Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/5/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, dass der Kollege Rainer Brüderle als stellvertretendes Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Als Nachfolger wird der Kollege Carl-Ludwig Thiele vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Thiele als stellvertretendes Mitglied im Vermittlungsausschuss bestimmt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die erste Beratung des Entwurfes eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, Drucksache 15/1848, zu erweitern. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 1 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - Drucksache 15/1848 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf der Bundesregierung an den Rechtsausschuss zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren, Opferrechtsreformgesetz. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Kabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren, das so genannte Opferrechtsreformgesetz, verabschiedet. Damit setzen wir ein richtiges und gutes Signal zur Wahrung der Opferrechte. Ich bin froh, dass im Hohen Hause insgesamt die Notwendigkeit gesehen wird, die Opferrechte zu verbessern. Es liegt zum Beispiel ein Entwurf der CDU/CSU-Fraktion vor, dessen wesentliche Punkte sich in unserem Gesetzentwurf wiederfinden; drei Punkte, glaube ich, haben wir nicht übernommen. Darüber hinaus haben wir aber noch einiges mehr geregelt. Es geht dabei um folgende vier Kernpunkte: Erstens. Wir wollen die Belastungen des Verletzten durch das Strafverfahren weiter verringern. Mehrfachvernehmungen, die insbesondere für Opfer von Körperverletzungen oder Sexualdelikten sehr belastend sind, sollen verstärkt vermieden werden. Dazu wollen wir unter anderem die Möglichkeit schaffen, eine Klage statt beim Amtsgericht gleich beim Landgericht erheben zu dürfen. Dadurch, dass die Arbeit gründlich beim Landgericht gemacht wird, müssen die Opfer nicht nochmals in einer zweiten Tatsacheninstanz vernommen werden. Mit der Zulassung der Videovernehmung des Zeugen unter erleichterten Voraussetzungen wird es in verstärktem Maße möglich werden, dass sich Angeklagte und Opfer im Rahmen des Prozesses nicht im Verhandlungssaal begegnen müssen. Als zweiter wesentlicher Punkt ist die Stärkung der Verfahrensrechte von Verletzten zu nennen. Künftig sollen auch Angehörige eines Getöteten Anspruch auf kostenlose Beiordnung eines Rechtsanwaltes haben. Damit schaffen wir die Möglichkeit, dass mehr Menschen einen so genannten Opferanwalt hinzuziehen können. Auch die Menschen, die Opfer von Ausbeutung, von Prostitution oder Zuhälterei geworden sind, werden künftig berechtigt sein, dem Verfahren als Nebenkläger beizuwohnen. Ein weiterer Vorteil für die Opfer ist, dass sie künftig grundsätzlich das Recht auf Anwesenheit einer Vertrauensperson bei Vernehmungen erhalten. Redetext Der dritte Punkt betrifft die Stärkung des Adhäsionsverfahrens; dieses Thema haben wir hier schon häufiger diskutiert. Ziel ist, schon im Strafprozess über zivilrechtliche Ansprüche mitentscheiden zu können. Dieses Verfahren wollen wir ausbauen. Wir wollen, dass die Entscheidung des Strafgerichts über den gestellten Ersatzanspruch entgegen der bisherigen Praxis zur Regel wird. Uns ist allerdings bewusst, dass wir in der Praxis, bei der Fortbildung der Richterinnen und Richter, noch das eine oder andere werden tun müssen. Der vierte Punkt betrifft die bessere Information der Opfer. Ziel ist es, dass die Opfer nicht nur über den Termin der Hauptverhandlung informiert werden, sondern auch über den Ausgang des Verfahrens, über eine eventuelle Einstellung des Verfahrens, über die Haft, die Unterbringung sowie vor allen Dingen über Zeiträume der Haftunterbrechung und über die Haftentlassung. Wir möchten vermeiden, dass das Opfer den Täter zufällig auf der Straße trifft und mit der ganzen Situation wieder konfrontiert wird. Daneben wollen wir auch die Unterrichtung über Schutz-, Beistands-, Informations- und Verfahrensrechte ausbauen. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Verletzten von ihren Rechten mehr Gebrauch machen; denn sie können von diesen natürlich nur dann mehr Gebrauch machen, wenn sie sie kennen. Deshalb sollen sie künftig nicht nur über den Termin der Hauptverhandlung, sondern auch weitergehend informiert werden. Ich meine, dass die wesentlichen Punkte des Opferschutzes in diesem Gesetzentwurf berücksichtigt werden. In der Sachverständigenanhörung, die, soweit ich weiß, für Dezember geplant ist, werden wir Gelegenheit haben, diese Punkte in Verbindung mit den Anträgen der Union - soweit sie sich in diesem Gesetzentwurf nicht wiederfinden - im Einzelnen zu diskutieren. Danke schön.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Bundesministerin. Wir kommen jetzt zu Fragen, die zu diesem Themenbereich gehören. - Bitte schön, Herr Kollege GrosseBrömer.

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, der Opferschutz war immer ein wichtiger Schwerpunkt der Rechtspolitik meiner Fraktion. Es begann 1986 und setzte sich 1998 mit dem Zeugenschutzgesetz fort. In dieser Tradition hat die CDU/ CSU-Fraktion im April dieses Jahres einen eigenen Gesetzentwurf zu diesem Thema eingebracht, den Sie freundlicherweise gerade auch erwähnt haben. Bei der Debatte am 8. Mai 2003 hier in diesem Hohen Hause wurde dieser Antrag meiner Fraktion insbesondere vom rechtspolitischen Sprecher der SPD mit der Begründung abgelehnt, man könne hier nicht stückweise vorgehen, das sei nur tagespolitisch opportun und ansonsten nicht durchdacht. Er sagte, man habe vielmehr vor, ein Gesamtkonzept vorzulegen und eine umfassende Novellierung der Strafprozessordnung durchzuführen. Frau Ministerin, diese Novellierung der Strafprozessordnung wurde bisher nicht durchgeführt und auch dieses Gesamtkonzept sehe ich zurzeit noch nicht. Deswegen erlaube ich mir die Frage, ob Sie noch beabsichtigen, dieses Vorhaben umzusetzen. Aufgrund der Tatsache, dass dies bis heute nicht geschehen ist, sondern Sie, wie wir damals im April, zu diesem Thema einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen, stelle ich auch die Frage, inwieweit Sie Ihre Auffassung möglicherweise geändert haben und ob unser Entwurf damals weniger aus sachlichen, sondern eher aus parteitaktischen Gründen abgelehnt wurde.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Der Entwurf, den Sie seinerzeit eingebracht haben, ist nicht abgelehnt worden, sondern die Bundesregierung hat in der letzten Legislaturperiode eine Stellungnahme dazu abgegeben, in der sie die Grundtendenz begrüßt hat. In der Tat wollten wir ein umfangreiches StPO-Konzept vorlegen. Allerdings müssen wir feststellen, dass sich die weit reichenden Veränderungen, die wir in anderen Bereichen planen, nicht in der Geschwindigkeit realisieren lassen, wie wir uns das vorgestellt haben. Der Deutsche Juristentag wird sich im nächsten Jahr mit der Reform der Strafprozessordnung befassen. Unser Ziel ist es, die Änderungen in der Strafprozessordnung auf dem Juristentag diskutieren zu lassen und die entsprechenden Vorschläge mit einem sehr viel weiteren Zeithorizont abzuarbeiten. Wir haben uns dafür entschieden, den Bereich des Opferschutzes vorzuziehen und dazu einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, weil wir meinen, dass diese Veränderungen an der StPO auch separat durchgeführt werden können. Diese werden dazu führen, dass den Opfern schnellstmöglich geholfen werden kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kollege Siegfried Kauder.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Ministerin, ein Teil der von Ihnen gepriesenen Reform stellt eine Anpassung des Gesetzes an die gerichtliche Realität dar. Es gibt kein Gericht mehr - zumindest keines, das ich kenne -, welches die Begegnung von Opfer und Täter für unabwendbar hält und es dazu kommen lässt. In diesem Bereich werden Opfer schon heute geschützt. - Ihr Gesetzentwurf enthält aber auch Positives. Was gut ist, sollte man auch als gut preisen. In einer Rede vor diesem Haus am 8. Mai dieses Jahres habe ich den Hinterbliebenenanwalt angemahnt. Das heißt, dass auch die Hinterbliebenen des Opfers eines Tötungsdeliktes einen Opferanwalt auf Staatskosten bekommen sollen. Ich habe damals angeprangert, dass wir die Herausgabe von Videobändern über die Vernehmungen von Kindern an Täter verhindern müssen. Ich danke Ihnen, dass dies im Gesetzentwurf berücksichtigt worden ist. Frau Ministerin, warum aber wollen Sie das Adhäsionsverfahren, das Verfahren, in welchem Opfer von Siegfried Kauder ({0}) Straftaten Schmerzensgeld im Strafverfahren erhalten können, kaputtsanieren? Ich bitte, zu überlegen, ob § 405 StPO, der sich mit dem Vergleich im Strafverfahren befasst, nicht in § 406 StPO n. F. gehört. In § 406 StOP n. F. wird beispielsweise auch das Grundurteil und das Anerkenntnisurteil geregelt. Der Vergleich gehört daher nicht als Vorspann in § 405, sondern in § 406 StPO. Können Sie mir bitte auch erklären, wie es zu einem Auseinanderfallen des Rechtsweges kommen konnte? In § 406 a - Annahme des Adhäsionsverfahrens - wird festgelegt, dass das Tatopfer dann, wenn der Richter den Antrag auf ein Adhäsionsverfahren, also auf Schmerzensgeld ablehnt, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde haben soll. Wir wissen, über die sofortige Beschwerde entscheidet nicht das erstinstanzliche Gericht, sondern das übergeordnete Gericht. Erlauben Sie mir, dass ich versuche, dies an einem kleinen Beispiel zu erläutern: Der Prozess fängt beim Amtsgericht an. Der Amtsrichter lehnt das Adhäsionsverfahren ab. Das Tatopfer legt eine Beschwerde ein. Dieses Rechtsmittel geht ans Landgericht. Der Verteidiger des verurteilten Mandanten legt eine Sprungrevision ein mit der Folge, dass die Akten an das Oberlandesgericht gehen. Ein Teil des Verfahrens hängt als Beschwerdeverfahren beim Landgericht, der andere Teil beim Oberlandesgericht. - Frau Justizministerin, nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich wieder sagen muss: Es fehlt in Ihrem Haus an den handwerklichen Fähigkeiten. ({1}) - Sie kennen die Geschäftsordnung genauso gut wie ich. Ich darf eine Frage mit einem einleitenden, erklärenden Zusatz verbinden. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Küster, für die Geschäftsordnung bin ich zuständig, nicht Sie. ({0}) Bitte schön.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erlauben Sie mir, dass ich wiederum einen handwerklichen Fehler rüge. Die sofortige und auch die einfache Beschwerde gibt es im Prinzip in der Hauptverhandlung nicht, und zwar aus gutem Grund. Ein Jurist, der die Kommentierung liest, weiß, warum der Gesetzgeber dies damals so geregelt hat. Man will nicht, dass das Strafverfahren in der Hauptverhandlung mit zusätzlichen Rechtsmitteln blockiert oder ausgedehnt werden kann. Deswegen gibt es in der Hauptverhandlung die Beschwerde im Wesentlichen nur gegen Haftentscheidungen und gegen die Anordnung der Unterbringung. Wenn Sie aber für den Bereich des Adhäsionsverfahrens eine Beschwerde zulassen wollen, müssen Sie dies korrigierend in § 305 StPO erwähnen, was in Ihrem Entwurf nicht enthalten ist. Meine Frage ist, warum Sie dies nicht aufgenommen haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Ministerin, bitte schön.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich möchte mich gerne schützend vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ministeriums stellen. ({0}) Sie leisten sehr gute Arbeit, was nicht heißt, dass ihnen nicht auch einmal ein Fehler unterlaufen kann. Offenbar sind Sie hier der Einzige, dem so etwas nicht passiert. Möglicherweise ist uns ein Fehler passiert, wenngleich es sachlogische Gründe gibt, das so zu regeln, wie es hier vorgeschlagen ist. Aber wir werden Ihre Einwände wie auch Ihre sonstigen Vorschläge in der von mir bereits erwähnten Sachverständigenanhörung im Dezember sicherlich diskutieren. Es werden auch hinreichend Richterinnen und Richter anwesend sein, die uns aus der Praxis sagen können, ob es in der Tat so ist, dass die Akten gespalten werden, oder ob es nicht vielmehr so ist, dass zunächst das eine und dann das andere entschieden wird. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich darf zunächst fragen, ob es von anderen Kollegen Fragen gibt. - Das ist nicht der Fall. Bitte schön, Herr Kauder.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass für die Beschwerde eine Frist von 14 Tagen gilt und dann die Hauptverhandlung schon vorbei ist? Man kann also nicht zuerst über die sofortige Beschwerde entscheiden und dann das Urteil fällen. Das ist nur in lange andauernden Strafverfahren möglich, die beim Amtsgericht eher unüblich sind.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Es bleibt dabei. Wir werden das in der Anhörung mit den Sachverständigen besprechen. Ich kann Ihnen jetzt nichts anderes sagen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es noch Fragen zu diesem Themenbereich? Bitte schön, Frau Kollegin Noll.

Michaela Tadjadod (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Ministerin, auch Sie wissen, dass es seit jeher ein Anliegen der Union ist, sich für den Opferschutz einzusetzen. Sie werden mir auch zustimmen, wenn ich behaupte, dass das Opferschutzgesetz in der Fassung von 1986 genauso wie der Täter-Opfer-Ausgleich von 1994 und das Zeugenschutzgesetz unsere Handschrift tragen. Seit Sie an der Regierung sind, hat sich meiner Meinung nach auf dem Gebiet des Opferschutzes leider wenig getan. Deswegen bin ich umso glücklicher, dass jetzt dieser Entwurf vorliegt und wir darüber diskutieren können. Was ich gerne an dieser Stelle ansprechen würde, ist der Opferschutz für Kinder. Wir haben in der letzten Debatte darüber gesprochen, dass sich der Opferschutz für Kinder am Kindeswohl orientieren muss. Glauben Sie, dass die von Ihnen vorgeschlagene Fassung des § 247 a StPO wirklich den Belangen kindlicher Opferzeugen, vor allem ganz kleiner Kinder, gerecht wird? Sie wissen wahrscheinlich, worauf ich hinaus will. Es geht mir um das Mainzer Modell, dessen Anwendung bei der Hauptverhandlung ich damals gefordert habe. Die Zuschauer wissen vielleicht nicht, was das Mainzer Modell beinhaltet. In den 90er-Jahren hatten wir den so genannten Wormser Missbrauchsprozess. Damals wurde zum ersten Mal Videotechnologie zum Schutze von kindlichen Zeugen eingesetzt. Zur Vernehmung begab sich der Richter in einen separaten Raum, aus dem per Video übertragen wurde. So wurden die Kinder besonders geschützt. Ich frage mich: Wollen wir etwas für Kinder tun und eine Vertrauenssphäre schaffen, um weitere Traumatisierungen zu verhindern? Wie stehen Sie dazu? Können wir damit rechnen, dass vielleicht das Mainzer Modell auch in der Hauptverhandlung angewendet wird?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Ich weiß um die Debatten, die seinerzeit hinsichtlich der Frage geführt wurden, ob man das Mainzer Modell anwenden soll oder ob man das machen soll, was jetzt Gesetz geworden ist. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass die Kinder außerhalb des Raumes sind, in dem die mündliche Verhandlung stattfindet, und die Befragung durch den Vorsitzenden Richter aus der Hauptverhandlung heraus per Video erfolgt. Sie wissen, dass jede Position ein Für und Wider hat. Man hat sich damals aus guten Gründen, nämlich wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung, dafür entschieden, dass der Richter im Saal bleiben solle. Die Strafprozessordnung hat vor allen Dingen den Zweck, die Rechte des Angeklagten zu garantieren. Daher soll das rechtsstaatliche Verfahren so ablaufen und die Befragung des Kindes im Nebenraum per Video erfolgen. Ich habe den Eindruck, dass das in der Praxis ganz gut funktioniert. Wenn es Erkenntnisse geben sollte, dass das nicht funktioniert, bin ich gerne bereit, erneut darüber nachzudenken. Nach meinem Kenntnisstand wird dieses Verfahren nur selten angewandt, was auch daran liegt, dass viele Gerichte noch nicht mit der Technik ausgestattet sind. Im Übrigen wird nach der derzeitigen Rechtslage vorgegangen. Aber bei allem gilt: Das Bessere ist des Guten Feind. Wenn sich herausstellen sollte, dass Nachbesserungsbedarf besteht, können wir gerne erneut darüber diskutieren. Dieses Thema ist aber erst vor wenigen Jahren intensiv diskutiert worden und es wurde aus guten Gründen so entschieden.

Michaela Tadjadod (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie so verstehen: Wenn Studien vorliegen, die belegen, dass es für das Kindeswohl besser wäre, das Mainzer Modell zu verwirklichen, würden Sie dann unserem Entwurf zustimmen können?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Dann müssen wir darüber reden. Es kommt darauf an, welche Studie das ist. Wenn ein Professor das Modell nur deswegen besser findet, weil er es sich ausgedacht hat, dann kann das nicht Grundlage für die Rechtsetzung werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenbereich? Herr Kauder.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Justizministerin, es gibt einen Bereich im Strafrecht, in dem Opfer weit weniger geschützt sind als im Erwachsenenstrafrecht: Das ist das Jugendstrafverfahren. Im Jugendstrafverfahren ist die Nebenklage nicht zugelassen. Ich frage mich immer wieder, warum das Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht öffentlich und das Verfahren über das Schicksal eines jugendlichen Zeugen weitgehend öffentlich ist. Sind Sie mit mir der Meinung - ich vermisse das in diesem Entwurf -, dass zu einer Opferrechtsreform auch die Betrachtung der besonderen Situation des Opfers im Jugendstrafverfahren gehört? Gibt es in Ihrem Ministerium entsprechende Überlegungen oder wird das nicht bedacht?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, das Jugendstrafverfahren ist von einem anderen Grundsatz geprägt als das Erwachsenenstrafverfahren. Das führt nach unserer heutigen Rechtslage zu erheblichen Unterschieden in der Art des Verfahrens, die Sie eben genannt haben. Was die Frage angeht, ob entsprechende Änderungen vorgenommen werden sollten, ist festzustellen, dass das zurzeit niemand außer Ihnen fordert. ({0}) - Das ist mir bisher beim Lesen der Unterlagen entgangen. - Es ist allerdings problematisch, eine solche Überlegung im Jugendstrafverfahren, das sehr stark von den Grundsätzen der Erziehung geprägt ist, mit einzubringen. Wie Sie vielleicht wissen, stehen aber die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und das Jugendgerichtsverfahren im Allgemeinen - dazu gehören auch Ansätze, das Verfahren zu ändern - auf der morgigen Tagesordnung der Justizministerkonferenz. Vielleicht werden sich auch Kollegen Ihrer Partei dazu entschließen, Ihre Forderungen mit aufzunehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenkomplex? Das ist offenkundig nicht der Fall. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Dazu hat sich die Kollegin Gesine Lötzsch gemeldet. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Gestern hat Bundesverteidigungsminister Struck den Brigadegeneral Günzel entlassen, weil dieser die antisemitischen Äußerungen des CDU-Abgeordneten Hohmann in einem Brief unterstützt hatte. Der Verteidigungsminister hat dargestellt, dass es sich hierbei um einen verwirrten General handele, der eine Einzelmeinung vertrete. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesem Fall? Ist damit der Fall erledigt oder gibt es Bestrebungen, festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine verwirrte Einzelmeinung handelt oder inwiefern der General mit dieser als Einzelmeinung bezeichneten Äußerung Einfluss auf die KSK hatte?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär Wagner, bitte schön.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin, es war in der Tat eine Einzelmeinung. Es ist innerhalb der Bundeswehr nicht erkennbar, dass es Kräfte gibt, die die Äußerungen von Herrn Günzel unterstützen. Insofern war es richtig, von einer verwirrten Einzelmeinung zu sprechen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es eine Nachfrage, Frau Lötzsch?

