Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/21/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Dr. Christina Weiss.

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat heute dem von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eingebrachten Entwurf der Novelle zum Filmförderungsgesetz zugestimmt. Dieser Gesetzentwurf, der in einem guten Zusammenspiel von Filmbranche und Politik entstanden ist, ist ganz gewiss als ein Erfolg zu werten. Es gibt sicher wenige Gesetze, die aus einer so intensiven, offenen und konstruktiven Diskussion zwischen Vertretern der Wirtschaft, der Politik und der Verwaltung hervorgegangen sind. Die Novelle des Gesetzes soll dazu beitragen, die Mängel, die es im Bereich der deutschen Filmwirtschaft gibt, zu beseitigen. Der deutsche Film ist bislang nicht in ausreichendem Maße international orientiert. Der deutsche Film muss im Inland, vor allem aber im Ausland erfolgreicher werden. Dazu bedarf es weiterer qualitativer Verbesserungen, auch und gerade im kreativ-künstlerischen Bereich, sowie einer Stärkung der Eigenverantwortung und der Eigenkapitalbasis der Produzenten. Inhaltlich knüpft der Gesetzentwurf hier an. Es geht darum, durch eine Reform des gesamten Fördersystems zu mehr wirtschaftlichem und kulturellem Erfolg zu kommen. Bei dieser Reform geht es in erster Linie darum, das Fördersystem flexibler zu gestalten, um zum Beispiel bei wirtschaftlichen Krisensituationen von Produzentinnen und Produzenten reaktionsfähiger zu sein. Die Förderbereiche sind neu gewichtet worden. Eine Verbesserung der Außenvertretung des deutschen Films ist in diesem neuen Gesetz angelegt. Auf die Steigerung der kreativ-künstlerischen Qualität - das ist Zielbestimmung des Gesetzes - ist im Bereich der Projektförderung besonderes Augenmerk gerichtet worden. Wir wollen insgesamt der Absatzförderung, dem Marketing, ein besonderes Gewicht verleihen. Daher ist die Förderung in diesem Bereich um 100 Prozent auf 14,5 Millionen Euro angehoben worden. Die Referenzabsatzförderung wird von Darlehens- in Zuschussförderung umgewandelt. Bei der Produktionsförderung haben wir im Bereich der automatischen Referenzfilmförderung eine Umgewichtung der Kriterien vorgenommen, indem nun zusätzlich zu Zuschauerzahlen, Zuschauererfolgen kulturelle Kriterien, wie sie durch Festivalerfolge und Preise festgelegt werden können, berücksichtigt werden. Die FFA kann durch Übernahme von Bürgschaften für öffentlich geförderte Filme Produzenten künftig entlasten: im Hinblick auf die Bankenfinanzierung, aber auch insgesamt im Hinblick auf Reaktionen, wenn Koproduktionen mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten geplant sind. Um der Interessenlage kleinerer Produzentinnen und Produzenten Rechnung tragen zu können, ist das Fördersystem insgesamt flexibler geworden. Es gibt eine voraussichtliche Steigerung der Einnahmen der FFA um 40 Prozent von derzeit 46,2 Millionen Euro auf insgesamt 64,7 Millionen Euro; davon sind etwa 5,6 Millionen Euro Sachleistungen. Diese Zahlen errechnen sich aus den Prozentzahlen der Wirtschaftsdaten 2002. Da die Videobranche eine ausgesprochene Boombranche ist, werden sich durch diese Ergebnisse die Zahlen gemäß der prozentualen Anteile nach oben korrigieren. Die Fernsehveranstalter verdoppeln ihre Leistungen auf 22,4 Millionen Euro. Die Kinoabgabe wird von 2,2 Prozent auf 2,7 Prozent des Bruttoumsatzes angehoben. Die Abgabe der Videowirtschaft wird von 1,8 Prozent auf rund 2,2 Prozent des Nettoumsatzes angehoben. Redetext Das ist die finanzielle Basis, um die inhaltlichen Verbesserungen, die ich vorher dargelegt habe, vornehmen zu können. Ich danke Ihnen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt würde ich gern mitdiskutieren. Ich darf aber nur das Wort erteilen. Zunächst habe ich die Wortmeldung des Kollegen Otto gesehen.

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, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, Sie sprachen gerade an, dass das Fördersystem durch Ihren Entwurf flexibler werden soll. Ich möchte Sie fragen: Gibt es einen überzeugenden Grund, weshalb im Zuge der Flexibilisierung des Fördersystems nicht daran gedacht wird, bei besonders erfolgreichen Filmen, wie zum Beispiel „Good bye, Lenin!“ oder „Der Schuh des Manitu“, auch eine Gewinnbeteiligung der Filmförderungsanstalt vorzusehen? Meine zweite Frage lautet: Das Gesetz ist vernünftigerweise, weil es sich um öffentliche Subventionen handelt, wiederum auf fünf Jahre begrenzt bis zum 31. Dezember 2008. Können Sie uns aus Ihrer bisherigen Erfahrung Hoffnung machen, dass wir nach Ende dieses Zeitraumes, also in fünf Jahren, einen Ausstieg aus der Subventionierung des deutschen Filmes finden, oder befürchten Sie, dass - wie auch diesmal - die Subventionen deutlich angehoben werden müssen, um den deutschen Film über Wasser halten zu können?

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Die beiden Fragen befinden sich im Grunde in einem Bedeutungsfeld. Die Filmförderungsanstalt ist dazu da, Filme und den Absatz von Filmen zu fördern, sodass die deutsche Filmwirtschaft nicht nur Chancen auf Erfolg hat, sondern auch in der Tat Chancen hat, die momentane wirtschaftliche Krise gut zu überstehen. Insofern haben wir eine Gewinnbeteiligung in diesem Sinne, wie Sie es gerade angesprochen haben, nicht angedacht, weil sie bei einer Förderanstalt vielleicht nicht unbedingt im anzustrebenden System liegt. Ich glaube nicht, dass wir aus der Filmförderung generell aussteigen werden. Denn die Filmförderung, so wie wir sie praktizieren, ist in vergleichbaren Strukturen und Systemen in allen europäischen Staaten vorhanden. Wir brauchen eine Filmförderung in Europa, um das Produkt, das sich vom amerikanischen Produkt unterscheidet, zu unterstützen. Die europäischen Filme verstehen sich als künstlerische Produkte, also als Kulturgut, das auch Wirtschaftsgut ist. Filme in den USA werden als reines Marktgut produziert. Solange in Europa Einigkeit darüber besteht, dass wir diese künstlerischen Produkte haben wollen und dass wir sie auch als Gegengewicht zum amerikanischen Markt haben wollen, ist eine solche etwas moderate Subvention, die sich sehr stark aus dem Zusammenwirken mit der Filmbranche - es sind überwiegend ja Gelder der Branche und relativ wenige Gelder der Politik - erklärt, einfach eine Notwendigkeit, um dieses Produkt zu erhalten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Neumann.

Bernd Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben sowohl jetzt hier als auch in der zur vorangegangenen Pressekonferenz vorgelegten Erklärung, als auch darüber hinaus in Erklärungen die Bedeutung des novellierten Filmförderungsgesetzes herausgestrichen und den Eindruck erweckt, als würde es die deutsche Filmwirtschaft einen entscheidenden Schritt voranbringen. Ist Ihnen bekannt, dass der vorgelegte Entwurf von vielen aus der Branche an manchen Stellen kritisch gesehen wird - ich komme bei meiner nächsten Frage darauf zurück -, und ist Ihnen ferner bekannt, dass die Branche die Hauptprobleme bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Films bei ganz anderen Punkten sieht, nämlich in den so genannten Rahmenbedingungen, zum Beispiel der Behinderung internationaler Koproduktionen durch Medienerlass, der unzureichenden Finanzierung deutscher Produktionen aus Medienfonds, der Vernachlässigung von Interessen der Filmwirtschaft bezogen auf das Urheberrecht und fehlenden steuerlichen Anreizen für Produzenten? Ist Ihnen bekannt, dass die Filmwirtschaft diese Punkte als viel entscheidender ansieht, und erinnern Sie sich daran, dass Sie und Ihre Vorgänger mehrfach - unter anderem in der Koalitionsvereinbarung - versprochen haben, hier Änderungen herbeizuführen, die bis heute aber nicht vorliegen?

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Das wurde in der Koalitionsvereinbarung formuliert und ist ein Teil des Gesamtpakets, dessen erste Phase mit der Novellierung des Filmförderungsgesetzes jetzt angelaufen ist. Alle Punkte, die Sie angesprochen haben - zum Beispiel Medienfonds und Medienerlass -, befinden sich noch in der Arbeitsphase. In beiden Bereichen gibt es Bewegung, weil wir wissen, dass sie für die Filmwirtschaft ganz wichtige Bestandteile sind. Ich glaube, ich kann mir erlauben, Ihnen zu sagen, dass diese Novelle des Filmförderungsgesetzes für die Filmwirtschaft ganz wichtig ist, weil durch sie eine Basis dafür geschaffen wird, dass Produzentinnen und Produzenten Mut haben können, eigenwillige Filme zu produzieren, und dass sie sicher sein können, dass wir ihnen helfen, Instrumente an die Hand zu bekommen, um sich im internationalen Wettbewerb besser behaupten zu können. Das ist eine ganz wichtige Basis. Die Erlangung der Gelder aus Medienfonds und vor allem die Ermöglichung von Koproduktionen aufgrund des Medienerlasses sind wichtige Themen, unabhängig von der sich in der Arbeit befindlichen Novellierung des Filmförderungsgesetzes.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gisela Schröter. ({0}) - Sie haben bereits zwei gestellt. ({1}) - An und für sich sind jeweils zwei Fragen zu einem Thema vorgesehen. Ich bin aber durchaus großzügig, wenn die vorgesehene Zeit nicht ausgeschöpft wird. Jetzt sind jedoch erst einmal die anderen Kollegen an der Reihe. - Bitte.

Gisela Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002086, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, ich möchte daran anschließen. Es geht hier um die politischen Rahmenbedingungen, zu denen Kollege Neumann ebenfalls gefragt hat. Können Sie das noch einmal konkreter ausführen und etwas präzisieren? Ich denke, es würde uns alle ein Stückchen weiterbringen, wenn Sie uns sagen könnten, wie die Situation bezüglich des Medienerlasses und der Behandlung der Medienfonds derzeit konkret aussieht. Meine zweite Frage. Mir ist bei der Durchsicht der alten Fassung, des Referentenentwurfs, aufgefallen, dass sich in dem Gesetzentwurf bei der Drehbuchförderung etwas verändert hat. Warum werden die zur Verfügung stehenden Mittel in diesem Entwurf gegenüber dem Referentenentwurf verringert?

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Meine Damen und Herren, zunächst einmal bin ich etwas überrascht, dass Sie sich mit Ihren heutigen Fragen nach Dingen erkundigen, die mit dem Gesetz, über das wir heute diskutieren, gar nichts zu tun haben. ({0}) Ich kann Ihnen nur die gleiche Antwort geben: Die Themen Medienfonds und Medienerlass sind von großer Wichtigkeit und sind erkannt. ({1}) Sie werden in einer Arbeitsgruppe, der selbstverständlich das Finanzministerium angehört und das die Leitung hat, zusammen mit der Wirtschaft behandelt. Ich kann Ihnen diese Fragen im Augenblick nicht beantworten. Ich hoffe, dass wir das in einem halben Jahr tun können. Dann wird es wahrscheinlich der Finanzminister tun. Die zweite Frage kann ich dagegen beantworten, weil sie sich auf das Gesetz bezieht. Das Gesetz hat, wie ich eben gesagt habe, in allererster Linie als Grundlage zur Flexibilisierung und Reform eine höhere Finanzausstattung. Wir hatten für die Drehbuchförderung in der alten Fassung des Gesetzes Mittel in Höhe von 2 Prozent festgeschrieben. Diese Mittel haben wir auf 1,5 Prozent verringert, was nicht heißt, dass der Geldbetrag niedriger ausfällt. Wir haben allerdings durch die Praxis des alten Gesetzes gelernt, dass wir im Rahmen der Drehbuchförderung die Förderung der Drehbuchentwicklung verbessern müssen. Denn die Mittel für die Drehbuchförderung konnten in der Vergangenheit oft nicht ganz ausgegeben werden, weil die eingereichten Projekte nicht tauglich waren. Wir haben daher die Schwelle für die Förderung der Drehbuchentwicklung von bisher 15 000 Euro pro Antrag auf 30 000 Euro pro Antrag angehoben. Mit den höheren Investitionen in die Entwicklungsphase wollen wir erreichen, dass uns letztlich bessere Produkte vorgelegt werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Kollege Börnsen das Wort.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, dass unsere Kollegen so umfassende Fragen stellen, liegt auch daran, dass Sie heute in Ihrer Pressekonferenz nicht nur auf das Gesetz eingegangen sind, sondern auch auf die Situation der Filmwirtschaft insgesamt. Deswegen werden Sie Verständnis haben, wenn von allen Seiten des Hauses entsprechende Fragen gestellt werden. Sie wissen - Sie waren ja einmal Mitglied des Verwaltungsrates der FFA -, dass unser Hauptproblem darin liegt, dass die Filmproduktionslandschaft in Deutschland im Gegensatz zu der Situation in den Vereinigten Staaten noch immer ein Stiefkind ist. 85 Prozent der in Deutschland gezeigten Filme stammen aus den USA, made in Hollywood. Wir kommen nicht dazu, auch nicht in Kooperation mit Frankreich und Italien, den Marktanteil Deutschlands zu verstärken. Nun versuchen Sie, durch die Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes zu einer Verstärkung beizutragen. Die erste Frage, die ich dazu habe, bezieht sich auf die Finanzierung. Sie wissen wie ich: Wir können Filmförderung nur als Förderung eines Wirtschaftsgutes betrachten, nicht eines Kulturgutes, sonst hätte der Bund keine Kompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 des Grundgesetzes. Meine erste Frage bezieht sich auf die Zusammensetzung des neuen Filmrates. Auch die Union begrüßt es, dass in Zukunft immer eine Frau, nämlich die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, den Vorsitz im Filmrat haben wird. Das ist prima. Wir vermissen aber etwas. Worin liegen die Beiträge des Wirtschaftsministers und des Finanzministers? Wenn es sich beim Film um ein Wirtschaftsgut handelt, müssen auch solche Fachgremien einbezogen sein. Meine zweite Frage. Sie sagen, Sie seien ganz optimistisch, dass sich eine Einnahmeverbesserung der FFA ergeben werde. Sie wissen, dass im Augenblick der Beitrag der Kinobesitzer 20 Millionen Euro, der Videotheken 14 Millionen Euro und der Beitrag des Fernsehens und des Rundfunks 11,2 Millionen Euro ausmacht. Sie sagen, dass der Betrag verdoppelt werde. Davon findet sich aber nichts im Gesetz. Es gibt keine gesetzliche Regelung, sondern nur eine Grundsatzerklärung der privaten und der öffentlichen Fernsehanstalten, die sagen, dass es vor 2005 keine neue Vertragssituation gebe. - Ich Wolfgang Börnsen ({0}) möchte gerne, dass Sie uns erklären, wie Sie zu der Äußerung kommen, dass Sie von einer Verdoppelung ausgehen, obwohl der Gesetzgeber nicht konkret handelt. Denn vom Filmgut profitiert das Fernsehen, egal ob privates Fernsehen oder öffentlich-rechtliches Fernsehen.

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Lassen Sie mich eines vorausschicken: An den Stellen, an denen von der Beauftragten für Kultur und Medien die Rede ist, wird selbstverständlich eine neutrale Formulierung gewählt, sodass bei einem Wechsel des Amtsinhabers keine Gesetzesänderung erforderlich wird. Die FFA stellt in der Tat das Förderinstrument der Filmwirtschaft dar. Sie werden aber sicherlich zugestehen - darin sind wir uns mit der Filmwirtschaft einig -, dass nur gute Filme eine Chance auf Erfolg haben. Insofern ist die Stärkung des kreativ-künstlerischen Ansatzes ein sehr wichtiges Element für die Wirtschaft. Dass sich der deutsche Film international schwer behauptet, war früher wie heute festzustellen. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, dass sich in diesem Jahr die Situation des deutschen Filmes ausgesprochen positiv entwickelt. Caroline Link hat für ihren Film „Nirgendwo in Afrika“ einen Oscar erhalten. Der künstlerisch sehr hochwertige Film „Good bye, Lenin!“ hat einen Millionenerfolg erzielt und den Berlinale-Preis für den besten europäischen Film erhalten. Es wurde sehr beklagt - das kann ich vielleicht an dieser Stelle klarstellen -, dass bei den Filmfestspielen in Cannes keine deutsche Produktion im Hauptwettbewerb vertreten ist. Aber die drei interessantesten Filme, die zurzeit in Cannes laufen, sind mit deutscher Koproduktion entstanden. Dabei handelt es sich um die Filme von Suworow und Peter Greenaway sowie um den Film „Dogville“ von Lars von Trier, die sehr gute Platzierungen erzielt haben. In den Rahmenprogrammen in Cannes laufen sechs deutsche Filme. Ich glaube, wir müssen unser Selbstbewusstsein zurzeit nicht auf eine große Bescheidenheit herunterschrauben. Das Filmförderungsgesetz wird uns helfen, für die Filmwirtschaft Bedingungen zu realisieren, die es ihr möglich machen, auf Erfolge und Chancen zu reagieren und vor allen Dingen auch den internationalen Absatz und die internationale Präsenz zu verstärken. Das ist unser Ziel, das wir durch die Erhöhung der Einnahmen erreichen werden. Es gibt feste Absprachen mit den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Intendanten der privaten Fernsehanbieter, dass eine Verdoppelung erfolgen wird. ({0}) Diese Verdoppelung wird auch zustande kommen. Die Privaten haben uns zugesagt, die Sachleistungen zu steigern. Ich bitte Sie, die Sachleistungen nicht gering zu schätzen. Werbeplätze für deutsche Filme im Fernsehvorabend- oder -abendprogramm sind ein unschätzbares Gut, das wir teuer bezahlen müssten, wenn wir diese Werbeplätze kaufen würden. Insofern ist das Angebot, Sachleistungen in Form von Werbeplätzen zu gewähren, für uns und für die Filmwirtschaft sehr wichtig. Denn anderenfalls würde die Filmwirtschaft die Kosten für die Werbung selbst aufbringen müssen. Es handelt sich um feste Absprachen, die, nachdem der Gesetzentwurf das Kabinett passiert hat, nicht nach unten korrigiert werden können. Das gilt auch für die Kino- und die Videoabgabe, die in festen Absprachen reguliert worden sind. Wir haben Kompromisse geschlossen. Wir haben im Bereich der Kinoabgabe vier Stufen ausgehandelt. Mit den Videoanbietern haben wir drei Stufen ausgehandelt. Dabei handelt es sich um feste Absprachen, die gültig sind. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort zu einer Nachfrage hat jetzt der Kollege Nooke. Ich muss darauf hinweisen, Herr Neumann, dass wir uns nicht im Kulturausschuss befinden - auch wenn uns das so vorkommt -, sondern in der Befragung der Bundesregierung. Ich erteile jetzt - wir haben die reguläre Zeit schon überschritten - noch den Abgeordneten Nooke und Tauss das Wort. Dann lasse ich noch eine Frage an die Bundesregierung insgesamt stellen. Ich bin darauf hingewiesen worden, dass noch dringliche Fragen anstehen, sodass wir den Zeitrahmen nicht allzu sehr über das übliche Maß hinaus überschreiten sollten. - Bitte, Herr Nooke und dann Herr Tauss.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, Sie haben auf der Pressekonferenz das Filmförderungsgesetz als Erfolg der Branche dargestellt. Die Branche hat allerdings die Bürokratie kritisiert. Es gibt einen Widerspruch zu Ihrer Aussage, der Referentenentwurf sei nicht wesentlich verändert worden. Wenn Sie behaupten, dass das ein Erfolg der Branche sei, dann möchte ich, dass Sie mir genauer erklären, wo es wesentliche Änderungen gibt und woran Sie den Erfolg festmachen. Was die Bürokratie angeht, möchte ich Sie bitten, noch einmal kurz zu beschreiben, wie das Zusammenspiel der neuen Institutionen, insbesondere des Deutschen Filmrates, mit den entsprechenden Gremien bei der Vergabe von Fördermitteln aussehen soll, und zu erklären, warum das so kompliziert sein muss und nicht einfacher gestaltet werden konnte und warum Sie die jetzigen Regelungen für sinnvoll erachten. Welche Kriterien halten Sie - das war schon bei Herrn Börnsen angeklungen - bei der Differenzierung zwischen wirtschaftlicher und kultureller Filmförderung für sinnvoll? Sind die Kriterien ausreichend oder sollte man versuchen, das noch genauer im Gesetz zu verankern, bzw. kann man das nicht weglassen? Noch eine Anmerkung: Sie haben jetzt schon das zweite Mal eine Pressekonferenz gegeben, bevor Sie im Ausschuss und im Plenum Rede und Antwort gestanden haben. Halten Sie das für eine sinnvolle Art und Weise, das Filmförderungsgesetz der Öffentlichkeit vorzustellen? Wir hätten uns jedenfalls gefreut, wenn wir vor einer Pressekonferenz darüber hätten diskutieren können. ({0})

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Zuerst zu Ihrer Frage nach dem Deutschen Filmrat, auf die ich, glaube ich, die Antwort schuldig geblieben bin: Der Deutsche Filmrat ist ein Instrument, das sehr kreativ und beratend wirken soll. Er soll ein Instrument zur Evaluierung dessen sein, was wir mit der Filmförderung tun. Wir haben - damit greife ich zugleich Ihre zweite Frage auf - aufgrund der Gespräche, die wir in den letzten Wochen, nachdem der Entwurf im Internet stand, geführt haben, einige Veränderungen vorgenommen, die zu einer stärkeren Beteiligung des kreativkünstlerischen Bereichs am Filmrat führen werden; denn wir wollen uns auch die kreativen Anregungen aus diesem Bereich zunutze machen. Wir haben außerdem den kreativ-künstlerischen Bereich in den Vergabekommissionen der FFA gestärkt. Sie ist zwar ein Instrument der Filmwirtschaft, aber es gibt - darauf habe ich schon hingewiesen - keine Trennung zwischen kultureller und wirtschaftlicher Filmförderung. Es gibt lediglich eine Filmförderung, die den wirtschaftlichen Faktor eines Kulturguts stärkt. Wir lehnen die eben genannte Trennung im Prinzip ab. Zum Kompetenzbereich des Bundes gehört die Förderung durch die Filmförderungsanstalt, die, wie gesagt, ein Zusammenschluss der Branche ist. Wenn man so will, ist das ein wirtschaftliches Instrument, das sich aber klar von der Filmförderung der Länder abgrenzt, die diese im Rahmen ihrer Kulturhoheit in eigenen Gesetzen geregelt haben. Die Aufgabenstellung und die Zusammensetzung des Deutschen Filmrats ist also überarbeitet worden. Er hat ausschließlich die Funktion, beratend und evaluierend zu wirken, und den Auftrag, auch mit einiger Fantasie neue Modelle zu entwickeln, die dann den Gremien, zum Beispiel dem Verwaltungsrat der FFA, zur Diskussion vorgelegt werden können. Zu Ihrer Frage nach klaren Änderungen: Die Referenzfilmförderung für Dokumentarfilme - das ist ein Ergebnis ausgiebiger Debatten mit Branchenvertretern - ist wieder auf die Zuschauerschwelle von 25 000 herabgesetzt worden. Die Filmabgabe der Kino- und Videowirtschaft haben wir - ich habe die entsprechenden Zahlen eben schon genannt - an die aktuelle Marktsituation angepasst. Hier sind wir den Nöten der Wirtschaft, insbesondere denen der kleineren und mittleren Programmkinos, entgegengekommen. Bei der Videowirtschaft haben wir ebenfalls eine Staffelung nach Umsatz vorgesehen. Um die kleinen Unternehmen nicht zu gefährden, haben wir eine Erhöhung nur für die mittleren und großen Unternehmen vorgenommen. Die Videobranche ist eine Boombranche, die uns in den nächsten Jahren - wir haben das ja prozentual geregelt - sehr viel mehr Einnahmen verschaffen kann, weil es ihr gut geht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe nun die Frage des Kollegen Tauss auf. ({0}) Bitte, Frau Weiss.

