Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie bitten, sich zu erheben.
({0})
Bestürzt und fassungslos haben wir am 7. Juni dieses
Jahres die Nachricht erhalten, dass vier Soldaten der
Bundeswehr bei einem terroristischen Anschlag in
Kabul ihr Leben verloren haben und dass weitere
29 Angehörige der Schutztruppe zum Teil schwerste
Verletzungen erleiden mussten. Unser Mitgefühl gilt den
Familien der Soldaten, die nach Afghanistan gekommen
waren, um der Bevölkerung Frieden und Freiheit zu
bringen, auf die sie jahrzehntelang verzichten musste.
Mit Freude und einem gewissen Stolz haben wir ver-
folgt, wie es der Schutztruppe in kürzester Zeit gelungen
ist, die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Dass gerade
dieser vertrauensvolle Umgang und die Nähe zur Bevöl-
kerung zu den schlimmen Folgen geführt haben, die wir
heute hier beklagen müssen, erfüllt uns umso mehr mit
Trauer.
Die Gefahren, die der Kampf gegen den Terrorismus
mit sich bringt, sind uns durch das bisher schwerste At-
tentat auf die Schutztruppe noch einmal vor Augen ge-
führt worden. Die getöteten Soldaten haben sich ihnen
bewusst und mit großem Mut gestellt, weil sie daran mit-
wirken wollten, die Zukunft Afghanistans und seiner
Menschen positiv zu gestalten. Auch um ihres Anden-
kens willen müssen wir unsere Anstrengungen im
Kampf gegen den internationalen Terrorismus fortsetzen.
Der Deutsche Bundestag und die Bürgerinnen und
Bürger der Bundesrepublik Deutschland empfinden für
die Hinterbliebenen der Opfer tiefes Mitgefühl. Unsere
Gedanken sind auch bei denjenigen, die aufgrund ihrer
schweren Verletzungen noch immer behandelt werden
müssen.
Sie haben sich zu Ehren der Opfer von Ihren Plätzen
erhoben; ich danke Ihnen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Ta-
gesordnung um einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion
auf Drucksache 15/1174 und um einen Antrag der FDP-
Fraktion auf Drucksache 15/1175 zu erweitern, die im
Zusammenhang mit der Beratung zum Gesundheitssys-
temmodernisierungsgesetz aufgerufen werden sollen.
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Wider-
spruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b sowie
die Zusatzpunkte 1 und 2 auf:
2 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems ({1})
- Drucksache 15/1170 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({2})
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L.
Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP
Altersgrenze für Vertragsärzte beseitigen
- Drucksache 15/940 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette
Widmann-Mauz, Andreas Storm, Dr. Wolf Bauer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Redetext
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Für ein freiheitliches, humanes Gesundheitswesen - Gesundheitspolitik neu denken und
gestalten
- Drucksache 15/1174 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({3})
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L.
Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP
Mut zur Verantwortung - für ein freiheitliches
Gesundheitswesen
- Drucksache 15/1175 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({4})
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Franz Müntefering, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beginnt
die Umsetzung der Agenda 2010. Als Bundeskanzler
Gerhard Schröder sie am 14. März dieses Jahres hier
vorstellte, haben manche ungläubig geschaut und manche auch empört aufgeschrien.
({0})
Wir haben die drei Monate, die seitdem vergangen sind,
gut genutzt. Die Analyse zu den Rahmenbedingungen ist
klarer geworden. Die Vorhaben sind präziser. Der Wille
zur Umsetzung ist eindeutig. Wir haben versprochen, das
Land zu erneuern. Das tun wir. Wir haben auch versprochen, das Land zusammenzuhalten. Dafür sorgen wir.
({1})
Heute findet die erste Lesung des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes statt. Wir handeln. Man hat
den Eindruck, dass die Opposition die letzten drei Monate ein bisschen verschlafen hat. Das ist nicht gut; denn
wir brauchen für die Umsetzung der Agenda 2010 eine
handlungsfähige Opposition.
({2})
Ich will Ihnen den Hinweis geben, dass wir hier noch
vor der Sommerpause die erste Lesung der Vorlage zur
Handwerksordnung und des Gesetzes über Arbeitnehmerrechte/Zahldauer Arbeitslosengeld erleben werden.
Sie sollten sich um diese Themen ganz konkret kümmern, damit Sie sich nicht wieder erst zwei Tage vor der
ersten Lesung in Abwesenheit von Herrn Seehofer mühselig zusammenraufen müssen.
({3})
Sie sollten dafür sorgen, dass Sie zu eigenen Positionen
kommen.
Unser Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz hilft,
die Qualität unseres Gesundheitswesens zu sichern und
zu bessern. Es sorgt für die Einsparung von Kosten im
System. Es macht die gesetzliche Krankenversicherung
schlanker. Es fordert mehr Eigenverantwortung und sichert die Substanz der Krankenversicherung dauerhaft.
Um all dies geht es.
Das Gesundheitswesen in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Das erfordert Anstrengungen. Es ist nicht billig; aber es lohnt
sich. Gesundheit ist ein hohes Gut. Die Absicherung
der Gesundheitsrisiken ist teuer; sie können vernünftig
nur solidarisch abgesichert werden.
({4})
Menschen sorgen für Menschen, das ist der Grundgedanke der gesetzlichen Krankenversicherung, der richtig
bleibt und auch in Zukunft gelten wird. Die Idee der totalen Individualisierung der Risiken - sie scheint das
Ziel einiger in der Opposition zu sein - führt in die Irre.
({5})
Manche fragen sich in diesen Wochen: Lohnt sich
Krankenversicherung? Bekomme ich das Geld, das ich
eingezahlt habe, wieder heraus? Das sind absurde Fragen. Eine Krankenversicherung ist kein Sparklub. Krankenversicherung funktioniert so, dass viele mehr einzahlen müssen, als sie herausbekommen, damit einige, die
darauf angewiesen sind, mehr herausbekommen, als sie
einzahlen. So funktioniert Krankenversicherung.
({6})
Jeder von uns kann auf sie angewiesen sein, wenn er
lange krank ist, lange Zeit medizinische Hilfe braucht
oder teure Rehamaßnahmen in Anspruch nehmen muss.
Deshalb bleibt eine obligatorische gesetzliche KrankenFranz Müntefering
versicherung vernünftig. Wir sorgen dafür, dass das Gesundheitssystem auch in Zukunft solidarisch finanziert
wird.
Dies gilt im Übrigen auch für das Krankengeld. Was
Ministerpräsident Stoiber diesbezüglich in den letzten
Tagen von sich gegeben hat, zeigt, dass er entweder von
der Sache keine Ahnung hat oder die Menschen wissentlich falsch informiert.
({7})
Beides wäre schlimm.
({8})
Herr Stoiber, von dieser Stelle aus Klartext: Das Krankengeld wird auch in Zukunft wie bisher gezahlt. Es
wird unverändert solidarisch finanziert. Niemand, der
länger krank und Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, muss hier Sorge haben. Den Versicherungsbeitrag für das Krankengeld zahlen in Zukunft ausschließlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
nicht mehr die Arbeitgeber. Diese Entscheidung ist uns
nicht leicht gefallen; aber sie ist logisch und konsequent.
Manche behaupten, damit werde die paritätische Finanzierung erstmals durchbrochen. Das ist erkennbar falsch.
Fast 40 Prozent unseres Sozialsystems sind nicht paritätisch beitragsfinanziert: Das gilt für die Rente, das gilt
für die Pflegeversicherung, das gilt für die Zuzahlung
bei Medikamenten.
Wir machen den Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung nun schmaler und nehmen alles
heraus, was nicht eine originäre medizinische Sachleistung ist oder zum Bereich der Prävention gehört: das
Krankengeld - ich habe es soeben erwähnt -, das Mutterschaftsgeld - es wird aus dem Steuertopf gezahlt;
Stichwort: Erhöhung der Tabaksteuer - und das Sterbegeld, das in Zukunft entfallen wird.
Das Gesundheitswesen ist die größte Branche in unserem Land überhaupt. In ihr arbeiten mehr Menschen
als in jeder anderen Branche, nämlich über 4 Millionen.
Das wird nicht nur so bleiben, es wird sich sogar noch
steigern. Der Dienst des Menschen am Menschen wird
in unserer Gesellschaft weiter an Bedeutung gewinnen.
Es muss sich erst noch zeigen, ob unsere Gesellschaft
umfassend bereit ist, diesen Dienst auch zu leisten, oder
ob sie sich auf Zuwanderung verlässt. Die Beantwortung
dieser Frage ist für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und die Finanzierbarkeit unseres Sozialsystems
entscheidend. Wir fordern die Anbieter im Gesundheitswesen mit dem Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz zu besonderer Anstrengung heraus; aber wir achten
dabei darauf, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit erhalten bleiben.
({9})
An einigen Stellen muss der Wettbewerb allerdings
erst ausgerufen werden. Wir gehen erste sinnvolle
Schritte, den Sicherstellungsauftrag aufzulockern. Wir
muten den Beteiligten und Betroffenen im Gesundheitswesen mit der Reform einiges zu. Dabei sind wir sicher:
Diese Therapie ist richtig, auch im richtigen Augenblick.
Dass gute Therapie anstrengend sein kann, wissen wir
alle.
Zum heutigen Tag haben wir als Koalition unseren
Gesetzentwurf, unsere Konzeption, auf den Tisch gelegt.
Wir haben das in engster Abstimmung mit der Gesundheitsministerin, mit Ulla Schmidt, getan. Sie hat die wesentliche Vorarbeit für diesen Gesetzentwurf geleistet.
Mit ihr zusammen werden wir das Gesetz beschließen
und umsetzen.
Wir haben in den vergangenen Monaten intensive Gespräche mit allen Beteiligten geführt: mit den Ärztekammern, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den
Kassen, der Industrie, den Apothekern und vielen mehr.
Wir werden diese Gespräche weiter führen. Die Botschaften dabei waren in einem immer ähnlich, sogar sehr
ähnlich: Generelle Zustimmung dazu, dass Reformbedarf besteht; schwieriger wird es dann bei eigener Betroffenheit und im Detail. Diejenigen, die sonst täglich
die Reformmelodie singen, kriegen dann schnell einen
Schluckauf. Ich vermute einmal, dass Sie in der Opposition bei Ihren Gesprächen ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Auch dies unterstreicht eines ganz deutlich: Entscheiden müssen am Ende wir hier im
Deutschen Bundestag; entscheiden muss die Politik.
Das Gesundheitswesen ist eine komplizierte Branche
mit vielen gegenläufigen und widerstrebenden Interessen. Das Produkt Gesundheit, um das es geht, ist etwas
ganz Besonderes. Es unterscheidet sich von den üblichen
Angeboten produzierender Betriebe und Dienstleister in
markanter Weise. Deshalb braucht es besondere Antworten. Wir werden diese Gespräche weiter führen und darauf drängen, dass wir in der Politik hier im Deutschen
Bundestag die nötigen Entscheidungen treffen.
Dabei wissen wir, dass wir bei der Reform des Gesundheitswesens hier im Haus aufeinander angewiesen
sind, wenn es etwas wirklich Gutes werden soll. Es wird
also zu einigen Punkten Kompromisse geben, geben
müssen. Das Land kann von uns allen hier mit Recht erwarten, dass wir zu solchen Kompromissen fähig sind.
({10})
Das Wort Kompromiss wird in Deutschland ambivalent
gesehen. Es gibt faule Kompromisse - das ist richtig -,
aber es gibt auch faule Kompromissunfähigkeit.
({11})
Lassen Sie uns offen darüber reden! Wir wollen, dass die
Sache gelingt. Weshalb nicht schon hier im Bundestag?
Das wäre für die Sache gut, aber es wäre auch für uns als
Gesetzgeber gut und es wäre für die demokratische Kultur in unserem Land gut.
({12})
Ich habe keinen Zweifel: Unsere Demokratie wird dabei
gewinnen.
({13})
Ich biete Ihnen, Frau Merkel, deshalb hier eine Verfahrensverständigung an. In unserer parlamentarischen
Praxis hat sich ein System herausgebildet, bei dem es als
selbstverständlich gilt, dass über fast alle wichtigen Gesetzentwürfe in der zweiten und dritten Lesung kontrovers abgestimmt wird und dann in den Kulissen des Vermittlungsausschusses der Kompromiss gesucht wird.
Wir bezweifeln ernsthaft, dass dies zwingend immer der
richtige Weg ist.
({14})
Warum legen wir als Bundestag das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz in seltsamer Selbstbescheidung in die Hände der Länder und machen es davon abhängig, dass man dort nicht den Mut hat, jetzt zu
handeln, weil demnächst in Bayern oder anderswo Landtagswahlen sind?
({15})
Der Deutsche Bundestag ist der Ort, an dem gestritten,
debattiert und verhandelt werden sollte. Im Ausschuss,
bei den Anhörungen und natürlich hier im Plenum kann
zwischen den beteiligten Parteien, der Koalition und der
Opposition, eine gemeinsame Linie gesucht werden. Wir
haben alle Voraussetzungen und auch alle Instrumente,
um zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen.
Wir streben die zweite und dritte Lesung des
Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes für den
8. Juli an, also noch vor der Sommerpause.
({16})
Wenn es hier vorher zu einer Erfolg versprechenden
Kompromisssuche kommt, sind wir da flexibel. Wenn
nicht, lassen wir uns allerdings auch nicht aufhalten;
({17})
dann machen wir das, was wir aus eigener Kraft stemmen können, auch gegen Sie und gegen die Mehrheit im
Bundesrat. Die Verantwortung liegt bei Ihnen.
({18})
Ich machen Ihnen ein ehrliches Angebot. Wir streben
ein gemeinsam getragenes Gesetz an. Ich biete Ihnen,
Frau Merkel, an, heute hier oder in den nächsten Tagen
mit uns in der Koalition ein solches Verfahren zu vereinbaren. Wir können gemeinsam ein gutes Beispiel setzen.
Wir sollten ebenso auch noch in diesem Jahr beginnen, die Gedanken über die Reform der bundesstaatlichen Ordnung, die überall - mit Recht übrigens - aufflackern, hier in den Deutschen Bundestag zu tragen. Ich
schlage im Namen meiner Fraktion vor, im Herbst dieses
Jahres eine umfassende Debatte zur Modernisierung der
bundesstaatlichen Ordnung hier im Deutschen Bundestag und zusammen mit dem Bundesrat zu führen sowie
das Verfahren zur Einrichtung einer Verfassungskommission zu klären. Die bundesstaatliche Ordnung ist Teil der
Erfolgsgeschichte Westdeutschlands von 1949 bis 1989.
Inzwischen gibt es aber Verwerfungen und Verkrustungen, die die Lösung der gesellschaftlichen und politischen Aufgaben unserer Zeit immer mehr behindern.
({19})
Politischer Aufbruch braucht klare Verantwortungsstrukturen, handlungsfähige Städte und Gemeinden,
eindeutige Zuordnung der Zuständigkeiten an die staatlichen Ebenen, den Bundestag als starken Bundesgesetzgeber, in gleicher Weise Raum für Subsidiarität und
Eigenverantwortung, Bürgernähe, mehr Vernetzung,
weniger Hierarchie, Optimierung der Finanzströme der
öffentlichen Hände, mehr Mut zu Neuem, weniger Beharrung. Wir wollen diese Themen aufgreifen. Zur
Erneuerung in unserem Land gehört Erneuerung der
sozialen Sicherungssysteme, Erneuerung der Arbeitsmarktstrukturen, Erneuerungsbereitschaft aufseiten der
Wirtschaft und des Staates und Erneuerung der Strukturen unserer Demokratie.
({20})
Das muss uns in diesem Jahrzehnt in Deutschland gelingen. Deshalb sprechen wir von der Agenda 2010.
({21})
Um erste wichtige konkrete Schritte geht es heute hier.
Wir brauchen aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Erneuerung der Mentalitäten, wenn wir
Wohlstand dauerhaft sichern und soziale Gerechtigkeit
gewährleisten wollen. Und das wollen wir. Wir brauchen
in Deutschland mehr Mut,
({22})
Mut zur Gestaltung und Zuversicht in die Stärke unseres
Landes. Totale Sicherheit gibt es dabei nicht, aber die
Zukunft braucht Wandel und Wandel bringt Sicherheit.
Die Zukunft ist nicht am Reißbrett und nicht im Sandkasten planbar, aber die richtige Richtung ist sehr wohl
erkennbar. Diese Richtung schlagen wir mit der Agenda
2010 ein.
({23})
Ich bin zuversichtlich, dass es am Ende dieses Jahres,
das ein anstrengendes Jahr auch für uns im Deutschen
Bundestag sein wird - wir werden viele gemeinsame Sitzungen haben, uns streiten und hoffentlich zu guten Ergebnissen kommen -, in Deutschland keine große gesellschaftliche Gruppe mehr geben wird, die nicht auf der
richtigen Seite, auf der Seite der Erneuerung, stehen
wird. Die Koalition geht voran, Sie bekommen vielleicht
knapp die Kurve.
({24})
Andere in der Gesellschaft, die sich noch ein wenig zurückhalten, werden auch dabei sein. Ich sage Ihnen voraus: Ende des Jahres ist Deutschland auf die ErneueFranz Müntefering
rung eingestimmt. Wir sind diejenigen, die mit ihr
begonnen haben und sie vorantreiben. Sie haben das
nicht geschafft.
({25})
Lassen Sie uns also in einen vernünftigen Wettbewerb
treten! Ich bin sicher, dass wir in diesem Jahr in
Deutschland die nötigen Schritte tun. Das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz, das wir heute auf den
Weg bringen, ist der erste wichtige und konkrete Schritt.
Die Debatte und der Streit über den richtigen Weg in
den vergangenen Wochen und Monaten in meiner Partei,
in Ihren Parteien, in den Gewerkschaften, in den gesellschaftlichen Gruppen waren richtig und nötig. Sie haben
an vielen Stellen Klarheit geschaffen und noch einmal
deutlich gemacht, dass uns die Globalisierung, die Europäisierung und die demographische Entwicklung zu Veränderungen zwingen. Manche sagen, die Einsicht
komme sehr spät. Das ist wahr, das kann man nicht bestreiten, aber sehr spät ist nicht zu spät.
({26})
- Sie kam übrigens, Frau Merkel, auch bei Ihnen sehr
spät. Sie brauchen da gar nicht zu lachen. Sie hätten es in
den 90er-Jahren schon merken können; da wusste man
bereits, wie die demographische Entwicklung verläuft.
({27})
Auch wenn es sehr spät ist, ist das kein Grund, sich jetzt
noch den Veränderungen zu verweigern.
Zu einem weiteren Vorwurf, der von Ihnen und auch
von anderen Stellen kommt, dass wir unsere Positionen
gegenüber dem, was wir vor einem oder vor drei Jahren
gesagt haben, kann ich nur sagen: Das stimmt. Dazu bekenne ich mich; dazu bekennen wir uns. Es wäre eine
seltsame Politik, die von sich behauptete, dass sie zu keiner Veränderung bereit sei, auch wenn die Rahmenbedingungen sich verändern. Wir alle miteinander haben in
den 90er-Jahren bis in die letzten Jahre hinein in der
Hoffnung auf eine gute Entwicklung der Konjunktur die
Strukturprobleme verdeckt. Das ist schlichtweg die
Wahrheit und das müssen wir realisieren. Aber das Land
kann von uns erwarten, dass wir aus der Entwicklung der
letzten drei Jahre nun die Konsequenzen ziehen und begreifen: Das Warten auf Konjunktur, das Kämpfen um
Konjunktur, das zur Politik gehört, ist noch nicht die Lösung, sondern es werden auch Strukturveränderungen
nötig sein. Wir sind bereit, sie im Interesse des Landes
durchzuführen, und wir hoffen auf gute und gedeihliche
Zusammenarbeit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({28})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Angela Merkel,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber
Herr Müntefering, Einsichten sind immer gut;
({0})
aber wenn Sie nunmehr Geschichtsklitterung betreiben
({1})
und behaupten, wir hätten bestimmte Dinge nicht erkannt, zu Zeitpunkten, als Sie noch massiv dagegen gekämpft haben, muss ich das in freundlicher, aber entschiedener Form zurückweisen.
({2})
Wir haben fünf Jahre vertan, bevor auch bei Ihnen
jetzt in Form eines Nachhaltigkeitsfaktors über das demographische Problem bei der Rentenversicherung
nachgedacht wird. Die Wahrheit ist: Sie hätten besser daran getan, diesen demographischen Faktor damals nicht
herauszunehmen.
({3})
Wir haben das Thema Zuzahlungen in der Gesundheitsvorsorge 1998 als ein schwieriges, aber notwendiges
Thema im Gesetz gehabt. Sie haben einen dramatischen
Wahlkampf dagegen geführt. Aber unser Ansatz hat sich
als richtig erwiesen; es geht kein Weg daran vorbei.
Ich will jetzt nicht weiter in die Vergangenheit
schauen, sondern nur sagen: Die Erkenntnisse hätten
längst umgesetzt worden sein können. Millionen von
Menschen könnten heute Arbeitsplätze haben und sich in
einer besseren Lage befinden, wenn Sie das früher bedacht hätten.
({4})
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Veränderungen in
Volksparteien sind immer diskussionswürdig. Es gibt
verschiedene Interessenlagen und Überzeugungen und
damit macht es sich niemand leicht.
Der Bundeskanzler hat hier am 14. März eine Regierungserklärung abgegeben,
({5})
auf die wir schon damals geantwortet haben, dass wir die
Schritte, die in die richtige Richtung gehen, selbstverständlich unterstützen werden. Wir haben aber bis zum
15. Juni warten müssen, bis wir endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen haben, weil nämlich die Meinungsbildung in Ihren Parteien notwendigerweise mit
Sonderparteitagen abgeschlossen werden musste.
({6})
Ich kann nur sagen: Wir waren immer sprechfähig,
wir sind jetzt sprechfähig, wir haben ein Alternativkonzept. ({7})
Da können Sie lachen oder auch nicht. Aber zwischen
dem 14. März und dem 15. Juni sind in Deutschland
10 000 Betriebe in die Insolvenz gegangen, denen hätte
geholfen werden können, wenn wir mit den Gesetzesberatungen weiter wären.
({8})
Sie haben heute einen ersten Gesetzentwurf aus der
Agenda 2010 eingebracht, einen Gesetzentwurf, der sich
mit einem Thema beschäftigt, das die Menschen in diesem Lande unendlich berührt, weil jeder auf Gesundheit
angewiesen ist, jeder um Gesundheit ringt und dieses
Thema mit sehr vielen Ängsten belastet ist. Deshalb
kann ich Ihnen an dieser Stelle sagen: Was immer wir in
den Beratungen gemeinschaftlich durchsetzen können,
das wollen wir mit Ihnen gemeinschaftlich durchsetzen.
({9})
- Was heißt „wann“? Sofort nach dieser Debatte können
unsere Gesundheitspolitiker auf Ihre Gesundheitspolitiker zugehen und vereinbaren, in welcher Form sie im
Ausschuss vorgehen wollen.
Aber ich sage eines, Herr Müntefering: Ihr Satz „Wir
werden das Gesetz von Frau Schmidt in diesem Hause
durchsetzen“ ist kein Satz, der zu dem Angebot, das Sie
dann formal gemacht haben, passt. Das passt nicht zusammen.
({10})
Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie jetzt wieder
nach dem von Ihnen ausgerufenen Prinzip „Mehrheit ist
Mehrheit“ verfahren oder ob Sie in diesem Falle - ich
würde das sehr begrüßen - in eine ernsthafte Debatte
eintreten - ich sage nachher, welche Grundzüge wir darin vertreten werden -, in der wir gemeinsam schauen,
ob es Lösungen gibt.
Herr Müntefering, was sich gestern aber im Gesundheitsausschuss abgespielt hat, hat uns natürlich nicht ermutigt. Dort ist die Positivliste, die - im Gesamtzusammenhang gesehen - für das Gesundheitswesen von
größter Bedeutung ist, einfach vorgezogen und abgeschlossen worden. Glauben Sie eigentlich, das sei eine
Einladung zu einer konstruktiven Zusammenarbeit am
nächsten Tag?
({11})
Über die allgemeinen Erklärungen in Form von Überschriften hinaus brauchen wir von Ihren Fachleuten ein
klares Signal - das steht im Gegensatz zu dem, was Sie
gestern noch praktiziert haben -, dass sich die Umgangsformen bei den Beratungen, die jetzt anstehen und die
wir zügig begleiten werden, ändern. Dieses Signal ist bis
jetzt ausgeblieben.
({12})
Ich stimme Ihnen zu: Wir sind beim Gesundheitswesen aufeinander angewiesen. Ich sage aber auch, dass
wir nicht nur aufeinander angewiesen sind, sondern dass
wir gleiche Zielsetzungen haben; denn auch unser Ziel
ist ein Beitragssatz von 13 Prozent in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Wir müssen es in der Praxis gemeinsam erreichen.
Der Bundeskanzler hat immer wieder darauf hingewiesen - Herr Müntefering, Sie haben eben auch davon
gesprochen -, dass wir mehr Effizienz in diesem System und vor allen Dingen eine langfristig angelegte
und realistische Betrachtungsweise brauchen. Herr
Müntefering, das Allerwichtigste ist - wenn wir es nicht
tun, können wir immer wieder nur kürzen, sparen und
einschränken -, dass wir die Einnahmeseite der gesetzlichen Sozialversicherungen wieder in Ordnung bringen.
Das können wir erreichen, indem die Arbeitslosigkeit in
diesem Lande abgebaut und die wirtschaftliche Lage
verbessert wird.
({13})
Es ist bedauerlich, dass wir bis jetzt keines der Arbeitsmarktgesetze im Parlament vorliegen haben und
dass der Prozess hinsichtlich der Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie er es sein könnte. Sie, meine Damen
und Herren von der SPD und den Grünen, wissen genau,
dass wir im Zuge der Umsetzung des Hartz-Konzeptes
durch unsere unglaublich konstruktive Mitarbeit Herrn
Clement geholfen haben, sozusagen aus Unvernunft Vernunft zu machen. Wir haben heute einen relativ gut aufgestellten Niedriglohnsektor, weil das Wahlprogramm
der CDU/CSU umgesetzt wurde. Das ist die Wahrheit.
({14})
Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass in
dem von uns vorgelegten Antrag eine klare Alternative
aufgezeigt ist. Diese klare Alternative macht das Problem deutlich: Der Gesetzentwurf von Frau Schmidt enthält nach unserer festen Überzeugung zu viel Tendenzen
in Richtung Zentralismus, Kassenhoheit, Einheitskasse
und zu wenig Tendenzen in Richtung Wettbewerb, Freizügigkeit und Gleichheit des Arztberufes.
({15})
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen, über
das wir ganz zu Beginn sprechen müssen und bei dem
sich zeigen wird, ob man das Gesundheitswesen vom
Kopf auf die Füße stellen kann. Es geht um das Thema
Qualitätsmanagement. Wir sind auch dafür. Aber wir
glauben, dass dies innerhalb der Selbstverwaltung organisiert werden muss.