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Immerhin war General Günzel der Chef der KSK. Von daher werfe ich die Frage auf, ob es nicht lohnt, nachzuforschen, inwieweit er mit dieser Meinung Einfluss auf Untergebene hatte.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Uns ist nicht bekannt, dass er mit dieser Meinung Einfluss auf die Soldatinnen und Soldaten hatte, die diesem Einsatzkommando angehören. Vielmehr handelt es sich um eine veröffentlichte Einzelmeinung von ihm, die in der Truppe keine Rolle gespielt hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der Kollege Jürgen Koppelin hat eine Frage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist inzwischen innerhalb der Bundesregierung geklärt worden, wer von den grünen Ministern Trittin und Künast eine Challenger-Maschine der Bundeswehr beantragt hat - das ist immer noch unklar -, um sie für Flüge innerhalb Brasiliens zu nutzen? Kann mir jemand Auskunft geben, wer von diesen beiden Ministern die Challenger-Maschine beantragt hat?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Wagner, bitte schön.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Koppelin, soweit uns bekannt ist, ist der Weg der Beantragung von den zur Nutzung der Challenger-Maschine berechtigten Ministern ordnungsgemäß eingehalten worden. Sie haben auf Ihren Antrag hin ab 16.30 Uhr im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Gelegenheit, die beiden Minister zu befragen. Sie werden Ihnen sicherlich umfassend Auskunft erteilen. Von unserer Seite ist dem nichts hinzuzufügen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage, Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da Sie so konkret Auskunft geben können - Sie haben sich scheinbar informiert und kennen sich im Detail aus -, werden Sie uns, dem Parlament, und der deutschen Öffentlichkeit - der Haushaltsausschuss tagt schließlich nicht öffentlich - sicherlich mitteilen können, wer von den beiden Ministern den Antrag gestellt hat, der in schriftlicher Form erfolgen muss.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Als ehemals langjähriges Mitglied des Haushaltsausschusses schließe ich nicht aus, dass das, was dort besprochen wird, nach kurzer Zeit in der Presse erscheint. ({0}) Die aufgebauten Fernsehkameras weisen darauf hin, dass dies schon vorbereitet ist. Insofern wird die deutsche Öffentlichkeit sehr schnell darüber informiert. Ich kann zu Ihrer Frage nur feststellen: Bei uns ist dieses Verfahren ordnungsgemäß - wie Ihnen, glaube ich, am 7. Mai dieses Jahres vorgetragen worden ist - in schriftlicher Form eingehalten worden. Alles andere müssen die Ministerin und der Minister beantworten. Ich kann diese Frage nicht beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt gibt es eine weitere Frage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, verstehe ich Sie richtig, dass Ihnen nicht bekannt ist, wer diese Maschine beantragt hat, oder gibt es andere Gründe, warum Sie hier die Auskunft verweigern?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich verweigere die Auskunft nicht. Mir ist nicht bekannt, wer von den beiden Ministern die Maschine beantragt hat. Das Verfahren ist jedenfalls von uns ordnungsgemäß, also genau nach den Vorschriften durchgeführt worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen zur heutigen Kabinettsitzung? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Fragen, die über die Themenbereiche hinausgehen, die dort angesprochen worden sind? - Auch hierzu gibt es keine Fragen. Dann sind wir am Ende der Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/1857 Wir kommen als Erstes zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Die Fragen 1 und 2 werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Doris Meyer ({0}) auf: Wie ist der derzeitige Stand der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des EEG?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Frau Kollegin Meyer, ich beantworte namens der Bundesregierung Ihre Frage wie folgt: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat Mitte August 2003 den Referentenentwurf betreffend die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz den beteiligten Ressorts übersandt. Der Referentenentwurf wird derzeit, wie Sie sicherlich schon den Medien entnommen haben, zwischen den beteiligten Ressorts abgestimmt. Mir ist soeben telefonisch mitgeteilt worden, dass sich die beteiligten Ressorts - in diesem Fall: das BMU und das BMWA - vor nunmehr zehn Minuten verständigt haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Meyer.

Doris Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir schon inhaltlich etwas zu dieser Vereinbarung sagen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Ich kann Ihnen sagen, dass sich die beiden Häuser über die Höhe der EEG-Umlage pro Haushalt verständigt haben. Man wird eine härtefallbedingte Erhöhung der Umlage von maximal 10 Prozent anstreben. Darüber hinaus hat man sich auf eine Fortschreibung der Härtefallregelung geeinigt. Man hat die entsprechenden Kriterien geändert. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich darauf nicht näher eingehen kann; denn ich habe, wie gesagt, das gerade erst telefonisch erfahren. Wir sind aber optimistisch, dass das weitere Verfahren sehr rasch vorangehen wird und dass das Kabinett noch im Dezember dieses Jahres den zwischen den Ressorts abgestimmten Entwurf - es müssen noch weitere Ressorts beteiligt werden - verabschieden wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Meyer? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Meyer ({0}) auf: Warum sieht sich die Bundesregierung nicht in der Lage, die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Zukunftsorientierte und effiziente Gestaltung der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ - Bundestagsdrucksache 15/818 vom 8. April 2003 innerhalb der ursprünglich von ihr selbst vorgesehenen Frist bis zum 31. Oktober 2003 - sondern nunmehr nur bis zum 31. Januar 2004 - zu beantworten?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Frau Kollegin Meyer, diese Frage schließt sich im Prinzip an die vorherige insoweit an, als eine Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/CSU natürlich erst auf Basis der ressortabgestimmten Novelle erfolgen kann. Ich sagte Ihnen bereits, dass der Prozess der Abstimmung noch nicht abgeschlossen ist. Wir haben deshalb den Präsidenten am 24. Oktober dieses Jahres um Fristverlängerung bis zum 31. Januar 2004 gebeten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Frau Meyer? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Kristina Köhler ({0}): Beabsichtigt die Bundesregierung eine Neuauflage des 100 000-Dächer-Programms?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sehr geehrte Frau Köhler, erlauben Sie mir vorab eine persönliche Bemerkung: Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass Sie als engagierte, junge Abgeordnete in Zukunft nicht mehr dem Umweltausschuss angehören werden. Das habe ich der Zeitung entnommen. Sie sollen dort durch Herrn Hohmann ersetzt werden. Da Sie Juristin sind, haben Sie aber sicherlich auch Interesse an der Arbeit im Innenausschuss. Namens der Bundesregierung antworte ich auf die Frage wie folgt: Das 100 000-Dächer-Solarstrom-Programm hat in Deutschland - wie Sie wissen - ein beispielloses Wachstum der Photovoltaik ausgelöst. In Verbindung von 100 000-Dächer-Programm und EEG konnte im Zeitraum von 1999 bis 2003 insgesamt eine zusätzliche photovoltaische Leistung von 350 MW installiert werden. Eine Fortsetzung oder Neuauflage des Programms ist allerdings nicht vorgesehen. In Zukunft soll der weitere Ausbau der Photovoltaik im Rahmen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes gefördert werden. Das 100 000-Dächer-Programm soll im Zuge der Novelle des EEG kompensiert werden. Weiterhin können von Privatpersonen Anträge auf zinsgünstige Darlehen aus dem CO2-Minderungsprogramm der KfW gestellt werden. Für gewerbliche Investitionen in Photovoltaikanlagen kann das KfW-Umweltprogramm in Anspruch genommen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Köhler.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, für Ihre persönliche Anmerkung danke ich Ihnen. Ich erlaube mir die folgende Bemerkung: Ich bin traurig darüber, dass ich nicht mehr im Umweltausschuss sein werde, freue mich aber darauf, Mitglied des Innenausschusses zu werden.

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Das habe ich mir gedacht.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Insofern ist das Ganze ambivalent. Meine Nachfrage zum 100 000-Dächer-Programm: Können Sie umreißen, wie hoch die Förderung für die Solarenergie innerhalb des EEG im Vergleich zu der beim 100 000-Dächer-Programm sein wird? Steigt das? Sinkt das? Wie entwickelt sich das?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Wir sehen im Rahmen des EEG eine volle Kompensation vor. Das heißt natürlich auch, dass die Volumina gleich sind. Die Forderung, dass man die Förderung aller Energien in einem Gesetz bündelt, wurde übrigens von den Verbänden an uns herangetragen. Dem entsprechen wir nun. Insofern, denke ich, ist die Solarbranche damit zufrieden. Uns hat bis heute hierzu auch noch kein Protest erreicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 6 der Abgeordneten Kristina Köhler ({0}) auf: Wie schätzt die Bundesregierung den Beitrag ein, den erneuerbare Energien mittel- und langfristig zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit leisten können, und auf welchen Grundlagen beruht diese Einschätzung?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Ich beantworte diese Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2002 Folgendes bekräftigt: Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis 2010 gegenüber 2000 auf 4,2 Prozent und am Stromverbrauch auf 12,5 Prozent zu erhöhen. Dies entspricht etwa einer Verdopplung. Deutschland leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Ziel der EU, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 14 Prozent im Jahr 1997 auf 22 Prozent im Jahr 2010 zu erhöhen. Bis Mitte des Jahrhunderts sollen erneuerbare Energien rund die Hälfte des Energieverbrauchs decken. - Sie wissen, dass uns die Klimaschutz-Enquete das sehr ans Herz gelegt hat. - Daraus ergeben sich zwischen 2010 und 2050 liegende Orientierungswerte. Um eine solche Entwicklung zu erreichen, genügt es nicht allein, die erneuerbaren Energien auszubauen. Vielmehr muss zugleich der Energieverbrauch insgesamt reduziert werden. Sie fragten auch, auf welchen Grundlagen diese Einschätzung beruht. Wir haben in den Jahren 2000 bis 2003 verschiedenste Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht. Manche laufen noch; es geht ja unter anderem um den Ausblick bis 2050. Ich möchte Ihnen jetzt nicht alle diese Vorhaben vorlesen; ich kann Ihnen die Liste gern zur Verfügung stellen. Ein ganz wichtiges Forschungsvorhaben läuft beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das wir für unsere Arbeit herangezogen haben. Sie wissen, dass es dort ein großes Potenzial für die Erdbeobachtung gibt. Auch das WuppertalInstitut für Klima, Umwelt, Energie und das Institut für Energie- und Umweltforschung haben sich damit beschäftigt. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist ein weiteres ganz wichtiges Institut im Zusammenhang mit Klimaforschung. Wir haben - zusammen mit dem BfN, dem UBA und anderen - auch ihm entsprechende Aufträge erteilt. Ich gebe Ihnen gerne gleich die nötigen Informationen. Sie können demnächst im Netz nachschauen, zu welchen Ergebnissen und Zwischenergebnissen die Institute gekommen sind. Wir haben bei den Gutachten eine Aufteilung in die Sparten Biomasse, Windenergie, Geothermie, Solarenergie und Brennstoffzellen vorgenommen. Ich denke, es wäre zu Ihrer Information ganz hilfreich, wenn Sie sich das anschauten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Köhler.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir zumindest sagen, inwiefern in diesen Untersuchungen und Überlegungen die volkswirtschaftlichen Kosten überhaupt einbezogen wurden? Wie werden sich die volkswirtschaftlichen Kosten im Zusammenhang mit Ihren doch Kristina Köhler ({0}) sehr ehrgeizigen Zielen bezüglich des Anteils der erneuerbaren Energien entwickeln?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Das kann ich Ihnen jetzt nicht aus dem Kopf sagen. Ich kann die Frage gerne schriftlich beantworten. Ich kann Ihnen aber zum Vergleich eine Zahl sagen, die ich im Kopf habe: Die durch die Hochwasserkatastrophen und die Stürme der letzten Jahre sowie durch ihre Folgeschäden verursachten volkswirtschaftlichen Kosten haben sich von 2001 zu 2002 - sie sind von 35 Milliarden Euro auf nunmehr 70 Milliarden Euro gestiegen - verdoppelt. Daraus schließe ich, dass man auch aus volkswirtschaftlichen Gründen etwas dafür tun muss, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Ich kann Ihnen die Kosten gerne schriftlich darlegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der Kollege Rolf Bietmann hat das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Prof. Dr. Rolf Bietmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003506, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, im Monitoring-Bericht des Bundeswirtschaftsministers, der heute im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit diskutiert wurde, wird festgehalten, dass 90 Prozent unserer elektrischen Energie in Kraftwerken produziert wird und dass sich ein guter Teil der Kraftwerksbetreiber angesichts von Investitionsunsicherheiten aus der Stromproduktion zurückgezogen hat. Außerdem geht daraus hervor, dass die erneuerbaren Energien heute nicht in der Lage sind, den traditionell produzierten Strom zu ersetzen. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die Windenergie einen Anteil von 3 Prozent erreicht hat. Das Ministerium kommt im Monitoring-Bericht zu der Erkenntnis, dass die deutsche Wirtschaft deshalb schon heute auf Importstrom angewiesen ist, insbesondere um den Regelenergiebedarf sicherzustellen. Ab dem Jahr 2010 könnte aufgrund des Ausstiegs aus der Kernenergie, des Stopps des Ausbaus von Kraftwerken und des nicht effizienten Einsatzes von erneuerbaren Energien die Notwendigkeit, Strom aus dem Ausland einzukaufen, noch größer sein als im Monitoring-Bericht dargestellt. Sehen Sie nicht darin eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Kollege Bietmann, ich teile nicht Ihre Einschätzung, dass wir über kurz oder lang auf den Import von Strom angewiesen sein werden. Ich hatte heute Morgen die Gelegenheit, mit dem VIK über diese Frage zu diskutieren. In der Tat beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung im Moment 8 Prozent; Atom-, Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke stellen 90 Prozent. Das BMU geht nach wie vor davon aus, dass wir auf einen Energiemix setzen sollten. Dabei sind wir uns bewusst, dass der Ersatz eines Kohlekraftwerkes - ich nenne zum Beispiel eines, das die BASF bis vor ein oder zwei Jahren in Ludwigshafen betrieben hat durch eine GuD-Anlage zu einer Einsparung von bis zu 50 Millionen Tonnen CO2 führen kann. Das heißt aber nicht, dass wir auf nur eine Energieform setzen; wir setzen vielmehr auf einen Energiemix. Gleichwohl ist es aus energiepolitischen und umweltpolitischen Gründen wünschenswert, dass die Kohlekraftwerke effizienter arbeiten und weniger als heute emittieren; schließlich sind sie nun einmal die Hauptemittenten. Ich habe den Eindruck, dass in diesem Zusammenhang kein Dissens zwischen den Energieversorgern, dem BMWA und unserem Haus besteht. Entschuldigen Sie bitte, dass ich den Monitoring-Bericht noch nicht ausführlich studieren konnte; denn er ist mir erst heute zugegangen. Ich bin Ihnen aber dankbar für diesen Hinweis.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kollege Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie Berichte bestätigen, dass jemand, der sich an der Finanzierung eines Windparks beteiligt, durch Abschreibungsmodelle seine Steuerlast im ersten Jahr auf null zurückfahren kann? Das mir vorliegende Beispiel sieht so aus, dass jemand, der 200 000 Euro verdient und 80 000 Euro Steuern zahlen müsste, durch die Beteiligung an einem Windpark vom Finanzamt seine gesamten Steuern zurückerstattet bekommt. Können Sie das bestätigen und, wenn ja, unternimmt die Bundesregierung etwas gegen diese Abschreibungsmodelle, die ja zu massiven Ausfällen bei den Steuereinnahmen führen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sehr geehrter Herr Kollege Deß, ich glaube, es hätte sich in der Bevölkerung insgesamt herumgesprochen, wenn man durch Investitionen in Windparkanlagen die Steuern auf null reduzieren könnte. Ich kann das, was Sie da sagen, nicht bestätigen. Es gibt keine besonderen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in Windenergieanlagen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bietmann, Sie hatten Ihr Fragerecht doch schon genutzt. ({0}) - Also ausnahmsweise eine ergänzende Frage. Bitte schön.

Prof. Dr. Rolf Bietmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003506, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen bekannt, dass gerade heute in der Tagespresse ein Anbieter von Fonds für Windkraftanlagen damit wirbt, dass Ausschüttungen in Höhe von maximal 25 Prozent des eingesetzten Kapitals steuerfrei sind?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Ich habe die Anzeige gesehen, Herr Kollege. Ich würde Ihnen die Frage gerne schriftlich beantworten. Das werde ich morgen noch veranlassen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zur Frage 7 der Kollegin MarieLuise Dött: Welchen Termin hat die Bundesregierung für das Ende der Abstimmungsgespräche zum EEG zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vorgesehen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sehr geehrte Frau Kollegin Dött, Sie fragen, welchen Termin die Bundesregierung für das Ende der Abstimmungsgespräche zum Erneuerbare-Energien-Gesetz zwischen dem BMU und dem BMWA vorgesehen hat. Ich sagte vorhin schon zu Ihrer Kollegin, dass wir den Referentenentwurf bereits Mitte August den beteiligten Ressorts zugeleitet haben. Vor ein paar Minuten ist auch die erfreuliche Meldung über den Ticker gelaufen, dass sich die Ressorts verständigt haben. Wir gehen davon aus, dass dieses sehr komplexe Gesetz, an dem unterschiedliche Ressorts beteiligt sind und mit dem sie unterschiedliche Prioritätensetzungen verbinden, noch am 10. Dezember im Kabinett behandelt wird. Sie wissen, dass vorab die Verbände und Vertreter der Wirtschaft angehört werden und danach noch einmal eine Ressortabstimmung stattfinden muss. Wir sind aber sehr ehrgeizig und arbeiten mit Hochdruck daran, dass dieses auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland sehr wichtige Gesetz am 10. Dezember das Kabinett erreicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Dött?

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Frau Staatssekretärin, können Sie vielleicht auch sagen, in welcher Form man sich geeinigt hat, also wie die Belange der einzelnen Ressorts gewertet und gewichtet werden?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sie wissen, dass es die größten Unterschiede bezüglich der Prioritätensetzung zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesumweltministerium gab. Jetzt muss noch die Abstimmung zwischen dem Verbraucherschutzministerium und dem Finanzministerium erfolgen; diese ist aber unproblematisch. Zwischen dem BMWA und uns ging es, wie Sie vermutlich auch der Presse entnommen haben, erstens um die Frage der Höhe der EEG-Umlage, also darum, welche Belastung pro Monat auf die privaten Haushalte zukommt. Diese Frage wurde lange diskutiert. Der zweite Streitpunkt war die Härtefallregelung. Ich stellte es vorhin dar: Im Bereich der Härtefallregelung wird es zu einer Fortschreibung bei veränderten Kriterien kommen. Im Zusammenhang mit der Härtefallregelung hat man sich auf eine härtefallbedingte Erhöhung der EEG-Umlage von maximal 10 Prozent verständigt. Was darüber hinaus noch vereinbart wurde, kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich mit Beginn dieser Fragestunde das Telefonat mit unserem Staatssekretär leider abbrechen musste. Ich gehe aber davon aus, dass wir das in der nächsten Sitzungswoche im Umweltausschuss umfänglich darstellen können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Da es keine weitere Zusatzfrage gibt, kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Marie-Luise Dött: Wie viele Unternehmen haben die so genannte Härtefallregelung des EEG bislang in Anspruch genommen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Frau Kollegin Dött, bis zum 27. Oktober 2003 sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, dem BAFA, 54 Anträge von 48 Unternehmen eingegangen. Die Härtefallregelung sieht vor, dass das BAFA die Anträge innerhalb von vier Wochen nach Eingang der vollständigen Unterlagen bearbeitet. Das BAFA hat bis zum 27. Oktober 2003 insgesamt 20 Anträge bewilligt. Ich habe heute Morgen beim BAFA nachgefragt. Es wurde mir versichert, dass auch über die weiteren Anträge zügig entschieden wird, wenn die Antragsunterlagen vorliegen. Sollten Antragsunterlagen fehlen, würden sich BAFA-Mitarbeiter telefonisch melden - es würde also kein zusätzlicher Verwaltungsvorgang in Form von Schriftwechseln erfolgen -, um das Verfahren insgesamt zu beschleunigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Dött? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christoph Matschie zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Uwe Schummer auf: Welche Zielvorstellung verbindet die Bundesregierung mit der Einrichtung der Arbeitsgruppe zu Strukturfragen der Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, die am 7. November 2003 zum ersten Mal tagen soll, und wann rechnet die Bundesregierung damit, abschließende Ergebnisse vorlegen zu können?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Die hochrangig besetzte Arbeitsgruppe ist eine Folgeaktivität des Ausbildungsgipfels vom 9. Oktober 2003, die von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, dort angekündigt wurde. Die Arbeitsgruppe wird von den Staatssekretären der Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Wirtschaft und Arbeit, Herrn Wolf-Michael Catenhusen bzw. Herrn Georg-Wilhelm Adamowitsch, geleitet. Sie hat zum Ziel, Vorschläge für eine dauerhafte und konjunkturunabhängige Sicherung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebotes und zur Sicherung der Qualität der Berufsausbildung zu erarbeiten. Die Bundesregierung erwartet konkrete Ergebnisse, die in die weiteren berufsbildungspolitischen Planungen Eingang finden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Schummer.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Matschie, nun waren ja bei dem Ausbildungsgipfel die Bundesländer, die wichtige Akteure auf dem Gebiet der beruflichen Bildung sind, nicht vertreten. Auch die Opposition im Deutschen Bundestag wird wohl bei der Besetzung der Arbeitsgruppe nicht berücksichtigt. Sehen Sie noch Chancen - das würde das Verhältnis zur Opposition und insbesondere zur Union verbessern -, dass die Opposition beteiligt wird?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Schummer, wir haben vor, alle Akteure in diese Arbeitsgruppe einzubeziehen. Neben der Bundesregierung sind dies die Länder, die auf Staatssekretärsebene vertreten sein werden. Die Wirtschaft wurde um die Benennung von Hauptgeschäftsführern und die Gewerkschaften von Vorständen als Vertreter gebeten. Damit sind die Akteure, die für diese Beratung benötigt werden, am Tisch.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bis wann rechnen Sie damit, dass parlamentarisch verwertbare Ergebnisse durch die Arbeitsgruppe erarbeitet werden? Wird die nächste Ausbildungsgeneration am 1. September 2004 davon profitieren können?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege, die erste Sitzung findet am 7. November statt. Ich glaube nicht, dass man jetzt schon sagen kann, zu welchem Zeitpunkt konkrete Ergebnisse vorliegen werden. Wir sind jedenfalls bemüht, in dieser Arbeitsgruppe schnell zu Ergebnissen zu kommen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Werner Lensing: Wie ist der Arbeitsstand der Bundesregierung zu der angekündigten Erstellung einer Novelle zum bestehenden Berufsbildungsgesetz, BBiG, und zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung eine solche Novelle vorlegen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Lensing, die Bundesregierung beabsichtigt, noch in diesem Jahr Eckwerte für die geplante Novellierung des Berufsbildungsgesetzes vorzulegen. Auf der Grundlage dieses Eckwertepapiers wird sie im Jahre 2004 das formale Gesetzgebungsverfahren einleiten und auch im Jahre 2004 abschließen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage?