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Herr Nooke, zu Ihrer letzten Frage nach der Pressekonferenz: Sie wissen doch, dass wir im Kulturausschuss über den vorliegenden Gesetzentwurf - ich glaube: ungewöhnlich oft - debattiert haben. Wir haben die Feinarbeit vorgenommen. Wir haben mit Ihnen über den Referentenentwurf ausführlich diskutiert. Der Referentenentwurf wird heute in einer Pressekonferenz, die nahezu zeitgleich zu dieser Sitzung stattfindet, vorgestellt. Ich habe das Gefühl, dass Sie von uns gut, zeitnah und gründlich informiert worden sind. ({0}) - Nein, das stimmt nicht. Sie können dieses Gesetz mit meinem Vorgänger nicht diskutiert haben, weil es dieses Gesetz in dieser Form noch nicht gab. Sie haben dieses Gesetz mit mir mehrfach diskutiert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Kollege Tauss hat jetzt das Wort zu einer Nachfrage.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir haben es - ich war dabei - schon vorbildlich diskutiert. Ich möchte an die Frage des Kollegen Börnsen - ich fühle mich im Übrigen seinem Wunsch nach einer langen Amtszeit von Ihnen, Frau Weiss, sehr verbunden anschließen. Wir sollten noch über die Absatzförderung reden. Sie haben immer einen großen Wert auf die Verbesserung der Absatzförderung gelegt. Wie hat sich die Bedeutung der Absatzförderung, über die wir uns einig sind, im Regierungsentwurf niedergeschlagen? ({0})

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Herr Tauss, die Verbesserung der Absatzförderung ist in der Tat eines der Kernanliegen der Novellierung. Ich habe diesem Bereich bei der Neugewichtung innerhalb des Fördersystems wirklich eine besondere Bedeutung beigemessen. Die durchschnittlichen Kosten für das Herausbringen von Filmen sind in den letzten Jahren von etwa 150 000 Euro auf 1 Million Euro gestiegen. Die Novellierung des FFG muss dieser Entwicklung Rechnung tragen. Wir haben den Bereich Absatz so flexibel gestaltet, dass auf jeden Fall sehr viel Geld in das Marketing fließen kann. Ich bin auch deswegen sehr dankbar dafür, dass wir diesen Bereich nach den Gesprächen mit den privaten Fernsehanbietern so stärken konnten. Ich glaube, es ist für uns in Deutschland ganz wichtig, über die deutsche Filmproduktion zu sprechen. Wir müssen dem potenziellen Publikum auch zeigen, welche Filme da sind und welche Filme in die Kinos kommen werden. Wir haben die Darlehensförderung im Bereich der Referenzabsatzförderung auf eine Zuschussförderung umgestellt. Das ist für die Produzentinnen und Produzenten ganz wichtig. Sie müssen das Geld nicht zurückzahlen, sondern sie können das Geld sowohl für ihre Kapitalaufstockung als auch für weitere Projekte einsetzen. Auf dem Gebiet der Projektabsatzförderung werden die Verleih- und die Videoförderung nun in getrennten Vorschriften geregelt. Für beide Förderungen gilt, dass die Förderbedingungen den Änderungen der filmwirtschaftlichen Praxis Rechnung tragen können. Details können - auch das ist neu - im Vorstand der FFA entschieden werden. Wir müssen nicht jeden Schritt gesetzlich regeln, sondern wir brauchen auch einen Spielraum für diejenigen, die die Mittel vergeben, um Produzentinnen und Produzenten in aktuellen und akuten Notsituationen helfen zu können. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es liegen keine weiteren Fragen zu diesem Themenbereich der Kabinettssitzung vor. Gibt es andere Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Herr Neumann, Sie haben nun die Gelegenheit, Ihre Frage zu stellen. ({0})

Bernd Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Weiss, folgende Vorbemerkung: Die Fragen, die ich zu den Rahmenbedingungen gestellt habe und die von der Kollegin Schröter erfreulicherweise präzisiert wurden, wurden gestellt, weil Rahmenbedingungen, Medienerlass etc. für die Wettbewerbsfähigkeit ganz entscheidend sind und weil es für die damit verbundenen Probleme bisher - das zeigen auch Ihre heutigen Antworten - keine konkreten Lösungen gibt. Ich möchte Sie zum Filmförderungsgesetz Folgendes fragen: Sind Sie mit mir der Meinung, dass es zwar erfreulich ist, dass die beiden großen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ihren bisherigen Beitrag von 5,5 auf rund 11 Millionen Euro verdoppeln wollen, dass diese Summe im Hinblick auf den ungeheuren Nutzen, den diese beiden Anstalten aus den vielen Filmen, die sie allabendlich senden, ziehen, und im Hinblick auf die Tatsache, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Gebühreneinnahmen von mehr als 13 Milliarden Euro hat, aber unangemessen gering ist und Ihr Vorgänger Recht hatte, als er eine Erhöhung um 40 Millionen Euro gefordert hat?

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Herr Neumann, ich bin der Meinung, dass man die Dinge sehr realistisch betrachten sollte. Die realistische Sicht ergibt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland insgesamt - Länderförderungen und FFA addiert - 70 Millionen Euro in die Förderung von Filmen investieren, weil sie wissen, dass auch sie von diesen Filmen profitieren. Was die Finanzierung der FFA durch die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten angeht, so haben wir - das wissen auch Sie sehr genau - ausgehend von einer glatten Absage eine Verdopplung erreicht. Auch da muss man immer im Rahmen des Realistischen bleiben. Man muss sich fragen, was möglich ist, und das sollte man zu erreichen versuchen. Ich glaube, dass die Forderung nach 50 Millionen Euro, wie sie in der Tat einmal im Raum stand, die Gesprächsbereitschaft auf null gesenkt hat. Es dauert lange, die Gesprächsbereitschaft von null aus wieder auf ein vernünftiges Maß zu bringen. Das ist jetzt geschehen. Die Reaktion der übrigen Filmwirtschaft, die in der Tat am Anfang empört war, weil es darum ging, mehr Geld zahlen zu müssen, ist deswegen so heftig ausgefallen, weil niemand erwartet hat, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Summe erhöhen. Sie haben gedacht, Sie bräuchten dann auch nicht zu erhöhen. Mit dem Ergebnis können wir nicht nur zufrieden sein; auf dieses Ergebnis können wir auch stolz sein. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Frau Staatsministerin. - Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 15/987, 15/993 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen FraVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer gen auf, die den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes betreffen. Dringliche Frage 1 des Abgeordneten Jürgen Koppelin: Trifft die Meldung von dpa vom 19. Mai 2003 zu, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seinem Rücktritt gedroht hat? Dringliche Frage 2 des Abgeordneten Jürgen Koppelin: Hat Bundeskanzkler Gerhard Schröder Gründe, um mit seinem Rücktritt zu drohen? Vergleiche dpa vom 19. Mai 2003. Ich bitte um Beantwortung.

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Zur Frage 1: Grundsätzlich kommentiert die Bundesregierung weder Diskussionsverlauf in parteiinternen Gremien noch Ergebnisse solcher Gremien. ({0}) Zur Frage 2: Aufgrund der Antwort auf die vorherige Frage erübrigt sich eine Antwort. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Abgeordneten Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, ist Ihnen aufgefallen, dass ich nicht nach dem Rücktritt des SPD-Parteivorsitzenden, sondern nach der Drohung des Bundeskanzlers gefragt habe? Diese Frage müssen Sie uns hier schon beantworten. Das ist keine SPD-interne Sache, sondern das ist eine Sache, die uns alle angeht. Der Bundeskanzler ist vom Deutschen Bundestag gewählt worden. ({0})

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Herr Koppelin, mir ist bei Ihren beiden Fragen aufgefallen, dass Sie sich auf eine Pressemeldung beziehen und den Inhalt bzw. den Verlauf von Sitzungen parteiinterner Gremien hinterfragen. Deswegen ist meine Antwort so formuliert worden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Nachfrage des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, ich muss zunächst einmal feststellen, dass es meines Erachtens eine Zumutung ist, wie Sie uns das hier beantworten. In allen Medien, auch in den Zeitungen - Sie können das bei mir einsehen, falls Sie keine Zeitung lesen -, lauten die Überschriften: Schröder setzt seine Agenda mit Rücktrittsforderung durch. - Das muss uns im Deutschen Bundestag beschäftigen. Das können Sie hier nicht so beantworten. Es heißt dort wörtlich, Schröder habe in der Sitzung mit dem Rücktritt als Bundeskanzler gedroht, wenn die Debatten in der SPD so weiter fortgeführt werden. Ich frage Sie: Was stört den Bundeskanzler an der Debatte, die im Augenblick in der SPD geführt wird?

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Herr Koppelin, Aussagen bzw. Zitate aus Zeitungsartikeln kommentiert die Bundesregierung im Allgemeinen grundsätzlich nicht. Die Aussagen, die Sie jetzt noch einmal hier im Plenum zitiert haben, beziehen sich wiederum auf den Ablauf bzw. Inhalt von Sitzungen parteiinterner Gremien, sodass es einen doppelten Grund gibt, dies nicht zu kommentieren. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben noch die Möglichkeit zu zwei Nachfragen, weil es sich ja um zwei Fragen handelte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, ich gewinne durch die Art Ihrer Beantwortung immer mehr den Eindruck, dass Sie selber an der Sitzung gar nicht teilgenommen haben. Weil aber auch das im Zusammenhang mit dem Rücktritt eine Rolle spielt, möchte ich Sie fragen - vielleicht können Sie ja zumindest das beantworten -, ob es richtig ist, dass auf Initiative des Bundeskanzlers die Bezeichnung „IWAN“ für ein Papier geändert wurde. Darf ich Sie auch fragen, was den Bundeskanzler an dem Namen „IWAN“ gestört hat.

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Ich vermute, Herr Koppelin, dass das Papier, das Sie hinterfragen, ({0}) ebenfalls ein Papier einer Partei ist. ({1}) Deswegen werden diesbezügliche Fragen vonseiten der Bundesregierung ebenfalls nicht kommentiert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Vierte Nachfrage, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da ich in der „Süddeutschen“ und anderen Zeitungen gelesen habe, dass der Bundeskanzler innerhalb von drei Wochen schon zum zweiten Mal in parteiinternen Gremien mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers - wohl gemerkt - gedroht habe, möchte ich Sie fragen: Können Sie mir sagen, wann der Bundeskanzler das nächste Mal mit seinem Rücktritt drohen wird?

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Da sich Ihre Frage wiederum auf eine Zeitungsmeldung bezieht, verweise ich auf meine Antworten zu den beiden von Ihnen gestellten dringlichen Fragen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen von Klaeden. ({0})

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, der Kollege Koppelin hatte Sie nicht um eine Kommentierung der Meldung gebeten, sondern schlichtweg die Frage gestellt, ob es diese Rücktrittsdrohung gegeben hat. Deshalb stelle ich die Frage auch noch einmal: Hat es sie gegeben oder nicht?

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Herr von Klaeden, ich hatte Sie ja bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Gegenstand der Frage Pressemeldungen sind, die den Ablauf bzw. den Inhalt von Sitzungen parteiinterner Gremien widerspiegeln. ({0}) Das gilt dann übrigens auch für sämtliche Nachfragen. Ein solcher Sachzusammenhang ergibt sich zwingend allein schon aus der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Deswegen ist es nicht möglich, vonseiten der Bundesregierung hierzu Stellung zu nehmen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Nachfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wollen Sie die Rücktrittsdrohung des Bundeskanzlers vielleicht deswegen nicht bestätigen, weil Sie darin keine Drohung mehr sehen?

Not found (Gast)

Herr von Klaeden, zu einer Frage auf diesem Niveau erübrigt sich, wie ich denke, eine Antwort. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich sehe keinen weiteren Nachfragebedarf. Dann kann ich jetzt die normalen Fragen auf Drucksache 15/987 in der üblichen Reihenfolge aufrufen. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung ist die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke anwesend. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Volkmar Uwe Vogel auf: Warum fehlt in der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 5. Mai 2003, Nr. 141/03, das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“, VDE, 8.2. als wichtige Infrastrukturmaßnahme aus südlicher Richtung nach Leipzig in Ergänzung zum dort genannten VDE 8.3. aus nördlicher Richtung, mit dem ein entscheidender Beitrag der Bundesregierung zur nationalen Aufgabe „Olympia 2012“ geleistet werden kann, obwohl der Fertigstellungstermin 2012 nur noch möglich ist, wenn bis zum 1. Juli 2003 die Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn AG unterschrieben wird?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Sehr geehrter Herr Kollege Vogel, in der Pressemitteilung Nr. 141/03 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 5. Mai 2003 wurden zunächst nur Projekte genannt, deren Realisierung zu den genannten Terminen gesichert werden kann. Beim Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 8.2, Erfurt-Leipzig/Halle, laufen derzeit noch die Prüfungen durch die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG zur Möglichkeit des Vorziehens der Inbetriebnahme der Neubaustrecke Erfurt-Gröbers zum Zeitpunkt der Olympischen Sommerspiele 2012.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte schön.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, eine Nachfrage, die Sie aber nicht überraschen wird: Sie sprechen davon, dass sich die Finanzierungsvereinbarung derzeit in der Prüfphase befindet. Davon sprechen Sie aber eigentlich schon während der ganzen Zeit meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag, also seit Oktober vergangenen Jahres. Wann ist konkret mit einem Abschluss der Prüfung zu rechnen und mit der Entscheidung, ob die Finanzierungsvereinbarung unterschrieben wird oder nicht?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Vogel, die Finanzierungsvereinbarung und die dazugehörigen Unterlagen werden derzeit von den Beteiligten abschließend verhandelt. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich, dass wir die Prüfung demnächst abgeschlossen haben werden. ({0})