({16})
- Sie wollen mit uns doch konstruktiv beraten. Hören
Sie sich also wenigstens einmal an, was unsere Überzeugung ist!
({17})
Wenn Sie sich so im Ausschuss verhalten, dann wird es
mit der Gemeinsamkeit wohl nichts werden. Sie müssen
wenigstens zuhören.
({18})
Erster Punkt. Wir halten die zentralistische Anbindung an das Ministerium für falsch. Aus diesem Grunde
sagen wir zwar Ja zum Qualitätsmanagement, aber wir
wollen nicht, dass aufgrund des Drucks, der von der zentralen Stelle ausgeübt wird, Bedingungen für die Kassen
geschaffen werden, die letztlich die Tendenz in Richtung
Einheitskasse verstärken.
Zweiter Punkt. Wir denken in der Tat, dass wir den
Arztberuf in einen freien Beruf umwandeln müssen, das
heißt, dass wir Restriktionen abbauen müssen. Wir wollen nicht - das sage ich ganz ausdrücklich -, dass die Zugänge zu den verschiedenen Ärzten, also zum Hausarzt
und zum Facharzt, unterschiedlich geregelt werden.
({19})
Der freie Arztberuf wird in Deutschland nur erhalten
bleiben, wenn der Zugang zum Hausarzt und zum Facharzt in gleicher Weise geregelt ist.
Meine Damen und Herren, das sind zwei ganz wesentliche Punkte, an denen Sie die Unterschiedlichkeit
der Auffassungen sehen können. Darüber müssen wir
sprechen.
Nun sind auch wir der Meinung, dass wir Einsparungen vornehmen müssen und vor allen Dingen für den Patienten Anreize zu einem sparsamen Umgang mit dem
Gesundheitswesen schaffen müssen. Dazu sage ich: Wir
haben große Vorbehalte. Wir unterstützen es nicht, dass
man einzelne Leistungen herausnimmt. Warum die Sehhilfe? Warum das nicht verschreibungspflichtige Medikament? Warum ausgerechnet die Fahrt zum Arzt?
({20})
Wir sagen: Lasst uns eine Selbstbeteiligung einführen! Aber lasst sie für alle in Anspruch genommenen
Leistungen in gleicher Weise gelten, damit nicht bei bestimmten Gruppen Leistungen herausgenommen werden
und bestimmte Gruppen an anderer Stelle überhaupt
nicht betroffen sind.
({21})
Deshalb sind wir zu der Meinung gekommen, eine
Selbstbeteiligung in Höhe von 10 Prozent für jede in Anspruch genommene medizinische Leistung einzuführen,
allerdings sozial gestaffelt - ich glaube, darin sind wir
uns einig - bis zu einer maximalen Belastung von
2 Prozent des Lohns.
Bitte lassen Sie uns jetzt nicht wieder in Diffamierungsargumentationen zurückfallen!
({22})
- Das hat mit blankem Lobbyismus gar nichts zu tun.
({23})
Wir sehen bei jeder Leistung eine Selbstbeteiligung
von 10 Prozent vor, und zwar gedeckelt bis 2 Prozent
des Einkommens. Es gibt ähnliche Regelungen; sie
funktionieren. Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie uns in
aller Ruhe die Argumente darüber austauschen!
({24})
Frau Schmidt, es hat mich sehr enttäuscht, was die
Herausnahme einer bestimmten Leistung - darüber gab
es bei uns in den letzten Wochen und insbesondere in
den letzten Tagen eine Kontroverse - angeht: Der Bundeskanzler hat am 14. März gesagt, im Falle des Krankengeldes bleibe die Kostenbelastung durch eine private
Versicherung für den Einzelnen beherrschbar. Die ursprüngliche Idee in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers war es, das Krankengeld privat abzusichern.
({25})
Wir haben damals im Hinblick auf die Frage, ob diese
Leistung dafür geeignet ist oder nicht, eine andere Meinung gehabt. Dies war aber Ihr Ansatz. Sie haben dann
eine interne Diskussion geführt und dies so nicht durchsetzen können. Sie haben sich entschlossen, diese Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu belassen, und haben einfach bei der paritätischen
Finanzierung Verschiebungen vorgenommen. Das ist
jetzt die Beschlusslage.
Bitte fangen Sie nicht unter der Freude, dass Sie uns
auseinander dividieren könnten, an, den Eindruck zu erwecken, die Herausnahme einer Leistung sei Teufelszeug!
({26})
Es gibt in Europa viele Länder, die gerade im Bereich
der Zahnbehandlung erhebliche und gute Erfahrungen
damit gemacht haben, eine Leistung herauszunehmen,
weil sie damit für die Menschen Anreize schaffen, Prophylaxe zu betreiben und die Dinge in diesem Bereich
ernsthafter zu betrachten.
({27})
Wir stehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im
Gesundheitssystem vor riesigen Herausforderungen. Ich
stimme Ihnen ausdrücklich zu: Dies ist im Grunde ein
Wachstumsmarkt, ein Markt, den wir so organisieren
müssen, dass in unserem Land auf diesem Markt Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die Alterung unserer Bevölkerung nimmt zu. Die eigentlichen demographischen Herausforderungen werden von 2010 bis 2030
auf uns zukommen. Wer sich den demographischen Buckel einmal anschaut, der weiß, welche Belastungen wir
zu tragen haben und welche Leistungen von der Politik
noch erwartet werden.
({28})
Deshalb ist es für uns wichtig - das war die Intention
des Kompromisses in unserem Antrag -, dass wir den
Instrumentenkasten der Möglichkeiten, die wir in Zukunft brauchen, um das Gesundheitssystem über Jahrzehnte stabil zu halten, jetzt erproben. Deshalb sagen
wir: Die Herausnahme einer Leistung halten wir für ein
ganz wichtiges Element, um damit Erfahrungen zu sammeln, um zu schauen, ob die privaten Versicherungen
überhaupt ihre Versprechungen einhalten, und zu lernen,
ob dies in die richtige Richtung führt.
({29})
Deshalb sind wir auf der einen Seite für Eigenbeteiligung, für mehr Effizienz im System sowie für einen
freien Arztberuf und auf der anderen Seite für die Herausnahme einer Leistung. Das ist unser Werkzeugkasten, mit dem wir dieses System beherrschbar machen,
den Arztberuf zu einem attraktiven Beruf machen, uns
der Einheitskasse entgegenstellen sowie Vielfalt und Optionen ermöglichen wollen.
Ich glaube, dieses ernsthafte, reale und im Übrigen
für eine Opposition herausragend gegenfinanzierte Konzept sollte eine Gesprächsgrundlage mit Ihnen sein können. Wir werden die Probe aufs Exempel machen und
sehen, ob Sie nach dem Motto „Mehrheit ist Mehrheit“
oder nach dem Motto „Gute Lösungen für alle sind das
beste Verfahren“ vorgehen. In diesem Sinne: Auf gute
Zusammenarbeit! An uns soll es nicht liegen.
Herzlichen Dank.
({30})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Krista Sager,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wir
in den letzten Tagen erlebt haben, das war schon bemerkenswert. Sie von der Opposition hatten uns aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen - damit man überhaupt weiß, worüber man verhandeln soll. Das hat die
Regierung jetzt gemacht. Frau Merkel hat auch eben
wieder berichtet, sie habe auf diesen Gesetzentwurf geradezu sehnsüchtig gewartet. Dann aber frage ich mich
doch: Warum erleben wir eine sich zerlegende Opposition, die sich in alle Richtungen auseinander dividiert?
({0})
Wenn Sie so sehnsüchtig auf unseren Entwurf gewartet
haben, dann müssten Sie doch eigentlich ausreichend
Gelegenheit gehabt haben, sich auf unseren Gesetzentwurf vorzubereiten.
Ich habe den Eindruck, Sie haben sich in den letzten
Wochen und Monaten zu viel damit beschäftigt, sich mit
Blick auf die persönliche K-Frage gegenseitig zu belauern. Vielleicht sollten Sie sich einer anderen K-Frage zuwenden, nämlich der Frage nach den eigenen Konzepten.
({1})
Dass Ihnen in diesem Streit als erstes Ihr Gesundheitsexperte abhanden kommt, ist auch nicht gerade ein
Qualitätssiegel für Ihre Politik. Herr Seehofer ist bei Ihnen schon in einer schlechteren Rolle als der arme Troubadix bei den Galliern: Das Singen haben Sie Herrn
Seehofer zwar nicht verboten, aber reden darf er bei Ihnen offensichtlich jedenfalls nicht.
({2})
Auch mit Ihrem Antrag heute ist Ihr Richtungsstreit
offenbar bei weitem nicht überwunden. Herr Seehofer
sagt, bei Ihrem Antrag handele es sich um eine Privatisierungsorgie; Herr Milbradt, CDU-Ministerpräsident,
erklärt, die Privatisierungsorgie gehe ihm noch nicht
weit genug. Ich bin sicher, Sie müssen noch Zeit darauf
verwenden, das in Ihren eigenen Reihen zu klären.
({3})
Dabei gibt es durchaus Ziele in Ihrem Konzept, bei
denen wir übereinstimmen.
({4})
Manche Dinge sind durchaus vernünftig angesprochen.
Patientenrechte stärken, mehr Mitwirkung, mehr Informationsrechte, mehr Transparenz zugunsten der Patienten - darin sind wir uns einig, das sind wichtige Ziele.
Ein weiteres wichtiges Ziel ist mit Sicherheit, die Prävention zu stärken und Anreize für vernünftiges, vorbeugendes Verhalten zu entwickeln. Damit rennen Sie bei
uns offene Türen ein. Für die Grünen ist immer klar gewesen: Die beste Gesundheitspolitik ist die, mit der man
Krankheiten verhindert. Erst die zweitbeste Lösung ist
es, Krankheiten zu bekämpfen.
({5})
Sie aber haben in Ihrem Vorschlag nichts drin, was nicht
schon im Regierungsentwurf enthalten ist. Im Gegenteil,
der Regierungsentwurf geht in vielen Punkten weit über
das hinaus, was Sie in Ihrem Antrag fordern.
Ich habe festgestellt, dass sich Frau Merkel in dieser
Debatte schon um einen etwas anderen Ton bemüht hat,
als er in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommt.
({6})
In Ihrem Antrag sprechen Sie von „Dirigismus“, von
„Staatsmedizin“.
({7})
- Dann lassen Sie uns einmal darüber reden, welches
Verständnis Sie von den Aufgaben des Staates haben.
Immer dann, wenn es um den Schutz der Patienten, um
die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, um die Belange der Versicherten geht, schreien Sie: Oh, nein, das
ist Staatsmedizin, das ist Dirigismus. - Aber wenn es um
den Schutz Ihrer Klientel geht, kann Ihnen der Dirigismus gar nicht weit genug gehen, da schützen Sie die absurdesten Dinge.
({8})
Mit Blick auf die FDP sage ich: Es ist wirklich absurd, dass die Partei, die den Dirigismus am meisten beklagt und immer Wettbewerb will, jetzt die Aufrechterhaltung des Verbots für einen Apotheker, mehr als eine
Apotheke zu besitzen, fordert. Wenn das nicht Dirigismus ist, dann weiß ich nicht, was Dirigismus ist.
({9})
Die Parteien, die am lautesten nach Wettbewerb
schreien, verteidigen weiterhin das Kartell der Kassenärztlichen Vereinigungen. Hier wollen sie auf gar keinen
Fall Wettbewerb einführen.
({10})
Es ist doch nicht die Aufgabe des Staates, einen Schutzzaun um alle Kartelle der Leistungsanbieter zulasten der
Versicherten zu errichten. Ihre Politik entlarvt sich als
typische Klientelpolitik.
({11})
Die Folge ist, dass Sie dort, wo es um die Finanzierung geht, ausschließlich den Patienten etwas abverlangen. Ihre Finanzierungsvorschläge - das muss man hier
leider sagen - sind weitgehend nur Luftbuchungen. In
Ihrem Antrag steht, versicherungsfremde Leistungen
sollen geeigneten Finanzierungen zugeführt werden:
({12})
Wenn das keine windige Finanzpolitik ist! Ich weiß nicht,
woher Sie den Mut nehmen, die Regierung zu kritisieren.
Das, was Sie vorschlagen, ist windige Finanzpolitik pur.
({13})
Es war Frau Merkel wahrscheinlich schon peinlich,
dass der Vorwurf in Ihrem Antrag steht, das Regierungspaket sei sozial nicht ausgewogen. Dass sie das hier
nicht mehr gesagt hat, finde ich interessant. Ich sage Ihnen dazu: Wer 10 Prozent Eigenbeteiligung bei jeder
medizinischen Leistung fordert,
({14})
der sollte einen solchen Vorwurf nicht auch noch schriftlich formulieren.
({15})
Wir werden an Leistungseinschränkungen nicht
vorbeikommen. Das können Sie auch unserem Entwurf
entnehmen. Deswegen sollten wir die Diskussion über
das, was zumutbar und gerecht ist, dringend versachlichen. Frau Merkel hat einen Blick in die Vergangenheit
getan, deshalb will auch ich das tun: Sie haben noch vor
wenigen Wochen mit Abscheu und Empörung auf unseren Vorschlag reagiert, das Sterbegeld zu streichen. Jetzt
gehen Sie den Leuten an die Zähne.
({16})
Ich biete Ihnen an: Lassen Sie uns gemeinsam in aller
Ruhe darüber nachdenken, ob wir das Geld der Krankenversicherungen nicht lieber für die Lebenden als für die
Toten ausgeben wollen.
({17})
Es hat mich sehr empört, dass wir in den letzten
Wochen eine Diskussion darüber erlebt haben, ob über
75-Jährige noch das medizinisch Notwendige bekommen
sollen. Das sollten wir alle gemeinsam zurückweisen.
({18})
Dass wir aber überhaupt eine solche Diskussion erleben,
zeigt auch, wohin die öffentliche Diskussion geht, wenn
wir unsere Systeme jetzt nicht in Ordnung bringen. Das
ist die gemeinsame Aufgabe, vor der wir jetzt stehen.
({19})
Sie haben grundsätzliche Strukturentscheidungen
angekündigt, diese liefern Sie aber nicht. Vor diesen Entscheidungen stehen wir aber.
({20})
Wir sollten die Diskussion darüber auch führen; denn
wenn wir es nicht tun, landen wir dort, wo sich Herr
Milbradt heute schon befindet. Er will den Leistungskatalog immer weiter ausdünnen. Ich sage Ihnen: Aus unserer
Sicht war es richtig, dass Herr Seehofer gesagt hat: Wir
müssen über die Einführung einer Bürgerversicherung
sprechen. - Das war ein völlig richtiger Diskussionsansatz.
({21})
Dass Sie jetzt diesen nachhaltigen Ansatz zur Senkung der Lohnnebenkosten einfach für tot erklären, wird
Sie noch einmal bitter einholen.
({22})
Wenn Herr Seehofer diese Diskussion nicht mehr mit Ihnen führen kann, dann laden wir ihn herzlich ein, diese
Diskussion bei uns zu führen. Wir sind im geduldigen
Umgang mit älteren querköpfigen Herren bestens geübt.
({23})
Im Umgang mit ihnen verstehen wir uns aufs Beste. Er
ist uns herzlich willkommen.
({24})
Frau Merkel, jetzt komme ich zu der entscheidenden
Frage: Wie ist es nun mit Verhandlungen? Ich hatte den
Eindruck, Sie wollten Herrn Müntefering nicht richtig
verstehen. Deswegen möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen, worum es uns geht. Es geht uns nicht darum,
dass Sie Ihre Bereitschaft erklären, die Diskussion im
Ausschuss zu begleiten. Wir gehen davon aus, dass Sie
das als Opposition tagtäglich tun; das sollte auch weiterhin so bleiben. Es geht um etwas anderes. Es geht darum, ob Sie, Frau Merkel, den Mut und die Kraft haben
und es sich auch zutrauen, etwas mit uns zu verhandeln,
was wir dann als Ergebnis gemeinsam durchsetzen wollen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Gerhard Schröder?
Dazu kann ich ja gar nicht Nein sagen; das traue ich
mich gar nicht.
({0})
Verehrte Frau Fraktionsvorsitzende, gestatten Sie mir,
dass ich Ihre Bemerkung über die älteren Herren im Auftrag meines Innenministers entschieden zurückweise?
({0})
Herr Abgeordneter Schröder, ich bin sehr beruhigt,
dass Sie diese Äußerung nicht auf sich selbst bezogen
haben.
({0})
Frau Merkel, es geht wirklich darum: Wollen Sie mit
uns in Richtung auf ein gemeinsames Paket verhandeln?
Wenn es ein gemeinsames Paket werden soll, dann heißt
das auch, dass man es gemeinsam durchsetzt. Die Ankündigung von Herrn Müntefering war nicht: Unabhängig von dem, was verhandelt wird, werden wir machen,
was wir wollen. Vielmehr war die Ankündigung: Wenn
Sie sich verweigern, weil Sie es sich nicht zutrauen und
dafür nicht die nötige Durchsetzungskraft haben, dann
sollten Sie keinen Zweifel daran haben, dass wir eine eigene Mehrheit für dieses Paket haben werden. Mit dieser
eigenen Mehrheit werden wir unsere Vorstellungen
durchsetzen, weil das Land diese Veränderungen
braucht.
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang
Gerhardt, FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
deutsche Öffentlichkeit weiß seit Jahren, dass das gegenwärtige System des Gesundheitswesens in Deutschland
nicht mehr trägt. Es bedurfte daher nicht einer Aussprache im Bundestag. Jede deutsche Familie hat in den letzten Jahren zur Kenntnis genommen, wie die Beiträge gestiegen sind und dass sich aus gut gemeinten Absichten
etwas entwickelt hat, was man eigentlich vermeiden
wollte, nämlich eine Zweiklassenmedizin.
({0})
Solange die Budgets reichten, wurde jeder sofort bedient. Wenn sie aufgebraucht waren, konnten sich diejenigen im Markt der Anbieter durchsetzen, die etwas
mehr als andere hatten.
Die deutsche Öffentlichkeit hat mit Interesse beobachtet, dass wir Politiker unterschiedlich auf die Wirklichkeit reagiert haben. Der Kollege Müntefering hat
Recht - ich will es ihm gar nicht vorhalten -, wenn er
den langen Prozess seiner eigenen Partei hin zu einer
Annäherung an die Wirklichkeit beschreibt. Das nehme
ich zur Kenntnis und begrüße es auch. Aber er hätte auf
diesem Weg die Diffamierung gegen die Freien Demokraten unterlassen sollen, die schon früher gesagt haben,
was notwendig ist und was getan werden muss.
({1})
Ich erinnere Sie, Herr Bundeskanzler, an die Rentendiskussion im Wahljahr 1998. Ich erinnere Sie an die
Diskussion über den Zahnersatz im selben Jahr. Vorhin
ist von der Kollegin Merkel darauf hingewiesen worden,
dass die Schweizer beim Zahnersatz eine andere Regelung haben. Diese beißen die Toblerone mit Zähnen
durch, während mancher Deutscher, der in der GKV versichert ist, dafür das Messer benutzen muss.
({2})
Es ist doch nicht unsozial, wenn man Finanzierungen anders organisiert.
Wir kennen doch alle die Geschichte des Kollegen
Horst Seehofer mit Lahnstein und wissen, dass das nicht
gereicht hat. Wir kennen die Geschichte der ehemaligen
Gesundheitsministerin Fischer und wissen, dass es nicht
gereicht hat. Auch die gegenwärtige Amtsinhaberin
weiß, dass das Gesetz nicht reicht.
Dieses Gesetz ist nichts anderes als ein erneutes ingenieurhaftes medizinisches Stellschraubengesetz, bei dem
- wie mit dem Versuch, Gebühren bei Facharztbesuchen
ohne Überweisung vom Hausarzt zu erheben - an kleinen Schräubchen gedreht wird. Die Kassen auf dem
Markt zu lassen bzw. - wie es die Sozialdemokraten verstehen - Kassen als Betreiber eigener Zentren zuzulassen ist nichts anderes als der Einsatz von Kapital, um andere vom Markt zu drängen.
({3})
Wir stehen für die Freiberuflichkeit und betonen das an
dieser Stelle auch.
Ein Gesundheitswesen hat nicht nur medizinische
Leistungen anzubieten. Vielmehr muss ein Gesundheitswesen in seiner Organisation auch einer freiheitlichen
Gesellschaft entsprechen.
Ich möchte, dass deutsche Patienten, die auch Nachfrager sind, die Freiheit haben, ihren Hausarzt, ein Krankenhaus oder einen Facharzt aufzusuchen.
({4})
Ich möchte nicht, dass Wettbewerb durch ein Institutionengefüge entsteht, sondern ich möchte Wettbewerb auf
der Nachfrageseite.
({5})
Wir haben einige Prinzipien zu beachten, zum Beispiel die Therapiefreiheit. Wir bekennen uns dazu, dass
der Patient zum Arzt seines Vertrauens gehen kann. Niemand anders als dieser Arzt - auch kein Zentrum für
Medizin - entscheidet, welche Therapie er für angemessen hält.
({6})
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Sie - das
wissen Sie auch - die Beitragsstabilität mit diesem Gesetz nicht garantieren können. Sie werden sie nur garantieren können, wenn Sie den Menschen die Wahrheit sagen. Die Wahrheit lautet, dass die Stabilität nur dann
möglich ist, wenn den Menschen durch Steuersenkungen
netto mehr Geld im Portemonnaie bleibt und sie in die
Lage versetzt werden, selbst zu entscheiden, bei wem sie
sich in welcher Höhe und wogegen versichern. Deshalb
führt kein Weg daran vorbei, dass Sie die Wahrheit sagen.
({7})
Ich versichere Ihnen heute für die Freien Demokraten: Wir sprechen uns wieder. Es führt kein Weg daran
vorbei, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass derjenige, der die Beitragsentwicklung längerfristig und
nachhaltig in den Griff bekommen will, einige Leistungen aus der GKV herausnehmen muss. Diese Leistungen
können herausgenommen werden, wenn ihre Erbringung
im Anbieterwettbewerb gut organisiert wird. Das können
die Zahnbehandlung oder das Krankengeld sein, die als
private Zusatzversicherung angeboten werden können.
Denn die größte soziale Sicherheit und das schönste Leben hat man doch nicht in der GKV, sondern an einem
Arbeitsplatz!
({8})
Die Senkung der Lohnnebenkosten ist eine Notwendigkeit, die auch von den Anbietern zu berücksichtigen ist.
Herr Kollege Gerhardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Sager?
Bitte, Frau Kollegin.
({0})
Herr Kollege Gerhardt, Sie haben gerade vom Anbieterwettbewerb gesprochen. Gehört es auch zum Anbieterwettbewerb, dass einem deutschen Apotheker von
staatlicher Seite verboten wird, mehr als eine Apotheke
zu besitzen?
Zu der Freiberuflichkeit und zu selbstständigen Existenzen in Deutschland gehört, dass sie der Wirklichkeit
entsprechen, dass keine Filialisierung stattfindet und
dass sie am Markt in Vielfalt erscheinen. Im Übrigen
halte ich einen Versandhandel in der Form, wie er in
Nachbarländern organisiert ist, in Deutschland nicht für
günstig. ({0})
- Die Frage stellt die Frau Kollegin Sager und die Antwort gebe ich. Darauf sollten wir uns verständigen.
({1})
Ich antworte noch einmal sehr präzise: Wir halten im
Interesse des Gesundheitswesens eine Filialisierung
nicht für die beste Grundlage für den Anbieterwettbewerb, sondern viele selbstständige Existenzen. Wir halten es im Übrigen auch mit Blick auf den Versandhandel
für besser - diese Aufforderung richtet sich an die deutschen Apotheker -, wenn sie als Anbieter Gesellschaftsformen finden, die gleichzeitig das Rückgrat für
eine gute und fachmännische Beratung in Deutschland
bilden. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.
({2})
Die deutsche Öffentlichkeit ist weiter als manche Diskussionsbeiträge hier. Die Menschen wissen, dass sie
sich allein in der gesetzlichen Krankenversicherung
mit all ihren Mechanismen, die sie seit zwei Jahrzehnten
erlebt haben, nicht mehr sicher fühlen können. Sie wissen, dass sie ihnen bei angemessenen Beiträgen nicht
mehr den größten Schutz bietet. Es wäre besser, wenn
die Politik diese Erkenntnis der Bürgerinnen und Bürger,
die sich mehr und mehr durchsetzt, aufgreift, sie bei der
Neugestaltung des Gesundheitswesens umsetzt und den
Menschen Wahlmöglichkeiten anbietet, wie wir Freien
Demokraten das ernsthaft wollen.
({3})
Wir sind der Überzeugung, dass Tausende von Menschen im Gesundheitswesen aufgrund der freien Wahl
ihres Arztes oder ihrer Ärztin sowie ihres Versicherungsträgers und aufgrund ihres Vertrauensverhältnisses zum
Arzt den Wettbewerbsmarkt im Gesundheitswesen besser nach vorne bringen als alle Stellschrauben, die eine
Ministerin und eine rot-grüne Koalition erfinden.
({4})
Deshalb habe ich größte Zweifel, ob in den temporeichen Schritten, die uns bis zum 8. Juli ohnehin bevorstehen - man muss sich das vorstellen -,
({5})
so etwas zustande kommen kann.
Rot-Grün denkt anders als wir in der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten. Sie wollen ein System retten, das so nicht mehr zu retten ist. Sie verhindern erneut
eine Veränderung, die wir dringend brauchen. Wer die
demographische Entwicklung kennt, weiß, dass die medizinische Versorgung nur über mehr Elemente der privaten Kapitaldeckung gesichert werden kann.
({6})
Wer die Europäisierung des Marktes kennt, weiß, dass
sich ein deutscher Arzt nur behaupten und im Wettbewerb nur bestehen kann, wenn wir ihm bei der Gegenüberstellung der Nachfragemacht gleichzeitig auch die
Anbietermacht im Wettbewerb geben.
({7})
Dieses Gesetz löst beide Punkte nicht.
({8})
Ich will Ihnen einmal einen Absatz vorlesen und Sie
fragen, ob Sie ihn verstehen und ob Sie wissen, was Sie
der Öffentlichkeit mit einem solchen Gesetz eigentlich
zumuten. In dem Gesetz steht - das ist der Ausdruck des
Geistes dieses Gesetzes -:
Bei der Ermittlung der oberen Preislinie des unteren
Preisdrittels wird ein Arzneimittel nicht berücksichtigt, dessen Arzneimittelabgabepreis 90 vom Hundert des Preises desjenigen Arzneimittels übersteigt, das als erstes Arzneimittel mit diesem
Wirkstoff zugelassen worden ist, es sei denn, der
Anteil des nicht als erstes zugelassenen Arzneimittels an der Gesamtzahl der Packungen der zulasten
der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff, identischer Wirkstärke und Packungsgröße und vergleichbarer Darreichungsform erreicht einen Anteil
von mindestens 10 vom Hundert im Zeitraum der
vorangegangenen vier Quartale.