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Matschie, gibt es neben der Festlegung der Eckpunkte, von denen Sie gerade gesprochen haben, bereits zu diesem Zeitpunkt auch Überlegungen dahin gehend - gerade im Bereich der Modellversuche -, die bisher übliche knappe und wenig aussagekräftige Aufzählung der Inhaltskategorien der zu schaffenden Ausbildungsberufe, zum Beispiel im kaufmännischen Bereich „Einkauf, Kalkulation, Vertrieb“, durch eine anschauliche und transparente Beschreibung praxistypischer Handlungsfelder zu ergänzen, also konkrete Aussagen zu machen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Lensing, wie ich Ihnen eben schon vorgetragen habe, werden wir die Eckpunkte im Dezember vorlegen. Deshalb kann ich erst zu dem Zeitpunkt im Einzelnen über konkrete Überlegungen informieren.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich dachte, Sie wären so kreativ, schon im Vorfeld einige Eckpunkte einzubringen, die Ihnen besonders wichtig sind. Aber ich werde diese positive Einschätzung gern revidieren. Ich habe noch eine weitere Frage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zu Ihrer Frage 11, Herr Lensing.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe zunächst noch eine Zusatzfrage zu Frage 10, wenn Sie gestatten, Herr Präsident.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich dachte, der Kommentar wäre schon die zweite Zusatzfrage.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, denn das war ja keine Frage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Sie haben das Recht, zwei Zusatzfragen zu stellen. Das Recht auf die zweite Zusatzfrage haben Sie sozusagen „halb verbraucht“. Aber ich gestatte Ihnen noch eine Zusatzfrage.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich danke Ihnen sehr. Gestern haben die Fraktion der SPD und auch die des Bündnisses 90/Die Grünen Überlegungen angestellt, wie bisher nicht ausbildende Betriebe an den Kosten der Berufsausbildung beteiligt werden könnten. Darüber berichtet heute unter anderem die „Welt“; darauf werde ich gleich noch zurückkommen. Gibt es in Ihrem Haus diese Überlegungen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Lensing, wie Sie wissen, haben wir auf unserem Ausbildungsgipfel vereinbart, jetzt in eine Nachvermittlungsphase einzutreten, um möglichst allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten zu können. Konkrete Ergebnisse dieser Nachvermittlungsphase liegen noch nicht vor. Deshalb ist es jetzt zu früh, über weitere Schritte zu entscheiden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zu Frage 11 des Kollegen Lensing: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Stärkung des Angebotes an betrieblichen Ausbildungsplätzen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Die Bundesregierung ist sich der großen Bedeutung der Sicherung eines ausreichenden Angebots an betrieblichen Ausbildungsplätzen im Rahmen des dualen Systems bewusst. Sie hat deshalb im April 2003 gemeinsam mit den Spitzenvertretern der Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften eine Ausbildungsoffensive gestartet. Die im Rahmen dieser Offensive eingeleiteten Maßnahmen haben spürbare Bewegung in die Ausbildungslandschaft gebracht. Trotz aller positiven Signale und Effekte kann die Situation zum 30. September 2003 jedoch noch nicht befriedigen. Bundesministerin Bulmahn und Bundesminister Clement haben deshalb auf einem zweiten Gipfel am 9. Oktober 2003 mit den Sozialpartnern die Ergebnisse der gemeinsamen Ausbildungsoffensive analysiert und die Wirtschaft aufgefordert, konkrete Folgemaßnahmen zur Schließung der Ende September noch bestehenden Ausbildungsplatzlücke in Angriff zu nehmen. Mit einer gemeinsamen Nachvermittlungsoffensive wollen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit der Bundesanstalt für Arbeit alle Jugendlichen, die am 30. September 2003 noch als Bewerber um einen Ausbildungsplatz geführt wurden, individuell ansprechen. Hier wird jeweils auch ein konkretes Angebot erfolgen. Die Bundesregierung begleitet diesen Prozess intensiv. Für den 6. November 2003 haben die Wirtschaftsverbände die Darstellung konkreter Ergebnisse angekündigt. Ich gehe davon aus, dass dann erste Erfolge der Nachvermittlungsphase sichtbar werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfragen, Herr Lensing? - Bitte schön.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vor dem Hintergrund der Maßnahmen, die die Bundesregierung plant und die ich, wenn sie so durchgeführt werden, durchaus begrüße, frage ich Sie, ob Sie auch Überlegungen angestellt haben, wie Hauptschüler und nicht so gute Realschüler einen Ausbildungsplatz finden können, denn für diese dürfte es ja ganz besonders schwierig werden.

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Lensing, Sie wissen genauso wie ich, dass es natürlich gerade für Schüler, die einen schlechten oder gar keinen Schulabschluss haben, besonders schwierig ist, einen Ausbildungsplatz zu finden. Deshalb haben wir verstärkt Maßnahmen im berufsvorbereitenden Bereich ergriffen. Ich glaube, dass es notwendig ist, in diesem Bereich verstärkt dafür zu sorgen, dass Jugendliche am Ende ausbildungsfähig werden. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass an dieser Stelle natürlich die Schulen gefordert sind, dafür zu sorgen, dass Schüler, die die Schule verlassen, ausbildungsfähig sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Noch einmal rekurrierend auf das Thema Ausbildungsplatzabgabe: Ist es ein parteipolitisches Vorurteil oder aber zutreffend, dass die SPD-Fraktionsführung mit der eventuellen Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe eine zentrale Forderung der SPD-Linken erfüllen will, um diesen durch ein solches Entgegenkommen die Zustimmung zum Reformpaket des Kanzlers zu erleichtern?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Lensing, Sie wissen, dass der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung im März dieses Jahres für den Fall, dass es nicht gelingt, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, angekündigt hat, ({0}) auch gesetzliche Schritte in Erwägung zu ziehen. Das hat er gestern wiederholt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden wir uns in der Nachvermittlungsphase. Die Ergebnisse dieser Nachvermittlungsphase werden wir abwarten. Erst danach wird über weitere Schritte entschieden werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Deß, Sie hatten eine Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe vor kurzem gelesen, dass die Gewerkschaften sehr wenig ausbilden. Ist daran gedacht, auch die Gewerkschaften in die Ausbildungsplatzabgabe einzubeziehen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Sehr geehrter Herr Kollege, da es eine solche Ausbildungsplatzabgabe bisher nicht gibt, kann natürlich auch nicht daran gedacht werden, die Gewerkschaften einzubeziehen. Im Übrigen sind alle, die Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen können, aufgefordert, dies in ausreichendem Umfange zu tun, auch die Gewerkschaften. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt kommen wir zur Frage 12 des Kollegen Michael Kretschmer: Wie hat sich das finanzielle Volumen der Förderung von Kooperationen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den EU-Beitrittsstaaten im Bereich Forschung und Entwicklung in den Jahren 1998 bis 2003 insgesamt entwickelt und wie viele Projekte wurden in diesem Zeitraum gefördert?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Kretschmer, die Entwicklung des finanziellen Volumens der Förderung von Kooperationen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den EU-Beitrittsstaaten im Bereich Forschung und Entwicklung und die Entwicklung der Projektzahlen gestalteten sich in den Jahren 1998 bis 2002 wie folgt: 1998 gab es in der bilateralen Zusammenarbeit einen Mitteleinsatz von 2,5 Millionen Euro. Damit wurden 314 Projekte gefördert. Multilateral standen 9,6 Millionen Euro zur Verfügung. Damit wurden 29 multilaterale Projekte gefördert. Im Jahre 1999 standen für die bilaterale Zusammenarbeit 2,9 Millionen Euro zur Verfügung. Hiermit wurden 332 Projekte gefördert. Multilateral standen 9,1 Millionen Euro zur Verfügung. Damit wurden 27 Projekte gefördert. Im Jahre 2000 standen für die bilaterale Zusammenarbeit 3,2 Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert wurden damit 367 Projekte. Multilateral standen 9,8 Millionen Euro zur Verfügung. Damit wurden 27 Projekte gefördert. Im Jahre 2001 standen bilateral 2,6 Millionen Euro zur Verfügung. Damit wurden 345 Projekte gefördert. Multilateral standen 10 Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert wurden damit 21 Projekte. Im Jahre 2002 standen bilateral 2,6 Millionen Euro zur Verfügung. Hiermit wurden 354 Projekte gefördert. Multilateral standen wie im Jahr davor 10 Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert wurden damit 25 Projekte. Somit wurden für die bilaterale Kooperation in diesem Zeitraum insgesamt 13,8 Millionen Euro bereitgestellt und damit jährlich durchschnittlich circa 342 Projekte gefördert. Im multilateralen Bereich belief sich die Förderung auf 48,5 Millionen Euro und jährlich durchschnittlich 26 Projekte. Da die endgültigen Zahlen für das Haushaltsjahr 2003 noch nicht abschließend vorliegen, können dazu noch keine verlässlichen Aussagen gemacht werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Beträge sind, gemessen am Haushalt des BMBF und an der Größe der Grenzregionen bzw. der Anzahl der Beitrittsländer, nicht sehr üppig. Ich möchte Sie fragen, wie Sie das im Hinblick auf die Herausforderungen im Zuge der EU-Erweiterung bewerten: Plant das BMBF möglicherweise, in den Grenzregionen die Forschungsprogramme des Bundes zu öffnen, um grenzüberschreitende Innovationsräume zu ermöglichen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Ich will noch einmal darauf hinweisen: Wir können, wie Sie gesehen haben, mit einer kleinen Summe eine große Zahl von Projekten anstoßen. Es handelt sich überwiegend um Zuschüsse zu Mobilitätskosten von Experten sowie zur Anbahnung und Flankierung gemeinsamer Projekte. Daher gehe ich davon aus, dass wir auch mit einer nicht so großen Summe erheblich zur Kooperation beitragen können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage? - Bitte, Herr Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ist bekannt, dass sich die Beitrittsstaaten intensiv bemühen, am 6. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union beteiligt zu werden. Meine Frage ist: Inwieweit unterstützt das BMBF dies, welche strategischen Initiativen gibt es und können Sie konkrete Beispiele für Kooperationen in diesem Bereich nennen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Kretschmer, wenn ich richtig informiert bin, ist es schon heute möglich, dass sich die Beitrittsstaaten am 6. Forschungsrahmenprogramm beteiligen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Kretschmer: Welche Maßnahmen will die Bundesregierung bezüglich des jetzt auslaufenden Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Verwertungsoffensive“ ergreifen?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Das Förderprogramm „Verwertungsoffensive“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird nach der Planung der Bundesregierung für die Jahre 2004 bis 2006 fortgesetzt. Im Rahmen der Verwertungsoffensive ist es bisher gelungen, durch kräftige Anschubfinanzierung - die Mittel wurden durch die Zinsersparnisse im Zusammenhang mit den UMTS-Erlösen frei - einen wichtigen und starken Impuls für den Aufbau des Hochschulpatentwesens in Deutschland zu geben. In allen Ländern sind Patent- und Verwertungsagenturen entstanden, die für die Hochschulen im Auftragswege das diffizile Geschäft zur Identifizierung erfinderischer Forschungsergebnisse, deren Bewertung als patentierbar und unter dem Verwertungsaspekt sowie die wirtschaftliche Verwertung übernehmen. Die Verwertungsstrukturen sind noch nicht aus sich heraus lebensfähig. Dafür ist die bisherige Aufbauzeit zu kurz gewesen. Um den Prozess der Strukturänderung zu stabilisieren, sieht die Fortsetzung der Förderung einen deutlich geringeren Bundesanteil vor; denn die Hochschulen und damit auch die Länder müssen in die Verantwortung für diese wichtige Aktivität hineinwachsen. Auch die Förderung von Patentierungshilfen für die Anmeldekosten bei Patentämtern und von Patentanwälten wird mit niedrigerer Förderquote fortgesetzt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, diese Patentverwertungsoffensive war groß angekündigt und wurde als eine Maßnahme propagiert, die viele Probleme lösen sollte. Jetzt, nach drei Jahren, stellen wir fest, dass sich nicht viel getan hat. Sie wollen dennoch für weitere zwei Jahre fördern. Glauben Sie denn, dass nach dann fünf Jahren diese Patentverwertungsagenturen tatsächlich lebensfähig sind?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Kretschmer, die Inanspruchnahme der Förderung durch die Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zeigt, dass das Thema „wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen“ in der deutschen Wissenschaftslandschaft greift. Ein wichtiges Anzeichen dafür, dass diese Offensive Erfolg hat, ist, dass alle Verbünde die nach der ersten Förderphase entstandenen Strukturen weiter nutzen und ausbauen wollen. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen und spricht dafür, dass diese Initiative erfolgreich ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte meine Frage schlicht noch einmal stellen: Glauben Sie, dass sich diese Agenturen nach fünf Jahren tatsächlich selber tragen werden?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege, Sie wissen, Prognosen sind immer schwierig. Wir hoffen, dass die Verwertungsagenturen so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen werden. Das ist in der Anlaufphase von drei Jahren bisher nicht gelungen, deshalb fördern wir weiter. Klar ist aber, dass die Hochschulen und Länder in diese Aufgabe hineinwachsen müssen und sich die Verwertungsagenturen selbst tragen müssen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Staatsminister Rolf Schwanitz zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 14 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Seit wann war dem Bundeskanzler, Gerhard Schröder, und dem Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Frank-Walter Steinmeier, bekannt, dass aussortiertes, kernbereichsrelevantes Material - unter anderem zahlreiche Schreiben des Lobbyisten D. H. an das Bundeskanzleramt sowie Leitungsvorlagen mit Anmerkungen der dort befassten Personen aus dem Jahre 1992 bis 1994, vergleiche Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bonn vom 2. Oktober 2003 - im Bundeskanzleramt vorhanden ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, die Bundesregierung nimmt zu staatsanwaltschaftlichen Verfügungen in einem nicht öffentlichen Verfahren grundsätzlich keine Stellung. Insoweit bin ich überrascht, dass Sie, Herr Kollege von Klaeden, aus Akten eines nicht öffentlichen Ermittlungsverfahrens zitieren. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Ihnen ist eine Frage gestellt worden, die Sie auch Pressemitteilungen entnehmen konnten. Ich habe gefragt, ob das kernbereichsrelevante Material im Bundeskanzleramt vorhanden war oder nicht. Ich habe ferner gefragt, ob und wenn ja, seit wann die Führung des Kanzleramtes Kenntnis davon hatte. Ich darf Sie doch bitten, nicht die Frage verfälschend darzustellen, sondern die Frage zu beantworten.

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, die Frage zielt auf einen sehr speziellen Sachverhalt ab. In allgemeiner Form kann ich zu dem von Ihnen angesprochenen Sachverhalt Folgendes ausführen: Bei dem Sachverhalt geht es nicht um den Verlust von Schriftgut, sondern um Aktenvorenthaltung gegenüber dem Parlament. Das in Ihrer Frage angesprochene Material wurde weder aussortiert noch hat es die Bundesregierung als vermisst bezeichnet. Es waren nicht diese Unterlagen, sondern es sind Unterlagen aus ganz anderen Bereichen, die die Bundesregierung auch heute noch vermisst.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, das beantwortet meine Frage nicht. Ich frage Sie noch einmal: Seit wann ist der Führung des Kanzleramtes dieses kernbereichsrelevante Material bekannt?

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Es geht hier um Material, das dem Untersuchungsausschuss vorenthalten wurde. Ihre Frage lässt indirekt vermuten, es ginge hier um vermisstes Material. Ich will deswegen ausführlich auf die Frage des vermissten Materials eingehen. Die Bundesregierung vermisst zum Beispiel im Fall Leuna die Originalakten aus dem Zeitraum bis zum Abschluss der Privatisierung der Raffinerie in Leuna. Das ist der Zeitraum bis zum Ende des Jahres 1992. Aus diesem Zeitraum gibt es keinerlei Originalakten, sondern nur sechs unstrukturierte Kopiebände. ({0}) Die Bände sind nicht chronologisch geordnet und sind auch sonst chaotisch zusammengestellt, sie enthalten fast nur minderwertiges Schriftgut. Ich möchte noch einmal auf das Nichtweiterreichen des Materials an den Untersuchungsausschuss eingehen. Bereits die Verwaltungsermittlungen zwischen Oktober 1999 und Februar 2000 haben ergeben, dass in der 13. Legislaturperiode zusammen mit anderem Schriftgut auch Schreiben des von Ihnen angesprochenen Lobbyisten D. H. dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages vorenthalten wurden. Das ist das Material, Herr von Klaeden, das in Ihrer Frage angesprochen worden ist. Dies geschah, obwohl die Unterlagen vom Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses „DDRVermögen“ umfasst waren. Der Chef des Bundeskanzleramtes, Staatssekretär Dr. Steinmeier, informierte hierüber den Untersuchungsausschuss der 14. Legislaturperiode sehr frühzeitig, nämlich am 17. Februar 2000, und leitete die kompletten Akten dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 14. Legislaturperiode unter dem Datum 24. Februar 2000 zu.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es gibt noch den Wunsch nach weiteren Zusatzfragen. Bitte schön, Herr Kollege.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen eine Kontaktaufnahme zwischen dem ehemaligen Kanzleramtsminister Hombach und Bediensteten oder politischen Amtsträgern des Bundeskanzleramtes bekannt, in der er darauf hingewiesen hat - so hat er es jetzt mehrfach in Interviews geäußert -, dass ihm niemals Akten nicht vorgelegt wurden, nach denen er sich erkundigt hat, und er auch nicht die Auffassung teilt, wonach es die so genannten Bundeslöschtage gegeben hat? Hat es also von Herrn Hombach an Sie, an Herrn Minister Steinmeier oder auch an den Bundeskanzler direkt Hinweise darauf gegeben, dass all das, was Sie hier vortragen, aus seiner Sicht unzutreffend sei?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich weiß nicht, nach welchen Unterlagen - darauf zielen Sie mit Ihrer Frage ab - sich der damalige Bundesminister a. D. Hombach erkundigt hat. Ich habe darüber keine Kenntnis. Mir ist nur wichtig, dass nicht der Eindruck entsteht, als seien bestimmte Akten - Herr von Klaeden hat sie in seiner Frage benannt - ursprünglich als vermisst eingestuft worden und dann wieder aufgetaucht. Es geht vielmehr darum, dass diese speziellen Akten dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorenthalten worden sind. ({0}) Darüber ist selbstverständlich unmittelbar nach dem Regierungswechsel dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 14. Legislaturperiode durch den Chef des Kanzleramtes Bericht erstattet worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Frage des Kollegen Gewalt.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, die Staatsanwaltschaft hat sich öffentlich - in diesem Fall braucht man nicht in irgendwelche Akten zu schauen - sehr kritisch mit dem Sonderermittler, Herrn Burkhard Hirsch, auseinander gesetzt. ({0}) Deshalb meine Frage an Sie: Welche Rechte und welche Pflichten hatte Burkhard Hirsch eigentlich? War er zum Beispiel nach dem Beamtenrecht zu einer besonderen Verschwiegenheit verpflichtet? Musste er beamtenrechtliche Vorschriften beachten oder stand er diesbezüglich über den Dingen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gewalt, ich habe auf Fragen aus Ihrer Fraktion mehrmals auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis, dem Herr Bundestagsvizepräsident a. D. Burkhard Hirsch unterlegen hat, hingewiesen - übrigens auch in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage, die Ihre Fraktion gestellt hat. Ich will ausdrücklich noch einmal sagen, dass es nicht mein Eindruck ist, dass sich die Staatsanwaltschaft hier kritisch gegenüber Herrn Dr. Hirsch geäußert hat. Das trifft aber sehr wohl - das habe ich sehr intensiv vernommen - auf Kommentierungen und Presseerklärungen seitens Ihrer Fraktion zu, auch zu den Fragen, die heute hier gestellt werden, die ich aber ausdrücklich nicht teile.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann kommen wir zur Frage 15 des Kollegen von Klaeden: Hat der disziplinare Vorermittler im Bundeskanzleramt, Dr. Burkhard Hirsch, seinen Bericht vom 31. Mai 2000 für den Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Frank-Walter Steinmeier, mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass bestimmte Bedienstete bzw. frühere Bedienstete des Bundeskanzleramtes in dem Verdacht stehen, ihre beamtenrechtlichen Pflichten verletzt zu haben, und, wenn ja, warum sind diese nicht als Betroffene vor der Anhörung von Dr. Burkhard Hirsch vor dem 1. Untersuchungsausschuss der 14. Wahlperiode am 28. Juni 2000 gehört worden, um sich frühzeitig sachdienlich verteidigen zu können?