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie von „demnächst“ sprechen: Ist Ihnen bekannt, dass, um eine Fertigstellung des Abschnittes im Jahre 2012 aus technischer Sicht sicherzustellen, zwingend erforderlich ist, diese Finanzierungsvereinbarung zum 1. Juli abzuschließen, damit im Anschluss die notwendigen Ausschreibungen erfolgen können und der Bau zügig vorangehen kann? Herr Minister Stolpe hat in einem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“ zum Ausdruck gebracht, man solle ihn zum Rücktritt auffordern, wenn diese Finanzierungsvereinbarung nicht bis zum 1. Juli verabschiedet worden sei. Nach der hitzigen Diskussion eben muss man an dieser Stelle sicherlich ansprechen, wie wichtig gerade dieses Vorhaben mit Blick auf die Olympiabewerbung von Leipzig und auch für die gesamte Region ist; denn bezüglich der Tatsache, dass sich Leipzig im nationalen Wettbewerb durchgesetzt hat, war auch ein wichtiger Punkt, dass es eine sehr breite regionale Unterstützung bis hinein in den Thüringer Raum gab.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Vogel, wir sind uns unserer Verantwortung sehr wohl bewusst. Wir freuen uns, dass Leipzig und Rostock in dem Verfahren als deutsche Bewerber benannt worden sind; das ist vollkommen klar. Ich sagte Ihnen bereits, dass geprüft wird, ob man vorzeitig fertig werden kann. Selbstverständlich gilt das nicht nur für den technischen Bereich, sondern auch für die finanzielle Ausstattung. Aber ich möchte Ihnen auch noch etwas zum Realisierungsstand an der Strecke 8.2 sagen. Der Abschnitt Gröbers-Leipzig wird mit dem Flughafenbahnhof Leipzig/Halle im Juni 2003 in Betrieb genommen, wobei der Teilabschnitt zwischen Leipzig Hauptbahnhof und dem Flughafen bereits seit 15. Dezember 2002 in Betrieb ist. Im September 2001 wurde mit den Bauarbeiten im Abschnitt 2.1 im Saubachtal begonnen, und zwar mit dem Bau einer Brücke über die vorhandene Eisenbahnstrecke Lossa-Laucha. Im Rahmen des Bundesprogramms „Verkehrsinfrastruktur“ wird der Planfeststellungsabschnitt 2.6, die Einbindung von Halle, bis 2006 realisiert. Die Vorbereitungen für den Weiterbau sind zwischenzeitlich angelaufen. Sie wissen, dass wir damit rechnen, dass jetzt abschnittsweise mit weiteren Bauarbeiten begonnen wird. Dazu gehören auch baurechtserhaltende Maßnahmen im Abschnitt 2.5, Saale-Elster-Aue, sowie Dammschüttungen und Errichtungen von Widerlagern. Die Ausschreibungen zu diesen Maßnahmen sind schon erfolgt. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Die Frage 2 der Abgeordneten Petra Pau wird schriftlich beantwortet. - Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ich begrüße ausdrücklich Frau Bundesministerin Edelgard Bulmahn, die die Fragen selber beantwortet. ({0}) Es ist gut für das Parlament, wenn die Minister selber kommen. Deswegen möchte ich das ausdrücklich loben. ({1}) - Selbstverständlich hat man nichts gegen die Staatssekretäre; aber es ist auch schön, wenn sich die Ministerinnen und Minister in der Fragestunde einmal selber sehen lassen. Zu den Fragen 3 und 4 ist um schriftliche Antwort gebeten worden. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Uwe Schummer auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Vakanz von 161 000 Ausbildungsplätzen bundesweit nach den aktuellen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herrn und Damen! Nach den Daten der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit für die Ausbildungsstellenvermittlung gab es Ende April 2003 bundesweit noch 164 466 unbesetzte Berufsausbildungsstellen. Stellt man die Anzahl der noch nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerber dieser Zahl gegenüber, dann ergibt sich zurzeit eine rechnerische Lücke von 161 289. Diese Zahl betrachtet die Bundesregierung mit sehr großer Sorge. Deshalb haben mein Kollege Minister Clement und ich Ende April zu einem Ausbildungsgipfel eingeladen. Wir haben dabei gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden, Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften eine Ausbildungsoffensive verabredet. Wir sind nämlich davon überzeugt, dass es angesichts dieser sehr ernsten Situation erforderlich ist, dass alle Beteiligten, also Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften, zusätzliche Maßnahmen und Anstrengungen durchführen müssen - das haben wir auf diesem Ausbildungsgipfel ausdrücklich bekräftigt -, um das gemeinsame Ziel, im Laufe dieses Jahres zu einer ausgeglichenen Ausbildungssituation zu kommen, zu erreichen. Eine ausgeglichene Ausbildungssituation bedeutet, dass alle Jugendlichen, die ausgebildet werden wollen und die ausgebildet werden können, einen Ausbildungsplatz erhalten. An diesem Ziel hält die Bundesregierung fest. Wir haben also auf diesem Ausbildungsgipfel mit den Sozialpartnern eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen und Initiativen vereinbart, mit denen wir dieses Ziel erreichen wollen. Eine der Maßnahmen war im Übrigen die Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung, die heute im Kabinett beschlossen worden ist und die zum 1. August in Kraft tritt.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ist der Bundesregierung das Verhältnis der Anzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze und der Anzahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze im Rahmen von Ersatzmaßnahmen im letzten Ausbildungsvermittlungsjahr bekannt? Wie wird dieses Verhältnis in diesem Ausbildungsvermittlungsjahr sein?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Es liegen uns entsprechende Zahlen vor. Die Ausbildungssituation ist aber regional sehr unterschiedlich. Deshalb muss man die regionale Situation ins Auge fassen. In den neuen Bundesländern besteht seit über einem Jahrzehnt die Notwendigkeit, in einem hohen Maß außerbetriebliche Ausbildungsplätze anzubieten, sodass wir sicherstellen können, dass alle Jugendlichen ausgebildet werden. Wir haben in diesem Jahr auch in den neuen Bundesländern einen Rückgang an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Deshalb habe ich gesagt, dass wir die Entwicklung mit sehr großer Sorge sehen. Ich will aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Maßnahmen und Initiativen, die wir im Rahmen der Ausbildungsoffensive verabredet haben, die Zielsetzung haben, mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Diesem Ziel dient auch die Aussetzung der AusbilderEignungsverordnung, die wir heute im Kabinett beschlossen haben. Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass nach den bisher geltenden rechtlichen Regelungen nur etwas mehr als die Hälfte der Betriebe ausbilden konnten bzw. durften. Durch die Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung für fünf Jahre erhalten wesentlich mehr Betriebe eine Ausbildungsberechtigung. Mit dieser von mir genannten Maßnahme wollen wir mehr betriebliche Ausbildungsplätze gewinnen. Ich bin sehr froh, dass zum Beispiel der DIHK diese Bemühungen in seinen Veröffentlichungen ausdrücklich unterstützt, damit wir dieses Ziel erreichen. Wie wichtig diese Bemühungen sind, will ich an einer weiteren Zahl deutlich machen. Allein im letzten Jahr sind 18 000 Ausnahmegenehmigungen ausgesprochen worden, um den Betrieben, in denen weder ein Meister noch eine Person, die eine Ausbildereignungsprüfung abgelegt hat, tätig ist, Ausbildung möglich zu machen; denn in diesen Betrieben kann fachlich gut ausgebildet werden. Diese Aussetzung - das ist ein konkreter Punkt, den wir verabredet haben, um mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu gewinnen - ist, wie gesagt, im Kabinett beschlossen worden und tritt nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 1. August in Kraft. Ein weiterer Punkt, den ich nennen will, hat ebenfalls die Gewinnung von betrieblichen Ausbildungsplätzen zum Ziel. Dabei handelt es sich um die Öffnung des Programms „Kapital für Arbeit“ auch für die Schaffung von Ausbildungsplätzen. Wir hoffen, dadurch mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu gewinnen. Ich nenne ebenfalls die vielen Programme, die wir im Zusammenhang mit der Förderung in den neuen Bundesländern gestartet haben. Diese Förderung wurde in den vergangenen Jahren so verändert, dass größere Teile der betrieblichen Ausbildung in die außerbetriebliche Ausbildung überführt wurden und damit der Verbundausbildung zwischen Betrieben und außerbetrieblichen Einrichtungen ein größerer Stellenwert zukam. Damit können wir Schritt für Schritt die rein außerbetriebliche Ausbildung auf eine gemischte Ausbildung zurückführen. Ausdrücklich sage ich aber: Wir werden in diesem Jahr - ich fürchte, auch im kommenden Jahr - in den neuen Bundesländern außerbetriebliche Angebote machen. Wir werden übermorgen das gemeinsame Bund-Länder-Programm unterschreiben, mit dem wir die überbetriebliche Ausbildung finanzieren - dabei geht es um 14 000 Stellen und das die deutlich gestärkte Komponente eines betrieblichen Ausbildungsanteils enthält.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, stimmt die Information der „Leipziger Volkszeitung“ von heute und der „Süddeutschen Zeitung“, dass gemäß einem Grundsatzpapier der Bundesregierung zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe über die Kammern eine Zwangsabgabe von 5 000 Euro eingezogen werden soll?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Nein, diese Information ist nicht zutreffend. Ein Grundsatzpapier der Bundesregierung würde ich kennen. Ich kenne ein solches Papier nicht. Nachdem der Bundeskanzler am 14. März dieses Jahres angekündigt hat, dass für den Fall, dass es uns nicht gelingt, bis zum Ende dieses Jahres eine ausgeglichene Ausbildungsplatzbilanz zu erreichen, rechtliche Regelungen getroffen werden, wird in meinem Ministerium zurzeit über unterschiedliche Modelle nachgedacht, wie eine solche rechtliche Regelung umgesetzt werden kann. Das ist klar. Aber es gibt keinen Grundsatzbeschluss, in dem von einer Zwangsabgabe in Höhe von 5 000 Euro die Rede ist. ({0}) - Ein solches Papier kann nur ein Grundsatzpapier sein, wenn es von der Bundesregierung entsprechend verabschiedet worden ist. Ich habe Ihnen gesagt, dass es ein solches Grundsatzpapier nicht gibt. In meinem Ministerium gibt es Überlegungen, wie die Ankündigung des Bundeskanzlers, für den Fall, dass wir keine ausgeglichene Ausbildungsplatzbilanz erreichen können, eine rechtliche Regelung zu treffen, umgesetzt werden kann. Aber ein solches Grundsatzpapier gibt es nicht. Ich sage noch einmal ausdrücklich: Zielsetzung der Bundesregierung ist es, durch eine Ausbildungsoffensive gemeinsam mit den Sozialpartnern Ende des Jahres eine ausgeglichene Ausbildungsplatzbilanz zu erreichen. Das ist unser Ziel, ein Ziel von dem ich glaube, dass es erreichbar ist. Ich weiß, dass das sehr schwierig sein wird. Aber ich sage ausdrücklich: Wir hatten 1998, als ich dieses Amt übernommen habe, sogar eine etwas schwierigere Situation. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich die Ausbildungslücke noch größer. Deshalb ist es nicht utopisch, wenn man das Ziel hat, bis zum Ende dieses Jahres zu einer ausgeglichenen Bilanz zu kommen. Wenn alle Verantwortlichen - ich meine gerade diejenigen, die in der Wirtschaft Verantwortung tragen - alles dafür tun, dass wir in den Betrieben deutlich mehr Ausbildungsplätze gewinnen - die rechtlichen Voraussetzungen haben wir geschaffen; wir haben durch entsprechende Programme die notwendige Unterstützung seitens der Bundesregierung nicht nur in die Wege geleitet, sondern schon geschaffen -, dann können wir dieses Ziel auch erreichen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Fischer, Sie hatten noch eine Zusatzfrage.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund Ihrer Schilderung der dramatischen Ausbildungsplatzsituation frage ich Sie, wie es verantwortbar ist, dass die Bundesanstalt für Arbeit 20 Prozent ihrer Eingliederungsmittel gestrichen bzw. zu den PSAs umgeschichtet hat, wodurch insbesondere für den Bereich der Jugendlichen, die es aufgrund von nicht ausreichender Eignung schwer haben, einen Ausbildungsplatz zu finden, Mittel gestrichen worden sind und damit im Augenblick ganze Systeme zusammenbrechen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich will Ihnen sagen, dass die Bundesregierung mit der Bundesanstalt für Arbeit ausdrücklich vereinbart hat, dass die Mittel für die Benachteiligtenförderung nicht gekürzt werden. Es ist mit der Bundesanstalt für Arbeit noch einmal konkret festgelegt worden - es hat im April entsprechende Gespräche gegeben -, dass die Mittel für die Benachteiligtenförderung nicht gekürzt werden. Das ist die klare Auffassung der Bundesregierung und es gibt eine konkrete Vereinbarung zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Bundesregierung. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Tauss hat eine zweite Nachfrage.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Bundesministerin, nach der Klärung dieser Angelegenheit möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass in den Ländern, insbesondere im Land BadenWürttemberg, die Mittel, die zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und für entsprechende Einrichtungen vorgesehen sind, im Gegensatz zum Bund - hier bleiben die Mittelansätze gleich - nicht nur gekürzt, sondern sogar auf Null zurückgeführt worden sind. Wie sollen die Folgen aufgefangen werden?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Herr Tauss, wenn eine Landesregierung die Fördermittel zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit in der derzeitigen Situation kürzt, so halte ich dies persönlich für völlig falsch und verantwortungslos gegenüber diesen Jugendlichen. Die Bundesregierung jedenfalls macht dies nicht. Sie wissen, dass eine Bundesministerin den Landesregierungen nicht vorschreiben kann, wie sie sich zu verhalten haben. Sie kann aber ihre Meinung äußern. Ich sage es noch einmal ausdrücklich: Ich halte dieses Verhalten für falsch. Wir tun dies nicht. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass alle Jugendlichen ein Ausbildungsplatzangebot erhalten. Das ist unsere Zielsetzung und daran lassen wir auch nicht rütteln.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Pfeiffer.

Sibylle Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich gehe davon aus, Ihnen ist genauso bewusst wie uns, dass wir in diesem Lande mehr als 40 000 Firmenpleiten zu verzeichnen haben, was die Ausbildungsmisere für die Jugendlichen natürlich enorm verschärft. Somit stellt sich für mich die Frage, was die Bundesregierung zu tun gedenkt, um genau dieses Problem zu lösen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass wir im Rahmen der Ausbildungsoffensive mit Wirtschaftsverbänden, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ein Bündel an Maßnahmen beschlossen haben. Ich will allerdings ausdrücklich sagen, dass wir nicht nur im Rahmen der Ausbildungsoffensive notwendige Schritte auf diesem Gebiet unternehmen. Bundesminister Clement hat im letzten Winter eine Mittelstandsoffensive verkündet, mit der wir gerade die Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen erheblich verbessern, um ihnen Unterstützung zu geben. Im Sommer dieses Jahres wird es eine weitere, gemeinsame Offensive zur Unterstützung neu gegründeter Unternehmen geben. In diesem Zusammenhang spielt im Übrigen die Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung eine große Rolle; das ist den meisten nicht so bewusst. Gerade in den neu gegründeten Unternehmen war nämlich häufig keine Person vorhanden, die diese Ausbildereignungsprüfung nachweisen konnte. Ich will ein konkretes Beispiel nennen: Eine Fachhochschullehrerin, die einen Betrieb gegründet hatte, durfte bisher nicht ausbilden. Dies ist jetzt möglich. Wir tun also alles, um sowohl neu gegründeten als auch etablierten Unternehmen die Ausbildung zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat, wie gesagt, ein ganzes Bündel von Maßnahmen auch für mittelständische Unternehmen beschlossen, so zum Beispiel Steuererleichterungen, die wir im Rahmen der Steuerreform insbesondere für diese Unternehmen vorgesehen haben, und vereinfachte Buchhaltungspflichten. Auch das Programm „Kapital für Arbeit“ kommt diesen Unternehmen zugute. Dieses Bündel an Maßnahmen haben wir aufgrund zweier Zielsetzungen beschlossen und auch umgesetzt: auf der einen Seite für die Schaffung und Sicherung von Ausbildungsplätzen, auf der anderen Seite aber auch für die Unterstützung mittelständischer Unternehmen. Uns ist also sehr wohl bewusst, dass gerade mittelständische und kleine Unternehmen in einem hohen Maße Träger von Ausbildung sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Bergner.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben mich vorhin mit Ihrer Aussage, dass sich die Bundesregierung gegen eine Umschichtung der Mittel für Eingliederungsprogramme für benachteiligte Jugendliche durch die Bundesanstalt für Arbeit gewandt hat, genauso überrascht wie den Kollegen Fischer. Ich war noch letzte Woche in einer Einrichtung, die genau mit diesem Problem zu tun hatte. Ich frage deshalb: Wann ist die Entscheidung der Bundesregierung gefallen, dass eine entsprechende Umschichtung nicht vorgenommen werden darf? Wie verbindlich ist dies für die Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit? Und wann ist zu erwarten, dass eine solche Mitteilung bei den Arbeitsämtern vor Ort ankommt, sodass man, wenn man erneut eine solche Einrichtung besucht, damit rechnen kann, dass diese Probleme ausgeräumt sind?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich möchte es noch einmal ausdrücklich sagen: Es hat im April Gespräche darüber gegeben und im Mai wurden weitere Gespräche geführt, weil auch uns teilweise solche Meldungen zu Ohren gekommen sind. Es gibt eine klare Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Bundesanstalt, die Förderung der Benachteiligten nicht zu verringern. - Herr Schlauch hat mir gerade das Datum genannt, es war am 9. Mai.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie stimmen mir sicher zu, dass es bei der Ausbildung junger Menschen sinnvoll ist, ein Minimum an pädagogischen, didaktischen und jugendarbeitsschutzrechtlichen Kenntnissen mitzubringen. Wie wollen Sie nach Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung sicherstellen, dass die richtigen Leute die jungen Menschen ausbilden?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Das können wir sicherstellen, weil die Vorschrift, dass eine entsprechende fachliche und persönliche Eignung vorliegen muss, nicht außer Kraft gesetzt wird. Das ist und war neben der Ausbildereignungsprüfung immer schon Aufgabe der Kammern - das wurde im WIP festgelegt - und das wird auch in Zukunft so bleiben. Wenn die Kammern ihrem gesetzlich verankerten Auftrag nachgehen - ich gehe davon aus, dass die Kammern das tun werden; die Landeswirtschaftsministerien sind im Übrigen verpflichtet, dies zu überprüfen -, wird die Qualität der Ausbildung nicht beeinträchtigt. Ich habe hinzugefügt, dass wir die Ausbilder-Eignungsverordnung für fünf Jahre aussetzen. Wir werden natürlich sehr sorgfältig beobachten, ob das Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung hat. Es ist nicht so, dass man nach der Aussetzung der Verordnung nach Belieben ausbilden kann. Es gibt auf der einen Seite Ausbildungsordnungen, auf der anderen Seite gibt es die Verantwortung der Kammern, dafür Sorge zu tragen, dass in den Betrieben, die ausbilden, die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen erfüllt werden. Es ist jedoch nicht mehr notwendig, dass die betreffende Person einen 120 Stunden umfassenden Lehrgang besuchen und eine entsprechende Prüfung, die mit Kosten verbunden ist, ablegen muss. Das ist im Übrigen keine neue Entwicklung: Tatsache ist, dass im vergangenen Jahr in ganz Deutschland 18 000 Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden. Wir haben auch in den vorangegangenen Jahren immer eine große Zahl von Ausnahmegenehmigungen erteilt. Es gibt nämlich in den Betrieben durchaus Personen, die fachlich und persönlich geeignet sind und über entsprechende pädagogische Fähigkeiten verfügen, eine solche Ausbildung durchzuführen. Ich habe vorhin das Beispiel einer Fachhochschullehrerin im Bereich Informatik genannt. Wir können also auch weiterhin gewährleisten, dass qualitativ gut ausgebildet wird, aber wir werden es sorgfältig beobachten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Fahrenschon.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Bundesministerin, die Verbände der Benachteiligtenbildungsarbeit haben im April einen bundesweiten Aktionstag durchgeführt, um den Abgeordneten des Deutschen Bundestages ihre Arbeit vorzustellen. Uns ist stets mitgeteilt worden - ich habe zusammen mit dem Kollegen Dr. Berg an einem Termin in München bei der Kolping-Familie teilgenommen -, dass in den laufenden Ausschreibungsverfahren die Kürzungen, die die BA noch zum Ende des Jahres den Trägern der BenachteiligGeorg Fahrenschon tenbildungseinrichtungen zugemutet hat, erarbeitet werden müssen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Festlegungen, die mit der BA im April oder - wie wir jetzt gehört haben - im Mai erarbeitet wurden, in die laufenden Ausschreibungen durchschlagen? Ansonsten können Sie das Ziel, das Sie uns zu unserer Überraschung vorgestellt haben, gar nicht durchsetzen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Zum ersten: Die Bundesanstalt für Arbeit hat selbst in einer Pressemitteilung vom 9. Mai bestätigt, dass die Arbeitsämter im Herbst dieses Jahres so viele Maßnahmeplätze für benachteiligte und behinderte Jugendliche wie im letzten Jahr finanzieren werden. Der BA-Vorstand hat beschlossen, dafür auch die erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus haben wir im Rahmen der Ausbildungsoffensive miteinander verabredet, dass sich alle Beteiligten einmal im Monat treffen, um ihre Erkenntnisse und Lagebeschreibungen auszutauschen. Wir warten also nicht, sondern treffen uns einmal im Monat, zunächst auf Arbeitsebene. Wir werden uns Ende Juli oder im August noch einmal in der gleichen Konstellation zusammensetzen, wie wir sie beim Start der Ausbildungsoffensive hatten, um festzustellen, ob das, was wir miteinander vereinbart haben, umgesetzt wurde. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nach der sehr ausführlichen Beantwortung der Frage 5 kommen wir jetzt zur Frage 6 des Abgeordneten Tauss, bleiben aber beim Thema Ausbildungsoffensive: Haben im Rahmen der Gespräche zu der am 29. April 2003 öffentlich vorgestellten Ausbildungsoffensive von Bundesregierung und Sozialpartnern die von Industrieund Handels- bzw. Handwerkskammern erhobenen Gebühren für die Registrierung von Ausbildungsplätzen eine Rolle gespielt und liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass verschiedene Industrie- und Handels- bzw. Handwerkskammern diese Gebühren deutlich erhöht haben bzw. erhöhen wollen? Bitte, Frau Bundesministerin.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Die Bundesregierung, die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften haben in ihrer Erklärung zur Ausbildungsoffensive angekündigt, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen. Im Rahmen dieser Gespräche werden auch die seitens der Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern von den Ausbildungsbetrieben im Zusammenhang mit der Berufsausbildung erhobenen Gebühren eine Rolle spielen. Der Bundesregierung ist bekannt, dass einzelne IHKs zunehmend Gebühren von den Ausbildungsbetrieben erheben, um ihre im Zusammenhang mit der Berufsausbildung erbrachten Leistungen zu finanzieren. Der Bundesregierung ist auch bekannt, dass verschiedene IHKs gerade in letzter Zeit die Gebühren für die Ausbildungsbetriebe erhöht haben. Ich sage ausdrücklich: Wir halten das für keine sinnvolle Entscheidung; wir halten das für eine falsche Entscheidung. Deshalb wird dies auch im Rahmen der Ausbildungsoffensive erörtert. Ich hoffe, dass die Kammern von sich aus - auch das haben einige Kammern getan - die im Zusammenhang mit Ausbildung entstehenden Kosten nicht alleine von den ausbildenden Betrieben verlangen, sondern sie auf alle Betriebe umlegen. Wir prüfen im Übrigen vor dem Hintergrund, dass einige Kammern die Gebühren doch sehr deutlich erhöht haben, ob diesem, wenn nötig, mit gesetzgeberischen Maßnahmen zu begegnen ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Tauss?

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Ich glaube, wir können gleich zu Frage 7 übergehen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann kommen wir zur Frage 7 des Abgeordneten Tauss: Welche Auswirkungen haben diese Gebühren, die nach Pressemeldungen - zum Beispiel „Berliner Morgenpost” vom 28. April 2003 - mehrere 100 Euro betragen, aus Sicht der Bundesregierung auf die Ausbildungsbereitschaft der betroffenen Betriebe?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Den bei ihr eingehenden Briefen von Unternehmen, die gestiegene Gebühren für die Betreuung der Auszubildenden durch die Kammern und die überbetriebliche Unterweisung beklagen, entnimmt die Bundesregierung, dass diese Kosten von den Unternehmen als zusätzliche finanzielle Belastung wahrgenommen werden. Diese Unternehmen sehen sich durch die Kammern in ihrem zusätzlichen Ausbildungsengagement nicht ausreichend unterstützt, wenn die im Zusammenhang mit Ausbildung stehenden Kosten innerhalb der Kammern in immer geringerem Maße solidarisch finanziert werden. Deshalb - das sage ich noch einmal ausdrücklich - prüfen wir, ob diesem mit gesetzgeberischen Maßnahmen zu begegnen ist, sodass diese Kosten nicht alleine den ausbildenden Betrieben angelastet werden. Ich habe vorhin schon gesagt, dass ich persönlich das für einen falschen Weg halte. Es kommt schon darauf an, dass auch die Kammern deutlich machen, dass Ausbildung notwendig und gewünscht und für die Wirtschaft von großer Bedeutung ist. Denn ohne Ausbildung stünden keine Fachkräfte mehr zur Verfügung. Sie fallen ja nicht vom Himmel, sondern müssen in Betrieben ausgebildet werden. Es ist ureigene Aufgabe der Wirtschaft, dafür Sorge zu tragen, dass ausgebildet wird und dass man nicht zu Regelungen kommt, die es den Betrieben erschweren, auszubilden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Einige Betriebe sprechen im Zusammenhang mit den Gebühren für die Registrierung von Ausbildungsplätzen, die für viele Ausbildungsbetriebe einen nicht unerheblichen Kostenfaktor ausmachen, von Strafgebühren. Meine Frage lautet: Gibt es von den Spitzenverbänden, beispielsweise vom Zentralverband des Deutschen Handwerks oder vom DIHK, Signale, dass sie bereit sind, dieses Problem vor der Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung von sich aus anzugehen und Einfluss auf die einzelnen Kammern zu nehmen, von solchen Gebühren, die viele Betriebe abschrecken, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, zumindest in dieser Höhe Abstand zu nehmen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich habe meine Mitarbeiter ausdrücklich gebeten, das bei den einzelnen Kammern - leider müssen wir das auf diesem Weg machen - abzufragen. Wir thematisieren dies im Rahmen der Ausbildungsoffensive. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass Betriebe, die ausbilden, nicht durch höhere Gebühren zusätzlich belastet werden. Das wäre das falsche Signal. Nach unserer Kenntnis haben deshalb einige Kammern auf diese Art von Gebühren verzichtet und sind vielmehr dazu übergegangen, die für Ausbildung anfallenden Gebühren, die an die Kammer gehen, umzulegen. Einige Kammern - es handelt sich ja um eigenständige Körperschaften - haben das bereits selbstständig gemacht. Das halte ich für eine außerordentlich gute Entscheidung. Aber wir prüfen auch, ob wir durch gesetzgeberische Maßnahmen unterstützend wirken können.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Von den Spitzenverbänden sind noch keine Initiativen ausgegangen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Über entsprechende Bemühungen der Spitzenverbände kann ich Ihnen noch nichts berichten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben positive Beispiele genannt. Bestehen dabei nach Ihrer Kenntnis Unterschiede zwischen Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern oder ist das nicht der Fall?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich bitte Sie, unsere aktuelle Umfrage dazu abzuwarten. Ich will jetzt keine Auskunft geben, da es sein könnte, dass diese nicht dem Sachstand entspricht. Wir fragen zurzeit ab, wie die Situation aussieht. Wenn die Ergebnisse vorliegen, kann ich Ihnen eine Antwort geben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es weitere Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen, Frau Ministerin, für die ausführliche Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Staatsminister Schwanitz ist anwesend, um die Fragen zu beantworten. Die Fragen 8 und 9 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe deswegen Frage 10 des Abgeordneten Eckart von Klaeden auf: Welches Auftragsverhältnis besteht zwischen dem früheren Ermittlungsführer Dr. Burkhard Hirsch und dem Bundeskanzleramt - vergleiche Antwort des Staatsministers beim Bundeskanzler, Rolf Schwanitz, auf meine Frage 7 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 7. Mai 2003, Plenarprotokoll 15/42, Seite 3444 D - und seit wann?