({9})
Glaubt hier eigentlich irgendjemand, dass das deutsche
Gesundheitswesen in diesem Geiste zu reformieren ist?
Ich glaube das nicht.
({10})
Deshalb sage ich Ihnen - Herr Müntefering hat es unter unserer stillen Anteilnahme vorgetragen -: Ich weiß,
was sich bei Ihnen getan hat. Sie haben drei Monate gebraucht, um den Sonderparteitag abzuhalten und sich
über ein Minimum an Schritten klar zu werden. Verlangen Sie von uns nicht, dass wir Ihnen bis zum 8. Juli die
Hand zu einem solchen Gesetz reichen! Wenn Sie das
machen, was Sie hier erklärt haben, dass Sie zwar verhandeln, es aber am Ende notfalls durchsetzen wollen,
dann werden Sie auf Ihre eigene Mehrheit zurückgreifen
müssen.
({11})
Die FDP-Fraktion kann einem solchen Weg und einem
solchen Modell nicht zustimmen.
({12})
Das Wort hat die Bundesministerin für Gesundheit
und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem Herr Gerhardt hier gesprochen hat, ist es vielleicht noch einmal ganz nützlich, sich jenseits aller Reformdebatten über notwendige Reformmaßnahmen, die
wir umsetzen müssen, darauf zu besinnen, dass sich das
deutsche Gesundheitswesen bis heute dadurch auszeichnet, dass derjenige, der krank ist, all das erhält, was er
medizinisch braucht und was aufgrund des medizinischen Fortschritts möglich ist.
({0})
- Herr Kollege Thomae, das erhält er vor allem unabhängig von seinem Geldbeutel und von seinem Alter.
({1})
Zeigen Sie mir eine Person, der eine notwendige Operation verweigert wurde! Zeigen Sie mir diejenigen, bei
denen eine Transplantation oder eine andere Behandlung
nicht vorgenommen wurde, nur weil sie Mitglieder der
gesetzlichen Krankenkasse sind! Ich glaube, zur Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande gehört auch,
({2})
dass wir uns bei dem, was wir hier sagen, seriös verhalten
({3})
und auch akzeptieren, dass uns Millionen Menschen auf
dieser Welt um unser Gesundheitswesen beneiden, weil
für alle - auch für alle Kinder - der Zugang zu medizinischen Leistungen sichergestellt ist. Wir wollen, dass das
so bleibt.
({4})
Das kann nur gelingen, wenn wir den Mut und auch
die Kraft haben, notwendige Veränderungen vorzunehmen. Diese Veränderungen sind erforderlich, weil sich
die Welt verändert hat. Wir wissen, dass Arbeit und Wissen heute weltweit verfügbar sind. Die Menschen werden älter. Zu wenig junge Menschen wachsen nach, es
werden zu wenig Kinder geboren. Die Krankheitsbilder
verändern sich. Der medizinische Fortschritt und die
technischen Möglichkeiten wachsen rasch. Hinzu kommen konjunkturelle Probleme, die eine Einnahmenschwäche zur Folge haben.
Deshalb: Wer den Sozialstaat bewahren will, der
muss Änderungsprozesse einleiten. Änderungsprozesse
im Gesundheitswesen einzuleiten, liebe Kolleginnen und
Kollegen, kann nicht bedeuten, allein den Versicherten
und Kranken mehr aufzubürden.
({5})
Wer nachhaltige Veränderungen einleiten will, der muss
vielmehr darauf drängen, dass sich alle - ich sage ausdrücklich: alle - Akteure in diesem Gesundheitswesen
bewegen, damit es uns gelingt, jeden Euro in diesem
System wirklich zum Nutzen der Patientinnen und Patienten einzusetzen.
({6})
Schauen wir uns unser Gesundheitswesen an: Gemessen an den Pro-Kopf-Ausgaben haben wir das drittteuerste Gesundheitssystem der Welt. Trotzdem sind
Leistung und Qualität in der Regel nur Durchschnitt.
({7})
Das ist kein Vorwurf an einzelne Akteure oder Akteurinnen, sondern das hat mit der Organisation des Gesundheitswesens zu tun. Anders als andere Länder dieser
Welt erlauben wir uns völlig abgeschottete Bereiche. Der
eine Arzt muss nicht wissen, was eine andere Ärztin verordnet hat. Menschen mit einer Chipkarte können ungefragt und ohne Beratung Leistungen in Anspruch nehmen, ohne dass das jemand kontrolliert. Passt das
überhaupt zusammen?
({8})
Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir eine zunehmende Zahl nicht nur von schweren Erkrankungen und
Krankenhauseinweisungen, sondern sogar an Todesfällen zu verzeichnen haben, die dadurch zustande kommt,
dass Arzneimittel nicht zueinander passen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage noch einmal: Wir erlauben uns in der Arzneimittelversorgung
Preisunterschiede für Arzneimittel mit vergleichbarem
Wirkstoff von mehr als 300 Prozent bei gleichem Nutzen. Das erfordert Veränderungen. Hier müssen wir den
Weg gemeinsam gehen und deutlich machen: Unser Ziel
ist es, das Geld so effektiv einzusetzen, dass es den Patientinnen und Patienten zugute kommt und das System
für alle bezahlbar bleibt.
({9})
Kollegin Merkel, wir wollen mit diesem Gesetzentwurf einen echten Qualitätswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung einleiten,
({10})
und zwar bei allen, bei den Kassen, bei den Ärztinnen
und Ärzten, bei den Apothekerinnen und Apothekern,
bei der Pharmaindustrie und bei den Krankenhäusern.
Wer in einem so sensiblen Bereich wie dem deutschen
Gesundheitswesen Wettbewerb will, der muss darauf
achten, dass er solidarisch organisiert ist und Qualitätsstandards festgelegt werden.
Lassen Sie uns einmal jenseits aller ideologischen Betrachtungen schauen, welche Erfahren andere Länder gemacht haben. Ich nenne beispielhaft die skandinavischen
Länder, die Niederlande und die USA.
({11})
Sie haben versucht, Netzwerke der besten Köpfe aus
Praxis und Wissenschaft, Professoren, die an Krankenhäusern gearbeitet haben, zu bilden.
Lassen Sie uns schauen, welche Qualitätsstandards
wir als Grundlage des Wettbewerbs wollen.
({12})
Wie können wir Patientinnen und Patienten besser informieren und wie können wir - basierend auf groß angelegten Studien - herausfinden, was beim Kampf gegen
große Volkskrankheiten wirklich hilft?
Wenn wir dieses von uns geplante Institut unter diesen Gesichtspunkten betrachten, müssten wir zu einer
Lösung kommen können, zumal dieses Institut keine
Entscheidungen treffen, sondern nur Empfehlungen geben soll. Die Entscheidungsbefugnis bleibt bei der
Selbstverwaltung. Jeder, der etwas von diesem System
versteht, weiß, dass wir die Bewertung der Qualität von
der Entscheidung über die Finanzierung trennen müssen.
So wie es der Bundesausschuss bisher macht, ist es nicht
optimal.
({13})
Vor allen Dingen wird es Zeit, dass wir endlich den
Schleier der Intransparenz von den Entscheidungen, die
auch in der Selbstverwaltung getroffen werden, wegreißen.
Mehr Qualität, mehr Effizienz, mehr Transparenz das ist die Philosophie unseres Gesetzentwurfes. Hinzu
kommt: Wir wollen gut informierte Bürgerinnen und
Bürger. Wir sind davon überzeugt, dass nur der informierte Patient und die informierte Patientin wirklich in
der Lage sind, sich in diesem System gesundheitsbewusst und kostenbewusst zu verhalten. Das ist Eigenverantwortung und geht über die reine Forderung nach mehr
finanzieller Eigenbeteiligung hinaus. Wir wollen den
Menschen die Möglichkeit geben, selbst darüber zu entscheiden und daran mitzuwirken, wie das Geld, das auch
das Geld der Versicherten ist, effizient eingesetzt wird.
({14})
Man kann mit Blick auf unseren Gesetzentwurf sagen, dass sich da ein Motto durchzieht, das lautet: Gesundheit geht vor. Das bedeutet, dass der Gesetzentwurf
darauf ausgerichtet ist, die Reformen, die zum Wohle der
Patientinnen und Patienten, der Bürgerinnen und Bürger
notwendig sind, auf den Weg zu bringen und sie in den
Mittelpunkt zu stellen. Das geschieht ohne Abstriche.
Das heißt konsequenterweise: Wer das tut, muss sich gegen Lobbyinteressen stellen, sonst werden wir dieses
Ziel nicht erreichen.
({15})
Wer das will, der muss dem Sankt-Florians-Prinzip
eine Absage erteilen. Eine Reform nach dem Motto „Reformen ja, aber nicht bei mir“ funktioniert nicht mehr.
({16})
Es geht nur mit allen. Jeder muss seinen Beitrag leisten
und der ganze „Koloss“ muss sich in Bewegung setzen.
({17})
- In die richtige Richtung. Wir werden noch weiter darüber diskutieren. Ich hoffe, dass das Angebot, im Bundestag zu Verhandlungen zu kommen, ernst gemeint ist.
({18})
Die Schwierigkeiten bei allen Diskussionen über das Gesundheitswesen und auch manchmal die Schwierigkeit,
zu notwendigen Entscheidungen zu kommen, haben etwas damit zu tun, dass es kaum einen Bereich gibt, in
dem es so widersprüchliche und manchmal schwer vereinbare Interessen gibt. Sie wissen das alle. Auf der einen
Seite ist das Interesse der Patienten und Patientinnen,
dass alles getan wird, was menschenmöglich ist, damit
Menschen, gesund werden. Auf der anderen Seite müssen wir das Gesundheitswesen so organisieren, dass die
Versicherten und Arbeitgeber es bezahlen können. Das
ist das Spannungsverhältnis, in dem wir uns befinden.
Die Politik muss, beide Interessen, die zwei Seiten einer
Medaille sind, ausbalancieren und zusammenführen.
Deshalb sind für uns Sicherheit und Bezahlbarkeit
die beiden Pfeiler der Gesundheitsreform. Wenn wir in
Zukunft das medizinisch Notwendige, auf hohem Niveau sicherstellen wollen, dann bedeutet das, dass wir
Milliarden Euro einsparen und die Kassenlage in Ordnung bringen müssen. Das müssen wir gründlich tun.
Das Festhalten an alten Zöpfen und Zünften verträgt
sich nicht mit der Zukunft. Einfach immer nur bezahlen
und die herkömmliche Praxis beizubehalten, das geht
nicht mehr. Das hat nichts mit Einheitskassen zu tun.
Wer die Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen immer weiter vor der kleinsten echten und fairen Konkurrenz schützen will, der trägt dazu bei, dass sich nichts im
Gesundheitswesen bewegt. Wir müssen den Wettbewerb
fördern.
({19})
Wer das Gesundheitswesen retten will, muss eindeutig
sagen, dass wir uns nicht länger erlauben können, Geld
für unnütze und zweifelhafte Dinge auszugeben.
({20})
Wir müssen für die Patientinnen und Patienten die medizinische Versorgung zur Verfügung stellen, die nachgewiesenermaßen qualitätsgesichert ist. Alles andere wird
nicht dazu führen, dass das Gesundheitssystem auch
morgen noch die Sicherheit und Bezahlbarkeit für alle
gewährleistet.
({21})
Aus diesem Grund besteht unser Reformentwurf aus drei
großen Blöcken. Einerseits muss das, was sich bewährt
hat und was die Menschen gewohnt sind, eine Kernaufgabe der Krankenversicherung sein. Dazu gehört auch
die paritätische Finanzierung durch Arbeitnehmer und
Arbeitgeber. Die Krankenversicherung muss sich auf alles, was medizinisch notwendig ist, konzentrieren, von
der Vorsorge bis hin zur Rehabilitation.
Das ist die eigentliche Aufgabe der Krankenversicherungen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben gemeinsam die Verantwortung, die Versicherungsbeiträge zu
zahlen.
Der zweite Punkt: Wir müssen genau prüfen, ob tatsächlich alle Leistungen, die die Krankenversicherung
heute erbringt, finanziert werden müssen und welche gesellschaftlich notwendig, aber nicht von den Krankenkassen zu finanzieren sind. Zum Beispiel sind alle Leistungen, im Zusammenhang mit Mutterschaft und mit
Schwangerschaft, die gesellschaftlich gewünscht sind,
keine Aufgabe der Beitragszahler und Beitragszahlerinnen, sondern sollen über Steuern finanziert werden.
Frau Kollegin Widmann-Mauz und Herr Kollege
Storm, ich würde mich freuen, wenn Sie zu Ihren Vorschlägen vom Februar stehen würden. Damals haben Sie
gesagt, wir brauchten eine Erhöhung der Alkohol- und
der Tabaksteuer, damit wir diese Leistungen finanzieren
könnten und damit die Forderung nach Steuerfinanzierung nicht leer im Raume stehe. Deshalb bitte ich Sie,
das gemeinsam mit uns umzusetzen. Das ist eine weitere
Gemeinsamkeit.
({22})
Der dritte Punkt betrifft die Frage, was die Menschen
alleine finanzieren können. Ich möchte nur eines zu dem
ergänzen, was Frau Kollegin Merkel gesagt hat. Wir sind
der Meinung, dass wir das Krankengeld aus der paritätischen Finanzierung herausnehmen können. Das ist
nichts, was medizinisch notwendig ist, sondern es ist
eine Lohnersatzleistung. Wenn die Arbeitgeber
26 Milliarden Euro über die Lohnfortzahlung zahlen,
dann können, wie wir finden, die Versicherten die rund
7 Milliarden Euro - es waren 7,1 Milliarden Euro - alleine finanzieren. Aber die Finanzierung bleibt in der gesetzlichen Krankenversicherung, und zwar aus einem
Grund, Frau Kollegin Merkel: Wir haben so die Möglichkeit, dass jeder Beiträge entsprechend seiner Leistungsfähigkeit bezahlt. Das ist der Unterschied zu dem
Vorschlag, das ganz aus der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen und stattdessen privat abzusichern.
Das Problem bei Ihrem Vorschlag zum Zahnersatz
ist, dass die Menschen dieselben Leistungen bekommen
wie derzeit in der gesetzlichen Krankenversicherung,
aber zu einem Großteil wesentlich mehr dafür bezahlen
müssten. Hinzu kommt, dass heute die Familie mitversichert ist. Aber nach Ihrem Vorschlag müsste ein Ehepaar, bei dem nur ein Partner verdient, zweimal Beiträge
für Zahnersatz zahlen und auch weiterhin alle Zuzahlungen leisten. Man muss schon darüber sprechen, was das
mit sozialer Gerechtigkeit und mit einer guten Zukunft
zu tun haben soll.
({23})
Wir sagen ganz klar: Wir werden alles tun, um den
Strukturwandel einzuleiten. Wir stellen den mündigen
Patienten und die mündige Patientin in den Mittelpunkt
unserer Bemühungen. Wir stärken die Patientensouveränität. Wir werden die Qualität sichern. Wir verlangen
aber von allen, von den Krankenkassen, von den Ärzten,
von den Apothekern und Apothekerinnen und von der
Pharmaindustrie, dass sie sich den notwendigen Reformprozessen nicht verschließen. Jeder muss dazu beitragen,
dass die große kulturelle und zivilisatorische Errungenschaft in unserem Lande, das Herzstück des Sozialstaates, nämlich dass jeder, unabhängig vom Alter und vom
Portemonnaie, die notwendigen medizinischen Leistungen erhält, auch in Zukunft bestehen bleibt und unseren
Kindern und Kindeskindern ein Stück Sicherheit in dieser sich wandelnden Welt gibt.
Vielen Dank.
({24})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette WidmannMauz, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Schmidt, was haben Sie heute wieder für eine
Rede abgeliefert!
({0})
Sie reden über Monate hinweg das deutsche Gesundheitswesen schlecht. Dann zerschlagen Sie die Strukturen, die zu Qualität und zu Patientenzufriedenheit in unserem Land geführt haben. Jetzt wollen Sie sich als die
Retterin des Systems aufspielen.
Das nimmt Ihnen angesichts eines Beitragssatzes in
der gesetzlichen Krankenversicherung von 14,4 Prozent,
der im Winter auf 15 Prozent ansteigen wird, draußen
niemand mehr ab. Das, was Sie hier abliefern, ist reine
Rhetorik.
({1})
Auch der Klamauk, den Sie heute Morgen hier vollführt
haben, kann nicht darüber hinwegtäuschen.
Jeder Irrtum hat drei Stufen: Auf der ersten Stufe wird
er ins Leben gerufen. Auf der zweiten will man ihn sich
nicht eingestehen und auf der dritten macht ihn wirklich
nichts mehr ungeschehen. Genauso verläuft Ihre Gesundheitspolitik. Sie atmet den Geist der Bevormundung, der Bürokratie und der Ideologie. Das haben wir
heute Morgen wieder erfahren müssen. Sie führen unser
freiheitliches Gesundheitswesen Schritt für Schritt zurück und steuern in ein staatlich gelenktes Bürokratensystem.
({2})
Die Ergebnisse Ihrer dirigistischen Eingriffe sind
schon sichtbar. Die Qualität in der medizinischen Versorgung ist beeinträchtigt worden. Es gibt Rationierung
und Wartelisten. Sie versuchen doch, die Menschen darüber hinwegzutäuschen.
({3})
Das Arzt-Patient-Verhältnis ist belastet. Die Ärzte und
die Pflegekräfte sind demotiviert. Die flächendeckende
medizinische Versorgung ist gefährdet. Zu diesem
Schluss kommt man, wenn man sich anschaut, welche
Prozesse sich zurzeit in den Krankenhäusern abspielen.
Es gibt keine Entlastung bei den Beitragssätzen. Sie haben das Gesundheitswesen systematisch schlecht geredet
und damit das Vertrauen nachhaltig beschädigt, das die
Menschen zu Recht in dieses funktionierende und im internationalen Vergleich gut dastehende System haben.
Jetzt setzen Sie den Irrweg in die Staatsmedizin fort.
Statt Therapiefreiheit und den freien Zugang zum Arzt
sicherzustellen, herrschen bei Ihnen Zwangssteuerung,
Bevormundung und Listenmedizin. Nehmen wir einmal
Ihr viel gerühmtes Hausarztmodell als Beispiel. Ich sage
Ihnen: Die Patienten sind mündig genug und brauchen
keine Bevormundung durch Rot-Grün.
({4})
Sie beschneiden an dieser Stelle den freien Zugang zum
Arzt, und zwar insbesondere für sozial Schwache. Was
sollte denn Ihre Sozialrhetorik von heute Morgen?
({5})
Sie verlangen eine doppelte Zuzahlung und eine Praxisgebühr in Höhe von 15 Euro, wenn sich Menschen
selbstverantwortlich dafür entscheiden, zuerst zum
Facharzt zu gehen.
Dieses Modell ist ökonomisch unsinnig und medizinisch fragwürdig.
({6})
Es entstehen Mehrkosten durch zusätzliche Behandlungsgebühren. Sie werden Mindereinnahmen bei den
Zuzahlungen haben, weil Sie die Menschen für Selbstverständliches belohnen; denn bereits heute gehen 70 bis
80 Prozent der Patienten zuerst und freiwillig zum Hausarzt. Wir wollen den Arzt des Vertrauens und ihn als Berater und Coach stärken. Aber das kann doch in Gottes
Namen auch ein Facharzt sein. Warum soll das nicht
möglich sein? Sie wollen vielmehr - das steckt eigentlich dahinter - die fachärztliche Versorgungsstruktur zerschlagen.
({7})
Wenn man dann auch noch berücksichtigt, dass Sie Ihr
Hausarztmodell mit der Öffnung der Krankenhäuser für
ambulante Leistungen kombinieren wollen, dann ist völlig klar, was Sie wollen. Das alles wird zu Wartelisten
wie im europäischen Ausland führen. Bislang kommen
die Menschen, die im grenznahen Ausland wohnen, in
unser Land, weil sie Wartezeiten wie bei sich zu Hause
vermeiden wollen.
({8})
Statt die Selbstverwaltung zu stärken, etablieren Sie
einen staatlichen Dirigismus und wollen ihn zur Perfektion führen. Statt auf die Erfahrungen der Praxis zu
bauen, institutionalisieren Sie die Entscheidungen am
grünen Tisch. Sie etablieren realitätsferne Behörden. Ihr
geplantes Zentrum für Qualität in der Medizin ist das
beste Beispiel dafür. Sie greifen damit außerdem direkt
in die Therapiefreiheit der Ärzteschaft ein. Das ist mit
uns nicht zu machen. Statt Bürokratie abzubauen und
Verwaltungsaufwand zu minimieren, schaffen Sie ständig neue Kommissionen, Behörden, Institute, Arbeitsgemeinschaften und Beauftragte. Allein mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf wollen Sie eine Vielzahl
neuer Einrichtungen und Institutionen etablieren. Ärzte
und Pflegekräfte müssen aber wieder in die Lage versetzt werden, sich in ihrem Alltag mehr um die Patienten
als um Formulare zu kümmern.
({9})
Statt eine sozialverträgliche Eigenbeteiligung einzuführen, lassen Sie die Patienten komplett im Stich. Sie
wollen eine 100-prozentige Selbstbeteiligung bei Sehhilfen, Fahrtkosten und nicht verschreibungspflichtigen
Medikamenten. Die Menschen sollen also selbst zahlen.
Was ist daran gerecht?
Bei den Konzepten von Rot-Grün treffen Einfalt und
Ideologie zusammen und wachsen sich zu sinnloser Bürokratie und einer schlechter werdenden medizinischen
Versorgung aus. Die Anzahl der Stufen der Treppe der
Irrtümer wird immer größer.
Wir haben große Herausforderungen zu meistern.
Das, was wir in der Gegenwart versäumen, wird man in
der Zukunft nicht wieder gutmachen können. Zukunft
wagen heißt deshalb Zukunftsfähigkeit schaffen. Wir
haben den Paradigmenwechsel mit unserem Konzept
eingeleitet. Wir brauchen nämlich eine Gesundheitspolitik für die Menschen und wir haben klare Prinzipien für
ihre Gestaltung.
({10})
In einem humanen Gesundheitswesen muss der
Mensch im Mittelpunkt stehen. Er muss am medizinischen Fortschritt teilnehmen und deshalb legen wir auch
auf das Prinzip der Solidarität großen Wert. Wir wollen, dass die Menschen auch in Zukunft einen Anspruch
auf eine qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung, unabhängig vom Alter, vom Geschlecht, vom Familienstand und vom Einkommen, haben.
({11})
Aber
({12})
Solidarität braucht Verantwortung. Nur durch verantwortliches Handeln jedes Einzelnen kann die Solidargemeinschaft vor Überforderung geschützt werden. Diese
Verantwortlichkeit gilt wirklich für alle, nicht nur für
Versicherte und Patienten, sondern auch für Leistungserbringer und für die Krankenkassen.
({13})
Wer gefordert wird, der muss auch gestalten können.
Patienten müssen eine aktive Rolle übernehmen können.
Wir wollen, dass Patienten und Versicherte als mündige
Partner im Gesundheitswesen ernst genommen und nicht
zum bloßen Objekt degradiert werden. Wir brauchen
keine Klagemauer auf Bittstellerniveau, wie Sie sie mit
Ihrem Gesetz wieder errichten wollen.
({14})
Statt die Menschen ständig mehr zu bevormunden,
wollen wir sie stärker beteiligen. Wir wollen Ihnen MitAnnette Widmann-Mauz
wirkungs- und Gestaltungsspielräume eröffnen. Das beginnt beim gesundheitsbewussten Verhalten und es geht
weiter über Mitsprache und Mitwirkung bei der Behandlung, das heißt Mitbestimmung in der Selbstverwaltung
der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir wollen weg
von der Funktionärswahl bei der Sozialwahl; wir wollen
eine wirkliche Versichertenwahl.
({15})
Wir brauchen mehr Wettbewerb und Transparenz
bei der Qualität und bei der Wirtschaftlichkeit. Deshalb
wollen wir die Möglichkeit zur Kostenerstattung in unser System wieder einführen. Wir wollen aber auch den
Abrechnungsbeleg und wir wollen Informationen über
die Verwendung der Beitragsmittel bei den Krankenkassen. Das trägt zu Kostenbewusstsein in unserem System
bei und ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Dazu gehört
aber auch, dass wir die Selbstständigkeit und die Freiberuflichkeit in unserem Land als Garanten einer qualitativ
hochwertigen Versorgung für die Zukunft bewahren.
Wir wollen Wirtschaftlichkeitsreserven bei den Leistungserbringern abfordern. Deshalb haben wir ein Modell des Qualitätswettbewerbs entwickelt: Statt den
von Ihnen vorgeschlagenen Wettbewerb um einzelne
Ärzte - dazu sagen alle Beteiligten, sogar die Krankenkassen, dass sie damit überfordert sind; außerdem wird
dadurch die Freiberuflichkeit infrage gestellt - wollen
wir den Wettbewerb um die beste Versorgung. Wir haben
ein Modell entwickelt, das dem ihrigen eindeutig überlegen ist, weil es die kollektivvertragliche Verantwortung
sicherstellt, Leistungs- und Qualitätsanreize setzt und
den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch ein
Versorgungsangebot fördert, das die stationäre und die
ambulante Versorgung kombiniert. Eine weitere Öffnung
der Krankenkassen ermöglicht den Versicherten in unserem Land mehr Wahlmöglichkeiten, also eine bessere
Auswahl zwischen verschiedenen Versorgungsstrukturen.
Dazu gehört aber auch, dass wir die Ärzteschaft leistungsgerecht honorieren. Budgets führen hierbei nicht
weiter. Wer eine bessere Leistung erbringt, der muss dafür auch honoriert werden und er darf dafür am Ende des
Jahres nicht bestraft werden.
({16})
Was Sie unter Wettbewerb verstehen, das zeigen die
Abschnitte, in denen es um die kassenartenübergreifenden Fusionen geht. Damit ermöglichen Sie die Einheitskasse. Am Ende wird nicht mehr, sondern weniger Wettbewerb herauskommen.
Was die Finanzierungsgrundlagen anbelangt: Es ist
wichtig, keine Luftschlösser zu bauen, sondern unser Solidarsystem auf soliden finanziellen Grundlagen aufzubauen. Wir müssen die Lohnnebenkosten senken. Das
Ziel, den Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung auf 13 Prozent zu senken, scheint unstrittig zu
sein. Wer meint, man könne Einsparungen in Höhe von
20 Milliarden Euro - dieses Volumen ist nötig, um den
Beitragssatz entsprechend zu senken - erzielen, ohne
dass es jemand merkt oder ohne dass es jemand spürt,
der erliegt einer Illusion; er macht den Menschen in unserem Land etwas vor.
Deshalb müssen auch hier die Prinzipien stimmen.