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, nein, die disziplinaren Vorermittlungen richten sich nicht gegen bestimmte Beamte, sondern gegen unbekannt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben gerade gesagt, das Ermittlungsverfahren sei nicht öffentlich gewesen. Ist Ihnen bekannt, dass nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft Köln die Beschwerde der Bundesregierung verfristet gewesen ist und dass deswegen das Ermittlungsverfahren nach § 172 der Strafprozessordnung als abgeschlossen zu betrachten ist? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, das Bundeskanzleramt hat fristgemäß schriftlich Stellung genommen und diese Stellungnahme ist seitens des Generalstaatsanwaltes Köln als Beschwerde gewertet worden und in das Verfahren eingegangen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfragen?

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen bekannt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt ist?

Not found (Gast)

Herr von Klaeden, solange der hierfür vorgesehene Rechtsweg - dazu gehört selbstverständlich auch das rechtliche Werten einer Beschwerde und die entsprechende Entscheidung darüber - nicht ausgeschöpft ist, ist dieses Verfahren nicht abgeschlossen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen dazu? - Das ist nicht der Fall. Die Frage 16 der Kollegin Rita Pawelski soll schriftlich beantwortet werden. - Ich bedanke mich, Herr Staatsminister. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Hans Martin Bury zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage 17 des Kollegen Jens Spahn: Hält die Bundesregierung eine ideelle wie finanzielle Unterstützung zur Aufrechterhaltung des Museumsbetriebes in Huis Doorn, dem Exilsitz von Wilhelm II. in den Niederlanden, auch als Zeichen der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden für geboten und wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?

Not found (Gast)

Herr Kollege Spahn, die Bundesregierung hat sich für die Aufrechterhaltung des Museumsbetriebs in Haus Doorn eingesetzt und zu diesem Zweck Gespräche mit drei Bundesländern, verschiedenen Kulturstiftungen und Wirtschaftsunternehmen geführt. Dabei ist es unstrittig, dass diese Aufgabe nicht zur auswärtigen Kulturpolitik gehört und daher auch nicht mit entsprechenden Bundesmitteln gefördert werden kann. Die Bemühungen der Bundesregierung zielten daher darauf ab, eine finanzielle Zusammenarbeit interessierter deutscher Stellen - dazu gehören vor allem Museen, die Leihgaben aus dem Haus Doorn ausstellen - mit dem Königreich der Niederlande zu initiieren. Leider konnte trotz intensiver Bemühungen die Finanzierung eines deutschen Beitrages zu den Betriebskosten nicht sichergestellt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass die niederländische Seite die Aussagen eines Ministerialdirektors aus dem Bundeskanzleramt während eines Gesprächs im Mai 2003 als eine mündliche Zusage gewertet hat, dass ab 2004 250 000 Euro für eine vorläufige Zwischenlösung in einem Sonderfonds zur Verfügung gestellt werden? Dies hat auf niederländischer Seite ein sehr positives Echo gefunden. Dass dann diese Zusage offiziell zurückgenommen wurde, hat für Unmut gesorgt.

Not found (Gast)

Herr Kollege Spahn, es trifft nicht zu, dass eine Zusage zurückgenommen worden ist. Es hat offensichtlich ein Missverständnis hinsichtlich des Gespräches mit Herrn Nevermann gegeben. Ich bedauere, dass es dazu gekommen ist. Nach meiner Kenntnis ist das Missverständnis aber ausgeräumt worden. In internen Vorgesprächen haben das Auswärtige Amt und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien in Aussicht gestellt, sich mit einer einmaligen Anschubfinanzierung von jeweils 50 000 Euro an dem von niederländischer Seite für erforderlich gehaltenen deutschen Jahresbeitrag von 250 000 Euro zu beteiligen. Das zeigt, dass die Bundesregierung wirklich alles ihr Mögliche getan hat, um die Aufrechterhaltung des Museumsbetriebes im Haus Doorn zu unterstützen. Da trotz dieses Angebots die Gesamtfinanzierung nicht zustande gekommen ist, konnte der niederländischen Seite leider auch keine Zusage gemacht werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zu Frage 18 des Abgeordneten Albert Rupprecht: Könnte nach Ansicht der Bundesregierung aus dem europäischen Verfassungsvertrag in seinem momentanen Entwurf ein Anspruch auf den Empfang von Sozialleistungen auch für jene EU-Ausländer abgeleitet werden, die sich in Deutschland ohne Arbeitnehmerstatus niederlassen?

Not found (Gast)

Ich würde diese Frage gerne im Zusammenhang mit Frage 19 des Kollegen Rupprecht beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich auch Frage 19 des Abgeordneten Albert Rupprecht auf: Wenn ja, mit welchem Ziel gedenkt die Bundesregierung im Verlauf der Verhandlungen der aktuellen Regierungskonferenz in Rom diesen Punkt zu verhandeln?

Not found (Gast)

Herr Kollege Rupprecht, die Antwort auf Ihre erste Frage lautet: Nein. Da Ihre zweite Frage ausdrücklich die Bejahung der ersten Frage voraussetzt, erübrigt sich logischerweise eine Beantwortung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, bitte schön.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es kann weder im Interesse der Beitrittsstaaten der Europäischen Union noch der westeuropäischen Staaten sein, dass es zu einer Zuwanderung zu Sozialsystemen des Nachbarlandes gibt. Ich denke deshalb, dass wir dieses Thema sehr behutsam und intensiv durchdenken und behandeln müssen. Meine Nachfrage: Glauben Sie nicht, dass aufgrund des Verfassungsvertrages, und zwar konkret aufgrund von II Art. 34, diese Frage eine neue Qualität bekommt? Hier heißt es unter anderem, dass jeder Mensch in der Europäischen Union, der den Wohnsitz wechselt, Anspruch auf soziale Leistungen hat. Wäre es darüber hinaus nicht sinnvoll gewesen, im europäischen Verfassungsvertrag präzisere Formulierungen zu wählen? Ich denke unter anderem an Vorschläge des Ifo-Instituts, das die Position vertritt, dass ein europäischer Bürger, der in einem anderen Land Sozialleistungen beziehen möchte, diese nur nach angemessenen Fristen bzw. innerhalb dieser Fristen nur Teilleistungen erwerben kann, und zwar in dem Umfang, in dem er in die sozialen Sicherungssysteme des betreffenden Landes eingezahlt hat.

Not found (Gast)

Zum ersten Teil Ihrer Frage. Durch den Verfassungsentwurf ergibt sich keine Änderung der Rechtslage im Hinblick auf die von Ihnen gestellte Frage nach dem Empfang von Sozialleistungen auch für jene EU-Ausländer, die sich in Deutschland ohne Arbeitnehmerstatus niederlassen. Der von Ihnen angesprochene Artikel schreibt ausdrücklich den Bezug auf das Unionsrecht und die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vor. Die Einfügung der Grundrechte-Charta in den Verfassungsentwurf verbessert den Grundrechteschutz der Bürger gegen sie belastende Akte des Unionsrechts, veränderte jedoch nicht die in der Verfassung festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. Der zweite Teil Ihrer Frage berührt nach meiner Auffassung nicht Verfassungsfragen, sondern Fragen, die Gegenstand laufender Gesetzgebungsvorhaben der Europäischen Union sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das, dass die Bundesregierung der Ansicht ist, dass es im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union definitiv nicht zu einer Zuwanderung zu Sozialsystemen kommen wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die EU arbeitet auf der Grundlage der Verträge von Amsterdam und Nizza gegenwärtig bereits an verschiedenen Gesetzgebungsvorhaben in den Bereichen Asyl und Einwanderung. Die Kommission hat dazu eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die zum Teil bereits verabschiedet, zum Teil noch in den Gremien beraten werden. Sie müssen von den Mitgliedstaaten einstimmig angenommen werden. Bei all diesen Vorhaben trägt die Bundesregierung dafür Sorge, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme nicht stattfinden kann. Damit wird noch vor dem InKraft-Treten einer künftigen Verfassung ein Grundbestand gemeinsamer Regelungen geschaffen. Sowohl für EU-Bürger als auch für Angehörige von Drittstaaten ist das Aufenthaltsrecht nach dem Grundbestand stets daran geknüpft, dass der Betroffene für seinen Unterhalt selbst aufkommen kann. Daran ändert sich auch künftig nichts.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Frage 20 soll schriftlich beantwortet werden. Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Die Fragen 21 und 22 sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 23 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch: Trifft es zu - Quelle: „Report Mainz“ vom 6. Oktober 2003 -, dass der Bundesverband Investment und Asset Management, BVI, eine Mitarbeiterin in das Bundesministerium der Finanzen, BMF, abgeordnet hat, um mit Know-how und Ressourcen das BMF bei der Arbeit zu unterstützen, und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lobbygruppen, Unternehmen und Vereinen sind im Jahr 2003 in Bundesministerien tätig gewesen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Lötzsch, es trifft zu, dass eine Mitarbeiterin des Bundesverbandes Investment und Asset Management von Januar bis August 2003 im Bundesministerium der Finanzen tätig war. Sie war in den Arbeitsbereich des für Investmentwesen zuständigen Referats unter der Leitung des Referatsleiters integriert. Ziel des Einsatzes war, Praxiswissen in die konkrete Arbeit dieses Referates einzubringen. Hinsichtlich der Zahl der externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchte ich auf die Beantwortung der schriftlichen Frage Nr. 115 des Abgeordneten Feibel verweisen. Zahlen für davon abweichende Zeiträume liegen der Bundesregierung nicht vor, weil eine statistische Erfassung nicht erfolgt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Lötzsch, Zusatzfrage, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, ich habe nicht nach externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefragt, sondern der zweite Teil meiner Frage bezieht sich ausdrücklich darauf, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lobbygruppen, Unternehmen usw. neben der einen genannten Mitarbeiterin - diesbezüglich haben Sie die Frage bereits beantwortet - im Jahre 2003 in Bundesministerien tätig gewesen sind, also abgeordnet waren, bzw. immer noch dort arbeiten.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Bezüglich der externen Zuarbeit verweise ich noch einmal auf die Anfrage des Abgeordneten Feibel. In der Antwort auf diese Frage wurde das genau aufgelistet. Ansonsten gibt es keine weitere Erfassung statistischer Art.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, in Art. 33 Abs. 4 unseres Grundgesetzes steht - ich darf zitieren -: Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. In welchem Treueverhältnis befinden sich die abgeordneten Lobbyisten Ihrer Meinung nach?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich habe Ihnen beschrieben, welche Aufgabenstellung diese Mitarbeiterin im Bundesfinanzministerium hatte. Dabei ging es nicht um hoheitliche Befugnisse. Die Verschwiegenheits- und Vertrauensregularien sind in diesen Fällen klar geregelt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 24 der Kollegin Lötzsch: Wie will die Bundesregierung verhindern, dass die abgeordneten Personen aus ihrer Tätigkeit in einem Bundesministerium einen Informationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz gewinnen können, und wie will die Bundesregierung verhindern, dass durch solche Abordnungen Partikularinteressen von Lobbyisten einen prägenden Einfluss auf die Gesetzgebung bekommen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Beschäftigte, die im Rahmen ihrer Tätigkeit in einem Bundesministerium Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten, haben deren Vertraulichkeit zu gewährleisten. Das Gesetzgebungsverfahren unterliegt nach den Bestimmungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien zahlreichen Beteiligungserfordernissen, aufgrund derer beispielsweise die Ressorts entsprechend ihren Zuständigkeiten sowohl formal als auch inhaltlich auf die Gesetzesvorlage einwirken können. Entsprechend diesen Bestimmungen sind außerdem unter anderem die Länder, kommunale Spitzenverbände, Fachkreise und Verbände zu beteiligen, wenn ihre Belange berührt sind. Darüber hinaus unterliegt jedes Gesetzgebungsverfahren den Kontrollwirkungen der Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, um ein konkretes Beispiel zu nehmen: Können Sie ausschließen, dass bei der Erarbeitung des Vertrages über die Erhebung der LKW-Maut für die Benutzung von Autobahnen in den dafür zuständigen Ministerien Lobbyisten tätig waren?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich möchte es mir nicht anmaßen, für einen Bereich, in dem ich nicht tätig bin, etwas auszuschließen. Deswegen will ich Ihnen diese Frage auch nicht beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Das ist sehr schade. Herr Staatssekretär, könnten Sie dafür Sorge tragen, dass mir diese Frage von einem anderen Mitglied der Bundesregierung beantwortet wird, da ich diese Frage nicht an Sie persönlich, sondern an die Bundesregierung gerichtet habe?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich denke, die Nachfragen sollten in einem bestimmten Verhältnis zu der gestellten Frage stehen. Deswegen ist die Antwort so zu geben, wie ich Sie Ihnen eben gegeben habe.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Fragen 25 und 26 sollen schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. Die Fragen 27 und 28 sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Henry Nitzsche: Wann ist gemäß dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 3. Juli 2003 mit der befristeten Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Fusionen von Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften in den neuen Ländern zu rechnen und welche Schritte - vergleiche Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 15/1091, Abschnitt III Ziffer 6, sowie Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates vom 9. Juli 2003, Bundestagsdrucksache 15/1407, Anlage 2 - wurden bisher unternommen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Nitzsche, der Bundesrat hatte bereits am 23. Mai dieses Jahres beschlossen, den Entwurf eines Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften in den neuen Ländern beim Deutschen Bundestag einzubringen. Dieser Gesetzentwurf sieht somit schon die vom Deutschen Bundestag Wochen später, nämlich am 3. Juli, geforderte befristete Steuerbefreiung vor. Der Gesetzentwurf wurde dem Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 3 des Grundgesetzes am 9. Juli durch die Bundesregierung übermittelt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sich daneben ein eigener inhaltsgleicher Gesetzentwurf erübrigt, zumal das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer allein den Ländern zusteht. Die Initiative zur Änderung von Gesetzen, die solche Ländersteuern betreffen, sollte von den Ländern ausgehen. Dieser ständige Grundsatz wird ebenso in anderen Fragen vertreten, was auch hier geschehen ist. Wegen der in der Stellungnahme der Bundesregierung genannten verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken waren die neuen Länder um eine Stellungnahme gebeten worden. Diese wurde inzwischen abgegeben und wird zurzeit dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages übermittelt, um gegebenenfalls in die Entscheidung Eingang zu finden. Da das Vorhaben als staatliche Beihilferegelung im Sinne des Art. 87 Abs. 1 des EG-Vertrages der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorzulegen ist, beabsichtigt die Bundesregierung, dieses Notifizierungsverfahren in Absprache mit den neuen Ländern parallel zum Gesetzgebungsverfahren einzuleiten; denn vor einer abschließenden Entscheidung der Kommission darf die geplante Steuerbefreiung nicht in Kraft gesetzt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Nitzsche, eine Zusatzfrage? ({0}) Dann kommen wir zur Frage 30 des Kollegen Uwe Schummer: Verfügt die Bundesregierung über Berechnungen über die unterschiedlichen Belastungen der Bürger durch die Reformgesetze der Agenda 2010 einschließlich der geplanten Steuersenkung ab 2004, so wie das von der Bundesregierung auf ihrer Hardenberg-Klausurtagung vereinbart worden ist, und, wenn ja, zu welchem Ergebnis kommen diese?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Schummer, die in Ihrer Frage enthaltene Behauptung konnte ich nicht verifizieren. Deshalb lassen Sie mich Folgendes antworten: Zusammenfassende Berechnungen über die unterschiedlichen Wirkungen der verschiedenen Reformmaßnahmen liegen nicht vor. Im Hinblick darauf, dass die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Reformmaßnahmen verschiedene Personenkreise ansprechen, hätten logischerweise derartige Berechnungen nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Das Leben ist nun einmal vielfältig. Daher können manche Gruppen mehrfach betroffen sein. Hinsichtlich des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform wird deutlich, dass insbesondere Verheiratete steuerlich besonders stark entlastet werden. So reduziert sich beispielsweise die Einkommensteuerbelastung einschließlich Solidaritätszuschlag eines Verheirateten mit einem Jahresbruttolohn von 32 500 Euro - darin sind schon Arbeitnehmerpauschbetrag, Sonderausgabenpauschbetrag und Vorsorgepauschale berücksichtigt - um 23,4 Prozent gegenüber der Steuerschuld, die er bei einem gleichen Einkommen in diesem Jahr hat. Ein verheirateter Arbeitnehmer mit einem Jahresbruttolohn von weit mehr als 32 500 Euro, beispielsweise 55 000 Euro, wird im kommenden Jahr gegenüber 2003 durch unsere Steuerreform um rund 10 Prozent entlastet. Bei gleichen Jahresbruttolöhnen sparen Ledige 9,6 bzw. 9,4 Prozent ihrer bisherigen Steuerschuld.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Schummer.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ging weniger um die Darstellung einer Steuerstufe als um die Berechnung der Gesamtbelastung eines durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalts im Jahr 2004 durch alle beschlossenen oder beabsichtigten Maßnahmen, einschließlich der in der Agenda 2010. Muss ich davon ausgehen, dass es eine solche Gesamtberechnung für einen durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt für das Jahr 2004 nicht gibt und nicht geben wird? Was halten Sie vor diesem Hintergrund von einer entsprechenden Berechnung der Gewerkschaft Verdi, wonach die Gesamtbelastung eines durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushaltes mit zwei Kindern im nächsten Jahr trotz Ihrer Steuerreform drastisch ansteigen wird?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich würde gerne einmal anhand konkreter Fälle nachvollziehen können, welche Gruppe man unter einem durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt versteht. Gehört dazu ein Arbeitnehmer, der pendelt, oder ein Arbeitnehmer, der nicht pendelt? Pendelt dieser Arbeitnehmer eine weite Strecke oder eine kurze? Hat er die Absicht, im nächsten Jahr ein Eigenheim zu bauen, oder hat er diese Absicht nicht? Ist er in Arbeit oder arbeitslos? Welche zusätzlichen Ansprüche kann er geltend machen? Ich würde raten, das an einem konkreten Beispiel festzumachen. Dann kann man nachvollziehbar darlegen, wie sich die Belastungen bzw. Entlastungen auswirken.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Herr Schummer.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage war: Liegen entsprechende optionale Berechnungen vor oder ist vorgesehen, solche Berechnungen durchzuführen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich hatte eingangs gesagt und wiederhole jetzt: Zusammenfassende Berechnungen über die unterschiedlichen Wirkungen der verschiedenen Reformmaßnahmen liegen nicht vor.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Fragen 31 und 32 sollen schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, die Fragen 33 bis 36, sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. Die Fragen 37 und 38 sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 39 des Abgeordneten Nitzsche: Ist beabsichtigt, den kommunalen Eigenanteil bei der Aufwertung innerhalb des Stadtumbauprogramms Ost auf Dritte zu übertragen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Abgeordneter Nitzsche, nein, die Übernahme des kommunalen Eigenanteils durch einen Dritten ist bereits heute möglich, wenn der Dritte unbeteiligt ist, das heißt, nicht selbst gefördert werden soll. Die Aufbringung des kommunalen Eigenanteils durch einen Empfänger der Förderung, zum Beispiel eine Wohnungsbaugesellschaft, widerspräche dem Grundsatz, dass Förderer und Förderungsempfänger nicht identisch sein können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Nitzsche.

