Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Bundesverkehrswegeplan
2003.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Achim Großmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Heute ist im Bundeskabinett der Bundesverkehrswegeplan beschlossen worden. Mit der Vorlage
dieses Planes wird ein Weg erfolgreich beendet, der von
zwei Koalitionsvereinbarungen und dem Verkehrsbericht 2000 vorgezeichnet war. Der für das Wirtschaftswachstum und den notwendigen Aufschwung erforderliche Ausbau der Verkehrswege, aber auch die immer
wichtiger werdende Erhaltung des Bestandes hat aktuell
eine Grundlage bekommen, deren Planungshorizont bis
zum Jahr 2015 reicht.
Angesichts unserer zentralen Lage in Europa, der
kommenden EU-Osterweiterung und der daraus resultierenden Zuwächse müssen wir unser Verkehrsnetz europatauglich weiterentwickeln. Wir müssen die Herausforderungen, die durch eine zunehmend mobilere Gesellschaft
entstehen, aufnehmen und über ein integriertes Verkehrsnetz umsetzen. Unser Ziel ist es, die prognostizierten Zuwächse in die richtigen Bahnen zu lenken, um dadurch
Verkehre vermeiden zu helfen, Verkehre zu verlagern und
Verkehre umweltfreundlicher zu organisieren. Mobilität
soll ökonomisch und ökologisch unterlegt werden.
Über neue Systeme wie Galileo und Telematik, über
Maut, Betreibermodelle und Verkehrsvernetzung setzen
wir diese Ziele mit innovativen und zum großen Teil verkehrslenkenden Maßnahmen um. Die Investitionen in
Schiene und Bundesfernstraßen sollen dafür gleichwertig entwickelt werden. Ganz wichtig: Wir setzen Prioritäten auch bei den Bestands- und Erhaltungsinvestitionen. Hier ist Einiges liegen geblieben. Wir dürfen nicht
immer nur neue Verkehrswege beschließen, wir müssen
auch sicherstellen, dass die bestehenden Verkehrswege,
das bestehende Netz erhalten und sicherer gestaltet wird.
Der Bundesverkehrswegeplan ist in ein Gesamtverkehrskonzept eingebunden, das die spezifischen Vorteile
aller Verkehrsträger zur Geltung bringen will; denn ein
Verkehrsträger allein wird den Zuwachs von etwa
65 Prozent im Güterfernverkehr und 25 Prozent im Personenverkehr nicht bewältigen.
Der Bundesverkehrswegeplan ist zugleich die Grundlage für zwei Entwürfe, für den Entwurf eines Ersten
Gesetzes zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes sowie für den Entwurf des Fünften Gesetzes
zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes. Auch
diese Gesetzentwürfe hat das Kabinett heute beschlossen. Beide Gesetzentwürfe haben als Anlage die Bedarfspläne für die Bundesschienenwege- bzw. die Bundesfernstraßenvorhaben, die hinsichtlich der Einstufung
in die Bedarfskategorien „vordringlicher Bedarf“ und
„weiterer Bedarf“ mit den Projektlisten des Bundesverkehrswegeplans derzeit noch identisch sind. Hier
beginnt die Aufgabe des Parlamentes. Inwieweit die parlamentarischen Beratungen Änderungen des Bundesverkehrswegeplanes bringen, die dann in die neuen Ausbaugesetze eingearbeitet werden, bleibt abzuwarten. Das ist,
wie gesagt, die Aufgabe des Parlamentes.
Die Koalitionsvereinbarung, das am 6. März 2002
vom Bundeskabinett beschlossene Zukunftsprogramm
Mobilität sowie der Verkehrsbericht 2000 - diesen habe
ich schon erwähnt -, nicht zuletzt aber auch die fachlichen Arbeiten am Bundesverkehrswegeplan selbst haben
Ziele und Schwerpunkte vorgegeben, die wir mit diesem
Plan erreichen wollen. Dazu zählt: Es sollen möglichst
hohe Anteile des Zuwachses im Straßen- und Luftverkehr auf Schiene und Wasserstraßen verlagert werden.
Geplant ist, den modalen Anteil des Güterverkehrs auf
der Straße bis 2015 erstmals zurückzufahren. Die
Redetext
Schiene muss hier natürlich entsprechend zulegen. Es
geht um die Investitionen in Schiene und Bundesfernstraßen. Diese wollen wir gleichmäßig gestalten; das
habe ich schon gesagt.
Wir haben das Ziel, dass Natur und Landschaft sowie
nicht erneuerbare Ressourcen in geringem Umfang in
Anspruch genommen werden, und das Ziel der Reduktion der Emission von Lärm, Schadstoffen und Klimagasen. Hierüber wird in der Öffentlichkeit eine verquere
Diskussion geführt. Natürlich gibt es bei den Verkehren
Zuwächse. Jetzt geht es darum, dass es nicht im gleichen
Maße einen Zuwachs von CO2 gibt. Wir wollen das endlich entkoppeln. Das wird uns mit dem Bundesverkehrswegeplan ganz gut gelingen, wenn wir ihn vernünftig
umsetzen.
Des Weiteren wollen wir Engpässe im Autobahnnetz
beseitigen, die Stärkung der Infrastruktur in Ostdeutschland voranbringen, die Investitionen in das Bestandsnetz
erhöhen und die Stärkung des maritimen Standorts durch
Ausbau von Hinterlandanbindungen betreiben.
Schließlich geht es um die Verkehrsentlastung in den
Städten. Im Zukunftsprogramm Mobilität war noch von
300 Ortsumgehungen bis 2009 die Rede. Im vorliegenden Bundesverkehrswegeplan haben wir 740 Ortsumgehungen in den vordringlichen Bedarf gesetzt. Ich meine,
diese Zahl ist sehr erfreulich für die Menschen, die unter
Verkehr, Abgasen und Lärm zum Teil sehr stark leiden.
Der Bundesverkehrswegeplan steht unter dem Leitbild „Aufbau Ost und Ausbau West“. Wir müssen beides
tun. Wir müssen vor allem in den Ballungsgebieten
Staustellen abarbeiten, damit Wachstum nicht im Stau
erstickt. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass
strukturschwache Gebiete angebunden werden, dass
hierfür ein beschleunigter Zugang zu Verkehrsnetzen geschaffen wird. Deshalb haben wir ein Straßenbauprogramm für strukturschwache Gebiete aufgelegt und dabei eine Abkopplung vom ansonsten geltenden NutzenKosten-Verhältnis vorgesehen. 60 Prozent der Maßnahmen aus diesem Programm sind für die neuen Bundesländer geplant.
Die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans
war von einer noch nie da gewesenen Transparenz gekennzeichnet. Bereits während der Bewertungsphase haben wir die Länder eingebunden. Die Abgeordneten des
Deutschen Bundestags wurden in dieser Phase wie auch
später umfassend informiert; bei jeder Etappe haben wir
die Abgeordneten informiert.
({0})
Wir haben lange Wegstrecken im Rahmen der Überarbeitung gemeinsam mit dem BMU zurückgelegt, haben so die Ressortabsprache, wenn man so will, parallelisiert und damit auch Zeit gewonnen. Das war auch
notwendig, um die bedeutenden Umweltaspekte bei der
Infrastrukturplanung gebührend zu würdigen.
Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans, der am
20. März vorgestellt wurde, ist mit den Ländern, mit Abgeordneten, mit Fachkreisen und mit 60 Verbänden und
Organisationen sowie mit einer Vielzahl von Landräten,
Oberbürgermeistern und Bürgermeistern besprochen
worden. Wohl noch niemals zuvor ist über einen Bundesverkehrswegeplan so intensiv kommuniziert worden
wie dieses Mal. Ich bin sehr froh, dass wir mit dem
2. Juli eine Punktlandung geschafft haben. Wir haben
immer gesagt, wir brauchen den Zeitrahmen bis Mitte
Juli, und heute ist erst Anfang Juli.
Damit komme ich zum Finanzrahmen. Es sind
150 Milliarden Euro für die Jahre 2001 bis 2015 vorgesehen, davon 82,7 Milliarden Euro - 56 Prozent - für die
Erhaltung. In den Ausbau und Neubau von Strecken fließen 66,2 Milliarden Euro, 44 Prozent.
Die Verteilung auf die Verkehrsträger stellt sich wie
folgt dar: 77,5 Milliarden Euro fließen in die Straße. Für
die Schiene sind 63,9 Milliarden Euro aus dem Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Hinzu kommen, wie in
der Koalitionsvereinbarung festgelegt, die Mittel aus
dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und aus dem
Regionalisierungsgesetz in Höhe von 14 Milliarden
Euro. Damit kommen wir für die Schiene auf 77,9 Milliarden DM. Hinzu kommen Mittel für die Wasserstraßen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro.
Gegenüber dem Entwurf vom März haben wir die
Planungsreserve leicht angehoben. Im Bereich der
Straße liegt sie unter 30 Prozent. Die Länder hatten uns
gebeten, die Planungsreserve für den Bereich der Straße
auf 30 Prozent anzuheben. Wir sind aber unter 30 Prozent geblieben. Bei der Schiene liegen wir mit 33 Prozent knapp darüber. Da Schienenprojekte bekanntlich
länderübergreifend sind, sind die Maßnahmen hier besonders groß und teuer. Wenn wir ein Schienenprojekt
für den vordringlichen Bedarf vorsehen, dann können
wir nicht nur ein Teilstück nehmen, sondern müssen das
ganze Projekt berücksichtigen. Deshalb ist die Planungsreserve in diesem Bereich etwas höher.
Wir alle sind froh, dass wir das geschafft haben. Ich
freue mich auf die parlamentarischen Beratungen in den
Monaten nach der Sommerpause.
({1})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Es liegt bereits eine größere Zahl von Wortmeldungen
vor. Als Erste hat sich die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
gemeldet.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, dass ein wichtiges Kriterium für die Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans die Erweiterung der Europäischen
Union nach Osten hin ist. Hat die Bundesregierung,
dieser Überlegung folgend, dem Wunsch des Landes
Berlin entsprochen, den Ausbau der Ostbahn von Berlin nach Küstrin in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen?
Frau Kollegin Lötzsch, wir reden hier über insgesamt
1 600 Projekte. Sie werden Verständnis dafür haben,
dass ich über den Bundesverkehrswegeplan insgesamt
berichte, dass ich aber nicht in der Lage bin, hier zu
1 600 Projekten Stellung zu nehmen. Das ist Aufgabe
der parlamentarischen Beratungen.
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Es ist zwar
eigentlich nicht zulässig, aber ich gewähre sie Ihnen.
Herr Staatssekretär, es wäre hilfreich, wenn Sie meine
Frage bezüglich des für das Land Berlin doch sehr zentralen Projekts zumindest schriftlich beantworten würden.
Das will ich gerne tun. Wir arbeiten daran und schaffen es vielleicht noch heute Nachmittag, den gesamten
Bundesverkehrswegeplan ins Internet zu stellen; denn
wir sind daran interessiert, dass die Informationen möglichst schnell auch zu den Abgeordneten gelangen. Da
Sie kein Mitglied einer Fraktion sind, haben Sie auch
keinen verkehrspolitischen Sprecher. Diese sind bereits
informiert worden.
Ich sage Ihnen zu, dass ich die Frage schriftlich beantworten werde. Gleichzeitig verweise ich aber auch auf
das Internet.
({0})
Die nächste Frage hat der Kollege Dirk Fischer.
Herr Staatssekretär, gemäß der Koalitionsvereinbarung 1998 hat die Bundesregierung nun den Bundesverkehrswegeplan beschlossen und ihn sowie die Ausbaugesetze vorgelegt - allerdings mit einer deutlichen
Verspätung. Darin macht sie die Realisierung von den
Möglichkeiten des Bundeshaushaltes abhängig.
Nachdem der Entwurf des Bundeshaushaltes angekündigt worden ist, möchte ich die Frage stellen, ob nach
dem Vermittlungsverfahren im Gesetz stehen wird, dass
die Gelder aus der Maut zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt werden. Die Bundesregierung hat
jetzt ein Nullsummenspiel veranstaltet, an dessen Ende
trotz der Mauteinnahmen 100 Millionen Euro weniger
für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt werden. Wie
bewertet die Bundesregierung den Einfluss dieser Haushaltsentscheidung auf die Realisierung der Bedarfspläne
Straße und Schiene sowie der Wasserstraßenprojekte? Ist
das, was im Haushalt 2004 veranschlagt werden soll, bereits während der Vorarbeiten zu diesen Plänen berücksichtigt worden?
Herr Kollege Fischer, Sie wissen, dass wir heute über
den Bundesverkehrswegeplan und somit über die Bedarfspläne reden. Diesen unterlegen wir mit einem finanziellen Horizont, der aus dem resultiert, was in den
letzten Jahren für die Verkehrswegeinfrastruktur eingesetzt wurde. Es ist deutlich mehr als in früheren Jahren;
das ergibt sich aus der Perspektive der mittelfristigen
Finanzplanung, die man bis zum Jahre 2015 logisch weiterführen muss, weil es keine fortgeschriebene mittelfristige Finanzplanung gibt. Das ist ungefähr unsere Linie. Ich glaube, dies ist realistisch, unabhängig davon, ob
in dem einen oder anderen Haushaltsjahr etwas mehr
oder weniger zur Verfügung gestellt werden kann.
Wir haben das Ganze auch insofern seriös unterlegt,
als wir unterstellen, dass die Einnahmen aus der Maut in
den nächsten Jahren nicht wachsen werden. Wir wissen
aber, dass der Güterverkehr um 65 Prozent zunehmen
wird. Das heißt, wir haben auf einer sehr seriösen
Grundlage gerechnet, sodass ich glaube, dass Abweichungen in dem einen oder anderen Haushaltsjahr nach
oben oder nach unten den Plafond insgesamt nicht berühren werden.
({0})
Im Prinzip ja, es gibt allerdings eine große Anzahl an
Fragewünschen. Damit möglichst viele die Möglichkeit
erhalten, an die Reihe zu kommen, bitte ich darum, sich
auf eine Frage zu konzentrieren und sich später noch einmal zu melden. - Ich vermerke Ihren Wunsch, Herr
Fischer.
Als Nächster hat der Kollege Reinhard Weis das Fragerecht.
Herr Staatssekretär, die Kritik am Bundesverkehrswegeplan 1992 machte sich vor allen Dingen daran fest,
dass der vordringliche Bedarf nicht an den finanziellen
Möglichkeiten orientiert war. Der ehemalige Verkehrsminister Müntefering nannte das einmal „Wunsch und
Wolke“.
Können Sie zusagen, dass der vordringliche Bedarf
im neuen Bundesverkehrswegeplan besser an den finanziellen Möglichkeiten und damit auch an den Realisierungsmöglichkeiten orientiert ist?
Wenn man sich den alten Bundesverkehrswegeplan
anschaut, dann wird man feststellen, dass es bei dessen
Umsetzung im Jahre 2012 - bis dahin wäre der alte Bundesverkehrswegeplan gelaufen - unrealisierte Straßenprojekte im Wert von ungefähr 40 bis 45 Milliarden Euro
gegeben hätte. Bei der Vorlage des neuen Bundesverkehrswegeplans wollten wir nicht die Hoffnung
erwecken, dass der Vermerk, es bestehe ein vordringlicher Bedarf zum Beispiel für eine Straße, gleichzeitig
bedeutet, dass sie auch gebaut werden kann, während die
Bürger- und Oberbürgermeister später vielleicht zur
Kenntnis nehmen müssen, dass sie doch nicht zu realisieren ist. Wir haben darauf gesetzt, dass dieses Mal eine
realistische Prognose aufgenommen wird.
Wir haben jetzt in Absprache mit den Ländern die
Planungsreserve für die Straße auf 30 Prozent begrenzt.
Das entspricht ungefähr einem Umfang von drei oder
vier Jahren. Das heißt, wir sind in diesem Bereich flexibel. Wir wissen schließlich, dass nicht alle Straßen gebaut werden können, manche Straßenbauprojekte werden beklagt. Unter Umständen können ökologische
Probleme nicht ausgeräumt werden. Ich glaube, dass
wir mit der Planungsreserve von etwa 11 Milliarden
Euro eine seriösere und realisierbarere Vorlage als die
des Bundesverkehrswegeplanes von 1992 erarbeitet haben.
({0})
Man muss zwar den Bedarfsplan und den Finanzierungsplan weitgehend trennen, aber ein Stück weit muss man
diese Ideen auch zusammenführen.
({1})
Die nächste Frage hat der Kollege Dirk Niebel.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin zwar festgestellt, dass Sie schwerlich zu Einzelprojekten Stellung
nehmen können. Es gibt allerdings Projekte, die in Ihrem
Hause so bekannt sind, dass sie Ihnen vermutlich im Gedächtnis haften geblieben sind. Mir geht es um die Umfahrung des ICE-Knotenpunktes Mannheim, den der
Bahnchef, Herr Mehdorn, gerne im Bundesverkehrswegeplan abgesichert gehabt hätte.
Nun gab es in der letzten Woche eine gemeinsame
Presseerklärung der Abgeordneten Lothar Mark, SPD,
und Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen, die entsprechend der Gesamtstimmung in der Region des Landes
Baden-Württemberg, aller Parteienvertreter, des ehemaligen Bundesverkehrsministers Bodewig und des aktuellen Verkehrsministers, Herrn Stolpe, die Umfahrung
Mannheims ablehnen.
Deswegen meine Frage: Ist es so, dass gemäß der
Pressemitteilung im Bundesverkehrswegeplan eine Umfahrung des Hauptbahnhofs ausgeschlossen wird? Ich
frage vor allem vor dem Hintergrund, dass die von der
Region gewünschte Anbindung des Hauptbahnhofs
Mannheim an das Schnellbahnnetz ungefähr 500 Millionen Euro günstiger ist als die von der Bahn gewünschte
Umfahrung. Dadurch könnten für andere Projekte zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen.
Sie wissen, dass die Deutsche Bahn AG ein privatisiertes Unternehmen ist, das in eigener Verantwortung
über Trassenführungen entscheidet und dies anmeldet.
({0})
- Das stimmt. - Deshalb muss man sowohl die Wünsche
der Deutschen Bahn AG als auch die der Region berücksichtigen. Beide müssen nicht immer identisch sein; das
haben Sie schon dargelegt.
({1})
Weder die Deutsche Bahn AG noch die Region muss in
jedem Fall Recht haben. Wir haben versucht, einen Weg
zur Vertrauensbildung in der Region zu finden, da es Äußerungen gegeben hat, die darauf schließen lassen, unter
Umständen Personenfernverkehre am Hauptbahnhof
Mannheim vorbeizuführen.
Wir haben eine Lösung gefunden, die der Region zunächst einmal weiterhilft. Wir haben folgende Protokollnotiz vereinbart: Die Neubaustrecke wird in einer Weise
realisiert, die es der Deutschen Bahn AG und Dritten ermöglicht, die Personenfernverkehre über den Mannheimer Hauptbahnhof zu führen. Dies erfolgt in einem ersten Bauabschnitt. - Damit wird klar: Wir legen großen
Wert darauf, dass die Personenfernverkehre durch den
Mannheimer Hauptbahnhof geführt werden. Ob man
dann bei weiteren Planungen zu dem Ergebnis kommt,
einen Teil der zunehmenden Personenfernverkehre
- beispielsweise wird neben anderen Zügen der ICE aus
Frankreich angebunden - über den Knotenpunkt Mannheim zu führen und einen Teil, zum Beispiel den Güterfernverkehr, umzuleiten, ist noch offen. Weitere Abstimmungen werden noch erfolgen.
All das muss noch im Parlament beraten werden. Das
Land Baden-Württemberg hat Wünsche angemeldet.
Zudem bedarf das Schienenwegeausbaugesetz noch der
Zustimmung des Bundesrates. Wir stehen also am Anfang einer Debatte. Das, was wir jetzt als Protokollnotiz
vorgelegt haben, hilft, Vertrauen in der Region zu bilden; denn wir haben klargemacht, dass wir den Ausbau
des Knotenpunkts Mannheim Hauptbahnhof unterstützen.
