre dabei vor allem die gegenwärtige Menschenrechtslage in China zu berücksichtigen. Dabei wird
die von China mehrfach zugesagte Ratifizierung des
VN-Paktes über politische und bürgerliche Rechte, von
China 1998 gezeichnet, ein wichtiges Element darstellen. Die Bundesregierung setzt sich seit langem für eine
Verbesserung der Menschenrechtssituation in China ein
und wird sich auch weiterhin aktiv hierum bemühen.
Ein anderes Element ist die Bereitschaft Chinas - das
ist sehr aktuell - zu einer friedlichen Streitbeilegung mit
Taiwan.
Die Anwendung der restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung bleibt von der Diskussion über
eine mögliche Aufhebung des EU-Waffenembargos unberührt.
Herr Kollege Koppelin, Sie haben das Wort zu einer
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Minister, ich gehe davon aus, dass der Abgeordnete Joseph Fischer mit dieser Antwort nicht einverstanden wäre. Daher stelle ich folgende Zusatzfrage: Hat der
Bundeskanzler seine Aussagen zum Rüstungsexport, die
er bei seiner Reise in China in diesem Monat gemacht
hat, mit Ihnen und mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt oder sind Sie davon genauso überrascht worden
wie wir?
Ich war auf der Reise nicht dabei; insofern kann ich
Ihnen die konkrete Gesprächssituation nicht übermitteln.
Das tut mir Leid. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe Ihnen gerade die abgestimmte Position der Bundesregierung vorgetragen. Sie ist auch mit dem Kanzleramt abgestimmt. Das ist das übliche Verfahren. Insofern
beantwortet sich Ihre Frage durch das, was ich gerade
vorgetragen habe.
({0})
Da der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt und seine Aussagen zum Rüstungsexport auch
entsprechende Resonanz in den Medien gefunden haben,
frage ich nach - das steht schon in meiner Frage; insofern ist sie nicht beantwortet worden -: Welche Initiativen wird die Bundesrepublik Deutschland ergreifen,
nachdem der Bundeskanzler diese Aussagen gemacht
hat, und müssen wir damit rechnen, dass der Bundeskanzler wie in China persönlich die Initiative ergreift,
ohne das mit Ihnen abzustimmen, nach dem Motto „Einer ist Koch und einer ist Kellner“?
Auf den polemischen Teil Ihrer Frage will ich gar
nicht eingehen. Das würde mich zwar jucken, aber ich
verkneife es mir.
({0})
- Ich verkneife es mir.
Zur Sache. Dass Ihre Frage nicht beantwortet wurde,
muss ich zurückweisen. Sie wurde sehr detailliert beantwortet. Jede denkbare Initiative wird im Rahmen der Europäischen Union stattfinden. Einerseits hat sich in
China Erhebliches verändert. Auf der anderen Seite gibt
es nach wie vor gravierende Besorgnisse, was die Menschenrechtslage anbetrifft. Selbstverständlich ist auch
die friedliche Streitbeilegung mit Taiwan zu nennen. Die
Bundesregierung, nicht nur diese Bundesregierung, sondern auch die Vorgängerbundesregierung, hat die EinChina-Politik verfolgt, aber immer auf der klaren Grundlage der friedlichen Streitbeilegung, das heißt, dass es
dort zu keiner Gewaltandrohung und zu keiner Gewalteskalation kommt. Das sind im Rahmen der Europäischen Union gravierende Positionen.
Die Bundesregierung hat ihre Position zwischen den
Ressorts abgestimmt. Das ist das übliche Verfahren, das
sich seit der Zeit, zu der Sie in der Regierung waren,
nicht geändert hat. Ich habe es gerade dargestellt. Damit
beantwortet sich Ihre Frage - abgesehen vom polemischen Teil - in der Sache.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Kollege
Volmer.
Herr Außenminister, stimmen Sie mir in der Einschätzung zu, erstens dass Sie gern dem Deutschen Bundestag
antworten,
({0})
zweitens dass die Staatsministerin Teil der Bundesregierung ist, die für die Bundesregierung genauso hätte antworten können, drittens dass sie die Frage genauso beantwortet hätte wie Sie und viertens dass Sie durch das
Zitierungsbegehren der FDP-Fraktion aus einem wichtigen Termin mit dem russischen Außenminister gerissen
worden sind?
({1})
Herr Kollege Volmer,
({0})
ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. Wir haben lange
genug mitbekommen, was Oppositionsarbeit heißt und
wer hier Experte ist. - Das mit dem „Hände an die Hosennaht“ möchte ich nicht vertiefen, Kollege
Westerwelle. Das war nicht Gegenstand der Frage. Das
ist nur eine Anmerkung.
Was war tatsächlich? - Die Pressekonferenz mit dem
Kollegen Iwanow war gerade zu Ende, als das Zitationsbegehren kam. Aber das Problem ist:
({1})
Der Kollege Kukan aus der Slowakei wartet jetzt seit geraumer Zeit auf mich.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege
Westerwelle.
Da Sie, Herr Außenminister, uns noch einmal darüber
aufgeklärt haben, wie das Waffenembargo zustande gekommen ist und dass es eine konsensuale Entscheidung
der Europäischen Union gewesen ist, schließt sich die
Frage an: Hat der Bundeskanzler, bevor er seine Äußerungen zum Waffenembargo in China gemacht hat,
Rücksprache oder Kontakt zu anderen europäischen Regierungen aufgenommen?
Der Bundeskanzler spricht ständig mit seinen Kollegen, teilweise in meiner Anwesenheit, teilweise ohne
meine Anwesenheit.
({0})
- Die FDP scheint sich wirklich nicht mehr zu erinnern
- da sieht man, inwieweit diese Partei mittlerweile den
Rückwärtsgang eingelegt hat -,
({1})
wie die Gespräche zwischen Regierungschefs aussehen.
Selbstverständlich spielt da die ganze Bandbreite eine
Rolle. Selbstverständlich wird im Kollegenkreis auf der
Ebene der Staats- und Regierungschefs auch über diese
Fragen gesprochen. Insofern kann ich nur sagen: Der
Bundeskanzler wird - davon gehe ich aus - mit dem einen oder anderen Kollegen in der Europäischen Union
auch darüber gesprochen haben.
({2})
- Kollege Westerwelle, das war jetzt eine Zusatzfrage.
Ist die erlaubt?
Nein. Mir liegen noch so viele Wortmeldungen vor,
Herr Kollege Westerwelle.
({0})
Ich erteile jetzt dem Kollegen Schäuble das Wort.
Herr Minister, hat der Bundeskanzler mit Ihnen vor
der Chinareise über diese Frage gesprochen?
Wir sprechen über alle Fragen. Auf der Grundlage
dessen, was ich Ihnen gerade vorgetragen habe, ist das
die Position der Bundesregierung.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weisskirchen.
({0})
Herr Außenminister, könnte man sich rein theoretisch
einmal den Gedanken vorlegen und überlegen
({0})
- wunderbar, Herr Kollege Westerwelle -, ob nicht irgendwann die Zeit kommen könnte,
({1})
nachdem die Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz, die
der Ausgangspunkt für das Rüstungsembargo waren,
einige Zeit zurückliegen und sich die Volksrepublik
China immer weiter entwickelt und modernisiert, sich
diese Frage neu zu stellen?
({2})
Ich würde in diesem Punkt sogar noch etwas weiter
nach vorne orientiert formulieren: Das kann auf der
Grundlage der Punkte, die, wie die Bundesregierung gerade klargestellt hat, für uns bedeutsam sind, nämlich die
Frage der positiven Fortentwicklung der Menschenrechte und darüber hinaus die Ratifizierung der beiden
Pakte, durchaus der Fall sein. Das spielt ja bei jedem Besuch und bei Treffen im Rahmen der Menschenrechtskommission in Genf eine große Rolle; auch bei meinen
Gesprächen im letzten Sommer mit Menschenrechtskommissar de Mello, der auf tragische Art und Weise im
Irak ermordet wurde, und mit Mary Robinson hat das
eine Rolle gespielt, und zwar nicht nur, weil sich, wenn
diese beiden Pakte ratifiziert und ihre Inhalte umgesetzt
werden, die internationale Gemeinschaft und die entsprechenden Institutionen der VN, hier vor allen Dingen
der Menschenrechtskommissar, darauf berufen können,
sondern auch deswegen, weil das für die Entwicklung
der inneren Demokratie von Bedeutung ist. Selbstverständlich kann dieses Instrument, wenn es von der EU,
auch bezogen auf die friedliche Beilegung des Streites
mit Taiwan, entsprechend angewandt wird, eine positive
Entwicklung auslösen. Ich will das nicht abstreiten. Wir
müssen das aber auf der Grundlage, wie es die Bundesregierung hier heute zum wiederholten Male dargestellt
hat, sehen. Das heißt, die Bindung an diese beiden
Punkte ist von großer Bedeutung.
Außerdem muss man, wie ich denke, in der Tat berücksichtigen, dass das China von 1989 nicht das China
von heute ist. Auf der Tagesordnung stehen dennoch
nach wie vor - bei jedem Gespräch spielt das eine
Rolle - die Tibetfrage, also die Fragen von Autonomie
und religiöser Freiheit bei gleichzeitig strikter Ablehnung jeglicher Abtrennungsüberlegungen, und die Fragen allgemeiner Menschenrechte wie Demonstrationsund Meinungsfreiheit. Der Bundeskanzler hat diesbezüglich in Kanton eine hervorragende Rede gehalten,
({0})
in der er insbesondere auf den freien Zugang zum Internet ohne Kontrolle eingegangen ist; ich darf auch an die
Rede des Bundespräsidenten in Nanking erinnern. All
diese Punkte erwähne ich. Wenn eine ehemalige Rechtsstaatspartei wie die FDP darüber nur noch den Kopf
schüttelt,
({1})
so muss ich ihr entgegenhalten: Genau um diese Punkte
wird es bei der diesbezüglichen Diskussion innerhalb der
Europäischen Union gehen.
Aus aktuellem Anlass wiederhole ich aber noch einmal: Auch die friedliche Beilegung des Streits mit Taiwan ist für uns ein wichtiger Punkt.
({2})
Die nächste Frage stellt der Kollege Friedbert Pflüger.
Herr Bundesminister, halten Sie es - ungeachtet der
Nichtbeantwortung der bisher gestellten Fragen ({0})
für klug, dass durch Einlassungen des Bundeskanzlers
bei seiner Reise der Eindruck entstanden ist, als ob
Deutschland ohne Absprache mit den EU-Partnern und
ohne Absprache mit dem Außenminister in einer sehr
wesentlichen Frage vorpresche, die insbesondere aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen China
und Taiwan an Relevanz gewinnt?
Es tut mir Leid, Kollege Pflüger, ich teile Ihre Grundvoraussetzungen überhaupt nicht. Insofern komme ich
auch zu anderen Klugheitserwägungen. Ich kann nur
nochmals darauf verweisen, was ich vorhin auf die Fragen anderer Kolleginnen und Kollegen geantwortet
habe. Ich müsste mich jetzt wiederholen, tue das aber
nicht, weil ich Ihrer Klugheitsdefinition nicht nahe treten
will.
({0})
Die nächste Frage stellt die Kollegin Gisela Piltz.
Herr Bundesaußenminister, teilen Sie die Auffassung
des Bundeskanzlers, die er bezüglich des Rüstungsexportes nach China geäußert hat?
Welcher Rüstungsexport? Sie meinen seine Auffassung zur Aufhebung des Embargos und nicht zum Rüstungsexport.
Das ist ja dann die Folge, oder? Ich dachte, Sie würden die Frage schon richtig verstehen.
Ich habe die Haltung der Bundesregierung gerade
dargestellt. Das ist auch die Haltung des Bundeskanzlers
und des Bundesaußenministers. Sonst würde ich ja meinem Auftrag gegenüber dem Parlament nicht gerecht
werden. Die Antworten sind abgestimmt; nehmen Sie sie
so, wie sie gegeben wurden.
({0})
Die nächste Frage hat der Kollege Ruprecht Polenz.
Herr Außenminister, drei Tage vor der Chinareise des
Bundeskanzlers hat ein Treffen der EU-Außenminister
stattgefunden. Da Sie gesagt haben, dass Sie mit dem
Bundeskanzler über alles sprechen, möchte ich Sie fragen, ob Sie Ihre EU-Kollegen über den Vorstoß des Bundeskanzlers hinsichtlich des Waffenembargos informiert
haben und, wenn nicht, warum Sie die Bundesregierung
wiederum dem Vorwurf aussetzen, solche Dinge allenfalls telefonisch mit Frankreich abzustimmen.
Ich kann für mich definitiv ausschließen, dass ich darüber gesprochen habe. Allerdings kann ich Ihnen nicht
sagen, ob das eine der Sitzungen des Allgemeinen Rates
war, an denen ich nicht teilgenommen habe. Insofern
muss ich diesen Vorbehalt machen. Ich kann nicht aus
dem Kopf rekonstruieren, ob ich bei dieser Sitzung zugegen war. Ich kann allerdings definitiv ausschließen,
dass ich, wenn ich zugegen war, darüber gesprochen
habe.
({0})
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Andreas
Schockenhoff.
Herr Minister, teilen Sie die Auffassung der Sprecherin von Amnesty International, die, wie heute in der
„Süddeutschen Zeitung“ zu lesen ist, im Zusammenhang
mit der Aufhebung des Waffenembargos gegen China
gesagt hat, die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung sei an einem Tiefpunkt angelangt? Falls Sie diese
Auffassung nicht teilen sollten: Können Sie sich vorstellen, wie die Sprecherin von Amnesty International überhaupt zu einer solchen Auffassung kommt?
Ich schätze die Arbeit von Amnesty International
sehr. Das Auswärtige Amt arbeitet auf das Engste mit
dieser Organisation zusammen. Sie leistet eine extrem
verdienstvolle Arbeit. Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen beteiligen sich an Aktionen dieser Organisation. In diesem speziellen Fall aber teile ich die Auffassung der Sprecherin von Amnesty International
definitiv nicht.
({0})
Die nächste Frage hat der Kollege Karl-Theodor
Freiherr von und zu Guttenberg.
Herr Bundesaußenminister, können Sie mir vor dem
Hintergrund der hier geschilderten Haltung der Bundesregierung bezüglich der Aufhebung des Waffenembargos sagen, wie diese mit den am Freitag zu entscheidenden Strategien der EU bezüglich Abrüstung und
Nichtproliferation in Einklang zu bringen ist?
Das kann ich Ihnen sehr wohl erläutern, allerdings unter dem Vorbehalt, dass dieses wirklich vorzügliche Dokument angenommen wird. Gerade die Bundesregierung
hat nicht unwesentlich an dieser Initiative mitgearbeitet.
Hier geht es um einen erweiterten Sicherheitsbegriff. Ich
bitte Sie, zu begreifen, dass dies angesichts der Richtung, in die große Länder, wichtige Länder - etwa die
Volksrepublik China - gehen, wegen der teilweise
schwierigen bilateralen Kooperation einer differenzierten Antwort bedarf. In dem entsprechenden Dokument,
das verabschiedet werden soll und, wie ich hoffe, auch
verabschiedet wird - Deutschland hat hart daran gearbeitet -, muss im Sinne des erweiterten Sicherheitsbegriffes
eine differenzierte Betrachtung der Gesamtentwicklung
erfolgen. Dazu gehört insbesondere die Situation der
Menschenrechte. In dem spezifischen Fall des Verhältnisses zwischen der Volksrepublik China und Taiwan
- Sie wissen um die Komplexität dieses Verhältnisses haben wir in allen Gesprächen immer wieder den Verzicht auf gewaltsame Lösungen betont, betonen ihn auch
jetzt und werden ihn, solange die Notwendigkeit besteht,
weiterhin betonen. Insofern sehe ich hier überhaupt keinen Widerspruch, Herr von Guttenberg.
Die nächste Frage hat die Kollegin Birgit Homburger.
Herr Bundesaußenminister, ich würde gerne von Ihnen wissen, ob Sie nach der Rückkehr des Kanzlers mit
ihm über seine Aussagen zum Thema Waffenembargo
gegenüber China gesprochen haben und, falls ja, was der
Inhalt dieses Gesprächs war.
({0})
Den Inhalt dieses Gesprächs finden Sie hier in den
mit der Bundesregierung abgestimmten Antworten des
Bundesaußenministers wieder.
({0})
Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen KarlTheodor Freiherr von und zu Guttenberg:
Besteht ein Konsens zwischen der Bundesregierung und
ihren EU-Partnern über eine mögliche Aufhebung des EUWaffenembargos gegenüber der Volksrepublik China?
Herr Kollege von und zu Guttenberg, gestatten Sie
mir, dass ich etwas kürzer aushole. Ich greife auch schon
vorweg; die Frage geht eigentlich thematisch exakt in
dieselbe Richtung wie andere Fragen zuvor und ist - aus
meiner Sicht - zu weiten Teilen schon beantwortet.
Es ist zwar richtig, dass mehrere EU-Partner sowie
Vertreter der EU-Kommission zu erkennen gegeben haben, dass sie über die Frage der Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber der VR China nachdenken. Allerdings besteht hierzu im EU-Kreis kein Konsens. Das
EU-Waffenembargo beruht, wie vorhin schon mehrfach
erwähnt, auf einem Beschluss des Europäischen Rates
vom 26. Juni 1989. EU-Ratsbeschlüsse können nur im
Konsens aufgehoben werden, das heißt in Einstimmigkeit. Ich wiederhole hier auch: Selbst wenn dieser Beschluss aufgehoben würde, bliebe die Anwendung der
restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung
hiervon unberührt.
({0})
Zusatzfrage, Herr Kollege Guttenberg.
Herr Minister, ich möchte an das anknüpfen, was Herr
Kollege Westerwelle vorhin in Bezug auf die Konsensbildung gesagt hat. Mit welchen EU-Mitgliedstaaten neben Frankreich, das ja in diesem Zusammenhang zitiert
wurde, und mit welchen EU-Institutionen hat die Bundesregierung - nicht nur der Bundeskanzler - wann über
eine mögliche Aufhebung des Waffenembargos gegenüber China gesprochen?
Es liegt aus unserer Sicht noch keine operative Initiative vor. Das war in der Kürze der Zeit aus unserer Sicht
auch nicht möglich. Wie Sie aufgrund der Ereignisse der
vergangenen Tage unschwer erkennen konnten, hatten
wir jede Menge zu tun, vor allen Dingen auch im internationalen Rahmen. Insofern liegt die Antwort auf die
Frage nach der operativen Umsetzung in der Zukunft;
ich kann Ihnen diese Antwort noch nicht geben.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Nachdem ich unschwer erkennen konnte, dass Sie in
den vergangenen Tagen insbesondere mit dieser Fragestellung zu tun hatten, stellt sich für mich die Anschlussfrage, wie ebendiese operativen Initiativen gestaltet sein
sollen. Das ist genau die Frage, die Herr Kollege
Koppelin vorhin schon gestellt hat; ich stelle sie erneut:
Wie kann die operative Initiative als solche gestaltet sein
und wie wollen Sie den Konsens herstellen?
Den ersten Teil Ihres Satzes, dass wir hauptsächlich
damit zu tun hatten, kann ich überhaupt nicht bestätigen.
({0})
Es waren in erster Linie andere Fragen, mit denen wir zu
tun hatten - ich füge hier ganz offen hinzu: leider. Es
ging um sehr viele internationale und auch nationale Fragen, die jetzt zur Entscheidung anstehen. Gerade in dieser Woche fand eine Vielzahl von multilateralen Konferenzen statt; ich habe innerhalb einer Woche an
insgesamt vier unterschiedlichen multilateralen Konferenzen teilgenommen. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl
internationaler Krisen. Sie werden also verstehen, dass
wir uns nicht hauptsächlich mit dieser Frage beschäftigt
haben.
Ich für meinen Teil kann hier nur sagen: Das bleibt
den Beratungen in der Bundesregierung vorbehalten. Ich
wage hier nicht zu spekulieren und werde hier keine Ankündigungspolitik betreiben.
({1})
Eine weitere Frage hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer.
Herr Bundesaußenminister, ich bin noch nicht ganz
zufrieden mit Ihrer Beantwortung dieser Frage, deshalb
traue ich mich, nachzufragen.