Henry Nitzsche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003601, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist vielleicht daran gedacht, dass man bei der Aufwertung innerhalb des Stadtumbauprogramms die Bereitstellung des Eigenanteils splitten könnte, sodass bei öffentlichen Vorhaben der Eigenanteil der Gemeinde zum Beispiel durch Wohnungsbaugesellschaften erbringbar wäre? Ich meine eine Trennung in öffentliche und nicht öffentliche Formen.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Nitzsche, der Aufwertungsteil beträfe beispielsweise nach dem Abriss eines Wohnblocks die Erstellung eines Parks. Es ist vollkommen klar: Ein Wohnungsbauunternehmen, das wir fördern, weil es in seiner Existenz bedroht ist, und das einen Block abreißen kann, kann nicht selber zu dieser Förderung herangezogen werden. Das kann nicht funktionieren. Gleichwohl ist es jetzt schon möglich, dass sich statt der Kommune beispielsweise ein anderer Träger, zum Beispiel eine Stiftung, bereit erklärt, eine Maßnahme wie die Errichtung eines solchen Parks zu fördern, also den kommunalen Eigenanteil zu übernehmen. Das kennen wir aus anderen Bereichen, Herr Kollege Nitzsche. Sie wissen, dass wir diese Förderkriterien auch bei der Städtebauförderung bzw. beim Denkmalschutz haben. In diesen Bereichen kennen wir solche Übernahmen von kommunalen Eigenanteilen, beispielsweise auch durch die Stiftung Denkmalpflege.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Henry Nitzsche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003601, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine letzte Frage: Gibt es Überlegungen, bei der Aufwertung eine generelle Trennung in einen öffentlichen und privaten Bereich vorzunehmen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Nein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das auseinander gedröselt werden soll. Wir haben bei der Vorbereitung der Verwaltungsvereinbarung für das Jahr 2004 auch mit den Ländern darüber gesprochen, ob es bei dem Grundsatz bleiben soll, dass ein Wohnungsunternehmen den kommunalen Eigenanteil nicht selber übernehmen kann. Die Länder sprechen sich klar dafür aus, den Grundsatz beizubehalten, dass Förderempfänger und Förderer nicht identisch sein können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Fragen 40 und 41 sollen schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Gemäß I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse hat die Fraktion der CDU/CSU zur Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 14 und 15 des Kollegen Eckart von Klaeden eine Aktuelle Stunde verlangt. Die SPD wiederum beantragt, dass die Aktuelle Stunde zur vorgesehenen Zeit, nämlich um 15.30 Uhr, stattfindet. ({0}) - Um 15.40 Uhr? ({1}) - Wenn Sie 15.40 Uhr vorschlagen, dann übernehmen wir das. Wir unterbrechen jetzt die Sitzung. Sie wird um 15.40 Uhr fortgesetzt. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Fraktion der CDU/CSU hat eine Aktuelle Stunde zu der Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 14 und 15 in der Fragestunde verlangt. Dies entspricht Nummer I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Die Aktuelle Stunde ist unmittelbar nach der Fragestunde durchzuführen. Ich rufe daher auf: Aktuelle Stunde zu Vorermittlungen im Bundeskanzleramt zum Verdacht der Akten- und Datenvernichtung Ich erteile als erstem Redner dem Kollegen Eckart von Klaeden das Wort.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes wegen angeblicher Datenänderung und Aktenvernichtung ist eingestellt. Herr Staatsminister Schwanitz, daran können auch Sie nichts ändern, obwohl Sie eben in der Fragestunde versucht haben, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken. ({0}) Sie haben nämlich behauptet, Sie warteten noch auf einen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Köln bzw. der Staatsanwaltschaft Bonn in dieser Frage. ({1}) Tatsächlich hat aber das Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 16. Oktober dieses Jahres der Generalstaatsanwaltschaft angekündigt, dass es nicht gemäß § 172 StPO vorgehen will. Das heißt, dass Sie weder gegen die Einstellungsverfügung eine Beschwerde im Sinne der Strafprozessordnung eingelegt haben noch versucht haben, ein Klageerzwingungsverfahren anzustrengen. Sie haben mit dem besagten Schreiben ausdrücklich darauf verzichtet. Einen Einstellungsbescheid zu erwarten, obwohl Sie selber auf eine Beschwerde verzichtet haben, stellt das Verfahren auf den Kopf. Sie haben also im Zusammenhang mit diesem Verfahren ein weiteres Mal versucht, im Bundestag einen falschen Eindruck zu erwecken. Ich frage mich, ob dahinter Vorsatz oder nur Unkenntnis steckt. ({2}) Wir befassen uns mit einem einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik; denn noch nie hat eine Bundesregierung versucht, ihre Vorgängerregierung auf eine derartig infame Art und Weise in ein kriminelles Licht zu rücken. ({3}) 1999 ist es der Bundesregierung fast genauso ergangen wie jetzt: Die SPD hat eine Reihe von Landtagswahlen verloren und hat sich laut Umfragen der 20-ProzentMarke gefährlich genähert. Angesichts dessen ist sie der Idee verfallen, einen zu diesem Zeitpunkt schon lange bekannten Vorgang, nämlich den Umstand, dass vor dem Regierungswechsel 1998 Unterlagen in einem geringen Umfang nach Rückkehr vom Treuhanduntersuchungsausschuss nicht aufzufinden waren, zum Anlass für eine parlamentarische Inszenierung zu nehmen. ({4}) Herr Hofmann, es handelt sich dabei um Akten, die jahrelang den SPD-Abgeordneten selber im Untersuchungsausschuss vorgelegen haben. Es ist weiterhin behauptet worden, Daten seien rechtswidrig gelöscht worden, und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass es ständige Praxis des Bundeskanzleramtes ist, dass dauerhaft aufzubeEckart von Klaeden wahrende Daten nicht als Datei, sondern in Papierform zu den Akten zu verfügen sind. Sowohl damals als auch heute gilt im Bundeskanzleramt die Anweisung, dass Daten regelmäßig zu löschen sind. ({5}) Die Staatsanwaltschaft Bonn hat Ihnen in ihren Vermerken mehrfach nachgewiesen, dass es zu den von Ihnen behaupteten Datenlöschungen nicht gekommen ist und dass insbesondere die Festplatte, mit der Sie die von Ihnen behauptete Datenlöschung hätten nachweisen können, nicht in der Verantwortung von Helmut Kohl, sondern von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundeskanzleramt vernichtet worden ist. ({6}) Es ist bedauerlich, dass sich jemand wie Burkhard Hirsch für ein derartiges Verfahren hergegeben hat und dass Sie immer wieder versucht haben, mit Beschwerden und Anzeigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes zu diskreditieren. Sie haben nicht die Courage gehabt, sich mit dem politischen Gegner auseinander zu setzen, sondern die Feigheit besessen, immer wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes mit Strafverfahren und Beschwerden zu überziehen. ({7}) Ich möchte Ihnen mitteilen, was der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes, Ihr Parteifreund Bodo Hombach, über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes am 18. Juni 2003 gesagt hat: ({8}) Und die Mitarbeiter, die ich aus der Vergangenheit übernommen hatte - ich habe ja drei Monate mit dem persönlichen Referenten von Herrn Bohl weitergearbeitet -, waren außerordentlich loyal. Ich habe keinen Verdacht zu erheben. Bodo Hombach hat zu den Vorwürfen, die Sie erhoben haben, gesagt: Dass in großem Stil Akten im Bundeskanzleramt vor der Amtsübergabe vernichtet worden sind, dafür gibt es keine Beweise. Die „Bundeslöschtage“ hat es nie gegeben. ({9}) In demselben Zusammenhang hat er gesagt: Da, wo ich aus der Vergangenheit Informationen wollte, da, wo ich nach Akten verlangt habe, da wurden die mir vorgelegt. ({10}) Ein bezeichnendes Beispiel für die Art und Weise, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes von Ihnen diffamiert worden sind, sind die Aussagen des früheren Staatsministers im Kanzleramt Naumann, der im Deutschen Bundestag behauptet hat: Eine solche Suche - nämlich nach Akten erübrigt sich im Grunde genommen aufgrund des skandalösen, streckenweise offenkundig auch kriminellen Tatbestandes der Vernichtung von Akten - über eine Million Seiten sind verschwunden -, jedenfalls so lange, bis dieser Vorgang geklärt ist. ({11}) Damit wird das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt. ({12}) Sie haben dieses Verfahren inszeniert, um die Vorgängerregierung zu diffamieren. Sie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanzleramts in völlig unverantwortlicher Weise für Ihre parteipolitischen Zwecke missbraucht. ({13}) Es ist an der Zeit, dass sich diese Regierung für dieses Vorgehen entschuldigt. Wir werden dieses Vorgehen noch weiter parlamentarisch untersuchen. ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Rainer Wend.

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich am Montagmorgen beim Frühstück saß, habe ich mir überlegt, zu welchem Thema die CDU/ CSU in dieser Woche eine Aktuelle Stunde beantragen würde. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Sie die merzschen Steuerreformvorschläge zum Thema machen würden. ({0}) Vermutlich haben Sie sich aber überlegt, dass wir Ihnen Folgendes vorrechnen würden: Der gut verdienende Fernsehintendant oder auch Bundestagsabgeordnete profitiert zwar, aber die Krankenschwester, die Nachtarbeit leistet, ist die große Verliererin dieser Steuerreform. ({1}) Vielleicht hätten Sie sich sogar von der CSU anhören müssen, dass der Stufentarif von Herrn Merz dummes Zeug und im Übrigen die ganze Lösung sozial ungerecht ist. Von daher habe ich verstanden, dass Sie diese Aktuelle Stunde nicht wollen. Aber ein bisschen überrascht war ich dann doch darüber, dass Sie die bedauerlicherweise schon fast vergessene Skandalgeschichte um die Parteispenden Ihres früheren Kanzlers Helmut Kohl zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht haben, das also selber noch einmal auf die Tagesordnung gebracht haben. ({2}) Aber sei es drum! Sie wollen offensichtlich gern an die 1 Million DM erinnert werden, die in der Schweiz auf einem Parkplatz in einem Lederkoffer von dem Waffenhändler Schreiber an den CDU-Schatzmeister überreicht worden und auf einem Schwarzgeldkonto verschwunden sind. ({3}) Sie wollen offensichtlich gern daran erinnert werden, dass die Eheleute Ehlerding den Zuschlag für den Kauf von Wohnungen bekommen haben, obwohl sie 1 Milliarde DM weniger geboten haben als der Konkurrent, und dass sie einige Tage später die größte Parteispende in der Geschichte der CDU in Höhe von 5,9 Millionen DM geleistet haben, die auf einem Schwarzgeldkonto von Helmut Kohl verschwunden sind. ({4}) Sie wollen offensichtlich daran erinnert werden, dass Helmut Kohl bis heute die Namen dieser Spender noch nicht genannt hat ({5}) und dass Sie als Partei bis heute nichts unternommen haben, insbesondere keine Auskunftsklage erhoben haben, um herauszubekommen, von wem diese Spendengelder in Millionenhöhe gekommen sind. Sie werden wissen, warum Sie das von Helmut Kohl bis heute noch nicht verlangt haben. Ich bin Ihnen dankbar für den Zwischenruf mit dem Stichwort Wuppertal. Ich könnte auch das Stichwort Köln ergänzen. Das Bittere ist, dass Kreisfunktionäre von CDU und SPD in Köln ({6}) Spenden an Parteien anonymisiert haben, was schon ein Skandal ist. Dass aber ein früherer Bundeskanzler dies für Beträge in Millionenhöhe getan hat, ist ein doppelter Skandal, den Sie sich vorrechnen lassen müssen, meine Damen und Herren! ({7}) Zu all den Dingen, die damals gelaufen sind, sagen Sie heute: Schwamm drüber. Herr Hirsch ist der Übeltäter. Die neue Bundesregierung diffamiert die alte Bundesregierung. Man muss die alte Bundesregierung gar nicht diffamieren. Erinnern Sie sich doch bitte nur daran, dass ein früherer beamteter Staatssekretär im Verteidigungsministerium per Haftbefehl gesucht wird und flüchtig ist! Solche Leute waren Teil der damaligen Bundesregierung. ({8}) Von daher kann von einer Diffamierung der früheren Bundesregierung gar nicht die Rede sein. ({9}) Ich will Ihnen auch vorhalten, was im Kanzleramt allerdings bis heute fehlt. Bereits 1997 waren sechs Bände der Leuna-Akte komplett verloren. Im Sommer 1998 stellte die Registratur des Bundeskanzleramtes das Fehlen eines weiteren Bandes der Leuna-Akte fest. Im Februar 2000 stellte man beim Versuch der Aktenrekonstruktion über das IT-System fest, dass für den Zeitraum vor Oktober 1998 auffallend weniger Dokumente als für spätere Zeiträume gespeichert sind. Disziplinarische Vorermittlungen wurden eingeleitet. Wer dies angesichts der Auffälligkeiten in Bezug auf die Aktenlage im Kanzleramt zur damaligen Zeit - es handelt sich um einen Parteispendenskandal - vergessen machen will, heute von Diffamierungen redet und in der Presse den Sonderermittler Hirsch in der Tat diffamiert, der macht sich in besonderer Weise des Tatbestandes schuldig, dass er die Täter zu Opfern stilisiert. Das können wir nicht akzeptieren. ({10}) Was Herrn Hirsch angeht, kann ich zusammenfassend nur feststellen: Aus meiner Sicht hat er in einer besonnenen, akribischen Weise ({11}) das, was sozusagen auf der Hand liegt - die nachfolgenden Redner werden Ihnen das zeigen -, ermittelt. ({12}) Dabei hat er festgestellt, dass das, was im Kanzleramt gelaufen ist, nicht in Ordnung war. Zum Abschluss möchte ich Folgendes sagen: Es ist wohl wahr, dass es peinlich gewesen wäre, hier über die Steuervorschläge von Herrn Merz zu diskutieren. Was Sie hier allerdings veranstalten, ist angesichts des düstersten Kapitels Ihrer Partei und Ihres früheren Kanzlers in der vorletzten Legislaturperiode weitaus peinlicher. Arme CDU! ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler für die FDP-Fraktion.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben wieder einmal den Unterschied zwischen einer Parlamentsdebatte und einem Gerichtsverfahren: Im Gerichtsverfahren kann der Angeklagte seinen Verteidiger wenigstens selbst wählen. Herr Kollege Wend, ich bin sicher, dass Burkhard Hirsch Sie nicht als Verteidiger gewählt hätte. ({0}) Sie haben in dieser Aktuellen Stunde damit begonnen - das war zu befürchten -, gegenseitige Schuldzuweisungen in Bezug auf Vorgänge, die wir in der letzten Legislaturperiode behandelt haben, vorzunehmen. ({1}) Worum geht es eigentlich? Die CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil die Staatsanwaltschaft Bonn die Ermittlungen wegen Aktenvernichtungen und Datenschwund im Kanzleramt eingestellt hat. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Dazu muss ich Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, allerdings sagen: Sie - weder Sie, Herr von Klaeden, noch der CSU-Landesgruppenvorsitzende, Michael Glos - haben mit Verbalinjurien im Vorfeld dieser Aktuellen Stunde nicht gespart. ({2}) Ich zitiere aus einer AP-Meldung von gestern eine Aussage von Michael Glos: Diejenigen, die die Behauptungen aufgestellt hätten, seien jetzt als Lügner entlarvt worden. Sowohl Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch sein - man beachte die Wortwahl Helfershelfer Hirsch stünden als Verleumder da. ({3}) Das sind starke Worte. Ich sage Ihnen eines: Starke Worte deuten oftmals auf schwache Fakten und Argumente hin. ({4}) Genau so ist es. Tatsache ist: Der Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode hat ergeben, dass der Vorwurf, die Regierung Kohl/Genscher sei politisch korrupt gewesen, nicht erwiesen ist und nicht zutrifft. Deswegen war es gerade für mich, der ich dieses Ergebnis hier immer verteidigt habe, besonders ärgerlich, dass die Aktenführung im Kanzleramt in Bezug auf diejenigen Punkte, die in diesem Untersuchungsausschuss zu klären waren, Auffälligkeiten aufwies. Es geht um das Thema „Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien“, es geht um die LeunaAkten und es geht allgemein um den Datenbestand im Kanzleramt. Eine weitere Tatsache ist - das lässt sich nicht leugnen -, dass die Originale von sechs Aktenbänden zu Leuna im Kanzleramt fehlen. ({5}) Es fehlen die Kopien. Es existieren Zweitkopien, die man aus dem Bundesfinanzministerium hat. Heute kann man daher nicht mehr rekonstruieren, ob die Zweitkopien mit dem Original übereinstimmen. Ich möchte auf den Vorgang „Lieferung von Spürpanzern nach Saudi-Arabien“ zu sprechen kommen. Da weist die Akte im Bundeskanzleramt eine auffällige zeitliche Lücke von zweieinhalb Jahren auf. Diese Lücke betrifft genau den Zeitraum, in dem die damalige Bundesregierung - übrigens aus nachvollziehbaren außenpolitischen Gründen - entschieden hat, dass entgegen der früheren Praxis diese Panzerlieferung genehmigt wird. Die Akte lebt, wie man so sagt, vorher und sie lebt nachher. Also ist es auffällig, dass es diese Lücke gibt. Zu dem Datenschwund sage ich Ihnen: Es ist nach wie vor so, dass es beim Regierungswechsel 1998 einen Datenschwund von mindestens 1 Gigabyte im Kanzleramt gegeben hat. ({6}) Das entspricht, um es anschaulicher darzustellen, etwa 250 000 beschriebenen Schreibmaschinenseiten. Wenn all dies sich so verhält - das ist nach wie vor so -, dann bestand aller Anlass, da genauer hinzuschauen und Vorermittlungen zu führen. Mit diesen Vorermittlungen ist Burkhard Hirsch beauftragt worden. Er hat sie nach Recht und Gesetz durchgeführt. ({7}) Jetzt argumentieren Sie, daran, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt habe, sehe man, dass es sich um eine große Inszenierung handele ({8}) und an all dem nichts dran sei. Damit verkennen Sie völlig, dass es ein totaler Unterschied ist, ob man, wenn es gewisse Verdachtsmomente gibt, die ich Ihnen dargestellt habe, in Vorermittlungen eintritt - übrigens Vorermittlungen zu Disziplinarverfahren; die eigentlichen Disziplinarverfahren sind von Burkhard Hirsch gar nicht durchgeführt worden, weil er das als Nichtbeamter ja gar nicht hätte machen können - oder ob eine Staatsanwaltschaft am Ende langwieriger Ermittlungen zu dem Ergebnis kommt, keine Anklage erheben zu wollen. Das kann viele Gründe haben. Das kann den Grund haben, dass zwar Akten vernichtet oder aus dem Kanzleramt mitgenommen worden sind, die dort hätten bleiben müssen, aber der Vorsatz bei demjenigen, der das gemacht hat, nicht nachweisbar war, weil der gar nicht wusste, dass er sie dort hätte belassen müssen. Das kann den Grund haben, dass Daten gelöscht worden sind, aber man nicht mehr feststellen kann, ob möglicherweise die Berechtigten mit der Löschung einverstanden waren. ({9}) Das kann etwa zum Grund haben - ich beziehe mich auf die Panzerlieferungen -, dass man nach zehn oder zwölf Jahren nicht mehr feststellen kann, ob es dazu einmal Originalakten gegeben hat, und man jetzt nicht mehr klären kann, ob solche Originalakten vernichtet worden sind. Natürlich gilt in all diesen Fällen der Satz: in dubio pro reo. Meine Damen und Herren, wenn eine Staatsanwaltschaft Ermittlungen einstellt, dann freut mich das für die betroffenen Beschuldigten. Es wäre ungut gewesen, wenn es notwendig gewesen wäre, hohe Beamte wegen Aktenvernichtung und Urkundenunterdrückung vor Gericht zu stellen. Das heißt aber nicht, dass alles in Ordnung gewesen ist. In Wahrheit heißt das: Es gab Anlass, genauer hinzuschauen. Genau das hat Burkhard Hirsch gemacht. Deswegen sollten Sie ihm gegenüber zu einem zivilisierten Umgangston zurückkehren. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Fakt ist, dass es zum Zeitpunkt des Regierungswechsels 1998 im Bundeskanzleramt Datenlöschungen gab. ({0}) Fakt ist auch, dass Akten fehlen. Im so genannten Leuna-Komplex beispielsweise … sechs Bände mit Originalen und Kopien. Das habe nicht ich festgestellt, sondern der zuständige Generalstaatsanwalt in Köln. Ich habe das aus dem „Spiegel“ vom 30. Juni 2003 zitiert. Damit sollten Sie sich auseinander setzen. Uns sollten Sie in dieser Aktuellen Stunde erklären, warum diese Akten weggekommen sind und wo sie sich befinden. ({1}) Der Generalstaatsanwalt hat in diesem Interview am Ende gesagt: Ein Vorsatz sei für die Staatsanwaltschaft - jedenfalls bis zu diesem Interview - nicht erkennbar. In dieser Einschätzung folge ich dem Herrn Generalstaatsanwalt nicht, weil es auf der Hand liegt, dass vorsätzlich gehandelt wurde: Warum wurden gerade diejenigen Akten nicht gefunden - der Kollege Stadler hat es vorhin ein bisschen vorsichtiger formuliert -, die hinsichtlich des Komplexes Leuna besonders interessant waren, die schon vorher zwei Untersuchungsausschüsse beschäftigt hatten und die das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien - ich komme gleich noch auf einen dritten Fall zu sprechen - betrafen? Warum finden sich gerade für diesen kritischen Zeitraum von anderthalb Jahren keine Akten? Es gibt für die Zeiträume davor und danach Akten; aber es finden sich keine Akten für den Zeitraum, in dem das Geschäft zustande gekommen und abgewickelt worden ist. Es finden sich beispielsweise keine Akten über das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien. Das Geschäft ist zustande gekommen und abgewickelt worden in der Zeit von Oktober 1990 bis April/Mai 1991. Gerade für diesen Zeitraum fehlen die Akten. Sie fehlen auch für die Zeiträume danach, in denen die Bestechungsgelder, die aus dem Deal mit Saudi-Arabien stammen, geflossen sind. Die Fragen „Wo ist das Motiv? Wo ist der Vorsatz? Was könnte dahinter stecken?“ lassen sich beantworten, wenn man sich einmal anschaut, welche Akten weggekommen sind. Ich hätte von Ihnen erwartet, Sie hätten hierüber gegenüber dem damaligen Untersuchungsausschuss, dessen Mitglieder fast vollständig anwesend sind, sowie gegenüber dem Bundestag und der Öffentlichkeit Rechenschaft abgelegt. Ich will zu einem dritten Komplex kommen. Die Lateiner hätten gesagt: Si tacuisses, philosophus mansisses. - Übertragen auf diesen Fall könnte man den Satz so übersetzen: Wenn Sie geschwiegen hätten, dann hätte sich niemand mehr mit dieser Sache beschäftigt. Aber Sie wollen, dass man darüber redet. Ich möchte Sie daher ernsthaft hinsichtlich dieses dritten Komplexes fragen: Warum waren die Akten über das Milliardengeschäft Bearhead, die es im Kanzleramt gab, in der Akte „Weinbrennerei Rüdesheim“ versteckt? ({2}) Was hat die Akte über ein geplantes Panzergeschäft in Kanada in Milliardenhöhe in der Akte „Weinbrennerei Rüdesheim“ zu suchen? ({3}) Es gibt da einen Verdacht, den ich schon häufiger ausgesprochen habe. Nachdem der Kollege Hirsch diese Akten gefunden und sie dem Untersuchungsausschuss dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hatte, haben wir uns diese Akte angeschaut. Wir haben dabei festgestellt, dass es in diesen Akten eine Visitenkarte des Waffenhändlers Schreiber gibt. Auf der Visitenkarte findet sich eine handschriftliche Notiz des damaligen Bundeskanzlers. Diese Notiz wurde auf die Visitenkarte geschrieben, bevor der damalige Bundeskanzler nach HaliHans-Christian Ströbele fax in Kanada gefahren ist, um gemeinsam mit dem damaligen Wirtschaftsminister Rexrodt dieses Panzergeschäft in Kanada zu unterstützen und dafür bei der kanadischen Regierung zu werben. Es gibt einen Zusammenhang, der uns in die heutige Zeit führt. ({4}) Denn zehn Tage bevor diese Visitenkarte ausgehändigt worden ist, ({5}) war der Waffenhändler Schreiber bei Ihrem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, bei Herrn Dr. Schäuble, und zwar im Nachgang einer Spende von Herrn Schreiber in Höhe von 100 000 DM, die Herr Dr. Schäuble illegalerweise angenommen hat. Da liegen die Zusammenhänge, die aufgeklärt werden müssen. Wir wollen von Ihnen gerne wissen, wie es im Einzelnen gewesen ist. Warum sind damals gerade diese wichtigen Akten im Kanzleramt verschwunden und warum sind die Unterlagen über das Panzergeschäft in die Akte „Weinbrennerei Rüdesheim“ gesteckt worden?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Diese Fragen beantworten Sie nicht. Sie halten sich an einem Punkt auf, der mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat. Ich bin dankbar, dass Sie heute diese Aktuelle Stunde beantragt haben. So können wir die Fakten noch einmal auf den Tisch legen und können der Öffentlichkeit all das in Erinnerung rufen, was Sie in der damaligen Zeit gemacht haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, Sie müssen nun wirklich zum Schluss kommen.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Aktenschwund und die Löschung der Dateien sind nur der kleinere Teil von dem, was der Untersuchungsausschuss damals aufgeklärt hat. Danke sehr. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Wolfgang Bosbach das Wort. ({0})

