Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der Ältestenrat hat vereinbart, dass in der Haushaltswoche vom 24. bis 28. November keine Regierungsbefragung, keine Fragestunden und keine Aktuellen
Stunden stattfinden sollen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des
Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie
der Resolutionen 1368 ({1}) und 1373 ({2})
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 15/1880, 15/2004 Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen ({3})
Dr. Ludger Volmer
Dr. Rainer Stinner
Bericht des Haushaltsausschusses ({4})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 15/2007 Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Hermenau
Dr. Elke Leonhard
Dietrich Austermann
Jürgen Koppelin
Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für
die SPD-Bundestagsfraktion darf ich sagen: Wir werden
dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Deutsche
Streitkräfte werden auch in den nächsten zwölf Monaten
zum Einsatz kommen, damit die Operation Enduring
Freedom fortgesetzt werden kann. Wir stimmen dem
Antrag auch deshalb zu, weil der Weltsicherheitsrat am
13. Oktober in seiner Resolution 1510 erneut bekräftigt
hat, dass er die internationalen Bemühungen im Rahmen
des von uns im Herbst 2001 gemeinsam gebilligten Zieles der Abwehr terroristischer Aktivitäten unterstützt.
Wir werden heute zum zweiten Male die Verlängerung eines außergewöhnlichen Mandats beschließen.
Nichts wäre uns allen lieber - ich bin fest davon überzeugt, dass das für uns alle in diesem Hause gilt -, als
feststellen zu können, dass die Verlängerung des Mandats nicht mehr nötig wäre. Aber ein Blick in die Krisenregion, auf die sich das Mandat räumlich bezieht, macht
deutlich, worum es geht. In dieser Region geschieht
nämlich leider nach wie vor Tag für Tag Schreckliches.
Immer noch ist festzustellen, dass al-Qaida nicht überwältigt ist. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass das
Mandat vom Bundestag bestätigt und verlängert wird.
({0})
Der Hintergrund der Erteilung dieses außergewöhnlichen Mandats ist ebenfalls außergewöhnlich. Am 11. September 2001 hat uns ein schreckliches Ereignis erschüttert, das in seinen Erschütterungen bis heute fortwirkt.
Die Operation Enduring Freedom war die militärische
Antwort darauf - militärisch muss sie das leider auch weiterhin bleiben -, dass jegliches zivilisiertes Zusammenleben von terroristischen Anschlägen bedroht werden kann.
Der Schrecken, der von Terroristen ausgelöst wurde, ist
noch nicht bewältigt. Al-Qaida ist noch nicht überwältigt.
Redetext
Gert Weisskirchen ({1})
Aber - diese Frage muss der FDP gestellt werden welches Signal würde davon ausgehen, das Mandat jetzt
zu beenden? Denn darüber haben Sie debattiert. Wenn
Sie sich inzwischen besonnen haben, dem Mandat zuzustimmen, dann können wir darüber nur froh sein.
({2})
Denn wenn das Mandat beendet oder - was dem gleichkäme - substanziell reduziert würde, dann stellt sich die
Frage nach den Folgen. Würde davon nicht das Signal
ausgehen, dass wir den Kampf gegen den internationalen
Terrorismus nicht mehr so ernst nehmen, wie es nötig
ist? Diese Frage müssen diejenigen beantworten, die dieses Mandat substanziell verringern wollen. Ich kann mir
gar nicht vorstellen, dass eine Fraktion im Deutschen
Bundestag, die Außenpolitik in der Tradition von HansDietrich Genscher betreibt - dieser hat stets betont, dass
Deutschland zu seiner internationalen Verantwortung
steht -, diese vernünftige, sinnvolle und konstruktive
Außenpolitik ablehnt, indem sie hier mit Nein stimmt.
({3})
Klar ist: Deutschland steht auch in Zukunft zu den
Verpflichtungen, die es eingegangen ist. Im Rahmen von
Enduring Freedom haben 3 900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihren Beitrag geleistet. Sie haben,
wo immer sie arbeiteten, internationales Ansehen gewonnen. Dafür sagen wir herzlichen Dank!
({4})
Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten wird, wenn
wir heute die Verlängerung des Mandats beschließen,
ganz behutsam abgesenkt, von 3 900 auf 3 100. Diese
Absenkung hat einen vernünftigen Grund: Die zunächst
bestehende Sorge - wir alle erinnern uns -, dass alQaida möglicherweise über ABC-Waffen verfügt, hat
sich glücklicherweise als gegenstandslos erwiesen.
Behutsamkeit ist ein wichtiges Stichwort in all unseren Debatten. Die Bundesregierung ist mit dem Mandat,
das der Bundestag heute zum wiederholten Male verlängern wird - davon gehe ich aus -, immer behutsam umgegangen. Es wurden Obergrenzen festgelegt, bei denen
immer klar war: Sie werden nicht berührt; sie werden
unterschritten. Deswegen vertrauen wir darauf, dass
diese Behutsamkeit von der Bundesregierung fortgesetzt
wird.
({5})
Enduring Freedom hat uns einen gemeinsamen Lernprozess eröffnet: In einer ersten Stufe haben wir gelernt,
welche Anforderungen die internationale Zusammenarbeit an uns gemeinsam stellt. Die Bundesregierung hat
im Weltsicherheitsrat einen eigenen Beitrag dazu geleistet. In einer zweiten Stufe hat die Bundesregierung ihren
Antrag ins Parlament eingebracht und sich den kritischen Fragen im Plenum und in den Ausschüssen gestellt. Wir haben diese kritischen Fragen auch uns selbst
gestellt. Sie von der Opposition haben immer wieder
darauf gedrängt, dass das Parlament in jeder einzelnen
Phase, selbst wenn es nur Akzentverschiebungen gegeben hat, beteiligt ist.
Dieser gemeinsame Lernprozess zeigt, dass wir Parlamentarier in der Lage sind, auf die Herausforderungen
eine gemeinsame, klare, vernünftige parlamentarische
Antwort zu geben. Es bestand niemals - nicht ein einziges Mal - die Gefahr, dass das militärische Handeln der
Bundeswehr der Politik aus den Händen gleitet. Diese
Behutsamkeit wird die Bundesregierung - davon bin ich
fest überzeugt - weiter an den Tag legen. Wir können in
den Ausschüssen vertrauensvoll beraten. Der Außenminister und der Verteidigungsminister haben erklärt, dass
das Parlament umfassend informiert wird, selbst wenn es
nur Akzentverschiebungen innerhalb des Mandats geben
sollte. Wir werden also voll beteiligt. Ich bin nicht nur
zuversichtlich, dass die Bundesregierung ihr Versprechen einhält, sondern auch, dass wir Parlamentarier unsere Chance wirklich nutzen.
Weil Enduring Freedom die notwendige militärische
Antwort auf die Herausforderungen des Terrorismus ist,
müssen wir die Verlängerung dieses Mandats heute gemeinsam beschließen. Die SPD-Bundestagsfraktion
wird dieser Verlängerung zustimmen.
({6})
Es war aber von Anfang klar: Der Kampf gegen alQaida verlangt mehr als nur eine militärische Antwort.
Regionale Konflikte müssen beendet werden. Zusammenbrechende Staaten müssen wieder aufgebaut werden. Modernisierungsrückstände müssen aufgeholt werden. Darauf muss die internationale Staatengemeinschaft
neu verpflichtet werden. Das ist unsere über Enduring
Freedom hinausgehende politische Aufgabe.
Die Globalisierung wirft einen dunklen Schatten auf
Hunderte Millionen Menschen. In diesem Schatten explodieren Kriminalität, Bürgerkrieg und privatisierte
Gewalt. Hier ist der Nährboden, auf dem Terrorismus
wachsen kann.
({7})
- Ja, Herr Westerwelle, die Globalisierung wirft einen
Schatten auf bestimmte Regionen dieser Erde. Es ist unsere Aufgabe, diesen Schatten zu verkleinern und die
Menschen aus dem Schatten herauszuführen.
({8})
Möglicherweise haben Sie einen anderen Begriff von
Globalisierung und wollen ökonomisch alleine das geschehen lassen, was aus Profitinteressen notwendig
wäre. Das wollen wir nicht, Herr Westerwelle.
({9})
- Lieber Kollege Westerwelle, wir wollen dazu beitragen, dass der Prozess der Globalisierung politisch gestaltet werden kann, damit sich Terroristen auf keinerlei
Gert Weisskirchen ({10})
Gründe mehr berufen können und damit sie nicht mehr
Angst sowie Not und Elend ausbeuten können, um ihre
falschen Ziele zu verfolgen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Schön, dies durch Ihren Zuruf bestätigt zu bekommen.
({11})
Eines ist klar: Die Zivilisationen brauchen eine große
gemeinsame Anstrengung. Kofi Annan hat in seinem
Brief an die Generalversammlung deutlich beschrieben,
was notwendig ist. Mit einem Zitat aus diesem Brief
möchte ich schließen:
Erstmals in der Geschichte der Menschheit haben
wir die Ressourcen, das Wissen und die Kenntnisse,
damit die Armut beseitigt wird, und zwar zu Lebzeiten eines Kindes, das geboren worden ist, als die
Millenniumserklärung beschlossen wurde.
Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Heute beschließen
wir die Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom. Aber der Menschheit zu helfen, dass sie aus dem
Schatten der Globalisierung heraustritt, damit alle an
dem Nutzen und den Chancen der Globalisierung beteiligt werden können, ist eine weitergehende politische
Aufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen.
({12})
Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Friedbert Pflüger,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/
CSU stimmt der Verlängerung der Beteiligung der Bundeswehr an der Antiterroroperation Enduring Freedom
zu. Die gemeinsam zwischen Regierung und Opposition
ausgehandelte Protokollnotiz, quasi eine Anlage zum
Mandatsantrag der Bundesregierung, hat dafür eine wichtige Voraussetzung geschaffen. In der Protokollnotiz sichert die Bundesregierung nämlich zu, bei einer Schwerpunktverlagerung im Rahmen der Mandatspraxis den
Bundestag über Ort und Umfang der Einsätze vorab und
detailliert zu unterrichten sowie die zuständigen Ausschüsse, den Auswärtigen Ausschuss, den Verteidigungsausschuss und den Haushaltsausschuss, zu beteiligen.
Herr Kollege Weisskirchen, Sie haben eben gesagt,
wir könnten der Bundesregierung doch vertrauen. Sie
habe zwar hohe Obergrenzen gesetzt, aber werde von
dem Mandat zurückhaltend Gebrauch machen. Es mag
sein, dass das Vertrauen gerechtfertigt ist. Aber Aufgabe
des Parlamentes ist es auch, ein klein wenig Kontrolle
auszuüben. Deshalb ist es gut, dass wir die Protokollnotiz gemeinsam erarbeitet und hinzugefügt haben.
({0})
Wir stellen fest, dass Protokollnotizen zu Mandaten
der Regierung inzwischen geübte Verfassungspraxis geworden sind. Ich betone aber für meine Fraktion, dass sie
nur ein Notbehelf sind. In Wahrheit brauchen wir ein
Parlamentsbeteiligungsgesetz. Über ein solches Gesetz
finden in Kürze erste informelle Gespräche zwischen
den Fraktionen statt. Auf unserer Seite hat der Kollege
Christian Schmidt die Federführung bei diesen Gesprächen. Ziel eines Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist, den
Parlamentsvorbehalt zu wahren, aber auch seine effektive Handhabung zu ermöglichen und eine klare Bestimmung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Regierung und Parlament festzulegen.
Heute geht der Einsatz der Bundeswehr in das dritte
Jahr. Wir alle danken unseren Soldaten und ihren Familien für ihren großartigen Einsatz, für das Tragen von
Lasten und Risiken.
({1})
Der internationale Terrorismus bleibt die größte Bedrohung unserer Sicherheit. Daran wird sich in den nächsten
Jahren voraussichtlich nichts ändern.
Die Anschläge von New York, Djerba, Bali, Mombasa, Riad, Rabat, Jakarta und wieder Riad, um nur einige zu nennen, sind das Werk fanatischer Islamisten.
Sie berufen sich bei ihrer totalitären Ideologie auf den
Koran. Sie instrumentalisieren ihn, unterziehen junge
Muslime einer Gehirnwäsche und senden sie dann als lebende Bomben in die Welt.
Niemand kann ausschließen - Herr Kollege
Weisskirchen, es wird zunehmend wahrscheinlich -,
dass Gruppen wie al-Qaida bald auch über Massenvernichtungswaffen verfügen. Wir haben keine Beweise
dafür, Gott sei Dank. Aber dass diese Gruppen bestrebt
sind, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen, so genannte schmutzige Nuklearwaffen zu erhalten, wissen wir. Wir wissen weiter, dass die Verbreitung
von Technologien für Massenvernichtungswaffen voranschreitet.
Die Verbindung von Terror und Massenvernichtungswaffen ist die größte Gefahr, nicht nur eine Gefahr für
Amerika und Israel, sondern auch - das müssen wir endlich begreifen - eine Gefahr für uns in Europa. Wir können uns nicht wegducken. Wir sind Teil dieser westlichen Zivilisation und wir alle sind im Visier der
Dschihadisten und Islamisten und ihrer Anhänger.
Ein weltweites Kalifat wollen diese Leute. Sie berufen sich auf den Islam. Osama Bin Laden fühlt sich als
Avantgarde von 1,3 Milliarden Muslimen in der ganzen
Welt. Er will den Krieg der Zivilisationen und sein Ziel
ist es, überall auf der Welt den Aufstand des Islam gegen
andere Kulturen zu provozieren. Wir müssen alles tun,
diesen Krieg der Zivilisationen zu vermeiden und stattdessen einen Dialog der Zivilisationen zu führen.
({2})
Gestern Nachmittag fand im Andachtsraum des
Reichstages eine Andacht, eine interreligiöse Begegnung, statt. Initiiert hatten das der Politikwissenschaftler
Michael Wolffsohn und der Vizepräsident des Bundestages Norbert Lammert. Ein katholischer und ein evangeli6564
scher Prälat, ein jüdischer Rabbi, ein muslimischer
Imam waren dort. Es war eine sehr beeindruckende
Stunde in dem kleinen, wie ich finde, sehr schönen Andachtsraum. Der Imam Ibrahim Gemici von der Moschee in Berlin-Kreuzberg sagte dabei, er distanziere
sich von den Gewalttaten Osama Bin Ladens, er sei betroffen darüber, dass der gute Name des Islam von diesen Fanatikern missbraucht werde.
Genau das ist es. Wir müssen zwischen Muslimen
und islamistischen Fanatikern trennen und zu dieser
Trennung ermutigen. Nicht in einen Topf werfen, sondern unterscheiden! Darauf kommt es an, wenn man die
Terroristen und ihre Sympathisanten wirksam bekämpfen will.
({3})
Ich bin im Frühjahr dieses Jahres beim Wali von Fez,
bei dem Gouverneur von Fez, in Marokko gewesen. In
seiner Wohnung hängt ein kunstvolles Gemälde mit einer wichtigen Sure aus dem Koran an der Wand: Es soll
kein Zwang sein in Glaubensdingen. - Nicht die Schreckensherrschaft der Taliban, nicht der Gottesstaat des
Ayatollah Khomeini, nicht der wahabitische Revolutionsexport aus Saudi-Arabien stehen für den eigentlichen
Islam, sondern so etwas wie das Kalifat von Cordoba im
9. und 10. Jahrhundert nach Christus, in dem es gelang,
dass Muslime, Christen und Juden friedlich zusammenlebten und in dem die Muslime große Beiträge zu unserer europäischen Kultur geleistet haben: in Mathematik,
in Medizin, in Philosophie. Daran sollten sich die Muslime orientieren. Das und nicht die Grauen der islamistischen Fundamentalisten müssen wir wieder ins Blickfeld
rücken.
Die große Mehrheit der Muslime in aller Welt will
friedlich mit den Nachbarn, mit Andersdenkenden, mit
anderen Religionen zusammenleben. Diese rechtschaffenen Muslime sind unsere Partner, unsere Freunde. Ihnen
zu mehr Würde, mehr Anerkennung zu verhelfen, das ist
unser Ziel, nicht aber, sie alle als potenzielle Bedroher unserer Zivilisation über einen Kamm zu scheren. Aber dieses Ziel erreichen wir nur, wenn die Muslime sich trauen,
sich gegen die Islamisten aufzulehnen. Dazu gehört viel
Mut. Wir sollten sie ermutigen, klar zu machen, dass sie
mit diesen Osama Bin Ladens nichts zu tun haben!
Wir in Deutschland gewinnen unsere Bürger nur dann
für Toleranz gegenüber Muslimen und Moscheen, wenn
wir intolerant und entschlossen gegen extreme Islamisten vorgehen.
({4})
Es führt zu mehr Toleranz gegenüber Muslimen, wenn
der Staat die Bereitschaft zeigt, sich von extremen Vertretern des Islamismus zu trennen. Den Kalifen von Köln
wollen wir nicht bei uns in Deutschland. Wir wollen
nicht diejenigen, die mit einer festen, mit einer abgeschlossenen Gedankenwelt zu uns kommen und die
ganze Welt erlösen wollen. Denen müssen wir entgegentreten.
So wichtig aber Repression gegen solche Leute ist, so
wichtig Militär und Geheimdienste bei der Bekämpfung
des Terrorismus sind - noch wichtiger sind die Mittel der
„soft power“, der „weichen Macht“, wie sie Joseph Nye
genannt hat, der Dialog der Kulturen, die Öffnung unserer Märkte, Entwicklungspolitik, Maßnahmen zur Eindämmung der Bevölkerungsexplosion, Demokratieförderung, Bildungschancen für junge Menschen außerhalb
von Medressen oder Akademien in Bonn und sonst wo.
Das Militär, die Mission Enduring Freedom, das ist die
Faust, die zur Bekämpfung von Extremisten notwendig
ist. Dazukommen muss aber auch die ausgestreckte
Hand. Dazukommen muss auch der Versuch - da sind
wir völlig einer Meinung -, dem totalitären Islam den
Nährboden zu entziehen, indem Armut, Not und Würdelosigkeit in der arabischen Welt bekämpft werden.
Außenminister Fischer hat Anfang September eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen ist, nach dem
11. September 2001 nicht sogleich in eine transatlantische Strategiedebatte einzutreten. Wir freuen uns, dass
das jetzt - leider mit großer Verspätung - geschieht.
Dazu ist mit dem Solana-Papier auf dem EU-Gipfel in
Thessaloniki ein erster wichtiger Schritt gemacht worden. Es geht darum, dass wir uns mit den Amerikanern
auf eine langfristige Strategie für den Größeren Mittleren Osten verständigen. Wir alle - nicht nur die Amerikaner - haben den Persischen Golf lange Zeit ausschließlich als Tankstelle betrachtet: Hauptsache, das Öl
floss. Solange das Öl floss und Stabilität gewahrt war,
war es uns recht.
Das reicht nicht mehr. Ich glaube, die Erfahrungen
der letzten Jahre haben gezeigt, dass wir mehr leisten
müssen. Wir müssen uns Mühe geben, uns dort langfristig engagieren. Wir müssen jungen Menschen in dieser
Region eine Alternative aufzeigen. Heute haben sie nur
die Wahl, entweder in mehr oder weniger autoritären
Diktaturen und korrupten Regimen mitzuarbeiten oder
aber sich islamistischen Gruppen anzuschließen.
Wir müssen mit unseren Ideen von Menschenrechten,
von Freiheit ohne doppelte Standards ein gutes Beispiel
geben. Wir müssen um Vertrauen werben. Gemeinsam
mit den Amerikanern müssen wir eine langfristige Strategie für einen friedlicheren und freiheitlicheren Mittleren Osten erarbeiten und umsetzen. Ich glaube, das ist
eine wichtige Aufgabe. Wir dürfen den Größeren Mittleren Osten nicht länger nur als eine Tankstelle ansehen,
sondern müssen für diese Menschen, gerade für die jungen Menschen, etwas tun. Es sind überwältigend viele
junge Menschen; die Geburtenrate ist sehr hoch.
Natürlich entsteht dort nicht von heute auf morgen
eine Westminster-Demokratie; aber wir sollten nicht davor zurückschrecken, gemeinsam mit den Muslimen in
diesen Ländern grundlegende Menschenrechte durchzusetzen. Das ist, glaube ich, eine wichtige Aufgabe für
uns alle.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass zwei
Dinge in nächster Zeit gelingen: erstens, dass wir die so
genannte Roadmap wiederbeleben und gemeinsam mit
den Russen, den Amerikanern, der EU und der UNO
dazu beitragen, den Frieden im Nahen Osten wieder vorDr. Friedbert Pflüger
anzubringen. Denn das ist ein Schlüssel, um die Herzen
der Menschen in der arabischen Welt zu gewinnen.
Das Zweite ist, dass der Irak demokratisiert und stabilisiert wird. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Amerikaner, sondern eine Aufgabe für uns alle. Wir als CDU/
CSU haben in der Debatte genau vor einem Jahr darauf
hingewiesen, wie schwer es sein würde, den Irak nach
einem möglichen Militärschlag als Staatengebilde zu erhalten, zu demokratisieren und zu stabilisieren. Die Risiken waren jedem von uns in diesem Hause bekannt. Wir
haben auch sehr frühzeitig - Wolfgang Schäuble an der
Spitze - darauf hingewiesen, dass Amerika zwar allein
einen Krieg gewinnen kann, aber es ihm alleine nicht gelingen wird, Frieden zu schaffen. Dazu sind die Anstrengungen der gesamten internationalen Staatengemeinschaft notwendig. So sollte nicht der eine oder andere
mit verdeckter Schadenfreude sagen: Seht einmal, Amerika, wir haben es euch immer gesagt, ihr schafft es
nicht. Vielmehr sollten wir gemeinsam mit den Amerikanern nach Konzepten suchen, wie man im Irak vorankommt.
Wenn es mittelfristig nicht gelingt, den Irak zu stabilisieren und zu demokratisieren, dann wird sich das wie
ein Fanal auf den gesamten Mittleren Osten auswirken.
Deshalb lauten die beiden zentralen Aufgaben, die wir
gemeinsam mit den Amerikanern und nicht gegen sie lösen müssen: glaubwürdige Ankurbelung des Friedensprozesses und Engagement von uns allen in Afghanistan
und im Irak. So kommen wir dem Ziel, Frieden im Größeren Mittleren Osten zu schaffen, näher. Ich hoffe sehr,
dass wir es in diesen Schicksalsunternehmungen - das
sind sie für uns alle in der westlichen Welt - schaffen,
die Unterschiede und krassen Gegensätze, die zwischen
uns vor und während des Irakkrieges bestanden, zu überwinden, dass wir keine Alleingänge und Sonderwege
mehr einschlagen und dass Europäische Union und
NATO eine gemeinsame Strategie verfolgen.
In diesem Sinne stimmen wir heute dem Antrag zur
Fortsetzung des Einsatzes bei Enduring Freedom als einem weiteren Baustein in der notwendigen, weltweiten
Bekämpfung des Terrorismus zu.
Vielen Dank.
({5})
Ich erteile das Wort Kollegen Ludger Volmer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Jahre dauert nun der Einsatz Enduring Freedom, den wir heute verlängern werden. Der heutige Tag
bietet vielleicht eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz bezüglich des Kampfes gegen den Terrorismus zu
ziehen. Diese Zwischenbilanz fällt ambivalent aus.
Wir haben gesehen, dass es notwendig war, zumindest
das strategische und organisatorische Zentrum von alQaida mit militärischen Mitteln stillzulegen und die Taliban als Machthaber zu vertreiben, um in Afghanistan
die Chance für einen friedlichen Entwicklungsprozess zu
gewinnen. Dieser Aufgabe müssen wir uns nach wie vor
stellen. Ich kann nicht verstehen, wie Teile der Friedensbewegung heute in einem Papier ähnlich wie vor zwei
Jahren behaupten können, dies sei ein Ermächtigungsbeschluss der Regierung, um sich in militärische Abenteuer zu stürzen.
({0})
Ich glaube, die Praxis der letzten beiden Jahre hat das
Gegenteil bewiesen.
({1})
Es ist auch positiv zu werten, dass die internationale
Allianz zur Bekämpfung des Terrorismus trotz der Irakkrise zusammengehalten hat. Wir wissen, dass die politische Gemeinsamkeit der gesamten internationalen Völkergemeinschaft in dieser extrem wichtigen Frage ein
wesentliches Pfund im Kampf gegen den Terrorismus
ist; nur so kann er effektiv geführt werden. Allein die
Tatsache, dass die Allianz zusammengeblieben ist, ist als
ein großer Erfolg zu werten.
