Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/14/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Der Ältestenrat hat vereinbart, dass in der Haushaltswoche vom 24. bis 28. November keine Regierungsbefragung, keine Fragestunden und keine Aktuellen Stunden stattfinden sollen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 ({1}) und 1373 ({2}) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen - Drucksachen 15/1880, 15/2004 Berichterstattung: Abgeordnete Gert Weisskirchen ({3}) Dr. Ludger Volmer Dr. Rainer Stinner Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 15/2007 Berichterstattung: Abgeordnete Antje Hermenau Dr. Elke Leonhard Dietrich Austermann Jürgen Koppelin Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion, das Wort.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die SPD-Bundestagsfraktion darf ich sagen: Wir werden dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Deutsche Streitkräfte werden auch in den nächsten zwölf Monaten zum Einsatz kommen, damit die Operation Enduring Freedom fortgesetzt werden kann. Wir stimmen dem Antrag auch deshalb zu, weil der Weltsicherheitsrat am 13. Oktober in seiner Resolution 1510 erneut bekräftigt hat, dass er die internationalen Bemühungen im Rahmen des von uns im Herbst 2001 gemeinsam gebilligten Zieles der Abwehr terroristischer Aktivitäten unterstützt. Wir werden heute zum zweiten Male die Verlängerung eines außergewöhnlichen Mandats beschließen. Nichts wäre uns allen lieber - ich bin fest davon überzeugt, dass das für uns alle in diesem Hause gilt -, als feststellen zu können, dass die Verlängerung des Mandats nicht mehr nötig wäre. Aber ein Blick in die Krisenregion, auf die sich das Mandat räumlich bezieht, macht deutlich, worum es geht. In dieser Region geschieht nämlich leider nach wie vor Tag für Tag Schreckliches. Immer noch ist festzustellen, dass al-Qaida nicht überwältigt ist. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass das Mandat vom Bundestag bestätigt und verlängert wird. ({0}) Der Hintergrund der Erteilung dieses außergewöhnlichen Mandats ist ebenfalls außergewöhnlich. Am 11. September 2001 hat uns ein schreckliches Ereignis erschüttert, das in seinen Erschütterungen bis heute fortwirkt. Die Operation Enduring Freedom war die militärische Antwort darauf - militärisch muss sie das leider auch weiterhin bleiben -, dass jegliches zivilisiertes Zusammenleben von terroristischen Anschlägen bedroht werden kann. Der Schrecken, der von Terroristen ausgelöst wurde, ist noch nicht bewältigt. Al-Qaida ist noch nicht überwältigt. Redetext Gert Weisskirchen ({1}) Aber - diese Frage muss der FDP gestellt werden welches Signal würde davon ausgehen, das Mandat jetzt zu beenden? Denn darüber haben Sie debattiert. Wenn Sie sich inzwischen besonnen haben, dem Mandat zuzustimmen, dann können wir darüber nur froh sein. ({2}) Denn wenn das Mandat beendet oder - was dem gleichkäme - substanziell reduziert würde, dann stellt sich die Frage nach den Folgen. Würde davon nicht das Signal ausgehen, dass wir den Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht mehr so ernst nehmen, wie es nötig ist? Diese Frage müssen diejenigen beantworten, die dieses Mandat substanziell verringern wollen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass eine Fraktion im Deutschen Bundestag, die Außenpolitik in der Tradition von HansDietrich Genscher betreibt - dieser hat stets betont, dass Deutschland zu seiner internationalen Verantwortung steht -, diese vernünftige, sinnvolle und konstruktive Außenpolitik ablehnt, indem sie hier mit Nein stimmt. ({3}) Klar ist: Deutschland steht auch in Zukunft zu den Verpflichtungen, die es eingegangen ist. Im Rahmen von Enduring Freedom haben 3 900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihren Beitrag geleistet. Sie haben, wo immer sie arbeiteten, internationales Ansehen gewonnen. Dafür sagen wir herzlichen Dank! ({4}) Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten wird, wenn wir heute die Verlängerung des Mandats beschließen, ganz behutsam abgesenkt, von 3 900 auf 3 100. Diese Absenkung hat einen vernünftigen Grund: Die zunächst bestehende Sorge - wir alle erinnern uns -, dass alQaida möglicherweise über ABC-Waffen verfügt, hat sich glücklicherweise als gegenstandslos erwiesen. Behutsamkeit ist ein wichtiges Stichwort in all unseren Debatten. Die Bundesregierung ist mit dem Mandat, das der Bundestag heute zum wiederholten Male verlängern wird - davon gehe ich aus -, immer behutsam umgegangen. Es wurden Obergrenzen festgelegt, bei denen immer klar war: Sie werden nicht berührt; sie werden unterschritten. Deswegen vertrauen wir darauf, dass diese Behutsamkeit von der Bundesregierung fortgesetzt wird. ({5}) Enduring Freedom hat uns einen gemeinsamen Lernprozess eröffnet: In einer ersten Stufe haben wir gelernt, welche Anforderungen die internationale Zusammenarbeit an uns gemeinsam stellt. Die Bundesregierung hat im Weltsicherheitsrat einen eigenen Beitrag dazu geleistet. In einer zweiten Stufe hat die Bundesregierung ihren Antrag ins Parlament eingebracht und sich den kritischen Fragen im Plenum und in den Ausschüssen gestellt. Wir haben diese kritischen Fragen auch uns selbst gestellt. Sie von der Opposition haben immer wieder darauf gedrängt, dass das Parlament in jeder einzelnen Phase, selbst wenn es nur Akzentverschiebungen gegeben hat, beteiligt ist. Dieser gemeinsame Lernprozess zeigt, dass wir Parlamentarier in der Lage sind, auf die Herausforderungen eine gemeinsame, klare, vernünftige parlamentarische Antwort zu geben. Es bestand niemals - nicht ein einziges Mal - die Gefahr, dass das militärische Handeln der Bundeswehr der Politik aus den Händen gleitet. Diese Behutsamkeit wird die Bundesregierung - davon bin ich fest überzeugt - weiter an den Tag legen. Wir können in den Ausschüssen vertrauensvoll beraten. Der Außenminister und der Verteidigungsminister haben erklärt, dass das Parlament umfassend informiert wird, selbst wenn es nur Akzentverschiebungen innerhalb des Mandats geben sollte. Wir werden also voll beteiligt. Ich bin nicht nur zuversichtlich, dass die Bundesregierung ihr Versprechen einhält, sondern auch, dass wir Parlamentarier unsere Chance wirklich nutzen. Weil Enduring Freedom die notwendige militärische Antwort auf die Herausforderungen des Terrorismus ist, müssen wir die Verlängerung dieses Mandats heute gemeinsam beschließen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dieser Verlängerung zustimmen. ({6}) Es war aber von Anfang klar: Der Kampf gegen alQaida verlangt mehr als nur eine militärische Antwort. Regionale Konflikte müssen beendet werden. Zusammenbrechende Staaten müssen wieder aufgebaut werden. Modernisierungsrückstände müssen aufgeholt werden. Darauf muss die internationale Staatengemeinschaft neu verpflichtet werden. Das ist unsere über Enduring Freedom hinausgehende politische Aufgabe. Die Globalisierung wirft einen dunklen Schatten auf Hunderte Millionen Menschen. In diesem Schatten explodieren Kriminalität, Bürgerkrieg und privatisierte Gewalt. Hier ist der Nährboden, auf dem Terrorismus wachsen kann. ({7}) - Ja, Herr Westerwelle, die Globalisierung wirft einen Schatten auf bestimmte Regionen dieser Erde. Es ist unsere Aufgabe, diesen Schatten zu verkleinern und die Menschen aus dem Schatten herauszuführen. ({8}) Möglicherweise haben Sie einen anderen Begriff von Globalisierung und wollen ökonomisch alleine das geschehen lassen, was aus Profitinteressen notwendig wäre. Das wollen wir nicht, Herr Westerwelle. ({9}) - Lieber Kollege Westerwelle, wir wollen dazu beitragen, dass der Prozess der Globalisierung politisch gestaltet werden kann, damit sich Terroristen auf keinerlei Gert Weisskirchen ({10}) Gründe mehr berufen können und damit sie nicht mehr Angst sowie Not und Elend ausbeuten können, um ihre falschen Ziele zu verfolgen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Schön, dies durch Ihren Zuruf bestätigt zu bekommen. ({11}) Eines ist klar: Die Zivilisationen brauchen eine große gemeinsame Anstrengung. Kofi Annan hat in seinem Brief an die Generalversammlung deutlich beschrieben, was notwendig ist. Mit einem Zitat aus diesem Brief möchte ich schließen: Erstmals in der Geschichte der Menschheit haben wir die Ressourcen, das Wissen und die Kenntnisse, damit die Armut beseitigt wird, und zwar zu Lebzeiten eines Kindes, das geboren worden ist, als die Millenniumserklärung beschlossen wurde. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Heute beschließen wir die Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom. Aber der Menschheit zu helfen, dass sie aus dem Schatten der Globalisierung heraustritt, damit alle an dem Nutzen und den Chancen der Globalisierung beteiligt werden können, ist eine weitergehende politische Aufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Friedbert Pflüger, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Friedbert Pflüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/ CSU stimmt der Verlängerung der Beteiligung der Bundeswehr an der Antiterroroperation Enduring Freedom zu. Die gemeinsam zwischen Regierung und Opposition ausgehandelte Protokollnotiz, quasi eine Anlage zum Mandatsantrag der Bundesregierung, hat dafür eine wichtige Voraussetzung geschaffen. In der Protokollnotiz sichert die Bundesregierung nämlich zu, bei einer Schwerpunktverlagerung im Rahmen der Mandatspraxis den Bundestag über Ort und Umfang der Einsätze vorab und detailliert zu unterrichten sowie die zuständigen Ausschüsse, den Auswärtigen Ausschuss, den Verteidigungsausschuss und den Haushaltsausschuss, zu beteiligen. Herr Kollege Weisskirchen, Sie haben eben gesagt, wir könnten der Bundesregierung doch vertrauen. Sie habe zwar hohe Obergrenzen gesetzt, aber werde von dem Mandat zurückhaltend Gebrauch machen. Es mag sein, dass das Vertrauen gerechtfertigt ist. Aber Aufgabe des Parlamentes ist es auch, ein klein wenig Kontrolle auszuüben. Deshalb ist es gut, dass wir die Protokollnotiz gemeinsam erarbeitet und hinzugefügt haben. ({0}) Wir stellen fest, dass Protokollnotizen zu Mandaten der Regierung inzwischen geübte Verfassungspraxis geworden sind. Ich betone aber für meine Fraktion, dass sie nur ein Notbehelf sind. In Wahrheit brauchen wir ein Parlamentsbeteiligungsgesetz. Über ein solches Gesetz finden in Kürze erste informelle Gespräche zwischen den Fraktionen statt. Auf unserer Seite hat der Kollege Christian Schmidt die Federführung bei diesen Gesprächen. Ziel eines Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist, den Parlamentsvorbehalt zu wahren, aber auch seine effektive Handhabung zu ermöglichen und eine klare Bestimmung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Regierung und Parlament festzulegen. Heute geht der Einsatz der Bundeswehr in das dritte Jahr. Wir alle danken unseren Soldaten und ihren Familien für ihren großartigen Einsatz, für das Tragen von Lasten und Risiken. ({1}) Der internationale Terrorismus bleibt die größte Bedrohung unserer Sicherheit. Daran wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich nichts ändern. Die Anschläge von New York, Djerba, Bali, Mombasa, Riad, Rabat, Jakarta und wieder Riad, um nur einige zu nennen, sind das Werk fanatischer Islamisten. Sie berufen sich bei ihrer totalitären Ideologie auf den Koran. Sie instrumentalisieren ihn, unterziehen junge Muslime einer Gehirnwäsche und senden sie dann als lebende Bomben in die Welt. Niemand kann ausschließen - Herr Kollege Weisskirchen, es wird zunehmend wahrscheinlich -, dass Gruppen wie al-Qaida bald auch über Massenvernichtungswaffen verfügen. Wir haben keine Beweise dafür, Gott sei Dank. Aber dass diese Gruppen bestrebt sind, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen, so genannte schmutzige Nuklearwaffen zu erhalten, wissen wir. Wir wissen weiter, dass die Verbreitung von Technologien für Massenvernichtungswaffen voranschreitet. Die Verbindung von Terror und Massenvernichtungswaffen ist die größte Gefahr, nicht nur eine Gefahr für Amerika und Israel, sondern auch - das müssen wir endlich begreifen - eine Gefahr für uns in Europa. Wir können uns nicht wegducken. Wir sind Teil dieser westlichen Zivilisation und wir alle sind im Visier der Dschihadisten und Islamisten und ihrer Anhänger. Ein weltweites Kalifat wollen diese Leute. Sie berufen sich auf den Islam. Osama Bin Laden fühlt sich als Avantgarde von 1,3 Milliarden Muslimen in der ganzen Welt. Er will den Krieg der Zivilisationen und sein Ziel ist es, überall auf der Welt den Aufstand des Islam gegen andere Kulturen zu provozieren. Wir müssen alles tun, diesen Krieg der Zivilisationen zu vermeiden und stattdessen einen Dialog der Zivilisationen zu führen. ({2}) Gestern Nachmittag fand im Andachtsraum des Reichstages eine Andacht, eine interreligiöse Begegnung, statt. Initiiert hatten das der Politikwissenschaftler Michael Wolffsohn und der Vizepräsident des Bundestages Norbert Lammert. Ein katholischer und ein evangeli6564 scher Prälat, ein jüdischer Rabbi, ein muslimischer Imam waren dort. Es war eine sehr beeindruckende Stunde in dem kleinen, wie ich finde, sehr schönen Andachtsraum. Der Imam Ibrahim Gemici von der Moschee in Berlin-Kreuzberg sagte dabei, er distanziere sich von den Gewalttaten Osama Bin Ladens, er sei betroffen darüber, dass der gute Name des Islam von diesen Fanatikern missbraucht werde. Genau das ist es. Wir müssen zwischen Muslimen und islamistischen Fanatikern trennen und zu dieser Trennung ermutigen. Nicht in einen Topf werfen, sondern unterscheiden! Darauf kommt es an, wenn man die Terroristen und ihre Sympathisanten wirksam bekämpfen will. ({3}) Ich bin im Frühjahr dieses Jahres beim Wali von Fez, bei dem Gouverneur von Fez, in Marokko gewesen. In seiner Wohnung hängt ein kunstvolles Gemälde mit einer wichtigen Sure aus dem Koran an der Wand: Es soll kein Zwang sein in Glaubensdingen. - Nicht die Schreckensherrschaft der Taliban, nicht der Gottesstaat des Ayatollah Khomeini, nicht der wahabitische Revolutionsexport aus Saudi-Arabien stehen für den eigentlichen Islam, sondern so etwas wie das Kalifat von Cordoba im 9. und 10. Jahrhundert nach Christus, in dem es gelang, dass Muslime, Christen und Juden friedlich zusammenlebten und in dem die Muslime große Beiträge zu unserer europäischen Kultur geleistet haben: in Mathematik, in Medizin, in Philosophie. Daran sollten sich die Muslime orientieren. Das und nicht die Grauen der islamistischen Fundamentalisten müssen wir wieder ins Blickfeld rücken. Die große Mehrheit der Muslime in aller Welt will friedlich mit den Nachbarn, mit Andersdenkenden, mit anderen Religionen zusammenleben. Diese rechtschaffenen Muslime sind unsere Partner, unsere Freunde. Ihnen zu mehr Würde, mehr Anerkennung zu verhelfen, das ist unser Ziel, nicht aber, sie alle als potenzielle Bedroher unserer Zivilisation über einen Kamm zu scheren. Aber dieses Ziel erreichen wir nur, wenn die Muslime sich trauen, sich gegen die Islamisten aufzulehnen. Dazu gehört viel Mut. Wir sollten sie ermutigen, klar zu machen, dass sie mit diesen Osama Bin Ladens nichts zu tun haben! Wir in Deutschland gewinnen unsere Bürger nur dann für Toleranz gegenüber Muslimen und Moscheen, wenn wir intolerant und entschlossen gegen extreme Islamisten vorgehen. ({4}) Es führt zu mehr Toleranz gegenüber Muslimen, wenn der Staat die Bereitschaft zeigt, sich von extremen Vertretern des Islamismus zu trennen. Den Kalifen von Köln wollen wir nicht bei uns in Deutschland. Wir wollen nicht diejenigen, die mit einer festen, mit einer abgeschlossenen Gedankenwelt zu uns kommen und die ganze Welt erlösen wollen. Denen müssen wir entgegentreten. So wichtig aber Repression gegen solche Leute ist, so wichtig Militär und Geheimdienste bei der Bekämpfung des Terrorismus sind - noch wichtiger sind die Mittel der „soft power“, der „weichen Macht“, wie sie Joseph Nye genannt hat, der Dialog der Kulturen, die Öffnung unserer Märkte, Entwicklungspolitik, Maßnahmen zur Eindämmung der Bevölkerungsexplosion, Demokratieförderung, Bildungschancen für junge Menschen außerhalb von Medressen oder Akademien in Bonn und sonst wo. Das Militär, die Mission Enduring Freedom, das ist die Faust, die zur Bekämpfung von Extremisten notwendig ist. Dazukommen muss aber auch die ausgestreckte Hand. Dazukommen muss auch der Versuch - da sind wir völlig einer Meinung -, dem totalitären Islam den Nährboden zu entziehen, indem Armut, Not und Würdelosigkeit in der arabischen Welt bekämpft werden. Außenminister Fischer hat Anfang September eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen ist, nach dem 11. September 2001 nicht sogleich in eine transatlantische Strategiedebatte einzutreten. Wir freuen uns, dass das jetzt - leider mit großer Verspätung - geschieht. Dazu ist mit dem Solana-Papier auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki ein erster wichtiger Schritt gemacht worden. Es geht darum, dass wir uns mit den Amerikanern auf eine langfristige Strategie für den Größeren Mittleren Osten verständigen. Wir alle - nicht nur die Amerikaner - haben den Persischen Golf lange Zeit ausschließlich als Tankstelle betrachtet: Hauptsache, das Öl floss. Solange das Öl floss und Stabilität gewahrt war, war es uns recht. Das reicht nicht mehr. Ich glaube, die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass wir mehr leisten müssen. Wir müssen uns Mühe geben, uns dort langfristig engagieren. Wir müssen jungen Menschen in dieser Region eine Alternative aufzeigen. Heute haben sie nur die Wahl, entweder in mehr oder weniger autoritären Diktaturen und korrupten Regimen mitzuarbeiten oder aber sich islamistischen Gruppen anzuschließen. Wir müssen mit unseren Ideen von Menschenrechten, von Freiheit ohne doppelte Standards ein gutes Beispiel geben. Wir müssen um Vertrauen werben. Gemeinsam mit den Amerikanern müssen wir eine langfristige Strategie für einen friedlicheren und freiheitlicheren Mittleren Osten erarbeiten und umsetzen. Ich glaube, das ist eine wichtige Aufgabe. Wir dürfen den Größeren Mittleren Osten nicht länger nur als eine Tankstelle ansehen, sondern müssen für diese Menschen, gerade für die jungen Menschen, etwas tun. Es sind überwältigend viele junge Menschen; die Geburtenrate ist sehr hoch. Natürlich entsteht dort nicht von heute auf morgen eine Westminster-Demokratie; aber wir sollten nicht davor zurückschrecken, gemeinsam mit den Muslimen in diesen Ländern grundlegende Menschenrechte durchzusetzen. Das ist, glaube ich, eine wichtige Aufgabe für uns alle. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass zwei Dinge in nächster Zeit gelingen: erstens, dass wir die so genannte Roadmap wiederbeleben und gemeinsam mit den Russen, den Amerikanern, der EU und der UNO dazu beitragen, den Frieden im Nahen Osten wieder vorDr. Friedbert Pflüger anzubringen. Denn das ist ein Schlüssel, um die Herzen der Menschen in der arabischen Welt zu gewinnen. Das Zweite ist, dass der Irak demokratisiert und stabilisiert wird. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Amerikaner, sondern eine Aufgabe für uns alle. Wir als CDU/ CSU haben in der Debatte genau vor einem Jahr darauf hingewiesen, wie schwer es sein würde, den Irak nach einem möglichen Militärschlag als Staatengebilde zu erhalten, zu demokratisieren und zu stabilisieren. Die Risiken waren jedem von uns in diesem Hause bekannt. Wir haben auch sehr frühzeitig - Wolfgang Schäuble an der Spitze - darauf hingewiesen, dass Amerika zwar allein einen Krieg gewinnen kann, aber es ihm alleine nicht gelingen wird, Frieden zu schaffen. Dazu sind die Anstrengungen der gesamten internationalen Staatengemeinschaft notwendig. So sollte nicht der eine oder andere mit verdeckter Schadenfreude sagen: Seht einmal, Amerika, wir haben es euch immer gesagt, ihr schafft es nicht. Vielmehr sollten wir gemeinsam mit den Amerikanern nach Konzepten suchen, wie man im Irak vorankommt. Wenn es mittelfristig nicht gelingt, den Irak zu stabilisieren und zu demokratisieren, dann wird sich das wie ein Fanal auf den gesamten Mittleren Osten auswirken. Deshalb lauten die beiden zentralen Aufgaben, die wir gemeinsam mit den Amerikanern und nicht gegen sie lösen müssen: glaubwürdige Ankurbelung des Friedensprozesses und Engagement von uns allen in Afghanistan und im Irak. So kommen wir dem Ziel, Frieden im Größeren Mittleren Osten zu schaffen, näher. Ich hoffe sehr, dass wir es in diesen Schicksalsunternehmungen - das sind sie für uns alle in der westlichen Welt - schaffen, die Unterschiede und krassen Gegensätze, die zwischen uns vor und während des Irakkrieges bestanden, zu überwinden, dass wir keine Alleingänge und Sonderwege mehr einschlagen und dass Europäische Union und NATO eine gemeinsame Strategie verfolgen. In diesem Sinne stimmen wir heute dem Antrag zur Fortsetzung des Einsatzes bei Enduring Freedom als einem weiteren Baustein in der notwendigen, weltweiten Bekämpfung des Terrorismus zu. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Ludger Volmer, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Jahre dauert nun der Einsatz Enduring Freedom, den wir heute verlängern werden. Der heutige Tag bietet vielleicht eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz bezüglich des Kampfes gegen den Terrorismus zu ziehen. Diese Zwischenbilanz fällt ambivalent aus. Wir haben gesehen, dass es notwendig war, zumindest das strategische und organisatorische Zentrum von alQaida mit militärischen Mitteln stillzulegen und die Taliban als Machthaber zu vertreiben, um in Afghanistan die Chance für einen friedlichen Entwicklungsprozess zu gewinnen. Dieser Aufgabe müssen wir uns nach wie vor stellen. Ich kann nicht verstehen, wie Teile der Friedensbewegung heute in einem Papier ähnlich wie vor zwei Jahren behaupten können, dies sei ein Ermächtigungsbeschluss der Regierung, um sich in militärische Abenteuer zu stürzen. ({0}) Ich glaube, die Praxis der letzten beiden Jahre hat das Gegenteil bewiesen. ({1}) Es ist auch positiv zu werten, dass die internationale Allianz zur Bekämpfung des Terrorismus trotz der Irakkrise zusammengehalten hat. Wir wissen, dass die politische Gemeinsamkeit der gesamten internationalen Völkergemeinschaft in dieser extrem wichtigen Frage ein wesentliches Pfund im Kampf gegen den Terrorismus ist; nur so kann er effektiv geführt werden. Allein die Tatsache, dass die Allianz zusammengeblieben ist, ist als ein großer Erfolg zu werten. ({2}) Was diese Allianz allerdings mit militärischen Mitteln erreicht hat, muss man etwas zwiespältiger bewerten. Auf der einen Seite wurde zwar das Organisationszentrum getroffen, auf der anderen Seite ist al-Qaida in die Fläche ausgewichen und versucht, in den Failing States der Region bzw. in schon destabilisierten Regionen neu Fuß zu fassen. Auch die Hauptkampffelder in Afghanistan sind noch nicht vollständig stabilisiert. Damit stellt sich die Frage nach den Gründen für die unzureichenden Erfolge. Meines Erachtens ist eine der Hauptursachen für die Defizite darin zu sehen, dass durch den Irakkrieg ein ganzes Jahr lang eine völlig falsche Priorität bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesetzt wurde. ({3}) Der Irakkrieg, wie wir heute wissen, war kein Schlag gegen den Terrorismus, sondern er hat dazu geführt, dass der Terrorismus neuen Zulauf aus der Masse der frustrierten arabisch-islamischen Jugend bekommt. ({4}) Deshalb sind wir nach wie vor der Meinung, Herr Pflüger, dass es damals richtig war, sich gegen den Irakkrieg zu wenden. Die negativen Prognosen, die wir damals aufgestellt haben, sind leider - ich sage wirklich: leider - Realität geworden. Der Irakkrieg hat ein Jahr lang viele militärische, politische und ökonomische Kräfte gebunden - auf absehbare Zeit wird dies noch so bleiben -, die für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus verloren gegangen sind. Im Schatten dieser Fehlallokation von Ressourcen aller Art konnte sich der internationale Terrorismus ausbreiten. Gleichzeitig wurde durch den Irakkrieg die Priorität faktisch verschoben: von der eigentlich notwendigen politischen Bekämpfung des Terrorismus hin zu einer militärischen. Es wurde die Fiktion aufgebaut, als sei der Terrorismus endgültig militärisch zu schlagen. Dem ist aber nicht so. Herr Pflüger, Sie haben das vorhin in Ihrer Rede, deren Aussagen ich größtenteils teile, selber bestätigt. Der politische Charakter des Kampfes gegen den Terrorismus hatte doch drei große Ziele: erstens die Isolierung der Terroristen, zweitens das Aufzeigen politischer Alternativen für den gesamten Nahen und Mittleren Osten, insbesondere Alternativen zum arabischen Nationalismus und zum islamistischen Fundamentalismus, und drittens die Lösung des Kernkonfliktes zwischen Israel und Palästina. Was aber sind die Konsequenzen, die wir nach dem Irakkrieg beobachten? Wir sehen: Nicht die Terroristen sind isoliert, sondern der Westen verliert in der arabischislamischen Welt an Prestige. Wir sehen, dass die Entwicklung im Irak alles andere als Vorbildcharakter für andere Staaten der Region hat, die vielleicht transformationsbereit wären. Wir sehen auch, dass andere Staaten der Region nun argwöhnisch darauf achten, ob sie nicht selber auch Angriffsziel werden könnten. Ich möchte in diesem Kontext noch sagen - man kann das nicht deutlich genug unterstreichen -: Wir können wirklich außerordentlich dankbar sein, dass die Initiative der europäischen Außenminister mit dazu beigetragen hat, die Irankrise, die sich sehr zuzuspitzen begann, zu einem Zeitpunkt zu entschärfen, als es noch möglich war, eine militärische Eskalation zu verhindern. Sonst hätten wir heute ein viel größeres Desaster. ({5}) Leider müssen wir auch festhalten, dass im Schatten des Irakkrieges die verschiedensten Akteure im Nahostfriedensprozess - man müsste eigentlich zu der Bezeichnung „Nahostkonflikt“ zurückkehren - ohne jegliche legitimatorische Figur auf konstruktives Verhalten verzichten. Nach wie vor gibt es die grauenhaften Selbstmordanschläge im Rahmen des Dschihad. Auf der anderen Seite lässt die israelische Regierung diesen schrecklichen Zaun bauen, was ebenfalls nicht dazu beiträgt, dass die Vorgaben der Roadmap eingehalten werden. Daraus kann es für uns eigentlich nur eine wesentliche Konsequenz geben, nämlich dass wir zu einer Diskussion darüber zurückfinden müssen, welche politischen Methoden angewendet werden können, um dem internationalen Terrorismus die Grundlage zu entziehen. Die Antwort muss sich auf die drei Defizite beziehen, die ich gerade angesprochen habe. Selbstverständlich muss der militärische Druck aufrechterhalten werden, damit es nicht zu einer Restrukturierung der terroristischen Kräfte in Afghanistan kommt. Es muss verhindert werden, dass sie sich in anderen Gegenden dieser Region einnisten können. Gleichzeitig müssen wir den Dialog mit der arabisch-islamischen Welt darüber vertiefen, welche Modernisierungsalternativen es zum arabischen Nationalismus und zum islamistischen Fundamentalismus geben kann. Lassen Sie mich in diesem Kontext eines sagen: Wenn man die islamische Geistlichkeit auf dieses Thema anspricht, dann distanziert sie sich glaubwürdig von der Auffassung, dass der Terrorismus auf irgendeine Weise durch den Koran legitimiert sei. Ich finde dies glaubwürdig, aber gleichzeitig nicht mehr hinreichend. Die islamische Geistlichkeit - vom obersten Ayatollah bis zum kleinsten Imam - sollte aktiv, offensiv und öffentlich in der islamischen Welt deutlich machen, dass der Terrorismus gegen die Grundwerte des Islam verstößt. Das sollten wir von der Geistlichkeit fordern. ({6}) Schließlich sollten wir meines Erachtens eine Forderung auch an uns selber richten: Vielleicht müssen wir uns von einigen überhöhten Zielen verabschieden. Wir wissen, was für uns das beste politische System ist: Demokratie, Liberalität. Aber wir erleben, dass es außerordentlich schwierig ist, unsere Vorstellungen von Politik, Demokratie und Liberalität ohne weiteres in den Gegenden dieser Welt zu implementieren, in denen die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür fehlen. Das heißt nicht, dass man sich nicht anstrengen soll; beim Wiederaufbau Afghanistans unternehmen wir große Anstrengungen. Wir sehen aber, dass dieser Ansatz an seine Grenzen stößt. Vielleicht muss er auch an seine Grenzen stoßen, weil unser politisches System historisch auf der Basis einer bestimmten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gewachsen ist, die an anderer Stelle fehlt. Vielleicht ist es günstig, wenn wir unsere Ansprüche ein wenig zurücknehmen und sagen: Uns reicht es, den Frieden zu sichern, das heißt zumindest, alle Konflikte unter die militärische Eskalationsschwelle zu senken, Menschenrechte aktiv durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass ein Mindestmaß an Partizipation entsteht. Das muss nicht Westminster-Demokratie oder Demokratie in unserem Sinne bedeuten und schließt weitere historische Entwicklungen nicht aus. Ich kann mir vorstellen, dass der Appell an die islamische Geistlichkeit, die Verantwortung in ihrem Kulturraum aktiver und offensiver wahrzunehmen, und gleichzeitig der Appell an uns selber, unsere Ansprüche etwas zurückzunehmen, dazu beitragen können, dass wir nicht länger an der Überdehnung unserer Ansprüche leiden und andere nicht daran, dass wir sie ständig überfordern. Ich denke, dies könnte ein Beitrag zur Deeskalation zwischen den Kulturen sein. Ich bedanke mich. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Günther Nolting, FDPFraktion.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Terror ist eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit. Es ist dabei unabhängig, ob die Opfer des Terrorismus Soldaten bzw. Polizisten, also Angehörige einer Staatsgewalt, sind oder ob es sich um Menschen handelt, die sich gerade zufällig am Ort des Terroranschlags befunden haben. ({0}) Saddam Hussein und die Taliban haben ihre Länder - und nicht nur die - durch ein Terrorregime jahrelang in Angst und Schrecken gehalten. Menschenleben wurden skrupellos in vieltausendfacher Zahl ausgelöscht. Im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurden die Menschen in Afghanistan und im Irak von diesen Despoten befreit. Die an Grausamkeit kaum zu überbietende internationale Terrororganisation alQaida wurde geschwächt. Trotzdem, der Terror geht weiter; er nimmt in letzter Zeit sogar wieder zu. Täglich sterben unschuldige Menschen. Dem Terror ist das Handwerk zu legen; Herr Kollege Weisskirchen, da stimmen wir überein. ({1}) Das bedarf der Anstrengung aller. Selbstverständlich hat sich Deutschland unvermindert an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu beteiligen, so wie es der Bundeskanzler den USA in seiner Rede vor zwei Jahren, in der er sich für uneingeschränkte Solidarität ausgesprochen hat, versprochen hatte. Die FDP als Bürgerrechts- und Rechtsstaatspartei lässt keinen Zweifel daran, dass sie alle Maßnahmen unterstützt, die diesem Ziel dienen. ({2}) Aber die Bundesregierung und der sie anführende Bundeskanzler machen es uns nicht leicht. So wurden wir am 16. November 2001 gezwungen, die deutsche Teilnahme an der Operation Enduring Freedom abzulehnen, da der Bundeskanzler zur Sicherstellung der eigenen Mehrheit mit dieser Entscheidung die Vertrauensfrage verknüpfte. So zwingt er uns auch heute zur erneuten Ablehnung, da er - vermutlich wiederum aus koalitionsinternen Gründen - einen Vorratsbeschluss über mindestens 2 400 Soldaten herbeiführen will. ({3}) Wie vom Verfassungsgericht 1994 festgestellt, ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Diese Auffassung teilen wir Liberalen ausdrücklich. ({4}) Das Parlament und nur das Parlament entscheidet über den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Ausland. ({5}) Wir Parlamentarier tragen daher die Verantwortung. ({6}) In diesem Sinne hat der Bundestag vor zwei Jahren der Bundeswehr ein Mandat erteilt, sich im damals notwendigen Umfang von maximal 3 900 Soldaten an der Bekämfpung des internationalen Terrorismus zu beteiligen. Das Mandat war notwendig und es war in allen Einzelheiten den Bedürfnissen angemessen. Wir hatten Soldaten in Afghanistan, in Kuwait und am Horn von Afrika. Was ist davon geblieben? Die KSK-Soldaten sind zwischenzeitlich aus Afghanistan abgezogen worden; der ABC-Abwehrverband ist nicht mehr in Kuwait stationiert und die Marinekräfte am Horn von Afrika sind auf einen Bruchteil der ursprünglichen Stärke reduziert. Insgesamt sind heute noch 295 Bundeswehrsoldaten unter dem Mandat Enduring Freedom im Einsatz. Dazu kommen noch 405 im Rahmen von Active Endeavour im Mittelmeer und der Straße von Gibraltar, sodass sich eine Gesamtzahl von rund 700 ergibt. Was aber verlangt die Bundesregierung von uns, vom Parlament? Sie verlangt die Mandatierung und einen aus meiner Sicht angesichts der Zahl von rund 700 Soldaten, die jetzt im Einsatz sind, überzogenen und nicht zu rechtfertigenden Personalumfang von 3 100. Die Bundesregierung verlangt vom Parlament die freiwillige Aufgabe seiner Rechte, die ihm vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zugebilligt worden waren. ({7}) Der Bundestag würde der Bundesregierung einen Freibrief für den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Ausland ausstellen; er würde Kontroll- und Mitwirkungsrechte in einem der sensibelsten Bereiche gestaltender Politik nicht wahrnehmen - und das ohne jegliche Not. Dazu sage ich: Die Protokollerklärung reicht uns nicht aus, ({8}) weil das Parlament eben nicht mehr entscheiden kann. Herr Kollege Pflüger, ein bisschen Kontrolle, wie Sie es ausgeführt haben, ist uns zu wenig. ({9}) Die FDP hat in dieser Woche ein Gesetz zur Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr vorgelegt. Wir wollen die Rechte des Parlamentes stärken. Herr Kollege Weisskirchen, Sie beschränken sich heute darauf, dass Sie sagen: Wir haben Vertrauen in die Bundesregierung. ({10}) Das ist uns zu wenig. ({11}) Die Bestrebungen zur Verabschiedung solch eines Gesetzes würden damit nahezu ad absurdum geführt. Das ist mit uns Liberalen nicht zu machen. Ich hoffe, Sie haben in dieser Frage nicht für Ihre gesamte Fraktion gesprochen. ({12}) Seit dem 15. November des letzten Jahres weiß diese Bundesregierung, dass die Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom bis spätestens heute vollzogen sein muss. Und wir, das Parlament, können nur mit Ja oder Nein stimmen und wir, das Parlament, übernehmen damit die Verantwortung. Wenn die Bundesregierung eine breite Parlamentszustimmung wollte, warum hat sie dann den zuständigen Ausschüssen des Bundestages nicht rechtzeitig einen Antragsentwurf vorgelegt, der im Zuge der Beratungen noch hätte geändert werden können? ({13}) So war es parlamentarischer Brauch in früheren Zeiten, als FDP und CDU/CSU die Regierung stellten. ({14}) Diese rot-grüne Bundesregierung behandelt das Parlament aber nach dem Motto: Vogel, friss oder stirb! - Dabei können und wollen wir nicht mitmachen. ({15}) Noch einmal zum Personalumfang des Mandats: Die Bundesregierung will die Zahl der eingesetzten Soldaten von 3 900 auf 3 100 reduzieren. Sie hat das Kontingent also um bis zu 800 ABC-Abwehrsoldaten verkleinert. Ausgerechnet ABC-Abwehrkräfte! Auf Nachfrage, ob denn vonseiten des internationalen Terrorismus keine Bedrohung mehr durch biologische oder chemische Waffen bestehe, antwortete der Außenminister sinngemäß, dass diese Soldaten sehr schnell durch einen Beschluss des Bundestages eingesetzt werden könnten. ({16}) Warum, Herr Außenminister, soll dieses Verfahren nur bei den ABC-Abwehrsoldaten Anwendung finden, aber nicht bei den anderen? ({17}) Sie haben in der letzten Woche den Begriff der geübten Mandatspraxis gebraucht und gesagt, dass Sie den ernst nehmen wollten. Ich weiß nicht, was Sie unter dem Begriff der geübten Mandatspraxis verstehen. Mich interessiert einzig und allein, dass die Parlamentsrechte gewahrt bleiben. Ich kann es nicht verantworten, dieser Bundesregierung für den Zeitraum von zwölf Monaten einen Freibrief für einen bewaffneten Einsatz von mehr als 2 400 Bundeswehrsoldaten in einem Gebiet, das sich von Nordafrika über die arabische Halbinsel bis nach Zentralasien erstreckt, zu geben. Die FDP sieht sich gezwungen, diesen Antrag abzulehnen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber wir wollen den Erhalt der Parlamentsrechte, nicht mehr und nicht weniger. Vielen Dank. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Christoph Zöpel, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Christoph Zöpel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002604, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Verlängerung des Mandats für den Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen von Enduring Freedom kann, glaube ich, jeder Abgeordnete dieses Hauses sehr guten Gewissens und mit Stolz auf die Rolle des Parlaments bei der Kontrolle militärischer Einsätze zustimmen. ({0}) Als das erste Mandat erteilt werden musste, standen wir vor einem historisch neuen Phänomen. Der Terrorismus des beginnenden 21. Jahrhunderts war damals schwieriger zu beurteilen als heute. Wir wussten viel weniger darüber, welches Mittel gerade gegen diese Gefahr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Wir wussten nicht, wo sich der Terrorismus verbreiten würde. Wir konnten nicht wissen, welche Staaten stabil genug sind, um mit eigenen Kräften gegen den Terrorismus vorzugehen, und welche nicht. Wir mussten den Blick auf Territorien richten, in denen es - zumindest nach unserem Verständnis - keine Staaten gab oder gibt. Das war die Voraussetzung. ({1}) Wir haben das Mandat nach leidenschaftlichen Debatten im Parlament und in den Fraktionen erteilt. Auch wenn Debatten in den Fraktionen immer eine intellektuelle und politische Anstrengung bedeuten - für die Regierung manchmal besonders -: Ich bin weiterhin stolz auf die engagierten Debatten vor zwei Jahren in meiner Fraktion. Sie waren nützlich und haben dem Ansehen des Parlaments gedient. Der deutschen Öffentlichkeit wird gezeigt: Dieses Parlament als Ganzes - das sage ich ausdrücklich - ist außerordentlich behutsam, bevor deutsche Soldaten außerhalb unseres Territoriums und außerhalb der Bündnisverpflichtungen eingesetzt werden. ({2}) Ich werte auch alle Beiträge der Opposition heute in diesem Sinne. Sie kämpfen für dieses Recht des Parlaments, für diesen Anspruch einer demokratischen Öffentlichkeit. Daher respektiere ich vor allem auch Bedenken in der FDP. Ich glaube nur, Ihre Folgerungen sind nicht schön. Wenn Sie die intellektuelle und anDr. Christoph Zöpel strengende Auseinandersetzung in der SPD-Fraktion, auf die ich stolz bin, als ein Argument für Ihr Nein heute anführen, dann diskreditieren Sie Ihre eigene Position, eine kritische Opposition sein zu wollen. Das hat mir weh getan. ({3}) - Ich verstehe, was ich sage. Ich halte das demokratische Engagement von Mitgliedern einer Regierungsfraktion, ihre Bedenken zu artikulieren - bis hin zu der Frage: „Können wir unserer Regierung zustimmen?“ -, für genauso wertvoll wie die Bedenken der Opposition. Wer das gegeneinander auszuspielen versucht, der stellt diese Gewissensbildung infrage. Wenn Sie das für abenteuerlich halten, muss ich sagen: An dieser Stelle habe ich Ihren Liberalismus noch nie ganz verstanden. ({4}) - Ich habe Ihnen Wort für Wort zugehört. Deshalb kann ich Ihnen das ja auch so sagen. Nun zu dem Umgang mit dem Mandat. Ist es denn nicht schön, dass die Bundesregierung so sorgsam mit diesem Mandat umgegangen ist? ({5}) Sie hat niemals mehr Soldaten eingesetzt, als notwendig war. Der Verteidigungsminister hat uns, wie bei allen anderen Einsätzen der Bundeswehr, jede Woche - ich betone: jede Woche - darüber informiert, wie viele Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom im Einsatz sind. Sie können nachlesen, welche Personalschwankungen es gegeben hat. Nehmen Sie mir diese Bemerkung nicht übel: Wenn Sie tatsächlich so besorgt wären, wie Sie es heute artikulieren, dann hätte ich es während der letzten Monate für angebracht gehalten, dass Sie die abnehmende Zahl der eingesetzten Soldaten parlamentarisch aufgegriffen hätten und nicht erst vor dieser Abstimmung. Allein das über Monate anhaltende Nichteingehen auf die kontinuierliche Berichterstattung über den geminderten Einsatz durch Ihre Fraktion wirft einen leichten Schatten auf Ihre heutige Rede. ({6}) Wir sind behutsam vorgegangen, wir alle, die wir parlamentarische Verantwortung tragen, und vor allem die Bundesregierung. Es sind nicht mehr Soldaten eingesetzt worden als nötig. Aber eine Zahl von Soldaten vorzuhalten, die leicht unter der des ersten Mandats liegt, bleibt richtig. ({7}) Was die Folge militärischer Selbstüberschätzung ist - sie stellt meines Erachtens das Problem im Irak dar -, können wir nicht wissen. Wir wissen nicht, was sich daraus hinsichtlich terroristischer Aktionen in den Gebieten ergibt, die schon immer als Einsatzgebiete definiert wurden. Ich denke, es wäre angesichts der terroristischen Folgen der militärischen Selbstüberschätzung durch die USA im Irak fragwürdig, heute festzuhalten, dass nicht ein vergleichbares Potenzial deutscher Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom benötigt wird wie vor zwei Jahren. Es bleibt dabei, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan eingesetzt werden - über die Verhältnisse dort müssen wir heute nicht sprechen; das haben wir im Zusammenhang mit dem ISAF-Einsatz ausführlich getan -, sonst nur in Staaten, deren Regierung zustimmt. Werden sie irgendwo eingesetzt, wo es keine Regierung gibt, muss der Bundestag damit befasst werden. Diese Sicherungskautel hat gehalten. Sie wird auch weiterhin halten; ich habe da keinerlei Bedenken. Ich sage es noch einmal: Die Lage ist nicht übersichtlicher geworden durch die Selbstüberschätzung der USA. Es ist schon fragwürdig, wenn es heißt, diese Regierung möchte einen Freibrief für militärische Abenteuer. Wenn es eine Leistung dieser Regierung gab, die weiterhin Gültigkeit hat, dann war es die Verweigerung des Eingehens eines Abenteuers militärischer Selbstüberschätzung, welches die USA eingegangen sind. ({8}) Alle Argumente der Bundesregierung dazu waren richtig. Ich würde an Ihrer Stelle darüber nachdenken, ob Sie tatsächlich dieser Regierung militärische Abenteuer vorwerfen wollen. ({9}) Dieser Regierung, deren Leistung darin besteht, sich energisch und im Bewusstsein der tragischen Erfahrungen Europas, was Krieg angeht, militärischen Abenteuern zu verweigern, vorzuwerfen, sie plane eigene Abenteuer, ist schlichtweg absurd. Ich glaube, alle, die sich nicht so vorsichtig artikulieren wie ich, werden dies noch viel stärker zum Ausdruck bringen. Haben Sie herzlichen Dank. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Ernst-Reinhard Beck, CDU/CSU-Fraktion.