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Herr von Klaeden, wie bereits in der Antwort der Bundesregierung vom 4. Dezember 2000 in der Bundestagsdrucksache 14/4915 auf Frage 7 der unter anderem von Ihnen gestellten Kleinen Anfrage erläutert, stand Bundestagsvizepräsident und Landesminister a. D. Dr. Burkhard Hirsch als Ermittlungsführer im Bundeskanzleramt in einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis. In der Antwort auf Frage 3 der Kleinen Anfrage wurde bereits im Dezember 2000 erklärt, dass die Tätigkeit von Dr. Hirsch beendet ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es Nachfragen? - Bitte, Herr von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie steht die Bundesregierung zu der Äußerung von Dr. Burkhard Hirsch, der in einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis gestanden hat, über Oberstaatsanwalt Fred Apostel von der Staatsanwaltschaft am Landgericht Bonn, dass dieser lüge, wenn er behaupte, die Akten - die angeblich vernichtet wurden seien gefunden worden? Teilen Sie diese Auffassung von Herrn Hirsch?

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Herr von Klaeden, ich kann und will die Aussage, die Sie uns zur Kenntnis gegeben haben und die mir im Original noch nicht zur Verfügung steht, nicht kommentieren. Ich will aber ausdrücklich sagen, dass es nach Auffassung der Bundesregierung in der Tat nicht so ist, dass wir in einer Situation sind, wo der Verlust der Aktenbestände, der ursprünglich einmal Auslöser der UntersuStaatsminister Rolf Schwanitz chung gewesen ist, nicht mehr akut ist. Nach Auffassung der Bundesregierung und nach Auffassung des Bundeskanzleramtes sind die besagten Akten nach wie vor nicht im Bestand.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine zweite Nachfrage stellen?

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich möchte gern eine zweite Nachfrage stellen, und zwar möchte ich gerne wissen, ob Herr Hirsch an der Bearbeitung der Stellungnahme der Bundesregierung zum vorläufigen Vermerk der Staatsanwaltschaft Bonn - mit Frist bis zum 31. Mai 2003; das hatten wir in der letzten Fragestunde schon besprochen - beteiligt ist?

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Herr Hirsch ist daran beteiligt; denn die Erarbeitung dieser Stellungnahme ist eine Nachwirkung seines Auftragsverhältnisses und in diesem Rahmen wird seine Tätigkeit einzuordnen sein. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Hofmann.

Frank Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002682, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe eine Nachfrage, die wichtig ist, um das Ganze noch einmal zu beurteilen. Sie wissen, uns fehlten im Untersuchungsausschuss sieben Akten, die sich mit der Privatisierung von Leuna beschäftigt haben, und weitere Akten, die sich mit anderen Privatisierungen in diesem Bereich beschäftigt haben. Teilt nun die Bundesregierung die Auffassung, die die Staatsanwaltschaft Bonn hat, dass diese Akten nunmehr vorhanden sind? Das wäre für den Untersuchungsausschuss ja wichtig.

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Die Bundesregierung teilt diese Auffassung ausdrücklich nicht. Wir werden das in der Stellungnahme noch einmal explizit ausdrücken. Als früheres Mitglied in diesem Untersuchungsausschuss wird Ihnen sicher noch in Erinnerung sein, wie die Beweiserhebungsanträge ausgesehen haben. Die Aktenbestände zum Gesamtvorgang Leuna/Minol sind im Zusammenhang mit dem Beweiserhebungsantrag des Untersuchungsausschusses in der 12. Legislaturperiode innerhalb des Bundeskanzleramtes in mehrere Aktenbestände aufgeteilt worden. Später erfolgte die Übergabe von Originalunterlagen an den Untersuchungsausschuss. Diese vom Ausschuss zurückgegebenen Unterlagen finden sich nach wie vor nicht im Bestand des Bundeskanzleramtes. Auch Kopien - die seinerzeit aus Gründen sorgfältiger Aktenführung gefertigt wurden - befinden sich heute nicht mehr im Bestand des Kanzleramtes. Das Gleiche gilt für Teile des früheren Gesamtvorganges, die den Kernbereich der Exekutive betreffen und nicht an den Untersuchungsausschuss weitergegeben worden sind. Auch diese Originalaktenbestände sind nicht mehr im Bestand des Kanzleramtes. Es ist nach wie vor unsere Auffassung, dass die sieben weiteren Privatisierungsvorgänge, die der Ausschuss seinerseits über den Bereich Leuna/Minol hinaus angefordert hat und die auch ausgereicht worden sind, ebenfalls nicht mehr im Bestand des Bundeskanzleramtes vorhanden sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zunächst darf Kollege Koschyk eine Nachfrage stellen.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in der Fragestunde vom 7. Mai haben Sie ausgeführt, dass sich der Vermerk der Staatsanwaltschaft Bonn vom 25. März, der jetzt Gegenstand dieser Frage ist, ausschließlich mit den Ergebnissen der Ermittlungen von Herrn Dr. Hirsch befasst. Ist es aber nicht so, Herr Staatsminister, dass die Staatsanwaltschaft Bonn in dieser Angelegenheit über Jahre eigene Ermittlungen geführt hat, darunter auch von ihr selbst durchgeführte Zeugenvernehmungen, die dann ebenfalls Gegenstand dieses Vermerkes geworden sind?

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Selbstverständlich hat es eigene Ermittlungstätigkeiten gegeben. Es hat auch nach der Tätigkeit von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Hirsch eine Kommunikation zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Bundeskanzleramt gegeben. Deswegen steht das nicht infrage.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort zur Nachfrage hat der Kollege Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, jetzt stehen wir vor einem Ergebnis, bei dem die Staatsanwaltschaft und die Ermittler der Bundesregierung sich offensichtlich nicht einig sind. Die Maßnahmen wurden mit sehr hohem Aufwand betrieben. Ich frage Sie: Wie viele Mitarbeiter des Kanzleramtes waren zusätzlich zu Herrn Hirsch für diese Aufgabe freigestellt und welcher Zeit- und Arbeitsaufwand fiel dabei an?

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Bezogen auf diese von Ihnen aufgeworfenen Fragen nach dem personellen Aufwand will ich Sie - ich habe die Zahlen jetzt nicht vorliegen - noch einmal auf die Antwort auf die Kleine Anfrage verweisen, die ich in meiner Antwort auf die Frage von Herrn Klaeden angesprochen habe. Zu diesen Fragen - auch zur personellen Unterstützung - haben wir seinerzeit umfangreich Stellung genommen. An der Aktualität dieser Zahlen hat sich bis heute nichts geändert. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, dass von meiner Seite nicht der Eindruck bestätigt wird, dass diese Ermittlungstätigkeiten - Zeugenbefragungen und Untersuchungen - aus der heutigen Sicht gegenstandslos oder nicht erforderlich gewesen sind; denn an dem von mir vorhin bereits dargestellten Sachverhalt, dass Aktenbestände, die sich im Bereich des Kanzleramtes befinden müssten, dort nicht mehr vorhanden sind, hat sich nichts geändert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Wanderwitz.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, inwieweit wurde im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen durch Ihr Haus über das beim Bundeskanzleramt vorhandene Personal hinaus externer Sachverstand in Anspruch genommen? ({0})

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In der Tat wurde auch externer Sachverstand hinzugezogen. Die Generalbundesanwaltschaft ist um Unterstützung gebeten worden. Dort gab es einen Beamten, der damals in diesem Bereich tätig gewesen ist. Es hat also nicht nur eine rein interne Untersuchung gegeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Frau Kollegin Voßhoff.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben vorhin erwähnt, dass die Bundesregierung nach wie vor an ihrer Position festhält, wonach die Behauptung, dass Akten verschwunden seien, zutrifft. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung mehrfach - oder zumindest schon vor geraumer Zeit - Stellungnahmen dazu gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Sie sagen jetzt, dass eine weitere Stellungnahme bis zum 31. Mai 2003 abzugeben ist. Haben sich in der Zwischenzeit - von der ersten bis zur jetzt abzugebenden Stellungnahme - irgendwelche neuen Erkenntnisse ergeben oder basiert die Position der Bundesregierung nach wie vor auf den Dingen, die in den bisherigen Stellungnahmen immer behauptet wurden?

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Ich will der Stellungnahme, die sich jetzt noch in der Bearbeitung befindet, nicht vorgreifen. Dafür bitte ich um Verständnis. Das wird bis Ende Mai seitens des Bundeskanzleramtes zu einem Abschluss zu bringen sein. Ich bin sehr optimistisch, dass unsere Stellungnahme eine ähnlich starke Überzeugungskraft haben wird wie die erste. Sie haben noch in Erinnerung, dass die Staatsanwaltschaft Bonn bereits damals von der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens eigentlich absehen wollte, nach dem Einreichen unserer Stellungnahme ein solches Verfahren allerdings doch eingeleitet hat. ({0}) Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir argumentativ abermals erfolgreich sein werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Frage der Frau Kollegin Connemann, bitte.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben gehört, dass zum einen Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes abgestellt worden sind und dass zum anderen auch externer Sachverstand in Anspruch genommen worden ist. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie hoch die Gesamtkosten aufseiten der Bundesregierung sind, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen des Bundeskanzleramtes, zum Beispiel den disziplinarrechtlichen Vorermittlungen durch Herrn Hirsch, bisher aufgelaufen sind. ({0})

Not found (Gast)

Ich bitte um Verständnis, wenn ich auch hier - es handelt sich um einen ähnlichen Sachzusammenhang wie bei den Fragen zuvor - auf die entsprechenden Antworten im Rahmen der bereits mehrfach angesprochenen Kleinen Anfrage verweise. ({0}) Mir liegen jetzt keine konkreten Zahlen vor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage hat Herr Dr. Bergner.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, der Kollege Frank Hofmann hat am 28. Juni 2000 mit Blick auf die von Herrn Hirsch aufgestellten Behauptungen gesagt, ({0}) bei dem Vorgang, um den es ging, handele sich um einen Fall von Regierungskriminalität. Angesichts des Umstandes, dass die zuständige Ermittlungsbehörde die uns allen bekannte Entscheidung getroffen hat, frage ich Sie: ({1}) Wie bewertet die Bundesregierung die Behauptung des Kollegen Hofmann, es handele sich um Regierungskriminalität?

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Zunächst bitte ich um Verständnis. Das ist keine Aussage der Bundesregierung gewesen, sondern eine Aussage eines Mitgliedes dieses Hauses. ({0}) Zum Zweiten lege ich Wert auf die Feststellung, dass das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sondern durch Einstellung oder durch Erhebung der Anklage endet. Beides ist noch nicht erfolgt. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 11 des Abgeordneten Eckart von Klaeden: Erhält oder erhielt Dr. Burkhard Hirsch im Rahmen dieses Auftragsverhältnisses Einsicht in amtliche Akten und, falls ja, ist eine Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz erfolgt?

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Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte die Frage wie folgt: Zum Rechtsstatus und zu den Befugnissen von Dr. Hirsch als Ermittlungsführer im Bundeskanzleramt wurde in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Ihnen und anderen Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion am 4. Dezember 2000 ausführlich Stellung genommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben mehrfach davon gesprochen, dass es noch eine Nachwirkung dieses Auftragsverhältnisses gibt. Deswegen finde ich es nicht ganz nachvollziehbar, dass Sie die Nachwirkungen, die es im Jahr 2003 gibt, mit dem Hinweis auf die Antwort auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2000 abbügeln. Hält es die Bundesregierung für sachdienlich und verantwortbar, dass an der Erstellung dieser Stellungnahme Personen beteiligt sind - ich nenne den Namen Hirsch, aber auch den Namen von Frau Sudhof -, die offensichtlich als befangen gelten und möglicherweise damit rechnen müssen, Ermittlungsverfahren und zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen wegen der Anschuldigungen, die sie gegen andere Personen erhoben haben, ausgesetzt zu werden?

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Herr von Klaeden, es gibt an dem Untersuchungsverfahren aus Sicht der Bundesregierung nichts zu beanstanden. Ich will ausdrücklich festhalten, dass ich glaube, diese Frage nicht abgebügelt zu haben. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, dass die jetzige Tätigkeit bzw. das nochmalige Tätigsein eine Nachwirkung des früheren Beauftragungsverhältnisses ist. Das ist im Rechtsverkehr eine völlig normale Situation. Zu dem früheren Rechtsverhältnis wurde in dieser Kleinen Anfrage ausführlich Stellung genommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, es ist doch folgender Umstand auffällig: Sie sprechen von „Bundeslöschtagen“. Die Festplatte, die das hätte nachweisen können, ist unter Ihrer Verantwortung vernichtet worden. Sie haben hier den Verlust bzw. das Nicht-auffinden-Können von Aktenbeständen behauptet und gleichzeitig nicht erwähnt, dass die Registrierkarte, mit der man diese Aktenbestände hätte nachweisen können, unter der Verantwortung Ihrer Bundesregierung vernichtet worden oder jedenfalls verschwunden ist. Meine Frage ist erstens: Warum erwähnen Sie diesen wichtigen Umstand nicht? Zweitens: Ist diese Registrierkarte vielleicht wieder aufgetaucht?

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Ich will, Herr von Klaeden, weil es sich hier wahrscheinlich um ein Missverständnis oder eine Fehlinformation handelt, ({0}) ausdrücklich sagen, dass der Verlust der ursprünglichen Registrierkarte - dabei geht es um jene, die quasi Auskunft über den Gesamtumfang des ursprünglichen, noch nicht in mehrere Teilbestände unterteilten Gesamtvorgangs gibt, also quasi um den Vorgang vor dem ersten Beweiserhebungsantrag des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der 12. Legislaturperiode - in das Jahr 1993/94 fällt. ({1}) Insofern besteht der zeitliche Zusammenhang, den Sie beschreiben, nicht. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 12 der Abgeordneten Andrea Voßhoff: Gedenkt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem angeblichen Verschwinden von Akten bzw. der Löschung einer Festplatte, gegebenenfalls zu Unrecht Beschuldigte - vergleiche die „Welt“ vom 5. Mai 2003 und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Seiten 1 und 10, vom 15. Mai 2003 - zu rehabilitieren bzw. zu entschädigen?

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Ich möchte die beiden Fragen gern im Zusammenhang beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich auch noch die Frage 13 der Abgeordneten Andrea Voßhoff auf: Wenn ja, wann und in welcher Form wird das geschehen?

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Frau Kollegin Voßhoff, ich möchte eine persönliche Vorbemerkung voranstellen. Ich habe sowohl im Rahmen meiner Tätigkeit in der Bundesregierung als auch als Mitglied des Deutschen Bundestages in der Opposition mit Fragen der Rehabilitierung sehr intensiv zu tun gehabt. Die Rehabilitierung ist ein Rechtsbegriff, der die Wiedergutmachung im Zusammenhang mit Unrechtsakten des SED-Regimes betrifft. ({0}) - Das ist so. - Vor diesem Hintergrund lege ich in aller Zurückhaltung, aber auch in aller Deutlichkeit zunächst einmal großen Wert darauf, dass ich eine Verbindung dieses Begriffes mit der Materie, um die es in der Frage in der Sache geht, für unangemessen erachte. ({1}) Bezogen auf die Frage möchte ich darüber hinaus folgende Antwort geben: Die Strafanzeige des Bundeskanzleramtes wegen des Verdachts der Beseitigung von Akten bzw. der Löschung von Daten beruht auf Tatsachen, welche diesen Verdacht begründen. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft Bonn nach Bejahung des Anfangsverdachts Ermittlungen aufgenommen. Weder hat das Bundeskanzleramt zu Unrecht Personen beschuldigt noch hat die Staatsanwaltschaft Bonn zu Unrecht gegen diese Personen ermittelt. Aus diesem Grund sind auch kein Anlass und keine Rechtsgrundlage ersichtlich, aus denen eine Rehabilitierung oder Entschädigung in Betracht käme.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich darf noch einmal darauf zurückkommen, was Sie in der vorherigen Befragung der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Verschwinden der zentralen Festplatte im Jahr 1999 ausgeführt haben. Sie haben in Ihrer Antwort den Eindruck erweckt, die unter der politischen Verantwortung von Bundeskanzler Schröder im Jahr 1999 erfolgte Vernichtung der Festplatte im Kanzleramt sei Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Leiter der Abteilung 1 des Bundeskanzleramtes gewesen, der aber seinerseits nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Sie haben damit im Zusammenhang mit der Löschung der Festplatte einen Bezug zu dieser Person hergestellt. Was veranlasst Sie oder die Bundesregierung, dies nicht für eine Fehlinformation des Bundestages zu halten?

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Frau Kollegin, wenn Sie noch einmal im Protokoll nachlesen, werden Sie bemerken, dass ich in meiner Antwort keinen bestimmten Beamten in Bezug auf die vom Kanzleramt durchgeführten Ermittlungen beschuldigt habe. Sie hatten angedeutet, um wen es geht; es ist aber auch seinerzeit - das ist in einem Artikel nachzulesen - öffentlich geworden. Weshalb sich ein bestimmter Beamter angesprochen gefühlt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. ({0}) Der Vorgang, um den es in der Frage ging, bezog sich auf die Tätigkeit des IT-Referatsleiters. In diesem Bereich sind - das ist Gegenstand unserer Ermittlungen die Reduzierungen der Datenbestände erfolgt. Im selben Bereich lag die Verantwortlichkeit für die im Frühjahr 1999 erfolgte Entnahme und spätere Vernichtung der Festplatte.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Muss ich dem ersten Teil Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatsminister, dass die Bundesregierung in keinem Fall an eine Rehabilitierung oder Entschädigung des betroffenen Beamten denkt?

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Ich muss an dieser Stelle gerade auch bezogen auf Ihre persönliche Tätigkeit, Frau Voßhoff, eines ausdrücklich feststellen: Wir kennen uns seit mehreren Jahren. Sie sind Mitglied des Rechtsausschusses und haben die gesamte Rehabilitierungsgesetzgebung begleitet. Sie wissen, dass Rehabilitierung ein Begriff aus dem SEDUnrechtsbereinigungsgesetz ist. ({0}) Infolgedessen kann ich einen solchen Zusammenhang an dieser Stelle nur nachdrücklich zurückweisen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie haben noch zwei weitere Zusatzfragen, weil beide Fragen gemeinsam beantwortet wurden.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine weitere Frage, Herr Staatsminister. Die Frist für die Stellungnahme der Bundesregierung enAndrea Voßhoff det am 31. Mai. Ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung ihre Stellungnahme fristgerecht abgeben wird?

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Davon gehe ich aus.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Noch eine Zusatzfrage?

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich ziehe sie zurück.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann kommen wir zur Zusatzfrage des Abgeordneten von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Ihre Ausführungen zur Rehabilitierung werden - das muss ich leider feststellen - jedem rechtskundigen Bürger verschlossen geblieben sein. Deswegen will ich noch einmal fragen: Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass es in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland für einen Bürger, dem Unrecht durch Organe der Bundesrepublik Deutschland widerfahren ist, keine Rehabilitierung geben kann?

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Herr von Klaeden, selbstverständlich haben in der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise Personen, die unrechtmäßig in Untersuchungshaft saßen, Entschädigungsansprüche. ({0}) Das Rechtsinstitut der Rehabilitierung ist aber ausschließlich Gegenstand des Ersten und Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes. Ich muss mich - in gleicher Intensität wie eben, als die Frage in eine andere Richtung ging - angesichts der großen politischen Umstrittenheit dieses Begriffs im Zusammenhang mit Rehabilitierungsfragen - das ist in mehreren Legislaturperioden im Deutschen Bundestag deutlich geworden - sehr wundern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Georg Fahrenschon: Plant die Bundesregierung, den Umzug des Bundesnachrichtendienstes aus den betroffenen Standortgemeinden im Umkreis von München - Pullach, Haar, Gauting-Stockdorf nach Berlin wie die Aufgabe von Bundeswehrstandorten zu behandeln - Konversion -, und ist geplant, den betroffenen Gemeinden vor dem Hintergrund der notwendigen, umfangreichen planerischen Aufgaben finanzielle Unterstützung zur Erstellung der Nachfolgeplanungen zu gewähren?