Unsere Vorschläge müssen ökonomisch vernünftig und
ordnungspolitisch sauber sein. Sie müssen sozialverträglich und gerecht sein, das heißt, die Lasten der Maßnahmen müssen ausgewogen auf viele Schultern verteilt
werden und dürfen nicht einseitig den Kranken aufgebürdet werden. Sie müssen vor allen Dingen nachhaltig
sein. Wir geben mit unserem Modell auch erste Antworten auf die demographische Entwicklung und auf den
medizinischen Fortschritt als die größten Herausforderungen.
({17})
Wir schlagen vor, den Zahnersatz durch eine private
Pflichtversicherung zu finanzieren. Warum tun wir
das? Damit senken wir Lohnzusatzkosten. Es ist ein klar
abgrenzbarer Bereich. Wir haben in diesem System die
Möglichkeit zum Aufbau von Altersrückstellungen. In
diesem System wird ein größeres Gesundheitsbewusstsein etabliert; denn optimale Prävention und Prophylaxe
können Zahnersatz im Grunde oft überflüssig machen.
Dass wir dabei in guter Gesellschaft sind, zeigt nicht nur
das Beispiel der Schweiz. Niemand würde auf die Idee
kommen, die Schweiz oder die skandinavischen Länder
als unsolidarische Länder in Europa zu bezeichnen.
Auch dort herrscht dieses Prinzip vor.
7,50 Euro im Monat pro Erwachsenen ist sozialverträglich. Kinder sind kostenlos mitversichert. Es gibt weder eine Risikoprüfung noch Risikozuschläge. Wir bieten damit mehr Gestaltungsmöglichkeiten beim
Leistungsumfang, auch für Leistungen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung heute nicht erstattet werden. Auch individuelle Wünsche und Präferenzen sind
versicherbar. Zusätzliche Tarife sind damit kombinierbar. Das bietet mehr Chancen, mehr Freiheit. Deshalb ist
das der richtige Ansatz.
Unser zweiter Baustein ist die Selbstbeteiligung der
Patienten. Wir haben in der Bundesrepublik ein im internationalen Vergleich völlig undurchsichtiges und unsystematisches System an Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen. Die Selbstbeteiligung liegt bei uns in diesem
Sektor im internationalen Vergleich viel zu niedrig. Deshalb ist es richtig, eine prozentuale Selbstbeteiligung
- unser Vorschlag: 10 Prozent - in allen Leistungsbereichen, aber sozial begrenzt auf maximal 2 Prozent des
jährlichen beitragspflichtigen Bruttoeinkommens, anzusetzen. Wir nehmen mitversicherte Kinder aus. Alle
Maßnahmen der Vorsorge und Früherkennung sollen
nicht betroffen sein.
Dies ist eine sehr soziale Komponente; denn wer
mehr verdient, kann auch mehr Eigenverantwortung
wahrnehmen. Wer sozial schwächer ist, muss weniger an
Eigenleistung beisteuern.
({18})
Das ist allemal besser als die 100-prozentige Selbstzahlung, wie Sie sie in Ihrem Modell vorschlagen.
Wir lassen die Menschen am Fortschritt teilhaben.
Wir schärfen das Kostenbewusstsein.
({19})
Das hat eine positive Steuerungswirkung. Bei Sehhilfen
einzusparen, wie Sie es vorschlagen, hat höchstens eine
negative Steuerungswirkung, zum Beispiel im Straßenverkehr.
Wir wollen international Chancengleichheit erreichen,
zum Beispiel durch Senkung der Mehrwertsteuer auf
Arzneimittel auf den ermäßigten Satz. Es ist doch nicht
einzusehen, dass in unserem Land das Mickymausheft
als Grundbedarf definiert wird, aber lebensnotwendige
Arzneimittel nicht unter diese Regelung fallen dürfen.
({20})
Wir wollen die versicherungsfremden Leistungen umfinanzieren. Uns liegt sehr daran, dass wir in der Beihilfe
analoge Maßnahmen treffen; da werden wir Sie an Ihren
Äußerungen genau messen.
({21})
Ich frage mich: Wo sind da Ihre Vorschläge, zum Beispiel betreffend das Sterbegeld in der Beihilfe? Da hört
und sieht man bei Ihnen nichts. Unsere Vorschläge sind
in der Beihilfe zeit- und wirkungsgleich umsetzbar. Das
sorgt für soziale Gerechtigkeit. Sie haben doch genau
das Krankengeld in die private Absicherung ausgegliedert, weil Sie wissen, dass eine Analogie für die Beamten nicht herstellbar ist. Die Beamten brauchen das
Krankengeld nicht, weil sie vom Staat alimentiert werden. Das ist nicht soziale Gerechtigkeit.
({22})
Wir wollen, dass Sozialhilfeempfänger in unserem
Gesundheitswesen in Zukunft genauso behandelt werden
wie gesetzlich Krankenversicherte. Deshalb ist es richtig, dass wir für sie zu einer Beitragszahlung an die gesetzliche Krankenversicherung kommen und nicht die
Zweiklassenmedizin fortsetzen.
({23})
Wir streben eine solide Finanzierungsgrundlage der
gesetzlichen Krankenversicherung an. Ihre rot-grünen
Luftschlösser sind Schall und Rauch, vor allem dann,
wenn sie aus blauem Dunst bestehen. Steuererhöhungen
sind bei der derzeitigen konjunkturellen Lage pures Gift.
({24})
Frau Schmidt, Sie müssen sich schon entscheiden,
was Sie eigentlich wollen: Wollen Sie Prävention oder
wollen Sie Geld? An Ihrem Beschluss, die Tabaksteuer
in einem Dreierschritt zu erhöhen, wird doch ganz deutlich, dass Sie den Menschen nicht das Rauchen abgewöhnen wollen, sondern sie an höhere Steuern gewöhnen wollen.
({25})
Dieser Weg ist eindeutig falsch und von einer Gesundheitsministerin eigentlich so auch nicht vertretbar.
({26})
Meine Damen, meine Herren, wir wollen keine
große Koalition, aber wir sind zu einer großen Kooperation bereit, wenn es darum geht, den Einstieg in eine
echte Gesundheitsreform zu schaffen. Das heißt, weg
von der Staatsmedizin hin zu mehr Eigenverantwortung
und Mitbestimmung der Patienten und Versicherten, weg
von Bevormundung und Bürokratie hin zu mehr Freiheit
und Wettbewerb, weg vom kurzatmigen Stopfen der Finanzlöcher hin zu einer Konsolidierung der gesetzlichen
Krankenversicherung, die langfristig tragfähig ist und
von den Menschen her denkt.
Herzlichen Dank.
({27})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Kollegin Widmann-Mauz, Ihr Auftritt - sehen Sie mir
meine Bemerkung nach - mag als Selbstdarstellungsrede
vor dem CDU-Kreisverband Tübingen geeignet sein,
aber als Auftakt zu einer großen Kooperation, wie Sie es
nennen, nicht. Da haben Sie, wie ich glaube, die falsche
Tonlage gewählt.
({0})
Lassen Sie mich nur zwei Beispiele aufgreifen: Sie
reden selbst da Differenzen herbei, wo wir gar keine haben. Für die Erhöhung der Tabaksteuer waren Sie selber noch bis zum Februar dieses Jahres.
({1})
Sie könnten es einfach einmal begrüßen, dass wir hier einen richtigen Schritt machen.
({2})
Auch Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger
werden nach dem rot-grünen Gesetzentwurf in Zukunft
auf Chipkarte behandelt. Da sind wir uns doch einig. Sagen Sie doch einfach einmal: Das finden wir gut.
({3})
Die Tonlage der Frau Fraktionsvorsitzenden Merkel
- sie ist jetzt gerade leider im Gespräch - hat mir erheblich besser gefallen. Darauf würde ich gerne eingehen.
Erster Punkt. Frau Merkel hat - das habe ich mit InteBirgitt Bender
resse gehört - kritisiert, dass es zu wenig Wettbewerb in
unserem Vorschlag gebe. Wenn Sie, Frau Merkel und
werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und
CSU, für Wettbewerb sind, dann haben Sie in uns gute
Bündnispartnerinnen und -partner. Wir wollen, dass die
Kassen nicht mehr nur über den Preis konkurrieren, sondern tatsächlich in einen Wettbewerb um die beste Versorgungsqualität eintreten. Dazu aber brauchen die Kassen
die Möglichkeit, Verträge mit den Arzneimittelherstellern, den Apothekern und den Ärzten abzuschließen.
({4})
Wir brauchen Regelungen, wie solch ein flexibles Vertragsgeschehen gehandhabt werden kann. Das bedeutet,
den Wettbewerb zwischen Leistungsanbietern zu ermöglichen.
({5})
Da aber hat die CDU bislang leider einen blinden Fleck.
({6})
Wenn Sie Wettbewerb so aufteilen wollen, dass die Patienten mehr zuzahlen müssen, aber die Leistungsanbieter geschont werden, weil bei ihnen alles so bleiben
kann, wie es ist, dann können wir nicht zusammen.
({7})
Zweiter Punkt. Frau Merkel, Sie sprachen von Qualitätsmanagement. Das finde ich sehr interessant. Offensichtlich sehen auch Sie, dass wir im deutschen Gesundheitswesen ein Qualitätsproblem haben. Diese Aussage
unterscheidet sich ja wohltuend von der Redeweise der
Ärztefunktionäre, die einfach sagen: Wo ist das Problem? Wir sind gut, rückt uns bloß nicht auf den Pelz.
({8})
Wenn Sie also zugestehen, dass wir mit Über-, Unterund Fehlversorgung in Deutschland ein Problem haben,
dann lassen Sie uns darüber reden, wie wir Rahmenbedingungen für bessere Qualität setzen können. Wir brauchen Qualitätssteigerung. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge. Es muss klar sein, dass die Politik hier einen
Handlungsauftrag hat.
Zum Dritten muss ich sagen: Wir müssen uns schon
darüber verständigen, wie das Solidarsystem gestaltet
werden soll. Gestern habe ich gelesen und gehört, dass
die CDU für den Erhalt des Solidarsystems ist - schön.
Sie sind aber auch für die Privatisierung des Zahnersatzes. Das sehen wir anders. Man muss das nicht als Privatisierungsorgie bezeichnen; aber mir ist aufgefallen, dass
Frau Merkel im Zusammenhang mit der Privatisierung
des Zahnersatzes von einem Pilotprojekt gesprochen hat.
Außerdem habe ich vorhin im Pressespiegel gelesen,
dass das Papier Ihrer Herzog-Kommission schon wieder
vorschlägt, die ganze Zahnbehandlung und den Bereich
der Unfälle zu privatisieren.
({9})
Da sage ich: Moment mal! Der Weg, den die FDP uns
hier vorschlägt,
({10})
die praktisch alles aus der Krankenversicherung herausnehmen will - das Krankengeld, die Unfälle, die Kuren,
die Taxifahrten, die Zähne sowieso -, führt dahin, dass
vielleicht auf der Fassade noch Solidarsystem steht, hinter dieser Fassade aber alles nur noch privat ist.
Wir werden einen Weg, der aus dem Solidarsystem
ein potemkinsches Dorf macht, nicht mitgehen. Ich setze
darauf, dass die CDU diesem Weg zu widerstehen weiß.
({11})
Deswegen, lieber Herr Kollege, denke ich, wir sollten
jetzt in Gespräche eintreten. Dann kann man die Tonlage
öffentlich ein bisschen senken. Es ist in unser aller Interesse, dass wir eine Gesundheitsreform durchführen,
und zwar schnell. Denn die Leute wollen sehen, dass wir
die Lohnnebenkosten senken, dass wir mehr Qualität in
dieses Gesundheitswesen bringen und dass wir uns einigen können, dass Politik handlungsfähig ist. Lassen Sie
uns das gemeinsam beweisen.
Danke schön.
({12})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dieter Thomae,
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Seitdem Rot-Grün an der Regierung ist, haben
Sie in diesem Bereich viele Gesetze formuliert. Die Beitragssätze sind gestiegen, der Überwachungsstaat ist
stärker geworden
({0})
und die Versorgung ist erheblich verschlechtert worden.
({1})
Nehmen Sie das Beispiel Greifswald im letzten Dezember. Dort war das Budget erschöpft, die Patienten
konnten nicht behandelt werden und die Universitätsklinik Greifswald musste aufgrund Ihrer Budgetierung
schließen.
({2})
Das sind die Fakten. So kann man eine Liste von einzelnen Häusern vorlegen, in denen medizinische Leistungen nicht mehr erbracht werden können,
({3})
weil Sie die Budgetierung in den Vordergrund Ihrer
Überlegungen stellen.
Jetzt legen Sie einen Gesetzentwurf vor und glauben,
damit könnten Sie den Beitragssatz stabilisieren. Jeder
Fachmann sagt heute: Mit diesen Maßnahmen ist ein
Beitragssatz von 13 Prozent nicht zu erreichen.
({4})
Sie müssen schon mutiger sein.
Wir sagen ehrlich: Wir wollen einen Bereich, der im
Umlageverfahren finanziert wird, auch in Zukunft.
Aber wir wollen auch Leistungen ausgliedern, zum Beispiel Krankengeld, private Unfälle und den Zahnbereich,
um ihn in ein Prämiensystem zu überführen. Aber im
Gegensatz zu Ihnen wollen wir das erst dann, wenn eine
Steuerreform auf den Weg gebracht worden ist, damit
die Bürger dies mitfinanzieren können. Das ist ein himmelweiter Unterschied zu Ihren Überlegungen.
({5})
Dann reden Sie davon, ganz neue Wege gehen zu
wollen. Ja, Sie gehen neue Wege:
({6})
Von Freiberuflichkeit ist in diesem Gesetz keine Rede
mehr. Sie wollen Gesundheitszentren, sogar von den
Krankenkassen, organisieren. Sie wollen die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung öffnen.
({7})
Sie wollen den jungen Medizinern einen Vertrag über
fünf Jahre geben und diesen dann nicht verlängern.
Glauben Sie, eines Ihrer Kinder würde fünf Jahre investieren, um dann keinen neuen Vertrag mehr zu bekommen?
({8})
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen einmal sehr
deutlich, was Sie machen: Sie öffnen die Krankenhäuser
und wollen die Freiberuflichkeit vernichten, weil Sie die
Macht von Verdi in diesem Bereich vergrößern wollen.
Das ist das Thema.
({9})
Sie wollen unser Gesundheitssystem den Systemen in
anderen europäischen Staaten annähern. Ich freue mich,
dass die Ministerin Vergleiche mit anderen europäischen
Staaten, beispielsweise mit Holland, zieht. Holland hat
ein „hervorragendes“ System mit „super“ Wartezeiten.
Die holländischen Patienten kommen über die Grenze zu
uns. Und Sie wollen das holländische Konzept in
Deutschland einführen? Da frage ich mich: Lernen Sie
nie?
({10})
Sie reden von Wettbewerb. Aber Sie bevorzugen die
Gesundheitszentren gegenüber den niedergelassenen
Ärzten bei der Honorierung. „Super“ ist das; von Gleichberechtigung und Wettbewerb kann keine Rede sein.
Ich sage Ihnen eines: Sie werden Wettbewerb nur organisieren können, wenn Sie die Kostenerstattung einführen.
({11})
Die Kostenerstattung hat zwei Aspekte. Erstens. Der Patient wird über Leistung und über den Preis der Leistung
informiert. Das ist sehr wichtig.
({12})
- Nein, eben nicht. Er bekommt eine Patientenquittung,
aber er wird nicht über den Preis der Leistungen informiert.
({13})
Zweitens. Die Kostenerstattung führt zu einem Wettbewerb unter den Leistungserbringern. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Das ist ein himmelweiter Unterschied zu Ihren Vorschlägen. Deswegen werden wir die
Kostenerstattung bekommen.
Noch eine Bemerkung zum Schluss. Es ist fast schon
schizophren, wenn bei der Erarbeitung dieses neuen Gesetzes von Rot-Grün überhaupt nicht beachtet wird, was
in Europa passiert. Der Europäische Gerichtshof hat
vor einem Monat entschieden, dass Patienten über die
Grenzen hinweg Leistungen im ambulanten Bereich in
Anspruch nehmen können. Wollen Sie die deutschen Patienten gegenüber Patienten aus anderen Ländern diskriminieren? Lernen Sie aus dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs! Dann bleibt uns der Weg erspart, dass
Deutschlands Gesundheitswesen in eine Staatsmedizin
überführt wird.
({14})
Das Wort hat die Sozialministerin von MecklenburgVorpommern, Dr. Marianne Linke.
({0})
Dr. Marianne Linke, Ministerin ({1}):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren Abgeordneten! Verehrte Gäste!
Ministerin Dr. Marianne Linke ({2})
Willy Brandt hat einmal gesagt: „Eine Reform ist eine
Reform, wenn sie das Leben der Menschen verbessert.“
Das ist eine Orientierung, mit der auch die Landesregierung in Schwerin übereinstimmt. Das ist ein Grundsatz,
dessen Einhaltung zu gegebener Zeit und an gegebenem
Ort immer wieder eingefordert werden muss. Ich denke,
hier und heute ist so ein Tag und so ein Ort; denn hier
und heute werden die über Jahrzehnte bewährten Grundpfeiler des Sozialstaates infrage gestellt.
Die gesetzliche Krankenversicherung stellt nicht
nur das älteste Element der Sozialversicherung, sondern
geradezu ihr Kernstück dar. Geben wir hier das Prinzip
der paritätischen Finanzierung zur Absicherung gegen
Gesundheitsrisiken und Krankheitsfolgen auf - dazu gehört auch der Zahnersatz -, dann höhlen wir das Solidarmodell in der Sozialversicherung insgesamt aus.
({3})
Es ist eine Gesundheitsreform erforderlich, die das
Solidarprinzip stärkt und die allen Menschen der Gesellschaft auch weiterhin den Zugang zu einer bedarfs- und
qualitätsgerechten medizinischen Versorgung ermöglicht. Der einheitliche Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung ist zu erhalten und der sozialen
Funktion des Gesundheitswesens ist Rechnung zu tragen. Der medizinische Fortschritt und die demographische Entwicklung erfordern selbstverständlich eine Verbesserung der Einnahmensituation der gesetzlichen
Krankenversicherung.
Wenn die größte Oppositionspartei im Bundestag mit
dem profiliertesten Sachkenner in den eigenen Reihen
über „Privatisierungsorgien“ in Streit gerät, dann ist das
ein Armutszeugnis besonderer Art.
({4})
Mit mehr als 4 Millionen Beschäftigten ist das Gesundheitswesen ein Jobmotor ohnegleichen. Gerade für
die neuen Länder hat dieser eine enorme Bedeutung. Das
Krankenhaus ist an vielen Standorten der größte verbliebene Arbeitgeber. Wir in Mecklenburg-Vorpommern haben eine Gesundheitswirtschaft, die noch mehr zum
Wohle der Menschen - auch der Menschen aus anderen
Bundesländern - leisten könnte.
({5})
Wir dürfen diesen Jobmotor nicht abwürgen, indem
wir mit immer neuen Vorschlägen zur Belastung der sozial Schwachen gerade diese daran hindern, das medizinisch Notwendige auch in Anspruch zu nehmen. Wir
sollten diesen - vielleicht sogar den - Wachstumsmarkt
der Zukunft im Interesse der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen nicht durch gesetzgeberische Fehlanreize,
wie zum Beispiel durch die von der Union geforderte
10-prozentige Selbstbeteiligung, eingrenzen. Denn das
eine sind Arbeitsplätze, die jetzt schon real vorhanden
sind, und das andere sind eben potenzielle Arbeitsplätze,
für die es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen
objektiv wachsenden Bedarf gibt.
Selbstverständlich befürwortet die Schweriner Landesregierung alle Maßnahmen, die die Frau Bundesministerin heute zur Verbesserung von Effizienz, Qualität
und Transparenz in der medizinischen Versorgung vorgestellt hat. Vorhaben wie das Zentrum für Qualität in
der Medizin, die nachweispflichtige Fortbildung oder
die Orientierung auf den Hausarzt und auch die Stärkung
der Patientenrechte finden daher meine volle Unterstützung.
Bei der Prävention bitte ich Sie als Gesetzgeber, einiges dazuzulegen, zum Beispiel durch ein Präventionsgesetz und durch die Errichtung einer Bundesstiftung für
Gesundheitsförderung und Prävention, die sich auch aus
Mitteln aus der Erhebung der Tabaksteuer speisen
könnte.
({6})
Unser Gesundheitswesen braucht eine konsequente
Förderung der integrierten Versorgung. Die Kosten
treibende und qualitätsbegrenzende Abschottung der
Versorgungsbereiche muss überwunden werden. Gerade
in den neuen Ländern sind in der Zeit nach der Wende
mithilfe des Bundes sehr viele öffentliche Mittel in die
Krankenhäuser geflossen. Wir haben hier ein leistungsstarkes Potenzial. Allein in Mecklenburg-Vorpommern
wurden seit 1991 1,5 Milliarden Euro in die 35 Krankenhäuser unseres Bundeslandes investiert. Dieses Kapital
wollen wir noch besser nutzen und ausbauen, indem wir
die Krankenhäuser zu Kompetenz- und Gesundheitszentren für die integrierte Versorgung entwickeln.
Die PDS hat sich in den vergangenen Jahren immer
wieder für den Gedanken der Polikliniken eingesetzt.
Ich begrüße, dass die Erfahrungen der neuen Länder
auch in den alten Bundesländern immer mehr Befürworter finden. Ich befürworte ausdrücklich die von der Frau
Bundesministerin angesprochene Aufhebung der strikten
Trennung von ambulanter und stationärer medizinischer
Versorgung.
({7})
Wichtig ist mir, dass die Hausärzte gestärkt werden.
Was aber ist, wenn es die Hausärzte nicht mehr gibt?
({8})
Die schönsten Modelle nützen wenig, wenn es heißt:
Leider keiner zu Hause in Ueckermünde oder Grimmen. Für den Osten ist es vor allen Dingen wichtig, in den
nächsten Jahren den Generationswechsel in der Ärzteschaft zu bewältigen. Fast ein Drittel der Hausärzte erreicht in den nächsten Jahren das Ruhestandsalter. Nicht
zuletzt wegen der Mehrarbeit bei deutlich geringeren
Honoraren fällt es in unserem Land zunehmend schwer,
Praxisnachfolger zu finden.
({9})
Die schnelle Ost-West-Angleichung der Vergütung ist
deshalb unverzichtbar. Wir brauchen sie als Signal für
Ministerin Dr. Marianne Linke ({10})
die Nachbesetzung unserer Hausarztpraxen. Sie ist aber
auch ein Gebot der Gerechtigkeit. Denn warum soll die
ambulante Behandlung einer Grippe oder die Behandlung eines allergiekranken Kindes oder die BlinddarmOP eines Patienten aus Parchim weniger wert sein als die
eines Kasseler Bürgers?
({11})
Die paritätische Finanzierung des Krankengeldes
sollte nicht aufgegeben werden. Warum? - Es besteht die
Gefahr, dass, sofern die durch die Streichung des Krankengeldes erhoffte Beitragssatzentlastung nicht eintritt,
Zug um Zug weitere Eingriffe folgen. Die paritätische
Finanzierung der Leistungen in der Krankenversicherung ist doch für die Arbeitgeber nicht nur ein Kostenfaktor, sondern besitzt auch eine wichtige Anreizwirkung. Die heutige hohe Bereitschaft zur betrieblichen
Gesundheitsförderung und Prävention wird ausgehöhlt,
wenn die Parität entfällt.
Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete,
das Gesundheitswesen und letztlich alle Bürger brauchen vor allem eine grundlegende Neustrukturierung der
Einnahmenseite; darüber wurde viel gesprochen. Haben Sie den Mut, auch die Starken in unserer Gesellschaft entsprechend ihrem Leistungsvermögen - im
wahrsten Sinne des Wortes, aber auch im übertragenen
Sinne - zur Kasse zu bitten!
({12})
Mittlerweile fordern Politiker und Experten aus allen
Lagern die Einbeziehung aller Bürgerinnen und Bürger
mit eigenem Einkommen, die Einbeziehung von Freiberuflern und Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung.
({13})
Die Union in Bund und Ländern sollte hier ihrem bayerischen Vordenker Seehofer folgen - und nicht den Lobbyisten der privaten Krankenversicherung.
({14})
Die Zeit ist reif für die Umgestaltung der gesetzlichen
Krankenversicherung zu einer echten Bürgerversicherung. Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, die GKV ist dabei
nicht als Einheitsversicherung oder Einheitskasse, sondern als GKV in ihrer vielfältigen Ausgestaltung zu sehen.
Jahrelang haben Bundesregierungen die Beitragsbemessungsgrenze von der gesetzlichen Krankenversicherung hin zur privaten Krankenversicherung so gezogen,
dass gut verdienende, junge Leistungsstarke stimuliert
wurden, in die private Krankenversicherung zu wechseln. Durch diese Flucht der Besserverdienenden aus der
solidarischen GKV sind der Versichertengemeinschaft
Mittel in Milliardenhöhe verloren gegangen. Das darf
durch Vorschläge oder gar Vorhaben wie die 10-prozentige Eigenbeteiligung nicht zusätzlich beschleunigt werden.
In praktikabler Form sollte auch die Einbeziehung
von Vermögen in die Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung umgesetzt werden. Einkommen
wird heute nicht nur aus sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung erzielt. Einkommen wird auch und zu einem stetig wachsenden Teil aus der Vermietung von
Wohnungen, aus Dividenden und anderen Kapitaleinkünften erworben. Schon vor Jahren haben Studien der
AOK bewiesen, dass mit einer solchen Neustrukturierung der Einnahmen Beitragssatzabsenkungen von fast
5 Prozent möglich wären. Hier liegen echte Reserven für
eine Senkung der Lohnnebenkosten. Ich appelliere deshalb an Sie: Haben Sie den Mut, Lösungen in dieser
Richtung zu suchen und zu finden. Verabschieden Sie
eine Reform, die den eingangs zitierten Intentionen
Willy Brandts gerecht wird!
Vielen Dank.
({15})
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Zöller,
CDU/CSU-Fraktion.
Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Rot-Grün legt heute nun endlich ein
Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz vor. Leider
wird es seinem Namen nicht gerecht und verdient ihn
nicht.
({0})
Staatsdirigismus, Ausweitung der Verwaltung, Zerschlagen der Freiberuflichkeit, Rationierung und Patientengängelung sind kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt.
({1})
Mit Genehmigung der Präsidentin darf ich die „Rheinische Post“ zitieren. Sie schreibt:
Anders als die rot-grüne Mannschaft, die mit der
Beschränkung der Arztwahl und der Einführung eines Kontrollzentrums rückwärts Richtung Planwirtschaft passt, flankt die Merkel-Mannschaft kräftig
nach vorn.
({2})
10 Prozent Selbstbeteiligung an den Kosten für
Arznei, Arztbesuch und Krankenhaus, sozial austariert durch Höchstgrenzen und Kostenfreiheit für
die Kinder - das ist ein Steilpass für echte Reformen.