Die nächste Frage hat die Kollegin Karin RehbockZureich.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage zum vordringlichen und zum weiteren Bedarf. Unter anderem
sind im vordringlichen Bedarf neue Kriterien zum Naturschutz einbezogen worden, Stichwort: naturschutzfachlicher Planungsauftrag. Könnten Sie das bitte näher
erläutern? Im weiteren Bedarf gibt es die Kategorie
„weiterer Bedarf mit Planungsrecht“. Könnten Sie uns
erklären, was vonseiten der Bundesregierung darunter
verstanden wird?
Verkehrsinfrastrukturinvestitionen unterliegen zunehmend europäischem Recht. Deshalb müssen wir bestimmte Vorgaben, die das europäische Recht vorsieht,
vernünftig umsetzen. Dazu gehört, dass wir in einem
Planungsverfahren - wir haben uns jetzt schon für das
Bedarfsverfahren entschieden - feststellen, ob es naturschutzfachliche Probleme gibt, die berücksichtigt werden müssen.
Jeder von uns kennt Gerichtsurteile, aufgrund derer
Straßenarbeiten eingestellt worden sind, weil bei der
Planung versäumt worden ist, Gutachten zu erstellen
oder einen Katalog ökologischer Fragen abzuarbeiten.
Deshalb haben wir uns darauf verständigt, sozusagen ein
eigenes Etikett für Straßen zu schaffen, bei denen festgestellt worden ist, dass naturschutzfachlicher Planungsbedarf besteht, bei denen also ökologische Belange zu
berücksichtigen sind.
Dabei muss man sagen, dass es sich um ganz unterschiedliche Straßen handelt. Es gibt Straßen, die schon
seit 20 oder 30 Jahren geplant sind, bei denen alles gemacht ist und für die kein einziges neues Gutachten erstellt werden muss. Es wurde nur festgestellt, dass es
noch ein Problem gibt. Es gibt auf der anderen Seite
Straßen, die zunächst einmal aufgrund eines Vorscreenings dieses Etikett erhalten haben und über die wahrscheinlich relativ schnell entschieden werden kann, weil
es bei dem Trassenraum, durch den eine Schienenstrecke
oder eine Straßenstrecke gebaut werden soll, ökologische Probleme gibt.
Dass das ganz vernünftig zwischen den Beteiligten
funktioniert, zeigt, dass wir vom Entwurf im März 2003
bis heute bereits 41 Maßnahmen geklärt haben, die jetzt
ohne den naturschutzfachlichen Planungsbedarf in den
vordringlichen Bedarf aufgenommen worden sind. Wir
sind auf dem besten Wege, das abzuschichten und dem
Rechnung zu tragen, was der gesunde Menschenverstand fordert: Es muss ökonomisch sinnvoll sein, es
muss aber auch ökologisch machbar sein.
Zum weiteren Bedarf mit Planungsrecht: Wir haben
teilweise sehr große Maßnahmenplanungen, die 1 Milliarde Euro überschreiten. Da macht es Sinn, dass man
nicht nur eine Teiltrasse plant - ich denke an weitere
Maßnahmen im vordringlichen Bedarf, die vielleicht eine
Bundesstraße mit mehreren Ortsumgehungen, wo man
die Kette bilden will, betreffen -, sondern dafür sorgt,
dass das Ganze insgesamt schon geplant werden kann,
damit man weiß, ob die vorgesehene Linie baubar ist.
Deshalb haben wir für einige Straßenprojekte die
Möglichkeit des Planungsrechtes vorbehalten. Das bedeutet, dass die Straßen- oder die Schienenprojekte baureif gemacht werden können, aber noch keine Aufnahme
in den vordringlichen Bedarf erfolgen kann. Normalerweise wird man bei einer solchen Straße bis zur Realisierung warten müssen.
Die nächste Frage hat die Kollegin Renate Blank.
Herr Staatssekretär, alle Straßenbauprojekte im Bundesverkehrswegeplan unterliegen einer Nutzen-KostenBewertung. Wenn ich richtig informiert bin, liegt die
Grenze bei 5,2. Wie kann es passieren, dass Straßenbauprojekte mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 10
nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind, aber
auf der anderen Seite Minister und der Bundeskanzler
Projekte zusagen, die immerhin einen Wert von rund
3 Milliarden Euro haben und deren Nutzen-Kosten-Verhältnis weit unter 5,2 liegt, teilweise sogar nur bei 3?
Sie haben vom Bundeskanzler und von Bundesministern gesprochen. Sie haben beispielsweise den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, Herrn Oswald, vergessen
({0})
oder die Herren Minister Wiesheu und Beckstein.
Wir haben - das ist in der Kleinen Anfrage auch so
beantwortet worden - ein theoretisches Modell, nach
dem die Straßen mit dem höchsten NKV in den vordringlichen Bedarf aufgenommen werden. Wenn man
das sauber umsetzen würde, Herr Goldmann, würde das
bedeuten, dass man den Deutschen Bundestag nicht
mehr braucht, sondern dass die Gutachter festlegen, welche Straße gebaut wird.
Nun wissen wir aber alle, dass das Nutzen-KostenVerhältnis das eine ist, aber andere Gründe auch eine
Rolle spielen müssen. Es kann beispielsweise sein, dass
eine bestimmte Ortsumgehung nur in Form einer Untertunnelung durchführbar ist, durch die Stadt aber gerade
einmal 35 000 Autos fahren. Man entscheidet sich dann
für die einzig mögliche Lösung, nämlich die Untertunnelung, was bedeutet, dass man ein NKV von 1,2 erhält
und nicht eines von 5,2.
Das heißt, wir haben Planungsstände, die Topographie vor Ort und das NKV berücksichtigt. Wir haben uns
in Einzelgesprächen nicht nur vom Bundeskanzler und
von Ministern, sondern auch von Landräten, Bürgermeistern und Abgeordneten überzeugen lassen. Das gelang nicht immer; die Überzeugung ist zum Beispiel
dann nicht gelungen, wenn ein Oberbürgermeister nur
das Argument hatte, ein Gewerbegebiet anschließen zu
wollen, während wir über den Bundesfernstraßenplan reden. Die Länder haben eigene Vorschläge unterbreitet;
das hat auch etwas mit dem Planungsstand von Straßen
zu tun. Ich glaube, daraus ist ein durchaus ergebnisorientierter Bundesverkehrswegeplan entstanden.
({1})
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ilse Aigner.
Herr Staatssekretär, ich möchte gerne eine Frage zum
Nutzen-Kosten-Verhältnis stellen. Es haben Veranstaltungen stattgefunden, in denen die gewählten Mandatsträger, die bestimmte Projekte befürworten, im Gegensatz zu den Bürgerinitiativen, die dagegen waren, von
Ihrem Hause nicht befragt worden sind. Das hat sich
über das Nutzen-Kosten-Verhältnis hinaus auf die Entscheidung ausgewirkt.
Die entscheidende Frage für mich ist: Könnten sich
noch Änderungen ergeben, wenn sich im Laufe des Auftragsverfahrens Rahmenbedingungen, die die Grundlage für das Nutzen-Kosten-Verhältnis gebildet haben,
verändern? Beispielsweise ist für den Landkreis Miesbach kein Projekt vorgesehen. Was ein konkretes Projekt
in Holzkirchen angeht, so hat sich die örtliche SPD massiv dagegen ausgesprochen. Bestimmte Maßnahmen
- zum Beispiel die Verlegung der Bahnstrecke - sind
nicht in das Projekt einbezogen worden. Ist eventuell
eine Umgestaltung möglich, ohne den örtlichen Einfluss
außer Acht zu lassen?
Zu Ihrem ersten Einwand: Ich glaube, Sie führen
- ohne die Sache beim Namen genannt zu haben - die
B 303 in die Diskussion ein. Ein Kollege von Ihnen hat
in einer Pressemitteilung behauptet, ich habe nur mit
Gegnern des Projekts gesprochen.
({0})
- Ach so. Die Gegner des Projekts waren nämlich die
Einzigen, die einen Fotoapparat mitgebracht hatten. An
dem Tisch saßen auch alle Befürworter dieser Straße. Sie
können versichert sein, dass ich immer zwei Ohren und
zwei Augen offen halte und versuche, alles aufzunehmen.
({1})
Wir übergeben heute die weitere Beratung des Bundesverkehrswegeplans dem Parlament. Das Parlament
hat in seinen Beratungen die Möglichkeit, sich mit der
einen oder anderen Maßnahme zu befassen und zu prüfen, ob es gegebenenfalls sinnvoll ist, den von uns erstellten Bedarfsplan noch im Detail zu ändern. Bei dieser
Gelegenheit kann sicherlich noch das eine oder andere
Argument ausgetauscht werden, das noch nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.
Die nächste Frage hat der Kollege Klaus Brähmig.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, das Kriterium der Erreichbarkeit von Tourismusregionen, die allesamt in strukturschwachen Regionen unseres Landes liegen, stärker als bisher in die Beratungen
des Bundesverkehrswegeplans einzubeziehen?
Dieses Anliegen hat uns auch aus der SPD-Bundestagsfraktion erreicht. Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans erfolgt auch die Planung für das Bundesfernstraßennetz. Dabei müssen viele Gesichtspunkte
berücksichtigt werden. Wenn ein schwerwiegendes Argument dafür spricht, die eine oder andere Region stärker zu berücksichtigen, sind wir selbstverständlich bereit, dies zu prüfen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Alexander
Dobrindt.
Herr Staatssekretär, ich möchte vorausschicken, dass
ich mich zwischenzeitlich viermal schriftlich an Ihr Ministerium gewendet habe. Seit dem ersten Brief sind
schon acht Wochen vergangen. Bisher war es offensichtlich nicht möglich, die Briefe in irgendeiner Form zu beantworten. Ich habe nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten.
({0})
Ich bitte Sie, im Ministerium nachzufragen, ob diese
Briefe noch vorhanden sind und ob man sich ihrer annehmen könnte.
Zur Sache: Beim Bundesverkehrswegeplan sind
Schwerpunkte wie die Beseitigung von Verkehrsengpässen und die Verkehrsentlastung der Städte und Gemeinden - auch der so genannte Lückenschluss wird angeführt - gesetzt worden. Ich wüsste gerne, ob dieses Ziel
nach Ihrer Einschätzung erreicht wird. Hinsichtlich der
Maßnahmen, bei denen das offensichtlich nicht gelungen
ist und die vom vordringlichen Bedarf in den weiteren
Bedarf mit Planungsrecht abgestuft worden sind, frage
ich Sie: Wie schätzen Sie die Möglichkeit einer Realisierung dieser Maßnahmen bis zum Jahre 2015 ein? Ich
verweise in diesem Zusammenhang auf Kollegen aus
dem Deutschen Bundestag, die angekündigt haben:
Wenn die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen,
dann werden auch diese Maßnahmen umgesetzt.
Lassen Sie mich zunächst eine entschuldigende Erklärung zu der Beantwortung von Briefen geben. Ich muss
die Beamten in meinem Hause in Schutz nehmen. Wir
bekommen ohne Übertreibung Hunderte von Briefen.
({0})
Wir versuchen immer, so schnell wie möglich zu antworten. Acht Wochen sind angesichts der Tatsache, dass wir
täglich Hunderte von Briefen erhalten, noch eine verParl. Staatssekretär Achim Großmann
hältnismäßig geringe Wartezeit. Wir sind dabei, alles abzuarbeiten. Viele Kolleginnen und Kollegen, die anwesend sind, wissen, dass ich auch vieles telefonisch
erledigt habe. Ein Griff zum Telefonhörer hätte also ausgereicht. Viele haben das auch getan. Ich glaube, ich bin
vielen von Ihnen keine Antwort schuldig geblieben und
habe innerhalb von wenigen Minuten eine entsprechende
Infonotiz durchgegeben, wenn es mein Terminkalender
zugelassen hat.
Noch einmal zu den Projekten im vordringlichen Bedarf: Die Tatsache, dass wir den Bundesverkehrswegeplan mit einer Planungsreserve aufstellen - sie soll bei
25 bis 30 Prozent liegen; momentan liegt sie bei 29,4
oder 29,5 Prozent -, bedeutet, dass wir nicht alles, was
wir planen, durch den Plafond finanziell unterlegt haben.
Es kann nicht jede Straße gebaut werden, weil zum Beispiel geklagt wird oder weil es ökologische Probleme
gibt. Wir haben deshalb den Topf vergrößert, damit die
Länder flexibel reagieren können.
Hinzu kommt der so genannte weitere Bedarf mit
Stern. Das heißt, dass Straßen baureif gemacht werden
können, die dann, wenn mehr Geld zur Verfügung steht
- darüber würden sich einige sicherlich freuen -, auch
gebaut werden können. Aber weiterer Bedarf bedeutet:
So etwas wird also nur möglich sein - ich verweise auf
§ 6 des Fernstraßenausbaugesetzes -, wenn nachträglich
ein hoher Verkehrsnutzen festgestellt wird, der bei der
Aufstellung des Bedarfsplans nicht berücksichtigt wurde.
Des Weiteren werden wir - das sollte man wissen - den
Bedarfsplan, den wir jetzt aufgestellt haben, alle fünf
Jahre überarbeiten. Wenn sich also das Verkehrsaufkommen in einer Region oder auf einer Straße entscheidend
verändert hat, dann kann korrigierend eingegriffen werden. Wir haben also mehrere Stellschrauben, um sehr
flexibel auf neue Entwicklungen zu reagieren.
Die nächste Frage hat der Kollege Horst Friedrich.
Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass in dem
Zeitraum, der zwischen dem Referentenentwurf und
dem jetzigen Kabinettsentwurf liegt, auch Gespräche mit
den Vertretern der Länder stattgefunden hätten. In dieser
Zeit hat sich zum Beispiel in Bayern die Zahl der Projekte, die im vordringlichen Bedarf sind, im Vergleich
zum Referentenentwurf um 30 erhöht. Ich gehe davon
aus, dass das in anderen Ländern ähnlich gewesen ist. Da
sich die Mittel nicht so erhöht haben, dass man die zusätzlich aufgenommenen Projekte umsetzen kann, gehe
ich davon aus, dass diese Projekte in die Planungsreserve eingehen; denn wenn diese Projekte realisiert werden sollten, dann hätte das zur Konsequenz, dass andere
Projekte ausscheiden müssten. Können Sie mir das bestätigen oder hat sich inzwischen etwas anderes ergeben? Wenn ja, wie hat sich der Finanzrahmen erhöht?
Herr Friedrich, ich weiß nicht, ob Sie von Anfang an
dabei sein konnten. Ich bin zu Beginn meiner Ausführungen darauf eingegangen, dass wir die Planungsreserve erhöht haben, und zwar bei der Straße von 25,1 auf
29,4 Prozent und bei der Schiene von 25,5 auf 33,3 Prozent. Das ist die eine Sache.
Die andere ist - diese Zahlen werden Sie sicherlich
auch interessieren -: Nach den Gesprächen, vor allen
Dingen den bilateralen, die wir mit den Vertretern der
Länder geführt haben - sehr vieles ist ja im Konsens geschehen -, haben wir 133 Vorhaben des weiteren Bedarfs mit einem Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden
Euro in den vordringlichen Bedarf hochgestuft. Wir haben des Weiteren 52 Vorhaben des vordringlichen Bedarfs mit einem Investitionsvolumen von etwa
1 Milliarde Euro in den weiteren Bedarf herabgestuft.
Dies ging zu 100 Prozent auf Vorschläge der Länder zurück. Die Ländervertreter haben zum Beispiel gesagt:
Wir bieten als Kompensation an, dieses oder jenes Straßenprojekt in den weiteren Bedarf aufzunehmen, weil
der Planungsstand noch nicht so ist, dass wir es bis 2015
realisieren können, weil es noch keinen Konsens in der
Regierung gibt oder weil die ökologischen Probleme so
groß sind, dass sie wahrscheinlich nicht bis 2015 gelöst
werden können.
Wir haben zwar die Planungsreserve leicht erhöht.
Wir haben aber auch einen reellen Tausch vorgenommen, sodass ein Teil der neu aufgenommenen Projekte
nicht nur aus der Erhöhung der Planungsreserve resultiert.
Ich lasse jetzt die letzte Frage zu diesem Themenbereich zu. Das Fragerecht hat der Kollege Henry
Nitzsche.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen der teilungsbedingte
Nachholbedarf in den neuen Bundesländern im Bereich
der Verkehrsinfrastruktur bekannt? Sind Ihnen die aufgrund der EU-Osterweiterung zu erwartenden Verkehrsströme bekannt? Ist Ihnen auch die Olympiabewerbung
Leipzigs bekannt? Wenn ja, warum haben diese drei
Fakten keinen Niederschlag im Bundesverkehrswegeplan gefunden?
Herr Nitzsche, seien Sie mir nicht böse, wenn ich
diese Frage - ({0})
- Auf die Fakten warte ich noch heute. Ich habe mit
mehreren Kolleginnen und Kollegen von Ihnen gesprochen. Ich habe sie gefragt: Welches Projekt im Rahmen
der EU-Osterweiterung fehlt aus eurer Sicht noch?
({1})
- Herr Nitzsche, es ist kein Projekt genannt worden. Das
Projekt B 93 ist enthalten. Die B 93 endet an der Grenze
zu Tschechien. Wir wissen noch nicht einmal, ob die
Tschechen diese Straße weiterführen. Diese Überlegungen stehen erst am Anfang. Wenn sie in einem halben
Jahr ausgereift sind, dann wird dieses Projekt vielleicht
in den weiteren Bedarf mit Stern aufgenommen. Sie sind
zu Unrecht unruhig.
Als ich darum gebeten habe, uns Projekte zu nennen,
die im Bundesverkehrswegeplan nicht enthalten sind,
wurde kein Projekt genannt.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Jetzt möchte noch der Kollege Klaus Hofbauer eine
Frage zu einem anderen Themenbereich der heutigen
Kabinettssitzung stellen. Bitte schön.
Ich möchte eine Frage an die Bundesregierung stellen. Ist in der heutigen Sitzung des Kabinetts auch über
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ beraten worden? Wenn ja,
mit welchem Ergebnis? Ganz konkret: Mir ist gesagt
worden, dass man im Kabinett heute entschieden hat, die
GA West auslaufen zu lassen bzw. in Gänze abzuschaffen.
Bitte schön.
Herr Kollege, das war kein eigenständiges Thema der
heutigen Kabinettsberatung. Es war aber im Zusammenhang mit dem Haushalt 2004 in der Tat Gegenstand der
Beratung.
({0})
- Mit dem Ergebnis, das Sie beschrieben haben.
({1})
Bitte schön, einmal noch.
Herr Staatsminister, es ist schon bemerkenswert, dass
Sie einfach den Beschluss gefasst haben, eine zentrale,
im Grundgesetz verankerte Strukturmaßnahme der letzten dreißig Jahre sowohl für West- als auch für Ostdeutschland - ich sehe Strukturpolitik als ganzheitliche
Aufgabe in unserer Republik an - ohne jegliche Vorankündigung, ohne jegliche Diskussion fast über Nacht zu
beenden.
Wenn meine Informationen stimmen, dann soll es dafür ab sofort keine Gelder mehr geben. Das heißt, dass
Unternehmen, die investieren möchten, über Nacht keine
Strukturförderung mehr erhalten. Ich halte das - ich
möchte das hier einmal so deutlich ansprechen - für einen unglaublichen Vorgang, weil hier Politik auf Kosten
der strukturschwachen Gebiete gemacht wird.
({0})
Herr Staatsminister Schwanitz, bitte.
Dass ab sofort kein Geld zur Verfügung steht, kann
ich nicht bestätigen. Sie wissen, dass eine Gemeinschaftsaufgabe immer einen Vorlauf hat und dass die
Bewilligungen, die bis Ende 2003 gewährt werden,
selbstverständlich mit einer entsprechenden Rechtsverpflichtung verbunden sind. Ich denke, dass das nicht
infrage stehen wird.