({2})
Was diese Allianz allerdings mit militärischen Mitteln
erreicht hat, muss man etwas zwiespältiger bewerten.
Auf der einen Seite wurde zwar das Organisationszentrum getroffen, auf der anderen Seite ist al-Qaida in die
Fläche ausgewichen und versucht, in den Failing States
der Region bzw. in schon destabilisierten Regionen neu
Fuß zu fassen. Auch die Hauptkampffelder in Afghanistan sind noch nicht vollständig stabilisiert.
Damit stellt sich die Frage nach den Gründen für die
unzureichenden Erfolge. Meines Erachtens ist eine der
Hauptursachen für die Defizite darin zu sehen, dass
durch den Irakkrieg ein ganzes Jahr lang eine völlig falsche Priorität bei der Bekämpfung des internationalen
Terrorismus gesetzt wurde.
({3})
Der Irakkrieg, wie wir heute wissen, war kein Schlag gegen den Terrorismus, sondern er hat dazu geführt, dass
der Terrorismus neuen Zulauf aus der Masse der frustrierten arabisch-islamischen Jugend bekommt.
({4})
Deshalb sind wir nach wie vor der Meinung, Herr
Pflüger, dass es damals richtig war, sich gegen den Irakkrieg zu wenden. Die negativen Prognosen, die wir damals aufgestellt haben, sind leider - ich sage wirklich:
leider - Realität geworden.
Der Irakkrieg hat ein Jahr lang viele militärische, politische und ökonomische Kräfte gebunden - auf absehbare Zeit wird dies noch so bleiben -, die für den Kampf
gegen den internationalen Terrorismus verloren gegangen sind. Im Schatten dieser Fehlallokation von
Ressourcen aller Art konnte sich der internationale Terrorismus ausbreiten.
Gleichzeitig wurde durch den Irakkrieg die Priorität
faktisch verschoben: von der eigentlich notwendigen politischen Bekämpfung des Terrorismus hin zu einer militärischen. Es wurde die Fiktion aufgebaut, als sei der
Terrorismus endgültig militärisch zu schlagen. Dem ist
aber nicht so. Herr Pflüger, Sie haben das vorhin in Ihrer
Rede, deren Aussagen ich größtenteils teile, selber bestätigt.
Der politische Charakter des Kampfes gegen den Terrorismus hatte doch drei große Ziele: erstens die Isolierung der Terroristen, zweitens das Aufzeigen politischer
Alternativen für den gesamten Nahen und Mittleren Osten, insbesondere Alternativen zum arabischen Nationalismus und zum islamistischen Fundamentalismus, und
drittens die Lösung des Kernkonfliktes zwischen Israel
und Palästina.
Was aber sind die Konsequenzen, die wir nach dem
Irakkrieg beobachten? Wir sehen: Nicht die Terroristen
sind isoliert, sondern der Westen verliert in der arabischislamischen Welt an Prestige. Wir sehen, dass die Entwicklung im Irak alles andere als Vorbildcharakter für
andere Staaten der Region hat, die vielleicht transformationsbereit wären. Wir sehen auch, dass andere Staaten
der Region nun argwöhnisch darauf achten, ob sie nicht
selber auch Angriffsziel werden könnten.
Ich möchte in diesem Kontext noch sagen - man kann
das nicht deutlich genug unterstreichen -: Wir können
wirklich außerordentlich dankbar sein, dass die Initiative
der europäischen Außenminister mit dazu beigetragen
hat, die Irankrise, die sich sehr zuzuspitzen begann, zu
einem Zeitpunkt zu entschärfen, als es noch möglich
war, eine militärische Eskalation zu verhindern. Sonst
hätten wir heute ein viel größeres Desaster.
({5})
Leider müssen wir auch festhalten, dass im Schatten
des Irakkrieges die verschiedensten Akteure im Nahostfriedensprozess - man müsste eigentlich zu der Bezeichnung „Nahostkonflikt“ zurückkehren - ohne jegliche legitimatorische Figur auf konstruktives Verhalten
verzichten. Nach wie vor gibt es die grauenhaften
Selbstmordanschläge im Rahmen des Dschihad. Auf der
anderen Seite lässt die israelische Regierung diesen
schrecklichen Zaun bauen, was ebenfalls nicht dazu beiträgt, dass die Vorgaben der Roadmap eingehalten werden.
Daraus kann es für uns eigentlich nur eine wesentliche Konsequenz geben, nämlich dass wir zu einer Diskussion darüber zurückfinden müssen, welche politischen Methoden angewendet werden können, um dem
internationalen Terrorismus die Grundlage zu entziehen.
Die Antwort muss sich auf die drei Defizite beziehen,
die ich gerade angesprochen habe.
Selbstverständlich muss der militärische Druck aufrechterhalten werden, damit es nicht zu einer Restrukturierung der terroristischen Kräfte in Afghanistan kommt.
Es muss verhindert werden, dass sie sich in anderen Gegenden dieser Region einnisten können. Gleichzeitig
müssen wir den Dialog mit der arabisch-islamischen
Welt darüber vertiefen, welche Modernisierungsalternativen es zum arabischen Nationalismus und zum islamistischen Fundamentalismus geben kann.
Lassen Sie mich in diesem Kontext eines sagen:
Wenn man die islamische Geistlichkeit auf dieses
Thema anspricht, dann distanziert sie sich glaubwürdig
von der Auffassung, dass der Terrorismus auf irgendeine
Weise durch den Koran legitimiert sei. Ich finde dies
glaubwürdig, aber gleichzeitig nicht mehr hinreichend.
Die islamische Geistlichkeit - vom obersten Ayatollah
bis zum kleinsten Imam - sollte aktiv, offensiv und öffentlich in der islamischen Welt deutlich machen, dass
der Terrorismus gegen die Grundwerte des Islam verstößt. Das sollten wir von der Geistlichkeit fordern.
({6})
Schließlich sollten wir meines Erachtens eine Forderung auch an uns selber richten: Vielleicht müssen wir
uns von einigen überhöhten Zielen verabschieden. Wir
wissen, was für uns das beste politische System ist: Demokratie, Liberalität. Aber wir erleben, dass es außerordentlich schwierig ist, unsere Vorstellungen von Politik, Demokratie und Liberalität ohne weiteres in den
Gegenden dieser Welt zu implementieren, in denen die
gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür fehlen. Das
heißt nicht, dass man sich nicht anstrengen soll; beim
Wiederaufbau Afghanistans unternehmen wir große Anstrengungen. Wir sehen aber, dass dieser Ansatz an seine
Grenzen stößt. Vielleicht muss er auch an seine Grenzen
stoßen, weil unser politisches System historisch auf der
Basis einer bestimmten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gewachsen ist, die an anderer
Stelle fehlt.
Vielleicht ist es günstig, wenn wir unsere Ansprüche
ein wenig zurücknehmen und sagen: Uns reicht es, den
Frieden zu sichern, das heißt zumindest, alle Konflikte
unter die militärische Eskalationsschwelle zu senken,
Menschenrechte aktiv durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass ein Mindestmaß an Partizipation entsteht. Das
muss nicht Westminster-Demokratie oder Demokratie in
unserem Sinne bedeuten und schließt weitere historische
Entwicklungen nicht aus.
Ich kann mir vorstellen, dass der Appell an die islamische Geistlichkeit, die Verantwortung in ihrem Kulturraum aktiver und offensiver wahrzunehmen, und gleichzeitig der Appell an uns selber, unsere Ansprüche etwas
zurückzunehmen, dazu beitragen können, dass wir nicht
länger an der Überdehnung unserer Ansprüche leiden
und andere nicht daran, dass wir sie ständig überfordern.
Ich denke, dies könnte ein Beitrag zur Deeskalation zwischen den Kulturen sein.
Ich bedanke mich.
({7})
Ich erteile das Wort Kollegen Günther Nolting, FDPFraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Terror ist
eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit. Es ist dabei unabhängig, ob die Opfer des Terrorismus Soldaten
bzw. Polizisten, also Angehörige einer Staatsgewalt, sind
oder ob es sich um Menschen handelt, die sich gerade
zufällig am Ort des Terroranschlags befunden haben.
({0})
Saddam Hussein und die Taliban haben ihre Länder
- und nicht nur die - durch ein Terrorregime jahrelang in
Angst und Schrecken gehalten. Menschenleben wurden
skrupellos in vieltausendfacher Zahl ausgelöscht. Im
Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurden die Menschen in Afghanistan und im Irak
von diesen Despoten befreit. Die an Grausamkeit kaum
zu überbietende internationale Terrororganisation alQaida wurde geschwächt. Trotzdem, der Terror geht
weiter; er nimmt in letzter Zeit sogar wieder zu. Täglich
sterben unschuldige Menschen.
Dem Terror ist das Handwerk zu legen; Herr Kollege
Weisskirchen, da stimmen wir überein.
({1})
Das bedarf der Anstrengung aller. Selbstverständlich hat
sich Deutschland unvermindert an der Bekämpfung des
internationalen Terrorismus zu beteiligen, so wie es der
Bundeskanzler den USA in seiner Rede vor zwei Jahren,
in der er sich für uneingeschränkte Solidarität ausgesprochen hat, versprochen hatte.
Die FDP als Bürgerrechts- und Rechtsstaatspartei
lässt keinen Zweifel daran, dass sie alle Maßnahmen unterstützt, die diesem Ziel dienen.
({2})
Aber die Bundesregierung und der sie anführende Bundeskanzler machen es uns nicht leicht. So wurden wir
am 16. November 2001 gezwungen, die deutsche Teilnahme an der Operation Enduring Freedom abzulehnen,
da der Bundeskanzler zur Sicherstellung der eigenen
Mehrheit mit dieser Entscheidung die Vertrauensfrage
verknüpfte. So zwingt er uns auch heute zur erneuten
Ablehnung, da er - vermutlich wiederum aus koalitionsinternen Gründen - einen Vorratsbeschluss über mindestens 2 400 Soldaten herbeiführen will.
({3})
Wie vom Verfassungsgericht 1994 festgestellt, ist die
Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Diese Auffassung
teilen wir Liberalen ausdrücklich.
({4})
Das Parlament und nur das Parlament entscheidet über
den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Ausland.
({5})
Wir Parlamentarier tragen daher die Verantwortung.
({6})
In diesem Sinne hat der Bundestag vor zwei Jahren
der Bundeswehr ein Mandat erteilt, sich im damals notwendigen Umfang von maximal 3 900 Soldaten an der
Bekämfpung des internationalen Terrorismus zu beteiligen. Das Mandat war notwendig und es war in allen Einzelheiten den Bedürfnissen angemessen. Wir hatten Soldaten in Afghanistan, in Kuwait und am Horn von
Afrika. Was ist davon geblieben? Die KSK-Soldaten
sind zwischenzeitlich aus Afghanistan abgezogen worden; der ABC-Abwehrverband ist nicht mehr in Kuwait
stationiert und die Marinekräfte am Horn von Afrika
sind auf einen Bruchteil der ursprünglichen Stärke reduziert. Insgesamt sind heute noch 295 Bundeswehrsoldaten unter dem Mandat Enduring Freedom im Einsatz.
Dazu kommen noch 405 im Rahmen von Active Endeavour im Mittelmeer und der Straße von Gibraltar, sodass
sich eine Gesamtzahl von rund 700 ergibt.
Was aber verlangt die Bundesregierung von uns, vom
Parlament? Sie verlangt die Mandatierung und einen aus
meiner Sicht angesichts der Zahl von rund 700 Soldaten,
die jetzt im Einsatz sind, überzogenen und nicht zu
rechtfertigenden Personalumfang von 3 100. Die Bundesregierung verlangt vom Parlament die freiwillige
Aufgabe seiner Rechte, die ihm vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zugebilligt worden waren.
({7})
Der Bundestag würde der Bundesregierung einen Freibrief für den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im
Ausland ausstellen; er würde Kontroll- und Mitwirkungsrechte in einem der sensibelsten Bereiche gestaltender Politik nicht wahrnehmen - und das ohne jegliche
Not. Dazu sage ich: Die Protokollerklärung reicht uns
nicht aus,
({8})
weil das Parlament eben nicht mehr entscheiden kann.
Herr Kollege Pflüger, ein bisschen Kontrolle, wie Sie es
ausgeführt haben, ist uns zu wenig.
({9})
Die FDP hat in dieser Woche ein Gesetz zur Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen
der Bundeswehr vorgelegt. Wir wollen die Rechte des
Parlamentes stärken. Herr Kollege Weisskirchen, Sie beschränken sich heute darauf, dass Sie sagen: Wir haben
Vertrauen in die Bundesregierung.
({10})
Das ist uns zu wenig.
({11})
Die Bestrebungen zur Verabschiedung solch eines Gesetzes würden damit nahezu ad absurdum geführt. Das
ist mit uns Liberalen nicht zu machen. Ich hoffe, Sie haben in dieser Frage nicht für Ihre gesamte Fraktion gesprochen.
({12})
Seit dem 15. November des letzten Jahres weiß diese
Bundesregierung, dass die Verlängerung des Mandats
für Enduring Freedom bis spätestens heute vollzogen
sein muss. Und wir, das Parlament, können nur mit Ja
oder Nein stimmen und wir, das Parlament, übernehmen
damit die Verantwortung. Wenn die Bundesregierung
eine breite Parlamentszustimmung wollte, warum hat sie
dann den zuständigen Ausschüssen des Bundestages
nicht rechtzeitig einen Antragsentwurf vorgelegt, der im
Zuge der Beratungen noch hätte geändert werden können?
({13})
So war es parlamentarischer Brauch in früheren Zeiten, als FDP und CDU/CSU die Regierung stellten.
({14})
Diese rot-grüne Bundesregierung behandelt das Parlament aber nach dem Motto: Vogel, friss oder stirb! - Dabei können und wollen wir nicht mitmachen.
({15})
Noch einmal zum Personalumfang des Mandats: Die
Bundesregierung will die Zahl der eingesetzten Soldaten
von 3 900 auf 3 100 reduzieren. Sie hat das Kontingent
also um bis zu 800 ABC-Abwehrsoldaten verkleinert.
Ausgerechnet ABC-Abwehrkräfte! Auf Nachfrage, ob
denn vonseiten des internationalen Terrorismus keine
Bedrohung mehr durch biologische oder chemische
Waffen bestehe, antwortete der Außenminister sinngemäß, dass diese Soldaten sehr schnell durch einen Beschluss des Bundestages eingesetzt werden könnten.
({16})
Warum, Herr Außenminister, soll dieses Verfahren nur
bei den ABC-Abwehrsoldaten Anwendung finden, aber
nicht bei den anderen?
({17})
Sie haben in der letzten Woche den Begriff der geübten Mandatspraxis gebraucht und gesagt, dass Sie den
ernst nehmen wollten. Ich weiß nicht, was Sie unter dem
Begriff der geübten Mandatspraxis verstehen. Mich interessiert einzig und allein, dass die Parlamentsrechte gewahrt bleiben. Ich kann es nicht verantworten, dieser
Bundesregierung für den Zeitraum von zwölf Monaten
einen Freibrief für einen bewaffneten Einsatz von mehr
als 2 400 Bundeswehrsoldaten in einem Gebiet, das sich
von Nordafrika über die arabische Halbinsel bis nach
Zentralasien erstreckt, zu geben.
Die FDP sieht sich gezwungen, diesen Antrag abzulehnen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht
gemacht. Aber wir wollen den Erhalt der Parlamentsrechte, nicht mehr und nicht weniger.
Vielen Dank.
({18})
Ich erteile dem Kollegen Christoph Zöpel, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Der Verlängerung des Mandats für den
Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen von Enduring
Freedom kann, glaube ich, jeder Abgeordnete dieses
Hauses sehr guten Gewissens und mit Stolz auf die Rolle
des Parlaments bei der Kontrolle militärischer Einsätze
zustimmen.
({0})
Als das erste Mandat erteilt werden musste, standen
wir vor einem historisch neuen Phänomen. Der Terrorismus des beginnenden 21. Jahrhunderts war damals
schwieriger zu beurteilen als heute. Wir wussten viel weniger darüber, welches Mittel gerade gegen diese Gefahr
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.
Wir wussten nicht, wo sich der Terrorismus verbreiten
würde. Wir konnten nicht wissen, welche Staaten stabil
genug sind, um mit eigenen Kräften gegen den Terrorismus vorzugehen, und welche nicht. Wir mussten den
Blick auf Territorien richten, in denen es - zumindest
nach unserem Verständnis - keine Staaten gab oder gibt.
Das war die Voraussetzung.
({1})
Wir haben das Mandat nach leidenschaftlichen Debatten im Parlament und in den Fraktionen erteilt. Auch
wenn Debatten in den Fraktionen immer eine intellektuelle und politische Anstrengung bedeuten - für die Regierung manchmal besonders -: Ich bin weiterhin stolz
auf die engagierten Debatten vor zwei Jahren in meiner
Fraktion. Sie waren nützlich und haben dem Ansehen
des Parlaments gedient. Der deutschen Öffentlichkeit
wird gezeigt: Dieses Parlament als Ganzes - das sage ich
ausdrücklich - ist außerordentlich behutsam, bevor deutsche Soldaten außerhalb unseres Territoriums und außerhalb der Bündnisverpflichtungen eingesetzt werden.
({2})
Ich werte auch alle Beiträge der Opposition heute in
diesem Sinne. Sie kämpfen für dieses Recht des Parlaments, für diesen Anspruch einer demokratischen Öffentlichkeit. Daher respektiere ich vor allem auch Bedenken in der FDP. Ich glaube nur, Ihre Folgerungen
sind nicht schön. Wenn Sie die intellektuelle und anDr. Christoph Zöpel
strengende Auseinandersetzung in der SPD-Fraktion,
auf die ich stolz bin, als ein Argument für Ihr Nein heute
anführen, dann diskreditieren Sie Ihre eigene Position,
eine kritische Opposition sein zu wollen. Das hat mir
weh getan.
({3})
- Ich verstehe, was ich sage. Ich halte das demokratische
Engagement von Mitgliedern einer Regierungsfraktion,
ihre Bedenken zu artikulieren - bis hin zu der Frage:
„Können wir unserer Regierung zustimmen?“ -, für genauso wertvoll wie die Bedenken der Opposition. Wer
das gegeneinander auszuspielen versucht, der stellt diese
Gewissensbildung infrage. Wenn Sie das für abenteuerlich halten, muss ich sagen: An dieser Stelle habe ich Ihren Liberalismus noch nie ganz verstanden.
({4})
- Ich habe Ihnen Wort für Wort zugehört. Deshalb kann
ich Ihnen das ja auch so sagen.
Nun zu dem Umgang mit dem Mandat. Ist es denn
nicht schön, dass die Bundesregierung so sorgsam mit
diesem Mandat umgegangen ist?
({5})
Sie hat niemals mehr Soldaten eingesetzt, als notwendig
war.
Der Verteidigungsminister hat uns, wie bei allen anderen Einsätzen der Bundeswehr, jede Woche - ich betone: jede Woche - darüber informiert, wie viele Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom im Einsatz sind.
Sie können nachlesen, welche Personalschwankungen
es gegeben hat. Nehmen Sie mir diese Bemerkung nicht
übel: Wenn Sie tatsächlich so besorgt wären, wie Sie es
heute artikulieren, dann hätte ich es während der letzten
Monate für angebracht gehalten, dass Sie die abnehmende Zahl der eingesetzten Soldaten parlamentarisch
aufgegriffen hätten und nicht erst vor dieser Abstimmung. Allein das über Monate anhaltende Nichteingehen auf die kontinuierliche Berichterstattung über den
geminderten Einsatz durch Ihre Fraktion wirft einen
leichten Schatten auf Ihre heutige Rede.
({6})
Wir sind behutsam vorgegangen, wir alle, die wir parlamentarische Verantwortung tragen, und vor allem die
Bundesregierung. Es sind nicht mehr Soldaten eingesetzt
worden als nötig. Aber eine Zahl von Soldaten vorzuhalten, die leicht unter der des ersten Mandats liegt, bleibt
richtig.
({7})
Was die Folge militärischer Selbstüberschätzung ist
- sie stellt meines Erachtens das Problem im Irak dar -,
können wir nicht wissen. Wir wissen nicht, was sich daraus hinsichtlich terroristischer Aktionen in den Gebieten
ergibt, die schon immer als Einsatzgebiete definiert wurden. Ich denke, es wäre angesichts der terroristischen
Folgen der militärischen Selbstüberschätzung durch die
USA im Irak fragwürdig, heute festzuhalten, dass nicht
ein vergleichbares Potenzial deutscher Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom benötigt wird wie vor zwei
Jahren.
Es bleibt dabei, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan eingesetzt werden - über die Verhältnisse dort
müssen wir heute nicht sprechen; das haben wir im Zusammenhang mit dem ISAF-Einsatz ausführlich getan -,
sonst nur in Staaten, deren Regierung zustimmt. Werden
sie irgendwo eingesetzt, wo es keine Regierung gibt,
muss der Bundestag damit befasst werden. Diese Sicherungskautel hat gehalten. Sie wird auch weiterhin halten;
ich habe da keinerlei Bedenken. Ich sage es noch einmal:
Die Lage ist nicht übersichtlicher geworden durch die
Selbstüberschätzung der USA.
Es ist schon fragwürdig, wenn es heißt, diese Regierung möchte einen Freibrief für militärische Abenteuer.
Wenn es eine Leistung dieser Regierung gab, die weiterhin Gültigkeit hat, dann war es die Verweigerung des
Eingehens eines Abenteuers militärischer Selbstüberschätzung, welches die USA eingegangen sind.
({8})
Alle Argumente der Bundesregierung dazu waren richtig. Ich würde an Ihrer Stelle darüber nachdenken, ob Sie
tatsächlich dieser Regierung militärische Abenteuer vorwerfen wollen.
({9})
Dieser Regierung, deren Leistung darin besteht, sich
energisch und im Bewusstsein der tragischen Erfahrungen Europas, was Krieg angeht, militärischen Abenteuern zu verweigern, vorzuwerfen, sie plane eigene Abenteuer, ist schlichtweg absurd. Ich glaube, alle, die sich
nicht so vorsichtig artikulieren wie ich, werden dies
noch viel stärker zum Ausdruck bringen.
Haben Sie herzlichen Dank.
({10})
Ich erteile das Wort Kollegen Ernst-Reinhard Beck,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Die umfassende Bekämpfung des internationalen Terrorismus, zu der der UN-Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1368 und 1373 aufgerufen hat, bleibt
Ernst-Reinhard Beck ({0})
eine zentrale Herausforderung für die internationale
Staatengemeinschaft.
Die heute anstehende Entscheidung über die Fortsetzung des Einsatzes Enduring Freedom ist keine Routineentscheidung, meine Damen und Herren. Es geht, wie
bei allen Entscheidungen über Auslandseinsätze, auch
immer um Leben und Gesundheit unserer Soldaten. Auf
der einen Seite müssen wir die Risiken für unsere Soldatinnen und Soldaten sehr sorgfältig und verantwortungsbewusst abwägen. Andererseits - es ist schon darauf hingewiesen worden -: Die verheerenden Anschläge in
Saudi-Arabien, Indonesien und zuletzt in Nasirija zeigen, dass der internationale Terrorismus nach wie vor an
jedem Ort und zu jeder Zeit zuschlagen kann.
Daher ist auch der bewaffnete Teil des Kampfes gegen den Terrorismus, zu dem Enduring Freedom gehört,
nach wie vor notwendig. Wir sind uns sicher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, darüber einig, dass die
Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht alleine eine militärische, sondern eine komplexe gesamtpolitische Aufgabe ist, die auch polizeiliche, soziale, finanzielle, auch entwicklungspolitische Elemente mit
einschließt. Der militärische Beitrag ist Enduring Freedom. Und dazu leistet die Bundesrepublik Deutschland
ebenso wie ein großer Teil der Weltgemeinschaft - es
sind ja immerhin 50 Nationen - ihren Beitrag.
Wie ist die Bilanz nach zwei Jahren? Einheiten der
KSK, des Kommandos Spezialkräfte, nahmen in Afghanistan an der Seite der Antiterrorallianz am Kampf
gegen das Talibanregime und gegen al-Qaida teil. Vor
wenigen Wochen ist dieser Einsatz zu Ende gegangen.
Die Soldaten der KSK haben ihre schwierige und gefährliche Aufgabe hervorragend gelöst. Lassen Sie mich das
an dieser Stelle ausdrücklich sagen.