({0})
Ich traue mich deshalb, nachzufragen, weil mir nicht
ganz klar ist, warum ausgerechnet eine Bundesregierung
unter Rot-Grün, die für Abrüstung und Rüstungskontrolle steht, in der Lage sein soll, die Argumente und die
strategischen Zielrichtungen zu finden, die nötig sind,
um einige Länder in der EU davon zu überzeugen - ich
weiß definitiv, dass sich einige Länder schwer davon
überzeugen lassen -, dass das Waffenembargo aufgehoben werden sollte.
Ich finde es sehr gut, dass Sie nochmals darauf hingewiesen haben, dass wir für Abrüstung und Rüstungskontrolle stehen. Das wollen wir auch in Zukunft so handhaben.
({0})
Ich könnte jetzt viele praktische Beispiele in Bezug
auf die Vorgängerregierung anführen, auch wenn ich
weiß, wie schwierig es manchmal ist, solche Entscheidungen zu treffen. Aber ich möchte nicht in die Vergangenheit blicken, sondern konkret auf Ihre Frage Bezug
nehmen.
Ich habe unsere Haltung bereits klar gemacht, möchte
dies aber wiederholen; insofern ist Ihnen für Ihr Nachfragen zu danken. Es wird die Frage gestellt, warum geBundesminister Joseph Fischer
genüber China ein Waffenembargo besteht und nicht gegenüber anderen Ländern, in denen zum Beispiel die
Menschenrechtssituation gravierender ist oder andere
Zusammenhänge eine Rolle spielen. Dafür gibt es historische Gründe. Die Perspektive einer Aufhebung ist von
der Bundesregierung bewusst, wie in meinen Antworten
dargestellt, an Fortschritte im Menschenrechtsbereich
gebunden. Ich möchte die beiden entsprechenden Pakte
nicht wiederholen. Ich könnte Ihnen die einzelnen Gesichtspunkte, die für uns eine Rolle spielen - bis hin zur
Lage der Christen in China und zur friedlichen Beilegung des Streites mit Taiwan -, noch einmal aufzählen.
Welche Rolle das spielt, sehen wir gerade anlässlich
des Besuches der Vereinigten Staaten durch den chinesischen Premierminister, der sich gestern mit Präsident
Bush getroffen hat. Ich kann Ihnen nur sagen: An diesem
Punkt ist unsere Position unverändert. Meine Antwort
hat klar gemacht, dass sie unverändert ist.
({1})
Die nächste Frage hat der Kollege Wolfgang
Schäuble.
Herr Bundesminister, nachdem Sie gesagt haben, dass
es in der EU keinen Konsens über die Aufhebung des
Waffenembargos gibt, möchte ich Sie fragen, ob es den
Vorstellungen der Bundesregierung über eine gemeinsame Außenpolitik der EU entspricht, dass der Bundeskanzler in China eine einseitige Festlegung macht, ohne
dass es zuvor einen Konsens der EU in dieser Frage gegeben hat.
Kollege Schäuble, die gemeinsame Außenpolitik der
EU sieht nicht so aus, dass es in jeder einzelnen Frage,
vor allem im bilateralen Verhältnis, einen gemeinsamen
Standpunkt gibt. Das war zu Ihrer Zeit nicht so und das
ist zu unserer Zeit nicht so. Es ist völlig klar: Hier handelt es sich um einen Beschluss, den die EU - sollte es
dazu kommen - zu treffen hat. Wir haben unsere Position zweifelsfrei klar gemacht; wir führen bilaterale Gespräche.
Ich habe heute mit dem Kollegen Iwanow ({0})
- auch der Bundeskanzler hat mit China kein EU-Mitgliedsland besucht - eine umfangreiche Agenda multilateraler und bilateraler Fragen erörtert. Ich sage Ihnen
ganz offen: Ich vertrete dabei nicht immer den abgestimmten Standpunkt der Europäischen Union, sondern
erlaube mir dann und wann, darüber hinauszugehen,
wissend darum, dass ich für eine Initiative erst einmal
eine Mehrheit brauche. Wenn Sie die Frage, ob Sie in
eine bestimmte Richtung initiativ werden oder nicht, an
einer neuen Konsensbildung festmachen, wird die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union nicht
weit kommen. So sehe zumindest ich das.
({1})
Insofern verstehe ich Ihre Kritik überhaupt nicht. Es
ist keineswegs so, dass damit die Beschlussfassung der
Europäischen Union im Konsens überflüssig gemacht
wird.
({2})
- Nein.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Guido
Westerwelle.
Herr Minister, Tatsache ist ja, dass es schon eine abgestimmte Haltung der Europäischen Union gibt. Sie haben vorhin in einer Antwort gesagt, Sie hätten noch
keine Zeit gehabt, um zur Aufhebung des Waffenembargos „operative Initiativen zu ergreifen“. Meine Frage
lautet: Werden Sie operative Initiativen ergreifen, sobald
Sie, Herr Minister, Zeit haben?
Herr Kollege Westerwelle, ich kann Ihnen nur sagen,
was ich schon vorhin festgestellt habe: Dies bleibt den
Beratungen in der Bundesregierung vorbehalten. Mehr
kann ich dazu nicht sagen. Ansonsten würde ich dem
Parlament gegenüber etwas präjudizieren, wobei ich mir,
wenn es dann anders käme, gut vorstellen kann, wie
mich der Abgeordnete Westerwelle dann zitieren würde.
({0})
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Andreas
Schockenhoff.
Herr Minister, Sie haben hier ausgeführt, gemeinsame
Außenpolitik der Europäischen Union heiße nicht, in jeder Einzelfrage eine abgestimmte Position zu haben.
({0})
- Im bilateralen Gespräch.
Sie haben uns auch vorgetragen, dass unter Ihrer Vorgängerregierung im Jahr 1989 ein sehr restriktiver Beschluss zum Waffenexport gegenüber China zustande
gekommen ist. Ich frage Sie: Sind Sie der Meinung, dass
diesem Beschluss des EU-Rates eine Abstimmung vorausgegangen ist, und halten Sie diesen Beschluss des
EU-Rates nach wie vor auch für die Nachfolgebundesregierung für verbindlich, solange sie sich nicht für eine
Aufhebung des Beschlusses eingesetzt hat?
Wir halten uns an alle Beschlüsse, die in der Europäischen Union Gültigkeit haben. Insofern ist das meines
Erachtens überhaupt keine Frage, es liegen keinerlei solcher Lieferungen vor.
Selbstverständlich gibt es vor jedem Beschluss in der
Europäischen Union Beratungen, ansonsten könnte ein
solcher Beschluss gar nicht gefasst werden. Wir werden
jetzt, vorausgesetzt, die Prognose trifft ein - ich vermute, sie trifft ein -, eine gemeinsame Strategie verabschieden. Das hat natürlich eine Vielzahl von Gesprächen vorab notwendig gemacht. Wenn diese Strategie
verabschiedet ist, wird sie die verbindliche Grundlage
sein. Sie gilt für entsprechende Exportregelungen, für
Exportverbote, Embargos, sie gilt so lange, bis etwas anderes beschlossen wird.
Eine Frage im bilateralen Verhältnis zu ventilieren, in
welche Richtung es gehen könnte, zu den Bedingungen,
die ich gerade genannt habe, ist kein Widerspruch zu einer gemeinsam abgestimmten europäischen Außenpolitik. Ich bitte Sie!
({0})
Eine weitere Frage hat der Kollege Christoph
Bergner.
Herr Bundesaußenminister, Sie haben in all Ihren
Ausführungen großen Wert darauf gelegt, dass konzertierte Meinungsbildungen einzelne Vorstöße und singuläre Meinungsäußerungen nicht ausschließen. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie jenseits aller
Abstimmungsprozesse im Kabinett und in der EU fragen, ob Sie persönlich die Zeit für reif halten, das EUWaffenembargo gegenüber China aufzuheben.
Ich persönlich teile den Standpunkt, den die Bundesregierung dem Parlament vorgetragen hat.
({0})
Entschuldigen Sie, Herr Präsident, wenn ich noch etwas
hinzufüge. Sie würden mich doch zu Recht der real existierenden Schizophrenie zeihen, wenn ich persönlich anderer Meinung wäre.
({1})
Die nächste Frage hat der Kollege Ruprecht Polenz.
Herr Außenminister, der Bundeskanzler hat sich eindeutig festgelegt, dass er sich für die Aufhebung des EUWaffenembargos einsetzen will. Das macht im Grunde
nur dann Sinn, wenn dahinter ein Exportinteresse
Deutschlands steht. Wenn dem nicht so wäre, müsste
man nicht die Vorreiterrolle einnehmen. Ich frage Sie
ganz konkret: Können Sie ausschließen, dass es im Zusammenhang mit Waffenlieferungen Vorverabredungen
im Hinblick auf mögliche Zusagen gegeben hat, wie es
sie etwa in Bezug auf die Hanauer Nuklearfabrik zur
Überraschung vieler, aber nicht zur Überraschung einiger gab?
Kollege Polenz, ich möchte das eine nicht mit dem
anderen verbinden, es handelt sich um völlig unterschiedliche Tatbestände.
({0})
Ich muss in aller Entschiedenheit die Unterstellung
zurückweisen, dass es irgendwelche von Ihnen insinuierte Verabredungen gegeben hat oder so etwas im Raum
steht. Das muss ich wirklich mit aller Entschiedenheit
zurückweisen.
({1})
Die nächste Frage hat der Kollege Friedbert Pflüger.
Herr Bundesminister, als vormaligen Grünen wollte
ich Sie fragen,
({0})
ob Sie sich, wenn Sie anstelle des Bundeskanzlers gereist wären, genauso eingelassen hätten wie der Herr
Bundeskanzler?
Herr Kollege Pflüger, ich will gern auf Ihre Frage, die
Frage eines zukünftigen Schwarzen, antworten. Ich kann
nur sagen: Fragen im Konjunktiv sind nicht zu beantworten. Wenn die Bundesregierung reist, dann vertritt
sie ihren Standpunkt. Diesen habe ich Ihnen gerade dargestellt und den vertrete ich aus voller Überzeugung, wie
Sie merken.
({0})
- Das gilt für den Bundeskanzler ganz genauso. Das ist
die abgestimmte Position der Bundesregierung. Da können Sie so lange fragen, wie Sie wollen.
({1})
- Das hat mit Realsatire überhaupt nichts zu tun. Das
einzig Satirische - Kollege Westerwelle, lassen Sie mich
diese Antwort geben - ist Folgendes: Der entscheidende
Sachverhalt ist hier im Grunde genommen schon vor
langer Zeit von der Bundesregierung klargestellt worden. Aufgrund der Veränderungen muss man sich die
Frage stellen, ob es ein Instrument gibt, das an entspreBundesminister Joseph Fischer
chende Verbesserungen gebunden wird, und zwar nicht
nur an irgendwelche Zusagen, sondern an reale Verbesserungen im Hinblick auf die Menschenrechtssituation,
auf die friedliche Beilegung des Streits im Verhältnis zu
Taiwan und die allgemeine Entwicklung in der Volksrepublik China. Die Frage ist, ob es nicht sinnvoll ist, darüber nachzudenken.
({2})
Diese Sache ist seit langem klar. Insofern gebe ich offen zu: Die Fragen, die Sie jetzt stellen, sind teilweise
nur noch im Stile einer Gebetsmühle zu beantworten, indem man diesen Sachverhalt immer wieder wiederholt
oder
({3})
indem man auf den ironischen Sachverhalt weiterer Zusatzfragen mit entsprechender Ironie eingeht. Das ist die
Lage; dafür machen Sie bitte nicht mich verantwortlich.
({4})
Die nächste Frage hat der Kollege Erich Fritz.
Herr Bundesminister, da Sie uns gerade vorgetragen
haben, dass Sie mit Ihrem russischen Amtskollegen
Iwanow gesprochen haben,
({0})
fragen ich Sie: Haben Sie ihm erklärt, warum die Bundesregierung überlegt, die MOX-Anlage nach China zu
verkaufen, dies aber nach Russland nicht möglich war,
({1})
obwohl dort die Überführung von waffenfähigem Plutonium in den zivilen Brennstoffkreislauf möglich gewesen wäre?
Ich möchte Ihr Gedächtnis etwas auffrischen. Erstens.
Dieses Thema hat bei den Gesprächen mit meinem Kollegen Iwanow keine Rolle gespielt.
Zweitens. Die Voranfrage der Firma Siemens war damals - ich glaube, es war im September 2000, zumindest
was mein Haus betrifft - nach den Prüfungen, die ich gemäß § 7 des Außenwirtschaftsgesetzes vorzunehmen
hatte, positiv beschieden worden. Das scheinen Sie vergessen zu haben.
Dass das Geschäft nicht zustande gekommen ist oder
dass letztendlich kein Ausfuhrantrag gestellt worden ist,
der zu bescheiden gewesen wäre, lag ausschließlich an
den Finanzierungsvorstellungen der russischen Seite. Es
scheint aber bei Ihnen wie auch bei anderen in der Öffentlichkeit in Vergessenheit geraten zu sein, dass es damals einen positiven Vorbescheid der Bundesregierung
auf diese Voranfrage gegeben hat.
({0})
Eine weitere Frage hat der Kollege Hartwig Fischer.
Herr Bundesminister, haben Sie vor dem Hintergrund
der Entwicklungen in der EU in den vergangenen Monaten - ich nenne hier nur den Stabilitätspakt und die Frage
des Embargos - nicht den Eindruck, dass andere europäische Staaten der Meinung sein müssten, dass
Deutschland hier einen Sonderweg gehen will?
Nein, diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht. Unser niederländischer Nachbar hat bezüglich des Stabilitäts- und Wachstumspakts scharfe Kritik geübt und
wurde hier im Hause gerade von Ihnen im Rahmen der
Debatte über den Stabilitätspakt inniglich zitiert. Nach
dem jüngsten Bericht der Kommission entwickeln sich
die Niederländer hinsichtlich ihres Defizits in Richtung
3,25 Prozent.
({0})
- Er steht zum Vertrag, Herr Westerwelle. Wir stehen
auch zum Vertrag. Ich sage Ihnen: Die Aufwüchse erfolgten von Jahr zu Jahr in 1-Prozent-Schritten.
Das heißt im Klartext - ich danke Ihnen für die
Frage -: Die Bundesregierung hält am Stabilitätspakt
fest. Sie können sich ruhig an den Kopf greifen: Wenn
es kein Vorziehen der Steuerreform gäbe, würden wir
die 3-Prozent-Grenze schaffen. Wir halten dieses Vorziehen angesichts des Anschubeffektes - ein Einmaleffekt mit einer kurzfristigen Verschuldung und bzw. oder
einer Erhöhung der Veräußerungserlöse - jetzt zu Beginn eines konjunkturellen Aufschwungs aber für extrem wichtig.
Ich höre, auch der bayerische Ministerpräsident gehört mittlerweile zu den Überzeugten. Ich nehme an, die
Parteivorsitzende Merkel wird sich diesen Überzeugungen - dem Weihnachtsstern von Bethlehem Richtung
Vermittlungsausschuss folgend - ebenfalls anschließen,
sodass Herr Koch am Ende zurückbleibt. Aber der Stabilitätspakt - das kann ich Ihnen versichern - gilt auch in
den kommenden Jahren, selbst bei den Anstrengungen,
die wir im gerade beginnenden Aufschwung unternehmen müssen.
Das wird sich auch auf andere auswirken. Frankreich
unternimmt gleichfalls große Anstrengungen, das angestrebte Ziel zu erreichen. Auch die Niederlande werden
dieses tun. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Ich teile
Ihre Auffassung überhaupt nicht.
({1})
Eine weitere Frage hat der Kollege Jürgen Koppelin.
({0})
- Dies ist eine interessante Fragestunde.
({1})
Wir alle sollten ein Interesse daran haben, interessante
Fragestunden abzuwickeln.
({2})
Herr Bundesminister, haben Sie eine Erklärung dafür,
dass die Äußerungen des Bundeskanzlers in China in
den Koalitionsfraktionen so viel Unruhe geschaffen haben, dass sich Koalitionsabgeordnete auch öffentlich geäußert und ihre Empörung zum Ausdruck gebracht haben, wenn diese Äußerungen des Bundeskanzlers nach
Ihrer Darstellung doch völlig harmlos sind und nur die
Politik der rot-grünen Koalition wiedergeben? Muss ich
dem entnehmen, dass diese Aufregung der Koalitionsabgeordneten völlig unnötig gewesen ist?
({0})
Als Vertreter der Bundesregierung würde ich es nie
wagen, die Aufregung von unabhängigen und frei gewählten Abgeordneten - weder von solchen der Opposition noch von solchen der Koalition - zu qualifizieren.
({0})
Aber ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Es wird immer
wieder Themen geben, über die wir - mal mehr, mal weniger - diskutieren müssen. Ich denke, dass wir heute
klar gemacht haben, worum es uns geht.
({1})
- Bei Ihnen ist das natürlich nicht angekommen. Ich
könnte wirklich
({2})
den Stein der Weisen gefunden haben und Sie würden
sagen, es sei nur Dreck. Das ist nun einmal die Aufgabe
der Opposition.
({3})
Insofern möchte ich mich da auch nicht weiter mühen.
({4})
- Aber nur, Herr Westerwelle, wenn ich Sie mitnehme.
Sie würden dann unter Wasser gehen.
({5})
Herr Bundesminister, haben Sie die Frage beantwortet?
Ja.
Gut.
Frau Kollegin Pfeiffer, ich muss Ihnen sagen, dass Sie
bereits eine Frage gestellt haben. Es steht Ihnen nicht zu,
eine zweite Frage zu stellen.
Damit sind wir am Ende der Befragung zu diesem
Punkt. Herr Bundesminister, ich bedanke mich für Ihre
Bereitschaft, die Fragen zu beantworten.
({0})
Die Fragen 20 und 21 werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Petra Pau auf:
Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung bisher
unternommen - wie vom Bundesminister des Auswärtigen,
Joseph Fischer, vorgeschlagen; vergleiche „Berliner Zeitung“
vom 27. Oktober 2003 -, die Altersversorgung von Staatssekretären und Ministern des Bundes zu überprüfen, und zu
welchen Erkenntnissen und Ergebnissen ist die Bundesregierung bei diesen Prüfungen gekommen?
Herr Präsident, ich beantworte die Frage wie folgt:
Die Übertragung der Änderungen in der gesetzlichen
Rentenversicherung auf die Versorgung der Beamtinnen
und Beamten, Richterinnen und Richter und Soldatinnen
und Soldaten des Bundes wirkt unmittelbar auch auf den
in der Frage angesprochenen Personenkreis. Darüber hinaus werden weitere Änderungen im Bereich der Versorgung der Mitglieder der Bundesregierung und der Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Parlamentarischen
Staatssekretäre des Bundes geprüft.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Pau, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie uns etwas über den
Stand der Prüfungen und Vorarbeiten und vielleicht auch
über die Zeitplanung bezüglich der Umsetzung in Gesetze sagen? Immerhin hat es die Bundesregierung und
die Mehrheit in diesem Parlament geschafft, die Bezüge
der Rentnerinnen und Rentner in historisch kurzer Zeit
zu kürzen. Also müssten wir doch auch jetzt Tempo vorlegen, wenn es darum geht, unsere eigenen Bezüge zu
kürzen.
Frau Kollegin, ich möchte Sie an die letzte Besoldungsanpassung im öffentlichen Dienst erinnern. Die
Ministerinnen und Minister sowie die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre haben an der Besoldungsanpassung nicht teilgenommen. Ich erlaube mir, das in Erinnerung zu rufen, um Ihnen einmal deutlich zu machen, wie
der Beitrag aussieht. Im Übrigen bleibe ich bei der Aussage, dass sich die Frage der Versorgung in der Prüfung
befindet.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Frau Pau.
Mir ist sehr wohl bekannt, dass die Anpassung der
Ministergehälter entsprechend dem öffentlichen Dienst
nicht bzw. in abgeschwächter Form stattgefunden hat.
Der Bundesaußenminister hat sich aber in der zitierten
und nachgefragten Äußerung ganz deutlich auf die Altersbezüge und Pensionen bezogen. Daher frage ich Sie
noch einmal: Welche Vorstellung hat die Bundesregierung, wie dieser Bereich in Zukunft konkret geregelt
werden soll?