Ich habe für Ihre Frage und für die Betroffenheit in
den Regionen natürlich Verständnis. Im Zuge der Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag wird über
diese Fragen sowie über andere Fragen, die im Zusammenhang mit den nicht einfachen Haushaltsentscheidungen des Deutschen Bundestages in den nächsten Wochen
und Monaten stehen, zu reden sein.
Vielen Dank.
Nun möchte der Kollege Dirk Niebel eine Frage stellen, die nicht den Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung betrifft.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Frage bezieht
sich auf ein geplantes Langzeitarbeitslosenprogramm.
Ausweislich einer dpa-Meldung von heute Morgen, die
sich auf einen Bericht der „Financial Times Deutschland“
bezieht, hat das Kabinett heute über ein zusätzliches Sonderprogramm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, das von der Tagesordnung der Kabinettssitzungen
wegen unklarer Finanzierung schon zweimal abgesetzt
worden ist, beraten. Auch vor dem Hintergrund, dass der
Bundesrechnungshof in seinem Prüfbericht festgestellt
hat, 87 Millionen Euro pro Jahr würden in solchen Programmen verschwendet, möchte ich gern wissen, ob sich
das Kabinett heute mit diesem Programm beschäftigt hat
und, wenn ja, wie die Finanzierung aussehen soll.
In der dpa-Meldung werden der stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Frau Dückert, unterschiedliche Zahlen zugeschrieben. Im ersten Absatz
heißt es, dass das gesamte Programm den Bund
800 Millionen Euro kosten soll und bis Ende 2003 befristet ist. Im zweiten Absatz heißt es, dass das Programm den Bund in diesem Jahr 130 Millionen Euro
kosten soll und dass dafür im nächsten Jahr
600 Millionen vorgesehen sind, die dann allerdings von
der Bundesanstalt für Arbeit und den Kommunen zu fiDirk Niebel
nanzieren sind. Mich interessiert daher: Wie ist es denn
nun?
Herr Kollege Niebel, ich will zunächst vorausschicken: Der Zusammenhang zwischen dem, was Sie
als Feststellung des Bundesrechnungshofs wiedergegeben haben, und dem, was wir beraten haben, ist so nicht
herzustellen.
Wir haben heute im Kabinett im Zusammenhang mit
den Beratungen zum Bundeshaushalt 2004 in der Tat
auch über dieses Programm entschieden. Es ist Bestandteil des Bundeshaushalts 2004. Ich kann Ihnen die Zahlen
jetzt nicht punktgenau sagen. Es ist beabsichtigt, dieses
Programm, das wir für äußerst wichtig halten - Sie wissen das -, nicht nur zur Unterstützung und vor allem zur
Förderung der Betroffenen sowie zur Bekämpfung von
Langzeitarbeitslosigkeit, sondern auch zum Erhalt der dafür notwendigen Strukturen im September dieses Jahres
zu starten. Nach meiner Erinnerung ist für dieses Jahr ein
Gesamtbetrag von 65 Millionen Euro vorgesehen und ist
ein Anschlussbetrag von über 600 Millionen Euro - wenn
ich mich richtig erinnere: 625 Millionen Euro - in 2004
vorgesehen. Es wird außerdem einen Übergang in das
dann folgende Jahr geben. Aber auch das - da bitte ich um
Verständnis - wird wahrscheinlich Gegenstand der Beratungen zum Haushalt sein.
({0})
Bitte, eine Nachfrage.
Herr Staatsminister, ist es richtig, dass in der Folge
die Kosten dieses Sonderprogramms faktisch als Vorgriff
auf die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf die Kommunen übergeleitet werden sollen?
Ich frage das vor allem vor dem Hintergrund, dass die
Bundesregierung diese gemeinsame neue Leistung offenkundig durch die Bundesanstalt verwalten lassen
will.
Das kann ich nicht bestätigen, Herr Kollege. Sie wissen, dass wir mit der anstehenden Reform von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gerade Entlastungen für die
Kommunen organisieren wollen. Insofern stellt sich aus
meiner Sicht dieser Zusammenhang so nicht dar.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Schwanitz.
Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksache 15/1264 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 des Kollegen Bernhard SchulteDrüggelte auf:
Treffen Meldungen zu - vergleiche Agra-Europe vom
10. Juni 2003 -, dass zur Finanzierung der vom Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, verlangten Einsparung der Zuschuss zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung herangezogen werden soll?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege SchulteDrüggelte! Vor dem Hintergrund geringerer Steuereinnahmen und einer geänderten Prioritätensetzung bei der
Aufstellung des Bundeshaushalts 2004 zugunsten wichtiger Zukunftsaufgaben kommt es in einigen Bereichen
zu Kürzungen der Haushaltsansätze.
Wegen des hohen Anteils der Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialversicherung an den Gesamtausgaben des Einzelplans 10 - es sind rund 72 Prozent - müssen auch in diesem Bereich Einschnitte vorgenommen
werden. Meldungen, nach denen auch der Zuschuss zur
landwirtschaftlichen Krankenversicherung für Einsparungen herangezogen werden soll, sind zutreffend.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie etwas über den Umfang der Senkung des Zuschusses sagen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
In diesem Bereich sollen gut 200 Millionen Euro eingespart werden.
Zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Können Sie Auskunft darüber geben, ob dann der
AOK-Vergleichsbeitrag erreicht oder zum Teil auch
überschritten wird?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Das hängt von der konkreten Umsetzung ab. Wie Sie
wissen, gilt zurzeit ein Wert von 90 Prozent des AOKVergleichsbeitrages. Wenn im Gesetzgebungsverfahren
daran festgehalten wird, ergeben sich bei den anderen
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
Beitragssätzen sozusagen spiegelbildlich entsprechend
höhere Zahlungen.
Eine weitere Frage des Kollegen Albert Deß.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Berechnungen der
landwirtschaftlichen Krankenkassen bekannt, dass es zu
Beitragssteigerungen von bis zu 40 Prozent bei der
Krankenversicherung kommen kann? Können Sie sich
vorstellen, dass die Landwirte ein solches Anwachsen
der finanziellen Belastungen verkraften können?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Solche Berechnungen sind uns bekannt. Ob tatsächlich am Ende Belastungen in dieser Höhe eintreten, wird
davon abhängen, welche Änderungen am Gesetz über
die Krankenversicherung der Landwirte vorgenommen
werden. Sie werden in der genannten Höhe nur dann eintreten, wenn die Einsparungen unter Beibehaltung der
derzeit geltenden Rechtsgrundlage vorgenommen werden.
Wir kommen damit zur Frage 2 des Kollegen SchulteDrüggelte:
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, welche Auswirkungen eine mögliche Beitragserhöhung für die
aktiven Landwirte als Pflichtversicherte der landwirtschaftlichen Krankenversicherung haben könnte, wenn der Bundeszuschuss zurückgefahren werden sollte?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege, um die Kürzungen der Bundeszuschüsse im Bereich der landwirtschaftlichen Krankenversicherung aufzufangen, werden die Selbstverwaltungen Beitragserhöhungen vornehmen müssen. Die
Auswirkungen hängen im Einzelnen von der Ausgestaltung der erforderlichen gesetzlichen Regelungen wie
auch von der Umsetzung durch die Selbstverwaltungen
der einzelnen landwirtschaftlichen Krankenkassen ab.
Ziel muss es sein, die für die Versicherten unausweichlichen Beitragserhöhungen möglichst sozial ausgewogen
auszugestalten.
Erste Zusatzfrage.
Wie beurteilen Sie, wenn diese starken Beitragssteigerungen, die ja gerade schon konkret benannt wurden,
kommen, die Zukunft des Pflichtversicherungssystems
für Landwirte?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Wir werden als Erstes, Herr Kollege, in intensive Diskussionen und Beratungen eintreten, wie das Zweite Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte zu ändern ist, um am Ende, wie bereits beschrieben, zu einer
einigermaßen sozial ausgewogenen Beitragsbelastung zu
kommen. Wir werden dabei auch zu schauen haben, welche Beitragssätze zur gleichen Zeit in den anderen Versicherungen gelten.
Zweite Zusatzfrage.
Wie beurteilen Sie denn die Auswirkungen auf den
Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen,
bei dem es dadurch ja eventuell zu Änderungen kommen
könnte?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Auch das ist ein Punkt, der bei den Beratungen mit zu
berücksichtigen sein wird.
Eine weitere Frage des Kollegen Albert Deß.
Herr Staatssekretär, in Anlehnung an meine erste
Frage möchte ich doch noch einmal nachfragen: Kennen
Sie eine andere Berufsgruppe, die im Rahmen der sozialen Einschnitte, die aufgrund der nötigen Einsparungen
entstehen, in ähnlicher Höhe belastet wird, wie es bei
den Landwirten anscheinend geplant ist? Sehen Sie nicht
auch die Gefahr, dass damit das ganze landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem infrage gestellt wird?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, die Auswirkungen auf das gesamte
landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem sind
selbstverständlich bei der Umsetzung der Haushaltsbeschlüsse abzuwägen.
Zum ersten Teil Ihrer Frage ist zu sagen, dass natürlich bei der konkreten Umsetzung des Gesetzes auch zu
berücksichtigen sein wird, in welchem Umfang die
Landwirtschaft von Subventionen profitiert. Insgesamt
sind es rund 14 Milliarden Euro, Gelder, die sowohl aus
Brüssel als auch aus dem Bundeshaushalt und den Länderhaushalten kommen. Diese Zahlungen sind natürlich
in die Betrachtungen einzubeziehen und bei der konkreten Entscheidung zu berücksichtigen.
Eine weitere Frage des Kollegen Max Straubinger.
Herr Staatssekretär, sind abgesehen von den Krankenversicherungen noch bei weiteren landwirtschaftlichen
Sozialversicherungen Einsparungen vonseiten der Bundesregierung vorgesehen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Nein, solche Einsparungen sind nicht vorgesehen. Die
niedrigeren Haushaltsansätze beziehen sich ausschließlich auf den Zuschuss zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung. Die Zuschüsse im Bundeshaushalt von
rund 250 Millionen zu den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und von etwa 2,3 bis 2,4 Milliarden
Euro - diese Zahl habe ich jetzt nicht genau im Kopf zu den landwirtschaftlichen Alterskassen bleiben wie in
den Vorjahren bestehen bzw. steigen wegen des Strukturwandels - das gilt für die landwirtschaftlichen Alterskassen - weiter.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Abweichend von der Drucksache steht zur Beantwortung Staatsministerin Kerstin Müller aus dem
Auswärtigen Amt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Gesine Lötzsch auf:
Was hat die Bundesregierung im Rahmen der Arbeiten des
europäischen Konvents konkret unternommen, um die „Sonderstellung des Euratom-Vertrages ({0}) im Rahmen der nächsten Reform des EU-Vertragswerkes“ zu beenden, und welche Schritte wird die
Bundesregierung unternehmen, um das Thema Euratom auf
die Tagesordnung der nächsten Regierungskonferenz zu setzen?
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Arbeiten des europäischen Konvents dafür
eingesetzt, dass der Euratom-Vertrag grundlegend überarbeitet wird. Aufgrund der fortbestehenden unterschiedlichen Auffassungen unter den Mitgliedstaaten
und Beitrittsländern bezüglich der Frage der friedlichen
Nutzung der Kernenergie konnte jedoch kein Konsens
über eine inhaltliche Änderung des Vertrages erzielt werden. Es ist aber erreicht worden, dass der EuratomVertrag nicht Teil der Verfassung wird. Das heißt, nach
den derzeitigen Entwürfen des Präsidiums bleibt der
Euratom-Vertrag als eigenständiger Vertrag bestehen.
Damit ist die Möglichkeit eröffnet, zu einem späteren
Zeitpunkt eine inhaltliche Überprüfung anzustreben. In
diesem Rahmen wird sich die Bundesregierung darum
bemühen, ihre Position durchzusetzen.
Zusatzfrage, Frau Lötzsch?
Frau Staatsministerin, nun haben sich ja etliche der
Gründerstaaten der EG, die diesem Vertrag damals ihre
Zustimmung gegeben haben, für einen Ausstieg aus der
Nutzung der Kernenergie entschieden, zum Beispiel Belgien und nicht zuletzt Deutschland. Wie sehen Sie die
Chancen, dass dieser Vertrag dahin gehend geändert
werden kann, dass er nach einer bestimmten Zeit ausläuft, und, falls Sie diese Chance sehen, welche Erfolgsvorstellungen haben Sie in Bezug auf den Zeithorizont,
was das Auslaufen dieses Vertrages angeht?
Das steht leider nicht zur Debatte. Ich glaube, mit
Belgien und Deutschland ist die Aufzählung auch schon
beendet. Ein weiteres Land fällt mir jedenfalls nicht ein.
Ich kann mich da nur wiederholen: Zur Änderung
oder gar Abschaffung des Euratom-Vertrages bedarf es
eines Konsenses aller Vertragsstaaten. Unsere Position
ist klar: Wie wollten eine Änderung und wir wollen
langfristig eine Abschaffung des Euratom-Vertrages. Da
wir erreicht haben, dass dieser Vertrag eigenständig
bleibt, können wir auf dieser Basis weiterarbeiten und
dazu zum Beispiel längerfristig die Einberufung einer
Konferenz der Vertreter der Mitgliedstaaten anstreben.
Über ein Auslaufen des Vertrages gab es aber keinen
Konsens; deshalb ist das auch nicht vereinbart worden.
Weitere Zusatzfrage?
Noch etwas konkreter nachgefragt: Sie haben einige
Schritte beschrieben, die sich die Bundesregierung vorstellen kann. Welche konkreten Schritte haben Sie unternommen und welchen Zeithorizont sehen Sie, um zum
Beispiel die von Ihnen eben beschriebene Konferenz
einzuberufen und das Ziel, das sich die Bundesrepublik
gestellt hat, nämlich den Ausstieg aus der Kernenergie,
zu erreichen?
Zunächst zu dem, was wir gemacht haben. Bekanntermaßen haben wir eine substanzielle Änderung des
Euratom-Vertrag angestrebt. Bundesminister Fischer hat
sich dafür im Konventsprozess eingesetzt.
Zum Zeithorizont bezüglich einer möglichen Konferenz kann man zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Wir
bleiben jedenfalls bei unserer Position; das heißt, wir
werden entsprechend den Beschlüssen Schritt für Schritt
aus der Kernenergie aussteigen und auf europäischer
Ebene weiter dafür werben, dass der Euratom-Vertrag,
geändert wird. Mehr kann man zum jetzigen Zeitpunkt
leider nicht sagen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Die Frage 4 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung soll schriftlich beantwortet werden. Das Gleiche gilt für die Frage 5 zu dem
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes und für die
Fragen 6 und 7 zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rezzo
Schlauch zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Helge Braun:
Welche nationalen Programme zur Förderung von Verbundprojekten gibt es, bei denen marktnahe Innovationen
durch das Zusammenwirken sowohl von Beteiligten aus der
Wirtschaft miteinander als auch mit der Wissenschaft entwickelt werden, und werden in diesen Programmen Projekte mit
europäischen Partnern genauso gefördert wie mit nationalen
Verbänden?
Herr Kollege Braun, das Programm „Innovationskompetenz mittelständischer Unternehmen“ - abgekürzt:
PRO INNO - des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Arbeit fördert solche marktnahen Verbundprojekte
in Form von gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowohl zwischen kleinen und mittleren
Unternehmen als auch zwischen KMUs und Forschungseinrichtungen. Dabei werden gemeinsame transnationale
Projekte deutscher KMUs mit ausländischen Unternehmen oder Forschungseinrichtungen - übrigens auch außerhalb Europas - genauso gefördert wie nationale Kooperationsprojekte. Jedoch erhält der ausländische Partner
keine Zuwendung aus dem Bundeshaushalt.
Verbundprojekte der industriellen Forschung zwischen Forschungseinrichtungen und KMUs werden auch
mit dem BMWA-Programm Inno-Net gefördert. Die Zuwendungen gehen hierbei ausschließlich an Forschungseinrichtungen. Ausländische Partner sind hier nicht beteiligt.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
fördert im Rahmen des so genannten „Inno-Regio-Prozesses für die neuen Länder“ mit drei Maßnahmen die
Entstehung von innovativen regionalen Bündnissen zwischen Wirtschaft, überwiegend kleinen und mittleren
Unternehmen, und Wissenschaft, also Hochschulen und
Forschungseinrichtungen. Bei diesen drei Maßnahmen
handelt es sich um die Programme „Inno-Regio“ und
„Innovative regionale Wachstumskerne“ sowie um die
Initiative „Interregionale Allianzen für die Märkte von
morgen“.
Voraussetzung einer Förderung bei allen drei Maßnahmen ist, dass Innovationen im Mittelpunkt stehen,
die kurz- oder mittelfristig am Markt Erfolg haben können. Soweit dabei Forschungs- und Entwicklungsprojekte gefördert werden - das sind die Programme „InnoRegio“ und „Wachstumskerne“ -, darf aber unter Rücksichtnahme auf das EU-Beihilferecht die Grenze der vorwettbewerblichen Entwicklung nicht überschritten werden.
Die Förderung von europäischen Projektpartnern der
geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte ist
nicht möglich, da nur Antragsteller aus den neuen Ländern antragsberechtigt sind. Dennoch kooperieren einzelne geförderte Bündnisse eng mit europäischen Partnern.
Zusatzfrage, Kollege Braun.
Herr Staatssekretär, wie erklärt sich die Bundesregierung die zurückhaltende Beteiligung deutscher Unternehmen und deutscher Wissenschaftsorganisationen an
den EUREKA-Projekten, die genau diese Zielsetzung
haben? Gilt das, was Sie eingangs für die Förderprogramme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit gesagt haben, auch für die Förderprogramme des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung? Die
Frage war also nicht, ob Unternehmen im Ausland eine
Förderung erhalten, sondern ob auch deutsche Unternehmen, die in einem Verbundprojekt nur ausländische Partner haben, ein Anrecht auf Förderung haben.
Ich habe keine Erkenntnisse darüber, dass es im Rahmen der von mir genannten Projekte eine Zurückhaltung
bei der Wirtschaft gibt. Ganz im Gegenteil: Mir ist von
zahlreichen Veranstaltungen bekannt, dass diese Förderprogramme sehr stark nachgefragt werden. Insofern verstehe ich nicht - das ist für mich nicht nachvollziehbar -,
wie Sie zu diesem Ergebnis kommen. Vielleicht könnten
Sie mir Ihre Erkenntnisse über eine Zurückhaltung mitteilen. Mir ist, wie gesagt, nur bekannt, dass diese Förderprogramme sehr stark nachgefragt werden.
Klar ist auch, dass nur bei den anfangs genannten Förderprogrammen auch eine Förderung ausländischer Partner möglich ist. In anderen Programmen ist die Förderung ausländischer Partner aufgrund der Richtlinien, die
bei solchen Programmen immer mit verabschiedet werden, ausgeschlossen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Braun? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich werde die Frage, um die es
mir eigentlich geht, präzise stellen: Erhalten deutsche
Unternehmen, die ein Verbundprojekt mit ausländischen
Partnern durchführen, genauso eine Förderung wie deutsche Unternehmen, die mit deutschen Partnern in einem
Verbundprojekt sind? Gilt dies auch für die von Ihnen erHelge Braun
wähnten Programme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung?
Da ich nicht so nah an den Programmen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung dran bin, kann
ich dies nicht mit letzter Sicherheit sagen. In diesem Fall
jedenfalls - das kann ich wiederholen - werden Förderungen nur dann gewährt, wenn Deutsche mit deutschen
Firmen kooperieren, nicht aber dann, wenn sie mit ausländischen Firmen zusammenarbeiten. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, kam dies in der von mir vorgelesenen Antwort sehr klar zum Ausdruck.