({3})
Denn nur mit mehr Eigenverantwortung kann es gelingen, den Patienten zum kostenbewussten Nachfrager zu machen und Wettbewerb in das Gesundheitssystem zu bringen.
Ich glaube, diesem Zitat ist nicht sehr viel hinzuzufügen.
({4})
- Herr Kollege Tauss, Lautstärke ist kein Beweis für Intelligenz.
({5})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, manche Reden und die Meldungen der Medien vermitteln den Eindruck, als bestehe unser Vorschlag ausschließlich aus einem Abkassiermodell. Wenn das so behauptet wird,
dann muss man entweder unter Realitätsverlust leiden
oder sein eigenes Gesetz nicht richtig kennen. Bei der
Fokussierung darauf werden ganz bewusst wichtige
Strukturelemente verschwiegen: Qualitätswettbewerb,
Prävention, Beteiligung der Versicherten, Freiberuflichkeit und der große Bereich des Bürokratieabbaus.
Aber selbst wenn man nur über die Zuzahlungen diskutieren würde, sind Ihre Aussagen unredlich. Wir sagen
den Bürgern klar und deutlich, was wir mit Zuzahlung
meinen und wie viel diese betragen sollen. Sie dagegen
überschreiben die Zuzahlungen für den Bürger in Ihrem
Gesetz mit „Entlastung der Kassen“; letztendlich aber ist
es nichts anderes als eine Zuzahlung für den Bürger. Deshalb sollten wir im Umgang mit Zahlen ehrlicher sein.
Bei uns werden die Bürger - das haben wir mit unserem Vorschlag klar gesagt - mit einer einheitlichen
10-prozentigen Zuzahlung bei einer Obergrenze von maximal 2 Prozent des Bruttoeinkommens und gleichzeitiger Zuzahlungsbefreiung von Kindern mit rund 6 Milliarden Euro sowie durch die private Absicherung des
Zahnersatzes mit rund 1,75 Milliarden Euro belastet.
Das entspricht einer Gesamtbelastung von rund
7,75 Milliarden Euro. Gleichzeitig aber werden die Versicherten bei uns entlastet: durch Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel und Kürzung der Verwaltungskosten.
Dagegen wird in der Öffentlichkeit die Belastung der
Versicherten durch das rot-grüne Reformgesetz ganz bewusst verschwiegen. Wäre dies nicht der Fall, würde
man sehr schnell erkennen, dass Sie die Versicherten wesentlich stärker belasten als wir.
({6})
Um das deutlich zu machen, möchte ich die Belastungen einmal im Einzelnen benennen: erstens Herausnahme des Krankengeldes aus der paritätischen Finanzierung;
({7})
zweitens Streichung der OTC-Präparate, das heißt der
Arzneimittel mit schwachen Nebenwirkungen, aus dem
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung;
drittens Praxisgebühr in Höhe von 15 Euro bei direktem
Facharztbesuch; viertens Änderung der Härtefallregelung für Arzneimittelzuzahlungen; fünftens Anhebung
der Zuzahlung bei Krankenhausaufenthalt auf 12 Euro;
sechstens Reduzierung der Leistungen bei Sehhilfen;
siebtens höhere Beiträge bei Rentnern auf Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen; achtens Reduzierung
der Leistungen bei Fahrtkosten und neuntens Streichung
des Sterbegeldes und Begrenzung der Leistungen bei
Sterilisation, künstlicher Befruchtung und Entbindung.
Herr Kollege Zöller, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Bender?
Ja, ich möchte aber vorher noch einen Satz sagen, damit das abgeschlossen ist. Danach beantworte ich ihre
Frage gern.
In der Summe sieht das rot-grüne Modell Belastungen
für die Versicherten von über 10 Milliarden Euro vor.
({0})
Wenn Ihre Ministerin - wie gestern im Fernsehen - unsere Mehrbelastungen in Höhe von 7,7 Milliarden Euro
als unsozial bezeichnet, frage ich: Was sind die eigenen
10 Milliarden Euro?
({1})
Man könnte sagen, die Steigerung von unsozial lautet
Schröder-Schröpf. Darüber können wir gern diskutieren.
Herr Kollege Zöller, sind Sie bereit, zuzugestehen,
dass unsere Vorschläge nicht unsozial sind, Ihre Rechnung dagegen unseriös ist? Wenn Sie die Umfinanzierung des Krankengeldes als Belastung der Versicherten
bei uns einrechnen - das trifft an sich auch zu -, dann
müssen Sie auch so ehrlich sein und den Preis für die
Privatisierung des Zahnersatzes nennen. Sie bedeutet ja
nicht nur, dass die Versicherten ihn allein bezahlen, sondern sie müssen dafür wegen der Privatversicherung und
privatärztlichen Abrechnung sogar mehr bezahlen.
({0})
Zweitens. Finden Sie es wirklich sozial, dass ein
Mensch, der das ganze Jahr über gesund war und plötzlich ins Krankenhaus kommt - eine Krankenhausbehandlung hat nach den jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2001 im
Schnitt mehr als 3 000 Euro gekostet -, auf einen Schlag
300 Euro zusätzlich zu den Beiträgen zahlen muss?
({1})
Zunächst ist eines mehr als seltsam: Wir haben eine
Obergrenze der Belastung der Versicherten von
2 Prozent vorgesehen.
({0})
Sie ist nicht höher als Ihre Obergrenze von 2 Prozent.
Das heißt, auch bei uns muss der Versicherte bezüglich
der einzelnen Belastungen nicht mehr als 2 Prozent zahlen. Ich halte es für unredlich, dass Sie unsere vorgesehenen Belastungen in Höhe von 7,7 Milliarden Euro als
unsozial bezeichnen, während Sie selber 10 Milliarden
Euro bei den Menschen abkassieren wollen.
({1})
Herr Kollege Zöller, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Kirschner?
Gern.
Herr Kollege Zöller, wir haben nie verschwiegen
- das wird auch in unserem Gesetzentwurf deutlich -,
dass Belastungen auf die Versicherten zukommen werden. Wie hoch würden aber die Belastungen ausfallen,
wenn der Arbeitgeberbeitrag eingefroren würde? Sie haben bisher nicht gesagt, in welcher Höhe Sie ihn einfrieren wollen; gehen wir hier einmal von 6 bis 6,5 Prozent
aus. Sie müssen uns auch sagen, wie hoch die Belastungen der Versicherten durch die Streichung des Zahnersatzes, auf die die Kollegin Bender bereits einging, werden.
Sie sagen, für jede Art von Leistung soll ein Eigenanteil von 10 Prozent, höchstens jedoch 5 Euro, zusätzlich bezahlt werden. Werden die Versicherten dadurch
nicht in viel stärkerem Maß zur Kasse gebeten als durch
unsere Regelungen? Sie sehen vor, dass jede einzelne
Leistung zusätzlich bezahlt werden muss; das müssen
Sie seriöserweise aber zu den Belastungen addieren.
Sie können davon ausgehen, dass wir das bereits addiert haben. Das ist doch vollkommen klar. Deshalb haben wir auch gesagt: Die 10-prozentige Zuzahlung wird
einen Umfang von 6 Milliarden Euro ausmachen. Das ist
seriös gerechnet.
Die erste Frage betraf
({0})
- danke schön - das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags.
Wir haben erklärt, dass wir das mittelfristig durchsetzen
wollen. Ich halte das sogar für die gerechtere Lösung. In
dem Moment, in dem der Arbeitgeberbeitrag eingefroren
wird, muss die Versichertengemeinschaft insgesamt die
erhöhten Kosten zahlen. Wenn dies nicht gemacht wird,
müssen die Kranken durch erhöhte Zuzahlung die Kosten allein tragen. Das Einfrieren des Arbeitgeberanteils
ist daher sozial gerechter.
({1})
Herr Kollege Zöller, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Widmann-Mauz?
Ja.
({0})
Lieber Kollege Zöller, könnten Sie den Kollegen des
Deutschen Bundestages erklären, wo im Gesetzentwurf
von Rot-Grün eine soziale Begrenzung bei den Leistungen, die die Menschen wieder eigenverantwortlich regeln sollen, vorgesehen ist? Ich meine die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel und Sehhilfen. Wo
liegt da die Grenze für den sozialen Schutz?
Vielleicht könnten Sie auch eine Aussage dazu machen, ob sich die Verschiebung der Parität, die Rot-Grün
zur Finanzierung des Krankengeldes vorsieht, nur auf
das Krankengeld oder auf alle Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung bezieht.
Der erste Punkt, Frau Kollegin: Es ist natürlich wesentlich unsolidarischer, ganze Leistungsbereiche herauszunehmen. Dann bleibt den Versicherten nichts anderes übrig, als diese Leistungen zu 100 Prozent selbst zu
zahlen.
({0})
- Wenn Sie das nicht verstehen, dann können Sie dazu
gerne eine Frage stellen.
({1})
Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben: Da
sich Rot-Grün nicht einigen konnte, das Krankengeld
ganz aus dem Leistungskatalog herauszunehmen, was
systemgerechter gewesen wäre, hat man - ich sage es
einmal so - eine Zwitterlösung gefunden, indem einfach
die Parität verschoben wurde. Inwiefern ist das noch solidarisch? Was das mit Parität zu tun hat, wenn der Arbeitnehmer das Doppelte zahlt, müssen Sie schon erklären. Ich jedenfalls verstehe es nicht.
({2})
Noch ein Unterschied bei der Zuzahlung zwischen Ihrem und unserem System ist erwähnenswert. Ihr Gesetzentwurf enthält über 20 verschiedene Zuzahlungsregelungen. Gleichzeitig fällt ein großer Teil der Zuzahlungen
heraus. Das heißt, Sie haben Bereiche ausgegrenzt und
dafür über 20 verschiedene Zuzahlungsregelungen aufgenommen. Daher bin ich der Auffassung, dass unsere
einfache und übersichtliche Regelung des gesamten
GKV-Bereiches für die Versicherten wesentlich transpaWolfgang Zöller
renter ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass keiner mehr
den Überblick über alle bisherigen Zuzahlungsregelungen im Gesetz hat. Ich bin ganz ehrlich: Auch ich habe einen Spickzettel dabei. Deshalb könnten wir diesen Bereich mit einer einfachen Regelung wesentlich sinnvoller
gestalten.
Damit noch nicht genug. Das rot-grüne Modell beherbergt noch weitere kostenintensive Fallgruben, die der
Reform jedwede Nachhaltigkeit rauben. Das Hausarztmodell wurde angesprochen. Ich bin felsenfest davon
überzeugt: So, wie es im Gesetzentwurf angelegt ist,
wird dieses Hausarztmodell zu mehr und nicht zu weniger Kosten führen,
({3})
wie Sie es der Bevölkerung gerne weismachen wollen.
({4})
Das Zentrum für Qualitätssicherung stellt eine neue
staatsnahe Behörde dar, die unweigerlich zu mehr Bürokratie und damit wiederum automatisch zu Kostensteigerungen führt. Wir brauchen doch nicht mehr Bürokratie
und Verwaltung in diesem System. Wir müssen endlich
gemeinsam den Mut aufbringen, die Verwaltungskosten
und den Verwaltungsaufwand in diesem System drastisch zu reduzieren.
({5})
Es geht doch nicht an, dass allein in den letzten vier Jahren rund 3 800 zusätzliche Verwaltungsfachkräfte im
Gesundheitswesen eingestellt werden mussten und gleichzeitig rund 15 000 Pflegekräfte entlassen wurden. Damit
ist eine Verschiebung erfolgt. Die Ausgaben für die Verwaltung sind höher als die für die sinnvolle Behandlung
von Kranken. Insofern ist in diesem Bereich eine Umsteuerung notwendig. Ich bin sehr dankbar, dass in unserem Gesetzentwurf erstmals die Senkung der Verwaltungskosten zwingend festgeschrieben wird.
Eines kann ich Ihnen nicht ersparen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Bürokratisierung für Sie eine
Art Droge bedeutet. Ich möchte das an einem Beispiel
belegen. Wir haben doch - darin bin ich mir felsenfest
sicher - ein gemeinsames Ziel, nämlich dass die preisgünstigsten Arzneimittel in Anspruch genommen werden sollen. In dem Ziel sind wir uns wohl alle einig. Unser Vorschlag dazu lautet, eine Zuzahlung in Höhe von
10 Prozent einzuführen. Wir sind davon überzeugt, dass
dies zu einer kostenbewussten Inanspruchnahme medizinischer Leistungen führen wird.
({6})
Dabei handelt es sich um eine sehr einfache Regelung:
10 Prozent Zuzahlung, und Sie werden sehen, dass die
Menschen selber bestrebt sein werden, das preisgünstigste Arzneimittel zu bekommen. Das ist unser Vorschlag: übersichtlich und einfach.
Nun zu Ihrem Gegenvorschlag. Dazu darf ich einen
Satz wiederholen, den der Kollege Gerhardt bereits zitiert hat.
({7})
Ihre Regelung sieht Folgendes vor - das muss man sich
auf der Zunge zergehen lassen -:
§ 129 wird wie folgt geändert: ... Bei der Ermittlung
der oberen Preislinie des unteren Preisdrittels wird
ein Arzneimittel nicht berücksichtigt, dessen Arzneimittelabgabepreis 90 vom Hundert des Preises
desjenigen Arzneimittels übersteigt, das als erstes
Arzneimittel mit diesem Wirkstoff zugelassen worden ist, es sei denn, der Anteil des nicht als erstes
zugelassenen Arzneimittels an der Gesamtzahl der
Packungen der zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff,
({8})
identischer Wirkstärke und Packungsgröße und vergleichbarer Darreichungsform erreicht einen Anteil
von mindestens 10 vom Hundert im Zeitraum der
vorangegangenen vier Quartale.
Das war der erste Satz.
({9})
- Nein, ich verstehe das nicht, tut mir Leid. Aber das ist
doch auch nicht unser Gesetzentwurf, sondern Ihrer.
({10})
Der zweite Satz lautet:
Ein Arzneimittel, dessen Packungsgröße abweicht
von der Packungsgröße anderer Arzneimittel mit
gleichem Wirkstoff, gleicher Wirkstärke und vergleichbarer Darreichungsform ist preisgünstig nach
Satz 1 Nr. 1, wenn sein Preis nicht höher ist als das
Vielfache aus der Zahl der Einzelanwendungen in
der Packung dieses Arzneimittels und den Kosten je
Einzelanwendung in der nächstgrößeren Packung
zum Preis entsprechend der oberen Preislinie des
unteren Preisdrittels.
({11})
Jetzt kommt der entscheidende dritte Satz:
({12})
Der Hersteller ist verpflichtet, in seinen Mitteilungen zur Erstellung von Preislisten jeweils anzugeben, ob das Arzneimittel preisgünstig nach Satz 1
Nr. 1 ist.
Das muss vom Apotheker überprüft werden.
({13})
Es muss auch von den Krankenkassen überprüft werden
und ich befürchte, dass Sie demnächst auch noch das
Zentrum für Qualität in der Medizin diesen Schwachsinn überprüfen lassen.
Ich meine, dass der ganze Paragraph gestrichen werden kann. Mit unserer 10-prozentigen Zuzahlung ist das
Ziel wesentlich einfacher und sinnvoller zu erreichen.
({14})
Wir wollen auch einen Großteil der rund 7 000 existierenden Vorschriften streichen, nämlich die, die nicht
notwendig sind. Muss beispielsweise gesetzlich geregelt
werden, dass der sechste Zahn von hinten nur mit einer
bestimmten Verblendungsform versehen werden darf? Das kann doch nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein!
Sie haben aber keine einzige Vorschrift zurückgenommen oder gekürzt. Im Gegenteil: Sie legen uns jetzt 380
neue Seiten mit neuen und zusätzlichen Vorschriften vor,
durch die das Ziel, mehr Transparenz und Übersichtlichkeit herzustellen, aber nicht erreicht wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich noch ein weiteres Beispiel für unwirksame, unsinnige und bürokratische Regeln von Frau Ministerin
Schmidt nennen.
({15})
Gegen unseren Willen wurde gestern im Gesundheitsausschuss die Positivliste beschlossen. Wenn wir Ihren
Gesetzentwurf ernst nehmen, müssen wir heute alle Medikamente, die eine schwache Nebenwirkung haben, aus
dieser Liste wieder herausnehmen. Sie haben in Ihrem
Gesetzentwurf nämlich geschrieben, dass alle OTC-Präparate, also alle Arzneimittel mit schwachen Nebenwirkungen, nicht mehr vergütet werden dürfen. Gestern haben Sie aber eine Liste beschlossen, in der diese
Arzneimittel noch enthalten sind.
Jetzt kommt der Gipfel: Heute korrigieren Sie Ihr Gesetz, das gestern im Ausschuss beschlossen wurde. Nun
höre ich, dass Sie schon jetzt - Sie merken, dass es
Schwachsinn ist - eine Korrektur der Korrektur des Gesetzes von gestern einführen. Sie beauftragen den Bundesausschuss, Indikationen festzulegen, damit solche nur
schwach wirksamen Medikamente entgegen der Positivliste bzw. Ihrer Regelung, dass OTC-Produkte nicht
mehr bezahlt werden, doch wieder aufgenommen werden können. Es tut mir Leid: Das ist ein Wust von Bürokratie, Behördenaufgaben und neuen Vorschriften.
({16})
Damit ist unser Gesundheitswesen nicht zu retten.
Für die Union ist diese Gesetzesvorlage keine geeignete Grundlage für zielführende Verhandlungen. Es ist
auch bezeichnend: Schauen Sie sich einmal unsere zehn
Seiten an. Auf unseren zehn Seiten sind mehr strukturelle Elemente vorhanden als auf Ihren 380. Wenn wir
versuchen, auf der Grundlage unserer zehn Seiten zu
verhandeln, werden wir, da bin ich mir sicher, gemeinsam etwas Vernünftiges zustande bringen können.
Vielen Dank.
({17})
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Gudrun Schaich-Walch, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Merkel, ich habe eine Frage an Sie. Eingangs der Debatte gab es ein Angebot, dass wir über das
Vorliegende, den Gesetzentwurf und Ihren Antrag, in
diesem Parlament verhandeln könnten. Vorhin sagte
Herr Zöller, er sehe dafür gar keine geeignete Grundlage. Zum Ende dieser Debatte würden wir von Ihnen
jetzt gerne sehr klar wissen, wie die Verhandlungen aussehen sollen und wie sie organisiert und durchgeführt
werden.
({0})
Dass der Ausschuss tagt und über die Dinge, die eingebracht wurden, berät, ist mehr als eine Selbstverständlichkeit. Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir wenigstens das als eine klare Aussage Ihrerseits heute mit auf
den Weg nehmen könnten. Nicht nur wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier, sondern auch die Menschen in diesem Land wollen eine klare Aussage dazu
haben, dass es einen gemeinsamen Willen der hier vertretenen Fraktionen gibt, zu einem Ergebnis bezüglich
der Reform des Gesundheitswesens zu kommen.
({1})
Herr Zöller, es gab heute sehr viel Trennendes und einiges Einigende. Sie haben aus einer Zeitung vorgelesen.
Es gibt andere Zeitungen, aus denen ich heute vorlesen
könnte. Die „Frankfurter Rundschau“ hat zum Beispiel
sehr deutlich gemacht, dass es sich bei Ihrem Vorschlag
um ein Abkassiermodell und um den Einstieg in die Privatisierung des Gesundheitswesens handelt. Es wurde
so deutlich gemacht, dass es in diesem Land eigentlich
auch jeder verstehen können sollte.
Neben dem Trennenden nehme ich allerdings auch einiges Einigende mit, nämlich die Tatsache, dass wir uns
hier gemeinsam darüber bewusst sind, dass wir ein leistungsfähiges Gesundheitssystem haben. Im letzten Jahr
haben wir über 140 Milliarden Euro zur Versorgung der
Patienten ausgegeben. Alle Versicherten haben Zugang
zu den medizinisch notwendigen Leistungen.
Frau Widmann-Mauz sagte, es gebe Wartelisten bei
uns. Auf der anderen Seite erklärt sie aber, dass wir die
Wartelisten anderer Länder abarbeiten. Ich meine, Sie
sollten einmal zu einem Klärungsprozess kommen.
Wenn wir die Wartelisten anderer abarbeiten, dann bedeutet das nämlich ganz klar, dass wir keine haben.
({2})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Zöller?
Vielleicht zum Ende hin.
({0})
Einen ganz wesentlichen Beitrag zu unserem Gesundheitswesen leisten die Menschen, die dort arbeiten. Es
wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, darauf zu achten,
dass sie mit ihrer Arbeit, die sie dort erbringen, zufrieden
sind und dass sie eine vernünftige wirtschaftliche Basis
haben. Es kann nicht sein - wie Sie von der Union es
heute vorgetragen haben und wie es auch aus Ihrem Antrag hervorgeht -, dass die durch die notwendigen Veränderungen entstehenden Belastungen allein von den
Versicherten zu tragen sind und Sie um diejenigen, die in
diesem Bereich arbeiten, einen Schutzzaun errichten und
sagen, jegliche Veränderungen dort seien des Teufels.
({1})
Wir brauchen Reformen und wir müssen auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen sowie auf
den medizinischen Fortschritt eingehen. Wir müssen
diese in unser System einbringen. Letztendlich müssen
aber alle, die an diesem System partizipieren - egal in
welcher Art und Weise -, ihren Beitrag dazu leisten.
Wenn ich sage, alle müssen einen Beitrag leisten,
meine ich damit auch die Pharmaindustrie, die Apotheken, den Großhandel, die Ärzte, die Versicherten und die
Patienten. Nach Gesprächen, die ich geführt habe, kann
ich sagen: Die meisten Menschen sind dazu bereit. Sie
sind bereit, diese Belastungen gemeinsam zu tragen.
Frau Widmann-Mauz, auf der einen Seite sprechen
Sie von einer gleichmäßigen Verteilung der Lasten auf
breite Schultern; auf der anderen Seite sehe ich bei Ihnen
kaum Vorschläge für strukturelle Veränderungen, nur
den Vorschlag einer 10-prozentigen Zuzahlung.
({2})
Angesichts dessen frage ich mich, ob in diesem Land nur
die Patientinnen und Patienten Schultern haben und alle
anderen Menschen nicht.
({3})
Mit dem Entwurf, den wir Ihnen vorgelegt haben, setzen wir sehr konsequent eine begonnene Politik hin zu
mehr Prävention, mehr Qualität, Transparenz und Wirtschaftlichkeit fort. Wir haben zu all diesen Bereichen
Angebote unterbreitet. Ich nenne die Patientenkarte mit
der Weiterentwicklung zur Patientenakte und eine verstärkte Prävention. Sie wissen alle, dass es auch ein gesondertes Präventionsgesetz geben wird. Wir erfüllen mit
unserem Entwurf also viele Anforderungen, die als solche auch in Ihrem Papier stehen, die Sie allerdings - weil
Sie sich nicht einigen konnten - nicht so weit gehend und
im Detail beschreiben konnten, wie wir es getan haben.
Im Mittelpunkt unseres Gesetzentwurfs steht die Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Ich denke, das ist auch ein gemeinsames Ziel. Wir
müssen daher unsere Strukturen an den tatsächlichen
Notwendigkeiten der Versorgung und nicht daran ausrichten, wie wir die Einkommen der Leistungserbringer
- auch der Selbstständigen - sichern können. Es muss
also weiterhin im ambulanten Bereich, im krankenhausärztlichen und auch zahnärztlichen Bereich die notwendige Versorgung zur Verfügung stehen. Allen Versicherten muss weiterhin uneingeschränkter Zugang zu den
verordneten Leistungen gewährt werden und der finanzielle Beitrag - das ist ganz wichtig -, der dazu gehört,
muss sich nach wie vor nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Einzelnen richten. Mit Ihrer Lösung beim
Zahnersatz verstoßen Sie eklatant gegen dieses Prinzip.
({4})
Die notwendige medizinische Versorgung muss weiterhin solidarisch finanziert werden. Die Beiträge dafür
müssen weiterhin paritätisch von Arbeitnehmern und
Arbeitgebern aufgebracht werden. Dabei gibt es einen
deutlichen und klaren Unterschied zu Ihnen: Ihr Vorschlag der privaten Finanzierung von Zahnersatz ist ja
eindeutig der Ausstieg aus der solidarischen Finanzierung einer medizinisch notwendigen Sachleistung. Das
ist beim Krankengeld nicht der Fall.
({5})
Ich sage es noch einmal: Ihr Vorschlag bedeutet den
Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung einer medizinischen notwendigen Leistung. Deshalb ist das mit unserem Vorschlag zum Krankengeld nicht vergleichbar.
Was aber noch schlimmer ist: Sie haben heute in der
Debatte und auch in Pressebeiträgen die Option eröffnet
und deutlich gemacht: Ihr Vorschlag ist der Einstieg in
die private Absicherung des Krankheitsrisikos. Das ist
etwas, was mit uns nicht zu machen ist, auch wenn Sie
es unter dem netten Begriff „Paradigmenwechsel“ verstecken.
({6})
Ihr Vorschlag verletzt das solidarische Grundelement
unserer gesetzlichen Krankenversicherung, dass Beiträge zur Krankenversicherung entsprechend dem Einkommen gezahlt werden. Wer viel verdient, zahlt auch
viel. Das ist Solidarität.
({7})
Sie aber beginnen letztlich mit der Zerstörung der
Solidarität dadurch, dass Sie eine einseitige Belastung
der Versicherten herbeiführen. Ferner wollen Sie den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung festschreiben.
Damit - da hatte der Kollege Kirschner absolut Recht koppeln Sie die Arbeitgeber von der Dynamik der Ausgabenentwicklung bei den medizinischen Leistungen ab.
Ich glaube, das ist ein Schritt, der nicht vertretbar ist.
({8})
Ich spreche von dem Unterschied zwischen den medizinischen Leistungen und den Sozialleistungen. Wir finanzieren demnächst auch andere soziale Leistungen wie
das Mutterschaftsgeld um. Den Vorschlag habe ich bei
Ihnen auch gefunden. Sie wissen nur nicht, wie Sie zu
den 1,5 Milliarden Euro kommen. Das ist offensichtlich
nur das Problem des Finanzministers.
({9})
Wir beschreiten auch dort den Weg der Veränderungen.
Das heißt also schlicht und einfach, dass alle Lasten,
die aus dem demographischen Wandel und dem medizinischen Fortschritt resultieren, nach Ihrem Vorschlag alleine von den Arbeitnehmern getragen werden sollen.
Auch Ihr Vorschlag, eine Selbstbeteiligung von 10 Prozent für alle medizinischen Leistungen einzuführen, belastet einseitig die Kranken.
Man muss auch einmal über Zahlen reden. Herr
Zöller, Sie können sonst so gut rechnen. Heute hat es bei
Ihnen nicht so geklappt.
({10})
Ein Durchschnittsverdiener mit 2 500 Euro Monatsgehalt wird bei Ihrem Modell mit 600 Euro im Jahr zusätzlich belastet. Ich frage Sie, ob das vernünftig ist, da nicht
zu erkennen ist, dass Sie auf der anderen Seite eine Entlastung vornehmen. Sie setzen letzten Endes nur Ihre gescheiterte Politik, die Sie bis 1998 betrieben haben, fort,
mit der die Kranken für ihr Kranksein bestraft wurden.