({1})
Im weiteren Verlauf der Operation Enduring Freedom
wurden Einheiten der Bundesmarine an das Horn von
Afrika verlegt und überwachten mit Erfolg den Schiffsverkehr in diesem Seegebiet. Inzwischen wurden die
Marineeinheiten auf eine Fregatte und einen Seefernaufklärer reduziert. Die am Horn von Afrika eingesetzte
Task Force 150 hat die Knotenpunkte eines Überwachungsnetzes so engmaschig gesetzt, dass ein unerkanntes Durchschlüpfen fast nicht mehr möglich ist. Nach der
Kontrolle von über 15 000 Schiffen und fast 100 näheren
Untersuchungen an Bord von verdächtigen Schiffen gab
es in der vergangenen Woche erste Erfolge: Am 3. und
4. November ist es der Besatzung der Fregatte „Lübeck“
gelungen, zwei Trawler mit einer großen Menge an Waffen und Munition aufzubringen. Die „Lübeck“ beschattete beide schwimmenden Waffenlager bis zum Zielhafen. Waffen und Munition wurden in Oman von den
örtlichen Sicherheitskräften beschlagnahmt.
In einer weiteren Region beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland militärisch am Kampf gegen den
Terror. Deutsche Marineeinheiten sind im Rahmen der
Operation Active Endeavour im Mittelmeer und an der
Straße von Gibraltar im Einsatz. Sie begleiten dort
nach einem Bericht von „Report“ vom 10. November
englische und amerikanische Frachter. Im Rahmen ihres
Auftrages sollen die deutschen Schnellboote jedoch auch
den Seeverkehr gegen terroristische Angriffe schützen,
die insbesondere von anderen Seefahrzeugen ausgehen
können, wie zum Beispiel Kamikazeangriffe von mit
Sprengstoff beladenen Schiffen, so wie es bei der USSCole der Fall war.
Die Einsätze, meine sehr geehrten Damen und Herren,
fordern Mensch und Material Höchstleistungen ab. Im
personellen Bereich wirken sich die langen Abwesenheiten der Besatzungen unserer Schiffe und Flugzeuge auf
Motivation und Berufszufriedenheit der Soldaten und
damit natürlich auch auf die Nachwuchsgewinnung aus.
Hier sind wir an der Grenze der Belastung angelangt.
Ich nenne nur das Beispiel der Fregatte „Emden“, die in
diesem Frühjahr bei der Überwachung des östlichen Mittelmeers Teil eines Einsatzverbandes war, im vergangenen Jahr aber bereits sechs Monate am Horn von Afrika
kreuzte.
Die außerordentliche Belastung unserer Soldatinnen
und Soldaten im Einsatz ist gestern bei der Debatte über
den Bericht des Wehrbeauftragten von allen Seiten des
Hauses angesprochen worden. Ich möchte an dieser
Stelle ausdrücklich eine Zusage des Parlamentarischen
Staatssekretärs, des Kollegen Walter Kolbow, aus der
gestrigen Debatte begrüßen. Ich zitiere: „Es wird das Institut des Einsatzunfalles geben“.
Damit fällt die unselige Unterscheidung zwischen
einfachen und qualifizierten Dienstunfällen für die im
Einsatz stehenden Soldaten weg.
({2})
Für sie wird es künftig bei einem Unfall keinen Unterschied mehr machen, ob sie als Berufs- oder Zeitsoldaten, als freiwillig länger dienende Wehrpflichtige oder
Reservisten ihren Dienst tun. Ich sage Ihnen ganz offen:
Diese Ankündigung erleichtert uns unsere heutige Zustimmung.
({3})
Im Antrag der Bundesregierung wird die bisherige
Personalobergrenze von bis zu 3 900 Soldaten auf
3 100 abgesenkt und auf die Bereitstellung von ABCAbwehr-Kräften generell verzichtet. Was dennoch auffällt, Herr Kollege Nolting, Sie haben darauf hingewiesen und haben dies unterstrichen: dass die Diskrepanz
von 710 oder von augenblicklich 290 eingesetzten Soldaten zu den mandatierten Soldaten tatsächlich gewaltig
ist; der Unterschied beträgt 90 Prozent. Dass aber für die
Auftragserfüllung ein gewisses Maß an Flexibilität vorhanden sein muss, wird niemand bestreiten.
({4})
Ernst-Reinhard Beck ({5})
Gestatten Sie mir, aus meiner Erfahrung mit militärischer Planung, zu sagen: Man muss entscheiden, welche
Kräfte jeweils vorgehalten und wie diese Kräfte strukturiert werden. Darauf hat uns die Bundesregierung eine,
so meine ich, ausreichende Antwort erteilt. Es ist ein Unterschied, ob man Sanitätskräfte oder Fallschirmjäger bereithält. Diese Überlegung müssen wir zuerst anstellen.
Als Zweites ist zu bedenken: Es ist sicher kostengünstiger, Kräfte bereit zu halten, als sie in den Einsatz zu
schicken, wenn sie nicht gebraucht werden.
({6})
Ich meine, dass die Bundesregierung unseren Bedenken
durch ihre Protokollnotiz und die Spezifizierung der bereitgestellten militärischen Fähigkeiten Rechnung getragen hat.
Auch wenn ich persönlich keinen Zweifel daran habe,
dass die Bundesregierung mit dem heute zu verlängernden Mandat zurückhaltend und verantwortungsvoll umgeht so, bleiben dennoch die Art des Zustandekommens
und die Möglichkeiten des Parlaments - Sie haben darauf hingewiesen - für mich unbefriedigend.
({7})
Eine engere Kooperation, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen, bereits im Vorfeld wäre sicher der gemeinsamen Verantwortung dienlicher. Im Übrigen meine ich,
dass hier die Notwendigkeit des Parlamentsbegleitgesetzes, an dem wir gerade arbeiten, deutlich wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke
mich ausdrücklich bei unseren Soldatinnen und Soldaten
und ihren Familien für ihren gefährlichen Einsatz im
Dienst der Sicherheit unseres Landes und der internationalen Gemeinschaft.
({8})
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter
Streitkräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom zu.
Vielen Dank.
({9})
Ich erteile Kollegin Marianne Tritz, Bündnis 90/Die
Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
internationale Völkergemeinschaft hat sich nach dem
11. September 2001 entschlossen, Angriffe auf die internationale Staatengemeinschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln abzuwehren. Wir waren uns aber
alle einig, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in erster Linie politisch ist und dass wir die Bedrohungen, die sich gegen die internationale Gemeinschaft richten, nur mit politischen, wirtschaftlichen,
polizeilichen und gesetzgeberischen Maßnahmen eindämmen können. Die Bundesregierung hat unter Beweis
gestellt, dass sie im Kampf gegen den internationalen
Terrorismus in erster Linie dem Primat der Politik folgt.
({0})
Deutschland hat auf den multilateralen Ebenen von
UN, OSZE, EU, NATO und G 8 wichtige Beiträge zur
Terrorismusbekämpfung geleistet. Dennoch bleibt der
Einsatz militärischer Mittel derzeit ein unverzichtbarer
Bestandteil im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Im Zuge von Enduring Freedom hat die Deutsche
Marine einen stabilisierenden Einfluss am Horn von Afrika und im Mittelmeer ausgeübt. Die Seestreitkräfte
haben wichtige Handelswege gegen Piraterie und Waffenschmuggel abgesichert. In keinem Fall ist es dabei zu
militärischen Auseinandersetzungen gekommen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit einem
leistungsfähigen Kontingent in die multinationale Operation Enduring Freedom eingebracht. Hierfür sowie
für die Beteiligung an ISAF genießt Deutschland hohe
Anerkennung, wie uns gerade Anfang dieser Woche bei
der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Orlando wieder bestätigt worden ist. Diese Anerkennung
gilt ganz besonders den Peacekeeping-Fähigkeiten der
Bundeswehr.
Die Bundesregierung hat den personellen Umfang in
ihrem Beschlussvorschlag zu Enduring Freedom um
800 Soldaten auf 3 100 reduziert. Der Einsatz der ABCAbwehrkräfte mit sechs „Fuchs“-Spürpanzern wurde
beendet und das Kommando Spezialkräfte, KSK, aus
Afghanistan abgezogen. Der Vorwurf der FDP, die Bundesregierung verlange einen Blankoscheck beim Antiterroreinsatz, weil in der Realität momentan weit weniger
Soldaten gebraucht werden, als es das Mandat erlaubt,
ist - mit Verlaub - blanker Unsinn.
({1})
Herr Nolting, wenn es kracht: Wie lange wollen Sie warten, um ein Medivac-Flugzeug in die Luft zu schicken?
({2})
Hier geht es um ein Bereitstellungsmandat, weniger um
ein Einsatzmandat.
Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist
noch lange nicht gewonnen. Denken wir doch nur an die
Anschläge in Kabul auf die ISAF-Soldaten, an die
Attentate von Riad, Casablanca und Jakarta. Denken wir
an Bali, Djerba und Mombasa. Die Bedrohung durch
al-Qaida ist nach wie vor real vorhanden. Der Umfang
von 3 100 Soldaten ermöglicht ein schnelles und flexibles
Handeln. Eine weitere Reduzierung der Anzahl der Soldaten wäre ein völlig falsches Signal an die Terroristen,
aber auch an unsere Bündnispartner. Eine stärkere Absenkung der Obergrenze könnte von der internationalen
Gemeinschaft und von unseren Partnern als Ausstieg aus
der Operation Enduring Freedom,
({3})
dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie unseren internationalen Verpflichtungen gesehen
werden.
({4})
- Doch. Bei unseren Gesprächen in Afghanistan haben
uns die ISAF-Soldaten erklärt, dass sie dort völlig umsonst gewesen wären, wenn der Bundestag jetzt sein Engagement reduziert.
({5})
Ich möchte das Geschrei der FDP erleben, wenn solche
Vorwürfe gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben werden.
Unsere Befürchtungen von damals, wir könnten über
die Beteiligung an Enduring Freedom in ein Kriegsabenteuer mit unkalkulierbaren Folgen geraten, haben sich
nicht bewahrheitet. Die deutsche Unterstützung war jederzeit ausgewogen, verhältnismäßig und wurde im militärischen Bereich zurückhaltend ausgeschöpft. So wird
es bleiben. Dies hat die Bundesregierung durch ihre Protokollerklärung noch einmal bekräftigt, was wir sehr begrüßen.
({6})
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an Enduring Freedom
für notwendig und verantwortbar und stimmt diesem
Einsatz zu.
Danke.
({7})
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.
({0})
Am 16. November 2001 stimmte der Bundestag zum
ersten Mal über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in
Afghanistan ab. Kanzler Schröder hatte in gewohnt dramatischer Manier die Abstimmung inszeniert.
Ich kann mich noch gut an ein Bild erinnern: Eine ältere Frau, ein mütterlicher Typ mit einer großen Tasche,
geht auf Gerhard Schröder zu und gibt ihm die Hand. Es
war Christa Lörcher, die einzige Sozialdemokratin, die
ihre Zustimmung verweigert hatte. Das Handbuch des
Deutschen Bundestages weist aus, dass Christa Lörcher
seit dem 15. November 2001 als fraktionslos galt. Im
Dokumentationssystem des Bundestages ist dies als Vorgangstyp „Begrüßungen, Glückwünsche, Nachrufe“ systematisiert. Am 13. Oktober dieses Jahres widmete die
„taz“ Christa Lörcher eine ganze Seite unter dem Titel:
„Eine Gewissenhafte“. Diesen Artikel kann ich Ihnen
nur empfehlen, denn es wird genau beschrieben, wie
Christa Lörcher die Woche im November 2001 erlebt
hat. Ich zitiere:
Wie sie montags einer Schulklasse aus Donaueschingen erklärt hat, dass Abgeordnete nach Artikel 38 des Grundgesetzes gemäß ihrem Gewissen
entscheiden dürfen. Wie sie schon abends zum
Bundeskanzler zitiert wurde. Wie er jede Kritik als
Misstrauen gegen seine Person abkanzelte. Sie erinnert sich … An die Landesgruppe, die fordert, dass
sie ihr Mandat abgeben soll, wenn sie nicht nachgebe. Wie alle Maßstäbe plötzlich auf dem Kopf
stehen, wie Kollegen ihr vorwerfen, ihr Verhalten
sei verantwortungslos, unsolidarisch, egoistisch.
Mir hat die Haltung von Christa Lörcher sehr imponiert.
Ich habe große Hochachtung vor ihr.
Vor der heutigen Sitzung sind keine Auseinandersetzungen aus den Regierungsfraktionen an die Öffentlichkeit gedrungen. Es hat sich quasi eine Abstimmungsroutine entwickelt, die vor zwei Jahren noch undenkbar
schien. Als der Deutsche Bundestag am 16. November
2001 zum ersten Mal über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan abstimmte, waren die Debatte
und die Abstimmung der einzige Punkt auf der Tagesordnung. Heute sind diese Abstimmungen Bestandteil
normaler Tagesordnungen. Die Gewöhnung der deutschen Öffentlichkeit an Auslandseinsätze der Bundeswehr scheint gelungen.
Die PDS im Deutschen Bundestag lehnt den Einsatz
von bewaffneten deutschen Streitkräften im Rahmen
dieses Mandats ab.
({1})
Erinnern wir uns, mit welchen Argumenten im Jahr 2001
der Bundeswehreinsatz begründet wurde. Die uneingeschränkte Solidarität mit den USA sollte bewiesen werden. Osama Bin Laden, der als verantwortlich für die
Anschläge auf das World Trade Center erklärt wurde,
sollte gefasst werden. Dem internationalen Terrorismus
sollte die Grundlage entzogen werden.
Inzwischen wurden die Kriegsziele schleichend umgedeutet. US-Präsident Bush stellt sich in dieser Woche
vor die Kameras und verkündet der Weltöffentlichkeit:
„We liberated two countries: Iraq and Afghanistan.“ Wie
ist die Reaktion der Bundesregierung auf diese Rede?
War die Bundesregierung nicht gegen den Krieg gegen
den Irak?
Meine Kollegin Petra Pau hat in der Sitzung vor einer
Woche gefordert, dass Rechenschaft darüber abgelegt
wird, ob und wie die Ziele des Mandats erreicht wurden
und ob Mittel und Wege zum Erreichen dieser Ziele richtig waren. Statt einer Antwort sind im Protokoll ihrer
Rede unqualifizierte Zwischenrufe von den Grünen
nachzulesen.
Immer wieder wird vom Rednerpult des Deutschen
Bundestages aus erklärt, dass man den Soldatinnen und
Soldaten wünsche, dass sie gesund zurückkehren mögen.
Dieser Wunsch ist richtig und zu unterstützen. Aber wie
ernst nimmt man die Drohungen der afghanischen
Kriegsherren gegen die Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr? Dazu ist hier in der Debatte wenig gesagt
worden.
Wir, die PDS, bleiben dabei: Den Kampf gegen den
Terrorismus kann man gewinnen, einen Krieg gegen den
Terrorismus kann man nur verlieren.
({2})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Theodor von und
zu Guttenberg, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der internationale Terrorismus ist richtigerweise
in allen Redebeiträgen des heutigen Tages als eine der
größten Herausforderungen unserer Zeit genannt worden. Unseren Soldaten wurde zu Recht gedankt. Ich
glaube, wir sollten auch noch einmal den zurückbleibenden Familien unserer Soldaten danken.
({0})
Sie haben eine der größten Herausforderungen in dieser
Hinsicht zu schultern.
Internationaler Terrorismus ist eine Herausforderung,
deren Bewältigung sicherlich nicht in Wochen- oder Monatsfristen zu leisten ist, sondern die kommenden Jahre
und Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Entscheidend
ist allerdings die Anschlussfrage. Was sind die langfristigen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis?
Mit der Ausgestaltung von Enduring Freedom überschreiten wir erstmals die begehrlich gesuchte Schwelle
der Tagespolitik und wagen wenigstens einmal den Ansatz einer notwendig längerfristigen Perspektive.
Erwächst aber demzufolge aus den neuen großen
Herausforderungen eine neue Linie der deutschen
Außen- und Sicherheitspolitik? Meiner Meinung nach
ist das nicht der Fall. Zwar mögen sich derzeit die Linien
mancher Paradigmenwechsel, die vollzogen wurden, offenbaren, aber sie tragen kaum unsere eigene Handschrift.
Wenn wir ehrlich sind, ringen wir, seitdem wir 1989
aus der Rolle im Zentrum eines globalen Konflikts heraustreten durften, um unsere Positionierungen. Wir sollten uns deswegen und angesichts der aktuellen und kommenden Bedrohungen aufgerufen fühlen, eine noch
zentralere, noch aktivere, insbesondere aber konzeptionell wirksamere Rolle im internationalen Kontext auszufüllen.
({1})
Ein Merkmal unserer Außen- und Sicherheitspolitik
war stets ihre Kontinuität. Angesichts der zunehmenden Unberechenbarkeit der Bedrohungen mag Kontinuität zwar schwieriger erscheinen - das ist richtig -, sie
muss aber eine Grundmaxime unseres außenpolitischen
Handelns bleiben.
({2})
Das erfordert allerdings - Friedbert Pflüger hat es angesprochen - die Formulierung einer eigenen, langfristig
angelegten Strategie und letztlich wahrscheinlich einer
Doktrin, wie sie in vielen unserer Nachbarstaaten bereits
existiert.
Wenn schon keine neuen Linien unserer Außenpolitik
erkennbar sind, gibt es dann wenigstens den Entwurf einer neuen Strategie? Auch das ist bislang nicht der Fall.
Die grundlegenden Analysen der Gefährdungen und die
daraus entspringenden Strategien werden von anderen
verfasst, sei es von Solana, der vor zwei Tagen hier war,
sei es, dass eine Verbindung zum amerikanischen Präsidenten erkennbar ist. Vieles würden wir gerne mit dem
Bundeskanzler, dem verehrten Herrn Bundesaußenminister und dieser Regierung in Verbindung bringen. Gelegentlich ist das auch der Fall. Aber eines verbinden wir
nicht mit ihnen, nämlich einen klaren Ansatz oder wenigstens den Versuch, eine über den tagespolitischen
Horizont hinausreichende Strategie zu entwickeln.
({3})
Das ist ein Vorwurf, der uns alle betrifft, aber die Bundesregierung qua ihrer immanenten Gestaltungskraft in
besonderem Maße. Wir halten eine solche Strategie für
notwendig, um bei der einflussreichen Mitgestaltung
derzeit kursierender Ansätze mitwirken zu können.
Herr Bundesaußenminister, Sie besuchen ab Sonntag
die Vereinigten Staaten und wollen meines Wissens auch
in Princeton eine Rede halten. Das wäre ein wunderbarer
Anlass, dort analog Ihrer Berliner Rede auch einmal die
großen und weitreichenden strategischen Ansätze der
Außenpolitik der Bundesregierung darzustellen.
Darüber hinaus müssen wir wohl auch die Logik der
Abfolge unseres internationalen Handelns einer Überprüfung unterziehen und letztlich eine Umkehrung vornehmen. Nicht eine Ansammlung gegebenenfalls unschlüssiger Einzelentscheidungen ergibt ein tragfähiges Konzept.
Vielmehr muss sich aus der Formulierung des Konzepts
die Logik der Handlungsform ergeben. Das ist zwar banal, aber de facto ein Missstand. Es geht dabei um ein
Konzept, das sich nicht vor der sicherlich kritischen Einbindung einer europäischen Sicherheitsstrategie in die
nationale Sicherheitsstrategie der USA, vor der Formulierung und Einbeziehung einer Strategie für den Nahen und
Mittleren Osten und vor der Neuausrichtung einzelner Institutionen - Stichwort NATO und Vereinte Nationen,
und zwar im gegenseitigen Wechselspiel - scheut.
Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus
zeigt, dass wir unsere Außenpolitik weitblickender und
zielführender weiterentwickeln müssen. Neben der genannten militärischen Dimension sind die entwicklungspolitischen Ansätze ebenso entscheidend. In diesem Zusammenhang sollte auch - das tun wir allzu selten unseren zivilen Kräften gedankt werden, die ebenfalls
Leib und Leben aufs Spiel setzen, um den internationalen Terrorismus einzudämmen.
({4})
Schließlich werden wir - im positiven, nicht im übermütigen Sinne - Mut brauchen, auch gegenüber der Bevölkerung unseres Landes, die wir bei der Gestaltung einer Strategie mitnehmen müssen, statt sie lediglich dann
an den Grundlinien der Außen- und Sicherheitspolitik zu
beteiligen, wenn es taktisch geboten erscheint. Diesbezüglich ist auch ein enormes Kommunikationsdefizit zu
beklagen.
Wir brauchen Mut, um zu verdeutlichen, wie verwundbar und potenziell gefährdet auch unser Land angesichts der Bedrohungslage mittlerweile geworden ist.
Wir brauchen Mut, um gewohnte, lieb gewonnene und
bislang behütet erscheinende Strukturen dieser Erkenntnis anzupassen. Die Stichworte „NATO“ und „Vereinte
Nationen“ sind bereits gefallen; innenpolitische Stichworte müssten folgen. Wir brauchen Mut, um in unserer
Bevölkerung um mehr Verständnis statt um mehr Unverständnis für unsere Partner zu werben. Außerdem brauchen wir Mut, um begründetes Unverständnis in einen
wirklich konstruktiven, gegebenenfalls freundschaftlichen Dialog, insbesondere mit den Vereinigten Staaten,
münden zu lassen.
({5})
Lassen Sie uns schließlich den Mut haben, den Menschen unseres Landes Außenpolitik nicht nur über hochinteressiert wirkende Gesichter zu vermitteln, sondern
auch über die Formulierung eigener Interessen! Verschämtes Verschweigen eigener Interessen dient heute
nicht einmal mehr dem eigenen Gewissen.
({6})
Letztlich sollten wir mit dem dringend notwendigen
Beginn der Debatte um Interessen die Bereitschaft in unserer Bevölkerung stärken, der Verteidigung der eigenen
Sicherheit und Freiheit, unseren Grundwerten insgesamt den erforderlichen und vielleicht einen neuen Stellenwert zu geben.
Herzlichen Dank.
({7})
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Rainer
Arnold von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gerade der grausame Terroranschlag vom letzten Wochenende in Riad hat uns allen die Aktualität unserer heutigen Debatte über den deutschen Beitrag im Kampf
gegen den internationalen Terrorismus vor Augen geführt. Das Netzwerk des Terrors ist trotz vieler Erfolge
der internationalen Koalition aktiv. Es ist jederzeit in der
Lage, massiv zuzuschlagen. Die Art, wie wir die heutige
Debatte über die Verlängerung von Enduring Freedom
führen, ist auch von unserem Mitgefühl für die vielen
Opfer, die der Terrorismus schon gefordert hat, geprägt.
({0})
Wir sind uns einig: Die internationale terroristische
Gefahr besteht unverändert fort. Der Bericht der Vereinten Nationen über Afghanistan zeigt, dass die Risiken in
Teilen dieses schwierigen Landes zurzeit eher wachsen
als geringer werden. Deshalb ist es richtig und notwendig, dass über 20 Nationen an diesem Kampf gegen den
Terror teilnehmen. Herr Nolting, die Bundesrepublik
Deutschland beteiligt sich seit Herbst 2001 aktiv, aber
regional begrenzt an dieser internationalen Koalition. Jeder, der sich in den Ländern dieser Koalition umhört,
weiß: Die Soldatinnen und Soldaten, die dort ihren
schwierigen Dienst tun, leisten einen ganz wichtigen
Beitrag für das Ansehen unseres Landes in der Welt.
({1})
Es ist doch für unsere Gesellschaft insgesamt eine sehr
schöne Erfahrung, dass deutsche Soldaten das Ansehen
unseres Landes mehren.
Deutschland hat sich von Beginn an dazu bekannt,
entsprechend seiner Größe und seinen Möglichkeiten
eine aktive Rolle bei diesen internationalen Verpflichtungen zu spielen. Darüber muss die FDP noch einmal
nachdenken. Herr Nolting, die Koalition kann auf Sie
und auf Ihre Stimme politisch sehr gut verzichten. Aber
denken Sie doch bitte einmal über die Signale nach, die
Sie in die Welt aussenden!
({2})
Nach Ihrer Meinung sollte sich Deutschland trotz der aktuellen Bedrohungslage zurücknehmen. Deutschland
würde damit auch im Hinblick auf die Terroristen falsche Signale aussenden. Wir wissen jedenfalls - das ist
sehr wichtig, Herr von und zu Guttenberg -, dass der militärische Beitrag nur ein Teil eines umfassenden politischen Ansatzes sein kann und sein wird. Haben Sie aber
Verständnis, dass ich mich in meiner Rede auf die militärischen Konsequenzen konzentriere.