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Herr Kollege Fahrenschon, meine Antwort lautet: Nein, derartige Planungen bestehen derzeit nicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie selber hatten bei der letzten Befragung auf die Tatsache hingewiesen, dass gemäß Beschluss des Sicherheitskabinetts 10 Prozent der Gemeindefläche am Standort Pullach freigegeben werden sollen. Ich frage Sie deshalb nach Ihrer Einschätzung: Ist eine solche Größenordnung notwendig und sollte nicht darüber nachgedacht werden, die betroffenen Flächen wie Konversionsprojekte an Bundeswehrstandorten zu behandeln? Schließlich hängt die Höhe des Erlöses aus dem Verkauf dieses Areals ganz entscheidend von der Zusammenarbeit mit der Gemeinde ab, in deren baurechtliche Hoheit das betroffene Areal fällt.

Not found (Gast)

Diese Auffassung teile ich ausdrücklich nicht. Die Größe einer solchen Fläche kann nicht alleiniger Maßstab für die Anwendung des geltenden Rechts sein. Die Rechtslage ist eindeutig: Möglichkeiten im Sinne einer Konversion bestehen nur bei zuvor militärisch genutzten Flächen. Um eine solche Fläche handelt es sich in diesem Fall nicht. Ich möchte hinzufügen, dass nicht nur dieser rein sachliche Grund, sondern auch strukturpolitische Gründe dagegensprechen. Da es sich hier nicht nur um ein großes, sondern auch um ein im Großraum von München in bester Lage befindliches Areal handelt, das sehr hohe Entwicklungspotenziale aufweist, kann man nicht von einer Strukturschwäche sprechen. Im Gegenteil: Hier können sich sogar Potenziale für die betroffenen Gemeinden entwickeln.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Fahrenschon, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in meiner zweiten Zusatzfrage beziehe ich mich auf frühere Umzugsbeschlüsse von Bundesregierungen, beispielsweise den Umzug der Stiftung „Wissenschaft und Politik“. Für diesen Umzug wurde von der damaligen Bundesregierung eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die insbesondere mit der betroffenen Landesregierung gemeinsam die Möglichkeiten eines optimalen stufenweisen Umzugs ausgelotet hat. Wird darüber nachgedacht, die betroffene Landesregierung in die Planungen des Umzugs des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin einzubeziehen?

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Es hat unmittelbar nach der Tagung des Sicherheitskabinetts eine Unterrichtung der Bayerischen Staatsregierung gegeben. Wir sind uns völlig im Klaren darüber, dass insbesondere mit den unmittelbar betroffenen Gemeinden die organisatorischen und die logistischen Rahmenbedingungen des Umzugs intensiv besprochen werden müssen. Ich kann den konkreten Abläufen und Besprechungen nicht vorgreifen. Aber das wird sicherlich keine Entscheidung sein, die die Bundesregierung autark trifft.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatsministerin Kerstin Müller bereit. Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Pfeiffer auf: Kann die Bundesregierung Informationen bestätigen, dass in der chinesischen Stadt Harbin mehrere Anhängerinnen der Falun-Gong-Bewegung in einem Drogenentzugszentrum an der Yi-Man-Straße 66 im Bezirk Nan-Gan inhaftiert sind und dort menschenrechtswidrig der Folter ausgesetzt werden, und, wenn ja, in welcher Form spricht sie dieses Problem in ihren Kontakten mit der chinesischen Regierung an?

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Frau Kollegin Pfeiffer, ich beantworte die Frage wie folgt: Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Volksrepublik China mit unverhältnismäßigen Mitteln gegen Anhänger von Falun Gong vorgeht und dabei menschenrechtliche Minimalstandards in schwerwiegender Weise verletzt. Es gab bereits in der Vergangenheit Berichte über Einweisungen in die Psychiatrie ohne sachgemäße Diagnostik und anderes. Wir haben dieses Thema daher angesprochen. Es ist regelmäßig Gegenstand im so genannten bilateralen Menschenrechtsdialog, so auch im Februar dieses Jahres. Die Bundesregierung war mit den von Ihnen hier konkret benannten Fällen bisher noch nicht befasst. Uns liegen über die Angaben des Falun-Gong-Informationszentrums hinaus keine weiter gehenden Informationen vor; aber unsere Botschaft in Peking geht im Rahmen ihrer ständigen Beobachtung der Menschenrechtslage in China diesen wie auch anderen einschlägigen Hinweisen nach. In unseren politischen Gesprächen mit der chinesischen Führung sprechen wir sowohl bilateral als auch gemeinsam mit den EU-Partnern regelmäßig das menschenrechtswidrige Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber den Anhängern von Falun Gong an. Dabei werden gegebenenfalls Listen mit Namen von Betroffenen übergeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Sibylle Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, das Interesse der Medien war in den letzten Wochen ganz eindeutig auf den Irak gerichtet. Liegen der Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse darüber vor, ob es während dieser Zeit Menschenrechtsverletzungen und Verfolgungen - vor allem in Bezug auf Christen - in der Volksrepublik China gab?

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Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob es so etwas während dieser vier Wochen gab. Es kann gut sein. Ich kann Ihnen generell sagen, dass wir uns natürlich auch für andere Minderheiten und ihre Rechte einsetzen. Nicht nur die Anhänger der Falun-Gong-Bewegung sind Repressalien ausgesetzt, sondern auch Tibeter, Uighuren, Mitglieder der so genannten romtreuen Untergrundkirche und der protestantischen Kirchen. Wir sprechen auch diese Dinge im Menschenrechtsdialog sehr konkret an und gehen ihnen nach. In einigen Fällen haben wir mit diesen konkreten Gesprächen Erfolg gehabt und für die Betroffenen etwas erreichen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Sibylle Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Damit geben Sie bereits die Antwort auf meine nächste Frage. Ich frage trotzdem noch einmal nach. Ist in den von Ihnen erwähnten Menschenrechtsdialogen, auch in dem im Februar, auf Menschenrechtsverletzungen und Verfolgungen von Christen in der Volksrepublik China noch einmal ganz konkret hingewiesen worden? Wurden sie thematisiert und wurde nach entsprechenden Maßnahmen gefragt?

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In den letzten Menschenrechtsdialogen im Februar ist auf jeden Fall - das war der Ausgangspunkt Ihrer Frage das Thema Falun Gong angesprochen worden. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob bei diesen Gesprächen konkrete Einzelfälle im Hinblick auf andere, christliche Minderheiten angesprochen wurden. Ich vermute es aber, weil es zu unserer Politik gehört, die Rechte von Minderheiten anzusprechen. Ich beziehe mich auf den genannten Fall, mit dem ich mich befasst habe: Die Botschaft versucht, dem Fall konkret nachzugehen und Informationen zu bekommen. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich etwas erreichen können. Wenn wir etwas erreichen, werde ich Ihnen Rückmeldung geben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Dr. Ole Schröder auf: Haben die Vertreter der Bundesregierung zum Entwurf zu Art. 12 zu Teil II des Verfassungsvertrages, wonach die „Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt, Aufenthaltserlaubnisse und Familienzusammenführung“ durch Gesetze und Rahmengesetze in qualifizierter Mehrheit festgelegt werden sollen, der aber keine klare Kompetanzabgrenzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt enthält, Änderungsanträge gestellt und, wenn nein, warum nicht?

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Herr Kollege Schröder, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Zum Entwurf des Art. 12 Teil II des VerfassungsStaatsministerin Kerstin Müller vertrages hat der persönliche Beauftragte für den Konvent, Bundesminister Joschka Fischer, schriftliche Änderungsanträge eingereicht, die auf der Internetseite des Europäischen Konvents veröffentlicht sind, da der ganze Prozess sehr transparent diskutiert wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön für Ihre ausführliche Beantwortung der Frage, Frau Staatsministerin. Ich habe noch zwei Nachfragen. Erstens. Die Regierung hat wiederholt betont, dass die Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben soll. In einem Antrag, der von der Bundesregierung zu Art. 12 gestellt wurde, gibt es eine Erklärung, nach der die Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben soll. In Art. 12 des Konvententwurfs steht, dass die Union eine gemeinsame Einwanderungspolitik entwickeln soll. Unter eine solche gemeinsame Einwanderungspolitik fällt auch die Regelung der Zuwanderung für die Aufnahme einer Beschäftigung. Warum hat die Bundesregierung das nicht in ihren Antrag aufgenommen, sondern nur in der Erklärung erwähnt, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt weiterhin von den Mitgliedstaaten geregelt werden soll?

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Es steht, wie gesagt, auf der Internetseite; das ist vielleicht nicht bekannt. Von uns ist eben zu Art. 12 beantragt worden, festzulegen - ich zitiere -: „Die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften ist ausgeschlossen.“ - Das ist völlig ausreichend und ist genau im Sinne dessen, was Sie jetzt dargestellt haben. Was Sie weiter zitiert haben, ist die so genannte Erläuterung zu diesem Änderungsantrag. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Änderungsantrag, den Sie eben zitiert haben, bezieht sich auf Art. 12 Abs. 4.

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Ihre Frage auch.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich spreche aber die ganze Zeit über Art. 12 Abs. 1, in dem steht, dass eine gemeinsame Einwanderungspolitik von der Union entwickelt werden soll. Die Bundesregierung hat in ihrer Erläuterung explizit festgestellt, dass ihrer Auffassung nach der Zugang zum Arbeitsmarkt weiterhin von den Mitgliedstaaten geregelt werden soll. Warum stellt sie nicht einen entsprechenden Antrag, sondern erläutert das nur im Anhang?

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Erstens. Ich muss Sie korrigieren. Ihre Eingangsfrage bezog sich auf Art. 12 zu Teil II und auf die Änderungsanträge dazu. Wenn sich die Änderungsanträge auf Abs. 4 beziehen, dann kann ich schlecht über Abs. 1 reden. Zweitens. Es ist natürlich sinnvoll, eine gemeinsame Einwanderungspolitik auf europäischer Ebene zu entwickeln. Mich erstaunt sehr, dass Sie grundsätzlich etwas dagegen haben. Mir ist nicht bekannt, dass das den Beschlüssen der CDU/CSU widerspricht. Im Übrigen soll die weiter gehende Harmonisierung ausgeschlossen bleiben. Das heißt: Es bleibt nationales Recht. Allgemeines dazu wird auf europäischer Ebene vereinbart; wenn es konkret wird, bleibt es in der nationalen Zuständigkeit. Ich füge aber hinzu: Das Ganze ist nicht beschlossen. Wir haben hierzu einen Änderungsantrag eingereicht. Ob dieser Änderungsantrag letztlich angenommen wird, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Damit kommen wir zur Frage 17 des Abgeordneten Dr. Ole Schröder: Beabsichtigt die Bundesregierung, zum Entwurf zu Art. 12 zu Teil II des Verfassungsvertrages noch Änderungsanträge zu stellen, und, wenn ja, welchen Inhalts?

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Diese Frage ist eigentlich mit der Antwort auf die vorige Frage beantwortet. Ich kann aber noch etwas hinzufügen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schröder, es ist Ihre Frage. Stehen Sie bitte auf. ({0})

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Der persönliche Beauftragte für den Konvent, Bundesminister Fischer, hat sich in seinem schriftlichen Änderungsantrag eine abschließende Stellungnahme dazu vorbehalten, ob bestimmte Bereiche der Einwanderungspolitik vorerst weiterhin der Einstimmigkeit unterworfen bleiben sollen. Es geht ja um die Frage: Einstimmigkeit oder qualifizierte Mehrheit?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird sich die Bundesregierung denn noch abschließend dazu äußern, ob bestimmte Bereiche der Einwanderungspolitik der Einstimmigkeit unterworfen bleiben sollen, und, wenn ja, wann?

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Was meinen Sie mit „äußern“? Wir haben uns in den schriftlichen Änderungsanträgen geäußert.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dort ist aber nur von einem Vorbehalt die Rede. Dort heißt es: Eine Stellungnahme, ob bestimmte Bereiche der Einwanderungspolitik vorerst weiterhin der Einstimmigkeit unterworfen sein sollten, bleibt vorbehalten. Die Frage ist ja, wann dieser Vorbehalt entsprechend ausgefüllt wird, also wann die endgültige Entscheidung fällt.

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Wir haben bezüglich dieser Frage einen Vorbehalt geltend gemacht. Ihre endgültige Position zur Beibehaltung der Einstimmigkeit hat die Bundesregierung noch nicht festgelegt. Wir werden sie in Kürze festlegen. Dies hängt ja mit dem Verfahren zusammen: Wir haben einen Antrag gestellt, wissen jetzt aber noch nicht, wie dieser Antrag beschieden wird. Abschließend muss man dann darüber beraten, wie man verfährt. So hängt das zusammen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie wissen, dass der Konvent seinen abschließenden Entwurf im Juni veröffentlichen wird. Bis dahin werden die Beratungen abgeschlossen sein. Wann gedenkt denn die Regierung, sich dahin gehend zu entscheiden, in welchen Bereichen Einstimmigkeit beibehalten werden soll und in welchen nicht? Es wird ja Zeit.

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Darüber gibt es laufend Beratungen. Wir haben den Vorbehalt festgehalten. Darüber hinaus werden mit den Partnern konkrete Diskussionen geführt, für welche Bereiche dies gegebenenfalls infrage käme. Man muss sich ja auch mit den anderen darüber unterhalten, in welchen Bereichen das zu erreichen ist. Wir werden uns dann vor Abschluss - Sie haben Recht: vor Juni - dazu äußern. Nichtsdestotrotz beraten wir uns laufend in der Bundesregierung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, an welche Bereiche bei der Zuwanderung denkt die Bundesregierung denn konkret, wenn sie jetzt, was ja unterstützenswert ist, den Vorbehalt angemeldet hat, in bestimmten Bereichen die Einstimmigkeit beizubehalten?

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Dazu kann ich jetzt nichts Konkretes sagen. Das hängt auch von den Debatten im Konvent ab.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Könnten Sie das nachreichen?

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Nein, glaube ich nicht. Ich kann mich aber erkundigen. Das hängt ja auch mit dem Diskussionsprozess zusammen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir haben eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Gewalt.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben über Abstimmungsbedarf mit den Partnern gesprochen. Könnten Sie näher erläutern, welche Partner Sie da meinen?

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Ich meine all die Mitglieder, die im Konvent und seinen Arbeitsgruppen sind. Mit denen werden Änderungsanträge beraten. ({0}) Im Zusammenhang mit dem Vorbehalt habe ich Ihnen ja schon gesagt, dass die Bundesregierung bezüglich der Bereiche, bei denen sie Einstimmigkeit will, in Kürze eine gemeinsame Haltung festlegen wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Staatsministerin, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich schließe damit diesen Geschäftsbereich und komme zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen Martin Hohmann: Gibt es bei der Bundesregierung Überlegungen oder Planungen, rechtskräftig abgelehnten Asylbewerbern, insbesondere auch solchen, die durch Passvernichtung oder sonstige Identitätsverschleierung Ausreise- oder Abschiebungshindernisse geschaffen haben, die staatlichen Zuwendungen zu kürzen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hohmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung weist im Zusammenhang mit Ihrer Frage auf die gesetzlichen Regelungen in § 1 a und § 2 Asylbewerberleistungsgesetz hin und sieht für den angesprochenen Personenkreis derzeit keine Veränderungen vor, die - das ist jetzt wichtig - über den Inhalt des vom Bundestag am 9. Mai 2003 verabschiedeten Zuwanderungsgesetzes hinausgehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung. Ich darf nachfragen: Kann da nicht doch der Eindruck entstehen, dass bei deutschen Leistungsempfängern, Rentnern, Sozialhilfeempfängern und auch anderen benachteiligten Gruppen, ein eher strengerer Maßstab angelegt wird, aber bei Ausländern, die ja zum Teil auch noch unter Vorwand in unser Land gekommen sind und rechtskräftig ausgewiesen sind, günstigere Maßstäbe angelegt werden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hohmann, das sehe ich nicht. Ein Blick in das Gesetz verdeutlicht sehr gut insbesondere auch die Veränderungen, die wir diesbezüglich vorgenommen haben. Ich weise noch einmal auf § 2 Asylbewerberleistungsgesetz hin, in dem ausdrücklich auch das Wort „rechtsmissbräuchlich“ verwendet worden ist, womit eine Tatsache beschrieben wird, die wir so nicht haben wollen. Ich glaube, aufgrund dieses Inhalts gibt es da keine unterschiedliche Handhabung. Ein solcher Eindruck sollte sich auch nicht verfestigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann hat der Kollege Binninger das Wort.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was im Gesetz steht und was hinterher Anwendung findet, muss nicht immer das Gleiche sein. Ich möchte eine ganz kurze Vorbemerkung machen: Am Sonntag war in „Spiegel TV“ ein Bericht über einen Libanesen zu sehen, der offensichtlich nicht abgeschoben werden kann. Er sieht sich selber - so war dem Bericht zu entnehmen - als eine Art König der Unterwelt hier in Berlin. Seine Familie erhält umfängliche staatliche Leistungen, obwohl er offensichtlich auch andere Geldquellen hat. Denken Sie nicht auch, dass solche Berichte in der Öffentlichkeit eine ganz andere Wirkung haben und deshalb solchen Fällen - ungeachtet dessen, was im Gesetz steht - nachgegangen werden müsste?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Binninger, Sie sprechen etwas ganz Wichtiges an: Ein Gesetz ist im Grunde genommen nur so gut, wie es der Vollzug zulässt. Deswegen ist es bei allen Gesetzesvorhaben wichtig, daran zu denken, ob der Vollzug möglich, praktikabel und durchführbar ist. Sie wissen beispielsweise, dass für § 1 a des Asylbewerberleistungsgesetzes die Beweislast bei der Behörde liegt. Es ist völlig klar, dass hier vollzogen werden muss. Ich äußere eine Bitte: Ein Fall, wie er von Ihnen geschildert wird, macht natürlich immer Stimmung. Ich bin der Auffassung, dass man einem solchen Fall nachgehen und prüfen muss, ob das Problem im Vollzug oder an anderer Stelle liegt. Ansonsten ist die Frage, wer wo beweispflichtig ist - der Betroffene oder die Behörde -, in Bezug auf das Asylbewerberleistungsgesetz und den Themenkomplex, den wir angesprochen haben, nach meinem Dafürhalten richtig geregelt; das muss vollzogen werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen Hartmut Koschyk: Welche Haltung nimmt der Bundesminister des Innern, Otto Schily, zu den innenpolitischen Teilen - Asyl-, Visa-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik - der gegenwärtigen Beratungen des europäischen Verfassungskonvents ein und wird seine Auffassung von der Bundesregierung in den laufenden Konventsverhandlungen eingebracht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, diese Fragen sind zum Teil vorhin schon angesprochen worden. Ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung tritt auch zu den innenpolitischen Teilen der Beratungen des EU-Konvents für eine deutliche Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU ein, um auch in einer Union mit 25 und mehr Mitgliedstaaten im Raum ohne Binnengrenzen Freiheit und Sicherheit gewährleisten zu können. Im Konvent zeichnen sich bereits jetzt bemerkenswerte Integrationsfortschritte auf diesem Gebiet ab, die uns auf dem Weg zur Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts deutlich voranbringen werden. Zur Asyl- und Einwanderungspolitik hat der persönliche Beauftragte für den Konvent, Bundesminister Joschka Fischer, schriftliche Änderungsanträge eingereicht, die - wie könnte es anders sein - heute auch per Internet abzurufen sind. Wenn Sie die Internetadresse brauchen, teile ich sie Ihnen gerne mit.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Koschyk, Ihre Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie, nachdem Sie sich jetzt für Ihr Haus zu diesen von Herrn Bundesminister Fischer eingereichten Änderungsanträgen bekannt haben, die Frage beantworten, für welche Teile des Bereiches Asyl und Zuwanderung die Bundesregierung den Vorbehalt angemeldet hat, dass sie dort gegebenenfalls für den Verbleib in der Einstimmigkeit eintritt.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, bereits vorhin hat der schwierige Verhandlungsprozess eine Rolle gespielt. Ich denke - das habe ich insbesondere dem Kollegen Schröder in der letzten Fragestunde deutlich gemacht -, dass Deutschland bei diesen Fragestellungen und Antworten innerhalb der EU nicht alleine ist. Die Frage des Einstimmigkeitsprinzips bzw. der Mehrheitsentscheidung ist in diesem Bereich natürlich ganz entscheidend auch davon abhängig, wie das beispielsweise andere Mitgliedstaaten sehen. Sie wissen: Wenn man eine Mehrheit benötigt, braucht man andere, die mithelfen. Deswegen ist der Bereich Zuwanderung unter diesen Vorbehalt gestellt worden. Jetzt ist insbesondere in der Diskussion auszuloten, in welchen Bereichen man eine Mehrheit bekommen könnte und in welchen nicht. Ich denke, das muss dem Diskussionsprozess überlassen werden. Es wäre nach meinem Dafürhalten auch falsch, wenn die Bundesregierung in bestimmten Bereichen mit ganz konkreten Vorgaben in diese Verhandlungen, die schwierig sein werden, gehen würde. Unsere Zielsetzung in diesem konkreten Fall ist jedoch klar. Deswegen ist auch der Vorbehalt geäußert worden. Ich denke, dass das Verfahren verhandlungsgemäß ist.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung - wenn schon nicht der Innenminister, dann wenigstens der Konventsbeauftragte der Bundesregierung - im Hinblick auf die grundgesetzlich garantierten Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages und auch im Hinblick auf die Verhandlungsposition der Bundesregierung in den Konventsberatungen bereit, im zuständigen Innenausschuss etwas detaillierter über ihre Verhandlungsposition zu berichten und zu informieren sowie die Meinung des Parlamentes, des Fachausschusses, in diesem Fall des Innenausschusses, und auch der verschiedenen Fraktionen zu hören? Herr Staatssekretär, ich finde es sehr bedauerlich, dass nach meinen Informationen Herr Minister Fischer nicht bereit ist, dazu im Innenausschuss des Bundestages Stellung zu nehmen. Es wurde eben die Transparenz der Konventsdiskussion gelobt. Ich finde, dass diese Transparenz im Hinblick auf die Beteiligung des Bundestages an den Konventsberatungen nicht gegeben ist. Was will die Bundesregierung unternehmen, um das Parlament stärker zu beteiligen, zu informieren, anzuhören und einzubeziehen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich will Ihre Frage anhand eines konkreten Beispiels beantworten. Sie wissen, dass wir die Regelungen bezüglich des Zugangs zum nationalen Arbeitsmarkt dem Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten zuordnen. Das ist beispielsweise eine Position, die wir im Konvent vertreten. Ich möchte mich nicht in einen formalen Streit um die Frage begeben, an welcher Stelle der Beauftragte dem Parlament Rede und Antwort stehen soll. Fakt ist jedenfalls, dass Bundesaußenminister Joschka Fischer heute im zuständigen Europaausschuss gewesen ist und dem Ausschuss Rede und Antwort gestanden hat. Das zeigt im Übrigen die Transparenz.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, um in Verhandlungen Kompromisse schließen zu können - wir wissen, dass diese Kompromisse auf europäischer Ebene erforderlich sind -, braucht man einen eigenen Standpunkt und eine Zielsetzung. Da Sie eben geäußert haben, dass die Zielsetzung der Bundesregierung klar sei, frage ich Sie, welche Zielsetzung die Bundesregierung hat und welche Punkte im Bereich der Einwanderungspolitik danach dem Prinzip der Einstimmigkeit unterliegen sollen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die Zielsetzung hat nichts mit einzelnen Bereichen zu tun. Mit dem Ausländergesetz und dem Zuwanderungsgesetz haben wir auf nationaler Ebene einen inhaltlichen Rahmen geschaffen. Dieser ist für unsere Zielsetzung entscheidend; davon gehen wir aus. Entlang dieser Linie kämpfen wir auch bei den Beratungen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 20 des Kollegen Roland Gewalt: Welche Einheiten des Bundesgrenzschutzes wurden am 30. April/1. Mai 2003 zur Unterstützung der Polizei nach Berlin entsandt und wo sind diese jeweils eingesetzt worden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Gewalt, zur Unterstützung der Berliner Polizei am 30. April/1. Mai dieses Jahres waren gemäß Einsatzbefehl des Landesschutzpolizeiamtes Berlin vom 23. April 2003 folgende Einsatzeinheiten des Bundesgrenzschutzes in Berlin eingesetzt: Am 30. April waren die Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften Blumberg, Sankt Augustin und Bayreuth im Einsatz. Alle drei Hundertschaften waren der Direktion 7 - das ist die Direktion Prenzlauer Berg unterstellt und im Bereich Mauerpark/Prenzlauer Berg eingesetzt. Am 1. Mai 2003 war die Bundesgrenzschutzabteilung Blumberg der Direktion 3 - das ist die Direktion Mitte unterstellt und im Bereich Alexanderplatz eingesetzt. Die Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft Blumberg war dem Einsatzabschnitt Aufklärung zugeordnet und kam als Zugriffskomponente im Bereich der Direktion 5 - das ist die Direktion Kreuzberg - zum Einsatz. Die Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft Sankt Augustin war direkt dem Einsatzabschnitt der Direktion 5, also der Direktion Kreuzberg, unterstellt und wurde für Räumungsmaßnahmen im Bereich der Mariannenstraße eingesetzt. Die Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft Bayreuth, ebenfalls der Direktion 5, also Kreuzberg, unterstellt, wurde für Raumschutzmaßnahmen am Mariannenplatz und in den angrenzenden Straßenzügen eingesetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der verantwortliche Berliner Innensenator und die Polizeiführung haben erklärt - das ist Ihnen sicher bekannt -, dass es bei Einsätzen insbesondere in Kreuzberg verschuldete Verzögerungen gegeben hat. Sie haben soeben gesagt, BGS-Einheiten seien dort eingesetzt worden. Ist Ihrer Meinung nach das vom Senat zu verantwortende Deeskalationsprinzip auch für den verzögerten Einsatz von BGS-Einheiten verantwortlich?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich kann das in dieser Form nicht bestätigen. Wenn es in der Nachbetrachtung tatsächlich einen objektiven Anlass für eine solche Kritik gibt, muss das aufgeklärt werden. Jedenfalls sehen wir, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, die Bereitstellung der BGS-Einheiten und das, was insbesondere von den Polizeibeamtinnen und -beamten geleistet worden ist, als positiv und vorbildlich an.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre weitere Zusatzfrage.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Kräfte von Polizei und Bundesgrenzschutz sind bei ihren Einsätzen am 1. Mai durch einen Aufklärungshelikopter der Berliner Polizei unterstützt worden. Dieser Helikopter wird 2004 wegen Überalterung - er stammt noch aus Vopo-Beständen - außer Dienst gestellt. Können Sie dem Berliner Senat definitiv zusichern, dass der Bundesgrenzschutz nach dieser Außerdienststellung dem Berliner Senat bzw. der Berliner Polizei bei solchen Großlagen wie am 1. Mai BGS-Hubschrauber zur Verfügung stellt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie wissen, wie das Verfahren ist. Den Anforderungen vonseiten der jeweiligen Landespolizei beim BGS kommt der Bundesgrenzschutz in der Regel nach. Eines sollte aber nicht verwischt werden: Das Land hat seine Aufgaben und der Bund hat seine Aufgaben zu erledigen. Jede Ebene sollte im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten wissen, was notwendig und was nicht notwendig ist. Dass wir solche Aufklärungshubschrauber beim Bundesgrenzschutz haben, wissen Sie.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt eine Zusatzfrage des Kollegen Mayer.