Wir kommen zur Frage 9 der Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch:
Trifft es zu, dass der Parlamentarische Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Ditmar Staffelt
am 20. Januar 2000, damals Fraktionsvorsitzender der SPD
im Berliner Abgeordnetenhaus, als Aufsichtsratsmitglied der
Landesbank Berlin, LBB, einer Vorlage, in der die Übernahme von Bußgeldern in Höhe von 400 000 DM, die gegen
Vorstandsmitglieder wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
verhängt wurden, durch die Bank empfohlen wurde, zugestimmt hat - „Berliner Zeitung“ vom 20. Juni 2003 -, und
wenn ja, ist die Bundesregierung der Meinung, dass ein
Staatssekretär, der Bankvorstände, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben, mit Steuergeldern von Bußgeldern
befreit, geeignet ist, den bundesdeutschen Steuerbürger zu
mehr Steuerehrlichkeit zu bewegen?
Frau Kollegin Lötzsch, der im ersten Teil Ihrer Frage
erwähnte Beschluss des Aufsichtsrates der Landesbank
Berlin, LBB, fällt nicht in den Verantwortungsbereich
der Bundesregierung.
Die Bundesregierung sieht im Übrigen keinen Zusammenhang zwischen der Zahlung von Bußgeldern aus
Mitteln der LBB und dem Bemühen um mehr Steuerehrlichkeit, der im zweiten Teil der Frage hergestellt ist.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär Schlauch, dass es nicht in Ihre
Kompetenz fällt, im Aufsichtsrat der Landesbank Beschlüsse zu fassen, ist mir natürlich bewusst. Ich hatte
bereits am 8. Dezember nach der fachlichen Kompetenz
des Staatssekretärs Staffelt im Zusammenhang mit der
Landesbank gefragt; die Antwort war ähnlich ausweichend.
Daher frage ich nach, ob Ihnen bekannt ist und vielleicht auch von der Bundesregierung diskutiert wurde,
dass sich der Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus, der sich mit der Aufklärung der Bankenaffäre befasst, sehr verärgert darüber war - er hat dieser Verärgerung auch in einer Pressekonferenz öffentlich
Ausdruck gegeben -, dass ausgerechnet Staatssekretär
Dr. Staffelt die Aufklärungsarbeit des Ausschusses behindert hat, indem er nicht bereit war, entsprechende
Fragen zu beantworten.
Mir sind Vorgänge in Untersuchungsausschüssen des
Landes Berlin nicht bekannt; ich habe sie auch nicht zu
bewerten.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Schlauch, bei der Beantwortung
meiner Frage vom 8. Dezember durch Herrn Staatssekretär Andres hat die Bundesregierung den Eindruck erweckt, dass sie sich mit den fachlichen Kompetenzen ihrer Staatssekretäre befasst; ich denke, das ist auch völlig
richtig so. Natürlich sollte dies die Frage einschließen,
ob sie politische Aufklärungsarbeit in Angelegenheiten,
die letztlich auch den Bundeshaushalt betreffen, unterstützen will. In ihrer Antwort vom 8. Dezember hat die
Bundesregierung ausgeführt, Herr Staatssekretär Staffelt
habe nur politische Verantwortung für die Konstruktion
der Bankgesellschaft übernommen, aber keinerlei Einfluss auf die fachliche Kontrolle gehabt. Daher frage ich,
ob nicht die Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat aus
Sicht der Bundesregierung auch etwas mit fachlicher
Kontrolle zu tun hat.
Ich wiederhole, dass die Bundesregierung die Vorgänge in einem Untersuchungsausschuss auf Landesebene und damit zusammenhängende Fragen weder im
Einzelnen verfolgt noch bewertet. Im Übrigen kommt es
dann, wenn Organe von Institutionen für ihr Verhalten
zu haften haben, meistens zu einer so genannten Organhaftung, mit der keine persönliche Haftung verbunden
ist. Insofern ist das Verfahren in diesem Fall nicht unüblich.
({0})
Eine weitere Frage stellt der Kollege Jürgen
Koppelin.
Herr Staatssekretär, wenn ein Mitglied des Deutschen
Bundestages eine Frage stellt, die - wie das bei der
Frage der Kollegin der Fall ist - einen Staatssekretär betrifft, wird dann in Ihrem Hause darüber diskutiert, wie
man diese Frage beantwortet? In diesem Zusammenhang
möchte ich wissen, ob Sie mit dem in der Frage genann4550
ten Staatssekretär über die Angelegenheit gesprochen
haben, um sich selbst zu informieren.
Ich habe mich sowohl mit denjenigen aus dem Haus,
die mit der Beantwortung der Frage befasst sind, als
auch mit dem Kollegen Staatssekretär diesbezüglich besprochen; wobei ich mich in tieferem Maße zur Beantwortung der Frage mit dem Sachbearbeiter auseinander
gesetzt habe.
({0})
Die Frage 10 der Abgeordneten Gudrun Kopp sowie
die Frage 11 des Abgeordneten Max Straubinger sollen
schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg
Wagner zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 12 des Kollegen Günther
Friedrich Nolting auf:
Welche rechtliche und politische Grundlage gibt es für den
Abzug der im Rahmen von Enduring Freedom in Kuwait stationierten ABC-Kräfte der Bundeswehr?
Herr Kollege Nolting, ein Verbleib deutscher ABCAbwehrkräfte in Kuwait ist nach Auflösung der im Rahmen der Operation Enduring Freedom übergeordneten
Combined Joint Taskforce zum 30. Mai 2003 nicht mehr
erforderlich. Die zuletzt noch vor Ort befindlichen Soldatinnen und Soldaten sind gestern Abend in die Heimat
zurückgekehrt.
Zusatzfrage, Kollege Nolting.
Herr Staatssekretär, trifft es nicht zu, dass der ursprüngliche Anlass, die Soldaten dort zu stationieren, die
Terrorismusbekämpfung gewesen ist - ich fasse das jetzt
einmal darunter -, und ist diese Bedrohung jetzt entfallen?
Ja, zumindest ist die Bedrohung, die vom Irak ausgegangen ist, entfallen und damit auch der Grund der dortigen Stationierung unserer Soldatinnen und Soldaten.
Zweite Zusatzfrage.
Erinnere ich mich richtig, dass vonseiten der Bundesregierung immer betont wurde, dass diese Soldaten nicht
wegen des seinerzeit anstehenden Irakkrieges dort stationiert wurden, und hat sich diese Meinung der Bundesregierung jetzt geändert?
Nein, Sie erinnern sich genau richtig. Es waren terroristische Angriffe seitens des Iraks zu erwarten und nach
Lage der Dinge ist diese Gefahr jetzt entfallen.
({0})
Wir kommen dann zur Frage 13:
Wann ist mit dem Entwicklungsabschluss der Drohne Taifun für die Bundeswehr zu rechnen und wann ist mit deren
Zulauf in die Truppe zu rechnen?
Herr Kollege Nolting, aufgrund massiver technischer
Probleme im Verlauf der Entwicklung des Vorhabens
„Kampfdrohne Heer - Taifun“, die zu einer 24-monatigen Programmverzögerung führten, sowie erheblicher
Kostensteigerungen hinsichtlich der Beschaffung wird
zurzeit mit dem Unternehmen über die einvernehmliche
Beendigung des Vertrages verhandelt. Da die Forderung
des Bedarfsträgers nach abstandsfähiger, präziser Waffenwirkung in der Tiefe unverändert besteht, werden in
einem neu abzuschließenden risikogeminderten Forschungs- und Technologievertrag neue technische Ansätze für die Fortführung des Vorhabens untersucht.
Diese Untersuchung läuft zurzeit.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat überdies die Berichterstatter zum Einzelplan 14 bereits mehrfach ausführlich über den Stand des Vorhabens und die
beabsichtigte weitere Vorgehensweise informiert, zuletzt
noch letzte Woche.
Erste Zusatzfrage, Kollege Nolting.
Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, ob es
schon eine Zeitschiene gibt, sodass abschätzbar ist, wann
mit dem Zulauf zu rechnen ist, und - ich füge die zweite
Zusatzfrage gleich an - sind schon entsprechende Ver-
träge abgeschlossen worden oder in Vorbereitung?
Die Verträge zur Weiterführung der Maßnahme mit
geänderten Anforderungen sind in Vorbereitung. Ein Ab-
schluss könnte nach Aussagen, die uns gegenüber auch
von der Firma gemacht worden sind, noch in diesem
Monat erfolgen.
Wir kommen zur Frage 14 der Kollegin Ina Lenke:
Wie plant die Bundesregierung, die durch die Verabschie-
dung des Kriegsdienstverweigerungs-Neuregelungsgesetzes
mögliche Kosteneinsparung in Höhe von 2,4 Millionen Euro,
bei 66 nicht mehr benötigten Planstellen im Bereich des
Bundesministeriums der Verteidigung, konkret herbeizu-
führen?1)
Frau Kollegin Lenke, als Folge der Neuregelung des
Rechts der Kriegsdienstverweigerung wird die territoriale Wehrverwaltung um die in den Ausschüssen und
Kammern für Kriegsdienstverweigerung anfallenden
Aufgaben entlastet. Zur Abdeckung dieser Aufgaben
wurden bislang 66 zivile Haushaltsstellen im Stellenplan
des Verteidigungshaushaltes in Anspruch genommen,
was jährlichen Ausgaben von circa 2,4 Millionen Euro
entspricht.
Das Bundesverteidigungsministerium ist in gleicher
Weise wie alle übrigen Bundesressorts verpflichtet, die
gesetzliche Einsparauflage von derzeit 1,5 Prozent durch
Reduzierung des Haushaltsstellenbestandes zu erfüllen.
Tatsächlich leistet das Bundesverteidigungsministerium
jedoch bereits seit mehreren Jahren eine weitaus höhere
jährliche Einsparung des zivilen Stellenbestandes. In der
Ausplanung für die kommenden Jahre sind unter anderem auch die für die KDV-Angelegenheiten nicht mehr
benötigten Haushaltsstellen berücksichtigt.
Ein Nachvollzug der Verlagerung der KDV-Aufgaben
in den Stellenplänen des Bundesverteidigungsministeriums und des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ist nicht möglich.
Frau Lenke, eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie doch bitten, etwas
konkreter zu werden. Wie plant die Bundesregierung die
durch die Verabschiedung des Kriegsdienstverweige-
rungs-Neuregelungsgesetzes möglichen Kosteneinspa-
rungen konkret herbeizuführen?
Die Stellen sind im allgemeinen Stellenpool enthal-
ten. Man kann also nicht festmachen, wo die Einsparun-
gen wirklich vorgenommen werden. Bezüglich der wei-
teren Finanzierung erhöhten Vollzugsaufwandes ist
Einvernehmen zwischen dem Bundesfinanzminister, un-
serem Hause und dem betroffenen Ministerium erzielt
1) siehe hierzu auch Frage 18
worden, dass die Kosten in diesem Jahr aus dem
Einzelplan 14 erstattet werden und ab dem nächsten Jahr
in den dafür zuständigen Einzelplan des Haushalts 2005
aufgenommen werden.
Weitere Zusatzfrage? - Nein. Ihre zweite Frage, Frau
Kollegin Lenke, wird unter einem anderen Geschäftsbereich beantwortet.
Wir kommen jetzt zur Frage 15 der Kollegin Petra
Pau; diese Frage soll - abweichend von der Drucksache vom Parlamentarischen Staatssekretär Rezzo Schlauch
beantwortet werden:
Trifft es zu, dass die Bundesrepublik Deutschland auch
unter der gegenwärtigen Bundesregierung eine Ratifizierung
der ILO/IAO-Konvention Nr. 169 von 1989 und damit den
Beitritt Deutschlands zu diesem bisher einzigen internationalen Vertragswerk zum umfassenden Schutz der indigenen
Völker nicht realisiert hat und damit einer wichtigen Verpflichtung der langfristigen Krisenprävention nicht nachkommt, und trifft es weiterhin zu, dass ein Beitritt unter Hinweis auf das im Rahmen der NATO mit Kanada bestehende
Abkommen über Ausbildungsflüge bundesdeutscher Flugstaffeln über Kanada und die dadurch berührten Lebensräume
von Menschen, die zu den betroffenen indigenen Völkern gehören, nach wie vor verhindert wird?
Frau Kollegin Pau, die Bundesregierung hat die Prüfung der Ratifizierbarkeit des Übereinkommens Nr. 169
der Internationalen Arbeitsorganisation über eingeborene und in Stämmen lebende Völker bisher nicht abgeschlossen. Die Prüfung durch die betroffenen Ressorts
konnte deshalb noch nicht abschließend vorgenommen
werden, weil von insgesamt drei an das Internationale
Arbeitsamt gerichteten Interpretationsanfragen betreffend das Überkommen Nr. 169 eine noch nicht beantwortet wurde.
Sollte die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 169
zur Folge haben, dass bundesdeutsche Ausbildungsflüge
aufgrund des Abkommens mit Kanada nicht mehr durchgeführt werden können, könnte sich dieser Umstand als
Ratifikationshindernis erweisen. Ein Zusammenhang
zwischen einer etwaigen Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 169 und der langfristigen Krisenprävention ist
für die Bundesregierung nicht erkennbar.
Zusatzfrage, Frau Pau.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, in der weiteren Ausgestaltung ihrer Verhandlungen
über die Beziehungen der EU mit den Mercosur-Staaten
eine Veränderung ihrer bisherigen Position vorzunehmen
und zum Beispiel gemeinsame Initiativen mit Brasilien
zum Beitritt beider Länder zu dieser Konvention zu unternehmen?
Eine solche Absicht ist mir nicht bekannt. Ich bin aber
gern bereit, nachzufragen, ob die Bundesregierung diesbezügliche Initiativen plant.
({0})
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel zur Ver-
fügung.
Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Maria Eichhorn
sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe daher die
Frage 18 der Kollegin Ina Lenke auf:
Warum kann nach Auffassung der Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt, nicht
sofort eine vollkommene Angleichung der Dauer von Zivil-
und Wehrdienst vollzogen werden, sondern frühestens nach
einer Entscheidung über die zukünftige Länge des Wehrdiens-
tes - Interview in der „Frankfurter Rundschau“ vom 21. Juni
2003?1)
Frau Kollegin Lenke, beide Entscheidungen, die Änderung des Wehrpflichtgesetzes und die Änderung des
Zivildienstgesetzes, erfordern ein Gesetzgebungsverfahren. Die entsprechenden Änderungen beider Gesetze
sind aufeinander abzustimmen. Deshalb ist die Entscheidung über die Dauer des Grundwehrdienstes abzuwarten. Erst danach können die Konsequenzen für den Zivildienst gezogen werden.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Lenke.
Frau Staatssekretärin, jetzt wird es langsam komisch.
Am 1. Juli sollten Minister Struck und die SPD-Bundes-
tagsfraktion zusammen mit den Grünen über die Dauer
des Grundwehrdienstes entscheiden. Diese Entschei-
dung ist aufgeschoben worden; die aus Ihren wie aus un-
seren Reihen gleichermaßen erhobene Forderung, dass
die Dauer des Grundwehrdienstes der des Zivildienstes
entsprechen soll, steht nach wie vor im Raum.
Ich frage Sie: Sorgen Sie dafür, dass die Dauer des Zi-
vildienstes ab dem 1. Januar 2004 an die Dauer des
Grundwehrdienstes angeglichen wird?
1) siehe hierzu auch Frage 14
Frau Kollegin Lenke, ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass beides eng miteinander zusammenhängt. Wir alle wissen, dass der Zivildienst gegenüber
der Wehrpflicht nachrangig ist. Die Entscheidung über
die Dauer des Zivildienstes hängt davon ab, welche Entscheidung im Hinblick auf die Wehrpflicht getroffen
wird. Über die Dauer des Grundwehrdienstes wird, wie
Sie wissen, jetzt noch nicht entschieden, da andere Entscheidungsabläufe vorgesehen sind.
Ich kann Ihnen aber versichern, dass es dann, wenn
hinsichtlich der Wehrpflicht Klarheit besteht, auch eine
Entscheidung zum Zivildienst geben wird. Ich nenne ein
Beispiel: Wenn entschieden ist, dass die Dauer des
Grundwehrdienstes weiter neun Monate beträgt, dann
wird es eine Prüfung hinsichtlich der Belastung der beiden Dienste und wahrscheinlich eine zeitnahe Entscheidung über diese Frage geben. Wir von unserer Seite treten dabei dafür ein, dass der Zivildienst von heute zehn
auf neun Monate verkürzt wird.
Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Lenke.
Frau Staatssekretärin, Sie wissen, dass man die alte
Begründung schon lange nicht mehr anführen kann, warum der Zivildienst einen Monat länger dauern muss.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob Sie nicht sofort
einen Gesetzentwurf einbringen können - unabhängig
davon, wann die Bundesregierung ihre Entscheidungen
trifft; anscheinend kommen Sie in diesem Jahr nämlich
nicht zu einer Entscheidung -, der besagt, dass der Zivildienst ab sofort neun Monate und damit genauso lang
wie der Grundwehrdienst dauern soll.
Frau Kollegin Lenke, es ist nicht so einfach, das zu
ändern, wie Sie es hier gerade dargestellt haben. Bevor
verkürzt werden kann, muss verglichen werden - ich
denke, das wissen alle hier im Haus -, wie hoch die tatsächliche Belastung bei den Wehrpflichtigen und bei den
Zivildienstleistenden ist.
Wir wissen, dass sich in der letzten Zeit einiges geändert hat. Ein wesentlicher Grund, warum es im Moment
keinen Sinn macht, die Zeit des Zivildienstes zu verkürzen, ist der, dass wir uns in Zukunft, vielleicht in einem
Vierteljahr, mit Blick auf den Wehrdienst neu orientieren
werden. Deshalb muss das zusammen passieren.
Der zweite Grund, weshalb eine Änderung zurzeit
nicht nur nicht klug, sondern für alle Betroffenen nicht
hinnehmbar wäre, ist folgender: Sowohl die Zivildienstleistenden als auch die Zivildienststellen haben sich für
dieses Jahr - Sie wissen, dass die Haupteinberufungszeit
für den Zivildienst im Oktober ist - auf die jetzige SituaParl. Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel
tion eingestellt. Wenn wir infolge einer Überprüfung der
Dauer des Grundwehrdienstes von neun Monaten dahin
kommen, zu sagen, wir können auch den Zivildienst auf
neun Monate verkürzen, dann macht es großen Sinn, die
Änderung zum übernächsten Zivildienstjahr, das heißt
ab dem Jahre 2004, in Geltung zu setzen.
Sie fordern, mit dem Gesetzgebungsverfahren sofort
zu beginnen und die Änderung vorzunehmen. Das macht
- das meine ich nicht ironisch - keinen Sinn. Jetzt haben
wir Juli. Wenn wir am Ende des Jahres so weit wären,
dann wäre mit dem 1. Januar auch nicht gedient, weil
eben die Haupteinberufung zum Zivildienst im Oktober
eines jeden Jahres ansteht.
Eine weitere Frage des Kollegen Nolting.
Frau Staatssekretärin, wann werden Sie denn eine
Entscheidung treffen, wie es mit der Wehrpflicht weitergehen soll? Würden Sie bei Ihren weiteren Überlegungen auch die Forderung der FDP einbeziehen, die Wehrpflicht auszusetzen?
Herr Kollege Nolting, die Frage, wann wir die Entscheidung treffen werden, kann ich Ihnen jetzt hier nicht
beantworten. Es ist nicht der richtige Ort
({0})
- Moment! -, um hier darüber befinden zu können, wann
in den Parteien Entscheidungen gefällt werden. Sie müssen verstehen, dass ich als Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums Ihnen und dem Parlament
gegenüber das nicht beantworten kann. Ich gehe aber davon aus - das ist meine persönliche Meinung -, dass darüber im Laufe des Jahres entschieden wird.