Sie wissen, dass beispielsweise in den Bereichen der
Sonderzuwendungen und des Urlaubsgeldes auf Bundesebene für das Jahr 2004 folgende klare Entscheidungen
zur Versorgung getroffen worden sind. Dies zeigt, dass
auch in den Bereich der Versorgung der von Ihnen angesprochenen Personengruppe tief eingegriffen wird.
Die Fragen 23 und 26 aus diesem Geschäftsbereich
werden schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 27 bis 33 aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Zunächst kommen wir zu Frage 34 des Kollegen
Hans-Michael Goldmann:
Ist die Bundesregierung mit der zuständigen Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft,
Renate Künast, der Meinung - vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom 29./30. November 2003 -, dass die vom Bundesrat
beschlossene Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nicht in
Kraft treten sollte?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter Goldmann, für die Bundesregierung kann ich Ihnen auf Ihre Frage folgende Antwort geben: Ja.
Eine Zusatzfrage, Kollege Goldmann.
Herr Kollege Staatssekretär Berninger, ich habe, wie
Sie sicherlich gelesen haben, ausdrücklich nach dem
Standpunkt der Bundesregierung gefragt. Sie haben mit
Ja geantwortet. Wie ist es zu erklären, dass sich große
Teile der Sozialdemokratischen Partei wie auch der Tierschutzbeauftragte der Sozialdemokratischen Partei, Herr
Dr. Priesmeier, in dieser Frage ganz anders geäußert haben?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter Goldmann, mir ist nicht bekannt,
dass unser Kollege Priesmeier Teil der Bundesregierung
ist.
Sind Sie der Meinung, dass die Sozialdemokratische
Partei, wenn es um grüne Weichenstellungen geht, nicht
mehr Teil der Bundesregierung ist?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter Goldmann, ich kann mich nur
wiederholen: Die Bundesregierung hat in dieser Frage
eine eindeutige Position. Diese habe ich in der Antwort
auf Ihre Frage deutlich gemacht.
Da es keine weiteren Fragen von anderen Abgeordneten gibt, kommen wir nun zu Frage 35 des Kollegen
Goldmann:
Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast - vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom 29./30. November 2003 -, sie werde keinesfalls
die vom Bundesrat verlangte Änderung zu der von ihr vorgelegten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung akzeptieren und
die Verordnung deshalb nicht unterschreiben?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Goldmann, die Bundesregierung bewertet die Aussage der Bundesministerin Künast, auf die Sie
sich in Ihrer Frage beziehen, uneingeschränkt positiv.
Außerdem möchte ich festhalten, dass mit der Umsetzung des Bundesratsbeschlusses eine ganze Reihe von
Rechtsunsicherheiten verbunden wären. Insbesondere
wäre mit den Maßgabebeschlüssen des Bundesrates die
Richtlinie 1999/74/EG zum Schutz von Legehennen
nicht in Einklang zu bringen.
Ihre Zusatzfrage, Herr Goldmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht wie ich der Meinung, dass die Bundesregierung mit dieser Vorgehensweise, die die Frau Ministerin gewählt hat, ein Mahnverfahren seitens der EU riskiert?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Diese Auffassung teile ich nicht. Wir könnten auch
bei einer Reihe weiterer Fragen auf das Thema Mahnverfahren zu sprechen kommen. Es hat eine Reihe von
Aktivitäten vonseiten der Bundesregierung gegeben, um
solche Mahnverfahren abzuwehren. Insbesondere
möchte ich auf ein Schreiben vom Juni 2002 an die Veterinärbehörden der Länder sowie die Ministerien für Umwelt des Saarlandes und für Umwelt, Naturschutz und
Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein hinweisen. Darin haben wir die Länder gebeten, uns darüber zu
unterrichten, inwieweit die einschlägigen Landesrahmenbedingungen im Bereich der Schweinehaltung mit
dem EU-Recht in Einklang stehen. Wir haben von allen
Ländern eine positive Rückmeldung erhalten und diese
nach Brüssel weitergeleitet.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Goldmann.
Herr Staatssekretär, es sind zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen die Regelung anhängig, die mit der
neuen Legehennenhaltungsverordnung auf den Weg gebracht worden ist. Die Bundesregierung hat, soweit ich
weiß, bis zum März 2004 Gelegenheit, dazu Stellung zu
beziehen. Können Sie uns schon mitteilen, in welcher
Form die Bundesregierung dazu Stellung nehmen wird?
Können Sie uns darüber informieren, ob es eine Information oder eine Beteiligung des zuständigen Fachausschusses geben wird?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter Goldmann, die Bundesregierung
ist nach wie vor der Meinung, dass das geltende Recht
vom November 2001, welches das Verbot von Tierhaltung in Käfigen des alten Typs bis Ende des Jahres 2006
vorsieht und darüber hinaus weitere Verbotsregelungen
für entsprechende andere Käfighaltungssysteme beinhaltet, Grundlage für ihre Arbeit ist. Vor diesem Hintergrund werden wir zu den anhängigen Verfassungsklagen
Stellung nehmen.
Der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht verbietet es, dass ich hier darüber spekuliere, wie diese Verfahren ausgehen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass
der Bundesrat und der Bundestag den Beschluss zur
Nutztierhaltungsverordnung nach einer umfangreichen
Prüfung der Verfassungsmäßigkeit gemeinsam gefällt
haben, sodass ich keinen Grund habe, an der Verfassungskonformität dieses gemeinsamen Beschlusses von
Bund und Ländern zu zweifeln.
Wir kommen zur Frage 36 der Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan:
Kann die Bundesregierung auf Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen ausschließen, dass die Boden- und Freilandhaltung von Legehennen mit Nachteilen für den Verbraucher- und Tierschutz verbunden sein kann?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete Happach-Kasan, der Einfluss der
verschiedenen Haltungsverfahren insbesondere auf die
Belange des Tierschutzes wird derzeit untersucht. Daher
sind die Agrarministerinnen und Agrarminister von
Bund und Ländern im Rahmen der Agrarministerkonferenz vom 26. September 2003 übereingekommen, das
BMVEL nach Abschluss dieser umfangreichen Untersuchungen um einen Bericht zu bitten. Dieser wird entsprechend vorgelegt.
Ergänzend möchte ich sagen, dass gerade in den Ländern, die eine lange Tradition in der artgerechten Haltung von Legehennen haben, keine Nachteile für den
Tier- oder Verbraucherschutz festgestellt worden sind.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, meines Wissens gibt es nicht nur
die angesprochenen Untersuchungen, sondern auch bereits Untersuchungsergebnisse. Ich frage Sie: Welche
Kenntnisse über die mikrobielle Belastung von Eiern aus
Freilandhaltung im Vergleich zu Eiern aus Käfighaltung
haben Sie?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen zu diesem Thema. Ganz grundsätzlich muss man sagen, dass
Eier, bevor sie in den Verkehr gebracht werden, zu untersuchen sind, wodurch sichergestellt wird, dass die Eier
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
so zu den Verbrauchern gelangen, wie es notwendig ist.
Das heißt, die Grundsätze des vorbeugenden Verbraucherschutzes müssen eingehalten werden.
Sie wissen, dass im Spannungsfeld zwischen dem
Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz immer wieder
Abwägungen zu treffen sind. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass eine Fläche in der Größe von
DIN A4 nicht als ein ausreichender Lebensraum für
Tiere bezeichnet werden kann. Durch den Einsatz moderner Technik müssen wir daher dafür Sorge tragen,
dass bei der Tierhaltung Tierschutz, Verbraucherschutz
und Umweltschutz künftig in angemessener Weise in
Einklang gebracht werden. Das konnte durch die Käfighaltung sicherlich nicht erreicht werden.
Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, wie Sie sicherlich wissen, ist insbesondere die Belastung von Lebensmitteln mit Salmonellen vor allem für kleine Kinder und ältere Menschen
außerordentlich gefährlich. Insofern frage ich Sie: Wie
hoch ist die Salmonellenbelastung von Eiern aus Freilandhaltung? Sind Sie nach der Abwägung wirklich der
Meinung, dass man eine solche Salmonellenbelastung,
die nachweislich in jedem Jahr zu Todesfällen in
Deutschland führt, hinnehmen muss?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete, die Salmonellenbelastung von Lebensmitteln ist zweifellos ein ernst zu nehmendes Problem. Für den Eintrag von Salmonellen gibt es eine Vielzahl von Ursachen. Es ist Politik der Bundesregierung,
dieses Risiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher
zu minimieren. Anders als die Vorgängerregierung haben wir uns bei der Tierhaltung deshalb um eine Minimierung der Risiken durch Salmonellen bemüht. Sie
wissen, dass wir das beispielsweise im Schweine-, aber
auch im Geflügelbereich zum Teil gegen den erheblichen Widerstand auch der Opposition durchsetzen konnten.
Glauben Sie mir: Die Bundesregierung beabsichtigt,
die Salmonellenbelastung insgesamt zu minimieren. Es
ist völlig klar: Unabhängig davon, wie das Huhn gelebt
hat, dürfen Eier mit einer zu hohen Salmonellenbelastung nicht in den Verkehr gebracht werden. Die einschlägigen Kontrollen stellen das auch sicher.
Eine weitere Frage des Kollegen Goldmann, bitte
schön.
Herr Staatssekretär, diese Frage wurde ja zur Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht. Ist es
zutreffend, dass es wissenschaftliche Untersuchungen
gibt, durch die der Verdacht sehr nahe gelegt wird, dass
die Freilandhaltung keineswegs so artgerecht, tierschutzgerecht, verbraucherfreundlich und krankheitsvorbeugend ist, wie Sie es hier darstellen? Haben Sie der TÜVRegelung, die im Bundesrat auf den Weg gebracht werden sollte - alle Haltungsformen sollten unter den von
mir angesprochenen Gesichtspunkten überprüft werden -, aufgrund dieser Einschätzung, die Sie kennen,
nicht zugestimmt?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Die in Ihrer Frage zugrunde liegende Unterstellung
möchte ich in aller Deutlichkeit zurückweisen, Herr Abgeordneter Goldmann.
Die Studie, auf die Sie sich beziehen, ist die der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
({0})
Diese Studie ist in der öffentlichen Debatte entsprechend
vorgetragen worden. Wir haben weitere so genannte Studien zu diesem Thema ausgewertet und kommen vonseiten der Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass wir
nicht auf die relativ unausgeprägten Erfahrungen in
Deutschland zurückgreifen sollten, sondern uns stattdessen beispielsweise an den jahrelangen Erfahrungen in
der Schweiz beim Verbot der Käfighaltung orientieren.
Über die Glaubwürdigkeit der Aussagen, Herr Abgeordneter, können Sie sich selbst ein Urteil bilden. Das
spielt aber hier keine Rolle. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir eine ganze Reihe von Studien ausgewertet
haben. Wir wollen insbesondere auf die Erfahrungen von
Ländern zurückgreifen, die eine lange Tradition mit artgerechten Haltungsverfahren bei Legehennen haben.
Hier sind zuvorderst die Schweizer zu nennen. Dort ist
genau das, was Sie in Ihrer Frage angesprochen haben,
anders beantwortet worden, als Ihnen recht zu sein
scheint.
Jetzt möchte der Kollege Friedrich Ostendorff eine
Frage stellen.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie bitten, etwas lauter zu sprechen. Hier jedenfalls sind Sie nicht zu verstehen.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fraktion der Grünen zur Kritik der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung an der von
der FDP immer wieder zitierten Studie der Tierärztlichen
Hochschule Hannover, weil diese Studie keine wissenschaftliche Grundlage für die Wiedereinführung der Käfighaltung in Form so genannter ausgestalteter Käfige
bietet?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter, das ist zweifellos richtig. Bundesministerin Künast hat für die Bundesregierung in ihrer
Rede vor dem Bundesrat bereits auf die Mängel dieser so
genannten Studie hingewiesen. Unter anderem geht es
um die Frage, wie die Daten erhoben worden sind. Auch
die Datengrundlage für die Studie ist in Zweifel zu ziehen. Es werden zum Teil Rückschlüsse auf Betriebsgrößen und -formen gezogen, die gar nicht Gegenstand der
Untersuchung waren. Ich würde sagen: Das Ergebnis einer solchen Studie dürfte unter dem Gesichtspunkt der
Wissenschaftlichkeit nicht einmal Grundlage einer Diplomarbeit sein.
Eine weitere Frage der Kollegin Angelika
Brunkhorst.
Herr Staatssekretär Berninger, wären Sie so freundlich, uns die von Ihnen erwähnten Studien, die so aufschlussreich sein sollen, zur Verfügung zu stellen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Das kann ich sehr gerne tun. Allerdings kann ich sie
Ihnen nicht einzeln vorlesen.
({0})
Wir können sie Ihnen gerne zukommen lassen.
({1})
Wir kommen jetzt zur Frage 37 der Kollegin
Dr. Christel Happach-Kasan:
Wie bewertet die Bundesregierung die These, dass mit der
Boden- und Freilandhaltung häufig höhere Mortalitätsraten
von bis zu 20 Prozent, ein erhöhter Medikamenteneinsatz und
verstärktes Schnabelkürzen bei Legehennen verbunden sind?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Happach-Kasan, die Tierverlustraten weisen in
allen Haltungssystemen einschließlich des herkömmlichen Käfigs erhebliche Varianzen auf. Bisher liegen
keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, die Ihre
These stützen, dass die Mortalitätsraten bei der Bodenhaltung zwingend 20 Prozent über denen der Käfighaltung liegen. Diese Zahl ist unter anderem auf Basis einer
Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover in die
Debatte gebracht worden, deren wissenschaftliche
Grundlage von einer ganzen Reihe von Experten inzwischen in Zweifel gezogen wird.
Eine Zusatzfrage, Frau Happach-Kasan, bitte schön.
Was ist Ihrer Kenntnis nach die Ursache für erhöhte
Mortalitätsraten, egal bei welcher Haltungsform?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Eine ganz wesentliche Ursache für erhöhte Mortalitätsraten ist die Nachlässigkeit von Tierhaltern, die sich
nicht vernünftig um ihre Tiere kümmern, wodurch zum
Beispiel Krankheiten im Bestand nicht frühzeitig erkannt werden. Eine zweite wesentliche Ursache kann
eine falsche Form der Fütterung der Tiere sein. Eine
dritte Ursache für erhöhte Mortalität ist die Tatsache,
dass die Tiere über den Boden entsprechende Stoffe aufnehmen können, die sie krank machen. Dazu kommt
noch der Hühnerhabicht ins Spiel. Für den Hühnerhabicht ist es zweifellos leichter, frei laufende Hühner zu
töten als solche, die in einem Käfig gehalten werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Happach-Kasan.
Ich gehe davon aus, dass es einfache mechanische
Mittel gegen den Hühnerhabicht gibt. Etwas schwieriger
ist es, Krankheitserreger bei der Bodenhaltung wirksam
zu bekämpfen. Stehen den Hühnerhaltern nach den gegenwärtig geltenden gesetzlichen Regelungen entsprechende
Medikamente zur Verfügung, um diese Krankheiten zu
bekämpfen? Inwieweit gestatten die Richtlinien des ökologischen Landbaus eine artgerechte Ernährung von
Hühnern?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Zur Frage eins kann ich Folgendes sagen: Wie Ihnen
bekannt ist, lebt Mastgeflügel in der Regel nicht in Käfigen, sondern in Boden- und Freilandhaltung. Damit ist
schon deutlich, dass es möglich ist, mit dem entsprechenden Management dafür zu sorgen, die Mortalitätsraten in diesem Bereich niedriger zu halten. Was den
Hühnerhabicht betrifft, so gibt es bei der Freilandhaltung
Grenzen, ihn daran zu hindern, sich Hühner zu greifen.
Das ist leider in der Natur so. Ein vergleichbares Problem haben die Binnenfischer mit dem Kormoran. Da
gibt es technische Grenzen. Vor diesem Hintergrund ist
klar, dass man die Mortalitätsraten bei gutem Management deutlich senken kann, vor allem wenn die Tierhalter ihrer Rolle verantwortungsvoll gerecht werden.
Zur zweiten Frage: Es ist so, dass das Tierfutter, insbesondere was essenzielle Aminosäuren angeht, sowohl
mit herkömmlichen Mitteln als auch mit technischen
Möglichkeiten, zum Beispiel durch Zusatz von künstlichen Aminosäuren oder künstlich hergestellten essenziellen Aminosäuren, angereichert werden kann. Das
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
kommt ganz auf die Futtermischung an. Im ökologischen Landbau wird die Versorgung zum Beispiel mit
Aminosäuren wie Methionin - ich gehe davon aus, dass
Sie darauf anspielen - über den Zusatz von Kartoffelstärke und anderen Substanzen sichergestellt.
Herr Goldmann, wollten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie heben in Ihrer Antwort sehr
stark auf die Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover ab, die auch von anderen als Lobbystudie diskriminiert worden ist. Ist Ihnen aus Ihrem reichen Erfahrungsschatz in Verbindung mit Ihrem Wissen über die
Agrarwirtschaft nicht bekannt, dass bei Boden- und Freilandhaltung die Mortalitätsraten immer höher sind als
bei der so genannten Käfighaltung, dass der Medikamenteneinsatz natürlich höher sein muss, weil die Tiere
in einem wesentlich intensiveren Kontakt mit der Umwelt leben, die Beeinträchtigungen mit sich bringt, und
dass das verstärkte Schnabelkürzen bei der Freilandhaltung eine Selbstverständlichkeit ist, die überhaupt nichts
mit der Studie der Tierärztlichen Hochschule zu tun hat,
sondern einfach den Tatsachen entspricht?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter Goldmann, ich hatte schon gesagt,
dass es gerade im Bereich der Bodenhaltung ein reichhaltiges Spektrum von Erfahrungen gibt. Es gibt Beispiele von sehr schlecht gemanagten Bodenhaltungssystemen. Es gibt aber in gleichem Maße - Sie kennen die
Skandale der Vergangenheit - eine große Anzahl von
Beispielen von schlecht gemanagten Käfighaltungssystemen. Vor dem Hintergrund kommt es darauf an, dass
die Tierhalter ihrer im Tierschutzgesetz festgelegten Verantwortung nachkommen.
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass
auch hier eine Abwägung notwendig ist. Es kann nicht
sein, dass man Tiere in Käfige mit der Grundfläche eines
DIN-A4-Blatts pro Tier sperrt, um dadurch sicherzustellen, dass sie nicht in Kontakt mit dem Boden kommen.
Denn es gehört zu artgerechter Tierhaltung, dass Tiere
flattern können, scharren können oder ihnen ähnliche
Grundbedürfnisse ermöglicht werden.
Die Käfighaltung hat im Jahr 1999 zu einem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts geführt, wonach die herkömmlichen Käfige als nicht mehr artgerecht und die damit verbundenen Verordnungen als nicht verfassungskonform dargestellt wurden. Wir haben darüber hinaus
im Konsens den Tierschutz im Grundgesetz verankert.
Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung, die dieses
Parlament in der letzten Legislaturperiode getroffen hat,
auch für die Frage der optimalen Haltungssysteme ein
wesentliches Entscheidungskriterium sein wird.
Wir kommen zur Frage 38 der Kollegin Marita Sehn:
Wird die Bundesregierung den Forderungen nachkommen,
eine großflächige Kampagne gegen die Käfighaltung und einen
gezielten Verbraucherboykott zu starten?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin, die Bundesregierung begrüßt die mit
der Einführung der obligatorischen Eierkennzeichnung
zum Jahreswechsel einhergehende Transparenz. Alle
Verbraucherinnen und Verbraucher können dann erkennen, ob sie Eier aus Käfighaltung oder tiergerechten Haltungsverfahren kaufen. Eine Null auf dem Ei bedeutet
Eier aus ökologischem Landbau, eine Eins bedeutet Eier
aus Freilandhaltung, eine Zwei bedeutet Eier aus Bodenhaltung und eine Drei bedeutet Eier aus Käfighaltung.