Ganz besonders schlimm - das wissen Sie auch - sind
die chronisch Kranken dran. Dann werfen Sie Nebelkerzen. Sie können unserem Entwurf entnehmen, dass
wir gerade chronisch Kranke entlasten, indem diese
nicht 2 Prozent, sondern nur 1 Prozent zur Finanzierung
beitragen.
({11})
Eigenverantwortung heißt bei uns - anders als bei
Ihnen - nicht immer nur zahlen, zahlen, zahlen, sondern
bei uns hat der Patient in Zukunft die Chance zu entscheiden,
({12})
was er zahlt und ob er zahlt. Das hängt davon ab, wie er
sich im System verhält und für welche Versorgungsstruktur er sich entscheidet.
({13})
Das ist ein Stück Freiheit.
Ähnlich verhält es sich mit der von Ihnen vorgeschlagenen Kostenerstattung. Schauen Sie sich die Krankenversicherungssysteme an, die eine Kostenerstattung haben. Das ist die private Krankenversicherung. Sie hat
einen Verwaltungsaufwand von 10 Prozent. Bei der GKV
beträgt der Verwaltungsaufwand etwa 5 Prozent. Sie
aber beklagen die Bürokratie. Mit diesen 10 Prozent
wird die Bürokratie bezahlt. Sie müssen sich schon entscheiden, wohin Sie wollen.
({14})
Ich will aber auch nicht verkennen, dass wir Gemeinsamkeiten haben. Diese bestehen darin, den Schwerpunkt auf die Prävention zu setzen, mehr Transparenz zu
schaffen, die Patientenrechte zu verbessern und die Qualität zu steigern. Zu all diesen Punkten finden Sie Angebote in unserem Entwurf. Auch Sie haben welche. Darüber müssen wir reden. Sie müssen uns sagen, wann,
wie und wo wir darüber reden. Das sind Sie uns letztendlich schuldig.
Frau Kollegin, erfüllen Sie jetzt den heutigen Geburtstagswunsch des Kollegen Zöller und lassen Sie
noch eine Zwischenfrage zu?
Mache ich doch glatt.
Kollegin Schaich-Walch, können Sie mir eventuell
zustimmen, dass es, wenn der Wunsch zu gemeinsamen
Verhandlungen wirklich ernst gemeint ist, logisch ist,
dass der gestern beschlossene Gesetzentwurf über die
Positivliste eigentlich in das Gesundheitsmodernisierungsgesetz gehört, da Sie doch selber gesagt haben, dieser sei eines der Kernstücke Ihrer Gesundheitsreform?
Wir empfinden es schon als einen seltsamen Akt, dass
man vorher ein Kernstück herausnimmt, es damit zustimmungsfrei macht und dann fragt, ob darüber nicht
verhandelt werden solle.
Ich muss Sie erst einmal korrigieren. Nicht die Herausnahme hätte den Gesetzentwurf zustimmungsfrei gemacht, sondern die Positivliste ist bereits mit der Gesundheitsreform im Jahre 1999 in Angriff genommen
worden. Durch sehr sorgfältige Arbeit ist der Gesetzentwurf erst jetzt zum Abschluss gekommen.
({0})
Sie können doch nicht den Anspruch erheben, dass wir
alle Gesetzentwürfe, die jetzt noch nicht abgeschlossen
sind, im Rahmen der Gesundheitsstrukturreform zu verhandeln haben.
({1})
Lassen Sie mich zum Schluss kurz noch etwas zum
Thema Wettbewerb sagen. Man hatte heute bei Ihren Reden den Eindruck, Wettbewerb sei plötzlich des Teufels.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Wettbewerb brauchen, um zu Verbesserungen zu kommen. Es wird Ihnen,
glaube ich, nicht gelingen, sich an strukturellen Veränderungen vorbeizumogeln.
Einfach immer nur mehr Geld in das System zu stecken löst unsere Probleme letztlich nicht. Wir haben eine
gemeinsame Aufgabe. Es scheint, wir werden uns bei einigen Punkten einigen können; bei anderen Punkten
wird das kaum möglich sein. Das Ganze wird ausgesprochen schwierig werden. Die Menschen in diesem Land
haben aber einen Anspruch darauf, dass wir zumindest
den ernsthaften Versuch wagen und dass wir ihnen erklären, wie es geht.
Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie enthalten alle wesentlichen und notwendigen Punkte. Ihre Vorschläge haben noch Fragmentcharakter. Wir sind gerne
bereit, Ihre intensive Auslegung zu den einzelnen Punkten entgegenzunehmen.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 15/1170 und 15/940 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Die Vorlagen auf Drucksachen 15/1174 und 15/1175 sol-
len an dieselben Ausschüsse wie die Vorlage auf Druck-
sache 15/1170 überwiesen werden. Gibt es dazu ander-
weitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über
die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in
Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten
({0})
- Drucksache 15/1062 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland und
weiterer berufsrechtlicher Vorschriften für
Rechts- und Patentanwälte, Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer
- Drucksache 15/1072 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({2})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Juni 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Indien über die Auslieferung
- Drucksache 15/1073 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({3})
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({4}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem EU-geführten Einsatz zur Stabilisierung der Sicherheitslage und Verbesserung der
humanitären Situation in Bunia auf der
Grundlage der Resolution 1484 ({5}) des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom
30. Mai 2003
- Drucksachen 15/1168, 15/1177 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Markus Meckel
Dr. Friedbert Pflüger
Dr. Werner Hoyer
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({6})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 15/1177 Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Hermenau
Lothar Mark
Herbert Frankenhauser
Dietrich Austermann
Jürgen Koppelin
Über die Beschlussempfehlung werden wir im Anschluss an die Debatte namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die Aussprache eröffnen kann, bitte ich diejenigen, die sich in
den Gängen unterhalten, ihre Gespräche in der Lobby
des Bundestages fortzuführen. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Peter Struck.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte mit einem Dank an die Fraktionen
des Deutschen Bundestages beginnen. Das Kabinett hat
am Freitag den Einsatz deutscher Soldaten im Zusammenhang mit der EU-Mission im Kongo beschlossen.
Sie haben heute bzw. gestern in Ihren Fraktionen beraten. Heute werden wir zu einer Entscheidung kommen.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass das in diesem Verfahren
möglich war.
({0})
Angesichts der Schwierigkeit dieses Einsatzes weiß ich
das besonders zu würdigen.
Meine Damen und Herren, wir haben schon in der
letzten Sitzungswoche anlässlich eines anderen Debattenpunktes über die Situation im Kongo gesprochen. Die
Situation im Kongo lässt sich mit den Worten Bürgerkrieg und Ermordungen von Menschen beschreiben.
1,6 Millionen Kongolesen gelten als Vertriebene und
Flüchtlinge. Die meisten Toten sind Zivilisten, die unter
den entsetzlichen Lebensbedingungen gelitten haben
und infolge von Massakern, Plünderungen und Vertreibung oder an mangelnder Ernährung gestorben sind. Die
Situation hat sich durch den Abzug der ugandischen Einheiten aus Bunia Anfang Mai nochmals verschlimmert.
In den wenigen Wochen, die seitdem vergangen sind, haben mehrere hundert Menschen allein in Bunia den Tod
gefunden. 10 000 Menschen suchen Zuflucht in internationalen Einrichtungen, in denen sie nur unzureichend
versorgt und geschützt werden können. Rund 25 000 Menschen sind im Raum Bunia auf der Flucht.
Alle diplomatischen Bemühungen, diesen Konflikt
friedlich zu lösen, sind bisher erfolglos geblieben. Wir
stehen einmal mehr vor einer humanitären Katastrophe,
vor der die zivilisierte Welt die Augen nicht verschließen
kann und nicht verschließen darf.
({1})
Es war richtig, dass der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen gehandelt hat und auf der Grundlage von
Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen die Resolution 1484 verabschiedet hat. Darin wird die zeitlich
befristete Entsendung einer multinationalen Eingreiftruppe nach Bunia mandatiert. Die Mitgliedstaaten sind
aufgerufen worden, sich personell, materiell, finanziell
oder durch logistische Unterstützung an der Aufstellung
dieser multinationalen Eingreiftruppe zu beteiligen.
Deutschland hat diese Resolution von Anfang an unterstützt.
Um klar zu stellen, worum es jetzt geht: Unser Beitrag, der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland und
der Bundeswehr, besteht aus der Bereitstellung von
Lufttransportkapazitäten von Europa bis nach
Entebbe in Uganda mit C-160-Transall-Transportflugzeugen. Wir werden vier Flüge pro Woche auf der Strecke Frankreich-Entebbe installieren. Des Weiteren besteht unser Beitrag aus der Bereithaltung unserer
Fähigkeit zur raschen medizinischen Evakuierung auf
Abruf. Das betrifft einen Airbus Air Medevac vom Typ
A 310, der in Köln-Wahn in einer 24-Stunden-Bereitschaft zur Verfügung steht. Dieses Flugzeug kann - im
Gegensatz zu den Transall, die zweimal zwischenlanden
müssen, weil sie eine Flugzeit von 17 Stunden
benötigen - nonstop nach Entebbe fliegen. Mit dem
A 310 können Verletzte aufgenommen und nach Europa
transportiert werden, um sie dort weiter zu behandeln.
Außerdem verstärken wir das mit der Führung der Eingreiftruppe beauftragte Operationshauptquartier, gegebenenfalls auch das in Entebbe einzurichtende Hauptquartier der Eingreiftruppe durch - so ist es bisher
geplant - zwei oder drei Stabsoffiziere.
Insgesamt wird unser Beitrag weit unter der Stärke
von 350 Soldaten bleiben, die wir im Kabinettsbeschluss
festgelegt haben. Diese Obergrenze ist aber erforderlich,
um in der gegebenen Lage die notwendige Flexibilität zu
besitzen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass eine direkte Entsendung deutscher Soldaten in die Demokratische Republik Kongo nicht stattfinden wird. Ausnahme
ist der Fall einer dringenden Nothilfe oder einer erforderlichen Evakuierung. Ich möchte auch im Hinblick auf
die Debatten, die es in allen Fraktionen gegeben hat und
die, wie mir berichtet worden ist, sehr ernsthaft geführt
worden sind, gleich der Sorge entgegentreten, dass wir
uns auf eine Rutschbahn begeben, an deren Ende wir
möglicherweise viel stärker in diesen Konflikt verwickelt werden, als wir es für richtig halten. Ich erkläre für
die Bundesregierung ausdrücklich: Das Mandat ist zeitlich begrenzt und wird so ausgestaltet, wie ich es gerade
dargelegt habe, und nicht mehr. Das sollte deutlich sein.
Ich denke, das hilft auch manchem Kritiker und denjenigen in den Fraktionen, die Sorgen haben.
Das Ziel des Einsatzes der multinationalen Eingreiftruppe ist klar. Es geht bei dem zu leistenden Beitrag darum, die Massaker an der Bevölkerung in der Stadt Bunia zu stoppen, weitere Gewaltexzesse zu verhindern
und die humanitäre Katastrophe zu beenden. Deshalb
soll die Eingreiftruppe den Flughafen der Stadt Bunia sichern und zwei Flüchtlingslager wie auch die Einwohner
der Stadt und, soweit notwendig, die Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Bunia schützen. Der Auftrag soll in
enger Zusammenarbeit mit den in der Demokratischen
Republik Kongo stationierten Soldaten der VereintenNationen-Mission MONUC erfüllt werden. Diese Mission umfasst zurzeit etwa 3 800 Soldaten. Sie hat als
Operation nach Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen kein robustes Mandat und verfügt zudem nicht
über die Kräfte und die Mittel, Zwangsmaßnahmen gegen die Konfliktparteien durchzusetzen.
Das robuste Mandat der Eingreiftruppe ist - das
habe ich dargestellt - zeitlich, inhaltlich und räumlich
klar begrenzt. Es zielt ausschließlich darauf ab, die Lage
im Kongo zu stabilisieren, bis die Präsenz des im Kongo
befindlichen MONUC-Kontingents entsprechend der
Lage angepasst und verstärkt worden ist. Das bedeutet,
dass die UN-Mission MONUC im Kongo bis August
dieses Jahres auf etwa 11 000 Soldaten aufwachsen soll.
In Bunia ist der Einsatz von circa 2 000 Soldaten aus
Bangladesch vorgesehen. Die EU-Mission Artemis endet damit am 1. September 2003.
Ich fasse zusammen: Einerseits wächst die MONUCMission auf die von mir genannte Zahl von circa
11 000 Soldaten auf und andererseits dauert die EUOperation, die nur stabilisieren soll, bis Ende August
dieses Jahres. Das sollte jedem klar sein.
Der Einsatz der Eingreiftruppe der Europäischen
Union ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der
Demokratischen Republik Kongo. Wir Europäer werden damit unserer besonderen Verantwortung gerade
gegenüber dem afrikanischen Kontinent gerecht.
({2})
Der Einsatz in Bunia ist schließlich die erste durch die
Europäische Union geführte militärische Operation, die
nicht auf Kräfte oder Mittel der NATO zurückgreift. Das
Bündnis wurde entsprechend den NATO-EU-Dauervereinbarungen über die Diskussion und die Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union informiert.
Der Einsatz entspricht unserem Ziel, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in der Außen- und
Sicherheitspolitik fortzuentwickeln, damit Europa seine
Verantwortung für die europäische und globale Sicherheit stärker wahrnehmen kann. Das geschieht nicht in
Konkurrenz zur NATO, sondern ist Ausdruck einer vernünftigen Lastenteilung innerhalb der euro-atlantischen
Staatengemeinschaft.
({3})
Es ist sehr zu begrüßen, dass sich Frankreich bereit
erklärt hat, die Funktion der Frame Nation, also der Rahmennation, im Hinblick auf die EU-Operation Artemis
im Kongo zu übernehmen. Bislang haben sich sieben
weitere europäische Nationen bereit erklärt, Soldaten zu
dieser Eingreiftruppe beizusteuern: Österreich, Belgien,
Großbritannien, Griechenland, die Niederlande, Spanien und Schweden. Darüber hinaus werden wahrscheinlich auf Bitten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen auch einige außereuropäische Staaten Truppen für
diese Operation stellen: voraussichtlich Brasilien, Kanada, Pakistan und Südafrika, das ebenfalls eine besondere Verantwortung auf dem afrikanischen Kontinent
hat.
Unser Beitrag ist begrenzt. Es ist ein Beitrag, wie wir
ihn leisten wollen, aber auch leisten können. Die Bundeswehr ist heute mit einer Gesamtzahl von knapp 9 000 Soldaten in sechs unterschiedlichen Einsätzen weltweit engagiert. Wir sind seit vier Monaten Lead Nation beim
Einsatz der ISAF in Afghanistan. Diese Funktion endet
am 11. August. Dann werden wir das Kommando in Kabul abgeben.
An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich der Präsidentin für die Würdigung unserer in Afghanistan verstorbenen Soldaten außerordentlich dankbar bin. Es
war ein schreckliches Ereignis; das muss man sich immer wieder vor Augen halten. Es verdeutlicht, welche
Verantwortung wir alle haben, wenn wir über solche
Einsätze entscheiden. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Ich kann Ihnen sagen, dass abgesehen von zwei
schwer verletzten Soldaten, die in unseren Krankenhäusern noch behandelt werden, alle Soldaten auf einem guten Wege sind.
({4})
Wir können und wir wollen bei der Kongo-Mission in
Uganda helfen. Es wäre allerdings eine Illusion, zu glauben, der aktuelle Konflikt im Kongo und die damit verbundene humanitäre Katastrophe könnten allein durch
militärisches Handeln nachhaltig gelöst werden. Eine
Lösung des Konflikts und eine dauerhafte Befriedung
der Region sind nur durch politische Stabilisierung,
wirtschaftliche Erholung und Demokratisierung zu erreichen. Deshalb hat sich die Bundesregierung frühzeitig
politisch und humanitär in Afrika, natürlich auch in der
Demokratischen Republik Kongo, engagiert. Wir müssen auch weiterhin alles tun, um die politischen Fortschritte, wie die angestrebte Bildung einer Allparteienregierung, zu unterstützen. Jetzt leisten wir einen kleinen
militärischen Beitrag. Die Priorität liegt aber auf der
politischen Lösung dieses Konfliktes.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang
Schäuble, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dem Antrag
der Bundesregierung zu. Nicht alle Kolleginnen und
Kollegen der CDU/CSU-Fraktion werden dem Antrag
zustimmen, aber die große Mehrheit wird es tun. Wir
alle, die wir zustimmen, tun dies allerdings mit erheblichen Bedenken. Wir haben uns die Entscheidung nicht
leicht gemacht. Es ist - der Bundesverteidigungsminster
hat es eben ausgeführt; ich will das für uns unterstreichen - eine ungewöhnlich schwierige und auch problematische Entscheidung.
Es ist nicht so, dass wir nicht der Meinung wären, es
sei dringend notwendig, dass sich die Völkergemeinschaft stärker in und für Afrika engagiert. Es ist nicht so,
dass wir nicht schon lange der Überzeugung wären, wir
müssten uns den Problemen und der trostlosen Entwicklung im Kongo viel entschiedener zuwenden. Was wir
aber vermissen, ist, dass dies auf der Grundlage eines
vernünftigen, durchdachten und ausgewogenen Konzepts geschieht; dessen Fehlen haben wir seit langem
kritisiert. Worüber wir jetzt reden, ist eine Sofortmaßnahme zur Vermeidung - hoffentlich - einer weiteren
humanitären Katastrophe. Es geht nur um ein Interimsmandat und einen -auftrag. Aber eigentlich brauchen
wir wirklich ein Konzept.
Wenn auf diesem Kontinent insgesamt und im Kongo
im Besonderen überhaupt die Chance auf eine bessere
Entwicklung bestehen soll, dann dürfen wir nicht verschweigen, dass die Staaten in der Region, insbesondere
Uganda und Ruanda, eine besondere Verantwortung haben. Wir müssen, glaube ich, auf diese Staaten sehr viel
mehr Druck ausüben. Es kann so nicht weitergehen. Man
kann es auch nicht hinnehmen.
({0})
Man muss sich schon eine gewisse Zurückhaltung
auferlegen, wenn man liest, dass die Interimsmission mit
Zustimmung der Regierungen dieser Länder erfolgt, da
man doch weiß, dass es genau diese Regierungen sind,
die selbst unmittelbar oder durch Dritte die Konflikte
schüren, und dass es im Übrigen natürlich viele westliche Länder und auch Firmen sind - auch das gehört mit
in den Zusammenhang -, die letztlich entscheidend zur
Finanzierung dieser Konflikte beitragen.
Dennoch ist es richtig, zu versuchen, die humanitäre
Katastrophe abzuwenden. Unsere Bedenken richten sich
auch nicht dagegen, dass die Europäer dieses Engagement übernehmen. Wir halten es für richtig, dass sich die
Europäische Union engagiert. Wir begrüßen auch, dass
Frankreich bereit ist, die Führung der Mission zu übernehmen. Aber wenn es notwendig ist, den europäischen
Arm der NATO zu stärken, wie der Bundesverteidigungsminister gestern in einem Interview gesagt hat, dann wäre
es richtig und besser gewesen, man hätte für diesen Einsatz der Europäer NATO-Strukturen verwendet.
In den Ausschussberatungen haben wir die Argumente und die Gründe dafür, dass es so schwierig gewesen ist, das in der Kürze der Zeit zu erreichen, hin und
her gewogen. Deswegen stellen wir überwiegend auch
insoweit unsere Bedenken zurück, aber mit dem Zusatz
- das will ich ausdrücklich sagen -: Es sollte eine Ausnahme sein.
({1})
Es muss klar sein, dass wir mit unserer Zustimmung
heute nicht eine Entwicklung einleiten,
({2})
und zwar dahin, dass in der Zukunft ESVP-Einsätze in
der Regel oder öfter ohne Verwendung von NATOStrukturen erfolgen. Es geht nicht darum, einen NATOEinsatz zu führen. Es geht darum - das ist auch gesagt
worden -, für die ESVP keine doppelten Strukturen zu
schaffen, sondern NATO-Strukturen zu nutzen.
Also: Es muss eine Ausnahme bleiben und es muss
klar sein: Wir wollen damit nicht eine Entwicklung für
die Zukunft einleiten, sondern wir wollen das eigentlich
mit dem ersten Mal ausdrücklich beenden. Der eine Fall
sollte möglichst auch der einzige bleiben, weil wir sonst
einen zusätzlichen Spaltpilz in das Atlantische Bündnis
hineintragen
({3})
und weil wir als Europäer die Aufgabe in Afrika angesichts ihrer Dimension allein nicht bewältigen werden,
sondern dafür den atlantischen Verbund mit aller Arbeitsteilung sehr viel stärker brauchen werden. Es muss
klar sein: Es ist eine gemeinsame Verantwortung.
Weil wir diesem Schritt nur unter Bedenken und nur
in den genannten Begrenzungen zustimmen, will ich
ausdrücklich sagen, dass unsere Zustimmung, Herr Bundesverteidungsminister, genau auf das begrenzt ist, was
Sie hier eben noch einmal festgeschrieben haben - das
will ich festgehalten haben -: Es ist ein begrenztes
Mandat für einen Übergangszeitraum, bis MONUC
die entsprechende Verstärkung hat, die Aufgabe auch
mit dem veränderten Mandat wahrnehmen kann, also bis
Ende August. Es ist ein Beitrag der Deutschen in dem
begrenzten Rahmen, den die Bundeswehr, die ohnedies
an den Grenzen ihrer Belastbarkeit ist, leisten kann. Es
geht nicht in den Kongo hinein mit Ausnahme des Falles, den Sie beschrieben haben. Es geht um die Bereitstellung von Lufttransportkapazitäten und medizinischer
Hilfe sowie Mithilfe im Hauptquartier begrenzt auf diese
Zeit - nicht mehr.
Durch Ihre gestrigen öffentlichen Äußerungen, Herr
Bundesverteidigungsminister, ist ein wenig Verwirrung
entstanden. Es ist nämlich schon der Eindruck entstanden, wir könnten durch diese Entscheidung sehr schnell
in weitere Aktionen hineingezogen werden. Ich halte
ausdrücklich fest, dass Sie nunmehr in den Ausschussberatungen und hier im Plenum klargestellt haben, dass
dies von der Bundesregierung nicht geplant ist. Unsere
Zustimmung für eine solche Ausweitung hätten Sie
nicht. Auch dies muss klar sein. Wir dürfen uns nicht auf
eine schiefe Ebene begeben.
({4})
Im Übrigen will ich in diesem Zusammenhang noch
eine Bemerkung machen, die sich nicht nur an den Bundesverteidigungsminister, sondern insgesamt an die
Bundesregierung richtet: Angesichts der Vielzahl und
der Schwierigkeit der Einsätze und der bitteren Erfahrungen, die wir jetzt eben in Afghanistan machen mussten, werbe ich - das sage ich ohne jede Polemik - bei der
Bundesregierung sehr darum, dass sie ihre Informationspolitik gegenüber dem Bundestag überprüft.
({5})
Wir müssen schon das Gefühl haben, dass wir von der
Bundesregierung umfassend und vollständig unterrichtet
werden, wenn wir so schwierige Entscheidungen treffen
und eine so große Verantwortung übernehmen müssen.
Wir haben etwa bei dem Einsatz in Afghanistan nicht
das Gefühl, dass wir von der Bundesregierung zu jedem
Zeitpunkt die Informationen, die sie im Einzelnen hat,
zur Verfügung gestellt bekommen.
({6})
Misstrauen ist eine schlechte Grundlage, wenn das Parlament den Teil der Verantwortung, den es tragen muss,
übernehmen soll. Ich wäre also dankbar, wenn es zu einer kritischen Überprüfung Ihrer eigenen Praxis und zu
einer Verbesserung käme.
({7})
Dies bringt mich im Übrigen zu einer weiteren Bemerkung: Es darf nicht sein Bewenden dabei haben, dass
wir bei jeder dieser Debatten immer wieder beklagen,
dass die Bundeswehr eigentlich schon längst überfordert ist, sie das gar nicht mehr leisten kann und man
mehr tun müsse, aber die Konsequenzen ausbleiben.
Man muss endlich einmal damit anfangen, die Bundeswehr für diese zusätzlichen Inanspruchnahmen entsprechend auszurüsten. Von Debatte zu Debatte - das geht
nun schon seit Jahren so - wird immer wieder gesagt:
Das ist aber das Äußerste, was die Bundeswehr noch
leisten kann. Dann kommt aber wieder etwas hinzu. So
kann es nicht weitergehen. Wir treiben auch mit der Bereitschaft unserer Soldaten ein Stück weit Schindluder,
wenn wir nicht endlich entsprechende Konsequenzen
ziehen.
({8})
Trotz all dieser Bedenken stimmen wir im Rahmen
der von mir genannten Begrenzungen und Bedingungen
zu. Wir wissen, dass wir alle miteinander, verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine schwierige Entscheidung zu
treffen haben. Wir sollten das zum Anlass nehmen, stärker auch unsere Rolle im Weltsicherheitsrat, Herr Bundesaußenminister, dazu zu nutzen, dass die Vereinten
Nationen den Worten jetzt auch Taten folgen lassen, dass
MONUC ausgeführt wird und dass man sich im Sicherheitsrat nicht nur punktuell und situativ mit Afrika beschäftigt, sondern dass dort eine konzeptionelle Politik
entwickelt wird, die der Auffassung entgegenwirkt, dass
Afrika ein verlorener Kontinent sei. Afrika ist kein verlorener Kontinent und darf es nicht werden. Was wir
dazu beitragen können, tragen wir bei. Aber die Politik
muss auch gestaltend und nicht nur reaktiv agieren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat der Bundesaußenminister Joschka
Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
möchte mich bei den Mitgliedern des Hauses, die diese
zugegebenermaßen schwierige Entscheidung zu treffen
haben, schon jetzt im Namen der Bundesregierung recht
herzlich bedanken. Es ist eine Entscheidung - der Bundesverteidigungsminister wie auch der Kollege Schäuble
haben darauf hingewiesen -, die alles andere als einfach
ist.
Es geht um einen Einsatz - ich möchte das an dieser
Stelle nochmals unterstreichen -, bei dem das Hauptrisiko, ein nicht geringes Risiko, unsere französischen
Partner zu tragen haben. Ich denke, auch dafür sollten
wir dankbar sein. Es ist ein Einsatz, der vor allen Dingen
zur humanitären Stabilisierung in einer Region dient,
die seit vielen Jahren, nicht erst seit kurzer Zeit, Anlass
zu größter Besorgnis gibt, wo wir bereits schlimme
Dinge, humanitäre Katastrophen, Massenmorde bis hin
zum versuchten Völkermord an den Tutsis, und - das
füge ich hinzu - auch ein schlimmes Versagen der internationalen Staatengemeinschaft erleben mussten.