Zu Ihrem zweiten Teil der Frage. Die Wehrpflicht
werden wir vermutlich nicht aussetzen. Sie wissen aber
aus der Berichterstattung und sicherlich auch aus Gesprächen, dass es in der SPD ähnliche Überlegungen
gibt. Natürlich wird darüber eine Debatte geführt werden. Allerdings muss ich sagen: Der Begriff Aussetzen
bedeutet, wenn ich ihn ernst nehme, dass wir die Wehrpflicht irgendwann wieder einführen. Deshalb geht Ihre
Frage nicht in die richtige Richtung. Wenn darüber zu
befinden ist, dann muss eine Entscheidung getroffen
werden, ob es bei der Wehrpflicht bleibt oder ob sie tatsächlich aufgehoben wird.
Eine weitere Frage des Kollegen Koppelin.
Frau Staatssekretärin, erinnere ich mich richtig, dass
die SPD, als sie in der Opposition war, immer wieder die
Forderung erhoben hat, die jetzt auch die Kollegin
Lenke aufgestellt hat, nämlich die Forderung nach der
Angleichung der Dauer von Zivil- und Grundwehrdienst? Sie regieren jetzt fünf Jahre und haben es immer
noch nicht geschafft, dies umzusetzen. Können Sie mir
erklären, warum Sie das, was Sie in der Opposition gefordert haben - Sie persönlich waren ja auch dabei -, bis
heute nicht umgesetzt haben?
Warum wir das nicht umgesetzt haben, will und kann
ich Ihnen nicht beantworten.
({0})
Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass dabei eine
Reihe von Punkten mit zu bedenken ist und geprüft werden muss. Außerdem gab es unterschiedliche Aussagen
über die Belastungen.
({1})
Herr Kollege Koppelin, Sie hatten eine Frage.
({0})
Ich kann nur wiederholen: Genauso wie Ministerin
Schmidt gehe ich davon aus, dass wir uns dann, wenn
die Entscheidung für die Wehrpflicht gefallen ist - das
ist ja die Voraussetzung -, auch über den Zivildienst unterhalten müssen. Wir gehen davon aus, dass es dann die
zeitliche Angleichung geben wird.
Eine weitere Frage des Kollegen Dörflinger.
Frau Staatssekretärin, können Sie ausschließen oder
bestätigen, dass die Einsparungen in Kapitel 17 04 des
Einzelplanes 17 des Bundeshaushalts für das Jahr 2004
in einem Zusammenhang mit der möglichen Dauer des
Zivildienstes stehen?
Das kann ich für 2004 ausschließen.
Eine weitere Frage des Kollegen Heinrich.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass wichtige
Kabinettsmitglieder wie die Frau Familienministerin, die
Frau Staatsministerin im Auswärtigen Amt Müller und
Frau Staatssekretärin Vogt der Meinung sind, dass die
Wehrpflicht abgeschafft werden sollte?
Das ist mir bekannt.
Was ist das denn dann für ein Schluss, den Sie heute
daraus ziehen, indem Sie uns bis zum Ende des Jahres
vertrösten?
Ich vertröste Sie nicht, um das noch einmal klarzustellen. Aber Sie alle wissen doch, dass die Dauer des
Zivildienstes immer auch von der Dauer des Grundwehrdienstes abhängig ist. Davon gehe ich zurzeit aus, da das
die geltende Gesetzeslage ist.
Das, was dann kommt, werden wir, wie ich eben
schon dargestellt habe, nicht nur prüfen, sondern darüber
werden wir auch in diesem Hause zu befinden haben.
Wenn es denn eine Änderung bzw. die weitere Festlegung der Dauer des Grundwehrdienstes auf neun Monate
gibt, dann sind wir hier am Zuge, um zu klären, wie lang
der Zivildienst dauern soll.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung.
Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Hartwig Fischer
sollen schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zur Frage 21 des Kollegen Helge
Braun:
Trifft es zu, dass nach der Approbationsordnung für Ärzte
für jeden Studienabschnitt eine bestimmte Studiendauer vorgeschrieben wird, sodass auch bei vorzeitigem Erbringen aller
Leistungsnachweise eine Verkürzung des Studiums durch früheres Ablegen des jeweiligen Staatsexamens nicht möglich
ist, und, wenn ja, hält die Bundesregierung diese Regelung für
richtig?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.
Sehr geehrter Kollege Braun, nach § 1 Abs. 3 der
Approbationsordnung für Ärzte ist für das Ablegen der
einzelnen ärztlichen Staatsprüfungen bzw. Prüfungsabschnitte eine Mindeststudiendauer vorgesehen. Im Einzelnen lautet die Regelung wie folgt:
Die Prüfungen nach Abs. 2 Nr. 6 werden abgelegt:
1. die Ärztliche Vorprüfung nach einem Studium
der Medizin von zwei Jahren,
2. der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach
einem Studium der Medizin von einem Jahr nach
Bestehen der Ärztlichen Vorprüfung,
3. der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen
Prüfung und einem Studium der Medizin von drei
Jahren nach Bestehen der Ärztlichen Vorprüfung
und
4. der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach
einem Studium der Medizin von einem Jahr nach
Bestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen
Prüfung.
Ein früheres Ablegen der entsprechenden Prüfungen ist
somit nicht möglich.
Damit komme ich zu der Frage, ob die Bundesregierung der Auffassung ist, dass diese Regelung zielführend
und sachgemäß ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass diese Regelung richtig ist, da die Studienstruktur auf diese Zeiträume angelegt ist und mit Erwerb der
Leistungsnachweise lediglich die Mindestvorgaben erfüllt werden. Leistungsstarke Studierende haben die
Möglichkeit der Vertiefung bis hin zur Erstellung einer
Doktorarbeit.
Darüber hinaus ist schon allein nach den Vorgaben in
der Richtlinie 93/16/EWG eine Studienzeit von mindestens sechs Jahren vorgegeben, sodass ein früheres Ablegen einer Prüfung letztlich nicht zu einer Reduzierung
der Gesamtstudienzeit führen dürfte, da ansonsten die
durch die oben genannte Richtlinie gewährleistete EUweite Anerkennung des Examens nicht mehr gegeben
wäre.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass wir die
EU-Regelungen übernehmen sollten, damit den Absolventen des Humanmedizinstudiums die Möglichkeit eröffnet wird, auch in anderen EU-Mitgliedstaaten ihren
Beruf auszuüben.
Zusatzfrage, Kollege Braun.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir darüber
diskutieren, dass die Lebensarbeitszeit länger werden
soll und die Studiengänge gestrafft werden sollen, stellt
sich mir die Frage: Ist die Bundesregierung nicht der
Auffassung, dass ein Student, der die Leistungsnachweise - gegebenenfalls auch mit einem guten Ergebnis schneller erbringt, selbstständig darüber entscheiden
können sollte, ob er seine Studien schneller abschließt?
Umgedreht: Wenn man für jeden einzelnen Studiengang konkret festlegt, wie lang er mindestens zu sein hat,
führt das dazu, dass man eine Verlängerung in einem
Studienabschnitt in einem anderen Studienabschnitt
nicht mehr aufholen kann, sodass es auch dadurch zu
einer Verlängerung der Studienzeiten kommt. Deshalb
frage ich Sie: Glauben Sie, dass der Eigeninitiative der
Studenten damit in geeigneter Weise entgegengekommen wird? Ist es nicht vielmehr eine Regulation, die
nicht mehr zeitgemäß ist?
Herr Kollege, ich habe auf die EU-rechtlichen Aspekte verwiesen. Innerhalb der EU hat man sich darauf
verständigt, dass es einer Mindeststudienzeit von sechs
Jahren bedarf, um als Arzt oder Ärztin europaweit tätig
werden zu können. Daher würde es wenig Sinn machen,
national andere Regelungen vorzusehen und dadurch
den jungen Medizinerinnen und Medizinern die Möglichkeit zu nehmen, ihren Beruf EU-weit ausüben zu
können. Darüber hinaus hat sich die EU ausdrücklich gegen die so genannte Freischussregelung ausgesprochen.
Somit bleibt auch uns diese Möglichkeit verwehrt.
Mit der neuen Approbationsordnung haben wir durch
die Modernisierung der Studieninhalte dazu beigetragen,
dass auch für diejenigen, die die Prüfungen jetzt ablegen,
eine qualitativ hochwertige Ausbildung sichergestellt
wird und dass genügend Zeit bleibt, um die Dissertation
vorzubereiten. Eine andere Flexibilisierung ist uns aufgrund der EU-rechtlichen Vorgaben nicht möglich.
Zweite Zusatzfrage.
Stützt die Bundesregierung die Meinung, die seitens
der EU hier vorgegeben wird, ungeteilt oder wäre sie
auch bereit, in Verhandlungen für eine Flexibilisierung
zu treten?
Herr Kollege Braun, ich habe Ihnen eben schon dargelegt, dass wir innerhalb der EU über die so genannte
Freischussregelung verhandelt haben. Wir haben diese
Flexibilisierungsmöglichkeit ausgelotet. Wir haben uns
mit dieser Forderung aber nicht durchsetzen können. Da
wir wollen, dass Freizügigkeit künftig auch in der Berufsausübung herrscht, macht es Sinn, dass wir die Mindestauflagen und -studienzeiten einhalten.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Die Fragen 22 und 23 sollen schriftlich beantwortet
werden.
Wir kommen dann zur Frage 24 des Kollegen
Michael Kretschmer:
Plant die Bundesregierung für das zu gründende Osteuropazentrum für Wirtschaft und Kultur eine zentrale Projektmittelverantwortlichkeit für die Osteuropaforschung in der Bundesrepublik Deutschland, und wann gibt die entsprechende
Expertenrunde, die bis Ende Juli 2003 berät, ihre Empfehlung
für einen der vier Bewerber ab?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung.
Herr Kollege Kretschmer, die Bundesregierung hat
die in der Antwort vom 30. Juni dieses Jahres auf Ihre
schriftliche Frage genannten Experten gebeten, ihre Stellungnahmen zu den von den vier Bundesländern vorgelegten Konzeptentwürfen für ein Osteuropazentrum für
Wirtschaft und Kultur bis zum 14. Juli 2003 zu übermitteln. Eine Neustrukturierung der Verantwortlichkeiten
für Projektmittel ist von der Bundesregierung weder beabsichtigt noch wird sie in den Konzeptentwürfen angeregt.
Zusatzfrage, Kollege Kretschmer.
Frau Staatssekretärin, die Kompetenz des Verkehrsministeriums für die Kultur- und Osteuropaforschung ist
selbsterklärend. Deswegen will ich Sie fragen: Können
Sie uns erläutern, ob es auch in anderen Bereichen, zum
Beispiel in den Bereichen Sinologie, Afrikanistik und
Ähnliches, geografisch abgegrenzte Forschungsinstitute
gibt, die die Forschung in diesem Bereich koordinieren
sollen, so wie das beim Osteuropazentrum für die Osteuropaforschung geplant ist?
Sie trauen dem Verkehrsministerium eine ganze
Menge zu, aber ich kann Ihnen nicht sagen, ob das so ist.
Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir uns in einer besonderen Situation befinden. Der Beitritt der MOE-Staaten wird uns mit der Notwendigkeit konfrontieren, eine
Koordinierungs- und Netzwerkfunktion aufzubauen. Genau deshalb soll dieses Osteuropazentrum - man sollte
eher sagen: Mittelosteuropazentrum - seine Arbeit aufnehmen. Das, was gemacht werden kann, ist unbestritten:
Zum einen geht es um die Arbeit der Bundesrepublik, um
mit den MOE-Staaten Kontakt zu halten, zum anderen ist
der einzelne Bürger gefordert, Aufklärung zu betreiben.
Beides ist eine gute Sache.
Zweite Zusatzfrage.
Es ist unbestritten, dass die Osterweiterung und die
Integration wichtige Aufgaben sind. Natürlich handelt es
sich mehr um Mitteleuropa. Niemand möchte im Übrigen zu Osteuropa gehören. Selbst in Russland, das ganz
am Rande Europas liegt, definiert man sich über Mitteleuropa.
Ich möchte noch folgende Frage anschließen. In
Deutschland arbeiten mehr als 2 000 Menschen in irgendeiner Art und Weise in der Osteuropaforschung. In
diesem Bereich werden mehrere Hundert Millionen Euro
jedes Jahr an Forschungsmitteln umgesetzt. In der Wirtschaft gibt es die IHK sowie Wirtschafts, -forschungsund Beratungsunternehmen. Nun will die Bundesregierung ein Osteuropazentrum mit zehn oder 15 Stellen als
Kopfstelle einrichten. Das hat Herr Matschie im Ausschuss für Bildung und Forschung gesagt. Wie sollen
bitte schön diese zehn oder auch 15 Personen
2 000 Menschen koordinieren und vernetzen? Ist das
eine gängige Lösung? Ist das nicht vielmehr eine Beruhigungspille, die die Bundesregierung ausgeben möchte,
um zu beweisen, dass sie etwas für die Osterweiterung
tut?
Ihre indirekte Frage, ob dieses Institut eine Konkurrenzveranstaltung ist, beantworte ich mit Nein. Einige
wenige gute Leute können diese Netzwerkfunktion
durchaus wahrnehmen. Das ist genau die Aufgabe, die
das Mittelosteuropazentrum erfüllen soll. Also noch einmal: Es ist keine Konkurrenzveranstaltung, sondern die
Wahrnehmung einer Netzwerkfunktion.
Eine weitere Frage des Kollegen Braun.
Ich habe eine Frage zur inhaltlichen Ausgestaltung.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden mit dem Osteuropazentrum verfolgt? Welche Unterschiede gibt es in
den von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Leipzig vorgelegten Konzepten?
Herr Kollege Braun, vielleicht könnten Sie bis zum
14. Juli warten. Dann werden wir alle Unterlagen vorliegen haben. Fragen Sie mich danach bitte noch einmal.
Im Nebel zu stochern, was die Gutachter sagen könnten,
bringt nichts.
({0})
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid zur Verfügung.
Wir kommen zunächst zur Frage 25 des Kollegen
Dr. Rainer Stinner:
Wie beurteilt die Bundesregierung die andauernde Unterstützung von Rebellen in Ituri durch Ruanda und Uganda
- vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 2. Juni
2003 -, und welche Konsequenzen zieht sie daraus für die
weitere Entwicklungszusammenarbeit mit beiden Ländern?
Herr Abgeordneter Stinner, die Bundesregierung verfügt über Hinweise, dass Milizen in der Region Ituri von
Ruanda und Uganda unterstützt werden. MONUC, die
UN-Mission, konnte aber bisher nicht abschließend feststellen, ob Ruanda und Uganda Milizen in Ostkongo unterstützen oder dort mit Truppen präsent sind. Allerdings
verweist MONUC auf das beschränkte Aktionsfeld seiner Militärbeobachter.
Dennoch überprüft die Bundesregierung laufend die
Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda und Uganda
sowie der Demokratischen Republik Kongo im Lichte der
politischen und militärischen Entwicklung. Dabei streben
wir eine mit unseren Partnern in der EU abgestimmte Haltung in den internationalen Finanzinstitutionen wie zum
Beispiel der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds an. Die Entwicklungszusammenarbeit ist
neben anderen Elementen ein wichtiges Element des
Einwirkens auf die wichtigsten Akteure des Verhandlungsprozesses in der Region der Großen Seen. Diesen
Zusammenhang hat die Bundesregierung in all ihren Gesprächen den Akteuren, auch dem ruandischen Außenminister bei seinem Besuch in Deutschland in der vergangenen Woche, deutlich gemacht.
Zusatzfrage, Kollege Stinner.
Frau Staatssekretärin, mich würde interessieren, was
die Bundesregierung angesichts ihrer Erkenntnisse, auf
die Sie Bezug genommen haben, konkret tut, wie die
Einwirkungsmöglichkeiten konkret genutzt werden.
Teilt die Bundesregierung die Anschauung von Experten, dass allein die Drohung mit dem Entzug der Entwicklungshilfe dazu führen könnte, die Unterstützung
für die Rebellen zu reduzieren?
Herr Abgeordneter Stinner, mir ist kein Experte bekannt, der klar sagt, der Entzug der Entwicklungshilfe
durch die Bundesregierung würde die unfriedlichen Akteure in der Region so beeindrucken, dass sie dadurch
mit den Gewalttaten aufhören würden. Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie mir die Namen dieser Experten, auf
die Sie verweisen, nennen würden. Dann würde ich mich
mit ihnen ins Benehmen setzen.
Unsere Erfahrung, Herr Abgeordneter Stinner, ist eine
andere. Wir haben zum Beispiel die Entwicklungskooperation mit Simbabwe seit dem Jahr 2000 eingefroren.
Herr Mugabe hat sich keineswegs von dem Entzug der
Entwicklungshilfe beeindrucken lassen. Er macht weiter.
Wir hatten Äthiopien und Eritrea die Entwicklungshilfe
entzogen, als wir gesehen haben, dass beide in einen
Krieg ziehen. Beide Akteure haben sich durch den Entzug der Entwicklungshilfe nicht beeindrucken lassen.
Wir haben die Entwicklungshilfe für Indien und Pakistan
eingefroren, nachdem Indien und Pakistan Atomwaffentests durchgeführt haben. Beide Länder haben sich von
dem Entzug unserer Entwicklungshilfe nicht beeindrucken lassen.
Ich wüsste insofern gerne, auf welche Expertisen Sie
sich stützen. Ich bin gerne bereit, meine Meinung zu ändern. Aber unsere Erfahrungen weisen eigentlich in eine
andere Richtung.
Weitere Zusatzfrage, Kollege Stinner.
Frau Staatssekretärin, muss ich Ihrer Antwort entnehmen, dass Sie Herrn Mugabe und die anderen von Ihnen
genannten Staatschefs mit den gegenwärtigen Herrschern in Uganda und Ruanda gleichsetzen?
Das ist nicht der Fall, denn jeder Konflikt hat seine eigene Historie und seine eigene Dynamik. Ich bin nicht
bereit, ein Land wie Ruanda zum Beispiel mit Simbabwe
gleichzusetzen, weil Ruanda einen Völkermord erlebt
hat und 1995 hat mit ansehen müssen, wie die Mörder
unter internationaler Kontrolle in den Ostkongo haben
fliehen können. Ich habe damals hier im Deutschen Bundestag gefordert, dass man die zivilen Flüchtlinge von
den bewaffneten Flüchtlingen trennt. Ein Kollege von
Ihnen, den ich sonst sehr schätze, der heute nicht mehr
im Deutschen Bundestag ist und damals Ihr außenpolitischer Sprecher war, hat mir widersprochen und gesagt,
das könne man gar nicht machen. Hätte man damals die
bewaffneten Milizen, Interahamwe und Ex-FAR, die in
den Ostkongo geflohen sind, entwaffnet, dann wäre
diese Region vielleicht nicht so traumatisiert worden,
wie dies in den letzten sieben Jahren der Fall war.
Insofern bitte ich darum, dass wir nicht immer ein
Land mit einem anderen gleichsetzen. Jedes Land hat
seine eigene historische Entwicklung. Deswegen muss
man jeden einzelnen Fall anschauen. Trotzdem erlaube
ich mir, auf die Frage, die Sie gestellt haben, nämlich ob
der Entzug der Entwicklungshilfe wirksam ist, mit Beispielen zu antworten, die belegen, dass das nicht so einfach der Fall ist.
Weitere Frage des Kollegen Ströbele.
Frau Staatssekretärin, teilen Sie die Auffassung, dass
gerade die Fortsetzung der Entwicklungszusammenarbeit - etwa mit Ruanda - der Bundesregierung und übrigens auch dem Deutschen Bundestag, dem zuständigen
Ausschuss und den Delegationen, die nach Ruanda gefahren sind, die hervorragenden Möglichkeiten eröffnet
hat, auf die dortige Politik - insbesondere auch auf den
Staatspräsidenten - Einfluss zu nehmen, dass Ruanda
seine Truppen aus dem Kongo zurückzieht und dass dieser Schritt zumindest weit gehend - möglicherweise sogar vollständig - erfolgreich war und insofern eher ein
Argument dafür ist, die Entwicklungszusammenarbeit
fortzusetzen, um die Einwirkungsmöglichkeiten gerade
in Ruanda zu erhalten und auch weiterhin solche Ergebnisse zu erzielen?
Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Ströbele.
Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Stinner:
Nach welchen Kriterien entscheidet die Bundesregierung
über die Fortsetzung der bisherigen Form der Entwicklungszusammenarbeit mit Uganda und Ruanda als Schwerpunktländer
deutscher Entwicklungshilfe und unter welchen Bedingungen
würde sie eine Fortsetzung als nicht sinnvoll betrachten?
Herr Abgeordneter Stinner, die Kriterien unserer Entwicklungskooperation sind die Beachtung der Menschenrechte, die Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen, Rechtsstaatlichkeit und die
Gewährleistung von Rechtssicherheit, Marktwirtschaft
und eine sozialorientierte Wirtschaftsordnung sowie entwicklungsorientiertes staatliches Handeln. Dementsprechend stellen die Entwicklungsorientierung staatlichen
Handelns, die Armutsorientierung der Regierungspolitik und die Schaffung der für eine wirksame Armutsbekämpfung erforderlichen Rahmenbedingungen durch die
Partnerregionen für uns wesentliche Kriterien dar. Das
gilt für alle Länder, auch für Ruanda, Uganda und die
Demokratische Republik Kongo.
Die Zusammenarbeit mit jedem Partnerland - auch mit
den drei genannten - wird dann als nicht sinnvoll erachtet, wenn eine wesentliche und dauerhafte Verschlechterung der entwicklungsfördernden Rahmenbedingungen
schuldhaft durch die Partnerregierung zu vertreten ist und
als Folge weitere Fortschritte in der Armutsbekämpfung
nicht zu erwarten sind.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie noch erläutern, inwiefern Sie gerade in Bezug auf Ruanda und Uganda zwischen Maßnahmen der Entwicklungshilfe, die eindeutig
der Armutsbekämpfung dienen, die Menschenrechte
fördern etc., und denen, die eventuell zu überprüfen wären, weil sie möglicherweise diesen Zwecken nicht unmittelbar dienen, differenzieren?
Erlauben Sie mir eine generelle Feststellung. Ich
glaube, dass wir ein unterschiedliches Verständnis der
Kriterien haben. Es handelt sich dabei nicht um Ausschlusskriterien; vielmehr sind es Orientierungskriterien.
Das heißt, wenn unsere Partnerländer anhand dieser Kriterien Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation
durchführen wollen und zum Beispiel Präsident Kabila
Wahlen durchführen möchte, würden wir - auch wenn
ein Staat wie die Demokratische Republik Kongo derzeit
ohne Zweifel nicht demokratisch ist - unsere Unterstützung nicht verweigern. Vielmehr unterstützen wir die
kongolesische Regierung, wenn zum Beispiel ein Wählerverzeichnis erstellt werden soll oder Kampagnen zur
Bewusstseinsbildung durchgeführt werden sollen.
Das Gleiche gilt für Uganda. Ruanda und Uganda
können zwar nicht gerade als Beispiele einer Westminster-Demokratie gelten, aber beide Staaten befinden sich
auf dem Weg zur Demokratisierung. Als Ruanda kürzlich Kommunalwahlen durchgeführt hat, haben wir die
Wahlkommission unterstützt. Wir haben auch die Menschenrechtskommission und die juristische Aufarbeitung
des Völkermordes unterstützt. Wir unterstützen die Bekämpfung von Aids; auch in Uganda.
Insofern unterstützen wir diese Länder bei dem Bemühen, die Kriterien zu erfüllen, die wir für unsere Kooperation als wichtig erachten. Wenn man diese Kriterien
zugrunde legt, dann gibt es auch im Sinne dessen, was
Herr Ströbele ausgeführt hat, zurzeit keinen Grund, die
Entwicklungskooperation einzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Besuchertribüne hat der Präsident des philippinischen Parlaments,
Jose de Venecia, mit einer Delegation Platz genommen.
Herr Präsident, wir begrüßen Sie sehr herzlich, wünschen Ihnen einen interessanten und erfolgreichen Aufenthalt in Deutschland und hoffen, dass Sie wohlbehalten nach Hause zurückkehren.
({0})
Die Frage 27 des Kollegen Guido Westerwelle soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 28 des Kollegen Jürgen
Koppelin:
Trifft die Meldung vom 22. Juni 2003 in der „Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung“, Seite 2 - Politik, Ausland zu, dass die Bundesregierung auf dem EU-Gipfel keine Mittel
zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose in den
Entwicklungsländern bereitgestellt hat und dadurch ein entsprechender Beschluss verhindert wurde?
Herr Kollege Koppelin, es war nicht geplant, auf dem
Europäischen Rat in Thessaloniki eine feste Zusage für
den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zu vereinbaren. Mangels einer
durchstrukturierten Bedarfsanalyse wurde auch davon
abgesehen, für die Europäische Kommission und die
Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine konkrete
Zielgröße für weitere Beiträge in den Blick zu nehmen
oder einen Verteilungsschlüssel für die Festlegung von
Beiträgen durch die einzelnen Mitgliedstaaten und die
Kommission zu vereinbaren. Das heißt, es war nicht geplant, auf diesem Gipfel Mittel zur Bekämpfung von
HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose in den Entwicklungsländern bereitzustellen.
Ich möchte noch hinzufügen, dass das Abschlussdokument des Europäischen Rates, auf das Sie Bezug
nehmen, keine Festlegung zur Finanzierung der internationalen HIV/Aids-Bekämpfung, sondern nur Überlegungen zu einem von mehreren Finanzierungsinstrumenten enthält, nämlich zu dem genannten Fonds. Er ist,
wie gesagt, nur ein Instrument von vielen. Insofern treffen Sie mit der Frage, die Sie gestellt haben, nicht ganz
den Inhalt des Abschlussdokuments.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Frau Staatssekretärin, wenn ich Sie richtig verstehe
- das gilt vor allem für den ersten Teil Ihrer Ausführungen -, dann ist dieses Thema auf dem Gipfel gar nicht
angesprochen worden.
Doch, es ist angesprochen worden. Aber es ist keine
Bedarfsanalyse auf den Tisch gelegt worden, anhand deren bestimmte Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten
der Europäischen Union oder der Kommission festgelegt
worden wären. Es ist auch kein Verteilungsschlüssel vorgelegt worden. Es gab lediglich eine allgemeine Aussprache. Es war, wie gesagt, auch nicht geplant, auf diesem Gipfel zu einer konkreten Festlegung der Mittel zu
kommen.
Zweite Zusatzfrage.
Trifft es zu, dass die USA bereit sind, 1 Milliarde
Euro zur Verfügung zu stellen, wenn auch Europa dies
tut, dass Präsident Chirac angedeutet hat, dass Europa
dazu bereit sei, dass aber anscheinend Deutschland und
die Niederlande - aus welchen Gründen auch immer; das
werden Sie uns sicherlich gleich erklären - das abgelehnt haben?
In die gleiche Richtung gehen auch die eingereichten
Fragen des Abgeordneten Löning. Vielleicht kann ich
das zusammenhängend darstellen.
Zuerst möchte ich klarstellen, dass die Bundesregierung die Stärkung dieses Fonds zu ihrem politischen Ziel
erklärt hat. Wir haben von vornherein 200 Millionen
Euro für diesen Fonds zur Verfügung gestellt. Das ist
mehr als das, was manche europäischen Nachbarländer
bereitgestellt haben. Wir haben nun beschlossen, für die
Jahre 2005 bis 2007 100 Millionen Euro zusätzlich zur
Verfügung zu stellen. Damit stellen wir insgesamt
300 Millionen Euro für diesen Fonds bereit. Damit sehen
wir im Vergleich mit anderen Ländern ganz gut aus.
Wir begrüßen es natürlich außerordentlich, dass die
US-amerikanische Regierung beabsichtigt, eine Milliarde Euro in diesen Fonds einzuzahlen. Allerdings ist
uns nicht bekannt, welche Bedingungen für welche Länder sie daran knüpft. Wir haben jedenfalls beschlossen,
diesen Fonds mit 300 Millionen Euro zu unterstützen.
Eine Frage der Kollegin Karin Kortmann.
Frau Staatssekretärin, ich freue mich sehr, dass weitere 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
Das ist ein Riesenbeitrag, den die Bundesrepublik
Deutschland sowohl für den bilateralen als auch für den
multilateralen Bereich des globalen Aidsfonds zur Verfügung stellt. Wir alle wissen aber auch, dass die Aidsepidemie Anfang der 80er-Jahre begonnen hat. Meine
Frage lautet deshalb: Wie hoch waren die Beiträge in
den Jahren 1987 bis 1997, als CDU/CSU und FDP regierten? Können Sie uns diese Vergleichszahlen bitte
nennen?
({0})
Die Bundesregierung - das habe ich noch nicht erwähnt - stellt im Schnitt 300 Millionen Euro pro Jahr für
die Aidsbekämpfung zur Verfügung. Für den Global
Fund haben wir bislang 200 Millionen Euro zugesagt.
Das ist wie folgt zustande gekommen: Bundeskanzler
Schröder hat Kofi Annan bei dem allerersten Gespräch,
das während des G-8-Gipfels in Genua stattfand - dort
wurde die Unterstützung dieses Fonds zur Aidsbekämpfung durch die Europäische Gemeinschaft beschlossen;
Mitinitiator war Bundeskanzler Gerhard Schröder -,
150 Millionen Euro zugesagt. Dann hat Bundesministerin Wieczorek-Zeul noch einmal 50 Millionen Euro zugesagt. Mittlerweile haben wir noch einmal 100 Millionen Euro draufgelegt. Somit zahlen wir allein in diesen
Fonds 300 Millionen Euro ein.
Das ist natürlich insofern interessant, als die CDU/
CSU-FDP-Regierung von 1987 bis 1997, also in mehr
als zehn Jahren, insgesamt 190 Millionen Euro für die
Aidsbekämpfung zur Verfügung gestellt hat. Das ist weniger als das, was diese Regierung in einem Jahr bereitstellt. Man kann aber nicht sagen, dass die Dramatik der
Aidspandemie erst im Jahre 1998 bekannt geworden ist.
({0})
Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Koppelin:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung der
USA, für die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria den Entwicklungsländern einen Betrag von circa einer
Milliarde Euro bereitzustellen?
Ich glaube, ich habe darauf schon geantwortet. Wir
beurteilen das positiv.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, steht das Geld aus den USA zur
Verfügung, obwohl keine Entscheidung über einen Beitrag der EU getroffen wurde, weil sich - so berichten die
Medien - Deutschland und Holland daran nicht beteiligen wollten? Oder steht es nicht zur Verfügung, weil die
Europäer ihren Beitrag nicht geleistet haben?
Herr Koppelin, ich kann den Zusammenhang, den Sie
hier ganz kurz dargestellt haben, nicht nachvollziehen.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen folgende Daten
mitteilen: Kanada hat ursprünglich einen Beitrag von
100 Millionen US-Dollar zugesagt und danach keine
weiteren Zusagen gemacht. Die EU-Kommission hat zunächst 137 Millionen US-Dollar und dann zusätzlich
340 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Frankreich
hat zunächst 180 Millionen US-Dollar und dann zusätzlich 300 Millionen Euro bereitgestellt. Wir haben - ich
erklärte es bereits - eine Zusage über 200 Millionen
Euro gegeben und stellen für die Jahre 2005 bis 2007
weitere 100 Millionen Euro zur Verfügung. Italien hat
ursprünglich 200 Millionen US-Dollar und nun 200 Millionen Euro zusätzlich zugesagt. Japan stellt 200 Millionen US-Dollar bereit und hat noch keine weiteren Zusagen gemacht.
Die Niederlande geben 157 Millionen US-Dollar und
haben noch keine weiteren Zusagen gemacht. Man muss
dazu sagen, dass die Niederlande pro Kopf die höchsten
Beiträge in den Fonds zahlen. In der Öffentlichkeit wird
es so dargestellt, als gehörten die Niederlande zu denjenigen, die in Thessaloniki eine Beschlussfassung verhindert hätten. Man muss aber feststellen, dass die Niederlande hohe Beiträge zahlen. Großbritannien hat
ursprünglich 120 Millionen US-Dollar und mittlerweile
weitere 160 Millionen US-Dollar zugesagt. Die USA haben ursprünglich 625 Millionen US-Dollar bereitgestellt
und geben nun 1 Milliarde US-Dollar zusätzlich. Ich
möchte hinzufügen, dass sich sämtliche Zusagen auf
ganz unterschiedliche Zeiträume beziehen; deswegen
kann man das nicht ohne weiteres vergleichen.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie die Entscheidung der USA darüber zustande kommt, wer noch Leistungen erbringen muss. Ich möchte allerdings nicht
verhehlen, dass ich es hinsichtlich des Umgangs demokratischer Staaten miteinander für nicht sehr glücklich
halte, wenn die Finanzhoheit des Deutschen Bundestages etwas eingeschränkt werden soll, indem ihm Parlamente befreundeter Länder Bedingungen stellen. Dieser
Zusammenhang sollte einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Ich glaube aber, dass die USA
die eine Milliarde US-Dollar angesichts der verschiedenen Zusagen letztendlich doch zur Verfügung stellen
müssen.
Zweite Zusatzfrage.
Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass Sie in Ihrer Antwort im Hinblick auf Zeitschienen usw. durchaus
differenziert haben. Ich sage das bewusst, weil eine Kollegin der SPD vorhin eine, wie ich finde, sehr peinliche
„Vergleichsfrage“ gestellt hat. Bei so einem Thema darum zu bitten, einen Vergleich mit 1987 zu ziehen, ist
einfach peinlich.
({0})
Nachdem Sie uns gesagt haben, dass die Bundesregierung Mittel zur Verfügung stellt, möchte ich von Ihnen
gern wissen, ob die Bundesregierung der Auffassung ist,
dass diese Mittel ausreichen, oder ob sie bereit ist, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen.
Herr Abgeordneter Koppelin, als wir vor einem Jahr
beim G-8-Gipfel in Kanada im Rahmen des Afrika-Aktionsplans über das Thema Aids diskutiert haben, mussten wir feststellen, dass Geld in dem Fonds nicht abgerufen werden konnte, weil die Absorptionsfähigkeit vieler
Länder, die sehr mit HIV zu kämpfen haben, nicht gegeben war. Daraufhin haben wir beraten und beschlossen,
dass die GTZ, unsere Durchführungsorganisation, in
Partnerländern spezifische Beratungsleistungen anbietet.
Sie hat aus Eigenmitteln 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit wir die Partnerländer beraten können, um - ich muss natürlich diplomatisch sein - die
Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Gelder, die
für die Projekte gebraucht werden, auch ohne Probleme
abfließen können.
Beim G-8-Gipfel in Evian haben wir Bilanz gezogen.
Siehe da: Der Abfluss der Mittel nach Afrika hat sich um
60 Prozent erhöht, ohne dass ein Cent mehr hineingegeben worden ist. Ich will damit nicht sagen, dass wir kein
zusätzliches Geld dafür brauchen, aber die Frage der Effizienzsteigerung, der verbesserten Voraussetzungen in
den Partnerländern dafür, dass dieses Geld auch abgerufen werden kann, ist ganz entscheidend. Nicht allein das
Einzahlen ist wichtig, sondern auch der Abfluss der Gelder. Dabei hat die Bundesregierung ganz massiv Hilfe
geleistet. Darauf können wir, glaube ich, stolz sein.
Vielen Dank.
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Harald Leibrecht
auf:
Wann wird die Bundesregierung ihre für das Jahr 2003 im
Haushalt geplante finanzielle Unterstützung von 32,5 Millionen Euro an den GFATM auszahlen?
Herr Abgeordneter Leibrecht, von den für dieses Jahr
zugesagten 32,5 Millionen Euro sind am 2. Juni dieses
Jahres 16,25 Millionen an den Fonds ausgezahlt worden.
Die gleiche Summe wird am 10. Juli, also in einigen Tagen, überwiesen werden.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, bei zugesagten Geldern in Höhe
von 200 Millionen Euro, die über fünf Jahre verteilt werden, wären es pro Jahr eigentlich 40 Millionen Euro.
Weshalb zahlt die Bundesregierung mit 32,5 Millionen
Euro - immerhin! - weniger, als sie vielleicht zahlen
könnte und sollte?
Herr Abgeordneter Leibrecht, wir haben Globalsummen zugesagt, zunächst einmal 200 Millionen Euro. Die
Mittel wurden bzw. werden folgendermaßen ausbezahlt
- ich kann es Ihnen einmal aufschlüsseln -: 2002 wurden
12 Millionen Euro ausbezahlt. 2003 - das habe ich eben
gesagt - wurden 16,25 Millionen Euro am 2. Juni und
werden weitere 16,25 Millionen Euro am 10. Juli ausbezahlt. Die Zahlen, die ich jetzt nenne, beziehen sich noch
auf die Gesamtsumme von 200 Millionen Euro, die ja
auf 300 Millionen Euro aufgestockt wird. Vorgesehen
waren für das Jahr 2004 38 Millionen Euro, für das Jahr
2005 39 Millionen Euro, für das Jahr 2006 39 Millionen Euro und für das Jahr 2007 39,5 Millionen Euro.
Wir haben dies dem Fonds mitgeteilt, weil es uns
ganz wichtig ist, dass er eine Planungsgrundlage hat,
dass er genau weiß, wann wie viel Geld aus der Bundesrepublik Deutschland kommt. Dazu stehen wir. Insofern
wird diese Zusage eingehalten und es wird auch termingerecht ausbezahlt.
Zweite Zusatzfrage.
Ich begrüße natürlich, dass Gelder jetzt ausbezahlt
sind. Wie Sie gerade mitgeteilt haben, wurde die erste
Tranche aber erst kürzlich unter Druck ausbezahlt.
({0})
Wir haben im Vorfeld mitbekommen, dass die Gelder
nur sehr schleppend fließen. Im ersten Halbjahr ist überhaupt nichts bezahlt worden. Können Sie sicherstellen,
dass die nächsten Tranchen pünktlich gezahlt werden,
sodass der Fonds kalkulieren kann und das Geld pünktlich eingesetzt werden kann?
Genau dies habe ich eben gesagt. Ich bestätige es
noch einmal.
Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Leibrecht auf:
Welchen Betrag wird die Bundesregierung dem GFATM
auf der Geberkonferenz im Juli 2003 in Frankreich zur Verfügung stellen?
Herr Abgeordneter Leibrecht, die Frage habe ich jetzt
natürlich schon verschiedentlich beantwortet. Es geht
genau darum, wie viel Geld wir noch zur Verfügung stellen. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Zu den
200 Millionen Euro kommen noch 100 Millionen Euro
für die Jahre 2005 bis 2007 hinzu, sodass insgesamt
300 Millionen Euro an den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose gezahlt
werden.
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.
Eine Zusatzfrage: Stehen diese weiteren 100 Millionen ab sofort bzw. ab diesem Datum dann auch zur Verfügung?
Nein, erst 2005 bis 2007. Im Rahmen des Verfahrens
der Haushaltsaufstellung wird das dann festgeklopft
werden.
Okay, da bestand bei mir noch eine gewisse Unklarheit.
Danke schön.
Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Heinrich auf:
Wie rechtfertigt die Bundesregierung ihre Verweigerung,
der Bitte des Präsidenten Jacques Chirac und des Premierministers Tony Blair in ihrem Brief vom 14. Juni 2003 um großzügigere Unterstützung der Aidsbekämpfung nachzukommen,
vergleiche „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ vom
22. Juni 2003 -, und welche Auswirkungen wird diese Verweigerungshaltung haben?
Herr Abgeordneter Heinrich, es liegt selbstverständlich in unserem Interesse, dass der Fonds auch in Zukunft ausreichend mit Mitteln ausgestattet wird. Niemand hat in Thessaloniki eine mögliche Aufstockung
der Beiträge abgelehnt. Sie wissen aber, dass der Fonds
eine Gemeinschaftsaufgabe privater und öffentlicher Geber ist. Es ist ja das Tolle an diesem Konstrukt, dass
nicht nur Länder bzw. Regierungen einbezahlen, sondern
eben auch Privatunternehmer.