Wenn die Verbraucher daraus den Schluss ziehen, kein
Ei mit der aufgedruckten Ziffer 3 zu kaufen, dann würden sie mit dem Einkaufskorb das umsetzen, was sie
Umfragen zufolge für vernünftig halten.
Wir werden darauf setzen, die Verbraucherinnen und
Verbraucher umfassend zu informieren und transparent
zu machen, um welche Käfige es geht. In der Masse handelt es sich um Käfige des alten Typs, in denen Tiere auf
einer Fläche leben müssen, die kleiner ist als ein DINA4-Blatt.
Eine Zusatzfrage, Kollegin Sehn.
Herr Staatssekretär, meine erste Frage ist: Wie wird
die Informationspolitik aussehen? Die zweite Frage lautet: Was wird sie kosten?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Wir planen für das nächste Jahr umfangreiche Medienaktivitäten in verschiedenen Bereichen. Dazu gehört
auch die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Herkunft und Qualität der Eier. Ich kann
zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber weder über die Ausgestaltung noch über die Kosten der Kampagnen Aussagen machen, da Bundesministerin Künast darüber noch
keine Entscheidungen getroffen hat.
Eine weitere Frage der Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan.
({0})
- Ich habe es so verstanden, dass Sie zwei Fragen gestellt haben. Sie können aber nur zwei Fragen stellen.
Frau Happach-Kasan, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie hoch
der Anteil der Eier ist, die über die Ladentheke verkauft
werden?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Die Zahl der Eier, die direkt über die Ladentheke verkauft werden, ist gering. Ich habe die genauen Zahlen
nicht im Kopf, Frau Abgeordnete Happach-Kasan. Die
meisten Eier werden zu anderen Lebensmitteln weiterverarbeitet. Insofern ist es ein besonderes Anliegen der
Bundesregierung, auch in diesem Bereich für Transparenz zu sorgen.
Ich freue mich, dass es eine Reihe von namhaften
Herstellern - zum Teil sehr namhafte Hersteller, darunter
auch Fastfood-Ketten - gibt, die bereit sind, tierschutzgerecht und verantwortungsvoll einzukaufen und ihre
Einkaufspolitik dahin gehend zu ändern, dass sie auf
Freilandeier setzen.
Ich freue mich insbesondere auch darüber, dass große
Supermarktketten die Entscheidung getroffen haben, nur
noch Freilandeier als Eier zu listen. Ich würde es begrüßen, wenn in Konsequenz daraus diese Entscheidung
auch auf weiterverarbeitete Produkte ausgedehnt würde.
Eine weitere Frage der Kollegin Gudrun Kopp.
Herr Staatssekretär, ich kann mich erinnern, dass die
Kosten für die Werbekampagne der Bundesregierung zur
Einführung des Biosiegels 7,5 Millionen Euro betragen
haben. Insbesondere vor dem Hintergrund der äußerst
angespannten Verschuldungssituation frage ich Sie: Planen Sie jetzt eine weitere Informationskampagne desselben Umfangs?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete, ich bin bereits in meiner Antwort
auf die Fragen von Frau Sehn auf den aktuellen Entscheidungsstatus hinsichtlich der Ausgestaltung der
Kampagne innerhalb unseres Hauses eingegangen und
bitte Sie daher um Verständnis, dass ich Ihnen keine andere Antwort geben kann als der Kollegin Sehn.
Wir kommen zur Frage 39 der Kollegin Sehn:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wie sie unter
anderem von Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus,
Mecklenburg-Vorpommern, vertreten wird, wonach der Antrag von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen im
Bundesrat einen Ausstieg aus der Käfigbatteriehaltung sogar
vor Ende 2006 möglich gemacht hätte - vergleiche „AgraEurope“ 48/03 vom 1. Dezember 2003 -, wenn die Verordnung unverzüglich erlassen würde?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete Sehn, ich teile die Einschätzung
nicht, dass im Falle der Umsetzung des Verordnungsentwurfs des Bundesrates sogar ein früherer Ausstieg aus
der Käfighaltung möglich wäre.
Hintergrund meiner Auffassung ist Folgendes: Wenn
wir in diesem Bereich allgemeine Prüfungsverfahren
zulassen wollen - das ist der ausdrückliche Wille der
Bundesregierung -, dann müssen diese bundeseinheitlich geregelt werden. Dazu sind Änderungen im Tierschutzgesetz notwendig.
Darüber hinaus müssen die Grundlagen für die einheitlichen Prüfkriterien auf Basis der wissenschaftlichen
Erkenntnisse, die erst im Frühjahr bekannt werden, entwickelt werden. Wenn Sie die verschiedenen in diesem
Zusammenhang notwendigen gesetzgeberischen Aktivitäten aneinander reihen, dann werden Sie erkennen, dass
das alles sicherlich nicht bis zum Jahr 2005 abgeschlossen sein wird. Die logische Konsequenz des Bundesratsbeschlusses ist aber, dass diese Aktivitäten schon weit
vor 2005 abgeschlossen werden müssten, um vor dem
1. Januar 2007 die Käfighaltung in Deutschland zu beenden.
Wir kritisieren an dem Beschluss des Bundesrates
ausdrücklich, dass er kein Datum für das Ende der Käfighaltung nennt, sondern ein wie auch immer geartetes
Verfahren zur Bedingung für den Ausstieg macht. Das
wird Bundesministerin Künast, wie schon ausgeführt
wurde, so nicht unterzeichnen.
Wir sagen, ab 1. Januar 2007 ist in Deutschland die
Käfighaltung verboten. Damit schaffen wir auch für die
Tierhalter Rechtssicherheit. Die alten Käfige dürfen
nicht dafür herhalten, über entsprechende alternative
Haltungsformen zu diskutieren. Es ist deutlich geworden, dass die Vertreter der alten Käfighaltung das Thema
der alternativen Haltungsverfahren nicht in erster Linie
deshalb vorgetragen haben, weil es ihnen um die Sache
ging. Sie hatten vielmehr das klare Motiv, den Ausstieg
aus der Käfighaltung auf einen späteren Zeitpunkt zu
verschieben. Alle Betriebe haben die Chance, bis zum
1. Januar 2007 die Umstellung vorzunehmen. Sie sollten
von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.
Eine Zusatzfrage, Frau Sehn.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie gerne fragen, welche Argumente aus Ihrer Sicht gegen die ausgestalteten
Käfige sprechen.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten. Auch darüber ist mit dem Bundesrat 2001 diskutiert worden. An
der Grundlage, auf der entschieden worden ist, hat sich
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
seitdem nicht viel geändert. Eine wesentliche Frage ist,
ob die Tiere in ausgestalteten Käfigen artgerecht gehalten werden können. Hieran gibt es insbesondere wegen
der Höhe der Systeme erhebliche Zweifel. Darüber hinaus gibt es eine Studie der Fachhochschule Vechta, in
der im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit festgestellt
worden ist, dass die neuen Systeme der Käfighaltung im
Vergleich zu den herkömmlichen nicht wettbewerbsfähig sind. Wichtig ist, dass in der politischen Debatte der
Hinweis auf wenige ausgestaltete Käfige nicht als Vorwand genommen wird, um dafür zu sorgen, dass Millionen von Käfighaltungsplätzen alten Typs so lange wie
möglich bewirtschaftet werden können. Genau das ist
aber das Interesse der Käfiglobby, dem sich die Bundesregierung mit allem Nachdruck widersetzt hat.
Frau Sehn, haben Sie eine zweite Zusatzfrage? - Das
ist nicht der Fall. Dann hat der Kollege Goldmann eine
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Begrifflichkeit entlarvt Sie
ein bisschen. Für Sie spielt die „Käfiglobby“ eine gewisse Rolle. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass
die FDP nicht dafür ist, Tiere auf einer so kleinen Fläche
zu halten. Hier sind wir uns völlig einig. Aber für Sie ist
ja Käfig gleich Käfig. Sie argumentieren da ganz geschickt. Aus meiner Sicht sind Sie aber die Antwort auf
die Fragen der Kolleginnen Sehn und Kopp - auch wir,
die FDP, sind für Tierschutz - schuldig geblieben. Wenn
die Bundesregierung, insbesondere Frau Künast, dem
von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen im
Bundesrat eingebrachten Antrag gefolgt wäre - nebenbei
bemerkt, das sind Bundesländer, in denen es sehr viele
Arbeitsplätze in der Agrarwirtschaft gibt; in Niedersachsen ist die Agrarwirtschaft der zweitgrößte Arbeitgeber -,
einen TÜV einzuführen, der die Haltungsformen, also
auch die ausgestalteten Käfige, kontrolliert - diese werden wahrscheinlich in allen anderen europäischen Ländern das Lösungsmodell sein -, dann wären die alten
und von Ihnen als „böse“ dargestellten Käfige ein Jahr
früher vom Markt genommen worden und dann wären
Millionen von Legehennen Schmerzen - so haben Sie
das dargestellt - und andere Belastungen bei der Käfighaltung erspart worden. Wir hätten dann einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung mehr Tierschutz getan.
Insofern verstehe ich Ihre Position nicht. Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie mir Ihre Haltung noch einmal erklären könnten.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Das mache ich sehr gerne, Herr Abgeordneter. Ich bin
sehr dankbar für die klare Haltung der FDP-Fraktion, die
alten Käfige so schnell wie möglich abzuschaffen. Angesichts dessen ist aber die Behauptung der Betreiber der
alten Käfige, die Eier aus dieser Haltungsform seien für
die Verbraucher besser, keine gute Grundlage für Ihre
politische Argumentation.
Ich habe eben dargestellt, wie lange der Entscheidungsprozess bis zur Schaffung eines Käfig-TÜVs bestenfalls dauern wird. Aufgrund meiner Erfahrungen mit
solchen formalen Prozessen glaube ich im Gegensatz zu
Ihnen nicht daran, dass das im Laufe eines Jahres machbar sein wird, dass also schon dann ein entsprechendes
Gesetz in Kraft treten kann. Vor diesem Hintergrund
sollte man meiner Meinung nach den Weg gehen, den
wir vorgeschlagen haben: so schnell wie möglich die alternativen Haltungsformen zu prüfen, damit aber nicht
das Auslaufen der alten Käfighaltung zu verbinden.
Denn es ist zu befürchten - das ist die Haltung der Bundesregierung -, dass eine Mehrheit im Bundesrat eine
sachgerechte Entscheidung in dieser Frage blockiert, um
im Interesse der Käfighalter alles so lange wie möglich,
am besten unbefristet - das ist EU-rechtlich allerdings
nicht möglich -, in der Schwebe zu halten. Das Ergebnis
wäre, dass Käfige auch nach dem 1. Januar 2007 in
Deutschland legal betrieben werden könnten.
({0})
- Nein, alle Käfige. Das ist der Beschluss des Bundesrates und das ist der Grund, warum Ministerin Künast das
ablehnt. Ich denke, dass das hinreichend deutlich geworden ist und dass dies auch aus dem Bundesratsbeschluss
klar hervorgeht. Früher war mit dem 1. Januar 2007 ein
Enddatum vorgesehen. Jetzt lässt sich in diesem Beschluss kein Enddatum mehr finden.
Das heißt, statt ein Ende mit Schrecken zu bereiten,
planen einige Bundesländer, den Schrecken ohne Ende
- oder zumindest möglichst lange - fortzusetzen.
({1})
Ich gebe jetzt der Kollegin Christel Happach-Kasan
das Wort zur letzten Frage. Bitte, fassen Sie sich kurz!
Die Zeit ist eigentlich abgelaufen.
Herr Staatssekretär, ist mein Eindruck richtig, dass es
Ihnen im Wesentlichen darum geht, die Nutzung ausgestalteter Käfige, in denen es den Hühnern möglich ist,
sich einmal auf eine Stange zu setzen, zu scharren und
mit den Flügeln zu schlagen - Sie haben uns all das beschrieben -, zu verhindern?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Abgeordnete Happach-Kasan, wenn Sie die Antworten, die ich für die Bundesregierung gegeben habe,
aufmerksam verfolgt hätten, dann hätten Sie festgestellt,
dass das ausdrücklich nicht die Intention der Politik der
Bundesregierung ist.
Es ist die Intention der Politik der Bundesregierung
- wir hatten dafür eine Mehrheit im Bundesrat -, die alten Käfige, in denen in Deutschland Millionen Tiere
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
gequält werden, so schnell wie möglich vom Markt zu
nehmen. Wir werden am Datum 1. Januar 2007 festhalten. Die Botschaft, die von dieser Fragestunde an die Käfighalter ausgeht, muss lauten: Rechtssicherheit besteht
insofern, als die alten Käfige nicht länger als bis zum
1. Januar 2007 betrieben werden dürfen. Das ist im
Sinne der Tiere auch gut so.
({0})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Die nicht
mehr aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich beende damit die Fragestunde.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zu einem geplanten Verkauf der Hanauer Plutoniumanlage an die Volksrepublik China
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt von der FDP-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hanauer Anlage, über die eine Diskussion entbrannt ist,
gibt es seit dem 24. Januar 1989: das Brennelementewerk von Siemens. Mit einem hohen Fertigungsdurchsatz war Siemens damals ein weltweit führender Hersteller von Brennelementen.
Es handelte sich um Hochtechnologie am Standort
Hanau, die die friedliche Nutzung der Kernenergie sicherer als jede andere Anlage in irgendeinem anderen
Land der Welt gemacht hat.
({0})
Diese Anlage war leistungsfähig. Sie hätte im Übrigen
dazu dienen können, weltweit waffenfähiges Plutonium
zu entsorgen, um es der friedlichen Nutzung zuzuführen.
Deswegen ist die oberflächliche Debatte über eine „Plutoniumanlage“ falsch und irreführend.
Aufgrund eines „ausstiegsorientierten Vollzugs“ des
Atomgesetzes durch den damaligen hessischen Umweltminister Fischer versprach die Anlage für Siemens keine
Wirtschaftlichkeit mehr; Siemens fühlte sich über alle
Maßen von Auflagen, die gesetzlich nicht erforderlich
waren, kujoniert. Diese Technologie wurde auf Kosten
von Arbeitsplätzen aus Deutschland vertrieben.
({1})
Siemens hat danach die gleiche Technologie in Belgien, in Frankreich und in Großbritannien - das sind
hoch geachtete Mitglieder der Europäischen Union, bei
denen die Menschenrechte und die Rechtsstaatsprinzipien gelten und eine Good Governance sowie eine klare
Aufsicht gewährleistet sind - zum Einsatz gebracht, um
sich Marktanteile zu sichern. Ich bedauere, dass wir diesen ganz natürlichen Wettbewerbern dieses Know-how
exportiert haben. Die Bundesrepublik Deutschland
möchte schließlich ihre Marktanteile im Wettbewerb
halten.
Die Technologie der Hanauer Anlage ist danach abgeschlossen und bewacht worden. Technisches Wissen und
technische Geräte wurden sozusagen in Kartons gestopft.
Ehe dieser Zustand weiter anhält, ist es besser - das ist
die Überzeugung der FDP-Bundestagsfraktion -, die Anlage in die Volksrepublik China zu verkaufen. Jedes Kohlekraftwerk, das in China nicht ans Netz gehen muss,
nützt dem Klimaschutz mehr als alles andere.
({2})
Wir haben also auch ein ökologisches Interesse an dem
Verkauf dieser Anlage.
({3})
Die friedliche Nutzung der Kernenergie durch China ist
richtig.
Das in den rot-grünen Reihen umstrittene Atomgeschäft ist nach Angaben von Bundeskanzler Schröder
- man muss sich doch noch darauf verlassen können,
dass ein Bundeskanzler in Interviews sagt, wie die Lage
ist ({4})
„beschlossene Sache“. Der Bundeskanzler hat erklärt: Es
ist beschlossene Sache. Der Siemens-Konzern habe einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung zum Verkauf
der Hanauer Plutoniumanlage, da es nicht zur militärischen Nutzung komme, sagt der Bundeskanzler am
Sonntag. Auch nach seiner Aussprache mit Außenminister Fischer gibt es - so verlautet aus der Koalition am
Sonntag/Montag - keine Anzeichen für einen Exportstopp. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hat in seiner ganz ruhigen Art gesagt, er sehe überhaupt kein Problem in der Koalition.
({5})
Nach dem Gespräch Schröder/Fischer verlautet, das
Thema sei jetzt erledigt; das Atomgeschäft sei bereits
vor Schröders Chinareise mit den Spitzen von Auswärtigem Amt, Wirtschaftsministerium und Umweltministerium abgestimmt worden. Das steht in einer dpa-Meldung.
Damit sich die Grünen nicht in gewundene Antworten
flüchten können, zitiere ich den Bundeskanzler aus der
ZDF-Sendung „Berlin direkt“: „Man weiß in der Regierung seit längerem, dass wir diesen Rechtsanspruch erfüllen müssen.“ Nach seiner Bewertung gebe es hier
„keine politische Entscheidungsmöglichkeit“. Zum MitDr. Wolfgang Gerhardt
schreiben darf ich das wiederholen, vor allem für die
Grünen:
({6})
Man weiß in der Regierung seit längerem, dass wir diesen Rechtsanspruch erfüllen müssen. - Diese Feststellung erschien nach den Erklärungen des Bundesaußenministers zum Waffenexport eigentlich ja auch logisch.
Die Bundesregierung nimmt stabilere Verhältnisse in
China, eine stärkere Geltung der Menschenrechte und
anscheinend auch von rechtsstaatlichen Verfahren an, als
es die Bundestagsfraktion der FDP heute tut. Sie ist bereit, Waffenexporte nach China wieder zuzulassen,
nimmt eine wesentlich bessere Menschenrechtslage an
und hat höheres Zutrauen zur Volksrepublik China. Mir
muss jemand die Schizophrenie erklären, die darin besteht, dass dieselbe Bundesregierung, die sich heute für
Waffenexporte ausspricht, im gleichen Atemzug Siemens daran hindern will, eine Anlage zu verkaufen, die
ausdrücklich der friedlichen Nutzung der Kernenergie
dienen soll.
({7})
Das ist ein Sachverhalt, der nicht erklärbar ist.
Wir sagen in aller Ruhe, aber auch in aller Klarheit:
Wir sind nun sehr gespannt auf viele gewundene Antworten. Um die Beantwortung einer Frage werden Sie
nicht herumkommen: Wer wusste zu welchem Zeitpunkt
was? Wer hat welche Absprachen mit dem Bundeskanzler getroffen dahin gehend, dass, wenn Siemens beabsichtigt, die Anlage nach China zu verkaufen, denn keine
rechtlichen Bedenken entgegengesetzt werden können?
Hat der Außenminister oder hat der Umweltminister
dem Verkauf der Anlage und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt mit Beteiligung des jeweiligen Ressorts zugestimmt? Das muss die Bundesregierung erklären!
Gespannt bin ich auch darauf, wie sich die grüne
Fraktion dazu äußert, damit wir auf einer Grundlage diskutieren, die nicht streitig ist.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte keine Vergangenheitsbewältigung
betreiben.
({0})
Ich möchte mit meinem Beitrag versuchen, das Thema
auf den eigentlichen sachlichen Kern zurückzuführen.
Lassen Sie mich vorweg eines klarstellen: Es wird nur
möglich sein, die Genehmigung für die Ausfuhr dieser
Anlage nach China zu versagen, wenn eine militärische
Nutzung nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann.
Im Übrigen verweise ich darauf, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit üblicherweise mit
solchen Prüfungsvorgängen - ich darf einmal sagen: tagein, tagaus - befasst ist
({1})
und dass unsere Beamten darauf verpflichtet sind - das
ist, meine ich, gut so -, diese Prüfung nach Recht und
Gesetz
({2})
und nicht nach anderen Kriterien vorzunehmen.
Hier gelten ohne jede Frage das Außenwirtschaftsgesetz und auch die einschlägigen EU-Verordnungen. Die
Anlage ist insofern genehmigungspflichtig. Das heißt,
sie kann nur mit Zustimmung der Bundesregierung ausgeführt werden. Ob dies möglich ist, richtet sich nach
den eben genannten Kriterien. Hiernach kann eine Ausfuhr letztlich nur untersagt werden, wenn außen- und
sicherheitspolitische Bedenken bestehen oder die Bundesregierung internationale Verpflichtungen verletzen
würde.