Insofern werden wir uns als Teil der Staatengemeinschaft dort nicht heraushalten können und dürfen. Zumindest was die humanitäre Seite betrifft, scheint mir
dies völlig klar zu sein.
Europa ist hier in einer ganz besonderen Verpflichtung. Der Kollege Struck hat darauf hingewiesen: Es
handelt sich um eine europäische Mission, um eine
ESVP-Mission. Die Hauptlast liegt bei anderen. Wir
leisten unseren Beitrag vor allem im Transportsektor.
Das ist eine zusätzliche Belastung; aber es wird kein
Weg daran vorbeiführen, dass Europa hier seiner historischen wie auch aktuellen Verantwortung gerecht wird
und seinen Beitrag zur Abwehr einer humanitären Katastrophe leistet.
({0})
Kollege Schäuble, ich weiß nicht, ob wir der Herausforderung in Afrika mit einem Konzept gerecht werden.
Bei dem langen Bürgerkrieg in Angola hätte das beste
Konzept nicht geholfen; das wissen Sie so gut wie ich.
Die Frage der Region der Großen Seen, zu der der Ostkongo gehört, ist keine Frage eines besseren Konzeptes.
Die Tragödie in Liberia, wo wir hoffen, jetzt wieder einen Schritt vorwärts gemacht zu haben, in Sierra Leone,
die Entwicklung von Terrorismus in weiten Teilen, die
Situation in Somalia und im Südsudan, um nur einige zu
benennen, oder das mutwillig herbeigeführte Desaster in
einem der potenziell reichsten Länder des südlichen Afrikas, in Simbabwe, durch die dortige Regierung, durch
Mugabe, der sich mit allen Mitteln gegenüber der Opposition an der Macht halten will - all das sind meines Erachtens keine Fragen eines Konzeptes, sondern letztendlich Fragen eines geduldigen Ansatzes mit regionalen
Partnern und des Bewusstseins, dass dieser Nachbarkontinent für uns von entscheidender Bedeutung ist.
Ich möchte hier ausdrücklich einem klugen Kommentator von der konservativen Seite, Hans-Peter Schwarz,
widersprechen, der meinte, die Situation in Afrika liege
nicht in unserem Interesse. Meine Damen und Herren,
wenn dieser Kontinent, unser direkter Nachbarkontinent,
beginnt, die furchtbare Instabilität, die dort herrscht, zu
exportieren, ist das Sicherheitsinteresse der Europäer
im 21. Jahrhundert direkt betroffen.
({1})
Deswegen gehört die Lösung der dortigen Konflikte
aus meiner Sicht eindeutig mit in die europäische Verantwortung. Deutschland als einer der wichtigsten Mitgliedstaaten der Europäischen Union muss seinen Beitrag dazu leisten.
Im Bereich der Großen Seen sehen wir durchaus hoffnungsvolle Ansätze. Sie mögen morgen schon wieder in
das Gegenteil verkehrt werden; aber dort wurde eine
Entwicklung in Gang gesetzt, in deren Rahmen auch dieser Beitrag, der jetzt durch den ESVP-Einsatz, den europäischen Einsatz geleistet wird, eine politische Lösung
voranbringen kann, eine politische Lösung unter Einschluss von Ruanda und Uganda. Das sind die entscheidenden Faktoren. Aber auch die innere Demokratisierung, ein neuer Konsens im Kongo, wird von
entscheidender Bedeutung sein, um ein Minimum an
Stabilität herzustellen.
Insofern, meine Damen und Herren, glaube ich, dass
dieser Einsatz nicht nur unter humanitären Gesichtspunkten, sondern durchaus auch unter politischen Gesichtspunkten eine sehr wichtige Bedeutung haben kann
und haben wird.
({2})
Ich verhehle hier nicht, dass wir uns nicht ganz sicher
waren, ob es ein ESVP-Einsatz sein sollte oder eher eine
„coalition of the willing“. Die Bundesregierung wäre
auch bereit gewesen, eine Koalition der Willigen zu unterstützen. Aber wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass
in den Gremien der Europäischen Union die Mehrheit
anderer Meinung war, vor allen Dingen die beiden größten Partner, nämlich Großbritannien und Frankreich.
An dem Punkt ist es natürlich schon von entscheidender Bedeutung, dass wir im Konvent für Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik kämpfen. Ich sage dabei ganz deutlich, dass der Einsatz von Soldaten kein
Gegenstand von Mehrheitsentscheidungen sein kann.
Unsere Position ist, dass dies eine nationale Entscheidung bleiben muss. Wenn wir aber eine politische Entscheidung gemeinsam treffen, dann müssen wir natürlich
auch die Lasten, die sich daraus ergeben, gemeinsam
schultern.
Ich erinnere mich noch gut an die Kritik zu SaintMalo, wo gefragt wurde: Warum war Deutschland damals nicht dabei? Bezogen auf die jetzige Situation wird
gefragt: Warum gibt es keinen NATO-Einsatz? Genau
diese Möglichkeit ist in Saint-Malo von Blair und Chirac
bereits ins Auge gefasst worden. Sie können den Briten
alles unterstellen, aber nicht die Intention, die NATO zu
schwächen. Diese Debatte kann man daher sehr schnell
beenden, weil niemand intendiert, aus dieser Angelegenheit den Beginn einer eigenständigen europäischen Alternative zum transatlantischen integrierten Militärbündnis abzuleiten. Zumindest entspricht diese Haltung
garantiert nicht der Position der Bundesregierung, und
ich wage einmal die Unterstellung, dass dies auch nicht
die Haltung Großbritanniens und anderer Partner ist.
Wir müssen uns in diesem Zusammenhang in Bezug
auf die zukünftige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die zukünftige europäische Außenpolitik auch darüber Klarheit verschaffen, dass es im
deutschen Interesse ist, nicht abseits zu stehen, wenn die
beiden anderen großen europäischen Nationen mit dabei
sind und wenn diese beiden Bereiche mehr und mehr
zusammengeführt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir auch diesen Aspekt - selbstverständlich unter Beachtung unserer Fähigkeiten und Möglichkeiten - berücksichtigen.
Ich stimme all denen zu, die sagen, Afrika sei kein
verlorener Kontinent und dürfe kein verlorener Kontinent sein. Wir erleben es bei den Maghreb-Staaten, wo
der Islamismus eine konkrete Herausforderung für die
Stabilität ist. Wir erleben es in Westafrika - auch das
möchte ich erwähnen -, wo arme Staaten, die in der
ECOWAS zusammengeschlossen sind, für ihre Verhältnisse enorme Beiträge zur Stabilisierung auch im militärischen Bereich geleistet haben, um dort Krisenstaaten
zu stabilisieren. Es waren erhebliche Beiträge, die geleistet wurden und die noch geleistet werden.
Natürlich setzen wir darauf, dass die Afrikaner verstärkt die Verantwortung für Frieden und Stabilität auf
diesem Kontinent übernehmen. Deswegen freuen wir
uns ganz besonders, dass sich auch Südafrika hier sehr
stark engagiert. Ein Gesamtkonzept für Afrika wird
nicht funktionieren. Deshalb setzten wir auf regionale
Ansätze und regionale Stabilisierungsbemühungen;
denn es ist ein großer Kontinent mit schweren und weit
reichenden Konflikten. Europa kann sich aus diesen
Konflikten nicht heraushalten, weil es dafür Verantwortung trägt und weil dieser Kontinent zugleich ein Teil
unserer Sicherheit ist.
Die Operation Artemis zeigt, dass sich die Europäische Union dieser Dimension bewusst ist und dass sie in
einer humanitären Notlage rasch und effektiv agieren
kann. Die Europäische Union beweist also, dass sie
handlungsfähig ist, wenn die großen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Ich freue mich, dass auch der Deutsche
Bundestag seinen Beitrag dazu leistet, indem er dieser
Mission zustimmt.
Ich danke Ihnen.
({3})
Nächster Redner ist der Kollege Günther Nolting,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
FDP tritt dafür ein, dass die Bundesrepublik Deutschland ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht wird.
Dazu steht die FDP-Fraktion auch heute. Hier unterscheiden wir uns von den Grünen, die in der Vergangenheit wiederholt und mit kaum zu überbietender Heftigkeit Einsätze der Bundeswehr im Ausland bekämpft
haben, allen voran der heutige Außenminister.
Herr Außenminister Fischer, ich kann mich sehr gut
daran erinnern, dass Sie hier im Deutschen Bundestag
gesagt haben: Die deutschen Soldaten werden die Probleme nicht lösen; sie werden das Problem sein. - Wann
haben Sie endlich den Mut, hier zu sagen, dass Sie sich
auch in dieser Frage geirrt haben?
({0})
Die FDP-Fraktion stimmt heute mit Mehrheit einem
befristeten Einsatz von Bundeswehrsoldaten im
Rahmen der UN-Resolution 1484 zu. Es ist an der Zeit,
die Rolle der UN zu stärken. Wir sagen heute aber auch:
Für die FDP gibt es keinen Automatismus der VerlängeGünther Friedrich Nolting
rung oder Veränderung des Mandats, wenn das jetzige
Mandat Ende August ausläuft. Mit unserer heutigen Zustimmung erteilen wir dieser Bundesregierung keinen
Blankoscheck.
({1})
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat
alles unternommen, uns diese Zustimmung so schwer
wie möglich zu machen. Natürlich müssen wir den Not
leidenden Menschen im Kongo helfen. Übrigens nicht
nur im Kongo: Herr Außenminister, was sagen Sie eigentlich zu den Situationen in Äthiopien, in Somalia, im
Sudan, in Mali, im Tschad, in Nigeria und in anderen
Ländern?
Herr Außenminister, ich frage Sie überhaupt nicht
nach einem Gesamtkonzept der Bundesregierung für
Afrika. Wo sollte denn solch ein Konzept angesichts der
Tatsache herkommen, dass Sie, Herr Außenminister, diesen Kontinent erst drei Jahre nach dem Beginn Ihrer
Amtszeit besucht haben? Gerade Sie, der Sie als Fraktionsvorsitzender der Grünen immer wieder mit nicht zu
überbietender Schärfe Hilfe für Afrika und die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt haben, tummeln
sich in allen Ländern dieser Erde, nicht aber in Afrika.
Das ist die bittere Realität.
Ich will an dieser Stelle hinzufügen: Es war gestern
ein Kollege der Grünen, der die Afrikapolitik der EU gerügt hat und damit wohl auch die Politik des grünen Außenministers. Das Ergebnis ist, dass dieser Kollege der
Grünen heute offensichtlich nicht sprechen darf, wie
heute überhaupt kein Parlamentarier der Grünen zu Wort
kommt.
({2})
Die Regierung hat in dieser Frage keine Konzepte. Es
gibt telegene Sorgenfalten und eingeübte Rhetorik. Dasselbe gilt für die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Frau Wieczorek-Zeul.
({3})
Dank ihr genießen Ruanda und Uganda noch immer
den Status von Schwerpunktländern im Rahmen der
deutschen Entwicklungshilfe und werden sogar als afrikanisches Entwicklungsmodell gepriesen. Gerade in diesen Ländern vermarkten aber die Kriegsherren aus dem
Kongo die unter ihre Kontrolle gebrachten Rohstoffe.
Gerade hier versorgen sie ihre Soldateska mit Waffen
und Munition. Obwohl die Rolle dieser Länder im
Kongo in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat dokumentiert ist, verweigert die Bundesregierung bisher die
notwendigen Konsequenzen.
({4})
Es ist schon erstaunlich, dass gerade diejenigen Minister der Bundesregierung heute sehr schnell und immer
häufiger den Einsatz der Bundeswehr im Ausland fordern, die noch vor fünf Jahren vehement gegen solche
Einsätze waren und die eine drastische Reduzierung oder
gar die Abschaffung der Bundeswehr forderten.
({5})
Beides ist falsch: sowohl der stetige und sofortige Ruf
nach dem Einsatz der Bundeswehr als auch die grundsätzliche Ablehnung von militärischen Lösungen. Streitkräfte sind Mittel der Politik. Aber zu diesem Mittel darf
nur gegriffen werden, wenn das politische Ziel vorher
klar definiert ist und wenn dieses Ziel anders nicht erreicht werden kann.
({6})
Der Kollege Schäuble hat darauf hingewiesen, dass es
eine Reihe von Fragen gibt. Warum war es der Europäischen Union noch vor wenigen Monaten unmöglich, die
Führung des Einsatzes in Bosnien zu übernehmen, wenn
sie jetzt bereit ist, diese ungleich schwierigere Mission
zu schultern? Was heißt eigentlich EU-Einsatz? Herr
Minister, Sie sind kurz darauf eingegangen. Aber wäre
nicht zumindest der Rückgriff auf NATO-Strukturen
besser gewesen?
({7})
Das Mandat beschränkt sich auf Bunia. Was aber soll
geschehen, wenn außerhalb von Bunia Massaker verübt
werden? Herr Minister Struck, Herr Außenminister, ich
frage Sie - ich hoffe, dass hier noch eine Klarstellung erfolgt -: Endet der Bundeswehreinsatz wirklich am
31. August? Soll er möglicherweise verlängert werden?
Gibt es hierfür schon Anfragen von der UNO? Diese
Fragen sollten hier beantwortet werden.
Schließlich möchte ich die Finanzierung ansprechen.
Es gibt immer mehr Aufträge für die Bundeswehr, aber
immer weniger Geld. Warum werden dem Verteidigungsetat nicht endlich mehr Gelder zugestanden? Warum wird dieser Einsatz nicht auch aus anderen Haushaltsplänen, zum Beispiel aus dem des Auswärtigen
Amtes oder dem des Ministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, finanziert? Die Kosten dieses Einsatzes gehen nicht zulasten der verantwortlichen Ministerien, sondern zulasten derjenigen, die jetzt
die Kohlen aus dem Feuer zu holen haben.
({8})
Die konzeptlose und miserable Außen- und Entwicklungshilfepolitik der Bundesregierung würde ebenso wie
die vielen Fragen, die noch offen stehen, die Ablehnung
des vorliegenden Antrages zur Beteiligung der Bundeswehr rechtfertigen. Ich sage aber noch einmal: Wir nehmen unsere staatspolitische Verantwortung wahr. Im Gegensatz zu der jetzigen Regierung stellen wir uns auch in
der Opposition dieser Verantwortung und werden mit
Mehrheit zustimmen.
Vielen Dank.
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Andreas Weigel,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Schäuble, Ihre Kritik an der Informationspolitik
der Bundesregierung kann ich nicht teilen.
({0})
Gerade in der Frage von Auslandseinsätzen fühle ich
mich, fühlen wir uns gut informiert.
({1})
Im Verteidigungsausschuss bekommen wir, wie ich
finde, umfangreiche Informationen.
({2})
Meine Damen und Herren, Auslandseinsätze gehören zum festen Aufgabenfeld der Bundeswehr. Fast ist
schon so etwas wie Routine festzustellen. Die Verlängerung von Mandaten gehört zum Alltag des Deutschen
Bundestages. Dann sind es Ereignisse wie der schreckliche Terroranschlag am 7. Juni in Kabul, die uns in entsetzlicher Weise vor Augen führen, welch hohe Gefahr
und welch Risiko mit jedem Einsatz verbunden sind. Daher muss jeder Einsatz genau auf seine Chancen und Risiken überprüft und bedacht werden.
Es ist aber nicht nur die Sorge um unsere Soldaten,
die dabei im Mittelpunkt steht; es sind immer auch und
besonders das Leid und die Not der Menschen in den
Krisenregionen, die unsere Entscheidung prägen. Die
Nachrichten und Bilder, die uns aus Bunia erreichen,
sind unfassbar. Es sind Meldungen des Schreckens und
des Grauens.
Wir beraten heute den Einsatz der europäischen Eingreiftruppe, weil sich in Ituri eine neue, eine verheerende
Entwicklung abzeichnet - eine Entwicklung, die deutliche Parallelen zur Situation in Ruanda vor dem Genozid
im Jahre 1994 zeigt. Auch 1994 hat die Weltgemeinschaft dem Morden lange zugeschaut. Sie hat sogar noch
zugeschaut, als fast 1 Million Menschen systematisch
umgebracht wurde. Aus diesen schrecklichen Ereignissen kann es nur eine Lehre geben, nämlich dass so etwas
wie in Ruanda nie wieder geschehen darf.
({3})
Die Vereinten Nationen haben sich mit der Resolution
1484 einstimmig für ein Mandat zur Friedenssicherung in Bunia ausgesprochen. Es muss jetzt gelingen,
erneute Massaker und gegenseitige Vernichtungsorgien
an ganzen Volksgruppen zu verhindern. Kann sich die
Europäische Union dieser Aufgabe überhaupt entziehen?
Kann sie sich entziehen, wenn sie die militärische und
politische Möglichkeit hat, dieses Mandat zu übernehmen? - Sie kann es nicht. Sie würde nicht nur die leidenden Menschen in Ituri im Stich lassen, sie würde auch
ihre eigenen Grundlagen verraten.
({4})
Als Mitglied der Europäischen Union stehen wir erst
einmal grundsätzlich in der Pflicht, die Mission im
Kongo zu unterstützen. Die Bundeswehr hat bereits
mannigfache Aufgaben im Dienste der Weltgemeinschaft übernommen. Die Ziele einer Friedensmission
mögen aber noch so richtig und moralisch verpflichtend
sein, es ist unsere allererste Pflicht, mit Verantwortung
die Risiken für die Soldaten der Bundeswehr abzuwägen.
Was kann die Bundeswehr gegenwärtig im Rahmen
einer solchen Mission überhaupt leisten? Derzeit befinden sich 8 500 Soldaten der Bundeswehr in neun Einsatzkontingenten im Auslandseinsatz. Damit sind Kapazitäten für etwa 30 000 Soldaten gebunden. Wir nähern
uns einem Punkt, an dem wir feststellen, dass die Ressourcen ausgeschöpft sind. Weitere Verpflichtungen einzugehen, ohne über die Weiterführung laufender Einsätze nachzudenken, wird in absehbarer Zeit nicht mehr
möglich sein. Das kann dann auch zu Überlegungen führen, unsere Truppen aus den Einsätzen abzuziehen, für
die sie im Sinne ihres ursprünglichen Auftrages nicht
mehr benötigt werden.
Genauso aber gilt es abzuwägen, ob unsere Soldaten
für einen Einsatz direkt im Bürgerkriegsland überhaupt
ausreichend ausgebildet sind. Können wir Soldaten der
Bundeswehr in Auslandseinsätze schicken, wenn sie
dort auf Kindersoldaten treffen? Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen für einen unmittelbaren Einsatz
im Kongo sind für die Bundeswehr nicht gegeben. Ein
umfangreicher Beitrag durch die Bundeswehr ist deshalb
derzeit nicht zu leisten. Die Beteiligung innerhalb der
Operation Artemis wird sich folglich auf logistische
und sanitätsdienstliche Unterstützungen beschränken. So
werden wir unseren Beitrag dazu leisten, dass die Operation Artemis bis zum 1. September 2003 militärisch unterstützt wird.
Bis dahin soll die UNO-Operation MONUC auf
8 700 Soldaten anwachsen. Damit sollen das Machtvakuum, das in Ituri entstanden ist, wieder gefüllt und
der faktische Zustand der Anarchie ohne jegliche Ordnungsmacht beendet werden. Nur so wird es gelingen,
die Milizen zu entwaffnen, das Morden zu beenden und
die katastrophale humanitäre Entwicklung in der Region
aufzuhalten.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass der militärische Einsatz scheitern wird, wenn er nicht von politischem und diplomatischem Engagement flankiert wird.
Eine zivile Ordnung wird auf Dauer nur mit Mitteln der
Politik und mit ziviler Krisenbewältigung aufzubauen
sein.
({5})
Auch die Entwicklungshilfe spielt dabei eine zentrale Rolle. Auf diesem Gebiet kann die Bundesrepublik
durchaus einen wichtigen Beitrag leisten. Ruanda und
Uganda sind Länder, in denen sich die deutsche Entwicklungshilfe mit besonderem Schwerpunkt engagiert.
Es gibt also partnerschaftliche Verbindungen, die für
friedensbildende Maßnahmen in der Region genutzt
werden können.
Nur wenn die Entwaffnung der Milizen gelingt und
wir die Waffenlieferungen unterbinden, wird die Region
Frieden finden. Wenn es gelingt, die wirtschaftlichen
und politischen Interessen innerhalb der Demokratischen
Republik Kongo und die Interessen der Nachbarländer
zu einem Ausgleich zu bringen, wird es auch gelingen,
einen dauerhaften Frieden zu etablieren.
Es fällt mir schwer - wahrscheinlich geht es allen in
diesem Raum so -, Soldaten der Bundeswehr in Einsätze
zu entsenden. Auch Artemis ist nicht frei von Risiken.
Wir leisten einen zugegebenermaßen kleinen Beitrag zur
Stabilisierung der Region. Dies tun wir gemeinsam mit
unseren europäischen Freunden. Das ist der derzeit einzig mögliche und damit angemessene Beitrag, den wir
zu leisten imstande sind.
({6})
Herr Kollege Weigel, ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu Ihrer ersten Rede hier im Deutschen Bundestag
und wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Unionsmitglieder des Ausschusses für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung haben gestern als
Erste dem Antrag zu Artemis einstimmig zugestimmt.
Wir haben dies nicht getan, weil wir die Vorarbeiten und
Vorlagen der Bundesregierung für sehr überzeugend halten. Im Gegenteil: Auch bei uns gab es Bedenken, zum
Beispiel zum Zustand der Bundeswehr, die zum Steinbruch Ihrer Haushaltspolitik wird. Wir kamen zu dem
Ergebnis, dass uns eigentlich keine weiteren Kapazitäten
für einen Einsatz in Afrika zur Verfügung stehen.
Wir haben aber auch Bedenken zum UNO-Mandat für
Bunia, das wir sowohl zeitlich als auch räumlich für
fragwürdig halten. Ferner sind wir über den Punkt der
Evakuierung gestolpert, weil er uns gestern noch sehr
unklar vorkam und wir befürchteten, dass er zu einem
Blankoscheck für einen Einsatz auf kongolesischem Boden werden könnte. Darüber hinaus sind wir natürlich
hinsichtlich des Umstandes unzufrieden, dass von einer
konsistenten Afrikapolitik weder in der EU noch in der
rot-grünen Bundesregierung auch nur in Ansätzen die
Rede sein kann. Deswegen - hier gebe ich Herrn Weigel
in seiner Jungfernrede Recht - steht diese Aktion eigentlich auf dem Kopf und der gefährliche Einsatz hängt in
der Luft.
({0})
Wir haben trotzdem zugestimmt, weil wir glauben,
dass uns die wachsenden humanitären Katastrophen in
Afrika nicht gleichgültig sein dürfen. Wir hoffen, dass
ein erfolgreiches Engagement in der Provinz Ituri helfen
wird, die Friedensbemühungen in der ganzen KongoRegion wieder in Gang zu bringen, das Pretoria-II-Abkommen neu zu beleben und auch den vielen afrikanischen und kongolesischen Politikern, die wirklich um ihr
Land und den Frieden kämpfen, den Rücken zu stärken.
({1})
Umgekehrt hoffen wir, dass dies vor allem für die Drahtzieher innerhalb und außerhalb des Kongos, die den
Konflikt im Kongo am Leben erhalten und schüren, ein
Warnsignal darstellt.
Ich möchte noch einmal deutlich sagen, dass wir mit
unserer Politik, die darauf abzielt, die weitere Destabilisierung Afrikas, insbesondere in Richtung Südafrika und
Namibia, zu stoppen, auch deutsche Interessen verfolgen. Dabei sehen wir: Wir müssen zumindest einen bescheidenen deutschen Beitrag leisten und können diesen
Beitrag auch rechtfertigen.
Ich möchte aber auch auf Folgendes hinweisen: Dieser Antrag ist für uns auch ein Zeugnis für die Widersprüchlichkeit, die Schwachbrüstigkeit und teilweise
Absurdität der rot-grünen Afrikapolitik insgesamt. Das
letzte wirkliche Afrikakonzept stammt von 1994, also
noch aus der Zeit, als Union und FDP die Regierungsverantwortung hatten. Seit 1998 hat sich die Lage in
Afrika dramatisch zugespitzt.
({2})
Ihre Antwort darauf, Herr Außenminister, ist, dass Sie
Botschaften geschlossen haben und durch die Pyramiden
gejoggt sind. Das ist noch kein Konzept.
({3})
Ansonsten - das ist für mich ein sehr ernstes Thema war bei Ihnen nur freundliches Desinteresse angesagt.
Sie haben sich hinter den Franzosen und den Briten versteckt. Sie haben zum Beispiel während des Desasters in
Westafrika nicht eine einzige Initiative ergriffen. Uns
geht es nicht darum, dass Sie mit Chirac einmal über
Mugabe gesprochen haben. Vielmehr ist es so, dass Sie
mit wichtigen Partnern keinen Streit um Afrika riskiert
haben. Es war die Unionsfraktion, die das Thema Simbabwe öffentlichkeitswirksam in dieses Haus gebracht
hat.
Auch die Afrikainitiative der G 8, Herr Außenminister, hat in Wirklichkeit nur zu sehr mageren Ergebnissen geführt. Die Idee von der afrikanischen Friedensbrigade liegt noch weiter in der Zukunft als Utopie. Trotz
des großen Engagements von Afrikapolitikern auch in
Ihren Reihen, zum Beispiel von Uschi Eid, ist nun
NEPAD an einem Punkt angelangt, an dem es bei der
entscheidenden Frage von Good Governance bröckelt.
Zu welchen grotesken Ergebnissen eine solche nicht
abgestimmte, unengagierte und interessenlose Politik,
wie sie auch Ludger Volmer, Ihr ehemaliger Staatsminister, am 11. Juni in der „Frankfurter Rundschau“ angeprangert hat, führt, sieht man - Kollege Nolting hat es
schon angesprochen - klassischerweise im Kongo.
Die Demokratische Republik Kongo kämpft um ihr
Überleben. Auch unterhalb der Schwelle der öffentlichen Zusammenarbeit gibt es mannigfach Möglichkeiten, den einheimischen Politikern und der Bevölkerung
bei dem Versuch, ihren Staat aufzubauen, zu helfen.
Aber gerade im Kongo - wir haben das in einem Antrag
hier im Parlament dargelegt - ist die Entwicklungszusammenarbeit auf Sparflamme eingestellt, während,
wie schon angedeutet, ausgerechnet die Hauptdrahtzieher des kongolesischen Desasters, nämlich Uganda und
Ruanda, Schwerpunktländer sind. Man muss wissen,
was Schwerpunktländer sind. Schwerpunktland der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika zu werden bedeutet, die Arbeit eines Landes diplomatisch anzuerkennen.
Genau den Punkt kritisieren wir.
({4})
Ich weiß natürlich, dass die Entwicklungszusammenarbeit in beiden Ländern leicht zurückgefahren wurde.