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche Kosten sind dem Bund durch den Einsatz des Bundesgrenzschutzes am 30. April und am 1. Mai in Berlin entstanden? Werden die Kosten, die dem Bund durch diesen Einsatz entstanden sind, dem Land Berlin in Rechnung gestellt und wie wird dies in anderen Bundesländern in ähnlichen Fällen gehandhabt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie wissen, dass es Kostenerstattungsregelungen gibt. An diesen orientiert man sich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Hohmann.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind bei diesen Einsätzen am 30. April und 1. Mai BGS-Beamtinnen und -Beamte verletzt worden und, wenn ja, wie viele?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die Frage, wie viele es waren, kann ich Ihnen im Moment nicht konkret beantworten. Eine entsprechende Antwort reiche ich Ihnen gerne nach. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie haben nur eine Zusatzfrage. Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nachdem wir nun wissen, welche Einheiten im Einsatz waren und wie die Kostenverteilung funktioniert, möchte ich Sie fragen, wie die Bundesregierung das politisch bewertet, was bei diesem Einsatz schief gelaufen ist.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Was die Frage der Einsatzkonzeption anbelangt, so muss ich feststellen, dass dies Gegenstand der folgenden schriftlich eingereichten Frage ist. Es ist vielleicht besser, wenn ich erst diese beantworte, und Sie dann gegebenenfalls noch einmal eine Zusatzfrage stellen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Grindel.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade die Regelungen der Kostenerstattung angesprochen. Trifft es zu, dass es für Berlin eine Sonderregelung gibt und für BGS-Kräfte, die in der Hauptstadt eingesetzt werden, keine Kosten entstehen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Es ist richtig, dass für Berlin Sonderregelungen zwischen dem Bund und dem Land Berlin geschlossen wurden. Soweit mir das bekannt ist, gibt es bezüglich des Kostenersatzes beispielsweise für die Zurverfügungstellung von Bereitschaftspolizeien aus anderen Ländern aber keine Sonderregelung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sagten, dass offensichtlich - die Zahl wollen Sie nachreichen - BGS-Beamte verletzt worden sind. So habe ich Ihre Antwort zumindest gedeutet. Sind Sie bereit, uns Zahlen über die Täter, die diese Verletzungen verursacht haben, im Hinblick auf Struktur, Nationalität und Alter zu liefern?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Binninger, ich weiß nicht, ob die Daten in dieser Form erfasst sind. Wenn das möglich ist, reiche ich sie Ihnen selbstverständlich nach. Sie wissen, dass im Zweifelsfall das Land Berlin bei der Beantwortung dieser Frage hinzuzuziehen ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir haben noch eine Zusatzfrage des Kollegen Schröder. ({0}) - Das hat sich erübrigt. Dann kommen wir zur Frage 21 des Kollegen Roland Gewalt: Wie lautete das von Polizeiführung und Innensenator ausgegebene Einsatzkonzept für die abgeordneten Einheiten des Bundesgrenzschutzes am 30. April und 1. Mai 2003 in Berlin und war es mit der Bundesregierung abgestimmt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Gewalt, im Falle der Einsatzunterstützung der Polizei eines Landes durch Kräfte des Bundesgrenzschutzes - verstehen Sie das als Vorbemerkung - wird gemäß § 11 Abs. 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes immer das Recht des zu unterstützenden Landes angewendet. Die Einsatzeinheiten des Bundesgrenzschutzes wurden im Rahmen der Unterstützung nach der Einsatzkonzeption des Landes Berlin eingesetzt. Für alle eingesetzten Polizeikräfte hatte das Land Einsatzleitlinien festgelegt. Diese lauteten wie folgt: 1. Abschöpfen von Gewalt im Vorfeld durch rechtzeitiges Erkennen unfriedlicher Störungen/ Störer und Abstimmung des polizeitaktischen Handelns am Grad erkennbar werdender Gewaltbereitschaft ..., 2. vertrauensbildende Maßnahmen/Sprache als Mittel der Konfliktlösung durch offensive Verdeutlichung der polizeilichen Maßnahmen, zielgruppenorientiertes und situationsangemessenes Verhalten der Einsatzkräfte sowie offensichtliche Isolierung unfriedlicher Teilnehmer an den verschiedenen Veranstaltungen auch durch den Einsatz von Antikonfliktteams, 3. niedrige Einschreitschwelle bei Grundrechtsmissbrauch unter Ausnutzung aller rechtlichen und taktischen Möglichkeiten, insbesondere bei missbräuchlicher Instrumentalisierung von Versammlungen/Veranstaltungen für extremistische Ziele oder körperliche Angriffe und sonstige Rechtsbrüche, 4. Überwindung von Naht- und Schnittstellenproblemen, um den Gesamterfolg des Polizeieinsatzes zu sichern, 5. Bindung an taktische Konzepte und konsequentes Umsetzen der erteilten Aufträge. Die dem Land Berlin unterstellten BGS-Kräfte wurden in Einsatzbesprechungen in das Konzept eingewiesen. Da der Einsatz in die originäre Zuständigkeit und Verantwortung des Landes Berlin fiel, ist das Einsatzkonzept vom Land Berlin eigenverantwortlich erarbeitet und nicht mit der Bundesregierung abgestimmt worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wie viele Angehörige des Bundesgrenzschutzes am 30. April und am 1. Mai verletzt wurden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Gewalt, das bin ich vorhin schon einmal gefragt worden. Wenn es möglich ist, liefere ich die Antwort nach. ({0}) - Nein. Herr Binninger hat nach den Verletzten gefragt. Außerdem wurde nach den Tätern gefragt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zweite Zusatzfrage.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Unterstellt, Presseberichte treffen zu, nach denen es sich um 17 verletzte BGS-Angehörige gehandelt hat: Halten Sie es für mit Ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem BGS vereinbar, dass Kräfte des BGS - unter anderem in Kreuzberg; Sie haben die BGS-Einheit eben genannt - zurückgehalten worden sind und zu spät zum Einsatz kamen und dadurch unter Umständen Personen, auch Angehörige des BGS, verletzt worden sind?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie wissen, wer die Verantwortung für die Einsatzkonzepte trägt. Ich habe deutlich gemacht, dass dieses Einsatzkonzept nicht mit der Bundesregierung abgestimmt wurde. Es ist übrigens kein einmaliger Fall, sondern üblich, dass die verantwortliche Länderpolizei das Einsatzkonzept durchführt. Ich habe Ihnen die entsprechende Bezugsquelle, den § 11 des Bundesgrenzschutzgesetzes, genannt. Ich werde - das sage ich ganz deutlich - dieses Einsatzkonzept nicht in irgendeiner Form bewerten, kritisieren oder zu ihm Stellung nehmen. Als Berliner Abgeordneter wissen Sie, dass die Ereignisse vom 30. April und 1. Mai die Polizei in den verschiedensten Jahren hat überlegen lassen, wie man taktisch am besten vorgeht. Es wurden schon die unterschiedlichsten Wege gegangen. Meistens konnte man aber nicht sagen, dass es friedlich zugegangen ist. Das ist leider ein Problem. Ich glaube, das muss man bezüglich der Bewertung der polizeilichen Einsatzkonzeptionen berücksichtigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Einsatztaktik des Berliner Innensenators für die alljährlichen „Mai-Festspiele“ ist auch polizeifachlich höchst umstritten. Der Innensenator selbst hat am Tag danach vor der Presse eingeräumt, dass er erwägt, diese Einsatztaktik zu überdenken. Hält es der Bundesminister des Innern, nachdem regelmäßig BGS-Angehörige zur Verfügung gestellt werden und aufgrund der Einsatztaktik gesundheitlich zu Schaden kommen, wirklich nicht für angezeigt, im Sinne der Fürsorgepflicht in einem vertraulichen, nicht in der Öffentlichkeit geführten Dialog mit dem Berliner Innensenator über ein Überdenken einer solchen Einsatztaktik zu sprechen, damit nicht Angehörige des BGS immer wieder auf Anforderung des Landes Berlin in Einsätze geschickt werden, in denen sie offensichtlich aufgrund falscher polizeilicher Einsatztaktik wissend in Situationen geraten, die zu gesundheitlichen Schädigungen und Verletzungen führen? - Wer hat mir den Saft abgedreht?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, das war ein technischer Defekt. Ich habe Ihnen den Saft nicht abgedreht.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Koschyk, die Rechtsgrundlage ist klar. Klar ist leider auch, dass Polizisten auch in Einsätzen verletzt wurden, die unter anderen Einsatzkonzeptionen und Zielsetzungen erfolgten. Ich will Ihre Frage unter Beachtung der Rechtssituation dahin gehend beantworten: Wenn unser Rat gefragt ist, werden wir ihn auch einbringen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nachdem wir jetzt alle wissen, wer eingesetzt worden ist, möchte ich auf meine vorherige Zusatzfrage zurückkommen. Wie bewertet die Bundesregierung politisch, was am 1. Mai in Berlin passiert ist? Ich frage das nicht nur bezüglich der Einsatzgrundsätze der Polizei, wie man mit den jährlich wiederkehrenden Krawallen umgeht, sondern ich möchte auch wissen, wie man dafür sorgen kann, dass so etwas nicht traditionell jedes Jahr passiert. Es sind gesellschaftliche Veränderungen, die in den letzten Jahren dazu geführt haben, dass solche Krawalle offenkundig zu einer Art Volkssport werden. Dazu muss die Bundesregierung doch irgendeine Meinung haben.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Niebel, das Einsatzkonzept der Berliner Polizei war im Grunde genommen der Versuch, bestimmten Reaktionen entgegenzuwirken, damit es nicht zu solchen Auseinandersetzungen wie in den zurückliegenden Jahren kommt. Wenn Sie sich intensiv damit beschäftigen, werden Sie die Hintergründe für diesen Versuch erkennen. Tatsache ist eben: Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein Waisenkind. Wäre der Versuch erfolgreich gewesen, hätte es sich um ein erfolgreiches Konzept gehandelt. Dies war leider nicht der Fall. Der Berliner Innensenator hat bekannt gegeben, dass man über das Konzept reden und prüfen muss, was zwischen dem Ansatz und der Durchführung nicht optimal gelaufen ist. Es muss darüber beraten werden, was anders gemacht werden muss. Das ist ganz schwierig. Es ist für Berlin und Deutschland nicht gut, wenn es zu solchen Ausschreitungen kommt. Wir sind im Grunde genommen alle dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich solche Ereignisse wie in den letzten Jahren nicht wiederholen. Deswegen sollte man ein Einsatzkonzept, das vom Gedanken der Prävention getragen ist, nicht von vornherein verdammen, sondern weiterentwickeln.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatssekretär Körper. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Karl Diller bereit. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Marco Wanderwitz auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Deutsche Post AG im Januar 2002 eine Briefmarke mit einem „Graffiti“ähnlichen Motiv unter dem Titel „Für mehr Toleranz“ herausgegeben hat, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Umgang mit der Thematik „Graffiti“, dies auch unter dem Gesichtspunkt der dazu im Deutschen Bundestag in den letzten Wochen erfolgten Lesungen diverser Entwürfe von Gesetzen zu dieser Thematik?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Wanderwitz, Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten: Der Bundesregierung ist natürlich bekannt, dass im Januar 2002 ein Sonderpostwertzeichen mit dem Titel „Für mehr Toleranz“ herausgegeben wurde; denn Herausgeber ist nach einer Entscheidung der früheren Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen. Die deutschen Sondermarken werden durch renommierte Grafikdesigner gestaltet. Es werden jährlich etwa 35 Wettbewerbe unter meist sechs bis acht Grafikern je Thema ausgeschrieben. An dem Wettbewerb für das Sonderpostwertzeichen „Für mehr Toleranz“ waren sogar zwölf Grafiker beteiligt. In der Ausschreibung war diesen die grafische Gestaltung freigestellt. Der Siegerentwurf, der als Bildmotiv ein auf einen alten Bretterzaun aufgemaltes Herz mit dem Schriftzug „Toleranz“ und zwei Pfeilen zeigt, wurde unter 33 Entwürfen vom Kunstbeirat, der das Bundesministerium der Finanzen bei der Auswahl berät, mehrheitlich vorgeschlagen. Beabsichtigt war, die Botschaft „Für mehr Toleranz“ zu vermitteln. Mit der Marke soll ein positiver und allgemeiner Appell zu mehr Toleranz gegenüber anderen Menschen, Verhaltensweisen und Kulturen transportiert werden. Das Motiv selbst war damit nicht vorgegeben, sondern beruht auf der künstlerischen Freiheit des Grafikers.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen bitte.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nun kann man zum einen über Kunst bekanntlich trefflich streiten. Zum anderen ist die vorgegebene Botschaft „Für mehr Toleranz“ sicherlich lobenswert. Nichtsdestotrotz möchte ich meine Frage nochmals konkret stellen, insbesondere weil jetzt parallel eine Anhörung des Rechtsausschusses zu der Thematik des Graffitiunwesens stattfindet. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die ausgewählte Art und Weise der Realisierung für dieses Postwertzeichen geeignet war?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich darf Sie darüber informieren, dass schon traditionell ein Programmbeirat das BMF bei der Auswahl der Themen berät und der Kunstbeirat dem BMF Vorschläge zur Auswahl der künstlerischen Entwürfe macht. Diese Marke ist im Januar 2002 herausgegeben worden. Das heißt, die Entscheidungen sind im Jahre 2001 und nicht im Jahre 2003 getroffen worden. Dem Kunstbeirat gehören neben Vertretern der Post AG und der Philatelistenverbände zwei vom Deutschen Bundestag entsandte Vertreter an; für Ihre Fraktion war das zu der damaligen Zeit der Kollege Doss. Im Übrigen gehören diesem Gremium Hochschulprofessoren mit dem Spezialgebiet Grafik an. Das BMF maßt sich nicht an, diese Entscheidung des Kunstbeirates zu bewerten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich erspare mir die weitere Zusatzfrage und hoffe nur, dass -