({3})
Die Firma Siemens hat bereits im Februar des Jahres
2003 eine Voranfrage gestellt. Solche Voranfragen sind
absolut üblich und normal, weil nur ein positiver Bescheid am Ende für solche Unternehmen zu vertraglich
verpflichtenden Konsequenzen führen kann. Würde also
eine solche Voranfrage negativ beschieden werden,
würde sich die Firma Siemens auf ein solches Geschäft
nicht einlassen.
Das oft zu hörende Argument, der Export vertrage
sich nicht mit der Ausstiegspolitik der Bundesregierung,
ist verständlich, aber im Zusammenhang mit dieser Prüfung aus unserer Sicht nicht relevant. Die Anlage ist für
zivile Zwecke konstruiert. Die hier hergestellten Brennelemente sind für Leichtwasserreaktoren bestimmt und
dienen der Energieerzeugung.
({4})
Diese Technologie wird in einer Reihe von Ländern
- Sie haben es eben angesprochen - eingesetzt, so zum
Beispiel in Frankreich, Japan und den Vereinigten Staaten. Ich möchte betonen, dass mit dieser Anlage kein
Plutonium erzeugt werden kann, wie es verschiedentlich
behauptet wurde. Es muss vielmehr Plutonium eingesetzt werden, damit überhaupt Brennelemente hergestellt
werden können.
({5})
Ich füge noch eines hinzu: Genau auf dieser Grundlage hat es schon einmal einen positiven Bescheid auf
eine solche Voranfrage gegeben; im Zusammenhang mit
einem Abrüstungsprojekt in Russland sollten nämlich
34 Tonnen waffenfähiges Plutonium über diese Anlage
sozusagen unschädlich gemacht werden.
Verschiedentlich wurde ferner geäußert, dass mit dieser Anlage auch Brennelemente für den so genannten
schnellen Brüter hergestellt werden könnten und diese
dann zur Gewinnung von waffentauglichem Plutonium
genutzt werden könnten. Auch diese Behauptung trifft
so nicht zu. Die Anlage kann in ihrer jetzigen Form diese
Art von Brennelementen nicht produzieren, sie müsste
vielmehr für einen solchen Einsatz in größerem Umfang
umgerüstet werden. Letztlich ist festzustellen, dass die
Technologie des schnellen Brüters außer in Russland
noch nicht ausgereift ist. Sie wird bislang nirgendwo zur
Stromproduktion eingesetzt; das auch noch einmal zur
Klarstellung der Fakten.
Auch der Atomwaffensperrvertrag oder auch das nukleare Exportkontrollregime stehen der Ausfuhr der Anlage nach China nicht entgegen.
({6})
Gemäß dem Vertrag ist lediglich die Verbreitung von
Nuklearmaterial für militärische Zwecke verboten. Dies
ist hier nicht der Fall. Den Ausbau der zivilen Kernenergie will der Vertrag jedoch nicht verhindern. Die Bundesregierung wird in jedem Fall eine auch nur mittelbare
militärische Verwendung dieser Anlage ausschließen.
Wir werden China auf eine ausschließlich zivile Nutzung dieser Anlage verpflichten, was von der Internationalen Atomenergieorganisation kontrolliert werden soll.
Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich sagen, damit es gar keinen Zweifel gibt: Die ausschließlich zivile Nutzung war natürlich von Anfang an
auch Gegenstand der rechtlichen Prüfung, gehörte sozusagen zum Prüfungsvorgang selbst und ist keinesfalls in
irgendeiner Form davon zu trennen.
({7})
- An dieser Prüfung sind üblicherweise das BAFA, das
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und das
Auswärtige Amt beteiligt, darüber hinaus beratend häufig auch andere, aber, soweit ich es weiß, hauptsächlich
die hier genannten.
Ich will noch einmal sagen: Wir befinden uns in der
Schlussphase der Prüfung. Bisher hat die Firma Siemens
keine Zusage, dass in der Sache positiv entschieden
wird. Sehr wohl aber - das wiederhole ich hier - wird es
in allernächster Zeit nach Klärung der hier noch einmal
aufgeworfenen Fragen mit der Volksrepublik China eine
solche Entscheidung geben.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat jetzt der Kollege Laurenz Meyer von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte mich in dieser Debatte heute eigentlich nur den
Grünen zuwenden; denn bei Herrn Schröder und der
SPD geht es beim Thema Kernenergie sowieso nicht um
Grundüberzeugungen, sondern nur um taktische Gesichtspunkte.
({0})
Die Grünen haben im Bereich Kernenergie wenigstens
die ganze Zeit vorgespiegelt, dass es bei ihnen um
Grundüberzeugungen gehe.
({1})
Dieser Vorgang steht leider in einer ganzen Reihe von
Vorgängen. Der letzte war die Abschaltung des Kernkraftwerks Stade. Aus diesem Anlass hat Herr Trittin Feten gefeiert, Ausstiegsanzeigen geschaltet und viel Geld
ausgegeben, aber der Bevölkerung und seinen eigenen
Wählern verschwiegen, dass für das Abschalten des
Kernkraftwerkes Stade ausschließlich wirtschaftliche
Gründe ausschlaggebend waren.
({2})
Die Anzeige, die in diesem Zusammenhang geschaltet
wurde - „Deutschland steigt um auf erneuerbare Energien“ -, ist eine glatte Lüge gegenüber der Bevölkerung;
denn aus rein wirtschaftlichen Gründen wird die Leistung,
die durch das Abschalten des Kernkraftwerkes Stade wegfällt, auf ein anderes, wirtschaftlicheres Kernkraftwerk
übertragen. Darüber wird die Bevölkerung getäuscht. Es
wird so getan, als wenn man irgendetwas erreicht hätte.
({3})
Ich weiß, warum die Energieversorgungsunternehmen
uns angegriffen haben, als wir den Konsens über den
Ausstieg aus der Kernenergie kritisch überdenken wollten: Die Energieversorgungsunternehmen haben durch
diese Abmachung längere Laufzeiten für ihre Kernkraftwerke zugebilligt bekommen, als sie es vorher je gedacht hatten. Insofern sind sie mit den getroffenen Abmachungen glücklich. Aus diesem Grunde wollten sie
verhindern, dass wir uns dieses Themas noch einmal annehmen.
Nun schließt sich der Vorgang um die Brennelementefabrik Hanau an. Dort ist eine Technologie installiert, die
in Deutschland abgelehnt wird, weil sie so gefährlich ist.
Diese Technologie soll nun nach China exportiert werden. Eben ist schon gesagt worden, dass dieser Vorgang
schon seit Anfang dieses Jahres läuft. Er ist seit Anfang
des Jahres von den zuständigen Ministerien bearbeitet
Laurenz Meyer ({4})
worden. Dabei hat man die Öffentlichkeit - bei den Grünen insbesondere die eigene Partei - sorgfältig im Unklaren über das gelassen, was da vorgeht.
({5})
Das Auswärtige Amt hat bereits im Oktober seine Zustimmung zur Ausfuhr der Anlage signalisiert. Schon im
Oktober hat auch das Umweltministerium seine Stellungnahme abgegeben. Was die Grünen sich hier in Sachen Atompolitik leisten, ist an Scheinheiligkeit und
Doppelmoral wirklich nicht mehr zu überbieten.
({6})
Ich will diesen Wandel in der Position der Grünen mit
zwei Zitaten deutlich machen. 1987 scheiterte in Hessen
die Landesregierung. Herr Fischer wurde aus der Regierung entlassen. Zum Bruch der Koalition hat er damals
gesagt:
Damit ist für uns als Grüne der Punkt erreicht, wo
es ans Eingemachte, an die Grundlagen unserer eigenen politischen Identität geht, nämlich die Identität der Grünen als Antiatompartei.
Das ist lange her.
({7})
Über den Besuch von Herrn Schröder in China ist natürlich nichts Negatives gesagt worden. Dass passt ins
Bild! Herr Fischer hätte sich daran erinnern sollen, was
er hier noch am 27. Juni 1996 unter dem Beifall von
Bündnis 90/Die Grünen gesagt hat:
Wir werden eine friedliche Entwicklung Chinas
nicht bekommen, wenn wir vor allen Dingen auf
das Geschäft setzen. ... Deswegen müssen wir mit
den Chinesen unnachgiebig über Menschenrechte,
über tibetische Kultur und über den Schutz von
Minderheiten in China sprechen.
({8})
Wenn das Aufträge kostet, dann kostet es eben Aufträge.
({9})
Das hat Joschka Fischer gesagt und von den Grünen gab
es Beifall.
({10})
Was Sie jetzt machen, hat mit Moral nicht mehr das
Geringste zu tun. Es ist nur noch ein Täuschen und Tarnen gegenüber der Bevölkerung und gegenüber Ihrem
eigenen Parteitag. Sie machen ein großes Brimborium.
Gestern Abend konnte man im ZDF sehen, wie sich Ihre
Parteivorsitzende bei der Frage, wie lange sie von diesem Vorgang schon wisse, gewunden hat. Nachdem die
Frage vier-, fünfmal gestellt worden war, hat sie schließlich darum gebeten, dass die Kamera abgestellt wird,
weil sie darauf keine Antwort geben wollte.
({11})
Herr Nachtwei war gestern Abend wenigstens noch so
fair und hat gesagt, über die Tatsache, dass es einen solchen Antrag gab, seien einige verantwortliche Fachpolitiker informiert worden.
Was machen Sie stattdessen? Sie bauen eine Popanz
auf. Sie reden vom Verkauf des Kalkar-Kerns, obwohl
das ein Phantom ist, und Sie reden davon, dass die
Brennelemente aus Hanau nach China gehen sollen, obwohl das ein Phantom ist. Sie bauen Ihren Popanz auf,
damit Sie hinterher sagen können: Das haben wir verhindert und dafür haben wir die Brennelementefabrik nach
China gehen lassen.
({12})
Das ist doch der Punkt. Der Höhepunkt war jetzt - Sie
müssen sich wirklich fragen, ob Sie sich dafür nicht
schämen sollten -, dass Sie tatsächlich sagten, die Amerikaner müssten gefragt werden, ob sie dabei nicht Schaden nehmen würden.
({13})
Trittin und Fischer wissen seit Monaten davon, halten
aber ihre eigene Partei im Dunkeln und haben Angst vor
dem Parteitag, weil dort - anders als in der Bundestagsfraktion - vielleicht noch einige sitzen, die Grundwerte
wirklich ernst nehmen. Das, was Sie jetzt hier machen,
ist scheinheilig. Das ist gespielte Empörung. Ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage ist gleich null. Das zeigt sich
in allen Punkten, über die wir hier reden. Ich sage Ihnen:
Herr Trittin und Herr Fischer würden eher selbst in Hanau beim Einpacken der Brennelementefabrik helfen
und sie in China wieder aufbauen helfen, als dass sie ihre
Dienstwagen abgeben würden. Das ist die Situation, in
der die Grünen jetzt sind.
({14})
Herr Kollege Meyer, kommen Sie bitte zum Schluss.
({0})
Wenn Sie keine Grundüberzeugungen, keine Grundwerte mehr haben, dann tun Sie wenigstens nicht vor der
Öffentlichkeit so
({0})
und machen Sie nie wieder das Stichwort „Glaubwürdigkeit gegenüber Dritten“ für die grüne Partei geltend.
({1})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loske
von Bündnis 90/Die Grünen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Rede des Kollegen Meyer hat gerade wirklich klar gemacht, wie schlimm es wäre, wenn dieses Land von der
CDU regiert würde.
({0})
Das ist wirklich sehr deutlich geworden.
({1})
Insofern ist es wirklich interessant zu sehen, wie Sie sich
Sorgen um unsere Glaubwürdigkeit machen.
({2})
Die CDU als Atompartei hat in dieser Angelegenheit
wirklich nichts beizusteuern.
Ich komme zum Thema. Die Grünen halten die Nutzung der Atomenergie für einen Irrweg, für eine technologiepolitische Sackgasse.
({3})
Aufgrund ihres Risikoprofils - Stichworte sind hier: Unfallgefahren, Missbrauchsgefahren, Proliferationsrisiken, Jahrtausende strahlender Müll, ungeklärte Endlagerung - muss diese Energieform als nicht zukunftsfähig
bezeichnet werden. Sie ist vor allen Dingen hochgefährlich. Deshalb wollen wir den schnellen Ausstieg.
({4})
Aus gutem Grund ist die gesellschaftliche Akzeptanz
der Atomenergie niedrig. Das ist der tiefere Grund, die
tiefere Ursache dafür, warum in fast allen demokratischen Staaten seit Jahren keine neuen AKWs mehr gebaut und auch keine neuen mehr geordert werden.
({5})
Es gibt schon seit Jahren eine fundamentale Akzeptanzkrise der Atomkraft. Diese fundamentale Akzeptanzkrise ist - das wissen Sie genau - ganz und gar berechtigt.
({6})
Auch was die Wirtschaftlichkeit der Atomkraft betrifft, macht sich mittlerweile kaum noch jemand Illusionen. Sobald man sie vom Subventionstropf nimmt und
ihr die realen Folgekosten anlastet, ist ihre Wettbewerbsfähigkeit dahin; das hat sich mittlerweile herumgesprochen.
({7})
- Ich komme dazu.
All das sind die Gründe dafür, warum wir uns national wie international dafür einsetzen, aus der Atomenergie auszusteigen und in die erneuerbaren Energien sowie
in die moderne Effizienztechnik einzusteigen.
({8})
Das ist einer der Hauptunterschiede zwischen Rot-Grün
und Schwarz-Gelb und einer der Hauptgründe dafür,
dass wir 2002 die Wahl gewonnen haben und Sie die
Wahl verloren haben; denn Sie hatten zu diesen Themen
nichts zu sagen.
({9})
Das kann man ganz deutlich festhalten. Die Menschen
wollen eben Zukunftstechnologien und keine Dinosauriertechnologien.
Wenn ich Sie hier höre, Herr Meyer, oder wenn ich
höre, was Frau Merkel auf dem Parteitag gesagt hat,
dann muss ich feststellen: Ihre ökologische Ignoranz ist
wirklich bodenlos. Sie hier anhören zu müssen, was
Glaubwürdigkeit betrifft, ist absoluter Wahnsinn; das
muss ich hier einmal sagen.
({10})
Wir müssen uns seit einigen Tagen mit zwei heiklen
Atomgeschäften der Firma Siemens beschäftigen. Es
geht einmal um den geplanten Export der Anlage in Hanau und zum Zweiten um die Lieferung von Komponenten für ein AKW in Finnland.
({11})
Bevor ich zu den einzelnen Projekten Bewertungen
abgebe, möchte ich eine generelle Vorbemerkung machen: Wir müssen klar sagen, dass sich Nuklearrisiken
und -unfallfolgen nicht an Grenzen halten. Die Irische
See ist durch einen Vorfall in Sellafield kontaminiert
worden.
({12})
Weite Teile Europas sind durch die Katastrophe in
Tschernobyl verstrahlt worden. Die Tatsache, dass Nordkorea heute Atomkraftwerke betreibt und mit seinen Eskapaden die regionale Stabilität gefährdet, hat auch etwas mit der Nuklearpolitik Chinas zu tun.
Ich fasse zusammen: Wir haben es bei diesem Thema
mit einer internationalen Frage zu tun. Deshalb ist es
wichtig, auf Kohärenz, auf die Stimmigkeit von InnenDr. Reinhard Loske
und Außenpolitik, zu achten. Der Ausstieg aus der
Atomenergie und die Neuausrichtung der Außenwirtschaftsförderung gehören für uns zusammen; sie sind
zwei Seiten einer Medaille.
({13})
Jetzt zu den beiden Projekten. Ich glaube, man kann
schon sagen: Es gibt einen fundamentalen Unterschied.
Im Falle Finnlands wäre es um die aktive Unterstützung
von Atomtechnologie gegangen. Im Falle der Anlage in
Hanau geht es um die rechtliche Prüfung einer privatwirtschaftlichen Transaktion.
({14})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich amüsieren. ({15})
Politisch lehnen wir beide Geschäfte ab.
({16})
Es ist bekannt, dass wir es begrüßt hätten, wenn man den
Hanau-Deal im Vorfeld abgeräumt hätte.
({17})
Nun zu Finnland. Seit gestern hat die Firma Siemens
den Antrag auf Erteilung einer Bürgschaft zurückgezogen. Es ist gut, dass sie dies getan hat; denn die Hermesrichtlinien der Bundesregierung besagen ganz klar, dass
Atomgeschäfte nicht unterstützt werden können. Das ist
eine gute Entscheidung gewesen, die wir durch öffentlichen Druck und durch eine klare Positionierung beeinflusst haben.
({18})
- Hören Sie einfach zu, anstatt hier so herumzuschnabeln!
Zum Thema Hanau. In der Anlage selbst kann kein
Plutonium und kein waffenfähiges Material produziert
werden. Allerdings könnte - das ist zu klären - durch
den Einstieg in die Brütertechnologie auf Umwegen, die
ich jetzt im Detail nicht beschreiben will, kernwaffenfähiges Material erzeugt werden. Das muss ganz klar
verhindert werden.
({19})
Dafür gibt es mehrere gesetzliche Ansatzpunkte. Das
Erste ist § 7 des Außenwirtschaftsgesetzes, das Zweite
ist der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und das Dritte ist die Dual-use-Richtlinie der Europäischen Union.
({20})
Diese Dinge müssen jetzt geprüft werden.
({21})
Daran wird sich das Auswärtige Amt selbstverständlich
beteiligen. Das Umweltministerium hat seine Stellungnahme abgegeben und gesagt: Atomrechtlich ist da
nichts zu machen, weil es sich nicht um eine Atomanlage handelt. Allerdings sehen wir die Gefahr des militärischen Missbrauchs und haben ganz klar darauf hingewiesen.
Wir sind der Meinung, dass dieses Geschäft nicht zustimmungsfähig ist. Wenn es doch zu einer positiven Bescheidung kommen sollte, so müssen klare Kautelen
bzw. Randbedingungen eingezogen werden, Stichwort:
Safeguards.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir sind der
Meinung, dass die Atomtechnologie eine Ausstiegstechnologie ist. Deswegen setzen wir uns für eine Exportoffensive zur Förderung erneuerbarer Energien ein. Wir
erleben im Moment im Vermittlungsausschuss - das
passt zu Ihrer Verlogenheit -, dass die CDU/CSU beantragt, diese Exportoffensive zu kürzen. - So weit zu Ihrer
Glaubwürdigkeit!
({22})
Das Wort hat jetzt der Kollege Rainer Brüderle von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier gibt
es wirklich eine Fülle von Merkwürdigkeiten. Wolfgang
Gerhardt hat es bereits zitiert. Der Bundeskanzler hat am
7. Dezember dieses Jahres wörtlich im ZDF in der Sendung „Berlin direkt“ gesagt:
In der anderen Sache weiß man in der Regierung
seit längerem, dass wir diesen Rechtsanspruch erfüllen müssen.
Heute hat Herr Staffelt dem Wirtschaftsausschuss erklärt, die Rechtsprüfung sei noch nicht abgeschlossen.
Einer von beiden sagt die Unwahrheit; es kann nicht beides gleichzeitig stimmen.
Ich zitiere:
Selbst der härteste und pragmatischste Realpolitiker
wird einen Weg in die Plutoniumwirtschaft und deren Legalisierung nicht mitgehen.
Das sagte Joseph Fischer, kurz bevor er von Herrn Börner
zurückgetreten wurde. Ebendieser Joseph Fischer geht
den Weg in die Plutoniumwirtschaft und deren Legalisierung ohne Murren mit. Die charakterlose Politik der
Grünen hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Fischer hat
noch im Wahlkampf 1998 getönt - ich zitiere -: In Hanau habe ich die Plutoniumfabrik rechtlich und politisch
in drei Jahren stillgelegt. - Er hat die Brennelementefabrik rechtlich kaputtgemacht und die Zerstörung von
mehr als 2 000 Arbeitsplätzen politisch als Erfolg gefeiert.
Heute sind Fischer und Trittin die gefallenen Umweltengel der deutschen Politik. Monatelang haben sich
Fischer und Trittin hinter einer chinesischen Mauer des
Schweigens verschanzt. Sie haben alles frühzeitig gewusst. Nur, öffentlich gesagt haben sie nichts.