Ich appelliere an die FDP, ihre guten Beziehungen zur
Privatwirtschaft einzusetzen, damit die Privatwirtschaft
dem Appell von Blair und Chirac nachkommt. Leider
beträgt der Anteil der Privatwirtschaft am Fondsaufkommen weniger als 5 Prozent.
({0})
Zusatzfrage, Herr Kollege Heinrich.
Ich möchte das jetzt nicht kommentieren, nachdem
die Bundesregierung erst am 2. Juni die erste Tranche
überwiesen hat.
({0})
- Ja, für dieses Jahr, aber ein halbes Jahr ist nichts bezahlt worden. Das ist natürlich kein besonders gutes
Bild, das Sie da abgeben.
Es stimmt auch nicht, dass Sie 300 Millionen im Jahr
zur Verfügung stellen, sondern es wurden 200 Millionen
zugesagt und weitere 100 Millionen von 2005 bis 2007.
Diese Zahlen haben Sie etwas verwirrend dargestellt.
Sie haben vorhin auch davon gesprochen, dass es Probleme beim Abfluss der Gelder gebe. Ist Ihnen bekannt,
dass die zur Verfügung stehenden Gelder durch die anerkannten Projekte bereits ausgeschöpft sind, das heißt,
dass die erste und die zweite Runde damit finanziert
worden sind, jetzt aber für die Finanzierung einer dritten
Runde dringend Geld gebraucht wird? Ist Ihnen auch bekannt, dass sich die Empfängerländer auf die neue Art
der Förderung, wie sie mit dem Global Fund to Fight
Aids seit anderthalb Jahren gegeben ist, erst einstellen
mussten und es somit auch Anlaufschwierigkeiten gab?
Können Sie den von mir gezogenen Schluss nachvollziehen, dass in Zukunft in diesen Ländern entsprechende
Programme sehr viel schneller und sinnvoller umgesetzt
werden können, als es in der Vergangenheit der Fall
war?
Herr Abgeordneter Heinrich, ich kann Ihnen nicht darin zustimmen, dass die Länder erst Vorbereitungen treffen konnten, nachdem dieser Fonds eingerichtet war.
Das ist kein ernsthaftes Argument.
Die Pandemie Aids ist spätestens seit Mitte der 80erJahre bekannt. Über bilaterale Kooperationen, die zwischen uns und sehr vielen Ländern bestehen, haben wir
schon ganz massiv zur Aidsbekämpfung beigetragen.
Beispielsweise haben wir Straßentheatergruppen unterstützt, an Berufsbildungszentren mit Schülern innovative
Methoden entwickelt oder mit Daimler-Chrysler im
Rahmen einer Public Private Partnership Programme für
Aidsprävention am Arbeitsplatz entwickelt. Insofern
können sich die Länder nicht damit herausreden, dass sie
zu wenig Zeit für die Etablierung von Strukturen gehabt
haben, um Geld aus diesem Fonds bekommen zu können.
Uganda - dieses Beispiel hatten wir ja vorhin schon ist dabei ein vorbildliches Land. Uganda ist das einzige
Land auf dem afrikanischen Kontinent, in dem jetzt die
Lebenserwartung wieder steigt. Ansonsten besteht in
Afrika die Situation, dass die Lebenserwartung der Menschen wegen Aids ganz massiv sinkt. Wo sie von
40 Jahren auf 50 Jahre gestiegen ist, fällt sie jetzt wieder
auf 45, teilweise sogar auf unter 40 Jahre. Uganda ist das
einzige Land, in dem es anders ist, da dort die Aidsbekämpfung vorbildlich betrieben wird.
Insofern gibt es in der Tat eine Menge von Erfahrungen. Ich glaube, die afrikanischen Staaten können auch
voneinander lernen. Deswegen möchte ich Ihrer Argumentation nicht folgen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Heinrich? - Das ist nicht
der Fall.
Dann rufe ich die Frage 33 des Kollegen Heinrich
auf.
({0})
- Entschuldigung, das habe ich übersehen. Der Kollege
Niebel hatte sich rechtzeitig zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Solange ich nicht an politischem Gewicht verliere,
soll mir das recht sein.
Frau Staatssekretärin, die Ausgangsfrage des Kollegen Heinrich bezog sich in erster Linie auf das Verhältnis zu unseren Partnerländern Frankreich und Großbritannien, weil die Bitten um ein zusätzliches Engagement
der Bundesrepublik von den beiden jeweiligen Staatsoder Regierungschefs an uns gerichtet worden sind. Nun
ist die Frage, wie sich die Verweigerung der Bundesregierung auf die betroffenen Menschen auswirkt, wichtig.
Es ist sehr bedrückend, insbesondere wenn man weiß,
dass es vor allem Kinder sind, die von Aids betroffen
sind.
Ich beziehe mich aber auf den zweiten Teil der Frage
des Kollegen Heinrich. Wie bewerten Sie die politischen
Auswirkungen in der Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern Frankreich und Großbritannien? Wird
durch diese Verweigerungshaltung der Bundesrepublik
nicht das Klima weiter verschlechtert und das Vertrauensverhältnis und die vertrauensvolle Zusammenarbeit
für die Zukunft schwer geschädigt?
Zunächst einmal weise ich den ersten Teil Ihrer Frage
zurück. Ich lasse es nicht zu, dass Sie insinuieren, diese
Regierung sei mitverantwortlich für den Tod so vieler
Aidsinfizierter.
({0})
- Doch, das haben Sie gemacht. Ich weise das hier klar
zurück.
Zweitens zu der Beziehung zu unseren Nachbarländern: Wir haben unser großes Engagement bei der Einrichtung dieses Fonds unter Beweis gestellt. Bundeskanzler Schröder hat diesen Fonds in Genua als
Mitinitiator mit aus der Taufe gehoben. Erst im
Juni 2001 wurde der Fonds dann bei einer UN-Sondergeneralversammlung wirklich beschlossen. Wir zahlen
in diesen Fonds insgesamt 300 Millionen Euro ein, also
zusätzlich 100 Millionen Euro. Deswegen ist Ihre Aussage, dass wir uns verweigert hätten, falsch; denn wir
stellen ab dem Jahr 2005 bis zum Jahr 2007 100 Millionen Euro mehr zur Verfügung.
Nun rufe ich die Frage 33 des Kollegen Heinrich auf:
Welche Erklärung hat die Bundesregierung für ihre Weigerung, den GFATM stärker zu unterstützen, angesichts der
Tatsache, dass täglich mehr als 6 000 Menschen in Afrika an
den Folgen von HIV/Aids sterben, und in Anbetracht der
Schätzungen des Joint United Nations Programme on HIV/
Aids ({0}), dass in den nächsten zwei Jahrzehnten weltweit rund 70 Millionen Menschen an Aids sterben werden?
Herr Abgeordneter Heinrich, die Bundesregierung
trägt im Rahmen ihrer bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit in wesentlichem Umfang zur
weltweiten Aidsbekämpfung bei. Das habe ich schon
dargestellt. Insgesamt stellt die Bundesregierung jährlich
300 Millionen Euro für die Bekämpfung von HIV/Aids
zur Verfügung. Die Mittel werden für Prävention und
Behandlung ausgegeben.
Darüber hinaus finanziert die Deutsche Gesellschaft
für Technische Zusammenarbeit aus Eigenmitteln für
vier Jahre Maßnahmen zur Verbesserung der Antragstellung von Entwicklungsländern für den Fonds mit mindestens 25 Millionen Euro. Der Fonds soll die sonstigen
Finanzierungsinstrumente nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Der Beitrag der Bundesregierung zur weltweiten
HIV-/Aidsbekämpfung beschränkt sich nicht auf Leistungen zum Fonds; auch das habe ich vorhin schon ausgeführt. Die eingesetzten Haushaltsmittel wurden in den
letzten Jahren deutlich erhöht und mit der Zusage von
weiteren 100 Millionen Euro zusätzlich gestärkt. Damit
trägt die Bundesregierung der dramatischen Lage der
von HIV und Aids bedrohten Menschen in vielen Ländern Rechnung.
Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, das ist eine subjektive Betrachtungsweise. Wir alle wissen, dass unsere Entwicklungszusammenarbeit, unsere Nothilfeprogramme und unsere
Wiedereingliederungsprogramme für Kindersoldaten
etc. nur dann erfolgreich sind, wenn die Gesundheitssituation deutlich verbessert, das heißt in dem Fall: Aids
massiv bekämpft wird.
Ich frage Sie: Ist die Bundesregierung bereit, hierfür
mehr zu tun? Wenn das nicht der Fall ist, würden ihre
Anstrengungen auf anderen Gebieten nur halb so wirkungsvoll sein.
Herr Abgeordneter Heinrich, Ihre Fraktion stellte bis
1998 den Außenminister. Man könnte manchmal den
Eindruck haben, als hätten Sie Ihr eigenes Engagement
bei der Aidsbekämpfung in der Zeit vor 1998 vergessen.
Ich kann zwar verstehen, dass man in Bezug auf die
Vergangenheit eine selektive Wahrnehmung hat. Aber
ich muss schon sagen, dass Sie es in den Jahren, in denen Sie an der Regierung waren, in der Hand gehabt hätten, ausreichende Mittel für die Aidsbekämpfung zur
Verfügung zu stellen. Sie haben in zehn Jahren insgesamt 190 Millionen Euro für die Aidsbekämpfung bereitgestellt. Wir stellen 300 Millionen Euro in einem
Jahr zur Verfügung. Deswegen müssen wir uns Ihren
Vorwurf, nicht gefallen lassen. Ich weise diesen Vorwurf
hier zurück.
({0})
Ich bin in diesem Punkt unnachgiebig, Herr Kollege.
Wenn man nämlich wie Sie und ich erlebt hat, wie Menschen in Afrika an Aids sterben, dann kann man kein
Verständnis für jemanden haben, der seine Augen vor
dieser Situation verschließt. Aber es ist auch klar - das
ist ein Schwerpunkt unserer Kooperation -, dass wir mit
den Partnern, die aus ideologischer Verbohrtheit oder
aus Unwissenheit ihre Augen vor den Problemen verschließen - dazu zähle ich auch verantwortliche Politiker
in bestimmten Ländern -, einen sehr ernsthaften politischen Dialog führen müssen und dass wir in diesen Ländern Basisorganisationen unterstützen, die zum Teil Methoden anwenden, die ihre Staatschefs nicht goutieren.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, ich möchte nachfragen. Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass wir alle gesellschaftlichen Gruppen vor
Ort unterstützen müssen, um auf diesem Gebiet erfolgreich zu sein. Aber unabhängig von der Tatsache, dass
wir bis 1998 die Regierung gestellt haben, gilt, dass wir
jetzt im Jahr 2003 Lösungen für die Menschen finden
müssen, die heute von dieser Krankheit betroffen sind.
Müssen wir, um unserer Verantwortung gerecht zu
werden, nicht mehr tun als das, was Sie gerade erwähnt
haben? Stimmen Sie mit mir darin überein, dass wir uns
nicht ausgrenzen lassen dürfen, sondern dass Sie sich
zusammen mit Chirac und Blair an einen Tisch setzen
und dieses Problem gemeinsam angehen müssen?
Diese Bundesregierung hat ihre Verantwortung voll
wahrgenommen. Das gilt auch hinsichtlich der finanziellen Unterstützung. Wir zahlen 300 Millionen Euro in
den Fonds und stellen der Europäischen Union und der
Weltgesundheitsorganisation sowie auf bilateraler Ebene
300 Millionen Euro pro Jahr für die Aidsbekämpfung
zur Verfügung.
Ich lasse nicht zu, dass Sie unsere Aidsbekämpfungspolitik ausschließlich daran messen, ob wir jetzt ganz
schnell noch einige Hundert Millionen Euro in den globalen Aidsfonds einzahlen oder nicht. Was Sie tun, ist
nicht ganz redlich; denn Sie müssen das berücksichtigen,
was wir mit bilateralen Projekten und Programmen leisten.
Ich möchte anregen, dass Sie mit einer Delegation des
AWZ in Länder fahren, in denen wir Gesundheitsprojekte und Projekte zur Aidsbekämpfung durchführen.
Schauen Sie sich vor Ort die Qualität dieser Programme
an! Wir haben im Rahmen der GTZ, bei der KfW und in
Nichtregierungsorganisationen allerbeste Experten, die
wir finanzieren. Wenn Sie sich ein Bild gemacht haben,
können wir über diesen Punkt noch einmal diskutieren.
Der Redlichkeit halber bitte ich Sie: Messen Sie unsere
Aidsbekämpfungspolitik nicht nur an unseren Zahlungen
in diesen Fonds.
Die Fragen 34 und 35 der Kollegin Sibylle Pfeiffer
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Markus
Löning auf:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob die fehlende Zusage der EU, den GFATM mit 1 Milliarde Euro zu
unterstützen, Einfluss auf die Zahlungen der USA an den
GFATM hat, die für die Auszahlung ihrer geplanten Gelder
von 1 Milliarde US-Dollar eine „Kofinanzierung“ anderer
Staaten gefordert haben?
Herr Abgeordneter Löning, die Ankündigung der
USA, 2004 zusätzlich 1 Milliarde Euro für den Fonds
zur Verfügung zu stellen, steht unter dem Vorbehalt, dass
weitere 2 Milliarden Euro von anderen Gebern aufgebracht werden. Woher diese Mittel kommen sollen, ist
bislang unklar. Darum liegen der Bundesregierung auch
keine Erkenntnisse über den Einfluss der Beiträge vonseiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf das Beitragsverhalten der USA vor.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wäre es nach Auffassung der
Bundesregierung nicht ein wichtiges politisches Signal
gewesen, wenn die EU an dieser Stelle gemeinsam einen
deutlich sichtbaren Schritt unternommen hätte, indem
sie auf die Amerikaner zugeht und eine Zusage macht?
Ich habe vorhin schon die zusätzlichen Zusagen dargelegt. Die Bundesregierung hat zusätzlich 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt; dies ist, glaube ich,
kein schlechtes Angebot. Vielleicht beteiligen sich an
dem Fonds noch andere EU-Mitgliedstaaten oder reiche
Ölförderländer, aber auch die Privatwirtschaft. Ich beharre schon darauf, dass auch die Privatwirtschaft ein
bisschen stärker einbezahlt; denn nur gemeinsam können
wir das Problem lösen. Herr Löning, die USA haben
nicht gesagt, die Deutschen oder die Belgier müssten soundso viel Geld einbezahlen, sondern es geht um ein Angebot an andere Geber. Das sind mehr als Frankreich,
Deutschland und die Beneluxstaaten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wir fragen hier die Bundesregierung und nicht die Privatwirtschaft. Daher wiederhole
ich meine Frage: Wäre es nicht besser gewesen, wenn
die EU geschlossen das politische Signal gegeben hätte,
hier einen deutlichen Schritt voranzugehen? Wäre es angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung nach Ihren Worten auf diesem Gebiet schon viel leistet, nicht
richtig gewesen, dies gegenüber unseren Freunden in
Amerika auch zu dokumentieren?
Herr Löning, wir sollten einfach einmal abwarten,
was die Partnerkonferenz in Paris bringt. Dann können
wir darüber noch einmal diskutieren.
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Löning auf:
Wird die Bundesregierung der Aufforderung der USA zu
einer stärkeren Unterstützung des GFATM folgen, und wenn
nein, warum nicht?
Herr Abgeordneter Löning, die Bundesregierung unterstützt wie die USA und andere wichtige Geber den
Fonds nachdrücklich in seiner Arbeit und wirkt in dessen
Verwaltungsrat aktiv mit. Im Übrigen gilt natürlich auch
im Hinblick auf diese Frage, dass wir die Mittel von bisher 200 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro aufgestockt haben.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass die zugesagten zusätzlichen 100 Millionen Euro auch für weitere
Jahre bestimmt sind, sodass die zugesagten 300 Millionen Euro für einen längeren Zeitraum als die bisher zugesagten 200 Millionen Euro gelten?
Nein, das ist nicht der Fall. Die zusätzlichen
100 Millionen Euro sind für die Jahre 2005 bis 2007.
Vorhin habe ich bereits vorgetragen, dass von den bereits
beschlossenen 200 Millionen Euro die letzte Tranche in
Höhe von 39,5 Millionen Euro im Jahre 2007 überwiesen wird. Insofern gelten die Mittel für dieselben Jahre.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich den Widerspruch, dass nach Auskunft des Global Aids Fonds
Projekte nicht angefangen werden können, weil die zugesagten Mittel nicht fließen, während Sie sagen, mit
den Projekten könne nicht begonnen werden, weil die
Mittel nicht abgerufen würden?
Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, wir
freuen uns, dass in diesem Jahr 60 Prozent der Mittel
nach Afrika abgeflossen sind. In der Anfangsphase gab
es Probleme nicht nur beim Fonds, sondern auch bei den
Antragstellern. Diese Probleme haben wir mit Beratungsleistungen zum Beispiel der GTZ zu lösen versucht.
Insofern ist diese Phase überwunden.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen.
Ich weise darauf hin, dass die Fragen 38 und 39 der
Abgeordneten Conny Mayer schriftlich beantwortet werden. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers
und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der
Fragen steht Herr Staatssekretär Béla Anda zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 40 des Kollegen Günter
Krings auf:
Wie begreift die Bundesregierung ihre Auskunftspflicht
gegenüber Journalisten und kommt es in diesem Zusammenhang vor, dass die Bundesregierung bzw. deren Sprecher Journalisten gegenüber die Auskunft verweigert?
Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Auskunftspflicht der Bundesregierung gegenüber der Presse
erstreckt sich auf Beschlüsse des Bundeskabinetts und
deren Umsetzung sowie auf das Handeln der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Organe im In- und
Ausland, soweit es von öffentlichem Interesse ist und
nicht der Geheimhaltung oder dem Vertrauensschutz unterliegt. Die Bundesregierung kommt dieser Auskunftspflicht gegenüber der Presse in vollem Umfang nach. Jedes Ministerium verfügt über eine Pressestelle, die
Auskunft erteilt.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und die Sprecher der Bundesregierung, die für den
Amtsbereich des Bundeskanzlers, aber auch in Angelegenheiten, die die Bundesregierung insgesamt betreffen,
zuständig sind, geben ebenfalls Auskünfte. Die Regierungssprecher sowie die Sprecher aller Ressorts stehen
den Journalisten und Journalistinnen darüber hinaus
dreimal pro Woche Rede und Antwort. Heute um
13.30 Uhr hat parallel zu dieser Fragestunde eine dieser
Regierungspressekonferenzen stattgefunden. Fragen aller Art können dort erörtert werden und Fragen aller Art
werden dort beantwortet.
Über seine Auskunftspflicht hinaus bietet das Presseund Informationsamt der Bundesregierung ein umfangreiches Serviceangebot zur Information von Journalisten.
So können die Medien im Internet in einer geschlossenen
Benutzergruppe zu jeder Zeit zahlreiche Informationen
abrufen: von Terminhinweisen über Mitschriften von
Pressekonferenzen bis zu Hintergrundmaterialien. Das
ist eine Seite, die wir eingeführt haben und die bis zum
jetzigen Zeitpunkt schon 4 500 Abnehmerinnen und Abnehmer gefunden hat, die dieses Angebot gern nutzen,
wie uns noch einmal versichert worden ist.
Die Ressorts verfügen ebenfalls über ständig aktualisierte Internetseiten, von denen Pressemitteilungen und
andere Informationen abgerufen werden können.
Darüber hinaus - also neben der Beantwortung von
Journalistenfragen im Rahmen der Pressekonferenzen
und neben der Zur-Verfügung-Stellung von Internetangeboten, die ich erwähnt habe - organisieren sowohl die
Ressorts als auch das Presse- und Informationsamt der
Bundesregierung im Bedarfsfall Hintergrundgespräche
„unter zwei“ oder „unter drei“ - was das heißt, ist Ihnen
ja geläufig - und Pressekonferenzen zur Erläuterung besonders wichtiger Vorgänge.