Ernst Reinhard Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003497, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die umfassende Bekämpfung des internationalen Terrorismus, zu der der UN-Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1368 und 1373 aufgerufen hat, bleibt Ernst-Reinhard Beck ({0}) eine zentrale Herausforderung für die internationale Staatengemeinschaft. Die heute anstehende Entscheidung über die Fortsetzung des Einsatzes Enduring Freedom ist keine Routineentscheidung, meine Damen und Herren. Es geht, wie bei allen Entscheidungen über Auslandseinsätze, auch immer um Leben und Gesundheit unserer Soldaten. Auf der einen Seite müssen wir die Risiken für unsere Soldatinnen und Soldaten sehr sorgfältig und verantwortungsbewusst abwägen. Andererseits - es ist schon darauf hingewiesen worden -: Die verheerenden Anschläge in Saudi-Arabien, Indonesien und zuletzt in Nasirija zeigen, dass der internationale Terrorismus nach wie vor an jedem Ort und zu jeder Zeit zuschlagen kann. Daher ist auch der bewaffnete Teil des Kampfes gegen den Terrorismus, zu dem Enduring Freedom gehört, nach wie vor notwendig. Wir sind uns sicher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, darüber einig, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht alleine eine militärische, sondern eine komplexe gesamtpolitische Aufgabe ist, die auch polizeiliche, soziale, finanzielle, auch entwicklungspolitische Elemente mit einschließt. Der militärische Beitrag ist Enduring Freedom. Und dazu leistet die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie ein großer Teil der Weltgemeinschaft - es sind ja immerhin 50 Nationen - ihren Beitrag. Wie ist die Bilanz nach zwei Jahren? Einheiten der KSK, des Kommandos Spezialkräfte, nahmen in Afghanistan an der Seite der Antiterrorallianz am Kampf gegen das Talibanregime und gegen al-Qaida teil. Vor wenigen Wochen ist dieser Einsatz zu Ende gegangen. Die Soldaten der KSK haben ihre schwierige und gefährliche Aufgabe hervorragend gelöst. Lassen Sie mich das an dieser Stelle ausdrücklich sagen. ({1}) Im weiteren Verlauf der Operation Enduring Freedom wurden Einheiten der Bundesmarine an das Horn von Afrika verlegt und überwachten mit Erfolg den Schiffsverkehr in diesem Seegebiet. Inzwischen wurden die Marineeinheiten auf eine Fregatte und einen Seefernaufklärer reduziert. Die am Horn von Afrika eingesetzte Task Force 150 hat die Knotenpunkte eines Überwachungsnetzes so engmaschig gesetzt, dass ein unerkanntes Durchschlüpfen fast nicht mehr möglich ist. Nach der Kontrolle von über 15 000 Schiffen und fast 100 näheren Untersuchungen an Bord von verdächtigen Schiffen gab es in der vergangenen Woche erste Erfolge: Am 3. und 4. November ist es der Besatzung der Fregatte „Lübeck“ gelungen, zwei Trawler mit einer großen Menge an Waffen und Munition aufzubringen. Die „Lübeck“ beschattete beide schwimmenden Waffenlager bis zum Zielhafen. Waffen und Munition wurden in Oman von den örtlichen Sicherheitskräften beschlagnahmt. In einer weiteren Region beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland militärisch am Kampf gegen den Terror. Deutsche Marineeinheiten sind im Rahmen der Operation Active Endeavour im Mittelmeer und an der Straße von Gibraltar im Einsatz. Sie begleiten dort nach einem Bericht von „Report“ vom 10. November englische und amerikanische Frachter. Im Rahmen ihres Auftrages sollen die deutschen Schnellboote jedoch auch den Seeverkehr gegen terroristische Angriffe schützen, die insbesondere von anderen Seefahrzeugen ausgehen können, wie zum Beispiel Kamikazeangriffe von mit Sprengstoff beladenen Schiffen, so wie es bei der USSCole der Fall war. Die Einsätze, meine sehr geehrten Damen und Herren, fordern Mensch und Material Höchstleistungen ab. Im personellen Bereich wirken sich die langen Abwesenheiten der Besatzungen unserer Schiffe und Flugzeuge auf Motivation und Berufszufriedenheit der Soldaten und damit natürlich auch auf die Nachwuchsgewinnung aus. Hier sind wir an der Grenze der Belastung angelangt. Ich nenne nur das Beispiel der Fregatte „Emden“, die in diesem Frühjahr bei der Überwachung des östlichen Mittelmeers Teil eines Einsatzverbandes war, im vergangenen Jahr aber bereits sechs Monate am Horn von Afrika kreuzte. Die außerordentliche Belastung unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz ist gestern bei der Debatte über den Bericht des Wehrbeauftragten von allen Seiten des Hauses angesprochen worden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich eine Zusage des Parlamentarischen Staatssekretärs, des Kollegen Walter Kolbow, aus der gestrigen Debatte begrüßen. Ich zitiere: „Es wird das Institut des Einsatzunfalles geben“. Damit fällt die unselige Unterscheidung zwischen einfachen und qualifizierten Dienstunfällen für die im Einsatz stehenden Soldaten weg. ({2}) Für sie wird es künftig bei einem Unfall keinen Unterschied mehr machen, ob sie als Berufs- oder Zeitsoldaten, als freiwillig länger dienende Wehrpflichtige oder Reservisten ihren Dienst tun. Ich sage Ihnen ganz offen: Diese Ankündigung erleichtert uns unsere heutige Zustimmung. ({3}) Im Antrag der Bundesregierung wird die bisherige Personalobergrenze von bis zu 3 900 Soldaten auf 3 100 abgesenkt und auf die Bereitstellung von ABCAbwehr-Kräften generell verzichtet. Was dennoch auffällt, Herr Kollege Nolting, Sie haben darauf hingewiesen und haben dies unterstrichen: dass die Diskrepanz von 710 oder von augenblicklich 290 eingesetzten Soldaten zu den mandatierten Soldaten tatsächlich gewaltig ist; der Unterschied beträgt 90 Prozent. Dass aber für die Auftragserfüllung ein gewisses Maß an Flexibilität vorhanden sein muss, wird niemand bestreiten. ({4}) Ernst-Reinhard Beck ({5}) Gestatten Sie mir, aus meiner Erfahrung mit militärischer Planung, zu sagen: Man muss entscheiden, welche Kräfte jeweils vorgehalten und wie diese Kräfte strukturiert werden. Darauf hat uns die Bundesregierung eine, so meine ich, ausreichende Antwort erteilt. Es ist ein Unterschied, ob man Sanitätskräfte oder Fallschirmjäger bereithält. Diese Überlegung müssen wir zuerst anstellen. Als Zweites ist zu bedenken: Es ist sicher kostengünstiger, Kräfte bereit zu halten, als sie in den Einsatz zu schicken, wenn sie nicht gebraucht werden. ({6}) Ich meine, dass die Bundesregierung unseren Bedenken durch ihre Protokollnotiz und die Spezifizierung der bereitgestellten militärischen Fähigkeiten Rechnung getragen hat. Auch wenn ich persönlich keinen Zweifel daran habe, dass die Bundesregierung mit dem heute zu verlängernden Mandat zurückhaltend und verantwortungsvoll umgeht so, bleiben dennoch die Art des Zustandekommens und die Möglichkeiten des Parlaments - Sie haben darauf hingewiesen - für mich unbefriedigend. ({7}) Eine engere Kooperation, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bereits im Vorfeld wäre sicher der gemeinsamen Verantwortung dienlicher. Im Übrigen meine ich, dass hier die Notwendigkeit des Parlamentsbegleitgesetzes, an dem wir gerade arbeiten, deutlich wird. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich ausdrücklich bei unseren Soldatinnen und Soldaten und ihren Familien für ihren gefährlichen Einsatz im Dienst der Sicherheit unseres Landes und der internationalen Gemeinschaft. ({8}) Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom zu. Vielen Dank. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Marianne Tritz, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Marianne Tritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003647, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die internationale Völkergemeinschaft hat sich nach dem 11. September 2001 entschlossen, Angriffe auf die internationale Staatengemeinschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln abzuwehren. Wir waren uns aber alle einig, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in erster Linie politisch ist und dass wir die Bedrohungen, die sich gegen die internationale Gemeinschaft richten, nur mit politischen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgeberischen Maßnahmen eindämmen können. Die Bundesregierung hat unter Beweis gestellt, dass sie im Kampf gegen den internationalen Terrorismus in erster Linie dem Primat der Politik folgt. ({0}) Deutschland hat auf den multilateralen Ebenen von UN, OSZE, EU, NATO und G 8 wichtige Beiträge zur Terrorismusbekämpfung geleistet. Dennoch bleibt der Einsatz militärischer Mittel derzeit ein unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Im Zuge von Enduring Freedom hat die Deutsche Marine einen stabilisierenden Einfluss am Horn von Afrika und im Mittelmeer ausgeübt. Die Seestreitkräfte haben wichtige Handelswege gegen Piraterie und Waffenschmuggel abgesichert. In keinem Fall ist es dabei zu militärischen Auseinandersetzungen gekommen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit einem leistungsfähigen Kontingent in die multinationale Operation Enduring Freedom eingebracht. Hierfür sowie für die Beteiligung an ISAF genießt Deutschland hohe Anerkennung, wie uns gerade Anfang dieser Woche bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Orlando wieder bestätigt worden ist. Diese Anerkennung gilt ganz besonders den Peacekeeping-Fähigkeiten der Bundeswehr. Die Bundesregierung hat den personellen Umfang in ihrem Beschlussvorschlag zu Enduring Freedom um 800 Soldaten auf 3 100 reduziert. Der Einsatz der ABCAbwehrkräfte mit sechs „Fuchs“-Spürpanzern wurde beendet und das Kommando Spezialkräfte, KSK, aus Afghanistan abgezogen. Der Vorwurf der FDP, die Bundesregierung verlange einen Blankoscheck beim Antiterroreinsatz, weil in der Realität momentan weit weniger Soldaten gebraucht werden, als es das Mandat erlaubt, ist - mit Verlaub - blanker Unsinn. ({1}) Herr Nolting, wenn es kracht: Wie lange wollen Sie warten, um ein Medivac-Flugzeug in die Luft zu schicken? ({2}) Hier geht es um ein Bereitstellungsmandat, weniger um ein Einsatzmandat. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist noch lange nicht gewonnen. Denken wir doch nur an die Anschläge in Kabul auf die ISAF-Soldaten, an die Attentate von Riad, Casablanca und Jakarta. Denken wir an Bali, Djerba und Mombasa. Die Bedrohung durch al-Qaida ist nach wie vor real vorhanden. Der Umfang von 3 100 Soldaten ermöglicht ein schnelles und flexibles Handeln. Eine weitere Reduzierung der Anzahl der Soldaten wäre ein völlig falsches Signal an die Terroristen, aber auch an unsere Bündnispartner. Eine stärkere Absenkung der Obergrenze könnte von der internationalen Gemeinschaft und von unseren Partnern als Ausstieg aus der Operation Enduring Freedom, ({3}) dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie unseren internationalen Verpflichtungen gesehen werden. ({4}) - Doch. Bei unseren Gesprächen in Afghanistan haben uns die ISAF-Soldaten erklärt, dass sie dort völlig umsonst gewesen wären, wenn der Bundestag jetzt sein Engagement reduziert. ({5}) Ich möchte das Geschrei der FDP erleben, wenn solche Vorwürfe gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben werden. Unsere Befürchtungen von damals, wir könnten über die Beteiligung an Enduring Freedom in ein Kriegsabenteuer mit unkalkulierbaren Folgen geraten, haben sich nicht bewahrheitet. Die deutsche Unterstützung war jederzeit ausgewogen, verhältnismäßig und wurde im militärischen Bereich zurückhaltend ausgeschöpft. So wird es bleiben. Dies hat die Bundesregierung durch ihre Protokollerklärung noch einmal bekräftigt, was wir sehr begrüßen. ({6}) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an Enduring Freedom für notwendig und verantwortbar und stimmt diesem Einsatz zu. Danke. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS. ({0}) Am 16. November 2001 stimmte der Bundestag zum ersten Mal über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ab. Kanzler Schröder hatte in gewohnt dramatischer Manier die Abstimmung inszeniert. Ich kann mich noch gut an ein Bild erinnern: Eine ältere Frau, ein mütterlicher Typ mit einer großen Tasche, geht auf Gerhard Schröder zu und gibt ihm die Hand. Es war Christa Lörcher, die einzige Sozialdemokratin, die ihre Zustimmung verweigert hatte. Das Handbuch des Deutschen Bundestages weist aus, dass Christa Lörcher seit dem 15. November 2001 als fraktionslos galt. Im Dokumentationssystem des Bundestages ist dies als Vorgangstyp „Begrüßungen, Glückwünsche, Nachrufe“ systematisiert. Am 13. Oktober dieses Jahres widmete die „taz“ Christa Lörcher eine ganze Seite unter dem Titel: „Eine Gewissenhafte“. Diesen Artikel kann ich Ihnen nur empfehlen, denn es wird genau beschrieben, wie Christa Lörcher die Woche im November 2001 erlebt hat. Ich zitiere: Wie sie montags einer Schulklasse aus Donaueschingen erklärt hat, dass Abgeordnete nach Artikel 38 des Grundgesetzes gemäß ihrem Gewissen entscheiden dürfen. Wie sie schon abends zum Bundeskanzler zitiert wurde. Wie er jede Kritik als Misstrauen gegen seine Person abkanzelte. Sie erinnert sich … An die Landesgruppe, die fordert, dass sie ihr Mandat abgeben soll, wenn sie nicht nachgebe. Wie alle Maßstäbe plötzlich auf dem Kopf stehen, wie Kollegen ihr vorwerfen, ihr Verhalten sei verantwortungslos, unsolidarisch, egoistisch. Mir hat die Haltung von Christa Lörcher sehr imponiert. Ich habe große Hochachtung vor ihr. Vor der heutigen Sitzung sind keine Auseinandersetzungen aus den Regierungsfraktionen an die Öffentlichkeit gedrungen. Es hat sich quasi eine Abstimmungsroutine entwickelt, die vor zwei Jahren noch undenkbar schien. Als der Deutsche Bundestag am 16. November 2001 zum ersten Mal über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan abstimmte, waren die Debatte und die Abstimmung der einzige Punkt auf der Tagesordnung. Heute sind diese Abstimmungen Bestandteil normaler Tagesordnungen. Die Gewöhnung der deutschen Öffentlichkeit an Auslandseinsätze der Bundeswehr scheint gelungen. Die PDS im Deutschen Bundestag lehnt den Einsatz von bewaffneten deutschen Streitkräften im Rahmen dieses Mandats ab. ({1}) Erinnern wir uns, mit welchen Argumenten im Jahr 2001 der Bundeswehreinsatz begründet wurde. Die uneingeschränkte Solidarität mit den USA sollte bewiesen werden. Osama Bin Laden, der als verantwortlich für die Anschläge auf das World Trade Center erklärt wurde, sollte gefasst werden. Dem internationalen Terrorismus sollte die Grundlage entzogen werden. Inzwischen wurden die Kriegsziele schleichend umgedeutet. US-Präsident Bush stellt sich in dieser Woche vor die Kameras und verkündet der Weltöffentlichkeit: „We liberated two countries: Iraq and Afghanistan.“ Wie ist die Reaktion der Bundesregierung auf diese Rede? War die Bundesregierung nicht gegen den Krieg gegen den Irak? Meine Kollegin Petra Pau hat in der Sitzung vor einer Woche gefordert, dass Rechenschaft darüber abgelegt wird, ob und wie die Ziele des Mandats erreicht wurden und ob Mittel und Wege zum Erreichen dieser Ziele richtig waren. Statt einer Antwort sind im Protokoll ihrer Rede unqualifizierte Zwischenrufe von den Grünen nachzulesen. Immer wieder wird vom Rednerpult des Deutschen Bundestages aus erklärt, dass man den Soldatinnen und Soldaten wünsche, dass sie gesund zurückkehren mögen. Dieser Wunsch ist richtig und zu unterstützen. Aber wie ernst nimmt man die Drohungen der afghanischen Kriegsherren gegen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr? Dazu ist hier in der Debatte wenig gesagt worden. Wir, die PDS, bleiben dabei: Den Kampf gegen den Terrorismus kann man gewinnen, einen Krieg gegen den Terrorismus kann man nur verlieren. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Theodor von und zu Guttenberg, CDU/CSU-Fraktion.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der internationale Terrorismus ist richtigerweise in allen Redebeiträgen des heutigen Tages als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit genannt worden. Unseren Soldaten wurde zu Recht gedankt. Ich glaube, wir sollten auch noch einmal den zurückbleibenden Familien unserer Soldaten danken. ({0}) Sie haben eine der größten Herausforderungen in dieser Hinsicht zu schultern. Internationaler Terrorismus ist eine Herausforderung, deren Bewältigung sicherlich nicht in Wochen- oder Monatsfristen zu leisten ist, sondern die kommenden Jahre und Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Entscheidend ist allerdings die Anschlussfrage. Was sind die langfristigen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis? Mit der Ausgestaltung von Enduring Freedom überschreiten wir erstmals die begehrlich gesuchte Schwelle der Tagespolitik und wagen wenigstens einmal den Ansatz einer notwendig längerfristigen Perspektive. Erwächst aber demzufolge aus den neuen großen Herausforderungen eine neue Linie der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik? Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Zwar mögen sich derzeit die Linien mancher Paradigmenwechsel, die vollzogen wurden, offenbaren, aber sie tragen kaum unsere eigene Handschrift. Wenn wir ehrlich sind, ringen wir, seitdem wir 1989 aus der Rolle im Zentrum eines globalen Konflikts heraustreten durften, um unsere Positionierungen. Wir sollten uns deswegen und angesichts der aktuellen und kommenden Bedrohungen aufgerufen fühlen, eine noch zentralere, noch aktivere, insbesondere aber konzeptionell wirksamere Rolle im internationalen Kontext auszufüllen. ({1}) Ein Merkmal unserer Außen- und Sicherheitspolitik war stets ihre Kontinuität. Angesichts der zunehmenden Unberechenbarkeit der Bedrohungen mag Kontinuität zwar schwieriger erscheinen - das ist richtig -, sie muss aber eine Grundmaxime unseres außenpolitischen Handelns bleiben. ({2}) Das erfordert allerdings - Friedbert Pflüger hat es angesprochen - die Formulierung einer eigenen, langfristig angelegten Strategie und letztlich wahrscheinlich einer Doktrin, wie sie in vielen unserer Nachbarstaaten bereits existiert. Wenn schon keine neuen Linien unserer Außenpolitik erkennbar sind, gibt es dann wenigstens den Entwurf einer neuen Strategie? Auch das ist bislang nicht der Fall. Die grundlegenden Analysen der Gefährdungen und die daraus entspringenden Strategien werden von anderen verfasst, sei es von Solana, der vor zwei Tagen hier war, sei es, dass eine Verbindung zum amerikanischen Präsidenten erkennbar ist. Vieles würden wir gerne mit dem Bundeskanzler, dem verehrten Herrn Bundesaußenminister und dieser Regierung in Verbindung bringen. Gelegentlich ist das auch der Fall. Aber eines verbinden wir nicht mit ihnen, nämlich einen klaren Ansatz oder wenigstens den Versuch, eine über den tagespolitischen Horizont hinausreichende Strategie zu entwickeln. ({3}) Das ist ein Vorwurf, der uns alle betrifft, aber die Bundesregierung qua ihrer immanenten Gestaltungskraft in besonderem Maße. Wir halten eine solche Strategie für notwendig, um bei der einflussreichen Mitgestaltung derzeit kursierender Ansätze mitwirken zu können. Herr Bundesaußenminister, Sie besuchen ab Sonntag die Vereinigten Staaten und wollen meines Wissens auch in Princeton eine Rede halten. Das wäre ein wunderbarer Anlass, dort analog Ihrer Berliner Rede auch einmal die großen und weitreichenden strategischen Ansätze der Außenpolitik der Bundesregierung darzustellen. Darüber hinaus müssen wir wohl auch die Logik der Abfolge unseres internationalen Handelns einer Überprüfung unterziehen und letztlich eine Umkehrung vornehmen. Nicht eine Ansammlung gegebenenfalls unschlüssiger Einzelentscheidungen ergibt ein tragfähiges Konzept. Vielmehr muss sich aus der Formulierung des Konzepts die Logik der Handlungsform ergeben. Das ist zwar banal, aber de facto ein Missstand. Es geht dabei um ein Konzept, das sich nicht vor der sicherlich kritischen Einbindung einer europäischen Sicherheitsstrategie in die nationale Sicherheitsstrategie der USA, vor der Formulierung und Einbeziehung einer Strategie für den Nahen und Mittleren Osten und vor der Neuausrichtung einzelner Institutionen - Stichwort NATO und Vereinte Nationen, und zwar im gegenseitigen Wechselspiel - scheut. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus zeigt, dass wir unsere Außenpolitik weitblickender und zielführender weiterentwickeln müssen. Neben der genannten militärischen Dimension sind die entwicklungspolitischen Ansätze ebenso entscheidend. In diesem Zusammenhang sollte auch - das tun wir allzu selten unseren zivilen Kräften gedankt werden, die ebenfalls Leib und Leben aufs Spiel setzen, um den internationalen Terrorismus einzudämmen. ({4}) Schließlich werden wir - im positiven, nicht im übermütigen Sinne - Mut brauchen, auch gegenüber der Bevölkerung unseres Landes, die wir bei der Gestaltung einer Strategie mitnehmen müssen, statt sie lediglich dann an den Grundlinien der Außen- und Sicherheitspolitik zu beteiligen, wenn es taktisch geboten erscheint. Diesbezüglich ist auch ein enormes Kommunikationsdefizit zu beklagen. Wir brauchen Mut, um zu verdeutlichen, wie verwundbar und potenziell gefährdet auch unser Land angesichts der Bedrohungslage mittlerweile geworden ist. Wir brauchen Mut, um gewohnte, lieb gewonnene und bislang behütet erscheinende Strukturen dieser Erkenntnis anzupassen. Die Stichworte „NATO“ und „Vereinte Nationen“ sind bereits gefallen; innenpolitische Stichworte müssten folgen. Wir brauchen Mut, um in unserer Bevölkerung um mehr Verständnis statt um mehr Unverständnis für unsere Partner zu werben. Außerdem brauchen wir Mut, um begründetes Unverständnis in einen wirklich konstruktiven, gegebenenfalls freundschaftlichen Dialog, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, münden zu lassen. ({5}) Lassen Sie uns schließlich den Mut haben, den Menschen unseres Landes Außenpolitik nicht nur über hochinteressiert wirkende Gesichter zu vermitteln, sondern auch über die Formulierung eigener Interessen! Verschämtes Verschweigen eigener Interessen dient heute nicht einmal mehr dem eigenen Gewissen. ({6}) Letztlich sollten wir mit dem dringend notwendigen Beginn der Debatte um Interessen die Bereitschaft in unserer Bevölkerung stärken, der Verteidigung der eigenen Sicherheit und Freiheit, unseren Grundwerten insgesamt den erforderlichen und vielleicht einen neuen Stellenwert zu geben. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Rainer Arnold von der SPD-Fraktion das Wort.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gerade der grausame Terroranschlag vom letzten Wochenende in Riad hat uns allen die Aktualität unserer heutigen Debatte über den deutschen Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus vor Augen geführt. Das Netzwerk des Terrors ist trotz vieler Erfolge der internationalen Koalition aktiv. Es ist jederzeit in der Lage, massiv zuzuschlagen. Die Art, wie wir die heutige Debatte über die Verlängerung von Enduring Freedom führen, ist auch von unserem Mitgefühl für die vielen Opfer, die der Terrorismus schon gefordert hat, geprägt. ({0}) Wir sind uns einig: Die internationale terroristische Gefahr besteht unverändert fort. Der Bericht der Vereinten Nationen über Afghanistan zeigt, dass die Risiken in Teilen dieses schwierigen Landes zurzeit eher wachsen als geringer werden. Deshalb ist es richtig und notwendig, dass über 20 Nationen an diesem Kampf gegen den Terror teilnehmen. Herr Nolting, die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich seit Herbst 2001 aktiv, aber regional begrenzt an dieser internationalen Koalition. Jeder, der sich in den Ländern dieser Koalition umhört, weiß: Die Soldatinnen und Soldaten, die dort ihren schwierigen Dienst tun, leisten einen ganz wichtigen Beitrag für das Ansehen unseres Landes in der Welt. ({1}) Es ist doch für unsere Gesellschaft insgesamt eine sehr schöne Erfahrung, dass deutsche Soldaten das Ansehen unseres Landes mehren. Deutschland hat sich von Beginn an dazu bekannt, entsprechend seiner Größe und seinen Möglichkeiten eine aktive Rolle bei diesen internationalen Verpflichtungen zu spielen. Darüber muss die FDP noch einmal nachdenken. Herr Nolting, die Koalition kann auf Sie und auf Ihre Stimme politisch sehr gut verzichten. Aber denken Sie doch bitte einmal über die Signale nach, die Sie in die Welt aussenden! ({2}) Nach Ihrer Meinung sollte sich Deutschland trotz der aktuellen Bedrohungslage zurücknehmen. Deutschland würde damit auch im Hinblick auf die Terroristen falsche Signale aussenden. Wir wissen jedenfalls - das ist sehr wichtig, Herr von und zu Guttenberg -, dass der militärische Beitrag nur ein Teil eines umfassenden politischen Ansatzes sein kann und sein wird. Haben Sie aber Verständnis, dass ich mich in meiner Rede auf die militärischen Konsequenzen konzentriere. Wir reden heute über asymmetrische Bedrohungen, mit denen die internationale Sicherheitspolitik konfrontiert ist. Das Hauptmerkmal dieser Bedrohungen ist: Terroristen können überall und jederzeit losschlagen. Die Erkenntnisse über terroristische Täter, ihre Hintergründe, ihre Motive, ihre Waffen und ihre Vorgehensweise haben sich fundamental verändert. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Vorgänger schicken Terroristen heute keine konkreten Forderungen voraus, um ihre Drohungen zu untermauern. Vielmehr schlagen sie ohne Vorwarnung und mit großem Zerstörungswillen zu und schieben allenfalls absurde Begründungen nach. Angesichts dieser Bedrohungssituation ist es wichtig, dass die militärischen Instrumente immer wieder flexibel justiert werden können. Deshalb ist es auch richtig, dass wir der Bundesregierung einen Spielraum für schnelles und flexibles Reagieren geben. Die Zusammensetzung der Truppenteile ist vor diesem Hintergrund sachgerecht; denn sie erfolgt aufgrund der aktuellen Lageanalyse. Es ist in der Tat richtig, dass wir der Bundesregierung eine gewisse personelle Flexibilität zugestehen. Diese ist angemessen und notwendig. Sie - das sage ich an die Adresse der Kollegen von der FDP - ist gar nichts Außergewöhnliches, wie die Entsendungen der Vergangenheit zeigen. Herr Kollege Nolting, am 18. Juni dieses Jahres haben auch Sie dem KFOR-Mandat zugestimmt. Damals haben wir 8 500 Soldaten mandatiert, obwohl nur 3 500 im Einsatz waren. Bei dem SFOR-Mandat war es ähnlich: 3 000 Soldaten wurden mandatiert, obwohl nur 1 300 im Einsatz waren. ({3}) So war es auch bei der letzten Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom: Nur ein Drittel der Soldaten, die wir per Mandat entsandt haben, wurde tatsächlich im Einsatzgebiet benötigt. Bis auf drei Kollegen hat Ihre Fraktion diesem Mandat geschlossen zugestimmt. ({4}) Damals hat niemand von Ihnen den absurden Vorwurf eines Blankoschecks für die Regierung erhoben. Was hat sich also verändert? Ich möchte wirklich keine Schärfe hineinbringen. ({5}) Herr Kollege Nolting, die Frage, ob Sie der jetzigen Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom zustimmen, ist, wie gesagt, für das politische Ergebnis sicherlich nicht wichtig. Aber für die Soldatinnen und Soldaten ist es - das war jedenfalls in der Vergangenheit immer der Fall - ein sehr wichtiges Signal, dass alle demokratischen Parteien geschlossen hinter dem Parlamentsheer stehen. ({6}) Das sollte auch jetzt so sein. ({7}) Es stimmt, dass das Parlament von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend informiert wurde und wird. Dies hat die Bundesregierung bereits in der ersten Lesung des Antrags auf Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom zugesagt. Für meine Fraktion kann ich somit deutlich feststellen: Wir haben vollstes Vertrauen in die Zusagen der Bundesregierung. Die Kritik, die in den letzten Jahren und vor allem im Winter des letzten Jahres geübt wurde, lautete ja nicht, die Bundesregierung tue in militärischer Hinsicht zu viel. Im Gegenteil: Manche waren der Meinung, dass sie in militärischer Hinsicht zu wenig tue. Wir haben also allen Grund, der Regierung zu vertrauen. ({8}) In den letzten Jahren hat sich im Parlament eine gewisse Mandatspraxis herausgebildet. Alle bisherigen Parlamentsbeteiligungen und Entsendungen haben gezeigt, dass sich bestimmte Informationsstränge eingespielt haben. Ich möchte noch einmal sehr deutlich machen: Es wäre ein gutes politisches Signal, wenn auch die Oppositionsfraktionen an unserem gemeinsamen Ansinnen festhalten würden, in den nächsten Monaten ein Entsendegesetz, ein Parlamentsbeteiligungsgesetz, fraktionsübergreifend, also im Konsens, zu verabschieden. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. ({9}) Lassen Sie mich an einem Beispiel erläutern, warum diese Flexibilität richtig ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Arnold, einen Moment bitte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte schenken Sie dem Redner auch zum Schluss seiner Rede noch etwas Gehör und stellen Sie die privaten Gespräche ein, insbesondere im Mittelgang. Vor einer namentlichen Abstimmung ist das, wie ich weiß, immer schwierig, aber bitte noch ein wenig Geduld und Aufmerksamkeit! ({0}) Bitte schön, Herr Arnold.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich möchte noch ganz kurz über die Marinekräfte sprechen. Sie leisten sowohl im Mittelmeer als auch am Horn von Afrika einen Beitrag, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie müssen sehen: 40 Prozent der Schiffe und Boote unserer Marine sind in ständiger Einsatzbereitschaft. Sie können schnell, flexibel und weitestgehend autark zur neuen Schwerpunktbildung verwendet werden. Sie können lange Zeit auf See bleiben und mit der entsprechenden Unterstützung der Marineaufklärungsflieger auch große Seeräume überwachen. Wir müssen uns eines immer wieder klar machen: 90 Prozent des Welthandels und auch des Waffenschmuggels erfolgen auf den Seewegen. Jeder von uns weiß, welch großes Interesse gerade eine exportorientierte Wirtschaft daran haben muss, dass die Seewege gut geschützt sind. Auch wenn der Einsatz der Marine gar nicht so sehr auffällt - erst kürzlich ist allerdings wieder ein Schiff mit Waffen aufgebracht worden -, muss man sehen: Der Beitrag der Marine besonders östlich von Afrika ist ein präventiver Beitrag und das ist das Entscheidende. Allein dadurch, dass sie da ist, sorgt sie dafür, dass die Seewege dort sicherer sind. Dasselbe gilt auch für die Bereitstellung des Kommandos Spezialkräfte aus Calw. Darüber kann hier nicht viel geredet werden. Ich möchte an dieser Stelle aber eines sehr deutlich sagen: Die Qualität des KSK aus Calw - wir erwarten von den jungen Männern hohe physische und psychische Voraussetzungen; es gibt eine strenge Auslese; die Ausstattung des Kommandos Spezialkräfte aus Calw ist gut - führt dazu, dass die Angehörigen dieses Kommandos zu denen gehören, die weltweit einen hervorragenden Beitrag leisten können. Sie gehören zu den besten Soldatinnen und Soldaten, die auf der Welt überhaupt verfügbar sind. Wir können ein gutes Stück weit stolz auf ihre Arbeit sein. Respekt und ein ausdrückliches Dankeschön an die Soldaten, die unter besonders schweren Bedingungen auf sich allein gestellt in den Bergen von Afghanistan in den letzten Monaten ihren Beitrag geleistet haben! ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Fortsetzung unseres militärischen, aber gerade auch des politischen Engagements im Rahmen von Enduring Freedom ist dringend notwendig. Das Engagement ist verantwortungsvoll mandatiert. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der deutschen Interessen, nämlich der Wahrung der Sicherheit auch der Bevölkerung in Europa. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich möchte aber noch einen Satz anfügen. ({0}) - Langsam! Sie werden gleich merken, warum.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Arnold, Ihre Redezeit ist weit überzogen.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich sehe gerade, dass unser Kollege Christian Schmidt wieder da ist. Es heißt immer wieder, es falle gar nicht so auf, ob der eine oder andere hier ist. Herr Kollege Schmidt, Sie haben bei der Arbeit in diesem Parlament gefehlt. Wir sind froh darüber, dass Sie auf dem Weg der Genesung sind. ({0}) Viele von uns waren in den letzten Wochen in Gedanken bei Ihnen und Ihrer Familie. Wir wünschen Ihnen in den nächsten Wochen einen erfolgreichen Genesungsprozess, damit Sie hier wieder richtig mitmischen können. Schön, dass es Ihnen heute zum ersten Mal wieder möglich war, hier teilzunehmen! ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich Ihnen bekannt, dass zwei Erklärungen nach § 31 der Ge- schäftsordnung zu Protokoll genommen werden sollen, nämlich die des Kollegen Jürgen Koppelin und die des Kollegen Wolfgang Börnsen aus Bönstrup.1) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa- che 15/2004 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA. Der Aus- schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1880 anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Bitte benutzen Sie dafür die üblichen Stimmkarten und nicht die Wahlausweise, die in Ihren Fächern lagen oder liegen; sie werden anschließend benötigt. Haben alle Schriftführerinnen und Schriftführer die Plätze eingenommen? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimm- karte abgegeben? - Das ist offenkundig der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Wahl des Bundesbeauftragten für den Daten- schutz Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 7. November 2003 Herrn Peter Schaar für die Wahl des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vorgeschlagen. Für die Wahl benötigen Sie eine Stimmkarte und Ihren blauen Wahlausweis. Die Stimmkarten sind hier im Saal erhältlich. Ihren Wahlausweis können Sie Ihrem Stimm- kartenfach entnehmen, soweit Sie das noch nicht getan haben. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt mindestens 302 Stimmen erhält. Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Die Wahl ist nicht geheim, das heißt, Sie können die Stimmkarte auch an Ihrem Platz ankreuzen. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, geben Sie bitte Ihren Wahlausweis dem Schriftführer. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Nachweis der Teilnahme an der Wahl.3) Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Wahl. Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte ab- gegeben? - Das ist offenkundig der Fall. Ich schließe die 1) Anlagen 3 und 4 2) siehe Seite 6577 3) Anlage 2, Namensverzeichnis der Wahlteilnehmer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Wahlergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Beratungen fort. Ich habe Ihnen noch eine amtliche Mitteilung zu verlesen. Der bereits überwiesene interfraktionelle Gesetzentwurf zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften auf Drucksache 15/1975 soll nachträglich dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich gebe Ihnen nun das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem Titel „Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 ({0}) und 1373 ({1}) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“ bekannt. Abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben gestimmt 540, mit Nein haben gestimmt 41, Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebenen Stimmen: 586; davon ja: 540 nein: 41 enthalten: 5 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({2}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({3}) Klaus Barthel ({4}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({5}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({6}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({7}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({8}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({9}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({10}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({11}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({12}) Walter Hoffmann ({13}) Frank Hofmann ({14}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler ({15}) Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({16}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({17}) Christian Müller ({18}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({19}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({20}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({21}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({22}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer ({23}) Ulla Schmidt ({24}) Silvia Schmidt ({25}) Dagmar Schmidt ({26}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Wilhelm Schmidt ({27}) Heinz Schmitt ({28}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({29}) Reinhard Schultz ({30}) Swen Schulz ({31}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({32}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({33}) Petra Weis Gunter Weißgerber Prof. Gert Weisskirchen ({34}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({35}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({36}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({37}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann ({38}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Prof. Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Prof. Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({39}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({40}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({41}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({42}) Dirk Fischer ({43}) Axel E. Fischer ({44}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({45}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Prof. Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({46}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({47}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({48}) Dr. Karl A. Lamers ({49}) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({50}) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold ({51}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({52}) Stephan Mayer ({53}) Conny Mayer ({54}) Dr. Martin Mayer ({55}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({56}) Doris Meyer ({57}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Stefan Müller ({58}) Bernward Müller ({59}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Bernd Neumann ({60}) Michaela Noll Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({61}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Prof. Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz-Xaver Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({62}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({63}) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({64}) Andreas Schmidt ({65}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({66}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({67}) Gerald Weiß ({68}) Ingo Wellenreuther Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({69}) Volker Beck ({70}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({71}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({72}) Markus Kurth Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller ({73}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({74}) Krista Sager Christine Scheel Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({75}) Werner Schulz ({76}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Jürgen Trittin Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({77}) FDP Ulrich Heinrich Harald Leibrecht Dr. Günter Rexrodt Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Nein CDU/CSU Wolfgang Börnsen ({78}) Manfred Carstens ({79}) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Winfried Hermann Hans-Christian Ströbele FDP Daniel Bahr ({80}) Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Helga Daub Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({81}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({82}) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann ({83}) Birgit Homburger Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dirk Niebel Eberhard Otto ({84}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Prof. Dr. Andreas Pinkwart Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Fraktionslose Abgeordnete Petra Pau Enthalten CDU/CSU Susanne Jaffke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Irmingard Schewe-Gerigk FDP Markus Löning Hans-Joachim Otto ({85}) Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kom- men, möchte ich Ihnen noch Folgendes mitteilen: Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass sie heute den Ausschluss des Abgeordneten Martin Hohmann aus ih- rer Fraktion beschlossen hat. Der Kollege Hohmann wird dem Haus ab sofort als fraktionsloser Abgeordneter angehören. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 d auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({86}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Dr. Christian Ruck, Rainer Eppelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Zukunft sichern - Globale Armut bekämpfen - Drucksachen 15/921, 15/1191 Berichterstattung: Abgeordnete Karin Kortmann Peter Weiß ({87}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Hans-Christian Ströbele b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Weiß ({88}), Dr. Christian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Nach der Neuwahl in Argentinien: Entwicklungszusammenarbeit mit Argentinien und Uruguay zielgerichtet fortführen - Drucksache 15/1015 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({89}) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hartwig Fischer ({90}), Siegfried Helias, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Fakultativprotokoll gegen Einsatz von Kindersoldaten umgehend ratifizieren - Drucksache 15/1016 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({91}) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Markus Löning, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung und Wohlstand durch Freihandel - Drucksache 15/1931 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({92}) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Siegfried Helias von der CDU/CSUFraktion das Wort.

Siegfried Helias (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der Entwicklungspolitik in der politischen Konzeption Deutschlands mit der Außen-, Verteidigungs-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik eine besondere Rolle zukommt und mit diesen Bereichen fest verzahnt sein muss. Gewalt und kriegerische Konflikte machen jegliche Entwicklungsansätze zunichte. Gerade in den Ländern der Dritten Welt kommt es darauf an, der Krisenprävention, der friedlichen Konfliktbeilegung und der Friedenssicherung einen angemessenen Platz zu sichern. Angesichts der noch zahlreichen ungelösten Konflikte muss der Bereich der Verhinderung internationaler Konflikte und der Friedensdurchsetzung noch wirkungsvoller gestaltet werden. Mein Kollege Christian Ruck hat völlig Recht, wenn er in den letzten Tagen betont hat, dass auch der NATO und der EU ein bestimmtes Gewicht zukommt, wenn es darum geht, Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union beim Eindämmen der Selbstfinanzierungskräfte von Kriegs- und Bürgerkriegsparteien zur Seite zu stehen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Streit zwischen Entwicklungsministerin Frau Wieczorek-Zeul und der Europäischen Union zu sehen. Er macht zumindest die unglückliche Prioritätensetzung rot-grüner Entwicklungspolitik deutlich und er entzweit selbst die Regierungskoalition. ({0}) Zum Hintergrund: Die Europäische Union plant, Mittel des europäischen Entwicklungsfonds für den Aufbau einer afrikanischen Friedenstruppe einzusetzen. Ziel dieser rein afrikanischen Friedenstruppe ist es, viele gewaltsame Konflikte und Bürgerkriege zu beenden, um endlich die notwendigen Voraussetzungen für eine zielgerichtete Entwicklung zu schaffen. Die Ministerin hält dagegen und argumentiert, dass die Gelder besser für die Armutsbekämpfung eingesetzt werden sollten. ({1}) Tatsache ist doch aber, Frau Kollegin Kortmann, dass viele Mittel des europäischen Entwicklungsfonds gar nicht abfließen können, weil die sicherheitspolitischen Voraussetzungen für Entwicklungsvorhaben nicht gegeben sind. Die CDU/CSU-Fraktion versteht Konfliktbeilegung und Friedenssicherung als zentrale Elemente der Armutsbekämpfung. Unter diesen Bedingungen ist das Verhalten der Ministerin erklärungsbedürftig. Vielleicht trägt die Idee einer afrikanischen Friedenstruppe dazu bei, Probleme und Folgen des Einsatzes von Kindersoldaten einzudämmen. Eigene Friedenstruppen erlauben es den Bürgern des afrikanischen Kontinents, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen und unter anderem einer der schlimmsten Geißeln des Krieges zu begegnen: der Geißel der Kindersoldaten. Dies ist ein Problem, das keineswegs auf Afrika beschränkt ist. Weltweit werden in zahlreichen Konflikten circa 300 000 Kinder als Soldaten von skrupellosen und brutalen Kriegsherren missbraucht. Bereits achtjährige Kinder werden gedrillt, zu kämpfen, zu töten, Lasten zu transportieren, zu plündern und zu spionieren. Diesen Kindern wird nicht nur die Kindheit geraubt; diesen Kindern wird das Leben ruiniert. Das Ziel der Völkergemeinschaft muss es sein, alles zu unternehmen, um diese schrecklichen Kriegsverbrechen zu beenden. Jedes Land muss seinen Beitrag dazu leisten, auch die Bundesrepublik Deutschland. ({2}) Denn die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten verstoßen gegen die internationalen Menschenrechtsverträge. Das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention bezüglich der Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten verpflichtet Staaten, keine Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren einzuziehen. Außerdem wird im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs der Einsatz von Kindersoldaten unter 15 Jahren zu einem Kriegsverbrechen erklärt. Und dennoch: Kinder werden immer wieder zu Kriegsdiensten missbraucht. Wer nicht gehorcht, dem drohen Verstümmelung und Tod. Der Alltag von über 300 000 Kindern in mehr als 25 Ländern besteht nicht aus Fußball spielen oder dem Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen. Diese Kinder sind lebendige Schutzschilde, Leibwächter, Minenräumer - mit einem Wort: Kindersoldaten. Das Phänomen der Kindersoldaten bezieht sich aber nicht nur auf Jungen. Auch Mädchen werden rekrutiert und zum bewaffneten Kampf herangezogen. Darüber hinaus werden sie wie Sklaven gehalten und sexuell missbraucht. Wie soll eine kindliche Seele das verkraften? Am 25. Mai des Jahres 2000 verabschiedete die UNVollversammlung im Konsens das Fakultativprotokoll zum „Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten“. In dem neuen Zusatzprotokoll werden die Unstimmigkeiten der Kinderrechtskonvention gelöst, indem das Mindestalter für die direkte Beteiligung an Kampfhandlungen, die Wehrpflicht und jede Form der Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von 15 auf 18 Jahre angehoben wird. Nur wenige Monate später, am 6. September, unterzeichnete Bundeskanzler Schröder für die Bundesrepublik Deutschland das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention. Bis heute hat es die Bundesregierung allerdings nicht vermocht, dieses Protokoll zur Ratifizierung an den Bundestag weiterzuleiten. Der Grund: Das Bundesverteidigungsministerium beharrt auf einem Mindestalter von 17 Jahren bei der Rekrutierung zur Bundeswehr. Folgerichtig kritisiert Terre des hommes, dass die deutsche Bundesregierung „offenbar in einen gesetzgeberischen Tiefschlaf verfallen“ sei. Anders ist es nicht zu erklären, dass Deutschland das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention immer noch nicht unterzeichnet hat. ({3}) Kindersoldaten müssen nach unserer Auffassung auf ihrem Weg in ein ziviles Leben durch gezielte Maßnahmen begleitet werden. Die Bundesregierung muss daher die Möglichkeiten des Zusatzprotokolls voll ausschöpfen und verstärkte Anstrengungen zur praktischen Hilfe für Kindersoldaten leisten. Dazu gehören die Förderung von Programmen zur Demobilisierung, die Rehabilitation und Reintegration von Kindersoldaten sowie vor allen Dingen die Unterstützung bei Präventionsmaßnahmen. Außerdem sind langfristige Verpflichtungen einzugehen. Zum Beispiel sind Maßnahmen von Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen, die im Aufgabenfeld der Kindersoldatenproblematik liegen. Diese müssen gefördert werden und zu diesen Zwecken sind auch Mittel des zivilen Friedensdienstes einzusetzen. Vor allen Dingen darf es nicht länger hingenommen werden, dass Empfängerländer deutscher Entwicklungshilfe gleichzeitig den Einsatz von Kindersoldaten billigen und fördern. Dort, wo es offenkundig unter staatlicher Billigung zum Einsatz von Kindersoldaten kommt, muss über die Einstellung und Kürzung der Entwicklungszusammenarbeit entschieden werden. Ein weiterer Punkt ist die Mobilisierung der öffentlichen Meinung. Wir müssen ein Klima erzeugen, das dazu führt, dass der Missbrauch von Kindern in bewaffneten Konflikten verhindert und langfristig eine Ächtung der Zwangsrekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten erwirkt wird. Mit der Ratifizierung des Fakultativprotokolls können wir eine aktive Rolle im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten einnehmen. Kinderarbeit, Kinderhandel, Kinderprostitution und Kindersoldaten - das sind Teile einer unheilvollen Kette: Kinder werden immer mehr zur manipulierbaren Ware. Diese Kinder brauchen unseren Schutz und unsere Hilfe. Sie sind die Zukunft unserer Zivilisation. Sie dürfen nicht als Schachfiguren missbraucht werden, weder als Opfer noch als Täter. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Karin Kortmann von der SPD-Fraktion.