Wir reden heute über asymmetrische Bedrohungen,
mit denen die internationale Sicherheitspolitik konfrontiert ist. Das Hauptmerkmal dieser Bedrohungen ist: Terroristen können überall und jederzeit losschlagen. Die
Erkenntnisse über terroristische Täter, ihre Hintergründe, ihre Motive, ihre Waffen und ihre Vorgehensweise haben sich fundamental verändert. Im Gegensatz
zu den meisten ihrer Vorgänger schicken Terroristen
heute keine konkreten Forderungen voraus, um ihre Drohungen zu untermauern. Vielmehr schlagen sie ohne
Vorwarnung und mit großem Zerstörungswillen zu und
schieben allenfalls absurde Begründungen nach. Angesichts dieser Bedrohungssituation ist es wichtig, dass
die militärischen Instrumente immer wieder flexibel
justiert werden können. Deshalb ist es auch richtig, dass
wir der Bundesregierung einen Spielraum für schnelles
und flexibles Reagieren geben.
Die Zusammensetzung der Truppenteile ist vor diesem Hintergrund sachgerecht; denn sie erfolgt aufgrund
der aktuellen Lageanalyse. Es ist in der Tat richtig, dass
wir der Bundesregierung eine gewisse personelle Flexibilität zugestehen. Diese ist angemessen und notwendig.
Sie - das sage ich an die Adresse der Kollegen von der
FDP - ist gar nichts Außergewöhnliches, wie die Entsendungen der Vergangenheit zeigen. Herr Kollege
Nolting, am 18. Juni dieses Jahres haben auch Sie dem
KFOR-Mandat zugestimmt. Damals haben wir 8 500
Soldaten mandatiert, obwohl nur 3 500 im Einsatz waren. Bei dem SFOR-Mandat war es ähnlich: 3 000 Soldaten wurden mandatiert, obwohl nur 1 300 im Einsatz
waren.
({3})
So war es auch bei der letzten Verlängerung des Mandats
für Enduring Freedom: Nur ein Drittel der Soldaten, die
wir per Mandat entsandt haben, wurde tatsächlich im
Einsatzgebiet benötigt. Bis auf drei Kollegen hat Ihre
Fraktion diesem Mandat geschlossen zugestimmt.
({4})
Damals hat niemand von Ihnen den absurden Vorwurf
eines Blankoschecks für die Regierung erhoben. Was hat
sich also verändert? Ich möchte wirklich keine Schärfe
hineinbringen.
({5})
Herr Kollege Nolting, die Frage, ob Sie der jetzigen Verlängerung des Mandats für Enduring Freedom zustimmen, ist, wie gesagt, für das politische Ergebnis sicherlich nicht wichtig. Aber für die Soldatinnen und
Soldaten ist es - das war jedenfalls in der Vergangenheit
immer der Fall - ein sehr wichtiges Signal, dass alle demokratischen Parteien geschlossen hinter dem Parlamentsheer stehen.
({6})
Das sollte auch jetzt so sein.
({7})
Es stimmt, dass das Parlament von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend informiert wurde und
wird. Dies hat die Bundesregierung bereits in der ersten
Lesung des Antrags auf Verlängerung des Mandats für
Enduring Freedom zugesagt. Für meine Fraktion kann
ich somit deutlich feststellen: Wir haben vollstes Vertrauen in die Zusagen der Bundesregierung. Die Kritik,
die in den letzten Jahren und vor allem im Winter des
letzten Jahres geübt wurde, lautete ja nicht, die Bundesregierung tue in militärischer Hinsicht zu viel. Im Gegenteil: Manche waren der Meinung, dass sie in militärischer Hinsicht zu wenig tue. Wir haben also allen Grund,
der Regierung zu vertrauen.
({8})
In den letzten Jahren hat sich im Parlament eine gewisse Mandatspraxis herausgebildet. Alle bisherigen
Parlamentsbeteiligungen und Entsendungen haben gezeigt, dass sich bestimmte Informationsstränge eingespielt haben. Ich möchte noch einmal sehr deutlich machen: Es wäre ein gutes politisches Signal, wenn auch
die Oppositionsfraktionen an unserem gemeinsamen Ansinnen festhalten würden, in den nächsten Monaten ein
Entsendegesetz, ein Parlamentsbeteiligungsgesetz, fraktionsübergreifend, also im Konsens, zu verabschieden.
Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.
({9})
Lassen Sie mich an einem Beispiel erläutern, warum
diese Flexibilität richtig ist.
Herr Kollege Arnold, einen Moment bitte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte schenken Sie
dem Redner auch zum Schluss seiner Rede noch etwas
Gehör und stellen Sie die privaten Gespräche ein, insbesondere im Mittelgang. Vor einer namentlichen Abstimmung ist das, wie ich weiß, immer schwierig, aber bitte
noch ein wenig Geduld und Aufmerksamkeit!
({0})
Bitte schön, Herr Arnold.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Ich möchte noch ganz kurz über die Marinekräfte
sprechen. Sie leisten sowohl im Mittelmeer als auch am
Horn von Afrika einen Beitrag, der nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann. Sie müssen sehen: 40 Prozent
der Schiffe und Boote unserer Marine sind in ständiger
Einsatzbereitschaft. Sie können schnell, flexibel und
weitestgehend autark zur neuen Schwerpunktbildung
verwendet werden. Sie können lange Zeit auf See bleiben und mit der entsprechenden Unterstützung der Marineaufklärungsflieger auch große Seeräume überwachen.
Wir müssen uns eines immer wieder klar machen:
90 Prozent des Welthandels und auch des Waffenschmuggels erfolgen auf den Seewegen. Jeder von uns
weiß, welch großes Interesse gerade eine exportorientierte Wirtschaft daran haben muss, dass die Seewege
gut geschützt sind.
Auch wenn der Einsatz der Marine gar nicht so sehr
auffällt - erst kürzlich ist allerdings wieder ein Schiff
mit Waffen aufgebracht worden -, muss man sehen: Der
Beitrag der Marine besonders östlich von Afrika ist ein
präventiver Beitrag und das ist das Entscheidende. Allein dadurch, dass sie da ist, sorgt sie dafür, dass die Seewege dort sicherer sind.
Dasselbe gilt auch für die Bereitstellung des Kommandos Spezialkräfte aus Calw. Darüber kann hier
nicht viel geredet werden. Ich möchte an dieser Stelle
aber eines sehr deutlich sagen: Die Qualität des KSK aus
Calw - wir erwarten von den jungen Männern hohe physische und psychische Voraussetzungen; es gibt eine
strenge Auslese; die Ausstattung des Kommandos Spezialkräfte aus Calw ist gut - führt dazu, dass die Angehörigen dieses Kommandos zu denen gehören, die weltweit
einen hervorragenden Beitrag leisten können. Sie gehören zu den besten Soldatinnen und Soldaten, die auf der
Welt überhaupt verfügbar sind. Wir können ein gutes
Stück weit stolz auf ihre Arbeit sein. Respekt und ein
ausdrückliches Dankeschön an die Soldaten, die unter
besonders schweren Bedingungen auf sich allein gestellt
in den Bergen von Afghanistan in den letzten Monaten
ihren Beitrag geleistet haben!
({0})
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Die Fortsetzung unseres militärischen, aber gerade
auch des politischen Engagements im Rahmen von
Enduring Freedom ist dringend notwendig. Das Engagement ist verantwortungsvoll mandatiert. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der deutschen Interessen,
nämlich der Wahrung der Sicherheit auch der Bevölkerung in Europa.
Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte aber noch einen Satz anfügen.
({0})
- Langsam! Sie werden gleich merken, warum.
Herr Kollege Arnold, Ihre Redezeit ist weit überzogen.
Ich sehe gerade, dass unser Kollege Christian
Schmidt wieder da ist. Es heißt immer wieder, es falle
gar nicht so auf, ob der eine oder andere hier ist. Herr
Kollege Schmidt, Sie haben bei der Arbeit in diesem
Parlament gefehlt. Wir sind froh darüber, dass Sie auf
dem Weg der Genesung sind.
({0})
Viele von uns waren in den letzten Wochen in Gedanken
bei Ihnen und Ihrer Familie. Wir wünschen Ihnen in den
nächsten Wochen einen erfolgreichen Genesungsprozess, damit Sie hier wieder richtig mitmischen können.
Schön, dass es Ihnen heute zum ersten Mal wieder möglich war, hier teilzunehmen!
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich Ihnen
bekannt, dass zwei Erklärungen nach § 31 der Ge-
schäftsordnung zu Protokoll genommen werden sollen,
nämlich die des Kollegen Jürgen Koppelin und die des
Kollegen Wolfgang Börnsen aus Bönstrup.1)
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-
che 15/2004 zu dem Antrag der Bundesregierung zur
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit-
kräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion
auf terroristische Angriffe gegen die USA. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1880
anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt.
Bitte benutzen Sie dafür die üblichen Stimmkarten und
nicht die Wahlausweise, die in Ihren Fächern lagen oder
liegen; sie werden anschließend benötigt.
Haben alle Schriftführerinnen und Schriftführer die
Plätze eingenommen? - Das ist der Fall. Dann eröffne
ich die Abstimmung.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimm-
karte abgegeben? - Das ist offenkundig der Fall. Dann
schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.2)
Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den
Tagesordnungspunkt 16 auf:
Wahl des Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz
Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom
7. November 2003 Herrn Peter Schaar für die Wahl des
Bundesbeauftragten für den Datenschutz vorgeschlagen.
Für die Wahl benötigen Sie eine Stimmkarte und Ihren
blauen Wahlausweis. Die Stimmkarten sind hier im Saal
erhältlich. Ihren Wahlausweis können Sie Ihrem Stimm-
kartenfach entnehmen, soweit Sie das noch nicht getan
haben. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der
Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt
mindestens 302 Stimmen erhält. Stimmkarten, die mehr
als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten,
sind ungültig. Die Wahl ist nicht geheim, das heißt, Sie
können die Stimmkarte auch an Ihrem Platz ankreuzen.
Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen,
geben Sie bitte Ihren Wahlausweis dem Schriftführer.
Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Nachweis der
Teilnahme an der Wahl.3)
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Ich eröffne die Wahl.
Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte ab-
gegeben? - Das ist offenkundig der Fall. Ich schließe die
1) Anlagen 3 und 4
2) siehe Seite 6577
3) Anlage 2, Namensverzeichnis der Wahlteilnehmer
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen. Das Wahlergebnis wird
Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Beratungen fort.
Ich habe Ihnen noch eine amtliche Mitteilung zu verlesen. Der bereits überwiesene interfraktionelle Gesetzentwurf zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher
Vorschriften auf Drucksache 15/1975 soll nachträglich
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann
ist so beschlossen.
Ich gebe Ihnen nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem Titel „Fortsetzung des
Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische
Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51
der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5
des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368
({0}) und 1373 ({1}) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“ bekannt. Abgegebene Stimmen 586. Mit
Ja haben gestimmt 540, mit Nein haben gestimmt 41, Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebenen Stimmen: 586;
davon
ja: 540
nein: 41
enthalten: 5
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({2})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({3})
Klaus Barthel ({4})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({5})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({6})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({7})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({8})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({9})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({10})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({11})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({12})
Walter Hoffmann
({13})
Frank Hofmann ({14})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus-Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler ({15})
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({16})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({17})
Christian Müller ({18})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({19})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({20})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({21})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({22})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({23})
Ulla Schmidt ({24})
Silvia Schmidt ({25})
Dagmar Schmidt ({26})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Wilhelm Schmidt ({27})
Heinz Schmitt ({28})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({29})
Reinhard Schultz
({30})
Swen Schulz ({31})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({32})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis ({33})
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Prof. Gert Weisskirchen
({34})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({35})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({36})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({37})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
({38})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Prof. Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Prof. Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({39})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({40})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({41})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({42})
Dirk Fischer ({43})
Axel E. Fischer ({44})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({45})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger-Heinrich Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Prof. Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({46})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({47})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({48})
Dr. Karl A. Lamers
({49})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({50})
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({51})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({52})
Stephan Mayer ({53})
Conny Mayer ({54})
Dr. Martin Mayer
({55})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({56})
Doris Meyer ({57})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller ({58})
Bernward Müller ({59})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann ({60})
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({61})
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Prof. Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz-Xaver Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({62})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({63})
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({64})
Andreas Schmidt ({65})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({66})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({67})
Gerald Weiß ({68})
Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({69})
Volker Beck ({70})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({71})
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({72})
Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({73})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Simone Probst
Claudia Roth ({74})
Krista Sager
Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({75})
Werner Schulz ({76})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Jürgen Trittin
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({77})
FDP
Ulrich Heinrich
Harald Leibrecht
Dr. Günter Rexrodt
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Nein
CDU/CSU
Wolfgang Börnsen
({78})
Manfred Carstens ({79})
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Winfried Hermann
Hans-Christian Ströbele
FDP
Daniel Bahr ({80})
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich ({81})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({82})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Christoph Hartmann
({83})
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Eberhard Otto ({84})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Prof. Dr. Andreas Pinkwart
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Fraktionslose Abgeordnete
Petra Pau
Enthalten
CDU/CSU
Susanne Jaffke
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Irmingard Schewe-Gerigk
FDP
Markus Löning
Hans-Joachim Otto
({85})
Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kom-
men, möchte ich Ihnen noch Folgendes mitteilen: Die
Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass sie heute den
Ausschluss des Abgeordneten Martin Hohmann aus ih-
rer Fraktion beschlossen hat. Der Kollege Hohmann
wird dem Haus ab sofort als fraktionsloser Abgeordneter
angehören.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 d auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({86})
zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten
Hermann Gröhe, Dr. Christian Ruck, Rainer
Eppelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Zukunft sichern - Globale Armut
bekämpfen
- Drucksachen 15/921, 15/1191 Berichterstattung:
Abgeordnete Karin Kortmann
Peter Weiß ({87})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Hans-Christian Ströbele
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Weiß ({88}), Dr. Christian Ruck,
Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Nach der Neuwahl in Argentinien: Entwicklungszusammenarbeit mit Argentinien und
Uruguay zielgerichtet fortführen
- Drucksache 15/1015 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({89})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christian Ruck, Hartwig Fischer ({90}),
Siegfried Helias, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Fakultativprotokoll gegen Einsatz von Kindersoldaten umgehend ratifizieren
- Drucksache 15/1016 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({91})
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Markus Löning, Rainer Brüderle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung und
Wohlstand durch Freihandel
- Drucksache 15/1931 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({92})
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Siegfried Helias von der CDU/CSUFraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der Entwicklungspolitik in der politischen Konzeption Deutschlands mit der Außen-, Verteidigungs-, Sicherheits- und
Wirtschaftspolitik eine besondere Rolle zukommt und
mit diesen Bereichen fest verzahnt sein muss.
Gewalt und kriegerische Konflikte machen jegliche
Entwicklungsansätze zunichte. Gerade in den Ländern
der Dritten Welt kommt es darauf an, der Krisenprävention, der friedlichen Konfliktbeilegung und der Friedenssicherung einen angemessenen Platz zu sichern. Angesichts der noch zahlreichen ungelösten Konflikte muss
der Bereich der Verhinderung internationaler Konflikte
und der Friedensdurchsetzung noch wirkungsvoller gestaltet werden.
Mein Kollege Christian Ruck hat völlig Recht, wenn
er in den letzten Tagen betont hat, dass auch der NATO
und der EU ein bestimmtes Gewicht zukommt, wenn es
darum geht, Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union beim Eindämmen der Selbstfinanzierungskräfte von Kriegs- und Bürgerkriegsparteien zur Seite zu
stehen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Streit zwischen Entwicklungsministerin Frau Wieczorek-Zeul und
der Europäischen Union zu sehen. Er macht zumindest
die unglückliche Prioritätensetzung rot-grüner Entwicklungspolitik deutlich und er entzweit selbst die Regierungskoalition.
({0})
Zum Hintergrund: Die Europäische Union plant, Mittel des europäischen Entwicklungsfonds für den Aufbau einer afrikanischen Friedenstruppe einzusetzen.
Ziel dieser rein afrikanischen Friedenstruppe ist es, viele
gewaltsame Konflikte und Bürgerkriege zu beenden, um
endlich die notwendigen Voraussetzungen für eine zielgerichtete Entwicklung zu schaffen. Die Ministerin hält
dagegen und argumentiert, dass die Gelder besser für die
Armutsbekämpfung eingesetzt werden sollten.
({1})
Tatsache ist doch aber, Frau Kollegin Kortmann, dass
viele Mittel des europäischen Entwicklungsfonds gar
nicht abfließen können, weil die sicherheitspolitischen
Voraussetzungen für Entwicklungsvorhaben nicht gegeben sind. Die CDU/CSU-Fraktion versteht Konfliktbeilegung und Friedenssicherung als zentrale Elemente der
Armutsbekämpfung. Unter diesen Bedingungen ist das
Verhalten der Ministerin erklärungsbedürftig.
Vielleicht trägt die Idee einer afrikanischen Friedenstruppe dazu bei, Probleme und Folgen des Einsatzes von
Kindersoldaten einzudämmen. Eigene Friedenstruppen
erlauben es den Bürgern des afrikanischen Kontinents,
ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen und unter
anderem einer der schlimmsten Geißeln des Krieges zu
begegnen: der Geißel der Kindersoldaten.
Dies ist ein Problem, das keineswegs auf Afrika beschränkt ist. Weltweit werden in zahlreichen Konflikten
circa 300 000 Kinder als Soldaten von skrupellosen
und brutalen Kriegsherren missbraucht. Bereits achtjährige Kinder werden gedrillt, zu kämpfen, zu töten, Lasten zu transportieren, zu plündern und zu spionieren.
Diesen Kindern wird nicht nur die Kindheit geraubt; diesen Kindern wird das Leben ruiniert.
Das Ziel der Völkergemeinschaft muss es sein, alles
zu unternehmen, um diese schrecklichen Kriegsverbrechen zu beenden. Jedes Land muss seinen Beitrag dazu
leisten, auch die Bundesrepublik Deutschland.
({2})
Denn die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten verstoßen gegen die internationalen Menschenrechtsverträge. Das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention bezüglich der Beteiligung von Kindern
an bewaffneten Konflikten verpflichtet Staaten, keine
Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren einzuziehen.
Außerdem wird im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs der Einsatz von Kindersoldaten unter 15 Jahren zu einem Kriegsverbrechen erklärt.
Und dennoch: Kinder werden immer wieder zu
Kriegsdiensten missbraucht. Wer nicht gehorcht, dem
drohen Verstümmelung und Tod. Der Alltag von über
300 000 Kindern in mehr als 25 Ländern besteht nicht
aus Fußball spielen oder dem Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen. Diese Kinder sind lebendige Schutzschilde, Leibwächter, Minenräumer - mit einem Wort:
Kindersoldaten.
Das Phänomen der Kindersoldaten bezieht sich aber
nicht nur auf Jungen. Auch Mädchen werden rekrutiert
und zum bewaffneten Kampf herangezogen. Darüber hinaus werden sie wie Sklaven gehalten und sexuell missbraucht. Wie soll eine kindliche Seele das verkraften?
Am 25. Mai des Jahres 2000 verabschiedete die UNVollversammlung im Konsens das Fakultativprotokoll
zum „Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern in bewaffneten
Konflikten“. In dem neuen Zusatzprotokoll werden die
Unstimmigkeiten der Kinderrechtskonvention gelöst, indem das Mindestalter für die direkte Beteiligung an
Kampfhandlungen, die Wehrpflicht und jede Form der
Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von 15 auf
18 Jahre angehoben wird.
Nur wenige Monate später, am 6. September, unterzeichnete Bundeskanzler Schröder für die Bundesrepublik Deutschland das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention. Bis heute hat es die Bundesregierung
allerdings nicht vermocht, dieses Protokoll zur Ratifizierung an den Bundestag weiterzuleiten. Der Grund:
Das Bundesverteidigungsministerium beharrt auf einem
Mindestalter von 17 Jahren bei der Rekrutierung zur
Bundeswehr. Folgerichtig kritisiert Terre des hommes,
dass die deutsche Bundesregierung „offenbar in einen
gesetzgeberischen Tiefschlaf verfallen“ sei. Anders ist es
nicht zu erklären, dass Deutschland das Zusatzprotokoll
zur UN-Kinderrechtskonvention immer noch nicht unterzeichnet hat.
({3})
Kindersoldaten müssen nach unserer Auffassung auf
ihrem Weg in ein ziviles Leben durch gezielte Maßnahmen begleitet werden. Die Bundesregierung muss daher
die Möglichkeiten des Zusatzprotokolls voll ausschöpfen
und verstärkte Anstrengungen zur praktischen Hilfe für
Kindersoldaten leisten. Dazu gehören die Förderung von
Programmen zur Demobilisierung, die Rehabilitation
und Reintegration von Kindersoldaten sowie vor allen
Dingen die Unterstützung bei Präventionsmaßnahmen.
Außerdem sind langfristige Verpflichtungen einzugehen. Zum Beispiel sind Maßnahmen von Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen, die im Aufgabenfeld der Kindersoldatenproblematik liegen. Diese müssen
gefördert werden und zu diesen Zwecken sind auch Mittel
des zivilen Friedensdienstes einzusetzen. Vor allen Dingen darf es nicht länger hingenommen werden, dass
Empfängerländer deutscher Entwicklungshilfe gleichzeitig den Einsatz von Kindersoldaten billigen und fördern.
Dort, wo es offenkundig unter staatlicher Billigung zum
Einsatz von Kindersoldaten kommt, muss über die Einstellung und Kürzung der Entwicklungszusammenarbeit
entschieden werden.
Ein weiterer Punkt ist die Mobilisierung der öffentlichen Meinung. Wir müssen ein Klima erzeugen, das
dazu führt, dass der Missbrauch von Kindern in bewaffneten Konflikten verhindert und langfristig eine Ächtung
der Zwangsrekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten erwirkt wird.
Mit der Ratifizierung des Fakultativprotokolls können
wir eine aktive Rolle im Kampf gegen den Missbrauch
von Kindern als Soldaten einnehmen. Kinderarbeit, Kinderhandel, Kinderprostitution und Kindersoldaten - das
sind Teile einer unheilvollen Kette: Kinder werden immer
mehr zur manipulierbaren Ware. Diese Kinder brauchen
unseren Schutz und unsere Hilfe. Sie sind die Zukunft unserer Zivilisation. Sie dürfen nicht als Schachfiguren
missbraucht werden, weder als Opfer noch als Täter.
({4})
Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Karin
Kortmann von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Herr Helias, ich möchte Ihnen gern darlegen, warum wir
meinen: Finger weg vom europäischen Entwicklungsfonds, wenn es darum geht, die afrikanische Friedenstruppe, der wir viel Erfolg wünschen, zu installieren und
gut auszurüsten. Es geht überhaupt nicht darum, dass wir
das etwa nicht wollten. Vielmehr haben wir gesagt: Das
ist ein notwendiger Bestandteil bei der Krisenprävention
oder der Befriedung von Konfliktgebieten. Sie werden
mir zustimmen, dass der europäische Entwicklungsfonds, der eine zivile Komponente hat und bei dem es
um Entwicklungszusammenarbeit geht, nicht der richtige finanzielle Topf für diese Art von Unterstützungsmaßnahmen ist. Vielmehr muss die Europäische Union
auf dem Rat, der in der nächsten Woche dazu tagen wird,
andere Finanzierungsmöglichkeiten erörtern.
Ich finde es fast schon gewagt, wenn Sie sagen, dass
es diesbezüglich einen Konflikt in der Bundesregierung
gebe. Ich gehe davon aus, dass es eine gemeinsame
Übereinkunft der zuständigen Fachressorts gibt, die am
Montag und Dienstag für die Bundesrepublik Deutschland auf dem Rat entsprechend votieren werden.
({0})
Ich möchte zu zwei Anträgen, die die Union vorgelegt
hat, aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion Stellung nehmen. Herr Helias, Sie haben von den Kindersoldaten
und der Notwendigkeit gesprochen, das Fakultativprotokoll zu ratifizieren. Das sehen wir genauso und auch
wir wünschen, dass das möglichst rasch im Bundestag
erfolgt. Die Problematik der Kindersoldaten kann man
an Folgendem festmachen: Jeden Tag müssen Hunderttausende von Kindern weltweit durch Kriege und bewaffnete Konflikte verursachte Probleme bewältigen.
20 Millionen Kinder sind auf der Flucht, sind von ihren
Familien getrennt und wachsen als Kriegswaisen auf. In
Angola weist nach fast drei Jahrzehnten Bürgerkrieg fast
jedes zweite Kind Mangelernährungserscheinungen auf.