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ströbele hat gerade aus einem Interview mit Herrn Generalstaatsanwalt Linden zitiert. Das Entscheidende hat er bewusst weggelassen. Es lautet: Es gibt nach den bisherigen Feststellungen der Staatsanwaltschaft keinen relevanten Hinweis auf eine Tat oder einen Täter. Deswegen - in dubio pro reo - sind alle Ausführungen, die Sie gemacht haben, grober Unfug. ({0}) Sie klammern sich an eine Theorie, von der Sie wissen, dass sie falsch ist, in der Hoffnung, dass sie verbreitet wird, in der Erwartung, dass die Bevölkerung sie glaubt. Das ist schäbig. ({1}) Helmut Kohl schreibt in seinem Tagebucheintrag vom 26. Juni 2000: ({2}) Vorab berichtet die Presse über den Abschlussbericht von Burkhard Hirsch, aus dem hervorgeht, dass nach der Wahlniederlage 1998 in noch größerem Stil als bisher vermutet brisante Datenbestände im Kanzleramt vernichtet worden sein sollen. … Meine erste Reaktion auf die Medienberichte: Ich verlange zum wiederholten Male, dass die Bundesregierung Anzeige gegen unbekannt erstattet und sich die Staatsanwaltschaft und ein ordentliches Gericht mit dem Verschwinden der Akten beschäftigen. Ich bin sicher, dass ein solches rechtsstaatliches Verfahren - im Gegensatz zur Meinung von Herrn Hirsch - zu ganz anderen Ergebnissen kommen wird. Zu befürchten ist allerdings, dass das tatsächliche Ergebnis des Verfahrens dann kaum eine angemessene Veröffentlichung finden wird. Das ist ja genau das, worauf Sie spekulieren: unbewiesene Behauptungen, Verdächtigungen, Verleumdungen ({3}) auf der Titelseite, als Fünfspalter. Dann, zwei, drei Jahre später, die Einstellungsverfügung auf Seite 3 oder möglicherweise sogar noch zwischen Kleinanzeigen versteckt. Ihr Ziel haben Sie jedenfalls erreicht. ({4}) Denn die ganze Nummer wird ja veranstaltet in der Hoffnung, dass die Menschen draußen glauben: Wo Rauch ist, ist auch Feuer; da wird schon etwas dran sein. So verfahren Sie. ({5}) In der Einstellungsverfügung des Leitenden Oberstaatsanwaltes heißt es: Hinsichtlich des Vorwurfs der Datenlöschung … hat sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet. Hinsichtlich des Vorwurfs der Aktenvernichtung … fehlt es … an dem Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten. ({6}) Es gibt überhaupt keine Täter. Die gibt es nur in Ihrer Fantasie. Das ist gerade der große Unterschied, der zwischen uns besteht: ({7}) Sie wollen den Menschen von morgens bis abends einbläuen, dass Ihre Vorgängerregierung politisch käuflich, also korrupt gewesen sei. ({8}) - Nein, Herr Ströbele, das ist nicht so gewesen. ({9}) Sie wissen, dass der Untersuchungsausschuss das Gegenteil ermittelt hat. Herr Ströbele, wenn irgendwer die ungeeignetste Person zur Verteidigung des Rechtsstaates ist, dann ist es der Abgeordnete Christian Ströbele. Das möchte ich hier auf den Punkt bringen. ({10}) Selbst Hans Leyendecker, der ja nun wirklich nicht in dem Verdacht steht, ({11}) besonders freundlich über die Union zu schreiben, ({12}) hat vor kurzem in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ eingestanden: Aber andere Sachen, wie die so genannten „Bundeslöschtage“, sind ihm schon deshalb nicht anzulasten, weil es sie nicht gegeben hat. Leider sind nicht alle Leser an Differenzierung interessiert. … Das ist bei den Partygesprächen über die Datenlöschungen auch so. ({13}) Neulich bin ich bei einer Veranstaltung „Zeit“-Lesern begegnet, und die legten sofort los: Daß die Bonner Staatsanwälte Versager oder Korruptis seien, daß unzulänglich ermittelt worden sei, daß ein gravierender Verdacht bestehen bleibe. Die ließen sich durch kein Argument beirren, ohne irgendeine Akte oder Vernehmung gelesen zu haben. Einfach, weil ihnen die Bundeslöschtage-Version besser gefiel. Sie sind genau solche Partyplauderer, über die sich Hans Leyendecker in dem Artikel beklagt. ({14}) Die Tätigkeit von Burkhard Hirsch war nicht rechtmäßig, ({15}) sie war rechtswidrig. Über das Treiben von Burkhard Hirsch gibt es ein umfangreiches Sachverständigengutachten von einem der renommiertesten deutschen Verwaltungsrechtler, Professor Battis, Berlin. Er hat eindeutig festgestellt, dass die Tätigkeit rechtswidrig war. Der erhebliche Unterschied liegt jedoch in Folgendem: Wenn es einen Regierungswechsel gibt, dann wird - das ist immer so gewesen - die Vorgängerregierung kritisiert. Immer wenn es eine neue Regierung gibt, wird der Bevölkerung ein neues Zeitalter verkündet; das wird auch 2006 vermutlich so sein. ({16}) Aber in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ist es einmalig, dass eine neue Regierung versucht, ihre Vorgängerregierung nicht nur politisch zu diskreditieren, sondern den Bundeskanzler, Bundesminister und leitende Mitarbeiter seines Hauses zu kriminalisieren. ({17}) Das ist der eigentliche Skandal. ({18}) Wenn Sie schon nicht den Mumm haben, hier die ganze Wahrheit zu sagen, dann sollten Sie sich zumindest dafür schämen, ({19}) dass Sie Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes mit einem solchen Verfahren überzogen haben. Zumindest bei diesen sollten Sie sich entschuldigen. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile der Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion das Wort.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Union sehr dankbar dafür, dass sie hier im Plenum die dubiosen Machenschaften der Kohl-Regierung - der Umgang mit den Akten im Kanzleramt ist nur eine Facette davon - einmal mehr zum Thema macht. Auch ich bin der Überzeugung, dass die Vorgänge um die Lieferung der Spürpanzer nach Saudi-Arabien, um die Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der Privatisierung der Leuna/Minol und um den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen - um nur einige Beispiele zu nennen - nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Nicht in Vergessenheit geraten darf dabei aber auch, dass der Aktenbestand im Kanzleramt zu den genannten Beispielen - der Aktenbestand ist ja Gegenstand dieser Aktuellen Stunde - zumindest unvollständig ist. Sie aber verlangen eine Entschuldigung dafür, dass dies festgestellt worden ist. ({0}) Ich muss schon sagen: Das ist sehr dreist. Im Gegenzug ist vielmehr - auch angesichts der Diffamierungen heute eine Entschuldigung der Union angesagt. ({1}) - Hören Sie erst einmal zu, wie die Faktenlage tatsächlich ist! Nehmen wir zum Beispiel den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen. ({2}) Da klafft im Bestand der Akten des Bundeskanzleramtes eine Lücke vom 20. Juni 1996 bis zum 29. Mai 1998, eine Lücke also von fast zwei Jahren. Es gibt keine einzige Akte über die Verhandlungen mit den Interessenten - die wurden nämlich in diesem Zeitraum geführt - und keinen Vermerk über die Abgabe der jeweiligen Gebote. Die Deutsche Annington - dahinter stand eine japanische Gruppe - hat immerhin 1 Milliarde DM mehr geboten als die Bieter, die später den Zuschlag bekommen haben. Diese Firma hat sogar angeboten, ihr Gebot zu erhöhen. Darauf ist man aber nicht eingegangen. Darüber steht nichts in den Akten. ({3}) - Das können Sie jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht. Dann erhält aus heiterem Himmel trotz dieses höheren Gebots ein anderes Bieterkonsortium den Zuschlag. ({4}) Ich will Ihnen einmal sagen, wie das abgelaufen ist - das hat uns nämlich Helmut Kohl im Untersuchungsausschuss dargestellt -: ({5}) Am 8. Juni 1998 hat es zwischen dem Kanzler und den Fachministern, dem Verkehrsminister, dem Bauminister und dem Finanzminister, ein Treffen gegeben. Helmut Kohl soll angeblich ganz spontan erklärt haben - so hat er uns das zumindest im Untersuchungsausschuss erzählt; Sie können das nachlesen -, dass die Japaner nicht den Zuschlag bekommen, dass an diese nicht verkauft wird. Das war der Hintergrund dieses plötzlichen Stimmungswandels. Noch nicht einmal über das Treffen, auf dem es angeblich zu diesem Stimmungswandel kam, gibt es einen Vermerk. Es gibt keinen Vermerk darüber, wer an diesem Treffen teilgenommen und wo das Ganze stattgefunden hat. Und Sie wollen uns erzählen, dass die damalige Entscheidung, dass jemand den Zuschlag bekommt, obwohl er 1 Milliarde DM weniger geboten hat, nicht damit im Zusammenhang stand, ({6}) dass dieser Bieter ein paar Tage später 5,9 Millionen DM an die Union gespendet hat? Und Sie verlangen in diesem Zusammenhang eine Entschuldigung von uns? Ich glaube, da ist bis heute eine Entschuldigung Ihrerseits, der Union, fällig. ({7}) Nehmen wir den Verkauf der Fuchspanzer nach Saudi-Arabien. Auch hierzu klafft im Aktenbestand eine Lücke vom 20. Oktober 1990 bis zum 29. Januar 1993. Vor dieser Zeit war man sich in der Bundesregierung einig darüber, dass keine Panzer in dieses Krisengebiet geliefert werden sollen. Heute wissen wir, dass sich der mittlerweile flüchtige ehemalige Staatssekretär Pfahls ganz massiv für diesen Meinungsumschwung eingesetzt hat. Wir kennen mittlerweile ein Schreiben von Helmut Kohl an den damaligen Verteidigungsminister, in dem Helmut Kohl angeordnet hat, dass hierfür in Zukunft ausgerechnet dieser Herr Pfahls zuständig sein soll. Es gibt ein Schreiben von Herrn Pfahls, in dem dieser sich bei Herrn Teltschik darüber beklagt, dass das Auswärtige Amt nicht bereit sei, sich für diese Panzerlieferungen einzusetzen, und in dem er bittet, in geeigneter Weise auf die Haltung des Auswärtigen Amtes Einfluss zu nehmen. Mit Erfolg; denn es gab, wie wir wissen, hinterher eine andere Entscheidung. ({8}) Diese Schreiben kennen wir heute - aber nicht aus dem Aktenbestand des Kanzleramtes, sondern aus anderen Ministerien. Es kann doch nicht wahr sein, dass solche Schreiben, die aus dem Kanzleramt kommen, dort nicht vorgehalten werden. Da muss es doch irgendeinen Zusammenhang geben. ({9}) Meine Damen und Herren, Sie wollen eine Entschuldigung dafür, dass solche Vorgänge öffentlich gemacht werden. Es ist doch absurd, ausgerechnet dafür eine Entschuldigung zu verlangen. ({10}) Ich habe wegen der Kürze der Zeit nur zwei Beispiele aufzeigen können, hätte aber noch zu vielen anderen Punkten - beispielsweise dazu, was und warum beim Komplex Leuna/Minol alles fehlt - Stellung nehmen können. Sie haben die Aktuelle Stunde zu diesem Thema gewollt und Sie haben sie bekommen. Sie fordern hier eine Entschuldigung. Da kann ich Ihnen beipflichten. Aber die Entschuldigung haben Sie zu bringen. Vielen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Schmidt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andreas Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck - zumindest nach Ihren Redebeiträgen -, Sie sind schlechte Verlierer. ({0}) Sie haben mit keinem Satz zum Thema Stellung genommen. Wir reden heute über die Beendigung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. ({1}) - Lassen Sie uns ganz ruhig darüber reden, worum es heute geht, Herr Ströbele. - Dieses Verfahren ist nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das ist sozusagen das rechtsstaatliche Testat, dass eine Diffamierungskampagne endgültig gescheitert ist. Da diese Einstellungsverfügung bei der Bundesregierung offensichtlich nicht bekannt ist, möchte ich ganz kurz aus den zentralen Sätzen dieser Einstellungsverfügung - es handelt sich übrigens um eine Mitteilung an das Kanzleramt - zitieren: Hinsichtlich des Vorwurfs der Datenlöschung …, zu dem Sie gegen Ministerialdirektor a. D. Dr. Roll und Ministerialrat Grewenig sowie eventuell weitere Beteiligte mit Schreiben vom 07.07. und 27.07. 2000 Strafantrag gestellt haben, hat sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet. Hinsichtlich des Vorwurfs der Aktenvernichtung …, zu dem Sie eine Strafanzeige nicht erstattet haben, fehlt es gemäß § 152 Abs. 2 StPO an dem Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten. Das ist, rechtsstaatlich gesehen, ein Freispruch erster Klasse und, politisch gesehen - man kann das ja auch politisch bewerten -, eine Anklageschrift gegen die jetzigen Verantwortlichen im Bundeskanzleramt. ({2}) Wenn Sie sich diese Einstellungsverfügung durchlesen - Sie sollten das wirklich tun, Herr Hofmann -, dann werden Sie sehen: Es hat einen unglaublichen Vorgang gegeben, für den allein der Bundeskanzler und der Chef des Bundeskanzleramtes die Verantwortung tragen. Ganz eindeutig ist versucht worden, ohne Beweise und wider besseres Wissen Beamte und Politiker, auch den früheren Bundeskanzler Herrn Kohl, aus parteitaktischen Gründen mit einem Verdacht zu überziehen. ({3}) Und nicht nur das: Man hat zudem versucht, die Ausräumung des Verdachts zu verhindern und die Aufklärung der Fragen in die Länge zu ziehen. Das ist der eigentliche Skandal, über den wir heute sprechen. ({4}) Wir sind doch alle Vertreter des Rechtsstaates; teilweise sind wir sogar im Rechtsausschuss. Es ist in Ordnung, wenn wir uns politisch bekämpfen, aber es gibt auch Grenzen. Die Grenzen sind dort, wo rechtsstaatliche Prinzipien betroffen sind. ({5}) Ich finde wirklich, dass dieses Verfahren eher an eine Inquisition als an den Rechtsstaat erinnert. Lassen Sie mich kurz die Fakten schildern, damit Sie sehen, warum ich das so einschätze. Im Jahr 2000 stellt der Chef des Bundeskanzleramtes Strafantrag gegen Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes wegen angeblicher Datenlöschung. Es wird behauptet, es habe eine AktenAndreas Schmidt ({6}) vernichtung in großem Umfange gegeben. Interessanterweise ist seinerzeit keine Strafanzeige gestellt worden; aufgrund der öffentlichen Berichterstattung wurde allerdings ermittelt. Anfang 2001 wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Bonn - die zuständig war - das Verfahren einstellen will, weil der Verdacht ausgeräumt ist. Der Chef des Bundeskanzleramtes, Herr Steinmeier, widerspricht. Dann wird Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt. Ein Professor aus Freiburg - ich glaube, es war Professor Hennis - ruft in einer Wochenzeitung zum Protest gegen die Einstellung auf. 12 000 Menschen - die kennen nicht einmal die Akten - protestieren. Was hat das mit einem Rechtsstaat zu tun? Hier wird blinder Verfolgungseifer propagiert, nur um einen Verdacht aufrechtzuerhalten, der von der Staatsanwaltschaft schon ausgeräumt war. ({7}) Es folgt die Anordnung des Kölner Generalstaatsanwaltes, weitere Ermittlungen einzuleiten. ({8}) - Passen Sie auf, es geht noch weiter! Es gibt weitere Ermittlungen, zu denen die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung jetzt Folgendes schreibt: Hierzu möchte ich in Erinnerung rufen, dass die Staatsanwaltschaft bereits im Vermerk vom 15.01.2001 - also vor zweieinhalb Jahren - umfassend Gründe dargelegt hat, die nach Bewertung der damaligen Erkenntnisse für die Einstellung des Verfahrens sprachen. Die nach der Stellungnahme des Kanzleramtes vom 31.05.2001 durchgeführten ergänzenden Ermittlungen haben dieses Ergebnis nicht nur bestätigt, sondern die - teilweise - bestehende Verdachtslage weiter abgeschwächt. Es hat also nichts Neues gegeben, im Gegenteil: Die Verdachtsmomente sind weiter ausgeräumt worden. Am 12. Juni 2003 - das ist der entscheidende Punkt, der die Sache zum Skandal macht - hat es eine schriftliche Stellungnahme des Bundeskanzleramtes zu den laufenden Ermittlungen gegeben. Darin steht unter Hinweis auf den inzwischen eingetretenen Zeitablauf, dass eine akzeptable Beweiswürdigung immer noch aussteht. Das ist interessant. Ich frage: Was ist eine akzeptable Beweiswürdigung? Das Bundeskanzleramt versteht unter einer akzeptablen Beweiswürdigung das Ergebnis, das ihm in den Kram passt. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Ich bin für die Dummheit, dass hier die Maske freiwillig fallen gelassen wurde, dankbar. ({9}) Der Staat ist eine objektive Behörde. Ich möchte Ihnen zum Schluss gern vortragen, was die Staatsanwaltschaft zur Forderung nach einer akzeptablen Beweiswürdigung sagt. Sie schreibt in der Einstellungsmitteilung - das ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung -: Wenn ein solches Ergebnis als nicht „akzeptabel“ eingeschätzt wird, mag dies auf dem - im Rahmen der Strafverfolgung oftmals unvermeidbaren - Widerstreit zwischen der Interessenlage eines Anzeigenerstatters und der Sachverhaltsbewertung durch eine zur Objektivität und damit auch zur Beachtung des Zweifelsgrundsatzes verpflichtete Staatsanwaltschaft beruhen. Meine Damen und Herren, die Regierung ist keine Privatperson und auch Sie sind an rechtsstaatliche Prinzipien gebunden. ({10}) Hier bestätigt Ihnen die Staatsanwaltschaft, dass Sie das nicht getan und deswegen die Forderung nach einer akzeptablen Beweiswürdigung in die Welt gesetzt haben. Das ist der eigentliche Skandal und darüber haben Sie heute kein Wort gesagt. Das zeigt in der Tat, dass Sie das Thema nicht nur nicht begriffen haben, sondern dass Sie hier einen unmöglichen Vorgang nicht kommentieren wollen, weil er Ihnen peinlich ist. Vielen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Silke Stokar von Neuforn, Bündnis 90/Die Grünen.