Karin Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Helias, ich möchte Ihnen gern darlegen, warum wir meinen: Finger weg vom europäischen Entwicklungsfonds, wenn es darum geht, die afrikanische Friedenstruppe, der wir viel Erfolg wünschen, zu installieren und gut auszurüsten. Es geht überhaupt nicht darum, dass wir das etwa nicht wollten. Vielmehr haben wir gesagt: Das ist ein notwendiger Bestandteil bei der Krisenprävention oder der Befriedung von Konfliktgebieten. Sie werden mir zustimmen, dass der europäische Entwicklungsfonds, der eine zivile Komponente hat und bei dem es um Entwicklungszusammenarbeit geht, nicht der richtige finanzielle Topf für diese Art von Unterstützungsmaßnahmen ist. Vielmehr muss die Europäische Union auf dem Rat, der in der nächsten Woche dazu tagen wird, andere Finanzierungsmöglichkeiten erörtern. Ich finde es fast schon gewagt, wenn Sie sagen, dass es diesbezüglich einen Konflikt in der Bundesregierung gebe. Ich gehe davon aus, dass es eine gemeinsame Übereinkunft der zuständigen Fachressorts gibt, die am Montag und Dienstag für die Bundesrepublik Deutschland auf dem Rat entsprechend votieren werden. ({0}) Ich möchte zu zwei Anträgen, die die Union vorgelegt hat, aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion Stellung nehmen. Herr Helias, Sie haben von den Kindersoldaten und der Notwendigkeit gesprochen, das Fakultativprotokoll zu ratifizieren. Das sehen wir genauso und auch wir wünschen, dass das möglichst rasch im Bundestag erfolgt. Die Problematik der Kindersoldaten kann man an Folgendem festmachen: Jeden Tag müssen Hunderttausende von Kindern weltweit durch Kriege und bewaffnete Konflikte verursachte Probleme bewältigen. 20 Millionen Kinder sind auf der Flucht, sind von ihren Familien getrennt und wachsen als Kriegswaisen auf. In Angola weist nach fast drei Jahrzehnten Bürgerkrieg fast jedes zweite Kind Mangelernährungserscheinungen auf. Im Irak und in Afghanistan leben viele Kinder auf der Straße, weil die Eltern sie nicht mehr versorgen können. In Tschetschenien - ich erwähne das, weil ich Rudolf Bindig sehe - wachsen ungefähr 25 000 Schulkinder in Flüchtlingslagern auf. Das ist keine Kindheit, wie wir sie Kindern wünschen. Die Probleme verstärken sich im Falle der Kindersoldaten, die von Armeen oder paramilitärischen Verbänden zwangsrekrutiert werden. Da wir mittlerweile zum Thema Kindersoldaten den vierten Antrag vorliegen haben, möchte ich gern darauf verweisen, dass es bereits eine entsprechende Beschlusslage gibt. Der erste Antrag, den ich im Bundestag geschrieben habe, hat das Datum 21. April 1999. Der Bundestag hat daraufhin gemeinsam beschlossen, dass wir „die Rekrutierung und die Einberufung von Kindern unter 18 Jahren in Armeen sowie ihre aktive Teilnahme an bewaffneten Feindseligkeiten grundsätzlich“ ausschließen und dazu auch die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wir haben damals aber auch gesagt, dass wir eine psychosoziale Betreuung wollen, dass wir die Problematik der Kindersoldaten in den jeweiligen Staatsdialog einbeziehen müssen. Angesichts dessen frage ich mich, ob Ihr Ansatz tatsächlich tragfähig ist. Sie wollen überall dort, wo in den Armeen noch unter 18-Jährige tätig sind, die Entwicklungshilfe reduzieren oder streichen. Wenn das alles so einfach wäre, bräuchten wir die Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr. Aber gerade dort, wo es um Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte geht, lautet der Auftrag der Entwicklungszusammenarbeit, für Ordnungssysteme zu sorgen, wie zum Beispiel dafür, dass die Kinder nicht zwangsrekrutiert werden. Ein gutes Beispiel ist sicherlich Kolumbien, das vor zwei Jahren dafür gesorgt hat, dass keine unter 18-Jährigen mehr in der Armee sind. Gerade dieses bürgerkriegsgeschüttelte Land hat damit beispielhaft vorgemacht, wie es gehen kann. Wir wissen genau, dass es mit einer gesetzlichen Regelung allein nicht getan ist. Wir brauchen umfangreiche Programme, die Möglichkeiten zur Resozialisierung bereitstellen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf drei große Ansätze verweisen, die notwendig sind, damit Entwicklungszusammenarbeit erfolgreich sein kann. Als Erstes bedarf es eines dualen Ansatzes, bei dem einerseits die Kindersoldaten selber, aber andererseits auch die Gemeinden einbezogen werden. Es reicht nicht, die Kinder lediglich aus den Armeen herauszunehmen. Vielmehr muss für die Aufarbeitung der Traumata ein Umfeld geschaffen werden, in dem es möglich ist, dass die Kinder lernen, mit Gefühlen wie Wut und Schuld umzugehen, und in dem auch Konzepte für den Umgang im Alltag entwickelt werden können. Als Zweites brauchen wir eine berufliche Alternative. Es müssen Einkommensmöglichkeiten für Kindersoldaten geschaffen werden, um zu verhindern, dass die Tätigkeit als Kindersoldat zur wirtschaftlichen Notwendigkeit für diese Kinder und zum Teil auch für deren Familien wird. Wir brauchen als Drittes Gemeinden, die bereit sind, für die Reintegration der Kindersoldaten zu sorgen. Diese müssen für die Probleme sensibilisiert werden, damit lokale Konfliktlösungsmechanismen entwickelt werden können und damit es zu der notwendigen Versöhnung zwischen den Exkommandanten und der von den Auswirkungen des Krieges betroffenen Bevölkerung kommen kann. Diese Ansätze sind in den letzten Jahren vom BMZ und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit entwickelt worden. ({1}) Gleichzeitig wissen wir um all die großen Probleme. Ich habe in der vergangenen Woche mit der Ministerin für Menschenrechte aus der Demokratischen Republik Kongo zusammengesessen. Jeder Zehnte der weltweit 300 000 Kindersoldaten kämpft im Kongo und wir wissen, wie viel da zu tun ist. In diesem Zusammenhang halte ich es für notwendig, dass wir im Bundestag möglichst rasch zu einer Ratifizierung des Zusatzprotokolls kommen. Ich halte aber Ihren Ansatz bezüglich der Bundeswehr für nicht ganz sachgemäß. Die Bundeswehr - Sie haben es eben gesagt - rekrutiert keine jungen Menschen unter 18 Jahren. Sie eröffnet eine militärische Ausbildung für 17-Jährige. Diese Berufsausbildung erfolgt freiwillig und mit Zustimmung der Eltern. Sie können dabei also nicht von einer Zwangsrekrutierung sprechen. ({2}) - Doch, Sie haben von Rekrutierung gesprochen. Schauen Sie bitte nachher im Protokoll nach. ({3}) - Nein, es ist keine Rekrutierung. ({4}) Es ist eine freiwillige Verpflichtung für eine militärische Ausbildung. Das Bundeskabinett hat am 23. Juni dieses Jahres beschlossen, zur Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls beitragen zu wollen, sagt aber gleichzeitig: Warten wir bitte die Bundeswehrstrukturreform ab, damit wir in der Übergangszeit die 17-Jährigen dort ausbilden können. Ich sage für meine Fraktion: Wir können diese Übergangsphase hinnehmen, halten aber an der Straight-18Forderung fest, weil sie nicht nur national, sondern auch international Gültigkeit hat und wir daran festhalten sollten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Kortmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fischer?

Karin Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Kortmann, ich komme gerade aus Bunia im Kongo zurück und habe mit den Organisationen Caritas und Safe the Children gesprochen. Ich habe mir eines der Kindersoldatenlager angesehen und gesehen, unter welchen Bedingungen diese leben. Die Frage, die uns dort immer wieder gestellt wird, lautet: Wie wollt ihr in dieser Frage eigentlich glaubwürdig agieren, wenn ihr selbst in eurem Land nicht in der Lage seid, dieses Zusatzprotokoll, das vom Kanzler unterzeichnet worden ist, zu ratifizieren? Wie wollt ihr an uns Forderungen stellen? Sie haben ja gesagt, Sie unterstützen das. Deshalb bitte ich Sie herzlich, bei Ihrer Regierung festzustellen, ({0}) warum man sich nicht in der Lage sieht, dieses Protokoll zu unterzeichnen und damit mehr Glaubwürdigkeit für uns zu erreichen.

Karin Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Fischer, wir teilen Ihr Anliegen, dass es zur Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls kommen muss. Ich habe darauf hingewiesen, dass das Bundeskabinett dazu im Juni einen Beschluss gefasst hat, in dem es heißt - wenn es Ihnen hilft, kann ich das vorlesen -: Die Bundesregierung möchte das Fakultativprotokoll zum VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten möglichst rasch ratifizieren. Allerdings kann über die Frage des Mindestalters bei Freiwilligen, die in die Bundeswehr eintreten, vor Abschluss der Bundeswehrstrukturreform nicht abschließend entschieden werden. Wenn wir die Bundesregierung bitten, eine entsprechende Vorlage in den Bundestag einzubringen, wird dies hier sicherlich breite Zustimmung finden. Ich möchte gerne auf einen zweiten Punkt eingehen, und zwar auf Ihren Antrag zu Kuba. In diesem Antrag wird in der Spitze formuliert, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba sollte beendet werden; das betrifft auch die Entwicklungszusammenarbeit, die bisher über die Europäische Union erfolgt ist. Ich denke, es reicht nicht aus, wenn wir über die Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba reden, Defizite in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu konstatieren. Deshalb bieten wir über die entwicklungspolitische Kooperation neue Wege der Verständigung und der Zusammenarbeit an. Dies kann und soll zu Veränderungen mit mittel- und auch langfristiger Perspektive führen. So haben wir es formuliert, als wir im April 2000 einen Antrag zur Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba vorgelegt haben. Jeder weiß, dass wir das Ziel, das damit verbunden war, nämlich den Schwerpunkt auf die Umwelt- und Ressourcenpolitik zu setzen, die Nichtregierungsorganisationen und die Kirchen in ihrem Engagement zu unterstützen und zu begleiten, aber auch den Dialog mit Vertretern oppositioneller gesellschaftlicher Gruppen und die Bildung einer kubanischen Zivilgesellschaft zu unterstützen, nicht von heute auf morgen erreichen werden. Die Bedingungen in diesem Jahr haben zu erheblichen Rückschritten geführt. Die Menschenrechtssituation hat sich verschärft. Dies haben wir sowohl im AwZ wie auch im Menschenrechtsausschuss deutlich benannt. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen dort willkürlich inhaftiert werden und dass die Todesstrafe nicht nur verhängt, sondern auch ausgeführt wird. Dies ist aufs Schärfste zu kritisieren, und zwar sowohl von deutscher als auch von europäischer Seite. Ich erinnere daran, dass die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sofort darauf reagiert hat. Auf der anderen Seite haben wir bei unserer Reise durch dieses Land auch die Entwicklungschancen wahrnehmen können. Das gilt insbesondere für die Kollegen, die dabei waren, zum Beispiel Herrn Kraus, Herrn Heinrich und Frau Schmidt. Wir haben uns gewünscht, dass es zu einer privatwirtschaftlichen Kooperation kommt, insbesondere was deutsche Handwerkskammern angeht. Wir haben uns angeschaut, was die Handwerkskammer Dortmund im Bereich der Ausbildung zum Automechaniker ermöglicht hat. Wir haben auch gesehen, inwiefern die Welthungerhilfe im Bereich der urbanen Landwirtschaft dazu beiträgt. Den Menschen wurde es durch diese Kooperative ermöglicht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und damit zur Gewinnmaximierung beizutragen. Es gibt auch Überlegungen, wie durch eine Kleinkreditförderung weitere Möglichkeiten der Einkommenserzielung geschaffen werden können. Ich kann nur sagen: Wenn man will, dass sich eine Entwicklung vollzieht, und wenn man über diesen bilateralen Kontakt dazu beitragen kann, die Menschenrechte zu verbessern, mehr Demokratie zu ermöglichen und zu Rechtsstaatlichkeit zu kommen, dann sollte man all diese Möglichkeiten nutzen. Eines hat uns in Kuba sehr beschäftigt: Wir haben den Mangel an Lehrmaterial gesehen. Wir haben gesehen, wie miserabel die Ausstattung ist. Am 1. September konnten einige Schulen nicht mit dem Unterricht beginnen, weil keine Lebensmittel zur Verfügung standen, um die Schulkinder zu ernähren. Um diese Probleme im Gesundheitssektor wissen wir. Wir haben aber auch wunderbare Beispiele dafür gesehen, was alles machbar ist. Allein von der Cuba-Hilfe in Nordrhein-Westfalen konnten bisher 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um Gesundheitsdienste für die grundlegende Versorgung aufzubauen. Wer sich dafür ausspricht, die Mittel für Kuba einzufrieren, muss wissen, dass wir solche Aktivitäten dann in Zukunft nicht mehr unternehmen können. Wer aber will, dass wir so wie bisher weiterarbeiten, der muss zur bilateralen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit sowie zur Weiterführung der kulturellen Beziehungen bereit sein. Ich wünsche mir, dass die Bemühungen fortgesetzt werden, das Goethe-Institut in Kuba aufzubauen. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die kulturellen Außenbeziehungen so zu gestalten, dass sich Deutschland auf der Buchmesse in Kuba - sie hat als Schwerpunktland Deutschland - angemessen präsentieren kann. Es dürfen nicht nur seltsame Verlage dort vertreten sein. Wir müssen unseren kulturellen Beitrag dazu leisten. Deswegen lehnen wir Ihre strikten Forderungen ab und bitten um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Während der Zwischenfrage von Herrn Fischer kam aus Ihren Reihen der Ruf, er möge eine Frage stellen. Aus diesem Anlass möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass nach § 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung nicht unbedingt Fragen gestellt werden müssen, auch wenn der Präsident immer fragt, ob der Redner eine Zwischenfrage zulassen möchte. Es können auch Zwischenbemerkungen gemacht werden. ({0}) Ich gebe Ihnen jetzt das Ergebnis der Wahl des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bekannt. Abgegebene Stimmen 584, ungültige Stimmen 6. Mit Ja haben gestimmt 347, mit Nein haben gestimmt 227, Enthaltungen 4. Herr Peter Schaar hat damit die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zum Bundesbeauftragten für den Datenschutz gewählt. Ich begrüße Sie, Herr Schaar, auf der Tribüne und spreche Ihnen die Glückwünsche des Deutschen Bundestages aus. ({1}) Dem bisherigen Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Dr. Joachim Wolfgang Jacob, gilt unser Dank für sein verdienstvolles Wirken. ({2}) Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Markus Löning von der FDP-Fraktion das Wort.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kurze Vorbemerkung zu dem kleinen Geplänkel über den EEF machen. Die Position der FDP ist: Wir sind dagegen, dass MONUC und andere Missionen aus dem EEF finanziert werden. Dabei bleiben wir. Wir fordern die Bundesregierung auf, verstärkt darauf hinzuwirken, dass Gelder, die nicht abgeflossen sind, für den Kampf gegen Aids eingesetzt werden können. ({0}) Das ist gerade auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die Bundesregierung in diesem Bereich zu geringe Anstrengungen unternimmt. Das Thema, über das wir uns heute unterhalten, ist die Armutsbekämpfung. Was die WTO und die Doha-Runde angeht, so sind wir uns in diesem Haus einig, dass die WTO wichtig ist. Sie setzt einen verlässlichen Rechtsrahmen - das spielt gerade für kleinere Entwicklungsländer, die sich sonst nicht durchsetzen können, eine wichtige Rolle - und trägt dazu bei, dass dieser in den internationalen Beziehungen auch anerkannt wird. Denn es darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Darüber sind wir uns in diesem Hause einig. Ich wünsche mir, dass diese Ansicht gerade nach außen etwas intensiver vertreten werden würde, vor allem gegenüber den so genannten Globalisierungsgegnern. Es ist richtig und wichtig, dass wir einen international geregelten Rechtsrahmen haben und damit den Ländern zum Beispiel einen Marktzugang ermöglichen. Ich will auf zwei Punkte hinweisen, die aus unserer Sicht besonders wichtig sind und bei denen die Bundesregierung gefordert ist. Der erste betrifft das Thema Agrar. Wir als Deutsche und als Europäer müssen hier nachlegen; unser Angebot muss nachgebessert werden. Ich fordere die Bundesregierung ausdrücklich auf - das soll sie im Kabinett besprechen -: Wirken Sie auf unsere französischen Freunde ein. Stellen Sie sich unseren französischen Freunden auf die Füße! Wir müssen hier vorwärts kommen, einen Schritt weiter gehen, stärker entkoppeln und herunter von den Exportsubventionen. ({1}) Frau Ministerin, Sie haben in Cancun die Baumwollinitiative ohne jeglichen sinnhaften Zusammenhang ins Leben gerufen. Ich möchte Sie hier noch einmal ausdrücklich daran erinnern, dass Sie auch bezüglich der Baumwolle hier im Haus im Wort stehen. ({2}) Sie haben sich hier dafür eingesetzt und wir erwarten, dass Sie bei unseren europäischen Partnern wirklich Butter bei die Fische tun, sodass sich dort etwas entwickelt. ({3}) Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen, das in diesem Hause sicherlich etwas kontroverser gesehen werden dürfte. Wir sind nicht dafür, die SingapurThemen unauflösbar mit den Agrarverhandlungen zu verknüpfen. Wir sind aber gerade auch aus entwicklungspolitischer Sicht dafür, dass die Singapur-Themen behandelt werden; ({4}) denn auch die Singapur-Themen sind Entwicklungsthemen. Ich will zwei Beispiele nennen: Erstens. Wir wollen in den Entwicklungsländern eine transparente öffentliche Auftragsvergabe erreichen. Dabei geht es nämlich um Korruptionsbekämpfung. Es gehört zu Good Governance, wenn die Verwaltungen in den Entwicklungsländern in der Lage sind, eine klare und transparente öffentliche Auftragsvergabe durchzuführen. Zweitens. Ähnliches gilt für die Sicherheit von Investitionen. Natürlich wollen wir Direktinvestitionen der Länder des Nordens in den Ländern des Südens. Unter anderem dadurch werden dort Arbeitsplätze entstehen und wird die Armut bekämpft. Deswegen brauchen wir auch in diesen Ländern Sicherheit für die Investoren. Dies ist keine unbillige Forderung, sondern eine, die einen hohen entwicklungspolitischen Gehalt hat. ({5}) Dahinter stehen Themen wie Rechtsstaatlichkeit und eine vernünftige Verwaltung - das ist ähnlich wie bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Die FDP hält es für unerlässlich, dass diese Themen von uns weiterhin mit Nachdruck vertreten werden, wenn wir auch die strikte Koppelung an die Agrarverhandlungen nicht unterstützen. Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen, der in der entwicklungspolitischen Diskussion ebenfalls wichtig ist. Es wird in den Ländern des Südens keine Entwicklung geben, wenn es dort nicht zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und vor allem auch zur Durchsetzung von Marktwirtschaft und freiem Handel kommt. Wir dürfen die Länder des Südens in den Verhandlungen, die wir führen, und in unserer ganzen Entwicklungspolitik an dieser Stelle nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Es ist essenziell, dass wir in den Gesprächen und Verhandlungen, die wir führen, und in der Entwicklungszusammenarbeit, die wir vereinbaren, darauf bestehen, dass die Länder des Südens einen deutlichen Anteil haben. Es liegt in ihrer Verantwortung, sich staatlich zu organisieren, sodass rechtsstaatliche Elemente durchgesetzt werden und die Menschen die Möglichkeit haben, marktwirtschaftlich tätig zu werden und aus eigener Initiative Unternehmen aufzubauen. Auch in kleinen Unternehmen müssen sie in der Lage sein, Geld zu verdienen, damit sie ihre Familien ernähren und den einen oder anderen Arbeitsplatz schaffen können. Mit der Entwicklungspolitik allein können wir das nicht leisten, wenn die Verantwortung in den Ländern selbst nicht mit Nachdruck wahrgenommen wird. Ich finde es wichtig, das zu betonen. ({6}) Ich habe einige der vielen Länder besucht, wo das nicht so ist, in denen wir die Entwicklungshilfe fortsetzen, obwohl wir sehen, dass die Regierung das Gegenteil von Entwicklung betreibt. Wir müssen dort genauer und kritischer hinschauen. Es wird uns nicht gut angerechnet, wenn wir das nicht tun. Um es einmal milde auszudrücken: Teilweise wird über uns geschmunzelt. Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Als Europäer müssen wir bei den Agrarverhandlungen deutlich nachlegen. Wir müssen an den Singapur-Themen festhalten und wir sollten unsere Partner in der Dritten Welt an ihre eigene Verantwortung deutlich erinnern. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Thilo Hoppe vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Thilo Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003558, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gar nicht so einfach, in einer Rede zu vier ganz verschiedenen Anträgen Stellung zu beziehen. Die beiden großen Fraktionen haben es einfacher; denn sie können sich das aufteilen. ({0}) Trotzdem möchte ich auch noch zum Europäischen Entwicklungsfonds und zum Aufbau einer afrikanischen Friedenstruppe Stellung beziehen. Bitte das eine tun und das andere nicht lassen. Wir unterstützen es, dass die Europäische Union beim Aufbau der afrikanischen Friedenstruppe hilft, aber dies darf nicht aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert werden. Beides ist zwar gleichermaßen notwendig, aber das eine darf nicht auf Kosten des anderen geschehen. ({1}) Zum Kuba-Antrag kann ich mich kurz fassen. Selbstverständlich teilt die grüne Fraktion die Kritik an den zunehmenden Menschenrechtsverletzungen auf Kuba. Dass es sogar zu Hinrichtungen gekommen ist, erfüllt uns mit Abscheu und Entsetzen. ({2}) - Davon hört man von mehreren Kollegen und auch von mir eine ganze Menge. Dass sich die Regierung Castro zunehmend abschottet, ist auch daran zu sehen, dass unserer Kollegin Claudia Roth, der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, die Einreise verweigert wurde. ({3}) Als wir Ihren Antrag im Ausschuss beraten haben, gab es zwischen unseren Fraktionen weitgehend Übereinstimmung in der Beurteilung der Lage auf Kuba. Unterschiede bestanden nur in der Frage der richtigen Strategie. Soll man nahezu alle Kontakte zur Regierung Castro abbrechen oder durch punktuelle Zusammenarbeit versuchen, auf den Prozess Einfluss zu nehmen? Es muss erlaubt sein, diese Frage zu stellen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, Menschenrechtsverletzungen verharmlosen zu wollen. ({4}) Die drei Spiegelstriche Ihres Antrags, die in der Ausschussberatung diskutiert wurden, haben sich inzwischen von allein erledigt. Kuba hat von sich aus auf die Aufnahme in die Gruppe der AKP-Staaten verzichtet. Eine staatliche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit findet kaum bzw. gar nicht mehr statt. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Der Punkt in Ihrem Antrag, was als Ermutigung oder gar Zustimmung zu Menschenrechtsverletzungen aufgefasst werden könnte, enthält eine Unterstellung, die man klar und deutlich zurückweisen muss. Mit den Korrekturen, die in der Ausschussberatung verhandelt wurden, können wir Ihrem Antrag zustimmen. Ich hätte es allerdings besser gefunden, wenn es uns gelungen wäre, einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag zu erarbeiten. Schade, dass die Bemühungen in diesem Bereich gescheitert sind. Zu den Kindersoldaten. Wir können der Zielsetzung des Antrags der CDU/CSU voll und ganz zustimmen. Sie beklagen zu Recht das Schicksal von mehr als 300 000 Kindern und Jugendlichen, die zwangsrekrutiert, erniedrigt, missbraucht und zum Töten gezwungen werden. Das ist ein furchtbares, grauenhaftes Kapitel und eine enorme Herausforderung. Es gibt auch von Deutschland unterstützte Programme zur Demobilisierung und Resozialisierung von Kindersoldaten. Bei der Umsetzung dieser Programme - der Kollege Fischer hat darauf hingewiesen - gibt es große Schwierigkeiten. Unsere Fraktion hat deswegen angeregt - das wird auch in die Tat umgesetzt -, dass der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im nächsten Jahr eine Delegationsreise in den Kongo unternimmt, um der Frage nachzugehen: Wie können wir diese wichtige Arbeit der Resozialisierung und Demobilisierung von Kindersoldaten effektiv unterstützen? Die Ratifizierung des Fakultativprotokolls ist auf dem Weg. Es wäre wichtig, von der CDU/CSU zu wissen, ob auch sie für die Bundeswehr den Kurs „straight 18“ mitvertritt, dass also nur Volljährige und nicht wie bisher zu einem - zugegeben - geringen Teil auch schon 17-Jährige an der Waffe ausgebildet werden. Damit es kein Missverständnis gibt: Dabei handelt es sich nicht um Kindersoldaten. Das wäre eine ganz falsche Verquickung. Aber - darauf ist hingewiesen worden - wenn wir dem Fakultativprotokoll wirklich Gewicht verleihen wollen, dann müssen wir uns selber daran halten. Wir vertreten klar den Kurs „straight 18“. Nun fällt es mir schwer, von Kuba und den Kindersoldaten den Bogen nach Cancun zu schlagen, dem FDPAntrag zur Welthandelsrunde. Kurzkommentar zu Ihrem Antrag: Licht und Schatten. Sie haben ein sehendes, meiner Meinung nach aber auch ein blindes Auge. Das wache Auge blickt auf die ungelöste Agrarfrage und mahnt völlig zu Recht einen Ausstieg aus den handelsverzerrenden Exportsubventionen an - volle Übereinstimmung. Ein Satz aus Ihrem Antrag bringt es auf den Punkt: Bevor man von den Entwicklungsländern Zugeständnisse erwartet, müssen die Industrieländer ihre Politik der handelsverzerrenden und marktstörenden Maßnahmen aufgeben. Richtig so - volle Übereinstimmung. Ebenso unterstütze ich Ihre Forderung, dass die Industrienationen ihre Zölle für verarbeitete Agrarprodukte, zum Beispiel auf dem Kaffeesektor, senken oder ganz beseitigen sollten, damit in den Entwicklungsländern mehr Wertschöpfung stattfinden kann. Gleiches gilt auch für Ihre Forderung nach mehr Transparenz, demokratischer Kontrolle und parlamentarischer Begleitung der WTO. ({5}) - Das haben Sie in der Tat gut gemacht. Das sind die Lichtseiten in Ihrem Antrag. Die Doha-Runde muss wirklich eine Entwicklungsrunde werden. Sie muss die Lebensbedingungen der Mehrheit der Weltbevölkerung verbessern. Sie muss dazu beitragen, dass die Zahl der Hungernden und der extrem Armen wirklich sinkt. In Cancun hätte es Fortschritte geben können, gerade im Agrarbereich. Dass es dazu nicht gekommen ist, lag auch daran, dass die Industrienationen Zugeständnisse auf dem Agrarsektor mit der Behandlung der neuen Themen, der so genannten Singapur-Themen, nämlich Investitionsschutz, öffentliches Auftragswesen etc., verbinden wollten. Vor allem an der Verquickung der Verhandlungsthemen sind meines Erachtens die Verhandlungen von Cancun gescheitert. Die Entwicklungsländer haben befürchtet, bei diesem Kuhhandel wieder über den Tisch gezogen zu werden. Es wäre bitter nötig gewesen, auch als vertrauensbildende Maßnahme, endlich Fortschritte im Agrarbereich zu erzielen. Danach, wirklich erst danach hätte man auch über andere Themen reden können. In Ihrem Antrag bestehen Sie auf der Behandlung der Singapur-Themen. Sie wollen sie sogar ganz oben auf die Agenda setzen. Mit dieser Hardliner-Position würde man in der WTO Schiffbruch erleiden. So können die Gespräche nicht wieder in Gang gebracht werden. Wir hoffen sehr - ich sage dies ganz offen und konstruktivkritisch auch in Richtung der eigenen Regierung -, dass man aus den Fehlern von Cancun lernt, dass man den Bundestagsbeschluss vom 3. Juli dieses Jahres endlich ernst nimmt und sich deshalb innerhalb der Europäischen Union für eine Kurskorrektur einsetzt. ({6}) Für uns gilt: Agrarfrage zuerst, im Sinne einer Entwicklungsrunde, und erst dann, in einer neuen Verhandlungsrunde, auch neue Verhandlungsthemen, die sowohl für die Industrienationen als auch für die Entwicklungsländer gleichermaßen Chancen bieten. An zwei Stellen Ihres Antrags sprechen Sie sich vehement gegen soziale und ökologische Mindeststandards in der Weltwirtschaft aus. In dem Punkt unterscheiden wir uns fundamental. Ich hatte auf dem Ökumenischen Kirchentag ein Gespräch mit Näherinnen aus einer der Sonderwirtschaftszonen Nicaraguas. Das waren Frauen, die elf bis zwölf Stunden täglich arbeiten müssen und nur zweimal am Tag einen verordneten Toilettengang haben und das bei katastrophalen Arbeitsbedingungen und ohne jeglichen Arbeitsschutz und alles zu Hungerlöhnen. Das nennen Sie komparative Kostenvorteile der Entwicklungsländer. Selbst wenn sich einige Regierungen dieser Länder gegen Mindeststandards aussprechen - die Menschenrechte sind unteilbar. ({7}) Deshalb brauchen wir ganz dringend ökologische und soziale Leitplanken für die Weltwirtschaft. ({8}) Wir brauchen sie, um die schlimmsten und die grausamen Auswüchse der Globalisierung zu unterbinden. Auf diesem Gebiet muss auch die WTO in die Pflicht genommen werden. Zu Bemerkungen über Ihren Argentinien- und Uruguay-Antrag fehlt mir jetzt die Zeit. Ich kann nur darauf verweisen, dass mit Uruguay und Argentinien in den letzten Tagen im Rahmen der EU-Mercosur-Verhandlungen verhandelt wurde. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben einen Brief geschrieben, in dem sie den Wirtschaftsminister ermutigt haben, dort im Geiste unseres Bundestagsbeschlusses vom 3. Juli zu verhandeln. Denn bei den EU-MercosurVerhandlungen wiederholen sich viele Fragestellung und Konfliktlinien, die auch in Cancun eine große Rolle gespielt haben. Auch dort geht es darum, innerhalb der EU beweglicher zu werden und stärker auf die Bedürfnisse und Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer einzugehen, gleichzeitig aber berechtigte deutsche Interessen zu vertreten. Es soll aber ein Ausgleich in dem Sinne erreicht werden, dass mehr Gerechtigkeit und Transparenz erreicht und mehr soziale und ökologische Leitplanken eingezogen werden. Nur so wird es möglich sein, der Globalisierung ein menschliches Gesicht zu geben. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Weiß von der CDU/CSU-Fraktion.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte und die vorliegenden Anträge zeigen vor allen Dingen eines: Mittlerweile gilt nicht nur für die Innenpolitik, sondern leider auch für die Entwicklungszusammenarbeit: Es gibt keine klare Linie der rot-grünen Regierung mehr, es herrscht in jeder Hinsicht, auch argumentativ, Chaos. ({0}) Es gibt zwei entscheidende, angeblich grundlegende Neuorientierungen rot-grüner Entwicklungszusammenarbeit. Die eine ist die so genannte neue Schwerpunktsetzung aus dem Jahr 2000, ein Papier, das längst zu einem Dokument der Selbststrangulierung der Entwicklungszusammenarbeit geworden ist. ({1}) Die andere ist das Aktionsprogramm 2015 zur Bekämpfung der weltweiten Armut, das längst Makulatur ist. ({2}) Selbst als Opposition traut man sich kaum noch, danach zu fragen, wo das einstmals angekündigte Umsetzungsprogramm bleibt. Die fehlende klare Linie in der Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich auch bei einigen in dieser Woche zur Debatte stehenden Fragestellungen. Wenn Schröder und Struck aus außen- und sicherheitspolitischen Gründen schnell noch zusätzliche Soldaten nach Kunduz in Afghanistan schicken wollen, dann muss die Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul mehrere Millionen Euro zulasten anderer Ausgaben aus ihrem Haushalt herausschneiden. ({3}) Wir reden über einen Haushalt - er wird in der nächsten Sitzungswoche beraten -, der ohnehin eine erneute Absenkung der Mittel für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet. Während sich in Ländern wie Argentinien und Uruguay die Lage dramatisch verschlechtert und die Zahl der Menschen in Armut zunimmt, bleibt die Ministerin tatenlos, weil sie an ihrem überholten Schwerpunktpapier festhält. Wenn aber Frau Wieczorek-Zeul einen greisen Diktator wie Fidel Castro besucht, dann soll plötzlich zusätzliches deutsches Geld zu dessen Unterstützung aufgebracht werden. ({4}) Logik und inhaltliche Kohärenz der rot-grünen Entwicklungspolitik sind nicht erkennbar. ({5}) Peter Weiß ({6}) Die Situation auf Kuba ist nach wie vor äußerst besorgniserregend. Sie, Frau Ministerin, und die Koalition wollten mit der Aufnahme offizieller staatlicher Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba angeblich einen Wandel durch Zusammenarbeit herbeiführen. Festzustellen ist aber nur ein Effekt: Mit dieser Politik sind Sie nachdrücklich gescheitert. ({7}) Das liegt vor allem daran, dass die Repressionswelle der vergangenen Monate dazu geführt hat, dass mittlerweile sämtliche Anführer einer sich vielleicht entwickelnden Zivilgesellschaft auf Kuba hinter Gittern sitzen, weil sich Fidel Castro keinen Deut um das Thema Menschenrechte kümmert. Frau Kollegin Kortmann, Ihre Rede zu diesem Thema können Sie in Bezug auf jedes diktatorische Regime halten ({8}) und als Begründung für die Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit anführen. Aus unserer Sicht ist folgender Punkt entscheidend: Wir als CDU/CSU sind selbstverständlich zur Unterstützung bereit, wenn es darum geht, dem zivilgesellschaftlichen Bereich also, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen, finanzielle Mittel für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen. Es ist aber ein großer Unterschied, ob man den Staat selbst - sprich: das Regime von Castro - als Partner bilateraler Entwicklungszusammenarbeit akzeptiert oder nicht. ({9}) Zu einer Entwicklungszusammenarbeit mit solchen Partnern sagen wir klar und eindeutig Nein. Die Entwicklungen der vergangenen Monate haben uns darin noch bestärkt. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kortmann?

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kortmann, bitte schön.

Karin Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage nicht, welche Unterwäsche Herr Weiß trägt und was darauf abgebildet ist. Nein, Herr Kollege, mir geht es vielmehr um die sachliche Frage, wodurch die Diskrepanz in Ihrer Fraktion zu begründen ist, dass Sie auf der einen Seite einem Rechtsstaatsdialog mit China zustimmen und dort den Wandel durch Annäherung - diesen Begriff haben Sie gerade in Ihrer Rede verwendet - trotz der dramatischen Menschenrechtssituation in China unterstützen, dass Sie aber auf der anderen Seite im Falle Kuba zu einer unterschiedlichen Schlussfolgerung kommen, obwohl die gleiche Zielsetzung gegeben ist und Ihnen die Bemühungen seitens der Wirtschaft - durch den Bundesverband der Deutschen Industrie und seitens der katholischen Kirche durch den Besuch des Papstes bekannt sind, auch in Kuba zu einem solchen Wandel durch Annäherung beizutragen. Worin sehen Sie den elementaren Unterschied? ({0})

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Kollegin Kortmann, mit Ihrer Frage bestätigen Sie eigentlich das, was ich vorgetragen habe, ({0}) nämlich dass es durchaus sinnvoll und richtig ist, im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements der Kirchen, Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen und auch der Wirtschaft die Zusammenarbeit zu suchen und ein Wandel herbeizuführen. Die Frage, ob eine direkte staatliche Zusammenarbeit mit dem Regime von Fidel Castro ({1}) begonnen werden sollte, muss aber danach bemessen werden, ob sie zu positiven Effekten führt. Das muss jedes Mal aufs Neue auf den Prüfstand gestellt werden. Festzustellen ist aber: Die Zusammenarbeit mit Castro und damit das Diktum vom Wandel durch Zusammenarbeit ist gescheitert. Castro hat die Zusammenarbeit mit uns und mit der Europäischen Union sogar von sich aus aufgekündigt. Erst danach hat die Bundesregierung reagiert. Ich halte das für reichlich spät und auch für ziemlich daneben. Es geht uns darum, den Wandel zu befördern und mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die den Wandel befördern wollen. Es geht uns nicht darum, mit denen zusammenzuarbeiten, die diesen Wandel verhindern. Frau Ministerin, solch eine Politik ist falsch. Der Fall Fidel Castro hat nun einmal belegt, dass die Politik der Ministerin, die auf Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene ausgerichtet war, gescheitert ist. ({2}) - Nein, Frau Kollegin, sie war sehr konkret und bezog sich auf den Punkt, den Sie angesprochen haben. ({3}) Peter Weiß ({4}) Das Thema Kuba zeigt, dass Ihre Schwerpunktsetzung offensichtlich sehr paradoxen Kriterien folgt. Frau Kollegin Kortmann, Frau Ministerin, gelten für RotGrün eigentlich noch die fünf Kriterien der Entwicklungszusammenarbeit, die wir im Bundestag einmal gemeinsam beschlossen haben - dabei spielte die Achtung der Menschenrechte eine zentrale Rolle -, oder haben Sie die entsprechende Schwerpunktsetzung aufgegeben? ({5}) Kuba wurden deutsche Entwicklungshilfegelder viel zu lange geradezu hinterhergetragen. ({6}) - Ja, sicherlich. Sie haben sich geradezu angebiedert, damit Castro dieses Geld endlich nimmt. ({7}) - Herr Kollege Ströbele, natürlich hat er das Geld nicht genommen; aber ihr seid ihm doch ständig hinterhergerannt. ({8}) Das ist der Punkt. Die Paradoxie Ihrer Politik zeigt sich darin, dass Sie andererseits Länder im Süden Lateinamerikas, Argentinien und Uruguay, die nach einer schweren Wirtschaftskrise einen dramatischen Anstieg der Armut zu verzeichnen haben, vernachlässigen. Nach Daten des UN-Entwicklungsprogramms hat sich die absolute Armut im Zuge der Krise in kürzester Zeit verdoppelt. Die Indikatoren der letzten Jahre zeigen auch für Uruguay - es befindet sich im Sog der argentinischen Krise nach unten. Wenn sich eine solche Krise dermaßen auf die Bevölkerung auswirkt, dann besteht nach unserer Auffassung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit Handlungsbedarf. Man kann dann nicht krampfhaft an einem Konzept festhalten, das vorsieht, dass Argentinien und Uruguay 2004 aus der Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland völlig herausfallen. Deswegen bitten wir Sie darum, dieses Konzept zu korrigieren. Man kann nicht leugnen, dass sich die Daten, die einmal zu dieser Entscheidung geführt haben, inzwischen dramatisch verschlechtert haben. ({9}) - Herr Kollege Ströbele, es gibt auch in Schwellenländern Menschen, die absolut arm sind und auf unsere Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. ({10}) Entwicklungspolitik entspringt nicht nur einer moralischen Verpflichtung, sondern sie dient in ganz besonderer Weise der Verfolgung unserer außenpolitischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftspolitischen Interessen. Sie ist ein Instrument zur Bewahrung und zum Transfer von Stabilität, zur langfristigen Krisenprävention und zur Krisenbeilegung. Deshalb ist auch die Entwicklungszusammenarbeit mit Schwellenländern im deutschen Interesse. Wir fordern, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wieder an klaren und berechenbaren Grundsätzen ausgerichtet wird und dass auch hinsichtlich der Finanzierung Verlässlichkeit besteht. Dies wird mit dem Bundeshaushalt, der in der nächsten Sitzungswoche beraten werden soll, erneut nicht möglich sein. Wir bitten Sie, unseren Anträgen, die sich auf Kuba, Argentinien und Uruguay beziehen, zuzustimmen. Vielen Dank. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Sascha Raabe von der SPD-Fraktion.

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Kollegin Kortmann zu den Themen „Kuba“ und „Kindersoldaten“ schon gesprochen hat, wollte ich mich in meiner Rede im Sinne der Arbeitsteilung auf die Behandlung der beiden anderen Anträge beschränken. Aber, verehrter Herr Kollege Weiß, im Ausschuss habe ich Sie als einen durchaus vernünftigen Menschen kennen gelernt. Ich habe aber den Eindruck: Jedes Mal, wenn Sie hier in der Bütt stehen, gehen die Gäule mit Ihnen durch. Angesichts der Art und Weise, wie Sie gegen unsere Ministerin und differenzierte Entwicklungsansätze polemisieren, um Kuba und andere Länder gegeneinander auszuspielen, kommt es mir so vor, als ob Sie froh wären, mit Castro wenigstens noch ein Feindbild in der Welt zu haben, und als ob Sie alle vernünftigen Entwicklungsansätze zunichte machen wollten. Gehen Sie lieber in sich - das wäre auch im Interesse der dort lebenden Menschen - und begreifen Sie endlich den Unterschied zwischen Polemik und einer differenzierten Entwicklungspolitik, wie wir sie machen! ({0}) - Um eine Bütt handelt es sich immer dann, wenn hier jemand so redet, als ob er in der Bütt wäre. Für die anderen Kollegen ist das Rednerpult sicherlich keine Bütt. ({1}) Ich komme nun auf den Antrag der CDU/CSU-Fraktion betreffend Argentinien und Uruguay zu sprechen. Es ist sicherlich gut - das kann man festhalten -, dass sich Argentinien nach der Überwindung der Folgen der Finanzkrise wieder etwas aufrichtet. Dort gab es in den vergangenen Monaten ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent, was für lateinamerikanische Verhältnisse durchaus vorbildhaft ist. ({2}) Es ist richtig, dass die bilaterale Zusammenarbeit mit Argentinien und Uruguay als Folge einer von der Bundesregierung durchgeführten Evaluierung der Kooperationsländer ausläuft. Die Aktivitäten werden in Uruguay noch bis Ende 2003 und in Argentinien bis Ende 2005 fortgeführt. Mehr Geld für Argentinien und Uruguay - so wünschenswert das im Sinne des CDU/CSU-Antrags auch wäre - würde weniger Geld für bedürftigere Länder Lateinamerikas bedeuten, ganz zu schweigen von den noch ärmeren Ländern Afrikas. So ist das nun einmal: Wenn man jemandem etwas mehr gibt, dann muss man es jemand anderem wieder wegnehmen. Die Argentinierinnen und Argentinier haben, wie Sie selbst das in Ihrem Antrag erwähnen, nach der Wahl von Nestor Kirchner zum Präsidenten wieder Hoffnung. Sie hoffen mit eigenen Mitteln und mit einer eigenen Entwicklungsstrategie aus den Trümmern der Finanzkrise von 2001 wieder aufzustehen. Ich zitiere an dieser Stelle aus Ihrem Antrag: Argentinien ist hierbei aber dringend auf die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft angewiesen. Diesen Satz kann ich nur unterstreichen. Dabei missversteht die Opposition jedoch wieder einmal die Prinzipien der modernen Entwicklungspolitik. Es entspricht nicht dem zeitgenössischen Verständnis von Entwicklungspolitik, tröpfchenweise die Projekte weltweit zu verteilen. In der heutigen Entwicklungszusammenarbeit geht es vielmehr darum, die Bedingungen für eine gerechte globale Strukturpolitik zu schaffen. Dies ist nur zu erreichen, wenn man Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe sieht. Gerade an den Länderbeispielen Argentinien und Uruguay kommt die Notwendigkeit der Schaffung einer gerechten Welthandelsordnung deutlich zum Ausdruck; denn beide Länder könnten in agrarwirtschaftlicher Hinsicht starke Exportnationen sein. Doch das Welthandelssystem lässt dies nicht zu. Zwar predigen die Industrieländer immer wieder die Vorteile des freien Handels. Aber ausgerechnet im Landwirtschaftssektor, auf dem viele Entwicklungsländer wettbewerbsfähig sind, verhindern hohe Subventionen und Zölle faire Marktchancen. Insbesondere für die ärmsten Menschen, die größtenteils im ländlichen Raum leben, sind die hoch subventionierten europäischen Agrarexporte verheerend, weil die Kleinbauern auf den heimischen Märkten nicht mit den EU-Dumpingpreisen konkurrieren können. Argentinien und Uruguay brauchen deshalb keine Almosen, sondern faire globale Handelsbedingungen, um ihre eigenen Kräfte entfalten zu können. ({3}) Für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung ist auch eine internationale Steuerung der Finanzmärkte notwendig. Argentinien bietet hierfür ein Paradebeispiel; denn heute kann man per Mausklick nicht nur eine E-Mail nach Argentinien versenden, sondern auch Devisentransaktionen in Milliardenhöhe tätigen und damit die gesamte argentinische Volkswirtschaft auf den Kopf stellen mit bitteren Konsequenzen für die Bevölkerung. Wichtiger als neue bilaterale Entwicklungsprojekte ist deshalb eine Stärkung der internationalen Finanzarchitektur. Die unterschiedlichsten Teilorganisationen der Vereinten Nationen sowie die Weltbank und insbesondere der Internationale Währungsfonds müssen besser koordiniert werden, um eine politische Regulierung der Weltfinanzströme zu gewährleisten. Die Einführung einer Devisentransaktionsteuer, der so genannten Tobin Tax, sollte allen Schwierigkeiten zum Trotz weiter geprüft werden. Von großer Bedeutung für Argentinien und Uruguay ist das regionale südamerikanische Bündnis Mercosur. In diesem Zusammenhang - Herr Hoppe hat darauf zu Recht hingewiesen - bieten die anstehenden Handelsgespräche zwischen der EU und dem Mercosur eine ausgezeichnete Chance, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Entwicklung in Lateinamerika ist für uns alle von Interesse. Als Exportnation sind wir aus ökonomischen Gründen darauf angewiesen, dass in Lateinamerika Wohlstand und Kaufkraft steigen; wir wollen ja unsere Produkte dort besser verkaufen können. Gerade diese Länder bieten im Gegensatz zu den OECD-Staaten mit ihren gesättigten Märkten noch ein enormes Nachfragepotenzial. Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur dürfen aber nicht zu der Annahme verleiten, dass damit ein erfolgreicher Abschluss der multilateralen Welthandelsrunde, der so genannten Doha-Runde, weniger wichtig wird. Herr Löning, in diesem Zusammenhang kann ich den ersten Teil der Überschrift des FDPAntrags „Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen“ nur voll unterstützen. Auch beim Thema Subventionsabbau sind wir uns - gemeinsam mit anderen Kollegen - immer sehr einig. Beim zweiten Teil des Titels Ihres Antrags „Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung und Wohlstand durch Freihandel“ muss ich allerdings etwas entwicklungspolitisches Wasser in Ihren liberalen Wein schütten. Schon die Grundanalyse Ihres Antrags, dass die Öffnung der eigenen Märkte zu mehr Wohlstand, Bildung, Gesundheit und Rechtssicherheit in den Entwicklungsländern führt, ist an Naivität kaum zu übertreffen. Nach den bitteren Erfahrungen, die viele Entwicklungsländer mit den Liberalisierungsvorgaben des Weltwährungsfonds gemacht haben, dürfen wir doch nicht mehr so blauäugig sein, zu glauben, bei der nächsten Liberalisierungsrunde werde der Markt schon alles richten. Solange die Rahmenbedingungen nicht stimmen und fairer Welthandel nicht möglich ist, kann ich den Entscheidungsträgern in den Entwicklungsländern nur davon abraten, allzu schnell und bereitwillig weitere Marktöffnungszusagen zu geben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Raabe, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Löning?