Im Irak und in Afghanistan leben viele Kinder auf der
Straße, weil die Eltern sie nicht mehr versorgen können.
In Tschetschenien - ich erwähne das, weil ich Rudolf
Bindig sehe - wachsen ungefähr 25 000 Schulkinder in
Flüchtlingslagern auf. Das ist keine Kindheit, wie wir sie
Kindern wünschen. Die Probleme verstärken sich im
Falle der Kindersoldaten, die von Armeen oder paramilitärischen Verbänden zwangsrekrutiert werden.
Da wir mittlerweile zum Thema Kindersoldaten den
vierten Antrag vorliegen haben, möchte ich gern darauf
verweisen, dass es bereits eine entsprechende Beschlusslage gibt. Der erste Antrag, den ich im Bundestag geschrieben habe, hat das Datum 21. April 1999. Der Bundestag hat daraufhin gemeinsam beschlossen, dass wir
„die Rekrutierung und die Einberufung von Kindern unter 18 Jahren in Armeen sowie ihre aktive Teilnahme an
bewaffneten Feindseligkeiten grundsätzlich“ ausschließen und dazu auch die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
Wir haben damals aber auch gesagt, dass wir eine
psychosoziale Betreuung wollen, dass wir die Problematik der Kindersoldaten in den jeweiligen Staatsdialog
einbeziehen müssen. Angesichts dessen frage ich mich,
ob Ihr Ansatz tatsächlich tragfähig ist. Sie wollen überall
dort, wo in den Armeen noch unter 18-Jährige tätig sind,
die Entwicklungshilfe reduzieren oder streichen. Wenn
das alles so einfach wäre, bräuchten wir die Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr. Aber gerade dort, wo
es um Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte geht, lautet der Auftrag der Entwicklungszusammenarbeit, für Ordnungssysteme zu sorgen, wie zum
Beispiel dafür, dass die Kinder nicht zwangsrekrutiert
werden.
Ein gutes Beispiel ist sicherlich Kolumbien, das vor
zwei Jahren dafür gesorgt hat, dass keine unter 18-Jährigen mehr in der Armee sind. Gerade dieses bürgerkriegsgeschüttelte Land hat damit beispielhaft vorgemacht, wie es gehen kann. Wir wissen genau, dass es mit
einer gesetzlichen Regelung allein nicht getan ist. Wir
brauchen umfangreiche Programme, die Möglichkeiten
zur Resozialisierung bereitstellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf drei große
Ansätze verweisen, die notwendig sind, damit Entwicklungszusammenarbeit erfolgreich sein kann. Als Erstes
bedarf es eines dualen Ansatzes, bei dem einerseits die
Kindersoldaten selber, aber andererseits auch die Gemeinden einbezogen werden. Es reicht nicht, die Kinder
lediglich aus den Armeen herauszunehmen. Vielmehr
muss für die Aufarbeitung der Traumata ein Umfeld geschaffen werden, in dem es möglich ist, dass die Kinder
lernen, mit Gefühlen wie Wut und Schuld umzugehen,
und in dem auch Konzepte für den Umgang im Alltag
entwickelt werden können.
Als Zweites brauchen wir eine berufliche Alternative.
Es müssen Einkommensmöglichkeiten für Kindersoldaten geschaffen werden, um zu verhindern, dass die Tätigkeit als Kindersoldat zur wirtschaftlichen Notwendigkeit für diese Kinder und zum Teil auch für deren
Familien wird.
Wir brauchen als Drittes Gemeinden, die bereit sind,
für die Reintegration der Kindersoldaten zu sorgen.
Diese müssen für die Probleme sensibilisiert werden, damit lokale Konfliktlösungsmechanismen entwickelt werden können und damit es zu der notwendigen Versöhnung zwischen den Exkommandanten und der von den
Auswirkungen des Krieges betroffenen Bevölkerung
kommen kann.
Diese Ansätze sind in den letzten Jahren vom BMZ
und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
entwickelt worden.
({1})
Gleichzeitig wissen wir um all die großen Probleme.
Ich habe in der vergangenen Woche mit der Ministerin
für Menschenrechte aus der Demokratischen Republik
Kongo zusammengesessen. Jeder Zehnte der weltweit
300 000 Kindersoldaten kämpft im Kongo und wir wissen, wie viel da zu tun ist.
In diesem Zusammenhang halte ich es für notwendig,
dass wir im Bundestag möglichst rasch zu einer Ratifizierung des Zusatzprotokolls kommen. Ich halte aber Ihren
Ansatz bezüglich der Bundeswehr für nicht ganz sachgemäß. Die Bundeswehr - Sie haben es eben gesagt - rekrutiert keine jungen Menschen unter 18 Jahren. Sie eröffnet eine militärische Ausbildung für 17-Jährige. Diese
Berufsausbildung erfolgt freiwillig und mit Zustimmung
der Eltern. Sie können dabei also nicht von einer Zwangsrekrutierung sprechen.
({2})
- Doch, Sie haben von Rekrutierung gesprochen.
Schauen Sie bitte nachher im Protokoll nach.
({3})
- Nein, es ist keine Rekrutierung.
({4})
Es ist eine freiwillige Verpflichtung für eine militärische
Ausbildung.
Das Bundeskabinett hat am 23. Juni dieses Jahres beschlossen, zur Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls beitragen zu wollen, sagt aber gleichzeitig: Warten wir bitte
die Bundeswehrstrukturreform ab, damit wir in der
Übergangszeit die 17-Jährigen dort ausbilden können.
Ich sage für meine Fraktion: Wir können diese Übergangsphase hinnehmen, halten aber an der Straight-18Forderung fest, weil sie nicht nur national, sondern
auch international Gültigkeit hat und wir daran festhalten sollten.
Frau Kollegin Kortmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fischer?
Selbstverständlich.
Bitte schön, Herr Fischer.
Frau Kollegin Kortmann, ich komme gerade aus Bunia im Kongo zurück und habe mit den Organisationen
Caritas und Safe the Children gesprochen. Ich habe mir
eines der Kindersoldatenlager angesehen und gesehen,
unter welchen Bedingungen diese leben. Die Frage, die
uns dort immer wieder gestellt wird, lautet: Wie wollt ihr
in dieser Frage eigentlich glaubwürdig agieren, wenn ihr
selbst in eurem Land nicht in der Lage seid, dieses Zusatzprotokoll, das vom Kanzler unterzeichnet worden ist,
zu ratifizieren? Wie wollt ihr an uns Forderungen stellen?
Sie haben ja gesagt, Sie unterstützen das. Deshalb
bitte ich Sie herzlich, bei Ihrer Regierung festzustellen,
({0})
warum man sich nicht in der Lage sieht, dieses Protokoll
zu unterzeichnen und damit mehr Glaubwürdigkeit für
uns zu erreichen.
Herr Kollege Fischer, wir teilen Ihr Anliegen, dass es
zur Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls kommen muss.
Ich habe darauf hingewiesen, dass das Bundeskabinett
dazu im Juni einen Beschluss gefasst hat, in dem es heißt
- wenn es Ihnen hilft, kann ich das vorlesen -:
Die Bundesregierung möchte das Fakultativprotokoll zum VN-Übereinkommen über die Rechte des
Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an
bewaffneten Konflikten möglichst rasch ratifizieren. Allerdings kann über die Frage des Mindestalters bei Freiwilligen, die in die Bundeswehr eintreten, vor Abschluss der Bundeswehrstrukturreform
nicht abschließend entschieden werden.
Wenn wir die Bundesregierung bitten, eine entsprechende Vorlage in den Bundestag einzubringen, wird
dies hier sicherlich breite Zustimmung finden.
Ich möchte gerne auf einen zweiten Punkt eingehen,
und zwar auf Ihren Antrag zu Kuba. In diesem Antrag
wird in der Spitze formuliert, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba sollte beendet werden;
das betrifft auch die Entwicklungszusammenarbeit, die
bisher über die Europäische Union erfolgt ist. Ich denke,
es reicht nicht aus, wenn wir über die Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba reden, Defizite in den Bereichen
Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu
konstatieren. Deshalb bieten wir über die entwicklungspolitische Kooperation neue Wege der Verständigung
und der Zusammenarbeit an. Dies kann und soll zu Veränderungen mit mittel- und auch langfristiger Perspektive führen. So haben wir es formuliert, als wir im
April 2000 einen Antrag zur Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba vorgelegt haben.
Jeder weiß, dass wir das Ziel, das damit verbunden
war, nämlich den Schwerpunkt auf die Umwelt- und
Ressourcenpolitik zu setzen, die Nichtregierungsorganisationen und die Kirchen in ihrem Engagement zu unterstützen und zu begleiten, aber auch den Dialog mit Vertretern oppositioneller gesellschaftlicher Gruppen und
die Bildung einer kubanischen Zivilgesellschaft zu unterstützen, nicht von heute auf morgen erreichen werden.
Die Bedingungen in diesem Jahr haben zu erheblichen
Rückschritten geführt. Die Menschenrechtssituation hat
sich verschärft. Dies haben wir sowohl im AwZ wie auch
im Menschenrechtsausschuss deutlich benannt. Es ist
nicht hinnehmbar, dass Menschen dort willkürlich inhaftiert werden und dass die Todesstrafe nicht nur verhängt,
sondern auch ausgeführt wird. Dies ist aufs Schärfste zu
kritisieren, und zwar sowohl von deutscher als auch von
europäischer Seite. Ich erinnere daran, dass die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sofort darauf reagiert hat.
Auf der anderen Seite haben wir bei unserer Reise
durch dieses Land auch die Entwicklungschancen wahrnehmen können. Das gilt insbesondere für die Kollegen,
die dabei waren, zum Beispiel Herrn Kraus, Herrn
Heinrich und Frau Schmidt. Wir haben uns gewünscht,
dass es zu einer privatwirtschaftlichen Kooperation
kommt, insbesondere was deutsche Handwerkskammern
angeht. Wir haben uns angeschaut, was die Handwerkskammer Dortmund im Bereich der Ausbildung zum Automechaniker ermöglicht hat. Wir haben auch gesehen,
inwiefern die Welthungerhilfe im Bereich der urbanen
Landwirtschaft dazu beiträgt. Den Menschen wurde es
durch diese Kooperative ermöglicht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und damit zur Gewinnmaximierung
beizutragen. Es gibt auch Überlegungen, wie durch eine
Kleinkreditförderung weitere Möglichkeiten der Einkommenserzielung geschaffen werden können. Ich kann
nur sagen: Wenn man will, dass sich eine Entwicklung
vollzieht, und wenn man über diesen bilateralen Kontakt
dazu beitragen kann, die Menschenrechte zu verbessern,
mehr Demokratie zu ermöglichen und zu Rechtsstaatlichkeit zu kommen, dann sollte man all diese Möglichkeiten nutzen.
Eines hat uns in Kuba sehr beschäftigt: Wir haben den
Mangel an Lehrmaterial gesehen. Wir haben gesehen,
wie miserabel die Ausstattung ist. Am 1. September
konnten einige Schulen nicht mit dem Unterricht beginnen, weil keine Lebensmittel zur Verfügung standen, um
die Schulkinder zu ernähren. Um diese Probleme im Gesundheitssektor wissen wir. Wir haben aber auch wunderbare Beispiele dafür gesehen, was alles machbar ist.
Allein von der Cuba-Hilfe in Nordrhein-Westfalen konnten bisher 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um Gesundheitsdienste für die grundlegende Versorgung aufzubauen.
Wer sich dafür ausspricht, die Mittel für Kuba einzufrieren, muss wissen, dass wir solche Aktivitäten dann
in Zukunft nicht mehr unternehmen können. Wer aber
will, dass wir so wie bisher weiterarbeiten, der muss zur
bilateralen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit sowie zur Weiterführung der kulturellen Beziehungen bereit sein. Ich wünsche mir, dass die Bemühungen
fortgesetzt werden, das Goethe-Institut in Kuba aufzubauen. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die kulturellen Außenbeziehungen so zu gestalten, dass sich
Deutschland auf der Buchmesse in Kuba - sie hat als
Schwerpunktland Deutschland - angemessen präsentieren kann. Es dürfen nicht nur seltsame Verlage dort vertreten sein. Wir müssen unseren kulturellen Beitrag dazu
leisten.
Deswegen lehnen wir Ihre strikten Forderungen ab
und bitten um Zustimmung zur Beschlussempfehlung
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung.
({0})
Während der Zwischenfrage von Herrn Fischer kam
aus Ihren Reihen der Ruf, er möge eine Frage stellen.
Aus diesem Anlass möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass nach § 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung
nicht unbedingt Fragen gestellt werden müssen, auch
wenn der Präsident immer fragt, ob der Redner eine
Zwischenfrage zulassen möchte. Es können auch Zwischenbemerkungen gemacht werden.
({0})
Ich gebe Ihnen jetzt das Ergebnis der Wahl des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bekannt. Abgegebene Stimmen 584, ungültige Stimmen 6. Mit Ja haben
gestimmt 347, mit Nein haben gestimmt 227, Enthaltungen 4. Herr Peter Schaar hat damit die erforderliche
Mehrheit erhalten und ist zum Bundesbeauftragten für
den Datenschutz gewählt.
Ich begrüße Sie, Herr Schaar, auf der Tribüne und
spreche Ihnen die Glückwünsche des Deutschen Bundestages aus.
({1})
Dem bisherigen Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Dr. Joachim Wolfgang Jacob, gilt unser
Dank für sein verdienstvolles Wirken.
({2})
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen
Markus Löning von der FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich eine kurze Vorbemerkung zu dem kleinen Geplänkel über den EEF machen. Die Position der FDP ist:
Wir sind dagegen, dass MONUC und andere Missionen
aus dem EEF finanziert werden. Dabei bleiben wir. Wir
fordern die Bundesregierung auf, verstärkt darauf hinzuwirken, dass Gelder, die nicht abgeflossen sind, für den
Kampf gegen Aids eingesetzt werden können.
({0})
Das ist gerade auch vor dem Hintergrund wichtig, dass
die Bundesregierung in diesem Bereich zu geringe Anstrengungen unternimmt.
Das Thema, über das wir uns heute unterhalten, ist die
Armutsbekämpfung. Was die WTO und die Doha-Runde
angeht, so sind wir uns in diesem Haus einig, dass die
WTO wichtig ist. Sie setzt einen verlässlichen Rechtsrahmen - das spielt gerade für kleinere Entwicklungsländer, die sich sonst nicht durchsetzen können, eine wichtige Rolle - und trägt dazu bei, dass dieser in den
internationalen Beziehungen auch anerkannt wird. Denn
es darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Darüber
sind wir uns in diesem Hause einig. Ich wünsche mir,
dass diese Ansicht gerade nach außen etwas intensiver
vertreten werden würde, vor allem gegenüber den so genannten Globalisierungsgegnern. Es ist richtig und wichtig, dass wir einen international geregelten Rechtsrahmen haben und damit den Ländern zum Beispiel einen
Marktzugang ermöglichen.
Ich will auf zwei Punkte hinweisen, die aus unserer
Sicht besonders wichtig sind und bei denen die Bundesregierung gefordert ist. Der erste betrifft das Thema
Agrar. Wir als Deutsche und als Europäer müssen hier
nachlegen; unser Angebot muss nachgebessert werden.
Ich fordere die Bundesregierung ausdrücklich auf - das
soll sie im Kabinett besprechen -: Wirken Sie auf unsere
französischen Freunde ein. Stellen Sie sich unseren französischen Freunden auf die Füße! Wir müssen hier vorwärts kommen, einen Schritt weiter gehen, stärker entkoppeln und herunter von den Exportsubventionen.
({1})
Frau Ministerin, Sie haben in Cancun die Baumwollinitiative ohne jeglichen sinnhaften Zusammenhang ins
Leben gerufen. Ich möchte Sie hier noch einmal ausdrücklich daran erinnern, dass Sie auch bezüglich der
Baumwolle hier im Haus im Wort stehen.
({2})
Sie haben sich hier dafür eingesetzt und wir erwarten,
dass Sie bei unseren europäischen Partnern wirklich Butter bei die Fische tun, sodass sich dort etwas entwickelt.
({3})
Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen,
das in diesem Hause sicherlich etwas kontroverser gesehen werden dürfte. Wir sind nicht dafür, die SingapurThemen unauflösbar mit den Agrarverhandlungen zu
verknüpfen. Wir sind aber gerade auch aus entwicklungspolitischer Sicht dafür, dass die Singapur-Themen
behandelt werden;
({4})
denn auch die Singapur-Themen sind Entwicklungsthemen.
Ich will zwei Beispiele nennen: Erstens. Wir wollen
in den Entwicklungsländern eine transparente öffentliche Auftragsvergabe erreichen. Dabei geht es nämlich
um Korruptionsbekämpfung. Es gehört zu Good Governance, wenn die Verwaltungen in den Entwicklungsländern in der Lage sind, eine klare und transparente öffentliche Auftragsvergabe durchzuführen.
Zweitens. Ähnliches gilt für die Sicherheit von Investitionen. Natürlich wollen wir Direktinvestitionen
der Länder des Nordens in den Ländern des Südens. Unter anderem dadurch werden dort Arbeitsplätze entstehen und wird die Armut bekämpft. Deswegen brauchen
wir auch in diesen Ländern Sicherheit für die Investoren.
Dies ist keine unbillige Forderung, sondern eine, die
einen hohen entwicklungspolitischen Gehalt hat.
({5})
Dahinter stehen Themen wie Rechtsstaatlichkeit und
eine vernünftige Verwaltung - das ist ähnlich wie bei der
öffentlichen Auftragsvergabe. Die FDP hält es für unerlässlich, dass diese Themen von uns weiterhin mit Nachdruck vertreten werden, wenn wir auch die strikte Koppelung an die Agrarverhandlungen nicht unterstützen.
Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen,
der in der entwicklungspolitischen Diskussion ebenfalls
wichtig ist. Es wird in den Ländern des Südens keine
Entwicklung geben, wenn es dort nicht zu Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und vor allem auch zur Durchsetzung von Marktwirtschaft und freiem Handel
kommt. Wir dürfen die Länder des Südens in den Verhandlungen, die wir führen, und in unserer ganzen Entwicklungspolitik an dieser Stelle nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Es ist essenziell, dass wir in den
Gesprächen und Verhandlungen, die wir führen, und in
der Entwicklungszusammenarbeit, die wir vereinbaren,
darauf bestehen, dass die Länder des Südens einen deutlichen Anteil haben. Es liegt in ihrer Verantwortung, sich
staatlich zu organisieren, sodass rechtsstaatliche Elemente durchgesetzt werden und die Menschen die Möglichkeit haben, marktwirtschaftlich tätig zu werden und
aus eigener Initiative Unternehmen aufzubauen. Auch in
kleinen Unternehmen müssen sie in der Lage sein, Geld
zu verdienen, damit sie ihre Familien ernähren und den
einen oder anderen Arbeitsplatz schaffen können. Mit
der Entwicklungspolitik allein können wir das nicht leisten, wenn die Verantwortung in den Ländern selbst nicht
mit Nachdruck wahrgenommen wird. Ich finde es wichtig, das zu betonen.
({6})
Ich habe einige der vielen Länder besucht, wo das
nicht so ist, in denen wir die Entwicklungshilfe fortsetzen, obwohl wir sehen, dass die Regierung das Gegenteil
von Entwicklung betreibt. Wir müssen dort genauer und
kritischer hinschauen. Es wird uns nicht gut angerechnet,
wenn wir das nicht tun. Um es einmal milde auszudrücken: Teilweise wird über uns geschmunzelt.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Als
Europäer müssen wir bei den Agrarverhandlungen deutlich nachlegen. Wir müssen an den Singapur-Themen
festhalten und wir sollten unsere Partner in der Dritten
Welt an ihre eigene Verantwortung deutlich erinnern.
Vielen Dank.
({7})
Als nächster Redner hat der Kollege Thilo Hoppe
vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist gar nicht so einfach, in einer Rede zu vier ganz verschiedenen Anträgen Stellung zu beziehen. Die beiden
großen Fraktionen haben es einfacher; denn sie können
sich das aufteilen.
({0})
Trotzdem möchte ich auch noch zum Europäischen
Entwicklungsfonds und zum Aufbau einer afrikanischen Friedenstruppe Stellung beziehen. Bitte das eine
tun und das andere nicht lassen. Wir unterstützen es,
dass die Europäische Union beim Aufbau der afrikanischen Friedenstruppe hilft, aber dies darf nicht aus dem
Europäischen Entwicklungsfonds finanziert werden.
Beides ist zwar gleichermaßen notwendig, aber das eine
darf nicht auf Kosten des anderen geschehen.
({1})
Zum Kuba-Antrag kann ich mich kurz fassen. Selbstverständlich teilt die grüne Fraktion die Kritik an den zunehmenden Menschenrechtsverletzungen auf Kuba.
Dass es sogar zu Hinrichtungen gekommen ist, erfüllt
uns mit Abscheu und Entsetzen.
({2})
- Davon hört man von mehreren Kollegen und auch von
mir eine ganze Menge. Dass sich die Regierung Castro
zunehmend abschottet, ist auch daran zu sehen, dass unserer Kollegin Claudia Roth, der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, die Einreise verweigert
wurde.
({3})
Als wir Ihren Antrag im Ausschuss beraten haben,
gab es zwischen unseren Fraktionen weitgehend Übereinstimmung in der Beurteilung der Lage auf Kuba. Unterschiede bestanden nur in der Frage der richtigen Strategie. Soll man nahezu alle Kontakte zur Regierung
Castro abbrechen oder durch punktuelle Zusammenarbeit versuchen, auf den Prozess Einfluss zu nehmen? Es
muss erlaubt sein, diese Frage zu stellen, ohne sich dem
Verdacht auszusetzen, Menschenrechtsverletzungen verharmlosen zu wollen.
({4})
Die drei Spiegelstriche Ihres Antrags, die in der Ausschussberatung diskutiert wurden, haben sich inzwischen von allein erledigt. Kuba hat von sich aus auf die
Aufnahme in die Gruppe der AKP-Staaten verzichtet.
Eine staatliche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit
findet kaum bzw. gar nicht mehr statt. Dazu ist es nicht
mehr gekommen. Der Punkt in Ihrem Antrag, was als
Ermutigung oder gar Zustimmung zu Menschenrechtsverletzungen aufgefasst werden könnte, enthält eine Unterstellung, die man klar und deutlich zurückweisen
muss. Mit den Korrekturen, die in der Ausschussberatung verhandelt wurden, können wir Ihrem Antrag zustimmen. Ich hätte es allerdings besser gefunden, wenn
es uns gelungen wäre, einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag zu erarbeiten. Schade, dass die Bemühungen in diesem Bereich gescheitert sind.
Zu den Kindersoldaten. Wir können der Zielsetzung
des Antrags der CDU/CSU voll und ganz zustimmen.
Sie beklagen zu Recht das Schicksal von mehr als
300 000 Kindern und Jugendlichen, die zwangsrekrutiert, erniedrigt, missbraucht und zum Töten gezwungen
werden. Das ist ein furchtbares, grauenhaftes Kapitel
und eine enorme Herausforderung. Es gibt auch von
Deutschland unterstützte Programme zur Demobilisierung und Resozialisierung von Kindersoldaten. Bei der
Umsetzung dieser Programme - der Kollege Fischer hat
darauf hingewiesen - gibt es große Schwierigkeiten. Unsere Fraktion hat deswegen angeregt - das wird auch in
die Tat umgesetzt -, dass der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im nächsten Jahr
eine Delegationsreise in den Kongo unternimmt, um der
Frage nachzugehen: Wie können wir diese wichtige Arbeit der Resozialisierung und Demobilisierung von Kindersoldaten effektiv unterstützen?
Die Ratifizierung des Fakultativprotokolls ist auf
dem Weg. Es wäre wichtig, von der CDU/CSU zu wissen, ob auch sie für die Bundeswehr den Kurs „straight
18“ mitvertritt, dass also nur Volljährige und nicht wie
bisher zu einem - zugegeben - geringen Teil auch schon
17-Jährige an der Waffe ausgebildet werden. Damit es
kein Missverständnis gibt: Dabei handelt es sich nicht
um Kindersoldaten. Das wäre eine ganz falsche Verquickung. Aber - darauf ist hingewiesen worden - wenn
wir dem Fakultativprotokoll wirklich Gewicht verleihen
wollen, dann müssen wir uns selber daran halten. Wir
vertreten klar den Kurs „straight 18“.