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann kommen wir zur Frage 23 des Abgeordneten Hans Michelbach: Welche Konsolidierungsmaßnahmen gedenkt die Bundesregierung aufgrund des Ergebnisses der Steuerschätzung vorzunehmen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Michelbach, Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten: Die Bundesregierung wird die mittelfristig angelegte Konsolidierung des Haushaltes fortsetzen. Auch nach drei Jahren mit wirtschaftlichen Stagnationstendenzen gibt es dazu keine Alternative. Die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung machen ein gemeinsames Vorgehen auf nationaler Ebene zwingend erforderlich. Alle Ausgabenbereiche stehen für uns auf dem Prüfstand. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Einnahmebasis des Staates zu stabilisieren. Es besteht im Übrigen eine breite politische Übereinstimmung, dass vor allem bei den Subventionen und bei den konsumtiven Staatsausgaben angesetzt werden muss. Daher bleibt die Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch den Abbau von Steuervergünstigungen auf der Tagesordnung. Auch die Finanzhilfen des Bundes sind kritisch zu überprüfen. Ziel muss dabei sein, Ineffizienzen und Mitnahmeeffekte so weit wie möglich zu beseitigen und zu einer deutlichen Degression zu gelangen. Hierzu ist ein energisches Vorgehen im Konsens mit allen Bundesländern unerlässlich. Im Bundeshaushalt sind die konsumtiven Ausgaben für Arbeitsmarkt und Altersversorgung stark gestiegen. Ohne weitere Konsolidierungsanstrengungen würden sie im nächsten Jahr 44 Prozent der Gesamtausgaben des Bundeshaushaltes gegenüber 37 Prozent im Jahre 1999 ausmachen. Daher sind weitere strukturelle Reformen im Bereich der sozialen Sicherung unverzichtbar. Die konsequente Umsetzung der Agenda 2010 ist dazu ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, eine Zusatzfrage, bitte.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, es gebe keine Alternative zu der Verdoppelung der Nettoneuverschuldung im Jahr 2003. Hat es überhaupt noch etwas mit nachhaltiger Finanzpolitik zu tun, wenn Sie nicht sofort ein Haushaltssicherungsgesetz und ein Subventionsabbaugesetz vorlegen? Ich frage Sie: Sind Sie bereit, in den nächsten vier Wochen ein solches Gesetzespaket zur Sicherung des Haushaltes 2003 und zur Verminderung der Nettoneuverschuldung einzubringen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, die Bundesregierung beabsichtigt, einen Nachtragshaushalt für 2003 aufzustellen, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem der voraussichtliche Bedarf für dieses Jahr klar erkennbar ist. Dieses Vorgehen dient auch dazu, die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen, damit sich die konjunkturelle Situation durch Kürzungen beispielsweise im investiven Bereich nicht noch verschlechtert. Das wollen wir auf keinen Fall. Deswegen wollen wir die Mittel, die für investive Maßnahmen vorgesehen sind, im Bundeshaushalt auch bereitstellen. Wir haben kein Verständnis für die Länder, die ihrerseits beabsichtigen, Investitionen in dieser Situation zu kürzen. Im Übrigen muss erst die weitere Entwicklung zeigen, ob sich die von Ihnen aufgestellte Behauptung einer Verdoppelung der Verschuldung in diesem Jahr bewahrheiten wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Michelbach, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, warum handeln Sie nicht sofort? Wenn Sie den Nachtragshaushalt nicht bis zum 1. Juli einbringen, wird die Chance auf Konsolidierung für das Jahr 2003 gewissermaßen nutzlos verstreichen. Sie könnten dann nicht mehr reagieren. Ist Ihnen außerdem nicht bekannt, dass die Steuerschätzung ein weiteres Risiko aufweist, nämlich dass die Wachstumsannahme von 0,75 Prozent wahrscheinlich nicht eingehalten werden wird? Warum reagieren Sie darauf nicht sofort?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen - das können Sie im Mai-Heft des Bundesfinanzministeriums nachlesen -, dass in die Bewertung des voraussichtlichen Steuerertrags für dieses Jahr in den wichtigsten Steuerarten sehr wohl die Entwicklung der ersten vier Monate eingeflossen ist. Insofern haben die Änderungen der Prognosen für das Gesamtwirtschaftswachstum in diesem Jahr schon Berücksichtigung gefunden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Michelbach: Bis zu welchem Zeitpunkt sieht sich die Bundesregierung in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, und mit welchen konkreten Maßnahmen soll dieser erreicht werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts im Jahre 2006 kann auch bei fortgesetzten deutlichen Konsolidierungsanstrengungen nicht erreicht werden. Dies bedeutet jedoch nur ein Aufschieben, nicht aber die Aufgabe dieses Ziels. Alle politisch Verantwortlichen - nicht nur der Bund, zuständig für die Sozialversicherung, sondern auch die Länder und Gemeinden müssen in einer gemeinsamen Anstrengung zur Beseitigung der strukturellen Defizite in unserem Lande beitragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Michelbach, Sie haben zwei Zusatzfragen.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie können im Jahr 2006 keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Können Sie uns verraten, welches Ziel Sie sich bei Ihrer nachhaltigen Finanzpolitik setzen und in welchem Haushaltsjahr Sie einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen wollen? Das wäre doch sicher auch gegenüber der Europäischen Union und zur Einhaltung des Stabilitätspaktes eine notwendige Angabe.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Michelbach, wie Sie wissen, mussten wir in diesem Jahr gegenüber der Europäischen Union den Nachweis führen, dass wir das nicht konjunkturbedingte Haushaltsdefizit um einen Prozentpunkt abbauen werden. Die Kommission ist zurzeit in der Bewertung. Es gibt Pressemeldungen, die eine positive Resonanz aus Brüssel erwarten lassen. Im Übrigen ist Gegenstand der Vereinbarung auf europäischer Ebene, dass wir in den kommenden Jahren - das heißt beginnend ab 2004 - das strukturelle Defizit um jährlich ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro oder etwas mehr, verringern werden. Dies bringt uns auf den Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt, den wir nicht 2006, aber danach erreichen werden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass Sie gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union verstoßen werden, wenn Sie keine konkreten Jahresangaben zur Sicherung des Haushaltes machen und auch nicht mit Bestimmtheit feststellen können, dass die Defizitquote zumindest im Jahr 2004 wieder unter die Dreiprozentgrenze fällt und die Schulden unter die Sechzigprozentgrenze fallen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Michelbach, ich habe schon auf das hingewiesen, was wir mit der Europäischen Union vereinbart haben - das werden wir auch einhalten - bezüglich des Abbaus des strukturellen Defizits. Das wird ein Riesenkraftakt sein. Wir beginnen damit im nächsten Jahr. Mit den Vorbereitungen der Aufstellung des Haushaltes für 2004 sind wir in diesen Tagen und Wochen befasst. Das Kabinett wird im Sommer einen Haushaltsentwurf für 2004 beschließen, in dem die Verfassungsgrenze eingehalten wird und mit dem auch die Maastricht-Kriterien beachtet werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Markus Löning: Auf welche Bezirks- und Senatsverwaltungen bezieht sich die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Bundesliegenschaften auf dem Gebiet des Landes Berlin“, Bundestagsdrucksache 15/875, insbesondere in der Antwort auf die Fragen 10 und 11, in der es heißt: „Nicht immer gelingt es, den Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Ämtern auf Bezirksebene und Hauptverwaltung kurzfristig durchzuführen und dabei Planungsvorstellungen von Investoren Rechnung zu tragen. Die Folge ist ein erlahmendes Interesse am Erwerb bundeseigener Grundstücke und das Ausbleiben weiterer Investitionen?“

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Löning, der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hatte seinerzeit Landesbedarf an der bundeseigenen Immobilie in BerlinCharlottenburg, Witzlebenstraße 4-5 - besser bekannt als ehemaliges Kammergericht - angemeldet. Dieser Bedarf ist über einen längeren Zeitraum geprüft worden. Er hat sich nach etwa einem halben Jahr nicht bestätigt. Bei einem von der OFD Berlin durchgeführten Bieterverfahren äußerte ein Investor Interesse an diesem Objekt, um es einer Hotelnutzung zuzuführen. Er legte eine Bankbürgschaft und eine Finanzierungszusage vor. Das von ihm geplante Hotelprojekt mit einer Gesamtinvestitionssumme von 40 bis 50 Millionen Euro - davon rund 10,5 Millionen Euro Kaufpreis - scheiterte an Bedenken des Bezirksamtes wegen erstens der Nutzungsänderung und des dadurch zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens sowie zweitens des vorgesehenen Ausbaus des Dachgeschosses. Nach dem Eindruck der OFD hat das Bezirksamt diese für die Stadt bedeutende Gesamtinvestition nur dilatorisch behandelt. Der Investor wurde zum Beispiel aufgefordert, 40 umliegende Nachbarn selbst zu Einwendungen gegen das Projekt zu befragen. Der Investor nahm nach langen Verhandlungen am 24. Oktober 2002 von dem Vorhaben Abstand. Nach diesem Scheitern steht die Verwertung des Gebäudes bis heute aus. Herr Kollege, da der Bund in anderen Fällen seinen Standpunkt, den ich Ihnen nennen könnte, nochmals an das Land Berlin herantragen möchte, bitte ich Sie und den Deutschen Bundestag um Verständnis, wenn ich hier im Bundestag derzeit keine Debatte darüber führen möchte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Löning, ich lasse Ihre beiden Zusatzfragen jetzt noch zu. Dann sind wir am Ende unserer Fragestunde angelangt. Bitte schön. ({0}) Dann sind wir am Ende der Fragestunde.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin, können wir vielleicht noch die zweite Frage zu diesem Sachverhalt, die vom gleichen Kollegen stammt, behandeln? ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind am Ende der Fragestunde, Herr Staatssekretär. Alle Fragen, die in der Fragestunde nicht beantwortet wurden, werden gemäß unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Sofortiger Beginn der Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, in der Finanz-, Haushaltssowie Sozialpolitik angesichts wegbrechender Steuereinnahmen, dramatischer Arbeitslosenzahlen und der Nichteinhaltung des europäischen Stabilitätspakts Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Die Fraktion der CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde beantragt. ({0}) - Bitte schön, Herr Kollege Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, zur Geschäftsordnung: Ich beantrage für meine Fraktion die Herbeizitierung des Bundesfinanzministers zu dieser Aktuellen Stunde. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Hauer, bitte.

Nina Hauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003139, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Ich beantrage eine Unterbrechung für eine Sitzung der SPD-Fraktion. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelzeichen bekannt gegeben. ({0}) ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. - Die Sitzung ist wieder eröffnet. Das Wort zur Geschäftsordnung hat nach § 29 der Kollege Walter Schöler, SPD-Fraktion.

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte das, was in diesem Hause vorgeht, für einen unglaublichen Vorgang ({0}) - hören Sie ruhig zu -, auch das, was Sie hier heute Nachmittag inszeniert haben. ({1}) Ihnen - Sie wissen es natürlich - und der Öffentlichkeit will ich sagen: Es gab bereits in der letzten Sitzungswoche die Verabredung zwischen den Obleuten im Haushaltsausschuss, dem Vorsitzenden und den Fraktionen, dass der Bundesfinanzminister - auf Antrag der Union war er angefordert - in der heutigen Sitzung des Haushaltsausschusses ganz planmäßig ab 14 Uhr ({2}) Stellung zur allgemeinen Lage und auch zu den Zahlen der Steuerschätzung bezieht. ({3}) Diese Debatte hat im Haushaltsausschuss mit dem Finanzminister von 14 Uhr bis fast 15.40 Uhr stattgefunden. ({4}) Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen ({5}) haben mit einer Vielzahl von Fragen, die ich jetzt gar nicht näher bewerten möchte, ({6}) dafür gesorgt, dass die Zeit überschritten wurde. ({7}) Sie hatten, wie zwischen den Obleuten vereinbart, alle Möglichkeiten, Ihre Fragen zu stellen und mit dem Finanzminister zu reden. ({8}) Es hat heute ferner eine Sitzung des Finanzausschusses gegeben, in der die Ergebnisse der Steuerschätzung vorgetragen wurden. ({9}) Es hat Ihnen offensichtlich ausgereicht, innerhalb einer Viertelstunde Ihre Fragen zu stellen. Weder in der Finanzausschusssitzung noch in der Sitzung des Haushaltsausschusses gab es weitere Fragen, ({10}) sodass festgestellt wurde: Wenn es seitens der Opposition keine Fragen mehr gibt, ({11}) können wir unterbrechen und die Sitzung anschließend fortsetzen. Sie halten das Parlament und vor allem die Ausschüsse vordergründig von ihrer Arbeit ab und wir sind nicht bereit, das hinzunehmen. ({12}) Sie mögen so viele Inszenierungen machen, wie Sie wollen - wir werden unsere Arbeit fortsetzen. Im Übrigen folgt im Anschluss die Aktuelle Stunde, in der der zuständige Staatssekretär reden wird. Wenn wir diesen Punkt abgewickelt haben, wird der Haushaltsausschuss ebenso wie die anderen Ausschüsse, die ihre Sitzungen jetzt unterbrochen haben, seine Arbeit fortsetzen, damit nicht der Eindruck entsteht, hier würde nicht gearbeitet. Wir arbeiten alle. ({13}) Auch der Finanzminister hat langfristig festgelegte Termine. Im Übrigen an die Kollegen von der FDP: Wiedervorlage morgen früh um 9 Uhr in diesem Hause. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Volker Kauder, CDU/CSUFraktion.