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber sicher doch.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Ist es nicht so, dass gerade die Elemente in unserem Antrag, die Sie kritisieren, die Elemente sind, die in Europa zur Entwicklung von Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit geführt haben? Sind es also nicht gerade Freihandel und offene Märkte, die zu Rechtsstaatlichkeit und zu unserem heutigen Wohlstand geführt haben? ({0})

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Löning, genau das ist Ihre verkürzte Analyse. Bei uns haben Liberalisierung und Marktöffnung nur deshalb zum Erfolg geführt, weil wir in Schritten vorgegangen sind und unsere eigene Wirtschaft durch Zölle und andere Maßnahmen zum Außenschutz immer graduell geschützt haben. Das ist ja gerade das, Herr Löning, was uns die Entwicklungsländer zu Recht vorwerfen. Es gibt ein ganz bekanntes Buch. Es hat den Titel „Kicking Away the Ladder“. Mit anderen Worten: Man versucht, den Entwicklungsländern die Leiter - die Maßnahmen, die zum Beispiel bei uns in Deutschland zum Erfolg geführt haben - wegzukicken. Den Entwicklungsländern soll also verboten werden, ihre Wirtschaftssektoren, die noch im Aufbau begriffen sind, zu schützen. Vor dem Hintergrund, den ich aufgezeigt habe, müssen Marktöffnung und Freihandel aber Zug um Zug erfolgen - nach dem jeweiligen wirtschaftlichen Stand. ({0}) Ohne dass ich Ihre Stehzeit unnötig verlängern möchte, Herr Löning, möchte ich doch noch ein Beispiel nennen, nämlich die südostasiatischen Tigerstaaten, die trotz der Asienkrise nach wie vor als Musterbeispiele eigenständiger Entwicklung von armen und ärmsten Entwicklungsländern zu Schwellen- und Industrieländern gelten können. Der Erfolg dieser Länder basiert gerade nicht auf der sofortigen und vollständigen Öffnung der eigenen Märkte; im Gegenteil: Diese Länder haben ihre Märkte sehr selektiv und nur schrittweise in dem Maß geöffnet, in dem es der eigenen Entwicklung nicht geschadet hat, so wie auch wir das früher gemacht haben. Herr Löning, Sie haben das jetzt verstanden, glaube ich, und können das beim nächsten Antrag sicherlich noch besser formulieren. ({1}) Liberalisierung darf, wie gesagt, kein Selbstzweck sein, darf nicht nur zu mehr Gewinnen der Großkonzerne in den Industriestaaten und der Eliten in den Entwicklungsländern führen, sondern muss zur Armutsverminderung beitragen. Deshalb - da stimme ich mit dem Kollegen Hoppe überein - ist die Aufnahme der Kernarbeitsnormen und Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation, der ILO, in das WTO-Regelwerk - anders als die FDP-Fraktion meint - durchaus ein sinnvolles, wenn auch erst mittelfristiges Ziel. Es geht natürlich nicht darum, den Entwicklungsländern die komparativen Vorteile zu nehmen, die sie aufgrund der niedrigen Arbeitskosten momentan und noch auf lange Sicht haben. Aber die auf Menschenrechten beruhenden Mindeststandards, die sklavenähnliche Arbeitsbedingungen, Hungerlöhne und Kinderarbeit verhindern sollen, müssen eingefordert werden. ({2}) Schließlich sollten diejenigen Firmen, die durch Handel mit Waren und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt hohe Gewinne erzielen können, durchaus in der Lage sein, ihre Arbeiter menschenwürdig zu behandeln und zu bezahlen. Wir wollen nicht die Eliten und Firmenbosse, sondern die Menschen fördern. ({3}) Um die Regierungen der Entwicklungsländer zu überzeugen, dass es bei den Kernarbeitsnormen nicht um einen neuen Protektionismus der Industrieländer geht, müssen wir aber zunächst unsere Agrarsubventionen abbauen und unsere Märkte öffnen. Erst nach dieser Vorleistung können und sollten wir die ILO-Normen verankern. ({4}) Diese Vorleistung, Herr Löning, gilt auch für die Aufnahme der Singapurthemen in die WTO-Verhandlungen. Natürlich sind die Themen prinzipiell verhandelbar. Ich tabuisiere nicht die einzelnen Bestandteile, sondern glaube, dass eine vernünftige Ausgestaltung für die Entwicklungsländer die Chance bedeutet, etwas gegen Korruption zu unternehmen. In vielen Punkten sind wir uns mit den meisten Regierungen der Entwicklungsländer sogar durchaus einig. Aber nachdem diese in den letzten Jahrzehnten und besonders nach der Uruguayrunde aus ihrer Sicht hinsichtlich ihrer Forderungen im Prinzip immer betrogen worden sind, fordern sie nun, dass im Agrarbereich zunächst substanzielle Vorleistungen erbracht werden, bevor sie in die Verhandlungen eintreten. Wir haben im Juli dieses Jahres auch im Bundestag einen entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen zur Doha-Runde beschlossen. Wenn die FDP nun fordert, dass die Singapurthemen auch ohne Vorleistung der Industrieländer verhandelt werden, hat sie aus dem Scheitern der Konferenz von Cancun nichts gelernt. Auch die Europäische Union muss - da sind wir uns in diesem Hause hoffentlich einig - endlich ihre Verhandlungsfehler in Cancun erkennen und aufgrund dessen die Singapurthemen zurückstellen, damit die DohaRunde noch zum Erfolg führen kann. Die Bundesregierung ist gefordert, die Beschlüsse des Bundestages energischer als bisher umzusetzen und ihren Einfluss in der EU stärker zu nutzen. ({5}) Gerade unsere Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat vorgemacht, wie es geht: Ihre in Cancun gestartete Initiative ({6}) zum Abbau der europäischen und US-amerikanischen Baumwollsubventionen, die gerade für die ärmsten Menschen in den afrikanischen Staaten schlimmste Auswirkungen haben, hat die Europäische Union letztlich dazu gebracht, dieses Thema in Cancun zu unterstützen. Leider ist das dann an der Blockade der USA gescheitert. Aber es ist peinlich, wenn die FDP einerseits in ihrem Antrag genau diese Subvention geißelt und andererseits aus parteitaktischem Kalkül die Ministerin dafür kritisiert, dass ihr Vorstoß in Cancun nicht vom Verhandlungsmandat der EU gedeckt war. ({7}) Gerade weil die EU - außer beim Thema Baumwolle, Herr Löning - starr am Verhandlungsmandat festgehalten hat, ist die Konferenz gescheitert. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir unsere Minister, insbesondere Bundeswirtschaftsminister Clement und auch Landwirtschaftsministerin Künast, ausdrücklich ermutigen, eine deutsche Initiative innerhalb der EU zu starten, um das Verhandlungsmandat zu verbessern. Nur dann kann die Doha-Runde noch zum Erfolg werden. ({8}) In unserem Bundestagsbeschluss vom Juli werden alle Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss im Sinne einer echten Entwicklungsrunde genannt. Deshalb ist der FDP-Antrag - der in Teilen gut gemeint sein mag - überflüssig. Als Parlamentarier sollten wir gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen für die Umsetzung unserer bereits gefassten Beschlüsse streiten, damit Gerechtigkeit Wirklichkeit wird. Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Raabe, die Zeit reicht nicht aus, um all das, was Sie gerade erzählt haben, zu widerlegen. ({0}) Aber eines will ich Ihnen sagen: Wenn Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nach ILO-Standards aufgebaut worden wäre, dann wären wir heute nicht die Industrienation, die wir geworden sind. ({1}) Geben Sie bitte den Entwicklungsländern die Chance, sich zu entwickeln, und erwarten Sie von ihnen nicht, dass sie sofort den Standard der Industrieländer erreichen. Das kann nicht funktionieren. ({2}) Meine Damen und Herren, das Scheitern der Konferenz von Cancun ist für alle Beteiligten ein großes Problem, sowohl für die Entwicklungsländer als auch für die Exportländer. Die deutsche Wirtschaft hängt am Export. Bei uns ist jeder dritte industrielle Arbeitsplatz auf den Export orientiert. Angesichts des schlechten Wachstums, das es aufgrund Ihrer falschen Politik in diesem Land gibt, ({3}) ist festzuhalten, dass es gerade der Export war, der uns in den letzten Jahren herausgerissen hat. Ansonsten hätten wir nur Minuszahlen zu verzeichnen. ({4}) In Cancun ist es zum ersten Mal passiert, dass sich die WTO einer Opposition von 21 Staaten - zwischendurch waren es ja auch einmal 22 und 23 - gegenübergesehen hat, die als Entwicklungsländer gelten. Unter Führung von Brasilien, Indien und China nahm man bei den Singapur-Themen eine Blockadehaltung ein, die dann auch auf den Agrarsektor übertragen wurde. Das wissen Sie genau, Herr Raabe, Sie waren ja dabei. Meiner Meinung nach waren die Singapur-Themen dabei Nebenschauplatz, denn es ging im Wesentlichen um Agrarthemen. Der Eklat kam ja für uns überraschend; denn wir hatten nicht damit gerechnet - ich erinnere mich noch an den Abend davor -, dass das nun wirklich platzen würde. Ein Grund für das Scheitern ist die unnachgiebige Haltung der Entwicklungsländer gewesen. Natürlich stellt sich hier aber auch die Frage, wie weit die EU und die USA - dabei sollten wir niemanden ausnehmen überhaupt bereit waren, hier für Abhilfe zu sorgen. Man kann natürlich durchaus auch Motive bei den Entwicklungsländern finden. Allein schon bei den großen Problemen wie den Finanzkrisen, die Sie ja eben erwähnt haben, ist die Hilfe nicht so gekommen, wie es sich gerade die Länder im südamerikanischen Raum vorgestellt haben. Für mich ist die Zukunft der WTO zurzeit ungewiss; denn die Amerikaner verweisen ja ziemlich unverhohlen darauf, dass man durchaus mit bilateralen Handelsabkommen weiterkommen könnte. Deswegen ist es meiner Ansicht nach eine ganz zentrale Aufgabe der Bundesregierung, zu verhindern, dass jetzt statt Multilateralismus wieder Bilateralismus Einzug hält. Daran sollten Sie arbeiten. ({5}) Es kann nicht sein, dass wir jetzt anfangen, in Kleinklein-Abkommen andere auszuschließen. Die Entwicklungsländer werden diejenigen sein, die am meisten darunter leiden werden. ({6}) Die ärmsten Länder werden nämlich in bilateralen Verhandlungsprozessen keine Rolle spielen. Natürlich müssen wir auch an das Thema Agrarsubventionen herangehen; da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel. Hier sind alle gefordert: die EU und natürlich auch Amerika. Es kann nicht sein, dass die Amerikaner ihre 25 000 Baumwollbauern mit je 156 000 USDollar pro Jahr fördern. Es kann aber genauso wenig sein, dass die EU - es ist Ihre Aufgabe, Frau Ministerin, hier etwas zu tun - griechische und spanische Bauern mit 700 Millionen Euro pro Jahr fördert. ({7}) Wir sind da genauso wenig ein Waisenknabe. Allerdings kann es auch nicht sein, Frau Ministerin - das sehe ich vollkommen anders als der Kollege Raabe -, dass Sie aus der Verhandlungsposition der EU ausbrechen, wie in Cancun geschehen, und einseitige Zusagen machen, auf die sich dann Entwicklungsländer, die den Mechanismus der Verhandlungen bei der WTO nicht begriffen haben, beziehen. Hier haben Sie meiner Meinung nach Schaden angerichtet und das Klima gestört. ({8}) Zu den NGOs sollte man in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Wort sagen: Sie jubeln meiner Meinung nach an der falschen Stelle. Sie schreien „Hurra“, obwohl es nicht angebracht ist. Die ausgelassenen Tänze einiger NGO-Vertreter wirkten vor dem schwierigen Hintergrund der gescheiterten Verhandlungen für mich albern und töricht. Ich frage mich da durchaus, woher die eine oder andere Organisation - das sollten wir vielleicht einmal etwas intensiver hinterfragen - überhaupt die Gelder hat, um auf solchen Veranstaltungen aufzutreten. Das ist ja auch dem einen oder anderen von Ihnen, der mit dabei gewesen ist, aufgefallen. Die Legitimation von Akteuren, die offenbar nur ein gering ausgeprägtes Verständnis für die Funktionsweise unserer multilateralen Handelsordnung haben, muss man direkt nach Cancun noch ein bisschen mehr infrage stellen. Hier wäre ich für Aufklärung durch die Bundesregierung durchaus dankbar. Ich bin von dem Ergebnis dieser Runde mehr als enttäuscht. Insbesondere gilt es, ein Auge auf die Veränderungen im Lager der Entwicklungsländer zu werfen. Auch wenn man bei dem einen oder anderen - ich bitte, das nicht als europäische Arroganz zu begreifen - ein bisschen einen Mangel an Professionalität und Verständnis für die Mechanismen feststellen konnte, so ist doch festzuhalten, dass sie sich nun das erste Mal in der Gruppe G 21 bzw. G 24 zusammengefunden haben. Es muss unser Ziel sein, zum einen für Verständnis zu werben und zum anderen am 15. Dezember in Genf an den Verhandlungstisch zurückzukehren; denn den Entwicklungsländern wird nur dann geholfen, wenn sie am Welthandel mit selbst hergestellten Produkten teilnehmen können. Dazu zählen für mich Produkte aus dem Agrar- und Textilbereich, aber auch veredelte Produkte wie zum Beispiel der fertig gemahlene Kaffee. ({9}) Wenn wir dazu nicht bereit sind, wird die Entwicklungspolitik scheitern. Für mich ist „trade always better than aid“. ({10}) Die Situation, in der sich die EU im Moment befindet, ist alles andere als einfach. Die EU hat zwei Möglichkeiten. Sie kann entweder ganz auf die WTO setzen oder ebenfalls in bilaterale Verhandlungen mit diversen Blöcken eintreten. Ich bin dagegen. Ich bin vielmehr dafür, auf die WTO zu setzen, weil das nach meiner Meinung die allerbeste Chance für den gesamten Welthandel und letztendlich auch für die Entwicklungsländer ist. ({11}) Wir fordern daher die Bundesregierung auf: Erstens. Treten Sie konsequent für eine möglichst schnelle Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen ein. Zweitens. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Arbeitsgruppen in Genf möglichst schnell wieder mit ihrer Arbeit beginnen. Drittens. Stellen Sie in Gesprächen mit EU-Handelskommissar Lamy klar, dass das Gerede über eine Reform der WTO keinen Sinn macht. Wenn wir jetzt nämlich anfangen würden, daran herumzubasteln, dann würde viel zu viel Zeit ins Land gehen. Wir fordern die Bundesregierung weiterhin auf: Treten Sie bei den Verhandlungen gegenüber Brüssel bitte geschlossen auf. Es darf nicht sein, dass unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Denn nicht abgestimmte Vorstöße innerhalb der Bundesregierung wie der Vorstoß in Cancun schaden unserer Position insgesamt. Sichern Sie die Beteiligungsrechte vor allen Dingen der kleineren Mitgliedstaaten. Binden Sie den Deutschen Bundestag kontinuierlich in den weiteren Verhandlungsprozess ein. In diesem Parlament muss darüber debattiert werden. ({12}) Deutschland ist eine große Exportnation. Daraus ergibt sich für uns die Verpflichtung, den Entwicklungsländern zu helfen. Uns wurde nach dem Zweiten Weltkrieg genauso geholfen, Herr Raabe. Vielen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf Drucksache 15/1191 zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung „Zukunft sichern - Globale Armut bekämpfen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Drucksache 15/921 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/1015, 15/1016 und 15/1931 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - Drucksache 15/1663 ({0}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({1}) - Drucksache 15/1966 Berichterstattung: Abgeordnete Matthias Weisheit Friedrich Ostendorff Hans-Michael Goldmann Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe als erstem Redner dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim das Wort für die Bundesregierung. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs sehr kurz fassen, weil es sich eigentlich um eine selbstverständliche und sehr nachvollziehbare Angelegenheit handelt. Worum geht es? Der Gesetzentwurf sieht vor, bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, kurz: BLE, das Verfahren bei der Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten zu ändern. Bisher ist es Praxis, dass der Verwaltungsrat ein Vorschlagsrecht hat. Künftig soll das Vorschlagsrecht bei der Bundesregierung liegen und dem Verwaltungsrat soll ein Anhörungsrecht eingeräumt werden. Warum halten wir die Gesetzesänderung für notwendig? Dafür gibt es eine ganze Reihe Gründe. Die BLE ist eine Behörde, die weder körperschaftlich verfasst ist noch Selbstverwaltungsrechte hat. Bei vergleichbaren Anstalten des öffentlichen Rechts gibt es solche Regelungen nicht. Wenn das bisher bei der BLE anders war, dann hat das mehr mit der Historie als mit den tatsächlichen Aufgaben der BLE zu tun. ({2}) Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Die Aufgaben der BLE haben sich in den letzten Jahren entscheidend geändert und werden sich in Zukunft aufgrund der Reformen der Europäischen Union in der Agrarpolitik noch stärker ändern. Insofern gewinnt die Rechtfertigung, die möglicherweise vor Jahren für das Vorschlagsrecht des Verwaltungsrates sprach, immer weniger an Bedeutung. Das heißt, die Aufgaben ändern sich in der Weise, dass überwiegend nach rechtlich verbindlichen Vorgaben ohne Gestaltungsspielräume gehandelt werden muss. Insofern liegt die Verantwortung für das Handeln der BLE bei der Bundesministerin. Daher muss der Bundesministerin das Vorschlagsrecht eingeräumt werden. ({3}) Das Wichtigste wird in Zukunft sein, zum einen die im EG-Agrarmarktordnungsrecht verankerten Aufgaben umzusetzen und zum anderen Aufgaben mit rein behördlichem Charakter durchzuführen. Insofern hat, wie schon dargestellt, die alte Praxis in der Zukunft keine Relevanz mehr. Das hat im Übrigen auch die entsprechende Anhörung belegt. Die anwesenden Juristen haben ganz klar deutlich gemacht, dass sich aus der Aufgabenstruktur überhaupt keine Notwendigkeit ergibt, an dem bisherigen Verfahren festzuhalten. Die Sachverständigen der Opposition haben im Wesentlichen die Frage in den Raum gestellt, ob der Verwaltungsrat in der Vergangenheit nicht gut gearbeitet habe. Das ist nicht das Thema des Gesetzentwurfes. Im Gegenteil: Wir schätzen die Arbeit des Verwaltungsrates. ({4}) Wir werden auch in Zukunft seine Beratungen in Anspruch nehmen. Nur in einem Punkt gibt es eine Abweichung. Aufgrund der dargelegten Gründe kann es nicht Aufgabe des Verwaltungsrates sein, den Präsidenten und den Vizepräsidenten vorzuschlagen. Dieses Recht muss zukünftig das Bundesministerium haben. Allerdings wird dem Verwaltungsrat auch in Zukunft, wie das bei vergleichbaren Behörden der Fall ist, ein Anhörungsrecht eingeräumt. In der Tat dürften die Konflikte, die während der Diskussion über den vorliegenden Gesetzentwurf möglicherweise politisch aufgebauscht wurden, in der Realität überhaupt nicht vorhanden sein. Denn es handelt sich hier am Ende um ein Anliegen, das bei sachlicher Betrachtung tatsächlich nachvollziehbar ist. Insofern darf ich die Mitglieder dieses Hohen Hauses bitten, dem Gesetzentwurf aus den dargelegten Gründen zuzustimmen und endlich eine längst überfällige Entscheidung zu treffen. Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim Vielen Dank. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Albert Deß von der CDU/ CSU-Fraktion.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon in der ersten Lesung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf musste ich auf die Diskrepanz von Reden und Handeln bei Rot-Grün hinweisen, die durch dieses völlig unsinnige Gesetzesvorhaben wieder einmal dokumentiert wird. Im Koalitionsvertrag heißt es heuchlerisch: Wir wollen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken. ({0}) Auch bei anderen Gelegenheiten wird Rot-Grün nicht müde, so hehre Ziele wie Bürgernähe, Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung zu preisen. In der Wirklichkeit praktizieren aber insbesondere die Grünen das Gegenteil, ({1}) wie dieser Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE, beweist. ({2}) Das Auseinanderfallen von Reden und Handeln vor allem bei den Grünen haben uns Frau Künast und Herr Trittin auch anlässlich ihrer kürzlich durchgeführten Brasilienreise vor Augen geführt. Hier wurde auf Staatskosten ein teures Lufttaxi in Bewegung gesetzt. ({3}) Öffentlich aber wird der allgemeine Flugtourismus als Umweltschädigung und Energieverschwendung kritisiert. So ist es halt bei den Grünen! ({4}) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Vorschlagsrecht des Verwaltungsrats der BLE für die Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Anstalt gestrichen werden. Damit soll aus rein machtpolitischen und ideologischen Gründen ein bewährtes Modell der institutionellen Zusammenarbeit von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im Agrarbereich beseitigt werden. Die Mitwirkung des BLE-Verwaltungsrates bei der Besetzung von zwei Spitzenpositionen erleichtert der BLE aber die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben, weil dadurch das gegenseitige Vertrauen zwischen der Behördenleitung und den betroffenen Wirtschaftskreisen und Institutionen gefördert wird. Die zahlreichen Fachaufgaben der BLE sind nicht mit der von Frau Künast gewünschten Gesinnung, sondern allein mit Sachverstand und Kompetenz zu bewältigen. ({5}) Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung fungiert auch unter den neuen Rahmenbedingungen der EU-Agrarreform vom Juni 2003 weiterhin als Marktordnungsstelle für die in der Europäischen Union bestehenden gemeinsamen Marktordnungen. Als Marktverwaltungsstelle ist sie insbesondere bei der Intervention von Waren, bei der privaten Lagerhaltung und bei Beihilfemaßnahmen tätig. Zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik nimmt die BLE Kassenkredite auf, auch wenn sie für die Durchführung der Maßnahmen selbst nicht zuständig ist, wie zum Beispiel im Fall der EU-Direktzahlungen, die durch die Bundesländer ausgezahlt werden. In der Anhörung am 5. November zum Gesetzentwurf im Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft haben sich keine neuen Aspekte dafür ergeben, dass das bisher bewährte Verfahren geändert werden soll. ({6}) Niemand, meine lieben Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der SPD, hat dort die Meinung vertreten, dass eine solche Gesetzesänderung rechtlich geboten sei. ({7}) Trotzdem versucht Rot-Grün, mit dem angeblich stärker gewordenen Behördencharakter der BLE, so wie es der Herr Staatssekretär gerade dargestellt hat, die Gesetzesänderung zu begründen. Doch bestehen zwischen der hoheitlichen Tätigkeit einer Institution und der verwaltungsautonomen Besetzung von Leitungsämtern keine logisch zwingenden Zusammenhänge. Das jüngste Beispiel dafür ist doch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. In Bezug auf diese Institution mit einem ausgesprochenen Behördencharakter und vielen hoheitlichen Eingriffsrechten hat das Bundeskabinett soeben beschlossen, dass im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes der Beirat dieser Behörde ein Vorschlagsrecht für die Ernennung der beiden Vizepräsidenten erhält. Ich begrüße es, dass hier so entschieden worden ist. Auch sollte Rot-Grün endlich mit der Heuchelei und der dreisten Behauptung aufhören, dass die Streichung des Vorschlagsrechtes nichts mit dem altersbedingten Ausscheiden des jetzigen Präsidenten der BLE im Februar 2004 und der Nachbesetzung der Position zu tun hat. Wenn das so wäre, hätte man das Gesetz auch ein Jahr später machen können. ({8}) Die zeitliche Nähe dieses Gesetzentwurfs zum Dienstende des bisherigen, hochverdienten Präsidenten ist so offensichtlich, dass die Motivation von Frau Künast für diese Gesetzesänderung mit den Händen zu greifen ist. Anstatt auf die Land- und Ernährungswirtschaft zuzugehen, gibt Frau Künast mit diesem BLE-Änderungsgesetz ein weiteres Beispiel für ihren Konfrontationskurs. Nach verbalen Rundumschlägen, Diffamierungen und Kampfbegriffen wie „Agrarfabriken“, „industrialisierte Landwirtschaft“, „Massentierhaltung“, „Klasse statt Masse“, „Agrarwende“ usw. setzt Frau Künast mit diesem Gesetzentwurf den rot-grünen Marsch durch die Institutionen fort, ({9}) wie ihn die Bewegung der 68er, aus deren Dunstkreis die Grünen sich im Wesentlichen immer noch speisen, auf ihre Fahnen geschrieben hat. ({10}) Dieser Marsch soll direkt oder indirekt zum Ziel führen. Beim Gentechnik-Zuständigkeitsgesetz wurde die indirekte Methode gewählt. Dieses Gesetz, das im Vermittlungsverfahren soeben am Widerstand des Bundesrates gescheitert ist, sollte durch Zuständigkeitsverlagerungen zwischen nachgeordneten Behörden den Weg für eine ideologisch motivierte Gentechnikverhinderungspolitik bereiten. Die Zuständigkeit des mit hohem Sachverstand versehenen Umweltbundesamtes für die Genehmigung von Freisetzungen und das In-VerkehrBringen von gentechnisch veränderten Organismen soll auf das Bundesamt für Naturschutz übertragen werden, bei dem die grünideologische Brille schon stark in Gebrauch ist. Außerdem soll die Zuständigkeit für Genehmigungen nach dem Gentechnikgesetz vom weltweit anerkannten Robert-Koch-Institut auf das neue Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Geschäfts- und damit Einflussbereich von Frau Künast übertragen werden. ({11}) In den Bundesforschungsanstalten und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung scheint Frau Künast den direkten Marsch durch die Institutionen zu bevorzugen, nämlich alle Möglichkeiten zu nutzen, um dort in Leitungspositionen Personen platzieren zu können, die mehr durch ideologische Gesinnung als durch Sach- und Fachkompetenz auffallen. ({12}) Jüngstes Beispiel sind die Machenschaften des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft bei der Besetzung der Leitungsposition des neuen Institutes für ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig. Dort setzte sich das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft bei der Besetzung der Institutsleitung über die geltenden Berufungsregelungen hinweg und berief eine Kandidatin, die von der eigens gebildeten und mit hochrangigen, zum Teil externen Wissenschaftlern besetzten Vorschlagskommission lediglich als bedingt geeignet eingestuft und deshalb vom Kollegium der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft nicht auf die Vorschlagsliste gesetzt worden war. In den Reihen der Kommission spricht man deshalb mit Recht von einem unerhörten Affront durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. ({13}) Während bei der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft die Berufungsordnung kaltschnäuzig gebrochen und das Vorschlagsrecht der Berufungskommission mit Füßen getreten wird, geht Rot-Grün bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung anscheinend eleganter vor.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ostendorff?