Darin, Herr Kuhn, liegt die Krux, die fragwürdige,
schändliche Moral. Sie haben versucht, den Eindruck zu
erwecken, als hätten Sie die Moral der deutschen Politik
gepachtet. Ihre Partei bzw. Herr Fischer haben damals
gesagt, die Anlage in Hanau sei nicht verantwortbar.
Aber Chinesen sind anscheinend Menschen zweiter
Klasse. Dort ist sie verantwortbar. Was ist das für eine
doppelte Moral?
({0})
Entweder haben Sie in Hessen gelogen oder Sie lügen
heute bei den Chinesen. Es ist eine unglaubliche Fragwürdigkeit und Scheinheiligkeit, die Sie in die Politik hineingebracht haben.
Nebenbei räumt der Bundeskanzler das Waffenembargo vorübergehend ab. Die Grünen ducken sich.
({1})
Schröder hat wieder einmal deutlich gemacht, dass sie
nichts zu sagen haben. Es gibt billige Ablenkungsmanöver. Frau Höhn spricht sogar von den Sicherheitsinteressen der USA. Das ist unglaublich, der Gipfel der
Scheinheiligkeit. „Innen Ausstieg, außen Einstieg? Die
Glaubwürdigkeit der grünen Regierungspartei schmilzt
dahin“, so Herr Prantl, ein großer Fan von Grün-Rot, in
der „Süddeutschen Zeitung“. In Ihrer Hauspostille, der
„taz“, wird zutreffend festgestellt: „Fischer entsorgt Hanau und sein Gewissen.“ Der Kanzler sagt Ja, die Grünen sagen Amen.
({2})
Das Versteckspiel von Herrn Fischer ist nicht neu, so
war es auch bei der Bewilligung einer Hermesbürgschaft
für ein chinesisches Atomkraftwerk. Angeblich ist dies
an ihm im Auswärtigen Amt vorbeigelaufen. Auch bei
der einen oder anderen Sitzung des Bundessicherheitsrates ist er offensichtlich nur körperlich anwesend. Dahinter steckt ein perfider Karrieretrick. Herr Fischer
weiß, dass er in Europa wegen der atomfeindlichen Haltung nichts werden kann; denn England und Frankreich
denken nicht daran, die zivile Nutzung - auch nicht die
militärische - der Atomkraft aufzugeben.
Der Bundeskanzler hat das inzwischen offenbar erkannt. Er schickte seinen Lieblingsgewerkschaftler
Schmoldt vor, der im Sommer laut über einen Wiedereinstieg in die Kernenergie nachgedacht hat. Jetzt
kommt Hanau. Dahinter steckt schon eine gewisse Strategie, die Politik wieder zu korrigieren.
Beides geht nicht: Man kann nicht Wirtschaftswachstum in Deutschland wollen und die neuen Technologien
aus Deutschland vertreiben.
({3})
Der Transrapid läuft in China und nicht hier. Die MOXFabrik wird nicht in Hanau aufgebaut, sondern in China.
Genauso ist es bei der Kernfusion
({4})
und der Gentechnologie. Sie treten bei der Hochtechnologie auf die Bremse. So können wir keine Arbeitsplätze
in Deutschland erhalten oder schaffen. Wahrscheinlich
wird Siemens demnächst die Firmenzentrale von München nach Schanghai verlegen, da die Firma nur in
China die Chance sieht, ihre Hochtechnologieprojekte
umzusetzen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. So kann
man Zukunft nicht gewinnen.
({5})
Scheinheilig versuchen Sie, die Stimmen der besorgten Menschen einzufangen. In der Praxis aber machen
Sie das Gegenteil. Das ist Missbrauch von Glaubwürdigkeit, Moral und Anständigkeit. Dass sich heute viele von
der Politik abwenden, hat viel mit Ihrem Vorgehen zu
tun.
({6})
- Herr Loske, jeder hat Ihnen doch angemerkt, mit welcher Verlegenheit Sie hier standen und nur aus Kadavergehorsam die Politik von Fischer vertreten haben, weil
er Angst vor dem Verlust des Dienstwagens hat. Sie werden noch persönlich die Hanau-Fabrik in China aufbauen, damit Sie an der Regierung bleiben. Das ist Ihre
scheinheilige Haltung, mit der Sie die politische Glaubwürdigkeit in Deutschland unterminieren.
({7})
Das Ganze machen Sie ausgerechnet am Tag der
Menschenrechte. Sie sollten sich schämen; denn das,
was Sie machen, ist ein Anschlag auf die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik.
({8})
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Ulrich Klose von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem kommunikativen Drumherum will ich mich
nicht äußern. Es war nicht durchweg erfreulich und entsprechend heftig ist die Kritik. Ich habe den Eindruck
gewonnen, es macht auch Spaß. Die Kritik kommt, wie
wir wissen, von der jeweils anderen Seite.
Das, was wir heute erleben, hat eine gewisse Tradition. Auch die Vorgänger von Bundeskanzler Schröder,
Helmut Schmidt und Helmut Kohl, haben sich intensiv
um China gekümmert. Ich erinnere mich gut daran - teilweise habe ich es miterlebt -, dass sie, wenn sie aus
China in die deutsche Heimat zurückkehrten, mit heftiger Kritik konfrontiert wurden. Das kann auch gar nicht
anders sein, weil man, wenn man zu einem Land wie
China gute kooperative Beziehungen pflegt, zwangsläufig immer im Spannungsfeld zwischen Interesse und
Moral operiert.
Aus außenpolitischer Sicht muss man leidenschaftslos feststellen können: Es entspricht nicht nur dem Interesse der deutschen Wirtschaft, sondern es entspricht
auch dem Interesse Deutschlands, zu einem Land wie
China gute wirtschaftliche und politische Beziehungen
zu pflegen.
({0})
China ist ein sich schnell entwickelnder großer Markt
und zunehmend mehr ein politischer Faktor. Für den
Kanzler, der immer häufiger von den Vorzügen einer
multipolaren Weltordnung redet, macht es natürlich
Sinn, gute politische Beziehungen zu dieser aufsteigenden Macht zu unterhalten.
Natürlich wird immer sofort die Frage gestellt: Wie
steht es mit den Menschenrechten? Dazu sage ich Ihnen
erstens: Ich teile die Meinung derer, die sagen, enge
wirtschaftliche und politische Beziehungen zu einem
Land wie China trügen dazu bei, dass durch Einordnung
in internationale Regelungswerke auch die Verrechtlichung der chinesischen Politik fortschreite.
({1})
Das scheint mir das eigentliche Anliegen in einem Land
zu sein, das rechtsstaatliche Traditionen nicht kennt.
({2})
Zweitens. Nach allem, was ich weiß, ist der Rechtsstaatsdialog keine Alibiveranstaltung, sondern hat erstaunlich gute Erfolge aufzuweisen. Auch das Thema
Menschenrechte ist dort immer behandelt worden. Dass
aber nach diesem Besuch ausdrücklich vereinbart worden ist, ein Kapitel Menschenrechte hinzuzufügen, ist
für jeden, der die chinesische Mentalität kennt, ein überraschender Erfolgspunkt. Ich finde, das muss man erwähnen.
({3})
Zu den Punkten, die hier heftig diskutiert werden: Mir
ist auch nach Recherchen nicht völlig klar, was zum
Thema Waffenembargo wirklich erklärt worden ist. Ich
sage aus meiner Sicht dazu Folgendes: Selbst wenn
- was ich nicht glaube - das europäische Waffenembargo aufgehoben werden sollte, was nur geht, wenn
alle zustimmen, könnten nach den deutschen Exportrichtlinien Waffen nach China nicht exportiert werden.
Das muss man einfach festhalten.
({4})
Wenn man so will, ist es eine virtuelle Diskussion.
({5})
Wir können im Übrigen auch keine Waffen nach Taiwan
exportieren, weil es sich um ein Spannungsgebiet handelt. Aber ich lege Wert darauf, hier zu sagen: Wir sollten unsere chinesischen Partner in Mainland China ständig darauf aufmerksam machen, dass wir von ihnen in
Verfolgung der Ein-China-Politik ein friedliches Streben
nach Wiedervereinigung erwarten und nichts von dem
ständig hochgehaltenen militärischen Knüppel halten.
({6})
Erwähnen möchte ich, dass Taiwan immerhin eine
funktionierende Demokratie ist, in der Menschenrechte
respektiert werden.
({7})
Zur Hanauer Plutoniumfabrik: Es stimmt, dass es sich
hierbei in starkem Maße um eine Rechtsfrage handelt,
aber um eine Rechtsfrage von - das muss man hinzufügen - hoher politischer Bedeutung.
({8})
Aus außenpolitischer Sicht sage ich: Es muss vermieden
werden, dass draußen ein falsches Signal ankommt. Es
gibt heute weltweit eine Tendenz zur zivilen und leider
auch militärischen Renuklearisierung. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, dann, wenn ein solcher Export zustande kommen sollte, handfeste und nachprüfbare Auflagen zu vereinbaren, dass eine militärische Nutzung
nicht stattfindet.
({9})
Das muss klar sein.
({10})
Meine letzte Bemerkung: Ich habe auch die Bemerkung einer Landesministerin aus Nordrhein-Westfalen
gehört, dass vor einer Entscheidung bezüglich der
Hanauer Plutoniumfabrik die Vereinigten Staaten von
Amerika und die NATO gefragt werden müssten. Ich
stehe wahrscheinlich nicht im Verdacht, besonders antiamerikanisch zu denken und zu handeln, aber das
scheint mir ein bisschen zu viel an Amerikafreundlichkeit zu sein.
({11})
Wenn wir in Zukunft Geschäfte mit anderen Ländern nur
noch abschließen, wenn wir vorher die Vereinigten Staaten von Amerika gefragt haben, ob sie einverstanden
sind,
({12})
geraten wir - wenn ich das hamburgisch zurückhaltend
ausdrücken darf - auf ein Abseitsgleis. Ich könnte dazu
beim besten Willen nicht raten.
Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Klose, es war heute wieder außerordentlich wohltuend, Ihnen zuzuhören. Respekt vor diesem Beitrag. Es
hat mir auch selten so viel Spaß gemacht, Ihnen, lieber
Kollege Staffelt, zuzuhören. Vor dem Hintergrund der
Beiträge von Herrn Klose und Herrn Staffelt denke ich
mir nach all dem, was in den letzten Tagen von den Grünen zu diesem Streitgegenstand verlautbart worden ist:
Die beiden können doch nicht in einer Koalition mit den
Grünen sitzen.
({0})
Aber, Herr Kollege Staffelt, Sie brauchen sich - ich
habe Ihnen genau zugesehen - weniger an die künftigen
Regierungsfraktionen zu wenden. Sie hätten sich mit Ihrem Beitrag mehr an Ihren grünen Koalitionspartner
wenden sollen; denn bis jetzt habe ich zwischen dem,
was die Oppositionsredner und was Kollege Klose und
Sie zur Sache gesagt haben, keine fundamentalen Gegensätze feststellen können.
({1})
Was zeigt uns das, liebe Kolleginnen und Kollegen?
Das zeigt uns, dass die Grünen nichts dazugelernt haben,
dass grüner Fundamentalismus mit Regierungsverantwortung unvereinbar ist
({2})
und dass die Grünen deshalb nach wie vor unreif sind, an
der Regierung dieses Landes beteiligt zu sein.
({3})
Meine Damen und Herren, ich frage mich auch Folgendes: Was für ein Licht wirft die politische Haltung
der Grünen auf das, was wir selbst von unserer deutschen Hochtechnologie, ihrer Einsatzfähigkeit in
Deutschland und ihrer Export- und Durchsetzungsfähigkeit auf internationalen Märkten halten? Was sollen die
Menschen darüber denken, wie leichtfertig hier mit deutschen Arbeitsplätzen umgegangen wird? Warum soll die
Technologie, die in Deutschland des Teufels sein soll,
({4})
in China einsatzfähig sein? Und umgekehrt: Warum soll
das, was in der Volksrepublik China einsatzfähig ist,
nicht auch in unserem Lande einsatzfähig sein?
({5})
Der heutige Außenminister hat 1992 erklärt, dass von
der Hanauer Anlage eine - ich zitiere - „erhebliche Gefährdung Dritter und der Allgemeinheit“ ausginge. Ich
frage mich: Hat sich diese Einschätzung etwa geändert?
Gilt für das China von heute nicht das Gleiche, was Anfang der 90er-Jahre für Deutschland galt?
Eine weitere interessante Frage lautet: Was für ein
Licht wirft das darauf, wie wir mit einem weltpolitisch
und strategisch wichtigen Partner, nämlich der Volksrepublik China, umgehen? Wieso - das frage ich mich vor
diesem Hintergrund - dieser überzogene Misstrauensvorschuss? Hat es die Volksrepublik China als eines unserer wichtigen Partnerländer nicht wenigstens verdient
- ich möchte gar nicht von einem überzogenen Vertrauensvorschuss sprechen -, mit Maßstäben gemessen zu
werden, die diesem Land entsprechen und ebenbürtig
sind? Wir sollten den Chinesen eigentlich einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Technologie zutrauen.
Ich möchte noch einen Punkt unterstreichen, der bereits angeklungen ist: Wir tun so, als hätte dieses Land
- einschließlich des erheblichen Energieverbrauchs und
-erzeugungswachstums, das dort zu erwarten ist - nicht
eine riesige Entwicklung vor sich. Wenn wir von Joint
Implementation sprechen und es mit Klimaschutzzielen
ernst meinen, kann es uns nicht egal sein, wie die enorm
wachsende Volkswirtschaft der Volksrepublik China
künftig ihre Energieversorgung sichert.
({6})
Wir wollen nicht unbedingt, dass das mit der Verstromung von Braun- oder Steinkohle vonstatten geht. Viele
regen sich auf, wenn große Wasserkraftwerke entwickelt
werden. Wir können aber nicht zu allem Nein sagen.
Deswegen muss es uns im Sinne von Kioto und unserer
Klimaschutzziele nur recht sein, wenn in verantwortungsvoller Weise die Grundlage für eine CO2-freie
Stromerzeugung gelegt wird.
({7})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gäbe
noch vieles, was mir einen Schrecken einjagt, zu sagen,
zum Beispiel wie rot-grüner Fundamentalismus auch
Kapital in unserer deutschen Wirtschaft vernichtet. Siemens hat diese Anlage für 700 Millionen Euro gebaut.
Jetzt wird sie zu einem Wert - man müsste fast sagen:
Schrottwert - von 50 Millionen Euro verscherbelt. Hier
werden 650 Millionen Euro abgeschrieben. Das entspricht Steuerausfällen in Höhe von 300 bis 350 Millionen Euro.
({8})
Eigentlich müsste das den Bundesfinanzminister grausen.
Es ist nachvollziehbar, dass die Wirtschaft verzweifelt. Es hat mich nicht gewundert, dass das Unternehmen
Siemens gestern erklärt hat, es stelle für das Geschäft
mit Finnland nun doch keinen Antrag auf eine Hermesbürgschaft. Was bedeutet das denn? Das bedeutet, dass
Siemens sich davor hütet, auf die Zuverlässigkeit dieser
verlotterten Regierung zu setzen. Lieber hilft sich das
Unternehmen selbst, verzichtet auf die Hilfe dieser Regierung und macht alleine das Geschäft mit Finnland, einem Land, von dem es weiß, dass es ein zuverlässiger
Partner ist und das Geld auch bekommt.
Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Ludger Volmer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lieferung der Hanauer Atomfabrik verstößt gegen die Philosophie des Atomausstiegs und gegen die Philosophie des
Atomsperrvertrages. Das ist der Grund dafür, dass dieser
Export nicht die politische Zustimmung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bekommen kann.
({0})
Allerdings bedarf es für den Export nicht einer politischen Entscheidung - das ist uns bewusst -; es gibt vielmehr ein privatwirtschaftliches Verfahren. Die deutsche
Firma, die den Exportantrag gestellt hat, hat ein Recht
darauf, dass ihr Begehren bewilligt wird, es sei denn
- dafür gibt es klare gesetzliche Vorgaben -, es werden
bestimmte Bestimmungen im Außenwirtschaftsgesetz
berührt, die den Export deshalb verbieten, weil zum Beispiel das friedliche Zusammenleben der Völker gefährdet sein könnte. Das muss man ernsthaft prüfen.
({1})
Wir sind der Meinung, dass die Menschenrechte in
China trotz des wirklich effektiven Rechtsstaatsdialogs
noch nicht in dem Maße gewahrt werden, dass man vollständig Entwarnung geben könnte.
Herr Gerhardt, Sie haben für die FDP-Fraktion den
Antrag eingebracht, dass das EU-Waffenembargo nicht
aufgehoben werden soll.
({2})
- Richtig, sagen Sie. - Wenn Sie sich näher mit dem EUWaffenembargo beschäftigen, stoßen Sie auf den EUExportkodex. In Anhang 1 des EU-Exportkodexes ist
unter den so genannten Dual-Use-Gütern die Hanauer
Fabrik explizit aufgeführt.
({3})
Das heißt, dass Sie, wenn Sie gegen die Aufhebung des
Waffenembargos sind, implizit auch gegen den Export
der Hanauer Fabrik sind.
({4})
Das wäre konsequent. Sie können aber nicht fordern,
dass der Export stattfinden kann, und gleichzeitig, dass
das Waffenembargo bestehen bleibt. Die Politik der FDP
in dieser Frage ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Studieren Sie erst einmal die Rechtslage, bevor Sie sich solche
politischen Urteile zutrauen!
({5})
Selbst wenn das EU-Embargo aufgehoben werden
sollte, gelten noch immer die Bestimmungen des Atomsperrvertrages. Es ist im Rahmen des Entscheidungsprozesses über den Export zu prüfen, ob einige dieser Bestimmungen einschlägig sind, und zwar in dem Sinne,
dass die Vorgabe des Außenwirtschaftsgesetzes, dass das
friedliche Zusammenleben der Völker nicht verletzt
wird, dadurch nicht berührt ist.
({6})
Aber auch bei dieser Frage gibt es einige berechtigte
Zweifel. Zumindest fragen wir Grünen, ob mit dem Export nicht bestimmte Risiken eingegangen werden. Wir
verlangen, dass diese Risiken geprüft werden.
({7})
Ich komme auf ein Risiko zu sprechen. Kollege Loske
hat gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass die Hanauer Fabrik für sich genommen mit Blick auf eine
Atomwaffenproduktion nicht gefährlich ist. Aber zusammen mit dem schnellen Brüter, der in China in nicht
allzu ferner Zeit in die Testphase gehen wird, könnte sie
potenziell zu einer Gefährdung werden.
({8})
Ich spreche von potenziellen Gefährdungen und unterstelle China unter der jetzigen Führung keine böse
Absicht. Aber wenn wir über Sicherheitspolitik reden,
insbesondere über Atomstrategien, dann geht es nicht
um den subjektiven Willen, sondern um objektiv vorhandene Kapazitäten geht; das weiß jeder Sicherheitspolitiker.
({9})
Wir befürchten, dass objektiv gesehen Kapazitäten geschaffen werden könnten. Das wird im Ausland möglicherweise so perzipiert. Es stellt sich also die Frage, wie
das im Ausland wahrgenommen wird.
({10})
Sie wissen, dass auch Fehlperzeptionen Realität werden
können.
Schauen Sie sich die Situation von vor drei Jahren an,
als wir über die Lage in Taiwan diskutierten und besorgt
darüber waren, dass es wegen der Taiwanfrage zu einer
Verstimmung zwischen den USA und China kommen
könnte. Wir alle haben damals gehofft, dass dieser Konflikt nicht eskaliert und dass die chinesische militärische
Drohung gegenüber Taiwan nicht zu einer großen transpazifischen Verstimmung führt, wie es sie in den 70erund 80er-Jahren im transatlantischen Verhältnis gab. Wir
alle haben inständig gehofft, dass die Verstimmung,
sollte es doch zu ihr kommen, nicht atomar aufgeladen
wird.