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, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, völlig unabhängig von einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren und der Einstellung eines Verfahrens müssen wir im Parlament die politische Aufklärung in der Aktuellen Stunde weiterführen. ({0}) Sie haben von Vorsatz gesprochen. Der Vorsatz fehlte und der Staatsanwalt hat gesagt, wir befinden uns leider in einer rechtlichen Grauzone, weil es kein Gesetz darüber gibt, welche Akten im Kanzleramt aufgehoben werden müssen. ({1}) Ihre Regierung hat dem Parlament wichtige Akten vorenthalten. Es hat noch niemals bei einem Regierungswechsel eine so beispiellose Reißwolf- und Säuberungsaktion gegeben wie 1998 im Kanzleramt unter der Verantwortung von Bundeskanzler Kohl. ({2}) Sie versuchen, die ganze Geschichte dieses Untersuchungsausschusses, der eine Geschichte voller Skandale Ihrer Regierungszeit ist, umzuschreiben. Das wird Ihnen nicht gelingen; auch in anderen Fällen sind Sie dabei gescheitert. Es liegt in der Verantwortung Ihrer Regierung, dass wir so wichtige Ereignisse - sie sind bereits angesprochen worden - jetzt aufarbeiten müssen. Mich als neue Bundestagsabgeordnete würde der Leuna-Komplex interessieren. Aber es gibt keinen Zugang zu den Akten. Mich würde auch die Panzerlieferung nach Saudi-Arabien interessieren. Aber die entscheidenden Akten fehlen. In Ihrer Fraktion gibt es Herren, die Licht in dieses Dunkel bringen und Lücken füllen könnten. Diese Herren heißen Kohl und Schäuble. Genau diese beiden sollten Sie befragen, statt hier den Versuch zu unternehmen, die Geschichte der Aktenvernichtung umzuschreiben. ({3}) - Ich kenne diese Umdrehung. Infam ist nicht die Aufarbeitung von Skandalen, infam sind die Skandale. ({4}) Diese Wahrheiten, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, werden wir im Parlament auch weiter ansprechen. ({5}) - Das sind keine Unwahrheiten. Ich erinnere mich an keinen anderen Bundeskanzler, der mit Ledertaschen voller Geld durch die Gegend zog ({6}) und bis heute diesen Vorgang nicht aufklärt. ({7}) Ich möchte zum Selbstverständnis des Parlaments, zum Selbstverständnis von Öffentlichkeit und zu dem Transparenzgebot, das für Regierungshandeln gilt, zurückkommen. Was ist das eigentlich für eine Einstellung, wenn ein Bundeskanzler meint, dass dann, wenn er nicht mehr Bundeskanzler ist, die Akten des Kanzleramtes Akten sind, die man in die Konrad-Adenauer-Stiftung bringen kann? Diese Akten sind doch kein Eigentum Ihrer Partei. ({8}) Andere Akten nimmt der Kanzler mit nach Hause. Was ist das für ein Parlamentsverständnis, was ist das für ein Demokratieverständnis? Sie sollten solche Aktuellen Stunden erst wieder beantragen, wenn Sie endlich sagen können, wo die verschwundenen Aktenbände sind und wie eine Ablage im Kanzleramt möglich ist, der es an Chronologie mangelt und in der ganze Monate oder Jahre fehlen. Wir sollten aus dieser Aktenvernichtungsaffäre aus Ihrer Regierungszeit eine Konsequenz ziehen. Wir feiern in Kürze als grüne Fraktion „Fünf Jahre grüner Kampf für ein Informationsfreiheitsgesetz“. Als grüne Abgeordnete hoffe ich, dass wir in dieser Auseinandersetzung demnächst erfolgreich sind. Die Freigabe von Akten ist aber natürlich nur dann möglich, ({9}) wenn die Akten noch vorhanden sind und auch vorhanden bleiben. Ich möchte zum Schluss den Vorschlag machen, eine Idee aus Amerika zu übernehmen. Der amerikanische Präsident darf noch nicht einmal einen mit der Hand geschriebenen Notizzettel, der mit Regierungshandeln in Zusammenhang steht, eigenständig in den Papierkorb werfen. Das amerikanische Bundesarchiv entscheidet darüber, welche Akten in welcher Form wie aufbereitet für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Vielleicht sollten wir eine Lehre aus dieser Erfahrung ziehen und sagen: Wir brauchen Regeln für den Umgang mit Akten. Danke schön. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Hans-Peter Friedrich für die CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003124, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin von den Grünen, wir brauchen vor allem Regeln für den Anstand ({0}) im politischen Miteinander. ({1}) Was Sie hier unter dem Beifall der SPD an Diffamierungen und an erneuter übler Nachrede gegen die Regierung Helmut Kohl vom Stapel gelassen haben, ist unerträglich und unglaublich. ({2}) Lieber Herr Kollege Wend, Sie haben vorhin nach der Aktualität der Einstellung der Ermittlungen der StaatsanDr. Hans-Peter Friedrich ({3}) waltschaft gefragt. Das Aktuelle an der Geschichte ist, dass sich der Skandal um Hirsch und Steinmeier im Bundeskanzleramt des Gerhard Schröder abgespielt hat: vor den Augen des Bundeskanzlers, vielleicht mit seinem Wissen, zumindest aber in seinem Einflussbereich. ({4}) Dort ist systematisch Recht verletzt worden und dies begann bereits mit der Einsetzung dieses unsäglichen Sonderermittlers oder Ermittlungsführers Hirsch. ({5}) Bereits bei der Einsetzung von Herrn Hirsch ist gegen Recht und Gesetz verstoßen worden. Uns liegt bereits seit Dezember 2000 ein Gutachten von Professor Battis vor, in dem sehr genau und sehr detailliert nachgewiesen wird, dass es keine Rechtsgrundlage gab, Herrn Hirsch als Ermittlungsführer oder sonst etwas in diese Sache einzuführen. Aber selbst wenn man zu der Auffassung kommen sollte, es könnte eine Rechtsgrundlage konstruiert werden, war es in jedem Fall unzulässig, dass Herr Hirsch als Außenstehender Einsicht in Personalakten von Beamten genommen hat und damit mit Wissen und Kenntnis und vielleicht auf Anweisung von Herrn Steinmeier gegen das in Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerte informationelle Selbstbestimmungsrecht verstoßen hat. ({6}) Wir haben uns am Anfang gefragt, warum Steinmeier und Schröder Burkhard Hirsch ausgewählt haben. Im Laufe der Sitzungen des Untersuchungsausschusses und insbesondere im Laufe der Anhörung des Herrn Hirsch sind wir zu einer Antwort gekommen. ({7}) Herr Hirsch hasste Helmut Kohl. Das war offenkundig. Helmut Kohl hat das sehr plastisch erklärt: Er hielt Herrn Hirsch für ungeeignet, Bundesminister zu werden. ({8}) Das hat in Herrn Hirsch natürlich Hass erzeugt. Steinmeier wusste, dass die Kombination von Hass und unsäglicher Eitelkeit des Herrn Hirsch dazu führen würde, dass dieser ihm sozusagen als willenloses Werkzeug in seiner Diffamierungskampagne dienen könnte. ({9}) In der Tat hat Herr Hirsch alle Erwartungen erfüllt. Hierzu im „Focus“ vom 3. Juli 2000, zu lesen auch in der Bundestagsdrucksache 14/4915 - daraus zitiere ich -: In der Presse wurde danach berichtet, Dr. Burkhard Hirsch habe unfaire Vernehmungsmethoden angewandt, so zum Beispiel manipulierte Kopien bei Befragungen vorgelegt, entlastende Aussagen nicht protokollieren wollen ({10}) und Befragten keine Kopie des Befragungsprotokolls zur Verfügung gestellt. ({11}) Dr. Burkhard Hirsch soll Personen als Zeugen geladen, sie im Termin aber belehrt haben, dass sie potenzielle Beschuldigte sein könnten mit der Konsequenz, dass es für das Hinzuziehen eines Anwaltes zu spät war. ({12}) Darüber hinaus soll Dr. Burkhard Hirsch Rechtsanwälte als Begleitung von anzuhörenden Personen anfangs generell abgelehnt haben. ({13}) Meine Damen und Herren, ob in der Tat die Vernehmungsmethoden angewendet wurden, die hier geschildert werden, ist nicht bewiesen. Der Skandal besteht aber darin, dass Herr Steinmeier sich nie dafür interessiert hat. ({14}) Er hat sich weder dafür interessiert, mit welchen Methoden Herr Hirsch gearbeitet hat, noch dafür, ob seine Ergebnisse richtig waren. ({15}) Das ist ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Leiters des Kanzleramtes gegenüber seinen Beamten. ({16}) Die angeblichen Erkenntnisse des Herrn Hirsch haben immerhin gut in das Konzept von Herrn Steinmeier gepasst, das da hieß, die Vorgängerregierung zu diffamieren und zu diskreditieren. Genau das ist auch passiert. ({17}) Was ist aus den angeblichen Erkenntnissen des Herrn Hirsch geworden? - Sie sind allesamt widerlegt worden bzw. haben sich allesamt als falsch herausgestellt. ({18}) Das will ich Ihnen anhand eines Beispiels deutlich machen. Die Datenlöschung, die vorgenommen worden sein soll, sei, so Herr Hirsch, von Zeugen bezeugt worden, die von Datenlöschungen berichtet hätten. Die Staatsanwaltschaft hat dieser Sache nicht getraut und hat die Zeugen selbst vernommen. ({19}) Ich zitiere aus der „FAZ“ vom 16. Oktober: so daß die Bonner Staatsanwaltschaft vom Herbst 2001 an eigene Befragungen durchführte, bei denen die beiden Kronzeugen Wegesin und Gregor K. die wichtigsten Teile ihrer früheren Aussagen revidierten und schwerste Vorwürfe gegen den „Sonderermittler“ Hirsch, insbesondere gegen dessen suggestive Verhörtechnik, erhoben. Diese Vernehmungen führten zu folgenden Ergebnissen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, ich muss Sie an die Redezeit erinnern.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003124, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident. - In den Unterlagen des Untersuchungsausschusses, die frei zugänglich sind, ist von einem Vermerk der Staatsanwaltschaft zu lesen, in dem es heißt - ich zitiere -: Der vom so genannten Sonderermittler Hirsch gezogene Schluss einer zentral erfolgten Löschung von zwei Dritteln des Datenbestandes im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel ist nicht tragfähig. Es wird Zeit, dass sich sowohl Herr Hirsch als auch Herr Steinmeier bei Helmut Kohl entschuldigen ({0}) wie auch bei den Beamten, die unzulässigerweise in Verdacht geraten sind. ({1}) Vielen Dank. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Frank Hofmann für die SPD-Fraktion.

Frank Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002682, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Stadler, Sie haben eben gemerkt: Es macht keinen Sinn, zu versuchen, mit Argumenten auf die CDU/CSU einzugehen. Sie haben ja gesehen, wie Herr Friedrich darauf geantwortet hat. Er nimmt nicht zur Kenntnis, dass die zentralen Ergebnisse von Burkhard Hirsch, aber auch vom Oberstaatsanwalt beim BGH, der ebenfalls Vernehmungen durchgeführt hat, durch die Staatsanwaltschaft bestätigt worden sind. Insofern ist das, was Herr Friedrich gesagt hat, falsch. Nicht Herr Hirsch ist, sondern Herr Bohl und Herr Dr. Kohl sind zur Verantwortung zu ziehen. ({0}) Sie beschimpfen diejenigen, die die Wahrheit ans Licht bringen. Wer bei Ihnen denkt sich eigentlich solche Unverschämtheiten aus? ({1}) Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Akten, die sich im Kanzleramt befanden - es waren etwa 100 Ordner -, tauchten in der Konrad-Adenauer-Stiftung bei Herrn Dr. Bohl auf. Wir wissen, dass etwa 300 Aktenordner von Herrn Dr. Kohl mitgenommen worden sind; die Kollegin Stokar von Neuforn hat darauf aufmerksam gemacht. ({2}) In den Privatakten von Herrn Dr. Bohl befanden sich Geheimpapiere aus dem Bereich der Fuchs-Spürpanzer. Wir alle wissen, dass es um 1 Million geht. ({3}) Wen wollen Sie für diese Urkundenunterdrückung und für diesen Verwahrungsbruch verantwortlich machen? Herrn Dr. Hirsch etwa? Sollten Sie richtigerweise nicht doch Herrn Dr. Bohl dafür verantwortlich machen? ({4}) Es ist naiv, wenn Sie glauben, dass Ihre Ablenkungsmanöver nicht durchschaut werden. ({5}) Ich denke, wir müssen noch weitergehen. Schauen Sie es sich einmal an! Nach dem Ende der Arbeit des Untersuchungsausschusses hat es ja nicht aufgehört. Was war denn danach? Was ist danach zusätzlich bekannt geworden? ({6}) Können Sie sich noch daran erinnern, dass Herr Kirch im November 2001 gesagt hat, dass er in geschäftlichen Dingen mit Herrn Dr. Kohl nichts zu tun gehabt hat? Was haben wir danach erfahren? ({7}) Frank Hofmann ({8}) Nachher haben wir erfahren, dass er einen Beratungsvertrag hatte, gemäß dem er pro Jahr zwölf Gespräche für 600 000 DM jährlich führen sollte. Das heißt, er sollte pro Gespräch 50 000 DM erhalten. Ich finde, das ist locker verdientes Geld. Auf der anderen Seite sagte er, dass sie in geschäftlichen Dingen nichts miteinander zu tun gehabt haben. Da fragt man sich doch, wofür dieses Geld gezahlt worden ist. Was glauben Sie, welche Antwort man erhält, wenn man nachfragt und sich im Kanzleramt erkundigt, ob es Unterlagen und Akten aus den Jahren 1994 und 1995 gibt? Zu der Zeit war Herr Dr. Kohl Bundeskanzler und hat versucht, Herrn Thoma für die Kirch-Gruppe zu gewinnen, indem er 1995 zwei Briefe an die Telekom geschrieben hat. Man erfährt dann, dass es diese Akten natürlich nicht gibt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich frage mich, warum Herr Dr. Kohl und Herr Dr. Bötsch im Untersuchungsausschuss die Existenz von Beraterverträgen nicht offen gelegt haben. ({9}) Weshalb hat Herr Dr. Bötsch dem Ausschuss nicht angezeigt, dass er im Zusammenhang mit den Vernehmungen von Leo Kirch befangen ist? ({10}) Warum wenden Sie sich diesem Thema heute in einer Aktuellen Stunde zu? Zuerst habe ich mir gedacht, dass Sie Mut zur Aufklärung haben. Den haben Sie aber nicht. Das weiß ich nach den Reden, die Sie bisher gehalten haben. Ich meine, es ist eher ein Ablenken von Frau Merkel und dem CDU-Problem Hohmann. ({11}) Es wäre richtig gewesen, diese Aktuelle Stunde vor 14 Tagen zu beantragen. Damals wurde nämlich diese Einstellungsverfügung erlassen. Sie haben sie damals aber nicht beantragt. Dass Sie sie jetzt beantragt haben, deutet darauf hin, dass Sie woanders Probleme haben. Glauben Sie, Ihre Weste ist rein? Sie besudeln Ihre Weste weiter, weil immer wieder neue Tatsachen bekannt werden und Sie keinen reinen Tisch machen können. Herzlichen Dank. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile dem Kollegen Reinhard Grindel für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich gerade Herrn Wend, Frau Lambrecht und Herrn Hofmann gehört habe, musste ich daran denken, wie es früher in unserer Redaktion abgelaufen ist. Wenn sich eine Geschichte nicht so entwickelt hat, wie man eigentlich dachte, sodass man daraus keinen tollen Skandal machen konnte, dann sagte man immer, dass man sich seine Geschichte ja nicht kaputtrecherchiert. So gehen Sie hier auch vor. Ich will Ihnen ein Beispiel demonstrieren, an dem das sehr deutlich wird. ({0}) - Mit Zwischenrufen würde ich mich jetzt erst einmal zurückhalten. - Es geht um die Eisenbahnerwohnungen. Sie haben hier gesagt - auf den ersten Blick klingt das ja auch elektrisierend -, dass Eisenbahnerwohnungen angeblich unter Preis verkauft worden sind. Dann haben Sie auf eine Spende der Familie Ehlerding an die CDU hingewiesen. ({1}) Frau Lambrecht, nun wollen wir einmal weiter recherchieren. Dabei stößt man auf zwei Briefe - einen aus Nordrhein-Westfalen und einen aus Niedersachsen, die ich hier vor mir liegen habe. ({2}) - Herr Ströbele, auch über Sie ist schon eine Menge recherchiert worden. Hören Sie es sich an. - Aus Nordrhein-Westfalen, von Ministerpräsident Clement und Landesminister Vesper, wurde an die Bundesregierung geschrieben: … mit großer Besorgnis haben wir zur Kenntnis genommen, dass das Bundeseisenbahnvermögen ({3}) beabsichtigt, Anteile der Eisenbahn-Wohnungsbaugesellschaften ({4}) an das japanische Bankhaus Nomura zu verkaufen. ({5}) Der damalige Staatssekretär in Niedersachsen, Herr Steinmeier, ({6}) schreibt ebenso an die Bundesregierung: ({7}) Ich möchte Ihnen versichern, dass es das Land Niedersachsen außerordentlich begrüßen würde, wenn die Entscheidung zugunsten der regionalen Bieter getroffen wird, und weiß mich hierin einig in der Haltung der übrigen Länder. Damit bricht das Lügengebäude einmal mehr zusammen. Sie sollten sich für solche wirklich unmöglichen Vorwürfe in der Tat entschuldigen. Diese Beweise sind eindeutig. ({8}) Wenn Sie mit den Akten kommen, dann darf ich Sie ganz zart auf das Verfahren zwischen der FriedrichEbert-Stiftung und Frau Seebacher-Brandt über die Akten von Willy Brandt hinweisen. Es ist ein normales Verfahren, dass Akten aus dem Kanzleramt, die nicht Bestandteil des weiteren Verwaltungsverfahrens sind, in Archive etwa der Stiftungen gehen. Das haben alle Bundesregierungen gemacht. Insofern fragen Sie einmal bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Willy-Brandt-Stiftung nach, was sie von Ihren Ausführungen halten, Frau Lambrecht. ({9}) Die Vorredner unserer Fraktion haben ausgeführt, dass es den angeblichen Skandal um verschwundene Leuna-Akten nicht gab. ({10}) Was es gegeben hat, ist eine groß angelegte Medienkampagne mit Pseudoinformationen, die sich aus dem Bundeskanzleramt speisten. ({11}) Ich will auf eines hinweisen: Der vermeintliche Skandal wird in dicken Balkenüberschriften auf Seite 1 erst einmal unter die Leute gebracht. Wenn die Geschichte dann, wie hier eindrucksvoll demonstriert, in sich zusammenfällt, dann wird das Ganze unter Vermischtes/ Vermengtes mit vier Zeilen abgetan. Das wollen wir nicht durchgehen lassen. Deswegen machen wir diese Aktuelle Stunde. Dem Kanzleramt unter Herrn Steinmeier - das gilt es festzuhalten - ging es nicht um die Wahrheit bei angeblichen Aktenvernichtungen, sondern um die Vernichtung des politischen Gegners. ({12}) Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. ({13}) Wolfgang Thierse hat gestern beim Mainzer Mediendisput erklärt: In Deutschland besteht die Gefahr, dass die Medien nicht mehr sorgfältig berichten, die Wirklichkeit nicht mehr abbilden. Ich sage Ihnen: Der Herr Thierse hätte gar nicht nach Mainz gehen müssen, um diese Warnung auszusprechen. Er hätte sich auf den Weg ins Kanzleramt machen sollen. Durch das Durchstechen von Papieren ist gezielt der Versuch unternommen worden, die Unwahrheit in den Medien möglichst lange am Kochen zu halten. Diesen Skandal prangern wir hier mit allem Nachdruck an. ({14}) Wir müssen uns nicht in Einzelheiten verfangen, sondern auf die wesentlichen Vorwürfe, die gegen Herrn Hirsch erhoben worden sind, eingehen. Herr Hirsch sagt bis zum heutigen Tage in Interviews, Leuna-Akten seien verschwunden. ({15}) Was er aber nicht sagt, ist - das müssen wir der Öffentlichkeit klar machen -, dass diese Akten bereits dem Treuhanduntersuchungsausschuss vorlagen, ({16}) dass es sich dabei nur um minder wichtiges Schriftgut handelt, ({17}) aber alle politisch sensiblen Akten vorhanden sind ({18}) und dass das Verschwinden dieser Akten schon 1997 entdeckt worden ist. Damals haben Sie noch Angst vor einem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder gehabt. Von einem Regierungswechsel war gar nicht die Rede. Das darf man nicht weglassen, wenn man diesen Sachverhalt bewertet. ({19}) Herr Hirsch - das sagen Zeugen - war parteiisch. Er hat sich mit seiner völlig einseitigen Art der Vernehmungen und seiner einseitigen Pressearbeit während seiner angeblichen Ermittlungstätigkeit an der Medienkampagne beteiligt. Ich meine den Herrn Hirsch, der den Datenschutz in Sonntagsreden so hoch gehalten hat. Daher ist es richtig zu sagen: Im Nachhinein zeigt sich, wie gut es ist, dass er nie Bundesjustizminister geworden ist. ({20}) Ich will zum Abschluss - vielleicht nehmen Sie das einmal ernst - eine andere Quelle zitieren. Den „Spiegel“ haben Sie erwähnt, Kollege Ströbele. Vielleicht schauen Sie auch einmal in den „Tagesspiegel“. ({21}) Dort hätten Sie am 5. Oktober dieses Jahres von Stephan-Andreas Casdorff - nicht gerade ein Schreiberling der CDU - lesen können: Was jetzt gilt: Kohl hat das Recht auf seiner Seite. Und das Recht, eine Entschuldigung zu verlangen. Helmut Kohl wie auch seine Mitarbeiter haben das Recht, zu verlangen, dass diejenigen, die ihn mit ehrabschneiderischen Vorwürfen überzogen haben, diese auch wieder aus der Welt schaffen. Sie arbeiten nach einem ganz anderen Motto.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie arbeiten nach dem Motto - das ist mein Schlusssatz -: Wahrscheinlich wird irgendetwas hängen bleiben. - Ich sage: Genau das war die Absicht des von Gerhard Schröder geführten Kanzleramtes. Es sollte etwas hängen bleiben. Diesen miesen Stil lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Schönen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat der Staatsminister im Bundeskanzleramt Rolf Schwanitz. ({0})