Was nicht zurückgefahren wurde, ist die HIPC-Initiative. Ein Land wie Uganda wird entschuldet, obwohl es
durch die gewalttätige Ausplünderung des Nachbarstaates zum größten Goldexporteur der Welt geworden ist.
Das war nicht Sinn der HIPC-Initiative.
({5})
Wenn Herr Kagame aus Ruanda, der auch bei der Entschuldung ante portas steht, tatsächlich demnächst zu
uns kommt, kann ich Sie nur auffordern, ihn darauf hinzuweisen, dass die HIPC-Initiative eigentlich dazu dienen soll, neue Mittel für die Armen in seinem Lande lockerzumachen, und nicht dazu genutzt werden sollte, um
die Armen im Nachbarland zu massakrieren.
({6})
Deswegen ist unser Fazit: Wir tragen Ihren Antrag
zwar mit, aber er ist ein politisches Bruchstück. Nehmen
Sie diese Debatte zum Anlass, Herr Außenminister,
schnell eine Konzeption für die deutsche Afrikapolitik
zu erarbeiten, die den Menschen in Afrika hilft, aber
auch unsere Interessen definiert, die auf unsere Partner
Einfluss nehmen kann, der Entwicklungszusammenarbeit den Rücken stärkt und auch umgesetzt werden
kann, damit wir wenigstens Anfang September wissen,
welche Rolle Deutschland in Bezug auf Afrika spielen
kann und soll. Denn spätestens dann wird der Kongo
wieder auf der Tagesordnung stehen.
({7})
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir halten ein Eingreifen der UNO im Kongo für dringend geboten. Es war Sinn und Zweck der UNO, Kriege
und Völkermorde möglichst zu verhindern. Wir haben es
im Kongo mit Kriegen und Völkermord zu tun, die umgehend beendet werden müssen.
({0})
Wir entscheiden heute, ob und wie sich die Bundesrepublik Deutschland daran beteiligen soll. Der vorliegende Antrag geht von einem befristeten Einsatz aus. Es
geht um ein begrenztes Kontingent. Es geht vorwiegend
um Sanitäts- und Transportaufgaben. Gegen diese Hilfe
kann an sich kein vernünftiger Mensch etwas haben.
Der Antrag führt aber zu einer weitergehenden Frage,
die ich illustrieren will. Ein Ratgeber aus meiner Partei
drängte mich dieser Tage, ohne Wenn und Aber im Bundestag mit Nein zu stimmen. Ich wollte wissen, was er
gegen ein Sanitätsflugzeug nebst Personal habe. Er antwortete: Militär ist Militär! - Daraufhin fragte ich ihn:
Wenn aber dasselbe Flugzeug mit demselben Personal
durch das Rote Kreuz oder das Technische Hilfswerk geschickt würde? - Das wäre sicher nur ein Trick, meinte
er. Allerdings wirkte er nicht mehr ganz so sicher.
Damit komme ich zu meinem ersten Kritikpunkt. Der
zu beschließende Einsatz hat einen konkreten Anlass. Es
geht um Menschen im Kongo. Er hat aber auch einen
ebenso konkreten Hintergrund, nämlich die beschlossene
Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik
der EU. Dabei geht es mitnichten nur um humanitäre
Hilfen. Im Gegenteil: Es geht auch um militärische und
kapitale Einflusssphären.
({1})
Ich kann beim Nachdenken über meine Entscheidung
das warnende Argument nicht entkräften, dass der bevorstehende Einsatz auch dazu dient, künftige Militärinterventionen vorzubereiten. Rot-Grün könnte zwar
dazu beitragen, dieses Argument zu entkräften, tut es
aber nicht. Sie brauchten zum Beispiel nur auf ein EUProgramm zu drängen, das auf weltweite Entwicklungshilfe und Konfliktvermeidung setzt, die europäischen
Ressourcen dafür bündelt und einer weiteren Militarisierung der EU entsagt.
({2})
Ein solches Programm gibt es aber nicht, obwohl es ein
wirksamer Beitrag zur Stärkung der UNO wäre und
künftige „Kongos“ oder „Ruandas“ vermeiden helfen
könnte.
Die Zweifel werden durch einen weiteren Umstand
genährt. Es gibt ein UNO-Mandat für den Kongo.
Viele, die sich auskennen, sagen: Es ist zu schwach; es
fehlt an Mitteln und an Konsequenz. Nahe liegend wäre
also, das Mandat personell und finanziell zu stärken.
Doch das passiert nicht. Stattdessen wird ein zweites
Mandat als Parallelmandat erlassen. Die EU wird ermächtigt, militärisch selbstständig einzugreifen. Warum? In dem Antrag der Bundesregierung wird als Begründung angeführt, dies geschehe, um das erste Mandat
- das UNO-Mandat - zu stärken. Diese Umweglogik erschließt sich mir nicht und sie nährt auch Zweifel.
Zum Schluss: Ich höre auch die Kritiken aus den Reihen der konservativen Opposition. In der Konsequenz
unterscheiden wir uns allerdings. Sie pokern um mehr
Mittel für die Aufrüstung der Bundeswehr und für eine
militärische Interventionstruppe der EU, die auch weltweit agieren kann.
Fazit: Wir, die PDS im Bundestag, lehnen den vorliegenden Antrag ab.
({3})
Frau Kollegin, Ihre Zeit.
An den Bundesinnenminister gerichtet: Wenn Sie es
mit Ihrer Friedensmission ernst meinen, dann sollten Sie
nicht immer noch Flüchtlinge in den Kongo abschieben,
wie es jüngst in dieser Woche geschehen ist.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Ludger Volmer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Herr Nolting, ich kann Sie beruhigen: Wenn der
Bundesaußenminister zum Thema Afrikapolitik ausführlich Stellung nimmt, dann hat er die volle Unterstützung
der grünen Bundestagsfraktion.
({0})
Wir stimmen dem Antrag ohne Einschränkung und inhaltlich voll überzeugt zu.
Lassen Sie mich noch einige wenige Ergänzungen zu
dem, was der Kollege Fischer gesagt hat, machen. Herr
Ruck und Herr Nolting, Sie haben gesagt, die Bundesregierung habe keine Afrikakonzeption.
({1})
Ich will Ihnen etwas sagen: 1998, als Rot-Grün an die
Regierung kam und wir im Auswärtigen Amt gesucht
haben, wo sich dort die Afrikapolitik befindet, fanden
wir leere Schreibtische, Tabula rasa. Es gab ein Papier,
auf dem „Konzept“ stand. Das haben wir sofort in den
Papierkorb versenkt, weil es der untaugliche Versuch des
damals FDP-geführten Außenministeriums war, den gesamten Kontinent über einen Kamm zu scheren. Dementsprechend oberflächlich und realitätsfern war dieses
so genannte Konzept.
Stattdessen haben wir uns darangemacht, Regionalpolitiken zu entwickeln, von denen der Minister gerade
sprach. Herr Ruck und Herr Nolting, wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, die Homepage des Auswärtigen Amtes aufzurufen, dann würden Sie dort ausformulierte Politiken zum östlichen Afrika, zum
südlichen Afrika und auch zum Kongo finden.
({2})
Die Kongopolitik wurde in den letzten Jahren operativ umgesetzt. So war es der Druck der Europäischen
Union und der Bundesregierung, die damals ja die Präsidentschaft innehatte, der mit dazu beigetragen hat, dass
sich Uganda und Ruanda aus dem Kongo zurückgezogen
haben.
({3})
So, wie wir damals Druck ausgeübt haben, müssen wir
aber auch heute sowohl Museveni als auch Kagame sagen, dass es absolut nicht akzeptabel ist, dass sich diese
beiden Länder immer noch im Kongo einmischen und
dort Rebellengruppen, Milizen und Warlords unterstützen.
({4})
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne gehört
es zur Afrikapolitik der Bundesregierung, regionale
Sicherheitsstrukturen zu unterstützen. Sie haben Recht:
Die Krisenverhütungspolitik für das südliche Afrika
ist noch nicht effektiv genug. Dass sie überhaupt auf
die Beine gekommen ist und sich entwickelt, hat aber
auch etwas damit zu tun, dass die Bundesregierung
diese Form afrikanischer Selbstheilungspolitik mit unterstützt.
Herr Ruck, Sie mögen viel Gutes über die Entwicklungshilfe sagen können. Heute haben Sie aber zugestanden, dass der fundamental politische Ansatz, der auf dem
Kairo-Gipfel zum Ausdruck kam, der eigentlich richtige
Ansatz bezogen auf Afrika ist. In der Konsequenz dieses
Kairo-Gipfels macht die Bundesregierung eine Politik,
die die volle Unterstützung der grünen Bundestagsfraktion hat.
Danke.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Christian Schmidt,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Dem etwas eigenartigen Streit eines früheren Staatsministers im Auswärtigen Amt über die
Konzeption und die Schreibtische in seinem eigenen
Amt will ich nicht beispringen. Eines will ich aber doch
sagen: Offensichtlich hat er nicht alle Unterlagen durchgesehen; denn das mir bekannte Konzept mit Bezug auf
Afrika wurde 1994 von der damaligen Regierung unter
Außenminister Kinkel im Auswärtigen Amt vorgelegt.
Dieses hat weitgehende Wirkungen gehabt.
Sehr geehrter Herr Staatsminister a. D. Volmer von
den Grünen, es hat mich schon verwundert, von den
Grünen eine solche Rede zu hören. Sie war kurz und bezogen auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit war sie
verletzend. Ich erwarte, dass jemand aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit - ich
glaube, das gibt es noch - heute etwas dazu sagt. Wo
zeigt sich denn die langfristige Wirkung der Afrikapolitik, wenn nicht im Wesentlichen in der Entwicklungspolitik?
Europa muss sich mit Afrika intensiver befassen.
- Originalzitat von Ludger Volmer. Dem stimme ich zu.
In diesem Zusammenhang möchte ich den Außenminister oder auch den Bundeskanzler bitten, den französischen Staatspräsidenten bei Gelegenheit noch einmal
darauf hinzuweisen, dass es nicht sonderlich sinnvoll ist,
Herrn Mugabe aus seiner Isolation zu entlassen, wenn
sich die Zustände in Simbabwe weiterhin so entwickeln.
So viel nur dazu, wenn uns hier jemand erzählen will,
mit der Afrikapolitik dieser Bundesregierung sei alles
bestens.
({0})
Lassen Sie mich zu dem Beschluss kommen, über den
wir heute reden. Diesen Beschluss zu fassen ist schwierig; das ist von allen Fraktionen dargelegt worden. Herr
Kollege Weigel - ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Jungfernrede -, Sie haben gesagt, es sei Alltag für uns, solche
Beschlüsse zu fassen. Sie haben es sicherlich so gemeint,
dass wir solche Beschlüsse häufig fassen müssen. Das ist
so weit richtig. Es darf aber keine Routine für uns werden.
Gerade die schlimmen Ereignisse in Afghanistan haben uns gezeigt, dass die Bundesregierung und insbesondere das Parlament mit seiner pauschalen Genehmigung
eines Antrages, der eine intensive Beschäftigung erfordert, eine besondere Verantwortung trägt. Dabei stellt
sich die Frage, nach welchen Maßstäben man sich bei einem solchen Mandat richten soll: nach den Interessen
unseres Landes und den Fähigkeiten der Instrumente unserer Politik?
Lassen Sie mich mit den Fähigkeiten der Instrumente
anfangen. Hier stellt sich die Frage nach den Fähigkeiten der Bundeswehr. Die Bundeswehr, die sich in vielen Einsätzen befindet, ist in diesem Einsatz eigentlich
nicht ihren Fähigkeiten angemessen vertreten. Der Verteidigungsminister hat darauf hingewiesen: zwei Transporteinsätze für die Transall in 17 Stunden. Die Transall
ist jedoch eigentlich für etwas anderes konzipiert, als in
Entebbe Transporteinsätze zu fliegen. Mancher könnte
sogar fragen, ob es nicht günstiger wäre, den Transport
durch Zivile durchführen zu lassen.
Für uns ist wichtig, dass es bei diesem Mandat eine
rote Linie in Form einer peripheren Beteiligung gibt,
über die wir nicht hinausgehen. Ich halte fest, dass vom
Verteidigungsminister in der Debatte darauf hingewiesen
worden ist, dass er sich an diese Linie halten will. Wir
werden darauf zurückkommen.
Ich halte aber auch fest, dass uns, die wir die Strukturen im Rahmen der Verteidigungspolitik gut kennen, das
Problem des Notfall- und Evakuierungseinsatzes sehr
beschäftigt hat. Die Frage ist: Was heißt das? Es kann
nicht heißen, dass deutsche Soldaten, deutsche Personen
und deutsches Fluggerät in irgendeiner Weise in Auseinandersetzungen verwickelt werden; ich interpretiere das
so, dass das auch nicht gemeint ist. Wenn das doch der
Fall wäre, wenn man im Rahmen von Evakuierungsmaßnahmen in den Kongo hineinfliegen würde - Evakuierung ist etwas anderes als ein Notfall; Evakuierung geht
weiter -, wären die Bedenken noch größer. Jeder weiß,
dass wir uns hier nur in äußerst beschränkten Strukturen
einbinden lassen können. Jeder weiß, dass es darüber
nicht hinausgeht.
Wir haben uns mit dieser Frage sehr intensiv beschäftigt und manche meiner Kollegen kommen nicht zu einem positiven Ergebnis. Ich respektiere das. Bei solchen
Entscheidungen handelt es sich um Entscheidungen im
Verhältnis 51 : 49 Prozent. Dabei bleibt die Frage der
Fähigkeiten und auch die Frage der Interessen unseres
Landes unklar.
Eines schimmerte jetzt wieder durch: Natürlich ist die
Vermeidung einer humanitären Katastrophe ein Kriterium, an dem wir unsere Bereitschaft messen müssen,
uns international zu engagieren. Aber die Bereitschaft,
sich zu engagieren, und diese Prinzipien, dürfen nicht
nach deutscher Art im Sinne einer Checkliste angewendet werden. Man darf dann nicht zu dem Ergebnis kommen: Egal wohin es geht, ich werde überall gebraucht.
Die Klugheit der Politik besteht auch in der Erkenntnis ihrer Beschränkung. Gerade bei dieser Bundesregierung ist die Erkenntnis der Beschränkung eigentlich evident.
({1})
Die Erkenntnis der Beschränkung liegt auch darin, dass
das Fähigkeitsprofil und das Anforderungsprofil der
Bundeswehr immer weiter auseinander klaffen. Ich spreche von dem Profil, das eine interessenvagabundierende
Politik von ihr fordert. Was heißt das? Der Verteidigungsminister hat die verteidigungspolitischen Richtlinien herausgegeben. Die sind eine Fundgrube. Ich empfehle jedem, diese Richtlinien einmal zu lesen.
({2})
Christian Schmidt ({3})
Wenn man zwischen den Zeilen liest, stellt man fest,
dass da noch einige mitgeschrieben haben. Das ist ganz
interessant. Der Finanzminister ist gerade nicht da; er
könnte das auch einmal lesen. Dasselbe gilt für andere.
Unter der Überschrift „Prinzipien und Interessen
deutscher Sicherheitspolitik“ steht unter Ziffer 35:
Die Vielfalt der Aufgaben erfordert eine gesamtstaatliche Sicherheitspolitik mit flexiblen und aufeinander abgestimmten Instrumenten, die mittelfristig in einer nationalen Sicherheitskonzeption
gebündelt werden müssen.
Genau. Wo ist die nationale Sicherheitskonzeption?
Das ist ein Flickenteppich. Es gibt sie nicht. Es gibt sie
deswegen nicht, weil sich schon das Auswärtige Amt
und das Verteidigungsministerium nicht einigen können.
Der Bundeskanzler ist gefordert, Richtlinien zu setzen
und dann Verlässlichkeit zu erzeugen.
({4})
Aus einer verlässlichen Politik heraus kann man dann
auch qualifiziert Nein sagen.
Unsere Zustimmung basiert ausschließlich auf der Erkenntnis, dass wir im Sinne unseres Landes Verlässlichkeit im europäischen Rahmen stärker herstellen können,
wenn wir jetzt dieser peripheren Aktion, die die Bundeswehr nach Lage der Dinge nur relativ gering in Anspruch nimmt, zustimmen. Das bedeutet aber nicht eine
Ausdehnung unserer Zustimmung. Wir müssen ganz klar
festhalten: Eine nationale Sicherheitskonzeption heißt,
Nein sagen zu können, wenn es notwendig ist. Wir müssen uns möglicherweise daran gewöhnen, dass solche
Debatten alltäglich sind. Die Zustimmung zur Entsendung der Bundeswehr ist aber nicht alltäglich.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen um
die Schwierigkeiten des letzten Redners bzw. der letzten
Rednerin vor namentlichen Abstimmungen. Deshalb
bitte ich sehr herzlich, die Geräuschkulisse nach außerhalb des Saales zu verlegen.
({0})
Ich gebe jetzt das Wort der Kollegin Petra
Ernstberger, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen Ruck und Schmidt, ich möchte mich kurz
zu Ihrem Einwurf äußern, dass unsere Entwicklungsund Außenpolitik gegenüber Afrika keine Strukturen
hätten. Natürlich gibt es Strukturen. Das ist deutlich von
Herrn Volmer dargelegt worden.
Wir stehen in der Region der Großen Seen vor großen
Herausforderungen. Dort laufen Projekte. Wenn die abgebrochen werden, dann treffen wir die Menschen, die
sich in diesen Projekten befinden.
({0})
Wir betreiben in Uganda eine gebundene Entschuldungspolitik. Das bedeutet, dass die Mittel aus der Entschuldung für die Errichtung sozialer Infrastruktur eingesetzt werden. Wichtig ist, dass die Menschen, die in
diesem Land leben, davon profitieren und es nicht zu einer Destabilisierung kommt. Unser Ziel müssen Stabilität und Sicherheit im Herzen Afrikas sein, damit sich
nicht eine Welle der Gewalt ausbreitet, die wir nicht
mehr stoppen können.
({1})
Es ist das Ziel unseres Einsatzes, dass wir den Menschen in ihrer fürchterlichen humanitären Lage in Bunia
zu Hilfe kommen. Bunia ist eine Stadt, in der früher
150 000 Menschen wohnten. Heute sind viele geflüchtet
und es leben nur noch 15 000 Menschen dort, denen keinerlei Infrastruktur zur Verfügung steht und die nicht
versorgt werden. Hier setzt unser Einsatz an. Deswegen,
Herr Kollege Schmidt, fand ich es schon sehr merkwürdig, dass Sie unseren Einsatz als peripher bezeichnet haben. Die Menschen in Bunia werden diesen Einsatz als
alles andere als peripher bezeichnen.
({2})
Wir müssen alles Mögliche tun, damit das Morden in
dieser Region gestoppt wird. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat einen entsprechenden Beschluss gefasst, dem die EU und die Regierungen von Kongo, Ruanda und Uganda zugestimmt haben. Es gibt also einen
politischen Willen, die militärischen Möglichkeiten sind
jedoch leider sehr begrenzt.
Dennoch: An der Notwendigkeit eines raschen Eingreifens in dieser Region gibt es keinen Zweifel. Der Sicherheitsrat hat in der Resolution 1484 vom 30. Mai dieses Jahres die Voraussetzungen dafür geschaffen, bis zu
einer Aufstockung der MONUC-Mission im September
dieses Jahres eine robuste Interimstruppe in Bunia zu
stationieren. Sie soll zur Stabilisierung und Verbesserung der Sicherheitslage sowie zur Verbesserung der humanitären Lage in Bunia beitragen. Die Aufgabe dieser
Mission wird es sein, die Zeit bis zur Aufstockung der
MONUC-Truppen zu überbrücken und das gegenwärtige Sicherheitsvakuum zu füllen. Wir haben die Initiative Frankreichs im UN-Sicherheitsrat unterstützt, eine
Eingreiftruppe für Sicherheitsaufgaben nach Kap. 7 der
UN-Charta vorzusehen. Ihr Mandat zielt also darauf ab,
mit Zustimmung der kongolesischen Regierung und der
Nachbarstaaten in einem Übergangseinsatz Massaker an
der Zivilbevölkerung zu stoppen und zu verhindern.
Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der
Europäischen Union hat in der letzten Woche beschlossen, die Operation Artemis als erstmaligen Krisenmanagementeinsatz im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durchzuführen. Wir
begrüßen daher den Beschluss und die Bereitschaft der
Bundesregierung, Medevac-Flugzeuge, Transportkapazitäten sowie Logistik in diese Region zu schicken.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte in dieser
Diskussion noch auf einen besonderen Punkt eingehen,
nämlich auf den Einsatz unserer Soldaten, der in
Entebbe, Uganda, vorgesehen ist. Dieses örtlich und
zeitlich begrenzte Mandat gibt unseren Bundeswehrsoldaten Schutz, soweit dies bei einem solchen Einsatz
überhaupt möglich ist. Im Kongo würden unsere Soldaten mit Kindersoldaten konfrontiert werden, mit bewaffneten Minderjährigen, die in ihrem Leben nichts anderes gelernt haben außer Krieg. Diese Sozialisation
führt dazu - das wissen wir aus Erfahrungen -, dass sie
keinerlei Respekt vor jeglichem menschlichen Leben haben. Aber: Es sind Kinder. Kinder sind Opfer. Hier werden Kinder aber zu Tätern gemacht. Mit solch einer Situation sind Soldaten der Bundeswehr bisher noch nie
konfrontiert worden. Deswegen müssen wir uns dafür
einsetzen, dass die Voraussetzungen für Konfrontationen
mit Kindersoldaten gar nicht erst wirksam werden können.
({4})
Aus diesem Grund muss es zuallererst unser gemeinsames Ziel und Verpflichtung für die Außen- und Entwicklungspolitik sein, die Entstehung von Kinderarmeen
zu verhindern. Die rot-grüne Regierungskoalition hat
schon in der letzten Legislaturperiode einen Antrag eingebracht, der sich sehr intensiv mit dieser Problematik
beschäftigt. Lassen Sie uns bitte weiter auf diesem Gebiet arbeiten und darauf einwirken, dass rechtliche
Grundlagen geschaffen und eingehalten werden, die die
Rekrutierung von Kindersoldaten unmöglich machen!
({5})
Allen Kindern auf dieser Welt muss ein Aufwachsen in
menschenwürdigen Verhältnissen ermöglicht werden.
Nur so können wir verhindern, dass Kinder als Soldaten
missbraucht werden. Der heute zu beschließende Bundeswehreinsatz wird - darauf ist schon oft hingewiesen
worden - sehr schwierig und auch, glaube ich, risikoreich sein. Aber für mich ist er ohne Alternative.
({6})
Frau Kollegin, bitte denken Sie an Ihre Redezeit.
Eine Ablehnung dieses Einsatzes würde bedeuten, die
Menschen im Kongo im Stich zu lassen. Deswegen werden wir dem vorliegenden Antrag zustimmen.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-
sache 15/1176 zu dem Antrag der Bundesregierung auf
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
EU-geführten Einsatz zur Stabilisierung der Sicher-
heitslage und Verbesserung der humanitären Situation in
Bunia auf der Grundlage der Resolution 1484 des Sicher-
heitsrats der Vereinten Nationen vom 30. Mai 2003. Es
liegen schriftliche Erklärungen zur Abstimmung nach
§ 31 der Geschäftsordnung des Abgeordneten Jürgen
Koppelin, eine gemeinsame Erklärung der Abgeordneten
Christa Nickels, Silke Stokar, Peter Hettlich und anderer
Abgeordneter sowie der Abgeordneten Wolfgang
Börnsen und Thomas Dörflinger vor.1) Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1168 anzunehmen.
Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Ich glaube, alle haben
ihre Stimmen abgegeben. Ich schließe die Abstimmung
und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche
ich die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Be-
teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem EU-
geführten Einsatz zur Stabilisierung der Sicherheitslage
und Verbesserung der humanitären Situation in Bunia be-
kannt. Abgegebene Stimmen 478. Mit Ja haben gestimmt
441, mit Nein haben gestimmt 30, Enthaltungen 7. Die
Beschlussempfehlung ist angenommen.
1) Anlagen 2 und 3
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 478;
davon
ja: 441
nein: 30
enthalten: 7
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({0})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({1})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({2})
Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({3})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({4})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({5})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({6})
Walter Hoffmann
({7})
Iris Hoffmann ({8})
Frank Hofmann ({9})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({10})
Christine Lehder
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Christian Müller ({11})
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({12})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({13})
Michael Roth ({14})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({15})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({16})
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({17})
Ulla Schmidt ({18})
Silvia Schmidt ({19})
Dagmar Schmidt ({20})
Wilhelm Schmidt ({21})
Heinz Schmitt ({22})
Carsten Schneider
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Reinhard Schultz
({23})
Swen Schulz ({24})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({25})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({26})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({27})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({28})
Heidi Wright
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ernst-Reinhard Beck
({29})
Dr. Christoph Bergner
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({30})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({31})
Gitta Connemann
Hubert Deittert
Vera Dominke
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({32})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({33})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({34})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Markus Grübel
Manfred Grund
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Siegfried Helias
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({35})
Norbert Königshofen
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({36})
Helmut Lamp
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Walter Link ({37})
Dr. Klaus W. Lippold
({38})
Dorothee Mantel
Stephan Mayer ({39})
Conny Mayer ({40})
Dr. Martin Mayer
({41})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Laurenz Meyer ({42})
Doris Meyer ({43})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Bernward Müller ({44})
Hildegard Müller
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({45})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Norbert Röttgen
Albert Rupprecht ({46})
Peter Rzepka
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({47})
Andreas Schmidt ({48})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Matthias Sehling
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({49})
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Peter Weiß ({50})
Gerald Weiß ({51})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Willi Zylajew
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({52})
Volker Beck ({53})
Cornelia Behm
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({54})
Katrin Dagmar GöringEckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({55})
Markus Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({56})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({57})
Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({58})
Werner Schulz ({59})
Petra Selg
Rainder Steenblock
Silke von Stokar von
Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({60})
FDP
Daniel Bahr ({61})
Angelika Brunkhorst
Horst Friedrich ({62})
Rainer Funke
Christoph Hartmann
({63})
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Eberhard Otto ({64})
Detlef Parr
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Nein
CDU/CSU
Günter Baumann
Veronika Maria Bellmann
Renate Blank
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Herbert Frankenhauser
Georg Girisch
Kurt-Dieter Grill
Bernd Heynemann
Susanne Jaffke
Bartholomäus Kalb
Vera Lengsfeld
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Stefan Müller ({65})
Franz Obermeier
Dr. Joachim Pfeiffer
Beatrix Philipp
Dr. Klaus Rose
Anita Schäfer ({66})
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Marion Seib
Heinz Seiffert
Max Straubinger
FDP
Helga Daub
Jürgen Koppelin
Fraktionslose Abgeordnete
Dr. Gesine Lötzsch
Enthalten
CDU/CSU
Georg Fahrenschon
Marko Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
FDP
Otto Fricke
Joachim Günther ({67})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Gisela Piltz
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. Juni 2003, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.