Vor dem Hintergrund dieser Befürchtungen bitte ich
Sie: Prüfen Sie einmal die Frage, was es bedeutet, wenn
die objektiven Kapazitäten in China für die Erweiterung
eines militärischen Nuklearprogramms geschaffen werden könnten! Das ist nämlich unsere Befürchtung. Diese
Befürchtung kann man auch in einer anderen Richtung
haben. Wir wissen: China steht mit seinen Atomwaffen
in einem Dreiecksverhältnis zu Indien und Pakistan.
({11})
Der gesamte Raum lädt sich atomar auf.
({12})
Wie wird Indien reagieren, wenn China größere Kapazitäten hat? Wie wird Pakistan dann auf Indien reagieren?
({13})
Wie wird der Iran, wo es gerade zu einer Eindämmung
kommt, auf Pakistan reagieren? Wie wird Israel reagieren, wenn der Iran seine Verpflichtungen doch nicht einhält?
({14})
Herr Brüderle, diese sicherheitspolitischen Überlegungen können Sie mit Ihrem Geschäftssinn nicht einfach
abtun.
Ich sage gar nicht dogmatisch, dass wir mit unseren
Befürchtungen Recht haben. Wir fordern von der Bundesregierung ein, dass sie diese Punkte in ihrem Prüfungsverfahren sehr genau prüft. Falls sie nicht triftig
sind, dann steht dem Export nicht viel im Wege.
({15})
Es kann aber durchaus sein, dass es anknüpfend an diese
Befürchtungen notwendig sein muss, ein Safeguard-Regime zu errichten, das über das hinausgeht, was China
von der Internationalen Atomenergiebehörde im Moment abverlangt wird. Das wäre schon ein gewisser Erfolg. Aus vielen Gründen, die hier dargestellt worden
sind, wäre es aber die bessere Lösung, diese Anlagen
überhaupt nicht zu produzieren.
({16})
Am allerbesten wäre es, Siemens zöge den Antrag zurück.
Danke.
({17})
Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Lippold von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir hier
in den letzten Tagen und auch heute erlebt haben, ist der
Gipfel an Verlogenheit und Doppelmoral.
({0})
Vor Jahren haben die Grünen beim gleichen Thema
noch mit dem Bruch der Koalition gedroht. Jetzt sagen
sie ganz entschieden und wild entschlossen: Wir prüfen.
({1})
Was bedeutet das denn? Herr Volmer sagt, die Fraktion
sei dagegen. Herr Volmer, was sagt das denn?
({2})
Dr. Klaus W. Lippold ({3})
Sie werfen einen Spruch in den Raum und hinterher werden Sie alle bis auf vielleicht zwei Ausnahmen von Ihren
Plätzen aus zustimmen. Der Rest dieser grünen Fraktion
wird die verlogene Richtung weitergehen, indem er sagt,
dass er dagegen ist, gleichzeitig aber dafür stimmt. Ich
sage es hier sehr deutlich: Ihr Außenminister ist der Gipfel dessen, was man an Verlogenheit und Unmoral kennen kann.
({4})
In Hessen hat Herr Fischer die Anlage kaputtbehindert bis zum Gehtnichtmehr.
({5})
Er hat so lange von den Gefährdungen gesprochen, bis
die Menschen Angst hatten, ihre Kinder schickten und
sagten: Diese Anlage ist, wie Herr Fischer gesagt hat,
nicht verantwortbar. Von dieser Angstmache hört man
heute kein Wort mehr.
({6})
Jetzt steht er mit gerunzelter Stirn tief verinnerlicht da
und sagt, dass dies ein Vorgang ist, der ihm bitter ernst
sei. Ich sage Ihnen ganz offen: Er lügt! Er lügt, weil es
ihm nicht Ernst damit ist. Er gehört zu denen, die mit
kalter technologischer Akribie mit dem Kanzler genau
dieses besprochen haben.
({7})
Schauen Sie sich seine Reaktion in der „Bild“-Zeitung
an! Er hat ja nicht gesagt, dass dies nicht geschehen soll,
sondern er hat sich darüber beschwert, dass das so frühzeitig an die Öffentlichkeit gekommen ist.
Da ich Sie gerade betrachte, sage ich Ihnen ganz offen: Sie sind ein müder und trauriger Haufen.
({8})
- Das ging an die Grünen. - Sie lassen sich ganz einfach
gefallen, dass der Parteitag vorbeigeht, ohne dass Sie informiert werden. Warum? - Weil Ihr Außenminister, der
keine Moral hat,
({9})
auf dem Parteitag der Grünen wegen dieser Frage beim
letzten Mal verprügelt worden ist und dann Kotau machen musste. Diesmal wollte er sich nicht wieder vor Ihnen verbeugen, sondern er wollte es perfekt machen, bevor es bekannt wird. Deshalb hat er Krach mit Schröder
gehabt.
({10})
Es ist wirklich schlimm, das zu sehen. Meine Auffassung, dass da keine Moral ist, wird von Herrn Wend von
den Sozialdemokraten bestätigt. Ich zitiere aus der
„Welt“:
Auch Unterstützer des Projektes meldeten sich zu
Wort. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Rainer Wend, zeigte wenig Verständnis für die
Aufregung. „Man kann nicht alle wirtschaftlichen
Fragen nur moralisch betrachten.“ Den Kritikern
warf er vor, „emotionale Symbolpolitik“ zu betreiben …
So sieht die Wirklichkeit aus. Auf der einen Seite pochen
Sie auf Ihren hohen moralischen Anspruch. Auf der anderen Seite nehmen Sie davon Abstand.
({11})
- Aber sicher stimmt das. Dieses Verhalten werden wir
Ihnen in dieser Form nicht durchgehen lassen.
({12})
Der Bundeskanzler weist darauf hin - es sind ja nicht
nur die Grünen -, er könne schließlich nur nach Recht
und Gesetz handeln. - Das wäre schön. Was hat denn
dieser Bundeskanzler seinerseits in Niedersachsen gemacht? Sie können es in der „FAZ“ nachlesen. Er hat gegen Recht und Gesetz verstoßen und verstoßen lassen,
um die Kernenergie und die Entsorgung zu behindern. Er
ist damals mit der niedersächsischen Landesregierung
rechtskräftig zu Schadenersatzleistungen verurteilt worden. Der Mann, der in Niedersachsen permanent gegen
geltendes Recht verstoßen hat und verstoßen ließ, erklärt: Ich muss nach Recht und Gesetz handeln. - Das ist
nicht nur falsch, sondern verlogen. Er wollte diesen
Deal. Er wurde zu nichts gezwungen; um das ganz deutlich zu sagen.
Kollege Müller wird anschließend die Arie von der
Dinosauriertechnologie anstimmen, die wir in Deutschland nicht brauchen. Er wird aber Gründe dafür finden,
dass sie in China weiterentwickelt werden kann.
({13})
Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Chinesen 50 bis
100 Kernkraftwerke planen. Dazu reichen Sie die Hand.
Hier aber tun Sie das genaue Gegenteil.
({14})
Wer so verlogen argumentiert, darf sich nicht wundern,
dass wir das aufdecken und nicht mittragen.
({15})
Das Wort hat der Kollege Rolf Hempelmann von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Die Stichwörter dieser Debatte, von der
Opposition ins Feld geführt, waren: Moral, Doppelmoral, Verlogenheit, Scheinheiligkeit. Herr Brüderle, Herr
Meyer und Herr Lippold, man hat den Eindruck, hier reden nicht Politiker, sondern die Wächter der Moral dieser Nation. Wenn ich daran denke, wie lange Sie selber
im Glashaus gesessen haben, kann ich Ihren Mut nur bewundern. In jedem Fall ist auch das eine Form von
Transparenz. Ihre Vorgehensweise jedenfalls ist absolut
durchsichtig.
Worum geht es in Wirklichkeit? Es geht um die auch
in den Regierungsfraktionen selbstverständlich ernsthaft
diskutierte Frage der Kompatibilität von Innen- und Außenpolitik, von dem, was wir im eigenen Lande tun, und
dem, was wir außenpolitisch und außenwirtschaftspolitisch machen. Eine solche Debatte zu führen ist absolut
in Ordnung und geradezu die Pflicht von Parlamentariern.
Wir steigen in unserem Lande aus der Kernenergie
aus. Wir tun das aus gutem Grund. Dabei geht es um Sicherheit. Dieses Thema wird in unserer Bevölkerung
diskutiert und es wird - das wissen Sie - auch in unseren
Fraktionen diskutiert.
({0})
Deswegen stoßen unsere Vorstellungen auf große Akzeptanz. Im Übrigen ist es nicht so, dass die Deutschen
mit diesem Ausstieg völlig alleine sind. Sie wissen, dass
in neun von 15 EU-Mitgliedstaaten eine ähnliche Politik
des Ausstiegs aus der Kernenergie betrieben wird. Es
gibt natürlich auch Länder, die bei der Kernenergie bleiben oder neu in die Kernenergie einsteigen.
Wir sind wegen der Risiken ausgestiegen. Heißt das,
dass damit eine Außenpolitik bzw. eine Außenwirtschaftspolitik inkompatibel ist, durch die beispielsweise
der Export einer MOX-Brennelementefabrik ermöglicht
wird? - Meiner Meinung nach heißt es das nicht. Zwar
ist unsere Technologie nach unserer Auffassung mit Risiken behaftet. Sie ist unsicher. Aber wir wissen, dass es
leider im Ausland Kraftwerke und Brennelementefabriken gibt, die noch wesentlich unsicherer als unsere sind.
Insofern ist es mindestens eine Prüfung wert, ob diese
Anlage aus Hanau gegebenenfalls nach China exportiert
werden kann.
({1})
- Kurt-Dieter Grill, du kannst nachher noch reden. Du
hast ganze fünf Minuten. Darin kann man eine Menge
unterbringen.
Die Prüfungen finden zurzeit statt. Wir jedenfalls
warten diese in aller Geduld ab. Ich sage ganz offen als
Wirtschaftspolitiker, als Außenwirtschaftspolitiker und
als Energiepolitiker: Ich würde mich freuen, wenn die
Prüfung letztlich zu dem Ergebnis führen könnte, dass
dieser Export unter ganz bestimmten Auflagen und Bedingungen stattfinden kann. Einige der Auflagen sind
gerade genannt worden. Selbstverständlich ist es wichtig, dass ein Safeguard-Regime unter der Aufsicht der
IAEO errichtet wird, um sicherzustellen, dass diese Fabrik nicht nur kurz-, sondern auch langfristig friedlich
genutzt wird.
Ich würde den Export aber auch begrüßen, weil er unseren Einfluss insgesamt, insbesondere unseren energiepolitischen Einfluss auf China langfristig sichern könnte.
Denn dort gibt es nicht nur Kernkraftwerke, dort gibt es,
wie Sie wissen, auch große Kohlevorkommen und Kohlekraftwerke. Aber die Kohlekraftwerke, die im Moment
dort stehen, sind weitgehend umweltpolitisch äußerst bedenklich. Wenn wir in China Einfluss behalten wollen,
wenn wir Einfluss darauf nehmen wollen, dass die
nächste Kohlekraftwerksgeneration dort hoch effizient
und damit umweltschonender ist, dann macht es natürlich Sinn, dass wir den Export der MOX-Brennelementefabrik konstruktiv prüfen und, wenn ein positives
Ergebnis möglich ist, diesen mit entsprechenden Auflagen durchführen.
Sollte die Prüfung diesen positiven Abschluss finden,
dann erwarte ich allerdings auch vom Koalitionspartner,
dass eine solche Entscheidung offensiv mitgetragen
wird. Ich bin mir aber sicher, dass das bei Beachtung der
eben auch von dieser Seite zitierten Bedingungen möglich sein müsste.
Herzlichen Dank.
({2})
Das Wort hat der Kollege Ruprecht Polenz von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist
nicht nur die Nuklearpolitik der rot-grünen Bundesregierung beim Chinabesuch des Bundeskanzlers unter die
Räder gekommen. Ich verstehe den Ärger vor allen Dingen der Grünen über ihr Führungspersonal, das nicht gemuckst und, um im Bild zu bleiben, auch nicht gemoxt
hat.
({0})
Es ist noch ein zweites Herzensanliegen der rot-grünen
Koalition beim Chinabesuch des Kanzlers gleich mit
über Bord geworfen worden. Sie haben sich im
Jahre 2000 mit den neuen Rüstungsexportgrundsätzen
sehr stolz uns gegenüber präsentiert und gesagt: Keine
Rüstungsexporte in Länder, die in schwerwiegender
Form die Menschenrechte verletzen, keine Rüstungsexporte in Krisengebiete. - Sie wollten alles viel restriktiver handhaben als die Vorgängerregierung.
Jetzt verspricht Bundeskanzler Schröder dem chinesischen Staatspräsidenten, dass er sich dafür einsetzen
will, dass das Waffenembargo der Europäischen Union
gegen China aufgehoben wird. Nun haben Sie vorhin in
der Fragestunde und in einigen Beiträgen alles versucht,
um klarzumachen, dass das Waffenembargo mit unseren
Rüstungsexportrichtlinien nichts zu tun habe und unsere
Politik davon völlig unberührt bleibe. Wer soll das glauben, meine Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition? Was macht es für einen Sinn, sich für die
Aufhebung des Waffenembargos einzusetzen, wenn man
selber keine Geschäfte vorhat? Der Außenminister hat
vorhin auf meine entsprechende Frage, wie ich fand,
sehr ausweichend geantwortet.
({1})
Als ob wir ein Interesse daran hätten, dass China weiter aufrüstet! China wird nicht bedroht. China hat mit
circa 2,5 Millionen Soldaten die größte Armee der Welt.
Dazu kommen 1,1 Millionen bewaffnete Volkspolizisten. Der Verteidigungsetat Chinas steigt jährlich um
mehr als 17 Prozent.
Im Jahresabrüstungsbericht 2002 - die Bundesregierung hätte wenigstens ihren eigenen Bericht lesen können - heißt es:
Die schon heute weit fortgeschrittenen Entwicklungsprogramme zur Verbesserung der verfügbaren
Nuklearwaffen und ihrer Trägermittel werden weiter fortgesetzt … Biologische und chemische Waffen gehören ebenfalls zum chinesischen Inventar.
Auf der anderen Seite ist China der größte Empfänger
deutscher Entwicklungshilfe. Seit 1985 sind Finanzierungszusagen mit einem Volumen von 2,15 Milliarden
Euro erfolgt. In diesem Jahr werden 80 Millionen Euro
für die finanzielle Zusammenarbeit und 20 Millionen
Euro für die technische Zusammenarbeit gewährt.
Ich frage Sie: Haben wir ein Interesse daran, dass
China statt in seine Entwicklung - wir fördern mit unserer Hilfe in diesem Bereich sinnvolle Projekte - in seine
Rüstung investiert? Wenn das nicht der Fall ist, frage ich
Sie, warum die Forderung nach einer Aufhebung des
Waffenembargos erhoben wird.
({2})
Was hat sich eigentlich seit der Verhängung des EU-Embargos im Hinblick auf die Menschenrechtslage geändert?
Amnesty International stellt in seinem Jahresbericht
2003 fest:
Es waren erneut schwere Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen. In gewissen Bereichen verschlechterte sich die Menschenrechtslage im Vergleich zu den Vorjahren. Nach wie vor wurden
Zehntausende Personen willkürlich festgenommen
oder inhaftiert, weil sie in friedlicher Weise ihre
Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religionsoder Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten.
Auf der Homepage des Auswärtigen Amtes heißt es
in einer etwas geglätteten Fassung, die Menschenrechtslage in China bleibe weiterhin ein „Reibungsfaktor“ in
den bilateralen Beziehungen.
({3})
Was den zweiten Grundsatz angeht, keine Rüstungsexporte in Krisen- oder Spannungsgebiete durchzuführen, hat der Kollege Volmer vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass es in Asien - ich nenne als Beispiele
Indien, Japan, China und Indonesien - sehr viele historisch begründete Spannungen wie auch aktuelle Streitigkeiten um den Verlauf von Grenzen gibt. Es gibt ferner
Streitigkeiten um Inseln im Chinesischen Meer. Dabei
geht es auch um Öl. Diese Rivalitäten haben zu einem
heftigen Wettrüsten in der Region geführt.
Der Kollege Volmer hätte diese Fakten seiner Regierung vortragen sollen. Es ist durchaus richtig, dass es in
dieser Region Tendenzen zur Nuklearisierung gibt. Es
gibt vor allen Dingen keine wirksamen Rüstungskontrollregime.
Ich nenne ferner den Fall Taiwan. Der Bundeskanzler
ist deutlich über das Festhalten an der Ein-China-Politik
hinausgegangen. Er hat die Teilung Deutschlands in einen argumentativen Zusammenhang mit der Teilung
Chinas gestellt. Die Deutschen wüssten, hat er festgestellt, was die Teilung eines Landes bedeutet und er verstehe die chinesischen Gefühle gegen Taiwan. Damit hat
er sich den Standpunkt Pekings zu Eigen gemacht, Taiwan sei der eigentliche Verursacher der Krise.
Dabei ist Taiwan - der Kollege Klose hat darauf hingewiesen - eine Demokratie und wir können uns eine
Ein-China-Politik bzw. die Vereinigung Chinas mit Taiwan nur auf friedliche Weise vorstellen.
({4})
Die massive chinesische Aufrüstung in der Taiwan direkt gegenüberliegenden Provinz passt nicht dazu.
Eine Vereinigung mit Taiwan kommt doch nur dann
infrage, wenn sich China zu einem Rechtsstaat und zu
einer Demokratie entwickelt.
({5})
An dieser Stelle schließt sich der Kreis; denn nur in dem
Fall wird Taiwan die Vereinigung freiwillig vollziehen.
({6})
Es gibt in dieser Frage keinen Gegensatz zwischen
Moral und Interesse. Ich halte diese Gegenüberstellung
für falsch. Denn langfristig wird China nur dann ein berechenbarer Partner sein - übrigens auch für Wirtschaftskontakte -, wenn es sich zu einem Rechtsstaat
und zu einer Demokratie entwickelt.
Lassen Sie mich mit einem Zitat des früheren Fraktionsvorsitzenden der Grünen schließen, das auf die
Reise des Bundeskanzlers passt:
Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass die Bundesregierung beim Besuch des Bundeskanzlers in
China im Umgang mit der chinesischen Führung
den Eindruck erweckt hat, dass sie zwar an den
Prinzipien der Menschenrechte festhält, dass sie
diese aber im Zusammenhang mit der Geschäftsentwicklung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und China weit in den Hintergrund rückt.
So weit Fischers Feststellung damals. Er hätte damit
auch den jetzigen Bundeskanzler meinen können.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Winfried Hermann ({7}): Wollen Sie damit sagen, dass die CDU/CSU gegen den Export ist?
Diese Rede hat die Bedenken der Grünen gestärkt! Das ist eine Begründungsrede für die
grüne Position! - Winfried Nachtwei ({8}): Hätte es jetzt einen
anderen Schluss gegeben, dann hätten wir klat-
schen können!)
Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Müller von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Thema Moral hat der Kollege Hempelmann schon
alles Nötige angemerkt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Aber Herr Ramsauer meinte, einige Kollegen dafür loben zu müssen, wie sachlich sie diese Diskussion gestalteten. Möglicherweise geschah dies nur, um einen Kontrast zu schaffen; denn das, was dann folgte, war ja das
genaue Gegenteil von Sachlichkeit. Ich weiß nicht, ob
Sie das so deutlich herausstellen wollten, wie Sie das
dann getan haben.
({0})
Es ist billige Polemik, wenn hier laufend von „verlotterter Regierung“ und „Verlogenheit“ geredet wird.
({1})
- Ihr Kollege Lippold war so frei.