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Klaeden, eigentlich wollte ich mich bei Ihnen für diese Aktuelle Stunde bedanken, weil sie Gelegenheit gibt, auf einige Fakten anders aufmerksam zu machen, als es bei den Fragen der Fall ist, die Sie sonst regelmäßig in den Sitzungen während der Plenarwochen dazu stellen. ({0}) Ich will mit einer ganz persönlichen Bemerkung anfangen. Was ich in der Aktuellen Stunde von Ihrer Fraktion gehört habe, macht schon betroffen, ({1}) aber ganz anders, als Sie sich das wahrscheinlich vorstellen. ({2}) Herr von Klaeden, ich fange einmal mit Ihrer Presseerklärung vom Freitag letzter Woche an, in der Sie die vier Fragen angekündigt haben. Von diesen vier Fragen haben Sie - weil das ja so wichtig war - nur zwei mündlich gestellt, zwei sollten gleich schriftlich beantwortet werden. Vor der Ankündigung dieser Fragen kommt ein Riesenblock von Diffamierungen und von Anschuldigungen gegen Burkhard Hirsch. ({3}) Ich kenne das. Auch ich habe acht Jahre auf der Oppositionsbank gesessen. ({4}) Da gibt es so etwas wie eine innere Solidarität. Man fühlt sich verantwortlich und verteidigt in solch einer schwierigen Situation. Bis zu einem gewissen Grad ist das in Ordnung. Bei Ihnen gibt es aber überhaupt kein Halten mehr und Sie diffamieren bis in die Aktuelle Stunde hinein nach dem Motto „Da hat irgendeiner gehasst“. ({5}) Ich habe 1990 im Innenausschuss angefangen und Herrn Dr. Hirsch kennen gelernt. ({6}) Wenn irgendeiner für mich die Rechtsstaatlichkeit in Person verkörpert hat, dann war er es. ({7}) Da mögen Sie lachen, aber dass das hier zu einer Diffamierungsfarce gegen den ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages wird, das ist unter aller Kanone. Das muss ich Ihnen einmal sagen. ({8}) Dr. Hirsch ist auf einer rechtsstaatlichen Grundlage tätig geworden. Das ist völlig zweifelsfrei. Das haben wir Ihnen x-fach hier im Plenum des Deutschen Bundestages beantwortet. Das geschah auf der Grundlage der Disziplinarordnung. Es sind alle Rechte der Beteiligten und der Betroffenen gewürdigt worden, sogar vorsorglich, bevor die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt worden sind. Ich weise ausdrücklich alle Diffamierungen und Vorwürfe, die hier ausgesprochen worden sind, zurück. ({9}) Ich will in aller Kürze - das ist das Wichtigste, vor allen Dingen, da Sie hier von Inszenierung sprechen ({10}) einfach noch einmal die Faktenlage von meiner Seite her beschreiben. ({11}) Erstens. Es hat nach der Bundestagswahl, und zwar vor dem Regierungswechsel im September/Oktober 1998, im Bundeskanzleramt umfangreiche zentrale und rechtswidrige Löschungen von Daten gegeben. ({12}) Der Umfang mag streitig sein. Er wird im Minimalbereich bei einem Gigabyte angesetzt, im Maximalbereich bei 2,8. Das sind mindestens 25 Prozent des im gesamten Speicherbereich des Kanzleramtes präsenten Schriftgutes gewesen. Die unterste Grenze sind ungefähr 250 000 Blatt. Das ist das erste Faktum, das ich hier noch einmal nenne. ({13}) Zweitens. Es fehlen im Bundeskanzleramt nach wie vor Akten zu wichtigen, politisch bedeutsamen Privatisierungsvorgängen sowie Material aus dem Kernbereich der Exekutive. ({14}) Es handelt sich um Material, das politisch ganz bedeutsam und von hohem Interesse ist, beispielsweise zur Privatisierung der Leuna-Werke, zum Verkauf der Eisenbahnerwohnungen und zu Rüstungsgeschäften, die in der Debatte schon eine große Rolle gespielt haben. Das Bearhead-Projekt und der Verkauf der Fuchs-Spürpanzer sind genannt worden. Drittens - das ist ein Punkt, über den bis jetzt viel zu wenig debattiert worden ist -: Dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Treuhandanstalt“ in der 12. Legislaturperiode und dem Untersuchungsausschuss „DDR-Vermögen“ in der 13. Legislaturperiode wurde rechtswidrig Aktenmaterial vorenthalten. Dadurch wurden die Rechte der Untersuchungsausschüsse beschnitten. ({15}) Das ist die Situation. Vorab hat es im Bundeskanzleramt in der 12. Legislaturperiode Aus- und Umgründungen von Akten gegeben. Der Untersuchungsausschuss ist nicht darüber informiert worden, dass das übergebene Aktenmaterial unvollständig ist. ({16}) Dadurch hatte das Parlament keine rechtlichen Möglichkeiten, gegen die unvollständige Übergabe von Material Rechtsmittel einzulegen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, die Herausgabe des Materials zu fordern und anderes mehr. ({17}) Dass auch Sie als Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion diesen parlamentsrechtlichen Gesichtspunkt in keiner Weise thematisieren, ist sehr bezeichnend für die gegenwärtige Situation. ({18}) Viertens. Das Bundeskanzleramt hat in der Tat ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das noch nicht abgeschlossen ist. Das Beschwerdeverfahren läuft noch. Ich hätte übrigens Ihre Kommentare im Deutschen Bundestag hören mögen, wenn die Aktenverluste bekannt geworden wären, ohne dass wir tätig geworden wären. Dann wären sicherlich wir als Rechtsbrecher bezeichnet worden. ({19}) Ich weise ausdrücklich darauf hin: Auch wenn zum Schluss keine disziplinarische und auch keine strafrechtliche Verantwortlichkeit feststellbar sein sollte, ({20}) dann bleiben die ersten drei Tatsachen bestehen, nämlich Datenlöschungen, Aktenfehlbestände und Rechtsverstöße gegenüber dem Parlament und dem Untersuchungsausschuss. Herzlichen Dank. ({21})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Ingo Wellenreuther für die CDU/CSU-Fraktion.

Ingo Wellenreuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003658, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Serie des rechtswidrigen Handelns bzw. der Manipulation des Rechts im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss „Parteispenden“ der letzten Wahlperiode ({0}) findet mit der Schröder/Hirsch-Affäre ihren traurigen Höhepunkt, Herr Ströbele. ({1}) Rechtsstaatlich zweifelhaft waren bereits damals die Einsetzung des Ausschusses, die Behandlung des Themas SPD-Finanzen und, Frau Kumpf, auch die Zeugenvernehmung und Verhandlungsführung des Vorsitzenden. Aber der parallel konstruierte Vorwurf, beim Regierungswechsel strafbare Datenlöschungen bzw. Aktenvernichtungen vorgenommen zu haben, schlägt dem Fass den Boden aus. Wir haben gerade heute einen Einblick in das gewonnen, was wir als Schröder/Hirsch-Affäre bezeichnen können, nämlich die rechtswidrige Vorgehensweise des Sonderermittlers Hirsch und die mediale Aufbereitung, mit der versucht wurde, in der Öffentlichkeit eine unionsfeindliche Stimmung zu erzeugen. Diese Aktuelle Stunde heute hat gezeigt, dass es sich bei den unberechtigten Vorwürfen an die frühere Bundesregierung unter Helmut Kohl, sie habe ohne Einverständnis der verfügungsberechtigten Nutzer Datenlöschungen veranlasst und in strafbarer Weise Aktenmaterial beseiIngo Wellenreuther tigt, um einen der größten politischen Skandale der Nachkriegszeit handelt. Für diesen Skandal, den das Bundeskanzleramt unter Führung von Staatssekretär Steinmeier bewirkt hat, tragen die Bundesregierung und insbesondere Bundeskanzler Schröder persönlich die Verantwortung. ({2}) Mithilfe des Sonderermittlers Hirsch, der in rechtswidriger und möglicherweise auch strafbarer Weise ein Lügengebäude aufgebauscht hat ({3}) - warten Sie es ab, Herr Stadler! -, haben die Bundesregierung und das Bundeskanzleramt der gesamten Bundesrepublik einen kaum wieder gutzumachenden Schaden zugefügt. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl wurde aufs Übelste verleumdet und diffamiert ({4}) und es wurden ihr Handlungen unterstellt, wie sie allenfalls in einer Bananenrepublik vorkommen. ({5}) - Herr Ströbele, als rechtskräftig verurteilter Straftäter sollten Sie jetzt einmal den Mund halten! - Mit böswilligen Behauptungen ist ein Verfahren in Gang gesetzt worden, das die Staatsanwaltschaft wegen der Unhaltbarkeit der Vorwürfe mehrfach einstellen wollte, wogegen aber das Bundeskanzleramt immer und immer wieder interveniert hat. Mit der endgültigen Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Bonn am 2. Oktober hat eine einzigartige Diffamierungskampagne des Bundeskanzleramtes gegen die Vorgängerregierung ihr unrühmliches Ende gefunden. ({6}) Es hat sich herausgestellt, dass an den Vorwürfen nichts, aber auch gar nichts dran ist, Herr Ströbele. Unberechtigte Datenlöschungen hat es nicht gegeben. Die Zeugen haben das nicht bestätigt. Der Oberstaatsanwalt beim BGH, der bereits zitiert worden ist, hat schon in seinem Bericht vom 26. Juni 2001 festgestellt, dass der Leitung des Bundeskanzleramtes keinerlei Vorwürfe in Hinblick auf Datenlöschungen zu machen sind. ({7}) - Nein, ich zitiere aus der Bundestagsdrucksache 14/9300. Lesen Sie das bitte nach, Herr Stadler! ({8}) Staatssekretär Steinmeier musste inzwischen einräumen, dass alle wesentlichen Unterlagen in den Registraturen des Kanzleramtes ausschließlich in Papierform aufbewahrt und verwaltet werden. Die Festplatte des Zentralservers im Bundeskanzleramt wurde im Frühjahr 1999 unter Verantwortung des derzeitigen Bundeskanzlers ausgetauscht und vernichtet. Genauso ist der Vorwurf strafbarer Aktenvernichtung in sich zusammengebrochen. Es hat sich herausgestellt, dass die Leuna-Akten und die Akten zu den anderen Privatisierungsvorgängen im Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode im Original vorgelegen haben. ({9}) Diese Akten sind bereits 1997 - das wurde bereits angesprochen - nicht mehr gefunden worden, womit ein Zusammenhang mit der Bundestagswahl 1998 eindeutig ausscheidet. Kopien der Originalakten über die weiteren Privatisierungsvorhaben sind - ebenso unstreitig - in vollem Umfang im Bundeskanzleramt vorhanden. Kernbereichsrelevantes Material wurde vor der Übersendung an den Untersuchungsausschuss aussortiert. Die Öffentlichkeit wurde bewusst darüber getäuscht, wie Akten im Kanzleramt angelegt und verwaltet werden. ({10}) Der Umstand, dass kein Aktenmaterial über bestimmte Zeiträume vorhanden ist, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass es jemals existent war, Herr Ströbele. Das gebieten schon die Gesetze der Logik. ({11}) Die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Bonn ist somit eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und insbesondere für das Bundeskanzleramt. Aber nicht allein die Haltlosigkeit der Vorwürfe, sondern auch das in rechtsstaatlicher Hinsicht unerträgliche Vorgehen des Sonderermittlers Hirsch sind ein Skandal. ({12}) Allein schon die Bestellung des Sonderermittlers zum Ermittlungsführer für disziplinare Vorermittlungen war rechtsstaatlich fragwürdig. Das Verfahren artete in der Folgezeit aus parteipolitischen und parteitaktischen Gründen zu einer regelrechten Kampagne aus, die ihren Hintergrund in den damaligen schlechten Umfragewerten von Rot-Grün hatte. Besonders unerträglich waren die Methoden von Hirsch. Zeugen haben gegenüber der Staatsanwaltschaft Bonn angegeben, dass er nicht neutral, sondern voreingenommen gewesen sei, dass seine Befragung unfair und unzulässig gewesen sei. Er habe nur Belastendes und nichts Entlastendes gesucht. Er habe Arbeitsergebnisse manipuliert. Ein Zeuge berichtete, nicht alles, was er gesagt habe, sei protokolliert worden, insbesondere nichts Entlastendes. ({13}) Er sei zu bestimmten Aussagen gedrängt worden, weil ein bestimmtes Ergebnis erreicht werden sollte. Hirsch habe eine Bestätigung dafür gewollt, dass Datenlöschungen erfolgt seien. Ein anderer Zeuge hat gesagt, er habe den Eindruck einer geführten Befragung gehabt. Suggestivfragen seien gestellt worden. Bestimmte Tatsachenkomplexe, die anschließend politisch skandaliert werden sollten, sollten unbedingt belegt werden. Ein Zeuge fühlte sich vor die Alternative gestellt, entweder die rückhaltlosen Vorwürfe zu bestätigen oder dienstlich nachteilige Maßnahmen in Kauf zu nehmen. Wenn ein vom Bundeskanzleramt zum Ermittlungsführer bestimmter Sonderermittler derart rechtsstaatswidrig auftritt, dann ist das ein Schlag in das Gesicht des Rechtsstaates und ein für die Demokratie unhaltbarer Zustand, der nicht folgenlos bleiben wird. ({14}) Der eigentliche Skandal ist, dass eine Regierung, die seit fünf Jahren auf ganzer Linie versagt, ein Lügengespinst in die Welt setzt, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Mithilfe eines so genannten Sonderermittlers, der gegen die einfachsten rechtsstaatlichen und demokratischen Regeln verstoßen hat, wurde die Vorgängerregierung auf niederträchtige Weise diffamiert. ({15}) - Herr Stadler, ich erkläre Ihnen das nachher noch im Einzelnen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ingo Wellenreuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003658, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bin sofort fertig. - Es wurde nicht davor zurückgeschreckt, strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Beamte des Kanzleramtes anzustrengen und zu betreiben und damit deren Ansehen, Ehre und Glaubwürdigkeit irreparabel zu beschädigen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich die Ihnen bei früherer Gelegenheit wegen demonstrativer Unterschreitung der Redezeit eingeräumte Gutschrift für eine spätere Rede inzwischen eingelöst habe ({0}) und dass es schön wäre, wenn Sie allmählich zum Schluss kommen könnten.

Ingo Wellenreuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003658, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bedanke mich und komme zum Schluss. Ich fordere die Bundesregierung auf - das gilt auch für den Bundeskanzler -, sich für ihr Verhalten nachdrücklich und öffentlich zu entschuldigen, damit das Ansehen der verfolgten und beschuldigten Beamten und der Vorgängerregierung wiederhergestellt werden kann. Danke schön. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bevor ich als letztem Redner dem Kollegen Klaus Uwe Benneter das Wort für die SPD erteile, erlaube ich mir den Hinweis, dass ich die zwischenzeitlich geäußerte Vermutung eines Zitats aus Geheimakten und den Hinweis auf eine Bundestagsdrucksache nach mehrfachen parlamentarischen Erfahrungen für nicht unvereinbar halte. Nun hat der Kollege Benneter das Wort.

Klaus Uwe Benneter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003503, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, wenn, dann zitiere ich nur aus öffentlich zugänglichen Quellen. Ich habe nicht wie andere den „Tagesspiegel“, sondern den „Spiegel“ ({0}) und das neueste Werk von Herrn Leyendecker mitgebracht, der Ihnen schon eine rühmliche Erwähnung wert war. Nach meiner Meinung haben Sie sich dadurch, dass Sie eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt haben, keinen Gefallen getan. Sie versuchen schon das ganze Jahr über, in den Fragestunden nach der „Haltet den Dieb“-Methode die Sache umzudrehen. ({1}) Die betreffenden Vorgänge sind dafür wirklich nicht geeignet. Es ist ein völlig untauglicher Versuch, auf diese Art und Weise die Vorgänge im Kanzleramt und insbesondere die dafür politisch Verantwortlichen, die Herren Kohl und Bohl, reinzuwaschen. Auch Herrn Schäuble machen Sie auf diese Art und Weise nicht nachträglich zum Saubermann. ({2}) Kollege Ströbele hat schon den Generalstaatsanwalt aus Köln zitiert. Der hat ganz eindeutig gesagt: Fakt ist, dass es zum Zeitpunkt des Regierungswechsels 1998 im Bundeskanzleramt Datenlöschungen gab. ({3}) Fakt ist auch, dass Akten fehlen. Im so genannten Leuna-Komplex beispielsweise werden sechs Aktenbände mit Originalen und Kopien vermisst. Außerdem sind Unterlagen aus anderen Akten ausgeheftet und dann woanders einsortiert worden. Das alles ist unstrittig und entspricht - das sage ich als Bürger; so sagt der Generalstaatsanwalt - auch nicht meiner Vorstellung von ordentlicher Aktenführung. - Meiner allerdings auch nicht. ({4}) Das sind die Fakten, von denen auszugehen ist. Eine Tatsache ist auch, dass Löschungen in einem unvorstellbaren Maß vorgenommen wurden. Sie sind zentral vorgenommen worden. Es ist nicht so gewesen, dass man an einzelnen Computern herumgewerkelt hat, sondern es sind zentral Speicherkapazitäten gelöscht worden, und zwar in einem Umfang, der jetzt auf 250 000 DIN-A4-Seiten bis 500 000 DIN-A4-Seiten geschätzt wird. ({5}) Soll das alles Zufall sein? Soll es auch Zufall sein, dass gerade die brisanten Akten weg sind? ({6}) Welche Brisanz dahinter steckt, haben die Kolleginnen und Kollegen, die vor mir gesprochen haben, schon erwähnt. Ist es Zufall, dass gerade bestimmte interessante Details zentral gelöscht wurden? Ist es nur ein Zufall, dass sich die Zeugen zuerst ganz genau erinnern und später alles Mögliche dazu behaupten, wie sie unter Druck geraten seien? Es geht dabei um höhere Beamte im Bundeskanzleramt. ({7}) Das alles reimt sich nicht zusammen. Ist es ein Zufall, dass auch noch das Löschungsverzeichnis deaktiviert wurde, wie es so schön heißt, dass also auch im Papierkorb des Computers - die Menschen wissen inzwischen, dass man dort Dinge ablegen kann gelöscht wurde? Das ist zentral verfügt worden. Das alles kann doch kein Zufall sein. Mir jedenfalls können Sie das nicht weismachen. ({8}) Die Kollegin Lambrecht fühlte sich auch schon bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass sie sich die Hose nicht mit der Kneifzange anzieht. Sie meinte wahrscheinlich nicht die Hose, sondern den Rock. ({9}) Ich bin da nicht so blauäugig. Auch die Menschen sind nicht so lebensfremd, dass sie Ihnen das abnehmen. Die zentrale Festplatte ist ebenfalls weg. Auch die ist ohne Nachfrage bei der Hausleitung einfach zerstört worden. Noch einer dieser vielen Zufälle in diesem Zusammenhang! Das können wir Ihnen nicht abnehmen. Das reimt sich nicht zusammen. Das entspricht nicht einer auch nur halbwegs ordnungsgemäßen Aktenführung. Hier geht es darum, genau das politisch zu bewerten. Das Verhalten von Herrn Kohl und Herrn Bohl im Zusammenhang mit der Aktenführung reimt sich aber sehr wohl mit dem Beratervertrag bei Kirch zusammen. ({10}) Herr Kirch hat gegenüber dem Untersuchungsausschuss wörtlich gesagt: Ich habe Herrn Kohl nicht einmal richtig um Hilfe gebeten, sondern ich habe ihn gefragt: Was ist denn dieser Verein in Brüssel? Da hat er mich gefragt: Was willst du denn von denen? Da sagte ich: Ich will etwas ganz Normales. Ich will eine Fusion auf dem Gebiet des Pay-Fernsehens mit Bertelsmann. Dann sagte er: Ich verstehe davon überhaupt nichts ... Dann hat er einmal angerufen. Davon habe ich mehr Nachteile gehabt als Vorteile. Das Ergebnis ist bekannt. Es wurde verboten. Wenn Kohl von geschäftlichen Dingen so wenig versteht, warum, so fragen wir alle uns, hat er dafür dann 600 000 DM im Jahr plus großzügige Spenden von Herrn Kirch bekommen? ({11}) Auf diese Auffälligkeiten hat dankenswerterweise der Kollege Stadler hingewiesen. Er hat gesagt, dass es deshalb unbedingt notwendig war, Vorermittlungen durchzuführen. Das ist in rechtsstaatlich einwandfreier Weise durch Herrn Hirsch passiert. Die Art, in der Sie ihn hier diffamiert haben, finde ich wirklich unerträglich. ({12}) Für dieses „bananöse“ Regierungsverhalten der Herren Kohl und Bohl müssen Sie sich hier entschuldigen. Sie dürfen nicht jede Woche den Versuch unternehmen, den Spieß umzudrehen. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 6. November 2003, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.