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Deß, Sie haben hier nur einen Teil der Wahrheit kundgetan. ({0}) Wir befinden uns hier in der Debatte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, aber wenn Sie schon Ausflüge in andere Bereiche unternehmen, sollten Sie schon der Wahrheit Genüge tun. Für die Besetzung der Leitungsposition des neuen Instituts der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft erbrachte die Auswahl der FAL-eigenen Auswahlkommission zwei geeignete Bewerber. Die Bewerberin, von der Sie gesprochen haben, wird vom Ministerium, das auch eine Auswahl vorgenommen hat, als sehr geeignet angesehen. Die bedingte Eignung bezog sich darauf, dass diese Bewerberin keine agrarökonomischen Kenntnisse hat. Wenn wir den Ausschreibungstext, den die FAL erstellt hat, lesen, stellen wir fest, dass agrarökonomische Kenntnisse nicht gefragt waren. Stimmen Sie mit mir in der Bewertung überein, dass das Fehlen einer Qualifikation, die laut Ausschreibungstext gar nicht verlangt wird, nicht als Grund dafür genommen werden kann, jemanden als nur bedingt geeignet einzustufen?

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, da stimme ich nicht mit Ihnen überein. ({0}) Ich bin der Meinung, dass man dann, wenn besser geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten zur Verfügung stehen, die bedingt geeignete Kandidatin nicht nehmen soll. Lieber Herr Kollege Ostendorff, gerade Sie als Vertreter der Grünen sollten einmal den Bericht des Bundesrechnungshofs über die Personalpolitik Ihrer Ministerin intensiv durchlesen. Darin wird die Personalpolitik dieses Hauses heftig gerügt. ({1}) Rechtzeitig vor dem altersbedingten Ausscheiden des bisherigen Präsidenten der BLE im Februar 2004 soll mit einem gesetzlichen Federstrich das bewährte, aber als lästig empfundene Mitbestimmungsrecht des Verwaltungsrates beseitigt werden. Damit hätte Ministerin Künast auch hier den „Frau im Haus bin ich“-Standpunkt durchgesetzt. - Staatssekretär Thalheim tut mir manchmal Leid, dass er in diesem Ministerium arbeiten muss. Dabei hätte Frau Künast wahrscheinlich genügend Hausaufgaben zu machen, anstatt mit einer überflüssigen und sachwidrigen Änderung des BLE-Gesetzes die wertvolle Arbeitskraft ihrer Beamten zu missbrauchen. An allererster Stelle ihrer Pflichtaufgaben steht, möglichst rasch den Entwurf eines Entkoppelungsgesetzes zur Umsetzung der EU-Agrarreform vom Juni dieses Jahres vorzulegen. Nicht genug, dass diese so genannte Reform aufgrund der dilettantischen Verhandlungsführung von Frau Künast die deutschen Landwirte wirtschaftlich schwer schädigt! Unsere Landwirte müssen auch noch mit der Planungsunsicherheit fertig werden. Unsere Bauern wissen immer noch nicht, wie diese EUBeschlüsse national umgesetzt werden. ({2}) Bei einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ist eine Fülle von Problemen zu klären. Man hört aber nichts aus dem Hause Künast, wie diese Probleme zu lösen sind. ({3}) Das sind rechtlich und praktisch vordringliche Aufgaben, die Frau Künast erledigen sollte, statt ihre Beamten mit der unsinnigen Änderung des BLE-Gesetzes zu beschäftigen. Das bisherige Mitbestimmungsrecht des 28-köpfigen Verwaltungsrates bei der Besetzung der BLE-Spitzenpositionen bietet die Gewähr für ein vertrauensvolles und effizientes Zusammenwirken der Anstalt mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppierungen und den Bundesländern. Es ist zugleich Ausdruck der Prinzipien der Bürgernähe, der Bürgerbeteiligung und der Subsidiarität, weil den Betroffenen eine Mitzuständigkeit bei der Besetzung von zwei Leitungspositionen eingeräumt wird. Der Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern der Land- und Ernährungswirtschaft, der Verbraucher und der Bundesländer zusammensetzt, leistet mit seinen Personalvorschlägen einen wertvollen Dienst; denn der gesammelte Sachverstand dieses Gremiums ist Garant dafür, dass bei der Nachfolgebesetzung der Spitzenpositionen Persönlichkeiten gefunden werden, die den Anforderungen einer effizienten und bürgernahen Verwaltung genügen. Dies hat der Verwaltungsrat in der Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen. Es ist ja nicht so, dass das Bundesministerium nach der bisherigen Regelung keine sachgerechte Personalpolitik für die Spitze der BLE betreiben kann. ({4}) Das jetzt fein austarierte Zusammenspiel zwischen Bundesministerium und Verwaltungsrat stellt sicher, dass es zu sach- und fachgerechten Leitungsbesetzungen kommt. ({5}) Der angeblich überwiegend behördliche Charakter der BLE kann nicht als Rechtfertigung für die Abschaffung des bisherigen Modells angeführt werden. ({6}) Die vom Verwaltungsrat nicht beeinflussbare Besetzung der fast 1 000 übrigen Stellen bietet ausreichend Raum für eine eigenständige Personalführung durch die Anstalt und das Bundesministerium. Auch der Bundesrat hat die im vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des BLE-Gesetzes zum Ausdruck kommende destruktive Absicht der rot-grünen Bundesregierung erkannt und die geplante gesetzliche Streichung des Vorschlagsrechts des BLE-Verwaltungsrates zu Recht abgelehnt, und das nicht nur mit der Mehrheit der unionsgeführten Länder, sondern auch mit Zustimmung von SPD-regierten Ländern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Deß, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Wir haben die Uhr leider weiterlaufen lassen. Aber Ihre Redezeit ist um.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Entschuldigung, aber einen Schlusssatz müssten Sie mir noch erlauben. Ich habe mich nämlich nach der Uhr gerichtet. Die überzeugende Argumentation des Bundesrates lässt erwarten, dass er im zweiten Durchgang des Gesetzentwurfes Einspruch einlegen wird, hoffentlich sogar mit Zweidrittelmehrheit, ({0}) damit Rot-Grün hier im Bundestag diese Mehrheit nicht kippen kann. Die CDU/CSU und die FDP werden diesem Gesetzentwurf mit Sicherheit nicht zustimmen. Ich möchte zum Schluss sagen: Es gibt so viele Probleme und Sorgen in unserem Land. Kümmern Sie sich um die Probleme und Sorgen unserer Mitmenschen und unterlassen Sie eine solch unsinnige Gesetzesinitiative! Vielen Dank. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Friedrich Ostendorff.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestatten Sie mir zu dem eben gemachten Einwurf noch vorab die Feststellung, dass wir von Rot-Grün entschlossen sind, die Ministerin darin zu bestärken, das Amt nach dem Ausschreibungstext zu besetzen. ({0}) Nach dem etwas verwirrenden Ausflug des verehrten Kollegen Deß in das Reich der Agrarmärchen und des Klassenkampfes hat man fast den Eindruck gewinnen können, als werde sich die Zukunft der Landwirtschaft an der Frage entscheiden, wer künftig den Präsidenten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vorschlagen darf. ({1}) Jedenfalls bin ich erstaunt, welche Aufregung das Thema BLE und meine „ungehaltene Rede“, wie „TopAgrar“ mit Blick auf die erste Lesung titelte, erzeugt hat. So laut bellen normalerweise nur getroffene Hunde. Ich halte die ganze Aufregung um dieses Gesetz, über das wir heute wieder einmal beraten, ehrlich gesagt für reichlich überzogen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist eine Behörde, die überwiegend hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Das haben uns die Juristen Professor Salzwedel und Professor Battis in der Anhörung im Agrarausschuss in der vergangenen Woche einmütig bestätigt, auch wenn verschiedene Interessenvertreter das nicht wahrhaben wollen und weiterhin das Gegenteil behaupten. Es überraschte uns im Übrigen nicht, dass alle von der Opposition benannten Experten der Anhörung Mitglieder des Verwaltungsrates waren bzw. sind. Festzuhalten bleibt: Die BLE erfüllt Aufgaben, die nach rechtlich verbindlichen Vorgaben durchzuführen sind und daher keinen Gestaltungsspielraum bieten. Die Bundesanstalt hat zwei Leitungsorgane: einen Präsidenten und einen Verwaltungsrat. Der 26-köpfige Verwaltungsrat setzt sich zu drei Vierteln aus Vertretern von Interessenverbänden zusammen. Bei Behörden wie der BLE ist es absolut unüblich, dass ein Verwaltungsrat das Vorschlagsrecht für den Präsidenten hat. Die BLE bildet bislang eine Ausnahme: Als Relikt aus Zeiten, in denen sie noch „Einfuhr- und Vorratsstelle“ hieß und es vor allem ihre Aufgabe war, die hungernde Bevölkerung zu versorgen, hat der Verwaltungsrat das Vorschlagsrecht für den Präsidenten. Dieses Verfahren ist angesichts der heutigen Situation nicht mehr angemessen, schließlich berühren die Aufgaben der BLE mittlerweile sehr sensible Bereiche des Marktgeschehens. Es ist für die Bundesanstalt daher absolut notwendig, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass Interessenkonflikte zwischen den Eigeninteressen der Verbände und Wirtschaftsakteure, die im Verwaltungsrat sitzen, und der Aufgabenerledigung der BLE auftreten könnten. ({2}) Wir müssen uns klar machen: Die BLE entscheidet zum Beispiel über die Vergabe von Verkaufslizenzen für Getreide. Im Verwaltungsrat sitzen aber auch Mitglieder, deren Geschäft der Getreidehandel ist. Der Deutsche Raiffeisenverband weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es - so wörtlich in keinem Sektor außerhalb der Landwirtschaft die Situation gibt, dass im Rahmen der Agrarpolitik so intensiv auf die betroffenen Märkte eingewirkt wird. Diese hohe Eingriffsintensität macht es aber doch umso notwendiger, eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen den Interessenvertretern und dem Staat vorzunehmen. Ich glaube, man tut dem Verwaltungsrat und der BLE insgesamt einen Gefallen, wenn man durch eine klare Aufgabenteilung zwischen den Verbänden und dem Staat Zweifeln an der Integrität dieser Institution vorbeugt. Um eines klarzustellen: Es geht nicht um die Abschaffung des Verwaltungsrates und nicht um die Zerschlagung einer erfolgreichen Institution, wie uns die Kollegin Happach-Kasan von der FDP in ihrer Pressemitteilung weismachen wollte. Das ist natürlich Unsinn, Frau Kollegin. Der Verwaltungsrat erfüllt wichtige Aufgaben - jetzt und in Zukunft. Für diejenigen, die mit der neuen Regelung das Ende der BLE heraufziehen sehen, möchte ich Professor Salzwedel zitieren; schließlich kann juristischer Sachverstand manchmal sehr hilfreich sein. Er bezeichnet den Gesetzentwurf als konsequente Weiterentwicklung der geltenden Rechtslage und sagt wörtlich: Selbstredend kann das Bundesministerium sich auch nach der gegenwärtigen Rechtslage über den Vorschlag des Verwaltungsrates hinweg setzen, ohne darauf warten zu müssen, dass … ein von beiden Seiten akzeptierter Kandidat auftaucht. Die Situation ist also nicht ganz so neu, wie es sich die Opposition gerne ausmalt. Im Übrigen bestand bei der Besetzung der Ämter in der BLE bisher immer großes Einvernehmen zwischen BMVEL und Verwaltungsrat. Ich denke, daran wird sich auch künftig nichts ändern. Scharf zurückweisen muss ich den Vorwurf der Opposition, hier solle ein Amt parteipolitisch besetzt werden. Die Besetzung hat mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun. ({3}) Es geht ja auch gar nicht um konkrete Kandidaten. Aber es sagt natürlich viel über Ihr Regierungsverständnis aus, werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass ein Ministerium auch sachorientiert und frei von parteipolitischem Kalkül agieren kann. ({4}) Dies scheint zu Ihren Regierungszeiten offenbar anders gewesen zu sein. Sie sollten aber nicht andauernd von sich auf andere schließen und damit das Ansehen des Ministeriums beschädigen. Meine Damen und Herren, die Ernennung des Präsidenten der BLE ist sicherlich ein wichtiges Thema, das besonders die Funktionäre sehr bewegt. Die Bäuerinnen und Bauern haben jedoch wahrlich andere Sorgen. Lassen Sie uns dieses Gesetz also verabschieden und dann endlich zu den wichtigen Fragen der Landwirtschaft zurückkehren; ({5}) denn daran, wer den Präsidenten der BLE vorschlagen darf, entscheidet sich die Zukunft der Landwirtschaft mit Sicherheit nicht. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christel HappachKasan.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Ostendorff, ein Wort sei gestattet: Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch politisch klug. Der Sachverständige Battis hat auf meine Frage hin ausdrücklich gesagt: Dies ist eine politische Entscheidung und nicht etwas, was rechtlich geboten ist. - Daran möchte ich erinnern. ({0}) Mit Personalentscheidungen werden Zukunftsentscheidungen getroffen, die über den Tag der eigenen Regierungsverantwortung hinaus wirken. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, geht es Ihnen: die Verlängerung der Durchsetzung des eigenen Machtanspruchs, auch wenn die Wählerinnen und Wähler die Regierungsverantwortung längst neu bestimmt haben. ({1}) Nach dem bis jetzt gültigen Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung schlägt der Verwaltungsrat den Präsidenten und den Vizepräsidenten zur Ernennung durch das Ministerium vor. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung verliert der Verwaltungsrat sein Vorschlagsrecht. Er soll in Zukunft nur angehört werden. Die Ministerin trifft diese Personalentscheidung in Zukunft allein. Damit geht einher, dass fachliche Erwägungen nachrangig werden, politische aber in den Vordergrund treten. Dies entspricht nicht der Aufgabenstellung der Bundesanstalt. ({2}) Es gibt - daran will ich erinnern - in keinem anderen Bereich außerhalb der Land- und Agrarwirtschaft eine vergleichbare Situation. ({3}) Die Bundesanstalt ist Marktordnungsstelle, die praktische Umsetzung der in Gesetzen und Verordnungen festgelegten Regelungen hat Einfluss auf die Abläufe auf den Agrarmärkten. Für das Funktionieren des Außenhandels ist beim Im- und Export bei der Kontingentverwaltung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Die bisherige Konstruktion hat sich bewährt. Daran haben auch Sie von Rot-Grün gar keinen Zweifel gelassen. Diese Gesetzesänderung ist zwar rechtlich möglich, politisch ist sie aber nicht geboten; denn die alte Regelung hat sich bewährt und wird von den beteiligten Wirtschaftsverbänden anerkannt. Deswegen lehnen wir von der FDP diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. ({4}) Hintergrund der Initiative ist die Tatsache, dass der gegenwärtige Präsident der Bundesanstalt im Februar in den Ruhestand geht. Die grüne Ministerin will die Nachfolge selbst bestimmen. ({5}) Sie sieht offensichtlich keine Chance, ihre Personalvorstellungen im Verwaltungsrat durchzusetzen. Es geht um den Vorrang ihres politischen Machtanspruchs und um politische Ideologie, wo bisher der Fachverstand den Vorrang hatte. ({6}) In der Anhörung im Ausschuss haben die drei angehörten Verbände diesen Gesetzentwurf abgelehnt. ({7}) Erinnern wir uns - Kollege Deß hat die Vorgänge bei der FAL zutreffend beschrieben -: ({8}) Der wissenschaftliche Beirat des Ministeriums ist zurückgetreten. Es wird deutlich: Die Ministerin wünscht keine kritische wissenschaftliche Beratung, ({9}) sondern die an feudale Strukturen erinnernde Zustimmung durch Höflinge. Das müssen wir als demokratische Fraktion ablehnen. ({10}) Denken wir an die Verlagerung der Zuständigkeiten beim Vollzug des Gentechnikgesetzes. Die Zuständigkeiten für die Genehmigungen von Freisetzungsversuchen, die bisher vom Robert-Koch-Institut vorbildlich erteilt wurden, sollen verlagert werden. ({11}) Die Zuständigkeit des Bundesumweltamtes soll auf das Bundesamt für Naturschutz übertragen werden. Das Handeln der grünen Ministerin dient nicht dem fachkompetenten Gesetzesvollzug. Im Übrigen gilt einmal mehr: Die SPD überlässt die ländlichen Räume den beiden grünen Ministern als Spielwiese. ({12}) Ich meine, die Menschen in den ländlichen Räumen haben dies nicht verdient. ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich fordere Sie auf: Machen Sie diesem bösen Spiel ein Ende! Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({14})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Weisheit. ({0})

Matthias Weisheit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002458, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat von Professor Battis aus der Anhörung: Was jetzt ansteht, ist die Rückkehr zur Normallage, die für staatliche Institutionen gilt. Ihr ganzes Geschrei zeigt mir: Ihnen geht es nicht um dieses Gesetz, sondern es ist der zum Teil krankhafte Hass auf Frau Künast, der in Ihrer Argumentation zum Ausdruck kommt - nichts anderes. ({0}) Was hier noch zu dieser Geschichte anzumerken wäre, ist, dass wir überhaupt darüber diskutieren. Normal ist, dass ein solches Gesetz ohne Aussprache über die Bühne geht. ({1}) - Natürlich, das ist die „Rückkehr zur Normallage“ für staatliche Institutionen. Das sollten Sie sich einmal klar machen. Worum es darüber hinaus noch geht: Sie sehen Ihren Einfluss in diesen Institutionen schwinden. ({2}) Das ist der Grund, warum Sie sich so aufregen. Sie sehen Ihren Einfluss, den Sie über 20, die FDP sogar über 40 Jahre lang geltend machen konnten, schwinden. Deswegen sind Sie gegen dieses Gesetz. Kollege Deß, wir werden dieses Gesetz heute mit Mehrheit beschließen. Der Bundesrat wird nicht mit einer Zweidrittelmehrheit gegen dieses Gesetz stimmen. Ich verspreche Ihnen: Wir werden den Einspruch zu diesem Gesetz hier entsprechend zurückweisen. Herzlichen Dank. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1966, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? ({0}) Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge- gen die Stimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Man sieht sehr klar, dass kein Ham- melsprung notwendig ist. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes - Drucksachen 15/1861, 15/1965 ({1}) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl ({2}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur wirksamen Bekämpfung organisierter Schleuserkriminalität ({3}) - Drucksache 15/1560 ({4}) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({5}) - Drucksache 15/2005 - Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Peter Kemper Günter Baumann Silke Stokar von Neuforn Dr. Max Stadler b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({6}) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl ({7}), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU Bundesgrenzschutz für die EU-Osterweite- rung tauglich machen - Drucksachen 15/1328, 15/2005 - Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Peter Kemper Günter Baumann Silke Stokar von Neuforn Dr. Max Stadler Die Kolleginnen und Kollegen Körper, Kemper, Koschyk, Göbel, Stokar und Stadler haben darum ge- beten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.1) - Da- mit sind Sie einverstanden. Dann brauchen wir die De- batte auch nicht zu eröffnen. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände- rung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenz- schutzgesetzes, Drucksachen 15/1861 und 15/1965. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss- empfehlung auf Drucksache 15/2005, den Gesetzent- wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas- 1) Anlage 5 sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU angenommen, während sich die FDP enthalten hat. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur wirksamen Bekämpfung organisierter Schleuserkriminalität. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/ CSU bei Enthaltung der FDP abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 15/2005 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Bundesgrenzschutz für die EU-Osterweiterung tauglich machen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung, den Antrag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen worden. Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2004 ({8}) - Drucksache 15/1468 ({9}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ({10}) - Drucksache 15/2003 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Die Kolleginnen und Kollegen Skarpelis-Sperk, Bern- hardt, Fell und Kopp haben gebeten, aus Zeitgründen ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.2) - Dem stim- men Sie zu. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sonderver- 2) Anlage 6 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer mögens für das Jahr 2004, Drucksache 15/1468. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2003, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung: Bitte erheben Sie sich, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich? - Die FDP. Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen worden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Haftung der Deutschen Bahn AG für Verspätungen einführen - Drucksache 15/1711 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({11}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Tourismus Wenn man einen solchen Punkt aufruft, denkt man sich so seinen Teil. ({12}) Die Kolleginnen und Kollegen Teuchner, Rehbock- Zureich, Lintner, Connemann, Höfken und Kopp haben gebeten, ihre Reden zu Protokoll zu geben.1) - Sie sind damit einverstanden. Dann verfahren wir so. 1) Anlage 7 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/1711 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts ({13}) - Drucksache 15/1971 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({14}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Die Kollegen Strässer, Schmidt ({15}), Montag und Funke sowie Bundesministerin Zypries haben gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.2) - Sie sind einverstanden. Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1971 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind damit, schneller als gedacht, am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 25. November 2003, 11 Uhr ein. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen nach einer sicherlich besonders harten Sitzungswoche ein gutes Wochenende, genauso wie den Besucherinnen und Besuchern auf den Tribünen. Die Sitzung ist geschlossen.