({2})
Herr Kollege Brüderle und Herr Kollege Gerhardt, Ihnen möchte ich mich ebenfalls zuwenden. Ich glaube,
dass im Zusammenhang mit der Hanauer Anlage auch
ein klein wenig Legendenbildung betrieben wird. Man
kann ja in diesen Tagen einiges über die damaligen Ereignisse nachlesen. Auf die Rolle von Herrn Fischer
wurde bereits hingewiesen. Das ist eine geschichtliche
Tatsache. Aber letztendlich verzögerte sich der Bau der
Hanauer Anlage durch sein Verhalten nur. Schließlich
erhielt die Anlage durch Minister Weimar eine Betriebsgenehmigung. Wer hat von dieser Betriebsgenehmigung
eigentlich Gebrauch gemacht? Die Industrie bzw. - besser gesagt - die Energiewirtschaft hatte sich bereits in
den 80er-Jahren von der Vision einer fortgeschrittenen
Brennstoffwirtschaft verabschiedet. Es spielte also auch
ein wirtschaftlicher und ein technologischer Hintergrund
eine Rolle, weshalb diejenigen, die der Meinung sind,
dass hier eine Technologie zum Schaden der Arbeitsplätze in Deutschland regelrecht vertrieben worden sei,
nicht Recht haben. Das müssen wir im Gedächtnis behalten, wenn wir uns mit der hier zur Diskussion stehenden Sache ernsthaft auseinander setzen wollen.
Zum Thema schneller Brüter: Wenn ich über den
Stand der Dinge richtig informiert bin, dann sind auch
die Japaner trotz ihrer groß angelegten Versuche bei der
Brütertechnologie nicht weitergekommen. Allerdings relativiert das auch die hier diskutierte Gefahr, ob in Zukunft aufgrund des Exports der Hanauer Anlage etwas
Schlimmes geschehen kann. Das darf man in diesem Zusammenhang in Betracht ziehen. China ist jedenfalls auf
diese Anlage nicht angewiesen, um Atomwaffen zu entwickeln; denn dieser Staat verfügt schon längere Zeit
über solche Waffen. China wird diese Anlage also nicht
zur Kernwaffenproduktion, sondern - möglicherweise zur weiteren Verwendung überschüssigen Plutoniums
aus zivilen Kraftwerken nutzen. Das muss bei dem gesamten Verfahren zumindest bedacht werden.
Vernünftig ist auf jeden Fall das, was Staatssekretär
Staffelt in diesem Zusammenhang erwähnt hat. Er hat
unter anderem einen Notenaustausch der Regierungen
gefordert. Das ist gerade unter dem Gesichtspunkt wichtig - auf diesen hat bereits Hans-Ulrich Klose hingewiesen -, dass es Tendenzen zur Renuklearisierung gibt und
dass es handfeste Auflagen geben muss, um das Ganze
überschaubar zu gestalten.
({3})
Bei der Betrachtung dieser Tendenzen muss aber zwischen militärischen und zivilen Nutzungsaspekten differenziert werden. Für eine Diskussion darüber ist jetzt
aber nicht die Zeit. Nur so viel: Das, was in der heutigen
Diskussion beispielsweise im Zusammenhang mit Finnland eine Rolle gespielt hat - wenn auch nur am
Rande -, weist darauf hin, dass es Unterschiede gibt.
Zum Schluss: Trotz des in Deutschland beschlossenen
Atomausstiegs, der Grundlage unserer Politik ist, muss
es unter Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften der
Außenwirtschaftsverordnung und aller europäischen Regelungen möglich sein, eine solche Anlage zu exportieren. Insofern möchte ich das unterstützen, was Kollege
Staffelt seitens der Bundesregierung dargelegt hat. Es
muss möglich sein, eine begrenzte außenwirtschaftliche
Freiheit - darum geht es ja letztendlich - wahrzunehmen.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts dieser fraktionsübergreifenden Werbung für HaPetra Pau
nau und für Siemens ist die Versuchung groß, an Zitate
aus früheren Tagen zu erinnern. Joseph Fischer sagte vor
der Wahl 1998 in Gorleben:
Wir werden das atomare Abenteuer beenden!
Oder:
Fischer hat sich um die Sicherheit der Bürger verdient gemacht.
Das sagte Hans Eichel 1992 nach der Stilllegung von
Hanau.
Nun geht es darum, das atomare Abenteuer zu exportieren und an der Unsicherheit zu verdienen. Die umstrittene und stillgelegte Plutoniumanlage von Hanau soll
nach China verkauft werden. Der Bundeskanzler sagt:
„Das ist nicht mehr aufzuhalten.“ Seither flackern bei
Rot-Grün viele Störlampen und die Krisenstäbe brennen
heiß.
Am spannendsten fand ich aber die Warnung von
Angelika Beer: So einfach gehe das mit dem Chinageschäft nicht; auch die NATO und die USA hätten noch
ein Wörtchen mitzureden. - Das ist fürwahr ein Novum:
Die Grünen drohen der SPD mit der NATO. Das hatten
wir wirklich noch nicht.
Die Atomanlage in Hanau wurde damals stillgelegt,
weil das Betriebsrisiko und das Risiko für die Bevölkerung politisch nicht zu verantworten sind. Das liegt nicht
am Standort Hanau, sondern an der Technologie. Das Risiko in China wäre also keinen Deut geringer als in
Deutschland. Wer nun mit solchen Risiken handelt, der
kann eigentlich kein Freund Chinas sein, sondern steht
bestenfalls im Dienst von Siemens.
Die rechtlichen Argumente - wir haben sie auch heute
hier wieder gehört - sind ebenfalls windig. Die einen sagen, was nicht verboten sei, das sei erlaubt. - Das mag
sein; aber was nicht verboten - also erlaubt - ist, muss
deshalb noch lange nicht vernünftig sein und muss auch
nicht in Politik umgesetzt werden.
Andere wiederum verweisen auf den Atomwaffensperrvertrag: Selbst dieser stehe dem Verkauf der Hanauer Atomfabrik nicht im Wege, vorausgesetzt die
Volksrepublik China verzichte offiziell auf eine militärische Nutzung. - Genau da liegt aber die Krux: Eine entsprechende Erklärung kann unterschrieben, aber auch
widerrufen werden; der Export einer Atomanlage kann
allerdings nicht widerrufen werden.
Richtig ist: Der Atomwaffensperrvertrag ist höchst
unvollkommen, auch weil er den Handel mit Nukleartechnologien und -produkten nicht generell ausschließt.
Dieser Vertrag verpflichtet aber auch niemanden zu diesem Handel. Deshalb ist die Verkürzung auf eine
schlechte Rechtslage schlecht. Es geht um ein Politikum.
Daher sagt die PDS im Bundestag Nein zu diesem Deal.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Müller von
der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Polenz, ich fand es über weite Strecken durchaus angemessen, wie Sie sich mit dem Thema beschäftigt haben.
Ich sage das nicht, weil ich als Oberlehrer auftreten will,
sondern weil ich bei dieser Debatte folgendes Grundproblem erkenne: Wir setzen uns im Plenum des Deutschen
Bundestages mit ernsthaften Problemen zunehmend
nicht mehr ernsthaft auseinander.
({0})
Wir leben in einer Welt von großen Interessengegensätzen, Widersprüchen und Spannungen. Wir werden einer immer mehr zusammenwachsenden Welt nicht damit
gerecht, dass wir Schablonen verwenden und immer nur
den Teufel oder Beelzebub ausmachen. Mit dieser Art
der Diskussion leisten wir nicht die notwendigen Differenzierungen und Bewertungen. Das ist das eigentliche
Problem. Dahinter steckt letztlich auch eine Form von
Politikunfähigkeit, die ich alarmierend finde.
Was sind die Schablonen, mit denen gearbeitet wird?
Die eine Schablone ist: Wenn man zu einer technologischen Entwicklung begründet Nein sagt, dann ist man
ein Arbeitsplatzvernichter. Man redet nicht über die
Gründe. Die andere Schablone ist: Wenn man - wie
hier - nach Gesetz und Recht verfährt, dann handelt man
doppelbödig.
Es tut mir Leid: Das alles passt nicht zusammen. Ich
finde, wir müssen uns mit dem Problem auseinander setzen. Wir haben in der Bundesrepublik seit Anfang der
70er-Jahre eine sehr intensive Debatte über die Atomenergie geführt - durch sie sind viele von uns, ich auch,
geprägt -, an deren Ende wir gesagt haben: Wir halten
diese Technologie für falsch. - Dass damit noch nicht
die ganze Welt Nein zu dieser Technologie sagt, ist ein
Tatbestand. Damit müssen wir umgehen, aus meiner
Sicht in der Weise, dass wir auf der einen Seite unsere
Bedenken aufrechterhalten, dass wir auf der anderen
Seite eingehende Anfragen nach Recht und Gesetz beurteilen. Dass wir auch die Spielräume ausnutzen, die es
dabei gibt, halte ich für berechtigt. Vor allem aber müssen wir durch unser Beispiel zeigen, dass manche Wege
falsch sind. Damit hat das rot-grüne Projekt, wenn ich es
so sagen darf, in der Bundesrepublik mit der Energiepolitik begonnen.
({1})
Wir wollen eine andere Energiepolitik, nicht nur aus
nationalen Gründen; das wäre zu kurz gesprungen. Andererseits wollen wir nicht nach dem Motto verfahren:
Michael Müller ({2})
Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. - Aber wir
wollen zeigen, dass es anders geht. Das finde ich richtig
und sehr wichtig. Das ist ein Teil der Auseinandersetzung, die wir seit Jahren führen.
Der Kollege Klose hat völlig Recht damit, dass im
Augenblick vor allem über Osteuropa und über Fernost
versucht wird, das Thema Atomenergie wieder mehr
hoffähig zu machen, militärisch wie zivil. Das ist eine
alarmierende Entwicklung. Ich will nur ein Beispiel nennen, ohne dass ich damit den Chinesen etwas unterstelle:
In China liegt die Zuständigkeit für die Nutzung der militärischen und der zivilen Nutzung der Atomkraft bei einem einzigen Amt. Das ist - es tut mir Leid, das so sagen zu müssen - schon eine bedenkliche Entwicklung.
({3})
Die Grenze zwischen militärischer und ziviler Nutzung
ist in China - wie übrigens in vielen Ländern - nicht
klar.
({4})
Wer das völlig unkritisch sieht, dem sage ich - es tut mir
Leid -: So blauäugig kann man nicht sein.
({5})
- Ich meine diejenigen, die das unkritisch sehen. Wenn
Sie sich angesprochen fühlen, finde ich das interessant.
({6})
- Wir haben doch eine intensive Diskussion über die Alternativen geführt. Anscheinend haben Sie das immer
noch nicht mitbekommen. Angesichts der großen energiepolitischen Herausforderungen in der Welt - als
Stichwörter nenne ich: Endlichkeit, Abhängigkeit von
Ressourcen, Unterversorgung mit Energie in den Entwicklungsländern, ökologische Problematik, möglicher
militärischer Missbrauch bzw. mögliche Unfälle - ist
nach aller Logik, vom Club of Rome bis zu wem auch
immer doch nur eine einzige Philosophie wirklich richtig, nämlich die, auf mehr Effizienz und auf Solarenergienutzung zu setzen. Insofern muss man sich die Frage
stellen, welche energiepolitischen bzw. technologiepolitischen Voraussetzungen dafür notwendig sind. Das ist
doch unsere internationale Argumentation. Wir sagen
eindeutig, dass man das mit der Atomkraft nicht schafft.
({7})
Sie können anderer Meinung sein, aber Sie müssen das
dann auch belegen und dürfen nicht so tun, als ob wir
hier mit dümmlichen Argumenten operieren.
({8})
Wir haben schon einen sehr ernsthaften Grund für unsere
Haltung.
Man kann auch nicht so tun, als wären die MOXBrennelemente ohne Probleme. Ich will nur ein paar
Beispiele nennen, zunächst die so genannte Materialbuchführung. Natürlich ist die bei dem Pulver, das da gepresst wird, ein Problem, weil nämlich etwas abgezweigt
werden kann. Das ist ein objektives Problem. Wie soll
das kontrolliert werden?
({9})
Ein anderes Beispiel. Natürlich ist die Wirksamkeit
von Steuerstäben bei MOX-Brennelementen verändert.
Damit sind technologische Probleme verbunden.
Natürlich kann man auch den Plutoniumgehalt in den
Pellets verändern, zwischen 5 und 7 Prozent. Dann können sie auch anders genutzt werden.
({10})
Man kann doch nicht so tun, als ob dies nicht objektive
Probleme wären, mit denen man sich nicht auseinander
zu setzen hätte.
Deshalb finde ich richtig, was wir machen, nämlich
Safeguards einzusetzen, verbindliche Verträge zu schließen und Bedingungen zu formulieren, etwa des Inhalts,
dass es von China aus keinen Tourismus mit Atombrennstäben geben darf.
({11})
Das sind richtige Auflagen. Diese müssten eigentlich
von uns gemeinsam unterstützt werden. Stattdessen werden hier kleinkarierte parteipolitische Auseinandersetzungen geführt.
({12})
Dafür ist dieses Thema viel zu ernst.
Ich sage zum Abschluss: Die Art und Weise, in der
Sie hier argumentieren, zeigt nur, dass Sie nicht fähig
sind, sich mit solch ernsten Problemen auseinander zu
setzen.
({13})
Das Wort hat jetzt der Kollege Kurt-Dieter Grill von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller, es ist eigentlich so, wie es immer ist: Sie
entscheiden, wer hier ernsthafte Beiträge bringt.
({0})
Sie entscheiden, wer den Ansprüchen von Ethik und
Moral gerecht wird. Sie entscheiden, welche Lösung angesichts der globalen Verantwortung für Energiepolitik
die einzig richtige ist. Ich sage Ihnen: Wenn Sie Ihren
Maßstab anlegen, dann hat der Bundeskanzler in Peking,
nicht einmal in Berlin, bei einem brisanten innenpolitischen Thema die Latte der Moral so hoch gelegt, dass
Fischer und Trittin gemeinsam Huckepack darunter
durchkommen. So sieht die Situation aus.
({1})
Wir reden in Wahrheit nicht über einzelne technologische Fragen, sondern wir reden über den Widerspruch
zwischen Ihrer innenpolitischen Moralattitüde bezüglich
des Ausstiegs aus der Kernenergie und der Tatsache,
dass Sie eine zentrale Technologie, die in Deutschland
entwickelt worden ist, unter all den Randbedingungen,
die die Kollegen Klose und Polenz hier genannt haben,
nach China exportieren wollen. Darüber reden wir; diesen Widerspruch können Sie im Grunde genommen
nicht auflösen.
Herr Staffelt hat ja in bewunderwerter Offenheit darauf hingewiesen, dass das Thema seit Februar virulent
ist. Trotzdem - wir leben schließlich in einer Demokratie - ist dieses Thema von dieser Bundesregierung dem
Parlament gegenüber bis Dezember 2003 verschwiegen
worden
({2})
und dann zu allem Überfluss in Peking öffentlich gemacht worden.
Ich finde es ja in Ordnung, wenn man fordert, dass
wir aus dem Schablonendenken herauskommen müssen.
Ich frage mich dann aber nur, warum ausgerechnet ein
Mitglied Ihrer Fraktion, nämlich Herr Erler, sich hier
hinstellt und uns nach der Rede von Herrn Lippold als
Büttel der Atomindustrie bezeichnet. Meine Damen und
Herren, nicht die CDU/CSU und auch nicht die FDP haben in Peking verkündet: Basta, es wird exportiert. Das
war Ihr Bundeskanzler und niemand anders. Angesichts
dessen frage ich Sie nun aber: Wer ist der Büttel, wenn
es denn überhaupt einen gibt?
({3})
Angesichts dessen, dass Sie jetzt hier im Nachgang
die Plutoniumfrage wieder hervorkramen, rate ich Ihnen,
den Bericht der Bundesregierung von heute Morgen an
den Wirtschaftsausschuss zu lesen. Lesen Sie ihn einmal, Herr Müller, ehe Sie so über Plutonium reden, wie
Sie es getan haben. Da steht: Die Anlage ist in ihrer derzeitigen Konfiguration technisch nicht für die Herstellung von Brennelementen für schnelle Brutreaktoren
ausgelegt.
({4})
Mit der Anlage kann kein Plutonium erzeugt, sondern lediglich vorhandenes Plutonium verarbeitet werden.
Ihr scheinheiliger Versuch, hier eine sachliche Debatte zu führen, indem Sie davon reden, dass Sie sich
große Sorgen um die Einhaltung von Vorschriften und
des Einsatzes von Safeguards und anderen Dingen machen,
({5})
ist in Wahrheit nichts anderes als Ihre alte Methode,
Emotionen wie Angst und Schrecken bezüglich des Einsatzes von Kernenergie heraufzubeschwören,
({6})
um die Menschen in die Angstecke zu treiben, ohne ihnen jedoch eine Lösung anzubieten.
({7})
- Doch, gerade Sie, Herr Loske, haben doch behauptet,
dass Kernenergie in einer Demokratie nicht mehr durchsetzbar sei. Was für eine Staatsform hat denn Finnland?
In Frankreich wird in diesem bzw. im nächsten Jahr über
den Bau des EPR entschieden. Auch Frankreich ist nach
meinen Informationen eine Demokratie.
({8})
- Doch, Sie haben sich zu dem Thema ausgelassen.
Ich will hier noch einmal ganz deutlich sagen: Die
Frage, ob Safeguards der IAEO eingesetzt und andere
Dinge, die aus unserer Sicht wichtig sind, eingehalten
werden, hat doch hoffentlich Ihr Außenminister geprüft,
bevor er seine Zusage gegeben hat.
({9})
Oder sind Sie sich nach dem, was Sie hier vorgetragen
haben, nicht sicher, dass Herr Fischer das ernsthaft geprüft hat? Das kann doch nun wirklich nicht sein.
({10})
Auch wenn Herr Staffelt meinte, wir sollten nicht
über die Vergangenheit diskutieren, kann ich ihnen doch
ein Letztes nicht ersparen: Wenn Sie wirklich an der Vernichtung von Plutonium, das für Waffen genutzt, weitergenutzt und wiederverwendet werden kann, interessiert
gewesen wären, dann hätten Sie als grüne Politiker im
Jahre 2000 den Export dieser Anlage nach Russland
nicht verhindern dürfen, sondern sie den Russen geben
müssen, damit das Plutonium aus vernichteten Waffen
für friedliche Zwecke hätte genutzt werden können.
Auch jetzt geben Sie ja Gelder für die Verschrottung von
Atom-U-Booten. Damals haben Sie mit den gleichen Argumenten wie heute den Export dieser Anlage verhindert.
({11})
Deswegen besteht nicht nur zwischen Ihrer Innen- und
Außenpolitik ein Widerspruch, sondern Sie haben zu einem Zeitpunkt, als Sie dazu hätten beitragen können,
dass Plutonium für immer und ewig vernichtet wird,
schlicht und einfach versagt.
({12})
Ich sage ausdrücklich, Herr Kollege Klose: Ich bin
mit Ihnen einer Meinung, dass China ein wichtiger Partner ist - darüber brauchen wir sicherlich nicht zu streiten -, genauso wie Amerika immer ein wichtiger Partner
bleiben wird. Der Kollege Polenz hat, wenn ich mich
nicht irre, aus einer Rede von Joschka Fischer zu einer
Chinareise von Helmut Kohl zitiert. Ich möchte Ihnen
mit Blick auf Ihre Beiträge hier, in denen es unter anderem hieß, die Opposition habe Blasen geschlagen, gerne
die Rede von Herrn Fischer zur Chinareise von Helmut
Kohl im Jahre 1995 zur Lektüre empfehlen. Aufgrund
des Umzuges unseres Wissenschaftlichen Dienstes bin
ich an die Rede nicht mehr herangekommen; sonst hätte
ich Ihnen gerne ein paar Passagen daraus vorgelesen.
Herr Volmer, Sie haben gesagt: Machen Sie sich nicht
unsere Sorgen. Ich sage Ihnen, warum ich besonders erbost bin über die Art und Weise, wie Sie in dieser Frage
vorgehen: Sie haben, insbesondere bei mir zu Hause,
keine Gelegenheit ausgelassen, die Risiken und Gefahren der Kernenergie als unermesslich hoch zu beschreiben. Ich empfinde es als niederträchtig, dass die rotgrüne Bundesregierung bei diesem Export lediglich mit
der Rechtslage argumentiert und so tut, als sei der Atomexport aufgrund der Rechtslage nicht zu verhindern.
Dies ist schlicht und einfach eine Verkürzung der Sachverhalte, dessen, was Herr Schröder in China gewollt hat
und was er zugesagt hat.
Herr Kollege Grill, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ihr zentraler Widerspruch an dieser Stelle: Sie predigen Wind und exportieren Atom.
({0})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 11. Dezember 2003,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.