Nun fällt es mir schwer, von Kuba und den Kindersoldaten den Bogen nach Cancun zu schlagen, dem FDPAntrag zur Welthandelsrunde. Kurzkommentar zu Ihrem Antrag: Licht und Schatten. Sie haben ein sehendes,
meiner Meinung nach aber auch ein blindes Auge. Das
wache Auge blickt auf die ungelöste Agrarfrage und
mahnt völlig zu Recht einen Ausstieg aus den handelsverzerrenden Exportsubventionen an - volle Übereinstimmung. Ein Satz aus Ihrem Antrag bringt es auf den
Punkt:
Bevor man von den Entwicklungsländern Zugeständnisse erwartet, müssen die Industrieländer ihre
Politik der handelsverzerrenden und marktstörenden Maßnahmen aufgeben.
Richtig so - volle Übereinstimmung.
Ebenso unterstütze ich Ihre Forderung, dass die Industrienationen ihre Zölle für verarbeitete Agrarprodukte, zum Beispiel auf dem Kaffeesektor, senken oder
ganz beseitigen sollten, damit in den Entwicklungsländern mehr Wertschöpfung stattfinden kann. Gleiches gilt
auch für Ihre Forderung nach mehr Transparenz, demokratischer Kontrolle und parlamentarischer Begleitung
der WTO.
({5})
- Das haben Sie in der Tat gut gemacht. Das sind die
Lichtseiten in Ihrem Antrag.
Die Doha-Runde muss wirklich eine Entwicklungsrunde werden. Sie muss die Lebensbedingungen der
Mehrheit der Weltbevölkerung verbessern. Sie muss
dazu beitragen, dass die Zahl der Hungernden und der
extrem Armen wirklich sinkt.
In Cancun hätte es Fortschritte geben können, gerade im
Agrarbereich. Dass es dazu nicht gekommen ist, lag
auch daran, dass die Industrienationen Zugeständnisse
auf dem Agrarsektor mit der Behandlung der neuen
Themen, der so genannten Singapur-Themen, nämlich
Investitionsschutz, öffentliches Auftragswesen etc., verbinden wollten. Vor allem an der Verquickung der Verhandlungsthemen sind meines Erachtens die Verhandlungen von Cancun gescheitert. Die Entwicklungsländer
haben befürchtet, bei diesem Kuhhandel wieder über den
Tisch gezogen zu werden. Es wäre bitter nötig gewesen,
auch als vertrauensbildende Maßnahme, endlich Fortschritte im Agrarbereich zu erzielen. Danach, wirklich
erst danach hätte man auch über andere Themen reden
können.
In Ihrem Antrag bestehen Sie auf der Behandlung der
Singapur-Themen. Sie wollen sie sogar ganz oben auf
die Agenda setzen. Mit dieser Hardliner-Position würde
man in der WTO Schiffbruch erleiden. So können die
Gespräche nicht wieder in Gang gebracht werden. Wir
hoffen sehr - ich sage dies ganz offen und konstruktivkritisch auch in Richtung der eigenen Regierung -, dass
man aus den Fehlern von Cancun lernt, dass man den
Bundestagsbeschluss vom 3. Juli dieses Jahres endlich
ernst nimmt und sich deshalb innerhalb der Europäischen Union für eine Kurskorrektur einsetzt.
({6})
Für uns gilt: Agrarfrage zuerst, im Sinne einer Entwicklungsrunde, und erst dann, in einer neuen Verhandlungsrunde, auch neue Verhandlungsthemen, die sowohl für
die Industrienationen als auch für die Entwicklungsländer gleichermaßen Chancen bieten.
An zwei Stellen Ihres Antrags sprechen Sie sich vehement gegen soziale und ökologische Mindeststandards
in der Weltwirtschaft aus. In dem Punkt unterscheiden wir
uns fundamental. Ich hatte auf dem Ökumenischen Kirchentag ein Gespräch mit Näherinnen aus einer der Sonderwirtschaftszonen Nicaraguas. Das waren Frauen, die
elf bis zwölf Stunden täglich arbeiten müssen und nur
zweimal am Tag einen verordneten Toilettengang haben und das bei katastrophalen Arbeitsbedingungen und ohne
jeglichen Arbeitsschutz und alles zu Hungerlöhnen. Das
nennen Sie komparative Kostenvorteile der Entwicklungsländer. Selbst wenn sich einige Regierungen dieser
Länder gegen Mindeststandards aussprechen - die Menschenrechte sind unteilbar.
({7})
Deshalb brauchen wir ganz dringend ökologische und
soziale Leitplanken für die Weltwirtschaft.
({8})
Wir brauchen sie, um die schlimmsten und die grausamen Auswüchse der Globalisierung zu unterbinden.
Auf diesem Gebiet muss auch die WTO in die Pflicht genommen werden.
Zu Bemerkungen über Ihren Argentinien- und Uruguay-Antrag fehlt mir jetzt die Zeit. Ich kann nur darauf
verweisen, dass mit Uruguay und Argentinien in den
letzten Tagen im Rahmen der EU-Mercosur-Verhandlungen verhandelt wurde. Die Fraktionen von
Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben einen Brief geschrieben, in dem sie den Wirtschaftsminister ermutigt
haben, dort im Geiste unseres Bundestagsbeschlusses
vom 3. Juli zu verhandeln. Denn bei den EU-MercosurVerhandlungen wiederholen sich viele Fragestellung und
Konfliktlinien, die auch in Cancun eine große Rolle gespielt haben. Auch dort geht es darum, innerhalb der EU
beweglicher zu werden und stärker auf die Bedürfnisse
und Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer
einzugehen, gleichzeitig aber berechtigte deutsche Interessen zu vertreten. Es soll aber ein Ausgleich in dem
Sinne erreicht werden, dass mehr Gerechtigkeit und
Transparenz erreicht und mehr soziale und ökologische
Leitplanken eingezogen werden. Nur so wird es möglich
sein, der Globalisierung ein menschliches Gesicht zu geben.
Ich danke Ihnen.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Weiß von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Diese Debatte und die vorliegenden Anträge zeigen vor
allen Dingen eines: Mittlerweile gilt nicht nur für die Innenpolitik, sondern leider auch für die Entwicklungszusammenarbeit: Es gibt keine klare Linie der rot-grünen
Regierung mehr, es herrscht in jeder Hinsicht, auch argumentativ, Chaos.
({0})
Es gibt zwei entscheidende, angeblich grundlegende
Neuorientierungen rot-grüner Entwicklungszusammenarbeit. Die eine ist die so genannte neue Schwerpunktsetzung aus dem Jahr 2000, ein Papier, das längst zu einem
Dokument der Selbststrangulierung der Entwicklungszusammenarbeit geworden ist.
({1})
Die andere ist das Aktionsprogramm 2015 zur Bekämpfung der weltweiten Armut, das längst Makulatur
ist.
({2})
Selbst als Opposition traut man sich kaum noch, danach
zu fragen, wo das einstmals angekündigte Umsetzungsprogramm bleibt.
Die fehlende klare Linie in der Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich auch bei einigen in dieser Woche zur
Debatte stehenden Fragestellungen. Wenn Schröder und
Struck aus außen- und sicherheitspolitischen Gründen
schnell noch zusätzliche Soldaten nach Kunduz in
Afghanistan schicken wollen, dann muss die Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul mehrere Millionen Euro
zulasten anderer Ausgaben aus ihrem Haushalt herausschneiden.
({3})
Wir reden über einen Haushalt - er wird in der nächsten
Sitzungswoche beraten -, der ohnehin eine erneute Absenkung der Mittel für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet.
Während sich in Ländern wie Argentinien und Uruguay die Lage dramatisch verschlechtert und die Zahl der
Menschen in Armut zunimmt, bleibt die Ministerin tatenlos, weil sie an ihrem überholten Schwerpunktpapier
festhält. Wenn aber Frau Wieczorek-Zeul einen greisen
Diktator wie Fidel Castro besucht, dann soll plötzlich zusätzliches deutsches Geld zu dessen Unterstützung aufgebracht werden.
({4})
Logik und inhaltliche Kohärenz der rot-grünen Entwicklungspolitik sind nicht erkennbar.
({5})
Peter Weiß ({6})
Die Situation auf Kuba ist nach wie vor äußerst besorgniserregend. Sie, Frau Ministerin, und die Koalition
wollten mit der Aufnahme offizieller staatlicher Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba angeblich einen
Wandel durch Zusammenarbeit herbeiführen. Festzustellen ist aber nur ein Effekt: Mit dieser Politik sind Sie
nachdrücklich gescheitert.
({7})
Das liegt vor allem daran, dass die Repressionswelle der
vergangenen Monate dazu geführt hat, dass mittlerweile
sämtliche Anführer einer sich vielleicht entwickelnden
Zivilgesellschaft auf Kuba hinter Gittern sitzen, weil
sich Fidel Castro keinen Deut um das Thema Menschenrechte kümmert.
Frau Kollegin Kortmann, Ihre Rede zu diesem Thema
können Sie in Bezug auf jedes diktatorische Regime halten
({8})
und als Begründung für die Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit anführen.
Aus unserer Sicht ist folgender Punkt entscheidend:
Wir als CDU/CSU sind selbstverständlich zur Unterstützung bereit, wenn es darum geht, dem zivilgesellschaftlichen Bereich also, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen, finanzielle Mittel für ihre
Arbeit zur Verfügung zu stellen. Es ist aber ein großer
Unterschied, ob man den Staat selbst - sprich: das Regime von Castro - als Partner bilateraler Entwicklungszusammenarbeit akzeptiert oder nicht.
({9})
Zu einer Entwicklungszusammenarbeit mit solchen Partnern sagen wir klar und eindeutig Nein. Die Entwicklungen der vergangenen Monate haben uns darin noch bestärkt.
({10})
Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Kortmann?
Ja, bitte.
Frau Kortmann, bitte schön.
Ich frage nicht, welche Unterwäsche Herr Weiß trägt
und was darauf abgebildet ist. Nein, Herr Kollege, mir
geht es vielmehr um die sachliche Frage, wodurch die
Diskrepanz in Ihrer Fraktion zu begründen ist, dass Sie
auf der einen Seite einem Rechtsstaatsdialog mit China
zustimmen und dort den Wandel durch Annäherung
- diesen Begriff haben Sie gerade in Ihrer Rede verwendet - trotz der dramatischen Menschenrechtssituation in
China unterstützen, dass Sie aber auf der anderen Seite
im Falle Kuba zu einer unterschiedlichen Schlussfolgerung kommen, obwohl die gleiche Zielsetzung gegeben
ist und Ihnen die Bemühungen seitens der Wirtschaft
- durch den Bundesverband der Deutschen Industrie und seitens der katholischen Kirche durch den Besuch
des Papstes bekannt sind, auch in Kuba zu einem solchen Wandel durch Annäherung beizutragen. Worin sehen Sie den elementaren Unterschied?
({0})
Verehrte Frau Kollegin Kortmann, mit Ihrer Frage bestätigen Sie eigentlich das, was ich vorgetragen habe,
({0})
nämlich dass es durchaus sinnvoll und richtig ist, im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements der Kirchen, Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen und
auch der Wirtschaft die Zusammenarbeit zu suchen und
ein Wandel herbeizuführen. Die Frage, ob eine direkte
staatliche Zusammenarbeit mit dem Regime von Fidel
Castro
({1})
begonnen werden sollte, muss aber danach bemessen
werden, ob sie zu positiven Effekten führt. Das muss jedes Mal aufs Neue auf den Prüfstand gestellt werden.
Festzustellen ist aber: Die Zusammenarbeit mit
Castro und damit das Diktum vom Wandel durch Zusammenarbeit ist gescheitert. Castro hat die Zusammenarbeit mit uns und mit der Europäischen Union sogar
von sich aus aufgekündigt. Erst danach hat die Bundesregierung reagiert. Ich halte das für reichlich spät und
auch für ziemlich daneben.
Es geht uns darum, den Wandel zu befördern und mit
denjenigen zusammenzuarbeiten, die den Wandel befördern wollen. Es geht uns nicht darum, mit denen zusammenzuarbeiten, die diesen Wandel verhindern. Frau Ministerin, solch eine Politik ist falsch. Der Fall Fidel
Castro hat nun einmal belegt, dass die Politik der Ministerin, die auf Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene ausgerichtet war, gescheitert ist.
({2})
- Nein, Frau Kollegin, sie war sehr konkret und bezog
sich auf den Punkt, den Sie angesprochen haben.
({3})
Peter Weiß ({4})
Das Thema Kuba zeigt, dass Ihre Schwerpunktsetzung offensichtlich sehr paradoxen Kriterien folgt. Frau
Kollegin Kortmann, Frau Ministerin, gelten für RotGrün eigentlich noch die fünf Kriterien der Entwicklungszusammenarbeit, die wir im Bundestag einmal
gemeinsam beschlossen haben - dabei spielte die Achtung der Menschenrechte eine zentrale Rolle -, oder haben Sie die entsprechende Schwerpunktsetzung aufgegeben?
({5})
Kuba wurden deutsche Entwicklungshilfegelder viel
zu lange geradezu hinterhergetragen.
({6})
- Ja, sicherlich. Sie haben sich geradezu angebiedert, damit Castro dieses Geld endlich nimmt.
({7})
- Herr Kollege Ströbele, natürlich hat er das Geld nicht
genommen; aber ihr seid ihm doch ständig hinterhergerannt.
({8})
Das ist der Punkt.
Die Paradoxie Ihrer Politik zeigt sich darin, dass Sie
andererseits Länder im Süden Lateinamerikas, Argentinien und Uruguay, die nach einer schweren Wirtschaftskrise einen dramatischen Anstieg der Armut zu
verzeichnen haben, vernachlässigen. Nach Daten des
UN-Entwicklungsprogramms hat sich die absolute Armut im Zuge der Krise in kürzester Zeit verdoppelt. Die
Indikatoren der letzten Jahre zeigen auch für Uruguay
- es befindet sich im Sog der argentinischen Krise nach unten.
Wenn sich eine solche Krise dermaßen auf die Bevölkerung auswirkt, dann besteht nach unserer Auffassung
für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit Handlungsbedarf. Man kann dann nicht krampfhaft an einem
Konzept festhalten, das vorsieht, dass Argentinien und
Uruguay 2004 aus der Entwicklungszusammenarbeit mit
Deutschland völlig herausfallen. Deswegen bitten wir
Sie darum, dieses Konzept zu korrigieren. Man kann
nicht leugnen, dass sich die Daten, die einmal zu dieser
Entscheidung geführt haben, inzwischen dramatisch verschlechtert haben.
({9})
- Herr Kollege Ströbele, es gibt auch in Schwellenländern Menschen, die absolut arm sind und auf unsere
Hilfe und Unterstützung angewiesen sind.
({10})
Entwicklungspolitik entspringt nicht nur einer moralischen Verpflichtung, sondern sie dient in ganz besonderer
Weise der Verfolgung unserer außenpolitischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftspolitischen Interessen.
Sie ist ein Instrument zur Bewahrung und zum Transfer
von Stabilität, zur langfristigen Krisenprävention und zur
Krisenbeilegung. Deshalb ist auch die Entwicklungszusammenarbeit mit Schwellenländern im deutschen Interesse.
Wir fordern, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wieder an klaren und berechenbaren Grundsätzen ausgerichtet wird und dass auch hinsichtlich der
Finanzierung Verlässlichkeit besteht. Dies wird mit dem
Bundeshaushalt, der in der nächsten Sitzungswoche beraten werden soll, erneut nicht möglich sein. Wir bitten
Sie, unseren Anträgen, die sich auf Kuba, Argentinien
und Uruguay beziehen, zuzustimmen.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Sascha Raabe von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Nachdem Kollegin Kortmann zu
den Themen „Kuba“ und „Kindersoldaten“ schon gesprochen hat, wollte ich mich in meiner Rede im Sinne
der Arbeitsteilung auf die Behandlung der beiden anderen Anträge beschränken. Aber, verehrter Herr Kollege
Weiß, im Ausschuss habe ich Sie als einen durchaus vernünftigen Menschen kennen gelernt. Ich habe aber den
Eindruck: Jedes Mal, wenn Sie hier in der Bütt stehen,
gehen die Gäule mit Ihnen durch. Angesichts der Art
und Weise, wie Sie gegen unsere Ministerin und differenzierte Entwicklungsansätze polemisieren, um Kuba
und andere Länder gegeneinander auszuspielen, kommt
es mir so vor, als ob Sie froh wären, mit Castro wenigstens noch ein Feindbild in der Welt zu haben, und als ob
Sie alle vernünftigen Entwicklungsansätze zunichte machen wollten. Gehen Sie lieber in sich - das wäre auch
im Interesse der dort lebenden Menschen - und begreifen Sie endlich den Unterschied zwischen Polemik und
einer differenzierten Entwicklungspolitik, wie wir sie
machen!
({0})
- Um eine Bütt handelt es sich immer dann, wenn hier
jemand so redet, als ob er in der Bütt wäre. Für die anderen Kollegen ist das Rednerpult sicherlich keine Bütt.
({1})
Ich komme nun auf den Antrag der CDU/CSU-Fraktion betreffend Argentinien und Uruguay zu sprechen.
Es ist sicherlich gut - das kann man festhalten -, dass
sich Argentinien nach der Überwindung der Folgen der
Finanzkrise wieder etwas aufrichtet. Dort gab es in den
vergangenen Monaten ein Wirtschaftswachstum von
7 Prozent, was für lateinamerikanische Verhältnisse
durchaus vorbildhaft ist.
({2})
Es ist richtig, dass die bilaterale Zusammenarbeit mit Argentinien und Uruguay als Folge einer von der Bundesregierung durchgeführten Evaluierung der Kooperationsländer ausläuft. Die Aktivitäten werden in Uruguay noch
bis Ende 2003 und in Argentinien bis Ende 2005 fortgeführt. Mehr Geld für Argentinien und Uruguay - so wünschenswert das im Sinne des CDU/CSU-Antrags auch
wäre - würde weniger Geld für bedürftigere Länder Lateinamerikas bedeuten, ganz zu schweigen von den noch
ärmeren Ländern Afrikas. So ist das nun einmal: Wenn
man jemandem etwas mehr gibt, dann muss man es jemand anderem wieder wegnehmen.
Die Argentinierinnen und Argentinier haben, wie Sie
selbst das in Ihrem Antrag erwähnen, nach der Wahl von
Nestor Kirchner zum Präsidenten wieder Hoffnung. Sie
hoffen mit eigenen Mitteln und mit einer eigenen Entwicklungsstrategie aus den Trümmern der Finanzkrise
von 2001 wieder aufzustehen. Ich zitiere an dieser Stelle
aus Ihrem Antrag:
Argentinien ist hierbei aber dringend auf die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft
angewiesen.
Diesen Satz kann ich nur unterstreichen. Dabei missversteht die Opposition jedoch wieder einmal die Prinzipien der modernen Entwicklungspolitik. Es entspricht
nicht dem zeitgenössischen Verständnis von Entwicklungspolitik, tröpfchenweise die Projekte weltweit zu
verteilen. In der heutigen Entwicklungszusammenarbeit
geht es vielmehr darum, die Bedingungen für eine gerechte globale Strukturpolitik zu schaffen. Dies ist nur zu
erreichen, wenn man Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe sieht.
Gerade an den Länderbeispielen Argentinien und
Uruguay kommt die Notwendigkeit der Schaffung einer
gerechten Welthandelsordnung deutlich zum Ausdruck;
denn beide Länder könnten in agrarwirtschaftlicher Hinsicht starke Exportnationen sein. Doch das Welthandelssystem lässt dies nicht zu. Zwar predigen die Industrieländer immer wieder die Vorteile des freien Handels.
Aber ausgerechnet im Landwirtschaftssektor, auf dem
viele Entwicklungsländer wettbewerbsfähig sind, verhindern hohe Subventionen und Zölle faire Marktchancen. Insbesondere für die ärmsten Menschen, die größtenteils im ländlichen Raum leben, sind die hoch
subventionierten europäischen Agrarexporte verheerend,
weil die Kleinbauern auf den heimischen Märkten nicht
mit den EU-Dumpingpreisen konkurrieren können. Argentinien und Uruguay brauchen deshalb keine Almosen, sondern faire globale Handelsbedingungen, um ihre
eigenen Kräfte entfalten zu können.
({3})
Für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung ist
auch eine internationale Steuerung der Finanzmärkte
notwendig. Argentinien bietet hierfür ein Paradebeispiel; denn heute kann man per Mausklick nicht nur eine
E-Mail nach Argentinien versenden, sondern auch Devisentransaktionen in Milliardenhöhe tätigen und damit
die gesamte argentinische Volkswirtschaft auf den Kopf
stellen mit bitteren Konsequenzen für die Bevölkerung.
Wichtiger als neue bilaterale Entwicklungsprojekte ist
deshalb eine Stärkung der internationalen Finanzarchitektur. Die unterschiedlichsten Teilorganisationen
der Vereinten Nationen sowie die Weltbank und insbesondere der Internationale Währungsfonds müssen besser koordiniert werden, um eine politische Regulierung
der Weltfinanzströme zu gewährleisten. Die Einführung
einer Devisentransaktionsteuer, der so genannten Tobin
Tax, sollte allen Schwierigkeiten zum Trotz weiter geprüft werden.
Von großer Bedeutung für Argentinien und Uruguay
ist das regionale südamerikanische Bündnis Mercosur.
In diesem Zusammenhang - Herr Hoppe hat darauf zu
Recht hingewiesen - bieten die anstehenden Handelsgespräche zwischen der EU und dem Mercosur eine ausgezeichnete Chance, um eine nachhaltige Entwicklung zu
ermöglichen. Entwicklung in Lateinamerika ist für uns
alle von Interesse. Als Exportnation sind wir aus ökonomischen Gründen darauf angewiesen, dass in Lateinamerika Wohlstand und Kaufkraft steigen; wir wollen ja
unsere Produkte dort besser verkaufen können. Gerade
diese Länder bieten im Gegensatz zu den OECD-Staaten
mit ihren gesättigten Märkten noch ein enormes Nachfragepotenzial.
Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur dürfen aber nicht zu der Annahme verleiten, dass
damit ein erfolgreicher Abschluss der multilateralen
Welthandelsrunde, der so genannten Doha-Runde, weniger wichtig wird. Herr Löning, in diesem Zusammenhang kann ich den ersten Teil der Überschrift des FDPAntrags „Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen“ nur
voll unterstützen. Auch beim Thema Subventionsabbau
sind wir uns - gemeinsam mit anderen Kollegen - immer sehr einig.
Beim zweiten Teil des Titels Ihres Antrags „Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung und Wohlstand durch
Freihandel“ muss ich allerdings etwas entwicklungspolitisches Wasser in Ihren liberalen Wein schütten. Schon
die Grundanalyse Ihres Antrags, dass die Öffnung der eigenen Märkte zu mehr Wohlstand, Bildung, Gesundheit
und Rechtssicherheit in den Entwicklungsländern führt,
ist an Naivität kaum zu übertreffen. Nach den bitteren Erfahrungen, die viele Entwicklungsländer mit den Liberalisierungsvorgaben des Weltwährungsfonds gemacht haben, dürfen wir doch nicht mehr so blauäugig sein, zu
glauben, bei der nächsten Liberalisierungsrunde werde
der Markt schon alles richten. Solange die Rahmenbedingungen nicht stimmen und fairer Welthandel nicht möglich ist, kann ich den Entscheidungsträgern in den Entwicklungsländern nur davon abraten, allzu schnell und
bereitwillig weitere Marktöffnungszusagen zu geben.
Herr Kollege Raabe, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Löning?
Aber sicher doch.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Ist es nicht so, dass gerade die Elemente in unserem Antrag, die Sie kritisieren,
die Elemente sind, die in Europa zur Entwicklung von
Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit geführt haben? Sind
es also nicht gerade Freihandel und offene Märkte, die
zu Rechtsstaatlichkeit und zu unserem heutigen Wohlstand geführt haben?
({0})
Herr Löning, genau das ist Ihre verkürzte Analyse.
Bei uns haben Liberalisierung und Marktöffnung nur
deshalb zum Erfolg geführt, weil wir in Schritten vorgegangen sind und unsere eigene Wirtschaft durch Zölle
und andere Maßnahmen zum Außenschutz immer graduell geschützt haben. Das ist ja gerade das, Herr Löning,
was uns die Entwicklungsländer zu Recht vorwerfen. Es
gibt ein ganz bekanntes Buch. Es hat den Titel „Kicking
Away the Ladder“. Mit anderen Worten: Man versucht,
den Entwicklungsländern die Leiter - die Maßnahmen,
die zum Beispiel bei uns in Deutschland zum Erfolg geführt haben - wegzukicken. Den Entwicklungsländern
soll also verboten werden, ihre Wirtschaftssektoren, die
noch im Aufbau begriffen sind, zu schützen. Vor dem
Hintergrund, den ich aufgezeigt habe, müssen Marktöffnung und Freihandel aber Zug um Zug erfolgen - nach
dem jeweiligen wirtschaftlichen Stand.