Insofern dokumentiert all dies, dass das Bundespresseamt und die Pressestellen der Bundesregierung eine
auch nach internationalem Maßstab außerordentlich
transparente Informationspolitik betreiben und Kommunikation im wahrsten Sinne des Wortes als Dienstleistung begreifen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Krings?
Nein, ich würde gern zwei Zusatzfragen zu meiner
zweiten Frage stellen.
Dann rufe ich die Frage 41 des Abgeordneten
Dr. Günter Krings auf:
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Wenn ja, in welchen Fällen kommt dies vor, und gibt es
bestimmte Journalisten, denen gegenüber die Auskunft grundsätzlich verweigert wird?
Herr Abgeordneter, die Verweigerung einer Auskunft
kommt dann vor, wenn es sich um eine Angelegenheit
handelt, für die keine Auskunftspflicht besteht, etwa aus
Geheimhaltungsgründen. Dieses Verfahren bildet in der
täglichen Arbeit der Sprecher und Sprecherinnen der
Bundesregierung und der Ministerien die Ausnahme. Solche Ausnahmen - wenn sie denn überhaupt eintreten - ergeben sich aus dem Gegenstand der Anfrage. Die Pressegesetze der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen, - die
für die Arbeit der Bundesregierung in Berlin und in Bonn
relevant sind, nennen, wie Sie wissen, zum Beispiel Geheimhaltungsgründe oder schutzwürdige private Interessen.
Gründe für eine Auskunftsverweigerung ergeben sich
hingegen nicht aus der Person des anfragenden Journalisten. Die Auskunftsverweigerung betrifft in einem solchen Fall alle Medien und ist in keinem Fall gegen bestimmte Journalistinnen und Journalisten gerichtet, da
die Bundesregierung die Medien in ihrer Arbeit gleichbehandelt. Aber die Ausnahmen, die ich erwähnt habe,
können greifen, wenn es etwa - um ein Beispiel zu nennen - um Sitzungen des geheim tagenden Bundessicherheitsrats geht.
Die erste Zusatzfrage, bitte.
Meine erste Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, ich will
noch einmal präzisierend nachfragen. Hat es in letzter
Zeit Fälle gegeben, bei denen die Bundesregierung bzw.
Sprecher der Bundesregierung oder ihre Ministerien die
Auskunft in Fällen verweigert haben, für die eine rechtliche Auskunftspflicht gegenüber Journalisten existierte?
Kam es also außerhalb der von Ihnen angeführten Geheimhaltungsfälle- oder ähnlicher Fälle dazu, dass eine
Auskunftspflicht bestand und eine Auskunft nicht erteilt
wurde?
Mir ist ein solcher Fall nicht bekannt. Herr Abgeordneter, leider haben Sie uns in Ihrer übermittelten mündlichen Anfrage auch keinerlei Hinweise auf einen konkreten Hintergrund Ihrer immer noch sehr allgemeinen
Frage gegeben. Ich kann Ihren Hinweis, wenn er einer
sein soll, nur ganz generell prüfen oder prüfen lassen,
ohne aber bisher genau wissen zu können, in welche
Richtung Sie zielen.
Zweite Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meines Wissens dürfen die Fragen auch durchaus allgemein formuliert sein.
Ich möchte meine zweite Nachfrage dann aber etwas
konkreter fassen, wie Sie es gerade gewünscht haben.
Wie ist vor dem Hintergrund Ihrer Antworten zu erklären, dass der ehemalige Sprecher des Innenministers,
Herr Lingenthal, einem Journalisten gegenüber, der ihn
wiederholt schriftlich um Informationen über die Einführung von zusätzlichen Merkmalen in Ausweisen bat,
zunächst gar nicht antwortete und dann schriftlich mit
folgenden Zeilen reagierte - ich zitiere -:
Ihre bisherigen Beiträge zeigen, dass Sie gezielt
Fakten verdrehen. Dies bleibt Ihnen unbenommen.
Nur, warum sollen wir dafür den Rohstoff liefern?
Dieser Fall ist mir nicht bekannt. Herr Lingenthal
- Sie haben selber darauf hingewiesen - ist nicht mehr
Sprecher des Innenressorts, sondern leitet jetzt im Bundespresseamt die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Er leistet hervorragende Arbeit.
Ich werde Ihren Hinweis jedoch prüfen und biete Ihnen an, den Sachverhalt nach Rücksprache mit dem betreffenden Ressort darzulegen. Unabhängig davon betone ich noch einmal, dass die Bundesregierung in ihrer
Pressearbeit grundsätzlich alle Medien gleichbehandelt.
Dies gilt auch für alle Ressorts.
Zur Beantwortung der Fragen 42 bis 53 steht Staatsminister Rolf Schwanitz zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 42 des Kollegen Andreas Schmidt
auf:
Weshalb hat das Bundeskanzleramt in seiner Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft Bonn die Formulierung gewählt, der Vorgang „Mitteldeutsche Kali“ sei „durch
einen Zufall erhalten“ geblieben - vergleiche „Die Welt“ vom
20. Juni 2003 -, und welcher Zufall ist gemeint?
Herr Kollege Schmidt, die Antwort lautet wie folgt:
Der Begriff „Zufall“ wurde gewählt, da bei „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ trotz verschwundener Originalakte ohne erkennbaren Grund Schriftgut
erhalten blieb. Bei den sieben anderen Privatisierungsvorgängen sind hingegen die Originalakten verschwunden, ohne dass Schriftgut erhalten blieb. In den anderen
sieben Privatisierungsvorhaben, deren Akten dem Untersuchungsausschuss der 12. Legislaturperiode zur Verfügung gestellt wurden, blieb nichts erhalten.
Diese Besonderheit der Privatisierung „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ besteht im Vergleich
zu den übrigen sieben Privatisierungsvorhaben, ohne
dass dafür ein Grund erkennbar ist. Auch die damals zuständigen Beamten konnten sich den Erhalt des Schriftgutes nicht erklären.
Herr Kollege Schmidt, Sie möchten dazu vermutlich
eine Zusatzfrage stellen.
Ich möchte die Zusatzfrage stellen: Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Staatsminister, dass Sie es mittlerweile für bemerkenswert halten, dass Akten vorhanden
sind?
Selbstverständlich ist mir ein gewisses Maß an Polemik fremd. Ich will aber doch sagen, dass mit Ausnahme
dieses Sonderfalls bei den anderen Vorgängen - neben
anderen ist auch dieser Vorgang in der 12. Legislaturperiode dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss
zugeleitet worden - der Aktenbestand im Original komplett nicht mehr erhalten ist. Wenn man will, kann man
sagen: Die Unnormalität ist leider der Standard bei diesen Vorgängen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind die vorhandenen Akten diejenigen, von denen
Sie hier noch im Juni dieses Jahres gesagt haben, sie
seien verschwunden?
Die Eingangsfeststellung ist falsch. Ich möchte hier
auf die Frage der Kollegin Connemann verweisen, die
ebenso wie die weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich dieses Thema berührt; denn in ihnen wird die
These aufgestellt, es seien Akten wiedergefunden worden. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Schon lange vor
dem Regierungswechsel waren Unterlagen, Originalschriftgut, in diesem Bereich vorhanden; hierin unterscheidet sich dieser Fall von den anderen Privatisierungsvorgängen, von denen ich gerade gesprochen habe.
Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Andreas Schmidt
auf:
Hat der Chef des Bundeskanzleramtes, Staatssekretär
Dr. Frank-Walter Steinmeier, die Formulierung in der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes gegenüber der Staatsanwaltschaft Bonn, der Vorgang „Mitteldeutsche Kali“ sei
„durch einen Zufall erhalten“ geblieben - vergleiche „Die
Welt“ vom 20. Juni 2003 -, gebilligt, und hält er sie auch weiterhin für angemessen?
Die Antwort, Herr Kollege Schmidt, auf beide Teilfragen, die in der Frage enthalten sind, lautet: Ja.
Ich rufe die Frage 44 der Kollegin Gitta Connemann
auf:
Seit welchem Tag hat der Chef des Bundeskanzleramtes,
Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier, Kenntnis davon,
dass der Vorgang „Mitteldeutsche Kali“ im Bundeskanzleramt
im Original gefunden wurde - vergleiche „Die Welt“ vom
20. Juni 2003 -, und was hat er veranlasst?
Frau Kollegin Connemann, Ihre Frage beruht wie
auch die nachfolgenden Fragen der Kollegen
Dr. Bergner und von Klaeden auf der Annahme, im Bundeskanzleramt seien in jüngster Zeit verschwunden geglaubte Akten wiedergefunden worden. Diese Annahme
ist falsch.
Im Bundeskanzleramt wurden seit dem Regierungswechsel 1998 keinerlei vermisste Akten aufgefunden.
Nicht erst jetzt, sondern bereits 1995 bemerkte eine Registratorin des Kanzleramtes den Verlust der Originalakten „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“. Zeitgleich heftete dieselbe Registratorin Schriftgut, welches
bis dahin außerhalb der Registratur aufbewahrt worden
war, zu einem Ersatzband „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ zusammen. Dies möchte ich erläutern und daher diesbezüglich zunächst einige Ausführungen im Zusammenhang machen.
Wie ich bereits in der Fragestunde am 4. Juni 2003
mitgeteilt habe, bleibt es dabei: Die registrierten Originalakten zur Privatisierung der Mitteldeutschen Kali/Kaliwerk Bischofferode sind verschwunden. Sie sind auch
nicht wieder aufgetaucht.
Der Sachverhalt, so wie er sich heute darstellt, wurde
von Herrn Dr. Hirsch ermittelt und ist in seinem Bericht
ausführlich geschildert. Der Sachverhalt wurde auch
dem Deutschen Bundestag berichtet, und zwar am
28. Juni 2000 dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss. An diesem von Dr. Hirsch ermittelten Sachverhalt hat sich nichts geändert. Es wurden seither keine
vermissten Akten aufgefunden, weder zur Mitteldeutschen Kali/Kaliwerk Bischofferode noch zu anderen vermissten Vorgängen. Die Aktenlage ist unverändert.
Die Originalakten „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ wurden vor Übersendung an den Untersuchungsausschuss der 12. Legislaturperiode im Kanzleramt kopiert. Die Kopien wurden dem zuständigen
Referat zur Verfügung gestellt. Auf dem ersten Band
dieser Kopien befindet sich eine handschriftliche Notiz:
Akte wurde an das BMF gesandt, Kopie für die zuständige Abteilung
Diese Notiz ist unter dem 8. Juli 1994 im zuständigen
Referat abgezeichnet. Die Originale gingen am
29. Juli 1994 in drei Ordnern an den Deutschen Bundestag. Die Rücksendung der Originale vom Bundestag
über das BMF an das Bundeskanzleramt erfolgte am
26. Oktober 1994. Diese drei ursprünglichen Originalbände sind verschwunden. Sie sind nicht etwa wieder
aufgetaucht, sondern sind und bleiben weg - leider.
Das Verschwinden hat die Registratur zu einem recht
frühen Zeitpunkt, nämlich schon 1995, bemerkt. Die damals zuständige Registratorin hat auf der Registraturkarte eingetragen:
Bände 1 bis 3 nicht mehr vorhanden ({0}), ein Ersatzband angelegt!
Die Akte hat in der Registratur eine Registraturkarte „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“, Ka 66 NA 1.
Die Eintragung auf der Registraturkarte ist undatiert. Sie
stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1995; denn ab 1995
läuft die Akte „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ weiter. Außerdem ist der namentlich erwähnte Mitarbeiter im März 1995 aus dem Bundeskanzleramt ausgeschieden.
Die Akte „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ besteht heute zunächst aus drei Hängeordnern, bei
denen es sich offenkundig um die so genannten C-Kopien handelt, die im Kanzleramt verblieben waren. Diese
Kopienbände beginnen mit dem 7. April 1993, dem
13. Juli 1993 und dem 24. September 1993. Die dazu gehörenden Originale sind verschwunden.
Neben diesen Kopien gibt es - das ist, wenn auch nur
für Kenner, ein altbekannter Sachverhalt - den von der
Registratur angelegten „Ersatzband“. Dieser „Ersatzband“ wurde angelegt, nachdem die Registratorin das
Verschwinden der Originalakte bemerkt hatte. Das
Schriftgut in diesem „Ersatzband“ beginnt mit dem
12. Februar 1993 und endet am 22. Juli 1997. Erstaunlich daran ist, dass sich ein Teil dieses Bandes mit dem
Zeitraum der verschwundenen drei Originalaktenbände
überlappt. Der überlappende Zeitraum reicht vom
12. Februar 1993 bis zum 21. Dezember 1993. Der überlappende Zeitraum ändert jedoch nichts daran, dass die
drei Originalaktenbände, die der Bundestag über das
BMF an das Kanzleramt zurückgeschickt hatte, verschwunden sind und bleiben.
Fraglich ist allerdings, wo die überlappenden Schriftstücke herkamen, aus denen die Registratorin den „Ersatzband“ anlegte.
Diese Schriftstücke waren nicht Bestandteil der registrierten Originalakte „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“, wurden außerhalb der Registratur des
Bundeskanzleramtes verwahrt, wurden Aktenbestandteil erst in dem Moment, in dem die Registratorin das
Verschwinden der registrierten Originalakte bemerkte,
und bestehen fast ausschließlich aus Schriftstücken mit
Paraphen des Bundeskanzlers oder mit Verfügungen des
Chefs des Bundeskanzleramtes. Der „Ersatzband“ setzt
sich dann ab 1995 mit normalem Originalpapier fort.
Wie es zu dieser ausgesprochen merkwürdigen und
keineswegs vorbildlichen Aktenbildung gekommen ist,
ließ sich bisher nicht klären. Insbesondere konnte sich
der damals zuständige Referent überhaupt nicht erinnern.
Die Tatsache, dass die sich in dem „Ersatzband“ befindlichen Dokumente aus demselben Zeitraum stammen wie die im Kanzleramt noch vorhandenen C-Kopien, legt aber nahe, dass es sich dabei um Schriftgut
handeln könnte, das im zuständigen Referat zurückgehalten und dort außerhalb der Registratur offenbar gesondert aufbewahrt worden ist. Wir gehen davon aus,
dass es dann 1995 auf Drängen der Registratorin zur
Konstruktion des auf der Registraturkarte vermerkten
„Ersatzbandes“ der Registratur zugeleitet worden ist,
nachdem diese das Fehlen der ausgeliehenen Akten bemerkt hatte und tätig geworden war. Außer der Registratorin interessierte sich offenbar niemand für den Aktenverlust.
Dieser Sachverhalt ist nicht neu, sondern er wurde im
disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahren ermittelt,
beschrieben und bewertet und sodann der Staatsanwaltschaft Bonn mitgeteilt. Ebenso wurde der Sachverhalt am
28. Juni 2000 dem Untersuchungssauschuss „Parteispenden“ der 14. Legislaturperiode mitgeteilt.
Damit komme ich auf Ihre konkreten Fragen zurück.
Ein Wiederauffinden der Originalakten „Mitteldeutsche
Kali/Kaliwerk Bischofferode“ nach dem Regierungswechsel 1998 hat es nicht gegeben. Die Originalakten
zur Privatisierung Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode sind nach wie vor verschwunden. Die Tatsache, dass bereits vor dem Regierungswechsel mit Originalschriftgut, das vermutlich zur Akte „Mitteldeutsche
Kali/Kaliwerk Bischofferode“ gehörte, ein „Ersatzband“
angelegt wurde, war Ergebnis der disziplinarrechtlichen
Vorermittlungen im Bundeskanzleramt. Der Chef des
Bundeskanzleramtes, Dr. Steinmeier, wurde darüber
durch den Abschlussbericht von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Burkhard Hirsch vom 31. Mai 2000 unterrichtet.
Da das Anlegen eines „Ersatzbandes“ und der Umfang des Originalschriftgutes Rückschlüsse auf den Umgang mit Originalakten von „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ möglich machten, fand diese
Tatsache Eingang in den Bericht von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Hirsch über disziplinarrechtliche Vorermittlungen im Bundeskanzleramt, der der Staatsanwaltschaft Bonn am 14. Juli 2000 übergeben wurde.
Außerdem hat Herr Dr. Hirsch den ParteispendenUntersuchungsausschuss der 14. Legislaturperiode am
28. Juni 2000 über den Zustand der Akten „Mitteldeutsche Kali/Kaliwerk Bischofferode“ unterrichtet. Anwesend waren für die CDU-Fraktion unter anderem Kollegin Voßhoff und Kollege Andreas Schmidt, weshalb
diese Dinge Ihnen bereits seit drei Jahren bekannt sind.
Ein weiteres Tätigwerden des Chefs des Bundeskanzleramtes über die Information der Staatsanwaltschaft
und des Deutschen Bundestages hinaus war nicht erforderlich.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Connemann.
Ich danke Ihnen für die wirklich außergewöhnlich
ausführliche Beantwortung dieser Frage. Angesichts der
sonstigen Kürze von Antworten bin ich darüber angenehm überrascht.
Da ich diesem Hohen Hause erst seit kurzer Zeit angehöre, sehen Sie es mir bitte nach, dass ich vielleicht
nicht so gut informiert bin wie die anderen Kollegen und
dass ich die Antworten angesichts ihrer Länge nicht im
Detail nachvollziehen kann. Zwei Nachfragen möchte
ich dennoch stellen:
Erstens. Auf welche Akten wird in dem Schreiben des
Bundeskanzleramtes an die Staatsanwaltschaft Bonn
vom 12. Juni 2003, in dem ja auf eine Aktenlage im Bereich „Mitteldeutsche Kali“ Bezug genommen wird, genau Bezug genommen, auf die C-Kopien, auf die B-Kopien, auf die A-Kopien? Vielleicht können Sie das noch
einmal darstellen.
Frau Connemann, ich will es Ihnen ersparen, dass ich
das noch einmal vorlese. Selbstverständlich haben wir
gegenüber der Staatsanwaltschaft auf die besondere Situation bei diesem Vorgang „Kali“ deshalb hingewiesen,
weil in diesem Fall, anders als bei den anderen Vorgängen, in der Tat deutlich wird - das ist wohl auch für die
Ermittlungen ein wichtiger Umstand -, dass das Bundeskanzleramt mit Privatisierungsvorgängen sehr wohl bis
in den höchsten Leitungsbereich hinein betraut war.
Ich denke, es war auch für den Untersuchungsausschuss der 12. Legislaturperiode eine schwierige Situation, dass das Kanzleramt aufgrund der damals übersandten Originalbelege in Erscheinung trat, als sei es mit
Privatisierungsvorgängen nicht befasst. Gerade der Vorgang „Mitteldeutsche Kali“ und das im Zusammenhang
damit 1995 erfolgte Anlegen eines „Ersatzbandes“ belegt anschaulich, dass das Bundeskanzleramt bis in die
höchsten Leitungsebenen hinein mit Privatisierungsvorgängen befasst gewesen ist. Das lässt Rückschlüsse auch
auf die anderen Privatisierungsvorgänge zu, die für die
staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen von Interesse
sind.
Weitere Zusatzfrage, Frau Connemann.
Sie haben in Ihren Ausführungen unter anderem bemerkt, dass sich der Referent nicht mehr erinnern könne.
Konnte sich die Registratorin erinnern?
Selbstverständlich konnte sich die Registratorin erinnern. Es handelte sich um hilfreiche Informationen über
das Anlegen dieses „Ersatzbandes“.
Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde. Je
nach Betrachtungsweise mag das mit Bedauern oder Erleichterung zur Kenntnis genommen werden, es entspricht aber unseren präzisen Regeln.
({0})
Zu diesen gehört auch, dass die nun nicht mehr aufgerufenen Fragen schriftlich beantwortet werden.
Wir sind damit zugleich am Ende der heutigen Tagesordnung.
Bevor ich die Sitzung schließe, berufe ich die nächste
Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 9 Uhr, ein.
Ich schließe die heutige Sitzung.