({0})
Ohne dass ich Ihre Stehzeit unnötig verlängern
möchte, Herr Löning, möchte ich doch noch ein Beispiel
nennen, nämlich die südostasiatischen Tigerstaaten,
die trotz der Asienkrise nach wie vor als Musterbeispiele
eigenständiger Entwicklung von armen und ärmsten Entwicklungsländern zu Schwellen- und Industrieländern
gelten können. Der Erfolg dieser Länder basiert gerade
nicht auf der sofortigen und vollständigen Öffnung der
eigenen Märkte; im Gegenteil: Diese Länder haben ihre
Märkte sehr selektiv und nur schrittweise in dem Maß
geöffnet, in dem es der eigenen Entwicklung nicht geschadet hat, so wie auch wir das früher gemacht haben.
Herr Löning, Sie haben das jetzt verstanden, glaube
ich, und können das beim nächsten Antrag sicherlich
noch besser formulieren.
({1})
Liberalisierung darf, wie gesagt, kein Selbstzweck
sein, darf nicht nur zu mehr Gewinnen der Großkonzerne in den Industriestaaten und der Eliten in den Entwicklungsländern führen, sondern muss zur Armutsverminderung beitragen. Deshalb - da stimme ich mit dem
Kollegen Hoppe überein - ist die Aufnahme der Kernarbeitsnormen und Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation, der ILO, in das WTO-Regelwerk - anders als die FDP-Fraktion meint - durchaus ein
sinnvolles, wenn auch erst mittelfristiges Ziel.
Es geht natürlich nicht darum, den Entwicklungsländern die komparativen Vorteile zu nehmen, die sie aufgrund der niedrigen Arbeitskosten momentan und noch
auf lange Sicht haben. Aber die auf Menschenrechten
beruhenden Mindeststandards, die sklavenähnliche Arbeitsbedingungen, Hungerlöhne und Kinderarbeit verhindern sollen, müssen eingefordert werden.
({2})
Schließlich sollten diejenigen Firmen, die durch Handel
mit Waren und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt
hohe Gewinne erzielen können, durchaus in der Lage
sein, ihre Arbeiter menschenwürdig zu behandeln und zu
bezahlen. Wir wollen nicht die Eliten und Firmenbosse,
sondern die Menschen fördern.
({3})
Um die Regierungen der Entwicklungsländer zu überzeugen, dass es bei den Kernarbeitsnormen nicht um einen neuen Protektionismus der Industrieländer geht, müssen wir aber zunächst unsere Agrarsubventionen abbauen
und unsere Märkte öffnen. Erst nach dieser Vorleistung
können und sollten wir die ILO-Normen verankern.
({4})
Diese Vorleistung, Herr Löning, gilt auch für die Aufnahme der Singapurthemen in die WTO-Verhandlungen.
Natürlich sind die Themen prinzipiell verhandelbar. Ich
tabuisiere nicht die einzelnen Bestandteile, sondern
glaube, dass eine vernünftige Ausgestaltung für die Entwicklungsländer die Chance bedeutet, etwas gegen Korruption zu unternehmen. In vielen Punkten sind wir uns
mit den meisten Regierungen der Entwicklungsländer
sogar durchaus einig. Aber nachdem diese in den letzten
Jahrzehnten und besonders nach der Uruguayrunde aus
ihrer Sicht hinsichtlich ihrer Forderungen im Prinzip immer betrogen worden sind, fordern sie nun, dass im
Agrarbereich zunächst substanzielle Vorleistungen erbracht werden, bevor sie in die Verhandlungen eintreten.
Wir haben im Juli dieses Jahres auch im Bundestag einen entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen zur
Doha-Runde beschlossen. Wenn die FDP nun fordert,
dass die Singapurthemen auch ohne Vorleistung der Industrieländer verhandelt werden, hat sie aus dem Scheitern der Konferenz von Cancun nichts gelernt.
Auch die Europäische Union muss - da sind wir uns
in diesem Hause hoffentlich einig - endlich ihre Verhandlungsfehler in Cancun erkennen und aufgrund dessen die Singapurthemen zurückstellen, damit die DohaRunde noch zum Erfolg führen kann.
Die Bundesregierung ist gefordert, die Beschlüsse des
Bundestages energischer als bisher umzusetzen und ihren Einfluss in der EU stärker zu nutzen.
({5})
Gerade unsere Bundesministerin Heidemarie
Wieczorek-Zeul hat vorgemacht, wie es geht: Ihre in
Cancun gestartete Initiative
({6})
zum Abbau der europäischen und US-amerikanischen Baumwollsubventionen, die gerade für die ärmsten Menschen in den afrikanischen Staaten schlimmste
Auswirkungen haben, hat die Europäische Union letztlich dazu gebracht, dieses Thema in Cancun zu unterstützen. Leider ist das dann an der Blockade der USA
gescheitert. Aber es ist peinlich, wenn die FDP einerseits
in ihrem Antrag genau diese Subvention geißelt und andererseits aus parteitaktischem Kalkül die Ministerin dafür kritisiert, dass ihr Vorstoß in Cancun nicht vom Verhandlungsmandat der EU gedeckt war.
({7})
Gerade weil die EU - außer beim Thema Baumwolle,
Herr Löning - starr am Verhandlungsmandat festgehalten hat, ist die Konferenz gescheitert. Deshalb ist es jetzt
wichtig, dass wir unsere Minister, insbesondere Bundeswirtschaftsminister Clement und auch Landwirtschaftsministerin Künast, ausdrücklich ermutigen, eine deutsche Initiative innerhalb der EU zu starten, um das
Verhandlungsmandat zu verbessern. Nur dann kann die
Doha-Runde noch zum Erfolg werden.
({8})
In unserem Bundestagsbeschluss vom Juli werden
alle Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss
im Sinne einer echten Entwicklungsrunde genannt. Deshalb ist der FDP-Antrag - der in Teilen gut gemeint sein
mag - überflüssig. Als Parlamentarier sollten wir gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen für die Umsetzung unserer bereits gefassten Beschlüsse streiten,
damit Gerechtigkeit Wirklichkeit wird.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr
Raabe, die Zeit reicht nicht aus, um all das, was Sie gerade erzählt haben, zu widerlegen.
({0})
Aber eines will ich Ihnen sagen: Wenn Deutschland nach
dem Zweiten Weltkrieg nach ILO-Standards aufgebaut
worden wäre, dann wären wir heute nicht die Industrienation, die wir geworden sind.
({1})
Geben Sie bitte den Entwicklungsländern die Chance,
sich zu entwickeln, und erwarten Sie von ihnen nicht,
dass sie sofort den Standard der Industrieländer erreichen. Das kann nicht funktionieren.
({2})
Meine Damen und Herren, das Scheitern der Konferenz von Cancun ist für alle Beteiligten ein großes Problem, sowohl für die Entwicklungsländer als auch für
die Exportländer. Die deutsche Wirtschaft hängt am Export. Bei uns ist jeder dritte industrielle Arbeitsplatz auf
den Export orientiert. Angesichts des schlechten Wachstums, das es aufgrund Ihrer falschen Politik in diesem
Land gibt,
({3})
ist festzuhalten, dass es gerade der Export war, der uns in
den letzten Jahren herausgerissen hat. Ansonsten hätten
wir nur Minuszahlen zu verzeichnen.
({4})
In Cancun ist es zum ersten Mal passiert, dass sich die
WTO einer Opposition von 21 Staaten - zwischendurch
waren es ja auch einmal 22 und 23 - gegenübergesehen
hat, die als Entwicklungsländer gelten. Unter Führung
von Brasilien, Indien und China nahm man bei den Singapur-Themen eine Blockadehaltung ein, die dann auch
auf den Agrarsektor übertragen wurde. Das wissen Sie
genau, Herr Raabe, Sie waren ja dabei. Meiner Meinung
nach waren die Singapur-Themen dabei Nebenschauplatz, denn es ging im Wesentlichen um Agrarthemen.
Der Eklat kam ja für uns überraschend; denn wir hatten
nicht damit gerechnet - ich erinnere mich noch an den
Abend davor -, dass das nun wirklich platzen würde.
Ein Grund für das Scheitern ist die unnachgiebige
Haltung der Entwicklungsländer gewesen. Natürlich
stellt sich hier aber auch die Frage, wie weit die EU und
die USA - dabei sollten wir niemanden ausnehmen überhaupt bereit waren, hier für Abhilfe zu sorgen. Man
kann natürlich durchaus auch Motive bei den Entwicklungsländern finden. Allein schon bei den großen Problemen wie den Finanzkrisen, die Sie ja eben erwähnt
haben, ist die Hilfe nicht so gekommen, wie es sich gerade die Länder im südamerikanischen Raum vorgestellt
haben.
Für mich ist die Zukunft der WTO zurzeit ungewiss;
denn die Amerikaner verweisen ja ziemlich unverhohlen
darauf, dass man durchaus mit bilateralen Handelsabkommen weiterkommen könnte. Deswegen ist es meiner
Ansicht nach eine ganz zentrale Aufgabe der Bundesregierung, zu verhindern, dass jetzt statt Multilateralismus
wieder Bilateralismus Einzug hält. Daran sollten Sie arbeiten.
({5})
Es kann nicht sein, dass wir jetzt anfangen, in Kleinklein-Abkommen andere auszuschließen. Die Entwicklungsländer werden diejenigen sein, die am meisten darunter leiden werden.
({6})
Die ärmsten Länder werden nämlich in bilateralen Verhandlungsprozessen keine Rolle spielen.
Natürlich müssen wir auch an das Thema Agrarsubventionen herangehen; da gibt es für mich überhaupt
keinen Zweifel. Hier sind alle gefordert: die EU und natürlich auch Amerika. Es kann nicht sein, dass die Amerikaner ihre 25 000 Baumwollbauern mit je 156 000 USDollar pro Jahr fördern. Es kann aber genauso wenig
sein, dass die EU - es ist Ihre Aufgabe, Frau Ministerin,
hier etwas zu tun - griechische und spanische Bauern
mit 700 Millionen Euro pro Jahr fördert.
({7})
Wir sind da genauso wenig ein Waisenknabe.
Allerdings kann es auch nicht sein, Frau Ministerin
- das sehe ich vollkommen anders als der Kollege
Raabe -, dass Sie aus der Verhandlungsposition der EU
ausbrechen, wie in Cancun geschehen, und einseitige
Zusagen machen, auf die sich dann Entwicklungsländer,
die den Mechanismus der Verhandlungen bei der WTO
nicht begriffen haben, beziehen. Hier haben Sie meiner
Meinung nach Schaden angerichtet und das Klima gestört.
({8})
Zu den NGOs sollte man in diesem Zusammenhang
ebenfalls ein Wort sagen: Sie jubeln meiner Meinung
nach an der falschen Stelle. Sie schreien „Hurra“, obwohl es nicht angebracht ist. Die ausgelassenen Tänze
einiger NGO-Vertreter wirkten vor dem schwierigen
Hintergrund der gescheiterten Verhandlungen für mich
albern und töricht. Ich frage mich da durchaus, woher
die eine oder andere Organisation - das sollten wir vielleicht einmal etwas intensiver hinterfragen - überhaupt
die Gelder hat, um auf solchen Veranstaltungen aufzutreten. Das ist ja auch dem einen oder anderen von Ihnen,
der mit dabei gewesen ist, aufgefallen. Die Legitimation
von Akteuren, die offenbar nur ein gering ausgeprägtes
Verständnis für die Funktionsweise unserer multilateralen Handelsordnung haben, muss man direkt nach Cancun noch ein bisschen mehr infrage stellen. Hier wäre
ich für Aufklärung durch die Bundesregierung durchaus
dankbar.
Ich bin von dem Ergebnis dieser Runde mehr als enttäuscht. Insbesondere gilt es, ein Auge auf die Veränderungen im Lager der Entwicklungsländer zu werfen.
Auch wenn man bei dem einen oder anderen - ich bitte,
das nicht als europäische Arroganz zu begreifen - ein
bisschen einen Mangel an Professionalität und Verständnis für die Mechanismen feststellen konnte, so ist doch
festzuhalten, dass sie sich nun das erste Mal in der
Gruppe G 21 bzw. G 24 zusammengefunden haben.
Es muss unser Ziel sein, zum einen für Verständnis zu
werben und zum anderen am 15. Dezember in Genf an
den Verhandlungstisch zurückzukehren; denn den Entwicklungsländern wird nur dann geholfen, wenn sie am
Welthandel mit selbst hergestellten Produkten teilnehmen können. Dazu zählen für mich Produkte aus dem
Agrar- und Textilbereich, aber auch veredelte Produkte
wie zum Beispiel der fertig gemahlene Kaffee.
({9})
Wenn wir dazu nicht bereit sind, wird die Entwicklungspolitik scheitern. Für mich ist „trade always better than
aid“.
({10})
Die Situation, in der sich die EU im Moment befindet,
ist alles andere als einfach. Die EU hat zwei Möglichkeiten. Sie kann entweder ganz auf die WTO setzen oder
ebenfalls in bilaterale Verhandlungen mit diversen Blöcken eintreten. Ich bin dagegen. Ich bin vielmehr dafür,
auf die WTO zu setzen, weil das nach meiner Meinung
die allerbeste Chance für den gesamten Welthandel und
letztendlich auch für die Entwicklungsländer ist.
({11})
Wir fordern daher die Bundesregierung auf: Erstens.
Treten Sie konsequent für eine möglichst schnelle Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen ein. Zweitens. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Arbeitsgruppen
in Genf möglichst schnell wieder mit ihrer Arbeit beginnen. Drittens. Stellen Sie in Gesprächen mit EU-Handelskommissar Lamy klar, dass das Gerede über eine
Reform der WTO keinen Sinn macht. Wenn wir jetzt
nämlich anfangen würden, daran herumzubasteln, dann
würde viel zu viel Zeit ins Land gehen.
Wir fordern die Bundesregierung weiterhin auf: Treten Sie bei den Verhandlungen gegenüber Brüssel bitte
geschlossen auf. Es darf nicht sein, dass unterschiedliche
Auffassungen vertreten werden. Denn nicht abgestimmte
Vorstöße innerhalb der Bundesregierung wie der Vorstoß
in Cancun schaden unserer Position insgesamt. Sichern
Sie die Beteiligungsrechte vor allen Dingen der kleineren Mitgliedstaaten. Binden Sie den Deutschen Bundestag kontinuierlich in den weiteren Verhandlungsprozess
ein. In diesem Parlament muss darüber debattiert werden.
({12})
Deutschland ist eine große Exportnation. Daraus ergibt sich für uns die Verpflichtung, den Entwicklungsländern zu helfen. Uns wurde nach dem Zweiten Weltkrieg genauso geholfen, Herr Raabe.
Vielen Dank.
({13})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf Drucksache 15/1191 zu
dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
„Zukunft sichern - Globale Armut bekämpfen“. Der
Ausschuss empfiehlt, den Entschließungsantrag auf
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Drucksache 15/921 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/1015, 15/1016 und 15/1931 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft
und Ernährung
- Drucksache 15/1663 ({0})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
({1})
- Drucksache 15/1966 Berichterstattung:
Abgeordnete Matthias Weisheit
Friedrich Ostendorff
Hans-Michael Goldmann
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe als erstem Redner dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerald
Thalheim das Wort für die Bundesregierung.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs sehr kurz fassen, weil es sich eigentlich um eine
selbstverständliche und sehr nachvollziehbare Angelegenheit handelt.
Worum geht es? Der Gesetzentwurf sieht vor, bei der
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, kurz:
BLE, das Verfahren bei der Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten zu ändern. Bisher ist es
Praxis, dass der Verwaltungsrat ein Vorschlagsrecht hat.
Künftig soll das Vorschlagsrecht bei der Bundesregierung liegen und dem Verwaltungsrat soll ein Anhörungsrecht eingeräumt werden.
Warum halten wir die Gesetzesänderung für notwendig? Dafür gibt es eine ganze Reihe Gründe. Die BLE ist
eine Behörde, die weder körperschaftlich verfasst ist
noch Selbstverwaltungsrechte hat. Bei vergleichbaren
Anstalten des öffentlichen Rechts gibt es solche Regelungen nicht. Wenn das bisher bei der BLE anders war,
dann hat das mehr mit der Historie als mit den tatsächlichen Aufgaben der BLE zu tun.
({2})
Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Die Aufgaben der
BLE haben sich in den letzten Jahren entscheidend geändert und werden sich in Zukunft aufgrund der Reformen
der Europäischen Union in der Agrarpolitik noch stärker
ändern. Insofern gewinnt die Rechtfertigung, die möglicherweise vor Jahren für das Vorschlagsrecht des Verwaltungsrates sprach, immer weniger an Bedeutung.
Das heißt, die Aufgaben ändern sich in der Weise, dass
überwiegend nach rechtlich verbindlichen Vorgaben
ohne Gestaltungsspielräume gehandelt werden muss. Insofern liegt die Verantwortung für das Handeln der BLE
bei der Bundesministerin. Daher muss der Bundesministerin das Vorschlagsrecht eingeräumt werden.
({3})
Das Wichtigste wird in Zukunft sein, zum einen die
im EG-Agrarmarktordnungsrecht verankerten Aufgaben
umzusetzen und zum anderen Aufgaben mit rein behördlichem Charakter durchzuführen. Insofern hat, wie schon
dargestellt, die alte Praxis in der Zukunft keine Relevanz
mehr.
Das hat im Übrigen auch die entsprechende Anhörung belegt. Die anwesenden Juristen haben ganz klar
deutlich gemacht, dass sich aus der Aufgabenstruktur
überhaupt keine Notwendigkeit ergibt, an dem bisherigen Verfahren festzuhalten. Die Sachverständigen der
Opposition haben im Wesentlichen die Frage in den
Raum gestellt, ob der Verwaltungsrat in der Vergangenheit nicht gut gearbeitet habe. Das ist nicht das Thema
des Gesetzentwurfes. Im Gegenteil: Wir schätzen die Arbeit des Verwaltungsrates.
({4})
Wir werden auch in Zukunft seine Beratungen in Anspruch nehmen.
Nur in einem Punkt gibt es eine Abweichung. Aufgrund der dargelegten Gründe kann es nicht Aufgabe des
Verwaltungsrates sein, den Präsidenten und den Vizepräsidenten vorzuschlagen. Dieses Recht muss zukünftig
das Bundesministerium haben. Allerdings wird dem Verwaltungsrat auch in Zukunft, wie das bei vergleichbaren
Behörden der Fall ist, ein Anhörungsrecht eingeräumt.
In der Tat dürften die Konflikte, die während der Diskussion über den vorliegenden Gesetzentwurf möglicherweise politisch aufgebauscht wurden, in der Realität
überhaupt nicht vorhanden sein. Denn es handelt sich
hier am Ende um ein Anliegen, das bei sachlicher Betrachtung tatsächlich nachvollziehbar ist.
Insofern darf ich die Mitglieder dieses Hohen Hauses
bitten, dem Gesetzentwurf aus den dargelegten Gründen
zuzustimmen und endlich eine längst überfällige Entscheidung zu treffen.
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Kollege Albert Deß von der CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Schon in der ersten Lesung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf musste ich auf die Diskrepanz von Reden und
Handeln bei Rot-Grün hinweisen, die durch dieses völlig
unsinnige Gesetzesvorhaben wieder einmal dokumentiert wird. Im Koalitionsvertrag heißt es heuchlerisch:
Wir wollen die demokratischen Beteiligungsrechte
der Bürgerinnen und Bürger stärken.
({0})
Auch bei anderen Gelegenheiten wird Rot-Grün nicht
müde, so hehre Ziele wie Bürgernähe, Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung zu preisen. In der Wirklichkeit praktizieren aber insbesondere die Grünen das Gegenteil,
({1})
wie dieser Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE, beweist.
({2})
Das Auseinanderfallen von Reden und Handeln vor
allem bei den Grünen haben uns Frau Künast und Herr
Trittin auch anlässlich ihrer kürzlich durchgeführten
Brasilienreise vor Augen geführt. Hier wurde auf Staatskosten ein teures Lufttaxi in Bewegung gesetzt.
({3})
Öffentlich aber wird der allgemeine Flugtourismus als
Umweltschädigung und Energieverschwendung kritisiert. So ist es halt bei den Grünen!
({4})
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Vorschlagsrecht des Verwaltungsrats der BLE für die Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Anstalt
gestrichen werden. Damit soll aus rein machtpolitischen
und ideologischen Gründen ein bewährtes Modell der institutionellen Zusammenarbeit von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im Agrarbereich beseitigt werden. Die Mitwirkung des BLE-Verwaltungsrates bei der
Besetzung von zwei Spitzenpositionen erleichtert der
BLE aber die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben, weil
dadurch das gegenseitige Vertrauen zwischen der Behördenleitung und den betroffenen Wirtschaftskreisen und
Institutionen gefördert wird. Die zahlreichen Fachaufgaben der BLE sind nicht mit der von Frau Künast gewünschten Gesinnung, sondern allein mit Sachverstand
und Kompetenz zu bewältigen.
({5})
Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
fungiert auch unter den neuen Rahmenbedingungen der
EU-Agrarreform vom Juni 2003 weiterhin als Marktordnungsstelle für die in der Europäischen Union bestehenden gemeinsamen Marktordnungen. Als Marktverwaltungsstelle ist sie insbesondere bei der Intervention
von Waren, bei der privaten Lagerhaltung und bei Beihilfemaßnahmen tätig. Zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik nimmt die BLE Kassenkredite auf,
auch wenn sie für die Durchführung der Maßnahmen
selbst nicht zuständig ist, wie zum Beispiel im Fall der
EU-Direktzahlungen, die durch die Bundesländer ausgezahlt werden.
In der Anhörung am 5. November zum Gesetzentwurf
im Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft haben sich keine neuen Aspekte dafür ergeben, dass das bisher bewährte Verfahren
geändert werden soll.
({6})
Niemand, meine lieben Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der SPD, hat dort die Meinung vertreten,
dass eine solche Gesetzesänderung rechtlich geboten sei.
({7})
Trotzdem versucht Rot-Grün, mit dem angeblich stärker
gewordenen Behördencharakter der BLE, so wie es der
Herr Staatssekretär gerade dargestellt hat, die Gesetzesänderung zu begründen. Doch bestehen zwischen der
hoheitlichen Tätigkeit einer Institution und der verwaltungsautonomen Besetzung von Leitungsämtern keine
logisch zwingenden Zusammenhänge.
Das jüngste Beispiel dafür ist doch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. In Bezug auf
diese Institution mit einem ausgesprochenen Behördencharakter und vielen hoheitlichen Eingriffsrechten hat
das Bundeskabinett soeben beschlossen, dass im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes
der Beirat dieser Behörde ein Vorschlagsrecht für die Ernennung der beiden Vizepräsidenten erhält. Ich begrüße
es, dass hier so entschieden worden ist.
Auch sollte Rot-Grün endlich mit der Heuchelei und
der dreisten Behauptung aufhören, dass die Streichung
des Vorschlagsrechtes nichts mit dem altersbedingten
Ausscheiden des jetzigen Präsidenten der BLE im
Februar 2004 und der Nachbesetzung der Position zu tun
hat. Wenn das so wäre, hätte man das Gesetz auch ein
Jahr später machen können.
({8})
Die zeitliche Nähe dieses Gesetzentwurfs zum Dienstende des bisherigen, hochverdienten Präsidenten ist so
offensichtlich, dass die Motivation von Frau Künast für
diese Gesetzesänderung mit den Händen zu greifen ist.
Anstatt auf die Land- und Ernährungswirtschaft zuzugehen, gibt Frau Künast mit diesem BLE-Änderungsgesetz ein weiteres Beispiel für ihren Konfrontationskurs.
Nach verbalen Rundumschlägen, Diffamierungen und
Kampfbegriffen wie „Agrarfabriken“, „industrialisierte
Landwirtschaft“, „Massentierhaltung“, „Klasse statt
Masse“, „Agrarwende“ usw. setzt Frau Künast mit diesem Gesetzentwurf den rot-grünen Marsch durch die Institutionen fort,
({9})
wie ihn die Bewegung der 68er, aus deren Dunstkreis die
Grünen sich im Wesentlichen immer noch speisen, auf
ihre Fahnen geschrieben hat.
({10})
Dieser Marsch soll direkt oder indirekt zum Ziel führen.
Beim Gentechnik-Zuständigkeitsgesetz wurde die
indirekte Methode gewählt. Dieses Gesetz, das im Vermittlungsverfahren soeben am Widerstand des Bundesrates gescheitert ist, sollte durch Zuständigkeitsverlagerungen zwischen nachgeordneten Behörden den Weg für
eine ideologisch motivierte Gentechnikverhinderungspolitik bereiten. Die Zuständigkeit des mit hohem Sachverstand versehenen Umweltbundesamtes für die Genehmigung von Freisetzungen und das In-VerkehrBringen von gentechnisch veränderten Organismen soll
auf das Bundesamt für Naturschutz übertragen werden,
bei dem die grünideologische Brille schon stark in Gebrauch ist. Außerdem soll die Zuständigkeit für Genehmigungen nach dem Gentechnikgesetz vom weltweit anerkannten Robert-Koch-Institut auf das neue Bundesamt
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im
Geschäfts- und damit Einflussbereich von Frau Künast
übertragen werden.
({11})
In den Bundesforschungsanstalten und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung scheint Frau
Künast den direkten Marsch durch die Institutionen zu
bevorzugen, nämlich alle Möglichkeiten zu nutzen, um
dort in Leitungspositionen Personen platzieren zu können, die mehr durch ideologische Gesinnung als durch
Sach- und Fachkompetenz auffallen.
({12})
Jüngstes Beispiel sind die Machenschaften des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft bei der Besetzung der Leitungsposition
des neuen Institutes für ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig.
Dort setzte sich das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft bei der Besetzung
der Institutsleitung über die geltenden Berufungsregelungen hinweg und berief eine Kandidatin, die von der
eigens gebildeten und mit hochrangigen, zum Teil externen Wissenschaftlern besetzten Vorschlagskommission
lediglich als bedingt geeignet eingestuft und deshalb
vom Kollegium der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft nicht auf die Vorschlagsliste gesetzt worden
war. In den Reihen der Kommission spricht man deshalb
mit Recht von einem unerhörten Affront durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft.
({13})
Während bei der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft die Berufungsordnung kaltschnäuzig gebrochen und das Vorschlagsrecht der Berufungskommission
mit Füßen getreten wird, geht Rot-Grün bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung anscheinend
eleganter vor.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Ostendorff?
Bitte sehr.
Herr Deß, Sie haben hier nur einen Teil der Wahrheit
kundgetan.
({0})
Wir befinden uns hier in der Debatte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, aber wenn Sie
schon Ausflüge in andere Bereiche unternehmen, sollten
Sie schon der Wahrheit Genüge tun. Für die Besetzung
der Leitungsposition des neuen Instituts der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft erbrachte die Auswahl
der FAL-eigenen Auswahlkommission zwei geeignete
Bewerber.
Die Bewerberin, von der Sie gesprochen haben, wird
vom Ministerium, das auch eine Auswahl vorgenommen
hat, als sehr geeignet angesehen. Die bedingte Eignung
bezog sich darauf, dass diese Bewerberin keine agrarökonomischen Kenntnisse hat. Wenn wir den Ausschreibungstext, den die FAL erstellt hat, lesen, stellen wir
fest, dass agrarökonomische Kenntnisse nicht gefragt
waren.
Stimmen Sie mit mir in der Bewertung überein, dass
das Fehlen einer Qualifikation, die laut Ausschreibungstext gar nicht verlangt wird, nicht als Grund dafür genommen werden kann, jemanden als nur bedingt geeignet einzustufen?
Herr Kollege, da stimme ich nicht mit Ihnen überein.
({0})
Ich bin der Meinung, dass man dann, wenn besser geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten zur Verfügung stehen, die bedingt geeignete Kandidatin nicht nehmen soll.
Lieber Herr Kollege Ostendorff, gerade Sie als Vertreter der Grünen sollten einmal den Bericht des Bundesrechnungshofs über die Personalpolitik Ihrer Ministerin
intensiv durchlesen. Darin wird die Personalpolitik dieses Hauses heftig gerügt.
({1})
Rechtzeitig vor dem altersbedingten Ausscheiden des
bisherigen Präsidenten der BLE im Februar 2004 soll mit
einem gesetzlichen Federstrich das bewährte, aber als
lästig empfundene Mitbestimmungsrecht des Verwaltungsrates beseitigt werden. Damit hätte Ministerin
Künast auch hier den „Frau im Haus bin ich“-Standpunkt
durchgesetzt. - Staatssekretär Thalheim tut mir manchmal Leid, dass er in diesem Ministerium arbeiten muss. Dabei hätte Frau Künast wahrscheinlich genügend Hausaufgaben zu machen, anstatt mit einer überflüssigen und
sachwidrigen Änderung des BLE-Gesetzes die wertvolle
Arbeitskraft ihrer Beamten zu missbrauchen.
An allererster Stelle ihrer Pflichtaufgaben steht, möglichst rasch den Entwurf eines Entkoppelungsgesetzes
zur Umsetzung der EU-Agrarreform vom Juni dieses
Jahres vorzulegen. Nicht genug, dass diese so genannte
Reform aufgrund der dilettantischen Verhandlungsführung von Frau Künast die deutschen Landwirte wirtschaftlich schwer schädigt! Unsere Landwirte müssen
auch noch mit der Planungsunsicherheit fertig werden.
Unsere Bauern wissen immer noch nicht, wie diese EUBeschlüsse national umgesetzt werden.
({2})
Bei einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ist
eine Fülle von Problemen zu klären. Man hört aber
nichts aus dem Hause Künast, wie diese Probleme zu lösen sind.
({3})
Das sind rechtlich und praktisch vordringliche Aufgaben, die Frau Künast erledigen sollte, statt ihre Beamten
mit der unsinnigen Änderung des BLE-Gesetzes zu beschäftigen.
Das bisherige Mitbestimmungsrecht des 28-köpfigen
Verwaltungsrates bei der Besetzung der BLE-Spitzenpositionen bietet die Gewähr für ein vertrauensvolles
und effizientes Zusammenwirken der Anstalt mit den
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppierungen
und den Bundesländern. Es ist zugleich Ausdruck der
Prinzipien der Bürgernähe, der Bürgerbeteiligung und
der Subsidiarität, weil den Betroffenen eine Mitzuständigkeit bei der Besetzung von zwei Leitungspositionen
eingeräumt wird.
Der Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern der
Land- und Ernährungswirtschaft, der Verbraucher und
der Bundesländer zusammensetzt, leistet mit seinen Personalvorschlägen einen wertvollen Dienst; denn der
gesammelte Sachverstand dieses Gremiums ist Garant
dafür, dass bei der Nachfolgebesetzung der Spitzenpositionen Persönlichkeiten gefunden werden, die den Anforderungen einer effizienten und bürgernahen Verwaltung genügen. Dies hat der Verwaltungsrat in der
Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen.
Es ist ja nicht so, dass das Bundesministerium nach
der bisherigen Regelung keine sachgerechte Personalpolitik für die Spitze der BLE betreiben kann.
({4})
Das jetzt fein austarierte Zusammenspiel zwischen Bundesministerium und Verwaltungsrat stellt sicher, dass es
zu sach- und fachgerechten Leitungsbesetzungen kommt.
({5})
Der angeblich überwiegend behördliche Charakter
der BLE kann nicht als Rechtfertigung für die Abschaffung des bisherigen Modells angeführt werden.
({6})
Die vom Verwaltungsrat nicht beeinflussbare Besetzung
der fast 1 000 übrigen Stellen bietet ausreichend Raum
für eine eigenständige Personalführung durch die Anstalt
und das Bundesministerium.
Auch der Bundesrat hat die im vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des BLE-Gesetzes zum Ausdruck
kommende destruktive Absicht der rot-grünen Bundesregierung erkannt und die geplante gesetzliche Streichung des Vorschlagsrechts des BLE-Verwaltungsrates
zu Recht abgelehnt, und das nicht nur mit der Mehrheit
der unionsgeführten Länder, sondern auch mit Zustimmung von SPD-regierten Ländern.
Herr Kollege Deß, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Wir
haben die Uhr leider weiterlaufen lassen. Aber Ihre Redezeit ist um.
Entschuldigung, aber einen Schlusssatz müssten Sie
mir noch erlauben. Ich habe mich nämlich nach der Uhr
gerichtet.
Die überzeugende Argumentation des Bundesrates
lässt erwarten, dass er im zweiten Durchgang des Gesetzentwurfes Einspruch einlegen wird, hoffentlich sogar
mit Zweidrittelmehrheit,
({0})
damit Rot-Grün hier im Bundestag diese Mehrheit nicht
kippen kann. Die CDU/CSU und die FDP werden diesem Gesetzentwurf mit Sicherheit nicht zustimmen.
Ich möchte zum Schluss sagen: Es gibt so viele Probleme und Sorgen in unserem Land. Kümmern Sie sich
um die Probleme und Sorgen unserer Mitmenschen und
unterlassen Sie eine solch unsinnige Gesetzesinitiative!
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Friedrich
Ostendorff.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Gestatten Sie mir zu dem eben gemachten Einwurf noch vorab die Feststellung, dass wir von
Rot-Grün entschlossen sind, die Ministerin darin zu bestärken, das Amt nach dem Ausschreibungstext zu besetzen.
({0})
Nach dem etwas verwirrenden Ausflug des verehrten
Kollegen Deß in das Reich der Agrarmärchen und des
Klassenkampfes hat man fast den Eindruck gewinnen
können, als werde sich die Zukunft der Landwirtschaft
an der Frage entscheiden, wer künftig den Präsidenten
der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
vorschlagen darf.
({1})
Jedenfalls bin ich erstaunt, welche Aufregung das
Thema BLE und meine „ungehaltene Rede“, wie „TopAgrar“ mit Blick auf die erste Lesung titelte, erzeugt hat.
So laut bellen normalerweise nur getroffene Hunde.
Ich halte die ganze Aufregung um dieses Gesetz, über
das wir heute wieder einmal beraten, ehrlich gesagt für
reichlich überzogen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist eine Behörde, die überwiegend
hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Das haben uns die
Juristen Professor Salzwedel und Professor Battis in der
Anhörung im Agrarausschuss in der vergangenen Woche
einmütig bestätigt, auch wenn verschiedene Interessenvertreter das nicht wahrhaben wollen und weiterhin das
Gegenteil behaupten. Es überraschte uns im Übrigen
nicht, dass alle von der Opposition benannten Experten
der Anhörung Mitglieder des Verwaltungsrates waren
bzw. sind. Festzuhalten bleibt: Die BLE erfüllt Aufgaben, die nach rechtlich verbindlichen Vorgaben durchzuführen sind und daher keinen Gestaltungsspielraum bieten.
Die Bundesanstalt hat zwei Leitungsorgane: einen
Präsidenten und einen Verwaltungsrat. Der 26-köpfige
Verwaltungsrat setzt sich zu drei Vierteln aus Vertretern
von Interessenverbänden zusammen. Bei Behörden wie
der BLE ist es absolut unüblich, dass ein Verwaltungsrat
das Vorschlagsrecht für den Präsidenten hat. Die BLE
bildet bislang eine Ausnahme: Als Relikt aus Zeiten, in
denen sie noch „Einfuhr- und Vorratsstelle“ hieß und es
vor allem ihre Aufgabe war, die hungernde Bevölkerung
zu versorgen, hat der Verwaltungsrat das Vorschlagsrecht für den Präsidenten.
Dieses Verfahren ist angesichts der heutigen Situation
nicht mehr angemessen, schließlich berühren die Aufgaben der BLE mittlerweile sehr sensible Bereiche des
Marktgeschehens. Es ist für die Bundesanstalt daher absolut notwendig, nicht den Eindruck entstehen zu lassen,
dass Interessenkonflikte zwischen den Eigeninteressen
der Verbände und Wirtschaftsakteure, die im Verwaltungsrat sitzen, und der Aufgabenerledigung der BLE
auftreten könnten.
({2})
Wir müssen uns klar machen: Die BLE entscheidet
zum Beispiel über die Vergabe von Verkaufslizenzen für
Getreide. Im Verwaltungsrat sitzen aber auch Mitglieder,
deren Geschäft der Getreidehandel ist. Der Deutsche
Raiffeisenverband weist in seiner Stellungnahme darauf
hin, dass es - so wörtlich in keinem Sektor außerhalb der Landwirtschaft die
Situation gibt, dass im Rahmen der Agrarpolitik so
intensiv auf die betroffenen Märkte eingewirkt
wird.
Diese hohe Eingriffsintensität macht es aber doch umso
notwendiger, eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen den Interessenvertretern und dem Staat vorzunehmen. Ich glaube, man tut dem Verwaltungsrat und der
BLE insgesamt einen Gefallen, wenn man durch eine
klare Aufgabenteilung zwischen den Verbänden und
dem Staat Zweifeln an der Integrität dieser Institution
vorbeugt.
Um eines klarzustellen: Es geht nicht um die Abschaffung des Verwaltungsrates und nicht um die Zerschlagung einer erfolgreichen Institution, wie uns die
Kollegin Happach-Kasan von der FDP in ihrer Pressemitteilung weismachen wollte. Das ist natürlich Unsinn,
Frau Kollegin. Der Verwaltungsrat erfüllt wichtige Aufgaben - jetzt und in Zukunft. Für diejenigen, die mit der
neuen Regelung das Ende der BLE heraufziehen sehen,
möchte ich Professor Salzwedel zitieren; schließlich
kann juristischer Sachverstand manchmal sehr hilfreich
sein. Er bezeichnet den Gesetzentwurf als konsequente
Weiterentwicklung der geltenden Rechtslage und sagt
wörtlich:
Selbstredend kann das Bundesministerium sich
auch nach der gegenwärtigen Rechtslage über den
Vorschlag des Verwaltungsrates hinweg setzen,
ohne darauf warten zu müssen, dass … ein von beiden Seiten akzeptierter Kandidat auftaucht.
Die Situation ist also nicht ganz so neu, wie es sich die
Opposition gerne ausmalt. Im Übrigen bestand bei der
Besetzung der Ämter in der BLE bisher immer großes
Einvernehmen zwischen BMVEL und Verwaltungsrat.
Ich denke, daran wird sich auch künftig nichts ändern.
Scharf zurückweisen muss ich den Vorwurf der Opposition, hier solle ein Amt parteipolitisch besetzt werden.
Die Besetzung hat mit Parteipolitik überhaupt nichts zu
tun.
({3})
Es geht ja auch gar nicht um konkrete Kandidaten. Aber
es sagt natürlich viel über Ihr Regierungsverständnis
aus, werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass ein Ministerium auch sachorientiert und frei von parteipolitischem Kalkül agieren kann.
({4})
Dies scheint zu Ihren Regierungszeiten offenbar anders
gewesen zu sein. Sie sollten aber nicht andauernd von
sich auf andere schließen und damit das Ansehen des
Ministeriums beschädigen.
Meine Damen und Herren, die Ernennung des Präsidenten der BLE ist sicherlich ein wichtiges Thema, das
besonders die Funktionäre sehr bewegt. Die Bäuerinnen
und Bauern haben jedoch wahrlich andere Sorgen. Lassen Sie uns dieses Gesetz also verabschieden und dann
endlich zu den wichtigen Fragen der Landwirtschaft zurückkehren;
({5})
denn daran, wer den Präsidenten der BLE vorschlagen
darf, entscheidet sich die Zukunft der Landwirtschaft mit
Sicherheit nicht.
({6})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christel HappachKasan.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Ostendorff, ein Wort sei gestattet: Nicht alles,
was rechtlich möglich ist, ist auch politisch klug. Der
Sachverständige Battis hat auf meine Frage hin ausdrücklich gesagt: Dies ist eine politische Entscheidung
und nicht etwas, was rechtlich geboten ist. - Daran
möchte ich erinnern.
({0})
Mit Personalentscheidungen werden Zukunftsentscheidungen getroffen, die über den Tag der eigenen Regierungsverantwortung hinaus wirken. Darum, liebe
Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, geht es Ihnen:
die Verlängerung der Durchsetzung des eigenen Machtanspruchs, auch wenn die Wählerinnen und Wähler die
Regierungsverantwortung längst neu bestimmt haben.
({1})
Nach dem bis jetzt gültigen Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung schlägt der Verwaltungsrat den Präsidenten und den
Vizepräsidenten zur Ernennung durch das Ministerium
vor. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung verliert
der Verwaltungsrat sein Vorschlagsrecht. Er soll in Zukunft nur angehört werden. Die Ministerin trifft diese
Personalentscheidung in Zukunft allein. Damit geht einher, dass fachliche Erwägungen nachrangig werden, politische aber in den Vordergrund treten. Dies entspricht
nicht der Aufgabenstellung der Bundesanstalt.
({2})
Es gibt - daran will ich erinnern - in keinem anderen
Bereich außerhalb der Land- und Agrarwirtschaft eine
vergleichbare Situation.
({3})
Die Bundesanstalt ist Marktordnungsstelle, die praktische Umsetzung der in Gesetzen und Verordnungen festgelegten Regelungen hat Einfluss auf die Abläufe auf
den Agrarmärkten. Für das Funktionieren des Außenhandels ist beim Im- und Export bei der Kontingentverwaltung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Die bisherige Konstruktion hat
sich bewährt. Daran haben auch Sie von Rot-Grün gar
keinen Zweifel gelassen.
Diese Gesetzesänderung ist zwar rechtlich möglich,
politisch ist sie aber nicht geboten; denn die alte Regelung hat sich bewährt und wird von den beteiligten
Wirtschaftsverbänden anerkannt. Deswegen lehnen wir
von der FDP diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung
ab.
({4})
Hintergrund der Initiative ist die Tatsache, dass der
gegenwärtige Präsident der Bundesanstalt im Februar in
den Ruhestand geht. Die grüne Ministerin will die Nachfolge selbst bestimmen.
({5})
Sie sieht offensichtlich keine Chance, ihre Personalvorstellungen im Verwaltungsrat durchzusetzen. Es geht um
den Vorrang ihres politischen Machtanspruchs und um
politische Ideologie, wo bisher der Fachverstand den
Vorrang hatte.
({6})
In der Anhörung im Ausschuss haben die drei angehörten Verbände diesen Gesetzentwurf abgelehnt.
({7})
Erinnern wir uns - Kollege Deß hat die Vorgänge bei
der FAL zutreffend beschrieben -:
({8})
Der wissenschaftliche Beirat des Ministeriums ist zurückgetreten. Es wird deutlich: Die Ministerin wünscht
keine kritische wissenschaftliche Beratung,
({9})
sondern die an feudale Strukturen erinnernde Zustimmung durch Höflinge. Das müssen wir als demokratische Fraktion ablehnen.
({10})
Denken wir an die Verlagerung der Zuständigkeiten
beim Vollzug des Gentechnikgesetzes. Die Zuständigkeiten für die Genehmigungen von Freisetzungsversuchen, die bisher vom Robert-Koch-Institut vorbildlich
erteilt wurden, sollen verlagert werden.
({11})
Die Zuständigkeit des Bundesumweltamtes soll auf das
Bundesamt für Naturschutz übertragen werden. Das
Handeln der grünen Ministerin dient nicht dem fachkompetenten Gesetzesvollzug.
Im Übrigen gilt einmal mehr: Die SPD überlässt die
ländlichen Räume den beiden grünen Ministern als
Spielwiese.
({12})
Ich meine, die Menschen in den ländlichen Räumen haben dies nicht verdient.
({13})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich fordere Sie auf: Machen Sie diesem bösen Spiel ein Ende!
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({14})
Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Weisheit.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich beginne mit einem Zitat von Professor Battis aus der
Anhörung:
Was jetzt ansteht, ist die Rückkehr zur Normallage,
die für staatliche Institutionen gilt.
Ihr ganzes Geschrei zeigt mir: Ihnen geht es nicht um
dieses Gesetz, sondern es ist der zum Teil krankhafte
Hass auf Frau Künast, der in Ihrer Argumentation zum
Ausdruck kommt - nichts anderes.
({0})
Was hier noch zu dieser Geschichte anzumerken
wäre, ist, dass wir überhaupt darüber diskutieren. Normal ist, dass ein solches Gesetz ohne Aussprache über
die Bühne geht.
({1})
- Natürlich, das ist die „Rückkehr zur Normallage“ für
staatliche Institutionen. Das sollten Sie sich einmal klar
machen.
Worum es darüber hinaus noch geht: Sie sehen Ihren
Einfluss in diesen Institutionen schwinden.
({2})
Das ist der Grund, warum Sie sich so aufregen. Sie sehen Ihren Einfluss, den Sie über 20, die FDP sogar über
40 Jahre lang geltend machen konnten, schwinden. Deswegen sind Sie gegen dieses Gesetz.
Kollege Deß, wir werden dieses Gesetz heute mit
Mehrheit beschließen. Der Bundesrat wird nicht mit einer Zweidrittelmehrheit gegen dieses Gesetz stimmen.
Ich verspreche Ihnen: Wir werden den Einspruch zu diesem Gesetz hier entsprechend zurückweisen.
Herzlichen Dank.
({3})
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Der Ausschuss
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1966, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. - Gegenstimmen? ({0})
Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen der Opposition angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Man sieht sehr klar, dass kein Ham-
melsprung notwendig ist. Der Gesetzentwurf ist damit in
dritter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes
- Drucksachen 15/1861, 15/1965 ({1})
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut
Koschyk, Thomas Strobl ({2}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/
CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur wirksamen Bekämpfung organisierter
Schleuserkriminalität ({3})
- Drucksache 15/1560 ({4})
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({5})
- Drucksache 15/2005 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Günter Baumann
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({6}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl
({7}), weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Bundesgrenzschutz für die EU-Osterweite-
rung tauglich machen
- Drucksachen 15/1328, 15/2005 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Günter Baumann
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler
Die Kolleginnen und Kollegen Körper, Kemper,
Koschyk, Göbel, Stokar und Stadler haben darum ge-
beten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.1) - Da-
mit sind Sie einverstanden. Dann brauchen wir die De-
batte auch nicht zu eröffnen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenz-
schutzgesetzes, Drucksachen 15/1861 und 15/1965. Der
Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 15/2005, den Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
1) Anlage 5
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU angenommen,
während sich die FDP enthalten hat.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist
damit in dritter Lesung mit den Stimmen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU bei Enthaltung
der FDP angenommen.
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion
der CDU/CSU zur wirksamen Bekämpfung organisierter
Schleuserkriminalität. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen.
- Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/
CSU bei Enthaltung der FDP abgelehnt. Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf
Drucksache 15/2005 zu dem Antrag der Fraktion der
CDU/CSU mit dem Titel „Bundesgrenzschutz für die
EU-Osterweiterung tauglich machen“. Der Ausschuss
empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung, den
Antrag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der
FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen
worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2004 ({8})
- Drucksache 15/1468 ({9})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ({10})
- Drucksache 15/2003 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Die Kolleginnen und Kollegen Skarpelis-Sperk, Bern-
hardt, Fell und Kopp haben gebeten, aus Zeitgründen
ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.2) - Dem stim-
men Sie zu.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf über die
Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sonderver-
2) Anlage 6
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
mögens für das Jahr 2004, Drucksache 15/1468. Der
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2003, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.
- Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD,
des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU bei
Enthaltung der FDP angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung: Bitte erheben Sie sich, wenn
Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Wer stimmt
dagegen? - Niemand. Wer enthält sich? - Die FDP. Der
Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der SPD, des
Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Haftung der Deutschen Bahn AG für Verspätungen einführen
- Drucksache 15/1711 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({11})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Tourismus
Wenn man einen solchen Punkt aufruft, denkt man sich
so seinen Teil.
({12})
Die Kolleginnen und Kollegen Teuchner, Rehbock-
Zureich, Lintner, Connemann, Höfken und Kopp haben
gebeten, ihre Reden zu Protokoll zu geben.1) - Sie sind
damit einverstanden. Dann verfahren wir so.
1) Anlage 7
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1711 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts ({13})
- Drucksache 15/1971 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({14})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Die Kollegen Strässer, Schmidt ({15}), Montag und
Funke sowie Bundesministerin Zypries haben gebeten,
ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.2) - Sie sind
einverstanden.
Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf auf
Drucksache 15/1971 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit, schneller als gedacht, am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den
25. November 2003, 11 Uhr ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen nach einer sicherlich besonders harten Sitzungswoche ein gutes
Wochenende, genauso wie den Besucherinnen und Besuchern auf den Tribünen.
Die Sitzung ist geschlossen.