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem im Haushaltsausschuss vereinbart worden war, dass man den Finanzminister befragt, sind in diesem Land gravierende Dinge passiert: Wir hatten eine neue Steuerschätzung mit gravierenden Folgen für dieses Land, für die Menschen in diesem Land und für die Zukunft dieses Landes. ({0}) Darüber muss im Deutschen Bundestag gesprochen werden. ({1}) Zu unserer Regierungszeit - das können Sie in den Protokollen des Deutschen Bundestages nachlesen - gab es nach Steuerschätzungen vereinbarte Debatten in diesem Hause, obwohl wir nicht solch schlechte Ergebnisse zu verantworten hatten. Diese Debatten verhindern Sie, worüber wir morgen im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte sprechen werden. ({2}) Der Finanzminister hätte hierher kommen können; denn die Sitzung des Ausschusses war beendet. ({3}) Er hat hier auf dem Gang einer Kollegin gesagt, dass man ihn doch hätte herbeizitieren können und er dann gekommen wäre, aber dass er jetzt zu einem Termin müsse. Das ist die wahre Lage. ({4}) Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, inszenieren hier ein Theater, weil Sie nicht wollen, dass wir mit dem Finanzminister darüber reden, was er macht. ({5}) Ich will Ihnen noch etwas sagen: Es ist eine pure Selbstverständlichkeit, dass der Verursacher dieser Situation bei der Debatte darüber anwesend ist. Herr Eichel ist der Verursacher dieser Situation, über die wir jetzt diskutieren. ({6}) Die Menschen hier oben auf der Besuchertribüne des Deutschen Bundestages und die Menschen an den Fernsehschirmen nehmen wahr, dass Sie eine der größten Katastrophen in diesem Land inszenieren und dass die Regierungsbank trotzdem leer ist. Niemand von der Regierung nimmt an dieser Debatte teil. ({7}) Ich wende mich jetzt an die Menschen an den Fernsehschirmen und an die Besucher auf der Tribüne: Wir nehmen Ihre Anliegen ernst, aber diese Regierung nicht. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/ Die Grünen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Damen und Herren! Bei Ihnen scheint eine Stimmung aufzukommen wie in der Südkurve eines Fußballstadions. Ich glaube, das ist dem Ernst der Lage wirklich nicht angemessen. ({0}) Sie haben gerade von dem Kollegen aus dem Haushaltsausschuss gehört, dass der Bundesfinanzminister Eichel den Fachleuten Rede und Antwort gestanden hat und dass die Koalition die Situation im Griff hat. ({1}) Volker Beck ({2}) Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie den Finanzminister im Ausschuss hören und ihn da festhalten wollen oder ob Sie mit ihm hier im Plenum diskutieren wollen. ({3}) Die Bundesregierung ist zu beidem bereit. Aber gleichzeitig - wir sind für das Klonverbot - kann der Minister das nicht tun. Wir werden diese Diskussion im Plenum führen - das ist völlig in Ordnung - und uns hier mit diesem Thema auseinander setzen. Wir haben die Fachdebatte im Ausschuss geführt. Der Bundestag ist natürlich der richtige Ort für diese politische Auseinandersetzung. ({4}) Ich bin aber angesichts des Ernstes der Lage der Meinung, dass wir uns mit Klamaukanträgen wie dem Herbeizitieren von Ministern und dergleichen zurückhalten sollten. ({5}) Die Menschen draußen im Lande wollen keinen kleinkarierten, parteipolitischen Hickhack, sondern einen Beitrag zur Lösung der Probleme. ({6}) Sie werfen dem Finanzminister auf billige Weise vor, er sei an den Zahlen schuld. ({7}) Das ist wirklich absurd; denn dann sind die Landesfinanzminister aus Ihren Reihen schuld an den Haushaltslöchern ihrer Länder und an den Einbrüchen bei den Steuereinnahmen ihrer Länder. ({8}) Was Sie sagen, ist doch grober Unfug. Das wissen Sie auch. ({9}) Meine Damen und Herren, Sie können natürlich morgen die nächste Geschäftsordnungsdebatte führen. Damit werden wir unser Land aber nicht voranbringen. ({10}) Sie werden bei diesen Debatten sehen, dass wir die Mehrheit haben, um diesen Unsinn zurückzuweisen, und dass wir unsere Regierungsmitglieder nicht durch einen solchen Klamauk am Regieren hindern werden. ({11}) Respektieren Sie, dass ein Minister einen Terminplan hat, den er abarbeiten muss, damit er zum Wohle unseres Landes die notwendigen Vorlagen produzieren und Abstimmungen treffen kann! Wir werden uns an dieser Arbeit nicht durch Ihre Anträge hindern lassen. Übrigens, Herr Kollege, Regierungsmitglieder sitzen zum Teil im Plenarsaal, weil Mitglieder des Bundestages nur abstimmen können, wenn sie auf den Abgeordnetenplätzen sitzen. ({12}) Ich frage mich, wo die Mitglieder des Bundesrates sind. Wenn Ihnen diese Debatte so wichtig ist, dann hätten Sie ja einmal Herrn Faltlhauser und Co eine Einladungskarte schicken können. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin, FDPFraktion. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer diese Diskussion am Fernsehschirm verfolgt, wird vielleicht aufatmen, wenn er die Regierungsbank sieht: Denn er glaubt, die Bundesregierung sei zurückgetreten. ({0}) Leider ist dem noch nicht so. Aber was nicht ist, kann ja in Kürze noch werden. ({1}) Man hat zumindest den Eindruck - so ist auch das Verhalten von Bundesfinanzminister Eichel -: Diese Regierung flüchtet vor dem Parlament. ({2}) Dass Bundesminister Eichel an dieser Debatte nicht teilnehmen will, ist eine Missachtung des Parlaments. Es ist wahr: Der Bundesfinanzminister war im Haushaltsausschuss. Wir haben unsere Fragen gestellt. Ich muss Ihnen sagen - ich bin schon lange Mitglied im Haushaltsausschuss -: Ich habe noch nie einen so hilflosen Bundesfinanzminister gesehen wie in dieser Sitzung. ({3}) Es ist ein Skandal, wenn Sie uns hier erzählen, welche wichtigen Termine Herr Eichel hat. Angesichts dessen, dass er erst um 16.17 Uhr dieses Haus verlassen hat, hätte er noch gut hier sein können. Das ist ein Skandal; das ist eine Missachtung. ({4}) Gemäß der Steuerschätzung haben wir 7 Milliarden Euro weniger Einnahmen. Die Bundesanstalt für Arbeit braucht ebenfalls 7 Milliarden Euro usw., usw. ({5}) Das Haushaltsloch beträgt 20 Milliarden Euro. Ich habe bis heute nicht gehört, wie der Bundesfinanzminister dieses Problem lösen will. ({6}) Dazu muss er hier im Parlament Rede und Antwort stehen. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, auch Sie sollten aus Achtung vor dem Parlament dafür sorgen, dass der Bundesfinanzminister hierher kommt. ({8}) - Gut, dann sage ich: Es ist unsere Forderung, dass der Bundesfinanzminister hierher kommt. Ich füge hinzu, dass wir es kurz machen, wenn er einen einzigen Satz sagt - dann kann er gehen -: Ich, Hans Eichel, trete zurück. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag „Herbeirufung des Finanzministers“. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt. ({0}) Wir kehren nun zu Zusatzpunkt 1 zurück. Dazu bitte ich diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte nicht folgen können, den Plenarsaal zu verlassen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist sicher eine der größten Blamagen, die dieses Parlament jemals erfahren hat. ({0}) - Herr Müntefering, diskutieren Sie mit Ihren Kollegen in Ihrer Fraktion darüber, dass sie sich nicht für 4,6 Millionen Arbeitslose und die größte Finanz- und Wirtschaftskrise im Land interessieren, aber hierher kommen, um den Finanzminister fernzuhalten! ({1}) Ihre Kolleginnen und Kollegen kommen oft nur noch hierher, um den Finanzminister fernzuhalten. Sie kommen nicht mehr hierher, wenn es um die Probleme im Land geht. Wir sprechen über eine der größten Vertrauenskrisen in der Bundesrepublik. In dieser Situation ist der Bundesfinanzminister geradezu eine Leerstelle; wir führen eine Phantomdiskussion. ({2}) - Herr Müntefering, Sie waren vorhin, als es um die Probleme ging, auch nicht anwesend. Sie sind ebenfalls nur gekommen, um den Finanzminister fernzuhalten. ({3}) Sie brauchten zwei Unterbrechungen für eine Fraktionssitzung. Von Ihnen hätte man erwarten können, dass Sie die Dreiviertelstunde nutzen, um den Finanzminister hierher zu holen statt ihn fernzuhalten. ({4}) Die Tatsache, dass Sie sich mit innerparteilichen Dingen statt mit den Problemen im Land beschäftigen, führt zu wachsender Verunsicherung im Land, zu Chaos, zu Angstsparen und zu einem Investitionsstopp in der Wirtschaft. Ihr Durcheinandergequake und Ihre Unkoordiniertheit verursachen das Chaos im Land. ({5}) Kein Mensch weiß mehr, was bei Ihnen morgen noch gilt: Heute sagen Sie, dass Steuererhöhungen Gift sind, und morgen sprechen Sie von der Tabaksteuer, diskutieren über die Mehrwertsteuer, die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer und über Ausbildungsplatzabgaben. ({6}) - Dass Sie sich jetzt so aufregen, verdeutlicht mir, dass ich ins Schwarze getroffen habe. Ihr Verhalten und das Ihrer Kollegen muss Ihnen selbst doch höchst unangenehm sein. Laurenz Meyer ({7}) ({8}) Uns bewegt der Umstand, dass es in diesem Land an Verlässlichkeit und Vertrauen mangelt. Das Land braucht wieder Verlässlichkeit, Vertrauen und Planungssicherheit! ({9}) Sie sehen, wie leer die Regierungsbank ist. Der Bundeskanzler kann noch nicht einmal mehr in seiner eigenen Partei, in seiner eigenen Fraktion, im Parlament ohne einen Sonderparteitag Vorhaben umsetzen, obwohl er eine Mehrheit hat. Er hat keine Autorität mehr. ({10}) Der Finanzminister ist im Grunde eine Leerstelle; den gibt es gar nicht mehr. Der wird noch nicht einmal mehr gefragt, wenn Steuererhöhungen vorgenommen werden. ({11}) Der Wirtschafts- und Arbeitsminister entwickelt sich zum Weltmeister im Ankündigen, hat bisher aber überhaupt nichts durchgesetzt. ({12}) - Lieber Kollege Müntefering, ehe Sie sich weiter aufregen: Wissen Sie, was Ihr Problem ist? - Sie führen Deutschland im Kreis herum statt an die Spitze. Wir wollen mit Deutschland wieder an die Spitze. ({13}) Wenn Ihnen das alles noch nicht ernst genug ist, kann ich noch etwas hinzufügen. Ich habe eine Zahl ausgerechnet, die Sie nachdenklich stimmen sollte: In der Zeit zwischen der Rede des Bundeskanzlers in diesem Hause im März und den Sonderparteitagen von SPD und Grünen werden 10 000 Unternehmen in Deutschland Konkurs anmelden. Wenn Ihnen das noch nicht genug Stoff zum Nachdenken gibt, dann weiß ich nicht, was das sein sollte. 10 000 Unternehmen melden Konkurs an, und zwar nur, weil Sie Sonderparteitage machen müssen statt zu handeln. ({14}) Man dachte schon, Sie hätten die Richtung verstanden. Doch dann kam „IWAN“ und Sie schubsen mit dem Hintern wieder alles um, was Sie vorne aufgebaut haben. ({15}) Lassen Sie uns endlich über das reden, was notwendig ist: Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, betriebliche Bündnisse für Arbeit. All das sind Themen, von denen Sie nichts mehr wissen wollen und zu denen Sie nicht klar Stellung beziehen. ({16}) Wir brauchen Modellversuche für die neuen Bundesländer, eine Reform der Sozialversicherungssysteme und ein verlässliches Steuersystem. Das brauchen wir und nicht Ihre Durcheinanderquatscherei! Wir brauchen wieder ein Bekenntnis zu Leistung und Wettbewerb, weil wir nur dann die Finanzen im Land wieder in Ordnung bringen können. ({17}) Handeln Sie endlich! Wir bieten Ihnen schon die ganze Zeit über Zusammenarbeit an, aber Sie sind nicht fähig, zu handeln, weil Sie sich nicht einigen können ({18}) und weil Sie den Menschen vor der Wahl - das ist die ganze Wahrheit - die Unwahrheit erzählt haben. Sie haben mit vier Zeilen signalisiert, dass alles nach oben geht. Sie haben gesagt, wir sollen handeln und nicht schlechtreden. Herr Müntefering, das, was wir hier im Land erleben, haben die SPD und die Grünen zu verantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dafür müssen Sie geradestehen. Sie müssen endlich etwas tun! ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Joachim Poß, SPDFraktion. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben heute Nachmittag wirklich etwas Beispielloses. Das gilt auch für diejenigen, die wie ich diesem Parlament schon ein wenig länger angehören. Es gab, glaube ich, noch nie ({0}) eine Opposition, die sich ihrer staatspolitischen Verantwortung so entzogen hätte, wie Sie das ({1}) Tag für Tag tun. Sie übertünchen das mit solchen Inszenierungen. ({2}) Es wird in der politischen Diskussion Niveauverlust beklagt. Sie führen diesen Niveauverlust permanent herbei. Sie schüren die Verdrossenheit, und zwar zielbewusst, ({3}) weil das Wasser auf Ihre Mühlen ist. ({4}) Sie sind dafür verantwortlich, dass vor sechs Wochen ein Gesetz gescheitert ist, mit dem wir verstärkt gegen Steuerhinterziehungen hätten vorgehen können. ({5}) Sie sind dafür verantwortlich, dass ein Gesetz gescheitert ist, mit dem wir das Ausbluten der Finanzen durch die geringen Steuern der Kapitalgesellschaften hätten stärker verhindern können. Sie verhindern mehr soziale und steuerliche Gerechtigkeit in diesem Land. Das ist die Wahrheit. ({6}) - „2010“, damit haben Sie das richtige Stichwort genannt. Sie sollten überlegen, ob es mit Ihnen so weitergehen soll. ({7}) Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Öffentlichkeit auf Dauer so von Ihnen täuschen lässt, wie das noch in der Vergangenheit geschehen ist. ({8}) Sie haben keinen einzigen konkreten Vorschlag zur Behebung der öffentlichen Finanznot. ({9}) Sie haben keinen einzigen konkreten abgestimmten Vorschlag gemacht. ({10}) So geht es in der Tat nicht weiter; denn das Problem, mit dem wir uns konfrontieren lassen müssen, das Problem der Wachstumsschwäche im dritten Jahr, ist nicht nur ein Problem der Bundesrepublik Deutschland, sondern es ist ein Problem aller Industrieländer weltweit. Das ist die Wahrheit. ({11}) Sie versuchen, die Schuld dafür einem Minister in die Schuhe zu schieben. ({12}) Sie haben durch permanente Schwarzmalerei im letzten und in diesem Jahr einen Beitrag dazu geleistet, dass es weiter bergab geht. Genau das und nichts anderes war Ihr Beitrag. ({13}) Wir leugnen die großen Probleme, die wir lösen müssen, nicht. Wir haben große Probleme, und zwar auf allen Ebenen: Bund, Länder und Kommunen. ({14}) Deutschland hat große Probleme, das Maastricht-Defizitkriterium in diesem Jahr zu erfüllen; ({15}) da beißt die Maus keinen Faden ab. Wir haben auch große Probleme, dieses Kriterium im nächsten Jahr zu erfüllen. Das ist unsere Ausgangslage und mit dieser müssen wir uns alle beschäftigen. Die Union trägt eine große Verantwortung in einer Vielzahl von Ländern. Werden Sie endlich dieser Verantwortung gerecht! ({16}) Wir brauchen angesichts der Mehrheitsverhältnisse große gemeinsame Anstrengungen. Wir müssen in 2004 die Kreditaufnahme des Bundes und der Länder auf die Höhe der Investitionsausgaben begrenzen, wie es die Verfassung vorschreibt. Die Bürger erwarten von uns Politikern, dass wir die dargestellten Probleme angehen und lösen, und zwar gemeinsam, jeder in seiner Verantwortung. ({17}) Jede Talkshow und jeder Klamauk, wie Sie ihn heute Nachmittag veranstalten, in denen Sie sich darauf beschränken, Vorschläge und Initiativen der Regierung niederzumachen und sich einer konstruktiven Mitarbeit an der Lösung der Probleme zu verweigern, löst die Bindung zwischen Politik und Bürgern weiter. Das ist die Wahrheit hier in der Bundesrepublik Deutschland. ({18}) Das Ansehen und die Legitimation der Parlamente wird dabei nur weiter verringert. Wir haben die Agenda 2010 konzipiert, um die Wachstumsschwäche in Deutschland nachhaltig zu überwinden. Diese Agenda hat einen breiten Ansatz: von der Stabilisierung der solidarischen Sicherungssysteme über das Aufbrechen verkrusteter Strukturen zum Beispiel im Gesundheitswesen und die Verbesserung der Kommunalfinanzen bis hin zu verstärkten Aufwendungen für Bildung und Forschung. Das alles muss bis zum Ende dieses Jahres umgesetzt werden. Wenn es umgesetzt wird, wird es bereits im kommenden Jahr einen Wachstumsfortschritt auslösen, der dann in der mittleren Frist noch an Dynamik zunehmen wird. ({19}) Ich erwarte, dass im Zuge der Erarbeitung der nötigen Gesetzentwürfe und der sich anschließenden parlamentarischen Beratungen in diesem Hause die Kritiker auf allen Seiten des Hauses - das betone ich - den nötigen Reformen zustimmen, damit die Menschen im Land, damit die Konsumenten und die Investoren wieder Vertrauen und Zuversicht gewinnen; denn sie haben mit der Agenda 2010 allen Grund dazu. Wer allerdings wie Herr Merz oder Herr Westerwelle den Ausstieg aus den solidarischen Sicherungssystemen, die Aufgabe der Tarifautonomie, den brutalen Abbau von Arbeitnehmerrechten will, der zielt auf die Wiedereinführung einer Klassengesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland ab. Das werden wir nicht mitmachen. ({20}) Wir werden den Sozialstaat sichern und erhalten. Das ist unsere Aufgabe. Dafür steht die deutsche Sozialdemokratie. ({21})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Günter Rexrodt, FDP-Fraktion.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Poß, einen so hilflosen Beitrag habe ich selten gehört. ({0}) Dieses Land ist finanziell und wirtschaftlich am Ende. Wir sind Schlusslicht in Europa. Sie tragen seit fast fünf Jahren die Verantwortung und stellen sich hier hin und sagen: Die Opposition trägt dafür die Verantwortung. ({1}) Glauben Sie, Herr Poß, dass Ihnen irgendjemand im Lande dies noch abnimmt? ({2}) Zumindest für meine Partei, aber, wie ich glaube, auch für die ganze Opposition kann ich sagen: Wir bedenken Sie seit Jahren mit Vorschlägen und mit Anregungen, ({3}) was in diesem Lande geändert werden muss, wo die Reformen anzusetzen haben, wo man wieder Vertrauen herstellen kann. Sie verweigern sich dem. Erst nachdem der Herr Bundeskanzler gemerkt hatte, dass es nun gar nicht mehr weitergeht, nachdem die Wahlen in Hessen und Niedersachsen verloren worden waren, hat er sich aufgerafft, eine Rede zu halten, die ein Stück in die richtige Richtung führt. Das geht in die Richtung der Vorschläge, die wir seit zehn Jahren machen. ({4}) Was ist das Ergebnis? Sie zerreden das Ganze hoch und runter. ({5}) Der Kollege Meyer hat es eben gesagt: Vermögensteuer, Mehrwertsteuer, Erbschaftsteuer, Tabaksteuer - ständig etwas Neues. Die Leute verstehen das gar nicht mehr. Sie wissen nur eines: Sie sind unfähig zu regieren. Sie bringen das nicht. Sie können das nicht. Das ist die Ursache für die Vertrauenskrise in unserem Land. ({6}) Wieso ist es denn eine Inszenierung, ({7}) wenn wir den Bundesfinanzminister hier haben möchten in einer Situation, in der uns klar geworden ist, dass die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr verdoppelt werden muss? ({8}) Es ist doch das Natürlichste, dass ein Parlament so etwas will. Ich erinnere mich noch daran: In den Jahren 1999 und 2000 war Herr Eichel immer da, wenn es darum ging, auf seine Erfolge und seine Konsolidierung und auf die Schuldenpolitik der alten Regierung hinzuweisen. Er hat es akribisch vermieden, in dieser Situation auch nur einmal das Wort „Wiedervereinigung“ - die große Herausforderung - in den Mund zu nehmen. ({9}) Heute haben Sie keine Herausforderung der Wiedervereinigung und Sie haben das Land in die Sackgasse geführt. Das ist ein Faktum. Sie beziehen sich - das ist lächerlich - auf die schlechte weltwirtschaftliche Lage. Natürlich ist die schlechte weltwirtschaftliche Lage mit dafür verantwortlich, dass es nicht so aufwärts geht. Aber die Tatsache, dass wir in diesem Kontext, in diesem Geleitzug das Schlusslicht sind, hat ihre Ursache doch nicht in der Weltwirtschaft, ({10}) sondern in Ihrer hausgemachten Politik, in Ihrem Versagen in allen wichtigen Reformbereichen. ({11}) Die Menschen draußen im Lande erinnern sich nach all den großspurigen Reden, die hier in den Jahren 1999 und 2000 geschwungen worden sind, wieder an eine alte Weisheit: Es sind die Sozialdemokraten, die nicht mit Geld umgehen können. ({12}) Ich sage Ihnen auch, warum das so ist: Sie sind in Zeiten, in denen es etwas zu verteilen gibt, diejenigen, die der Verteilungsmentalität am ehesten nachgeben. ({13}) In Zeiten, in denen es nichts mehr zu verteilen gibt und Korrekturen vorgenommen werden müssen, sind Sie diejenigen, die sich damit am schwersten tun. Ihre ganzen Regionalveranstaltungen, Parteitage und sonstigen Klimmzüge sind Ausdruck Ihres Versagens, sind Ausdruck dafür, dass Sie diese Korrekturen nicht durchführen können. ({14}) Dass wir uns in dieser Situation befinden, ist auf Ihr Versagen in der Steuerpolitik zurückzuführen - insbesondere den Mittelstand haben Sie vergrätzt - und darauf, dass Sie den Arbeitsmarkt nicht deregulieren, obwohl Sie das angekündigt haben. Ich komme - auch mit Blick auf die Zeit - nur noch zu einem Gedanken. ({15}) Die Politik der letzten Legislaturperiode, die Sie selbst proklamiert haben, war eine Politik der Bündnisse und der runden Tische. Es gab Bündnisse für alles und jedes. So mogelt man sich im Grunde genommen aber nur um die notwendigen harten Entscheidungen herum. Die Politik der Bündnisse ist total gescheitert. Sie hat - das sagen Sie selbst - nichts gebracht. ({16}) Deswegen muss jetzt eine Politik angesagt sein, die harte Einschnitte macht, die wir alle mittragen müssen. Dazu sind Sie nicht in der Lage. Deshalb stimmen die Finanzen nicht. Deshalb sind wir vor die Wand gefahren. Es wird höchste Zeit, dass diese rot-grüne Regierung zurücktritt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie müssen in der Tat auf Ihre Redezeit achten.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

An der Spitze muss dieser Finanzminister zurücktreten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003577, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rexrodt, als Schatzmeister der FDP würde ich die Frage, wer mit Geld umgehen kann und wer nicht, nicht in einer Rede im Deutschen Bundestag thematisieren. ({0}) Ich muss überhaupt feststellen, dass die von der Union und der FDP produzierte Aufgeregtheit im umgekehrten Verhältnis zu der Anzahl der von Ihnen gemachten konstruktiven Vorschläge steht. Sie haben hier keine konstruktiven Vorschläge gemacht. ({1}) Sie haben hier nicht gesagt, was zu tun ist, sondern haben sich mit einer Verfahrensfrage vergnügt, wahrscheinlich weil Sie davon ablenken wollen, dass Sie intern Probleme bei der Frage haben, was jetzt zu tun ist. Wenn man sich die Lage nüchtern anschaut, dann stellt man fest, dass die Situation der Wirtschaft sehr schwierig ist und wir eine gigantisch hohe Arbeitslosigkeit haben, die wir bekämpfen müssen. Dafür gibt es Ursachen, Ursachen, für die Sie verantwortlich sind ({2}) - zum Beispiel die falsche Finanzierung der deutschen Einheit -, Ursachen, für die wir verantwortlich sind, weil wir zum Beispiel den Reformprozess etwas zu spät begonnen haben, ({3}) und Ursachen, für die niemand von uns verantwortlich ist, weil sie mit der Weltkonjunktur oder mit den Fragen der Finanzierung und der Kredit- und Zinspolitik etwa der Europäischen Zentralbank zu tun haben. Es ist doch klar, dass zum Beispiel die Aufwertung des Euros bei unserer Exportabhängigkeit die wirtschaftliche Situation in Deutschland zusätzlich schwieriger macht und dass deswegen ein Zinssignal aus Brüssel notwendig ist. ({4}) Ich komme zu den Punkten, die ich für wichtig halte. Ich frage die Union, ich frage Sie, Frau Merkel und Herr Merz: Welche Strategie verfolgen Sie wirklich? So, wie die Debatte heute war, habe ich den Eindruck, Sie setzen darauf, aus irgendeinem politischen Kalkül alles mies zu reden und alles schlecht zu machen ({5}) und diese Regierung auf diese Art und Weise zu schwächen. Ich sage Ihnen, was das ist: Wenn Sie über den Bundesrat nicht konstruktiv sagen, was Sie wollen, dann machen Sie schäbige Parteipolitik auf dem Rücken der arbeitslosen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und nichts anderes. ({6}) Lassen Sie mich an der Agenda 2010 und den aktuellen haushaltspolitischen Fragen deutlich machen, was ich meine. Sie gehen im Land umher und sagen, Hartz sei gescheitert und die Agenda 2010 sei nicht viel wert. Ich will Ihnen einmal zeigen, dass die Wirtschaft dies anders sieht. In der Beilage der deutschen „Börsen-Zeitung“ vom 15. Mai sagt Heinrich von Pierer, Siemens: Bundeskanzler Schröder hat im März mit seiner Regierungserklärung ein Reformprogramm für Deutschland vorgestellt. Die Agenda 2010 ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. ({7}) Wir alle sollten jetzt gemeinsam diesen Schritt gehen. Dazu muss die Union aus ihrer Miesmacherrolle heraus. ({8}) Jetzt komme ich zur Haushaltspolitik. Wir wären einen ganzen Schritt bei der Sanierung der Haushalte in diesem und im nächsten Jahr weiter, wenn die Union im Bundesrat nicht die Subventionskürzungen verweigert hätte, die wir vorgeschlagen haben. ({9}) Das war doch ein Stück aus dem Tollhaus. Nachdem Sie die Kürzung der Eigenheimzulage - das ist immerhin die größte Subventionierung des Bundes - abgelehnt haben, war am nächsten Tag Herr Merz in den Medien und hat dargestellt, dass dies eigentlich ein Vorschlag ist, den man machen müsste. Sie wissen nicht, was der eine sagt und was der andere will. Aber gemeinsam haben Sie mit der Blockadepolitik, die Sie im Bundesrat veranstaltet haben, den Ländern, den Gemeinden und deren Investitionskraft geschadet. ({10}) Dafür tragen Sie die Verantwortung. Deswegen lassen wir es nicht durchgehen, dass Sie sich hier zulasten der Arbeitslosen über die Verfahrensfrage dilettieren, wo der Finanzminister gerade ist. Stellen Sie Ihre Antworten in den Raum! Dann kann man vernünftig politisch darüber diskutieren, was wir machen müssen. Damit komme ich zu dem, was für das nächste Jahr für einen verfassungskonformen Haushalt benötigt wird. Wir müssen uns zusammensetzen, sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat, und uns überlegen, mit welcher Strategie wir am besten Subventionen und Finanzhilfen des Staates abbauen können, und zwar in einer Weise, die die Konjunktur, die ja schlecht ist, nicht zusätzlich abwürgt. Das ist eine gemeinsame Aufgabe. Meine Forderung an das Hohe Haus und an alle Fraktionen ist, dass es keinen Tabubereich bei dieser Aufgabe geben darf. Denn wenn wir Tabubereiche hinnehmen, werden wir diese Aufgabe nicht meistern. Da bin ich auf Ihre Vorschläge gespannt. ({11}) Dazu will ich Diskussionen haben. Herr Kauder, wenn Sie die Steuerdiskussionen ansprechen und dabei auf die Regierungsfraktionen zeigen, dann zeigen einige Finger auf Sie zurück. Es sind doch Ihre Ministerpräsidenten, die mit der Mehrwertsteuer herumspekulieren. ({12}) Ich denke nur an den Kollegen in Sachsen-Anhalt, dessen Strategie die Mehrwertsteuererhöhung ist. Sie sollten ganz vorsichtig sein; Sie sind nicht besser. ({13}) Alle Ministerpräsidenten der Länder haben ein Problem: Durch Ihre Blockade in der Finanzpolitik haben sie keine verfassungskonformen Haushalte mehr. Das muss sich die Union einmal ins Stammbuch schreiben lassen, bevor hier so großartige Reden gehalten werden, wie Sie es versucht haben, Herr Kollege Kauder. Ich danke Ihnen. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz allem kontroversen Hin und Her stehen drei Dinge fest: erstens, dass die Kollegen Poß und Kuhn dringend eine Portion Valium brauchen - anders ist dieses Geschrei nicht zu interpretieren -, ({0}) zweitens, dass am 14. März 2003 der Bundeskanzler hier eine Regierungserklärung zum Thema „Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung“ abgegeben hat, und drittens, dass den Bundeskanzler und seine Regierung dieser Mut ganz offensichtlich schon längst verlassen hat, weil seit dem 14. März 2003, seit fast zehn Wochen, nichts passiert ist. ({1}) Stillstand herrscht in Deutschland. In der SPD wird nur wegen einer ganzen Reihe von Querulanten gestritten. Das hat dieses Land nicht verdient. ({2}) Es waren trotz aller drängenden Probleme zehn verlorene Wochen für unser Land. Wenn ich mir die Debatte in dieser Woche anschaue und was die Menschen in unserem Land erwarten, dann ist es wirklich grotesk, wenn die Koalition als ersten Punkt der Kernzeit am morgigen Donnerstag periphere Punkte des Verbraucherschutzes aufgreift. Stattdessen sollte sie sich den drängenden Fragen in der Finanzpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Wirtschaftspolitik und der Steuerpolitik widmen, wie wir und die Menschen in Deutschland es erwartet hätten. Ich möchte an eine Parallele erinnern und Ihnen sagen, wie das vor genau sechs Jahren war, was von uns als damaliger Regierung am 16. Mai 1997, also etwa zum gleichen Zeitpunkt wie jetzt, nach der damaligen Steuerschätzung, erwartet worden ist und wie wir das gehandhabt haben. Es gab eine große Debatte, in der der Bundesfinanzminister Theo Waigel, der Bundeskanzler Helmut Kohl höchstpersönlich und der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble aufgetreten sind. Wir sind mit der ersten Garde angetreten. Deswegen ist es auch so blamabel, dass nun, nachdem wir dieses Thema aufgegriffen haben, außer dem Verteidigungsminister, der vielleicht qua Amt hier ist, um die Dinge einigermaßen zu verteidigen, niemand von den Ministern anwesend ist. ({3}) Es ist auch ganz interessant, sich einmal anzusehen, was die damalige Hauptrednerin der SPD-Opposition unserem Finanzminister Theo Waigel damals entgegengeschleudert hat. Ich nenne nur einige Stichworte: Finanzchaos, Finanzschrecken, Augen-zu-und-durch-Politik, Verhohnepipelung, finanzpolitischer Abgrund, Herr der Löcher, verheerende Bilanz, Minusrekord, Steuerlügen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das damals angeblich so schlimm war, dann müssten wir als Opposition heute mit noch ganz anderen Kanonaden und Geschützen auffahren, um die Lage, in der sich Deutschland gegenwärtig befindet, einigermaßen zu beschreiben. Festzuhalten ist: Seit zehn Wochen gibt es nichts anderes außer dem Streit in der SPD. Ich glaube, dass der 14. März - wenige Tage vor Ausbruch des Irakkrieges von der Regierung und vom Bundeskanzler taktisch gewählt worden ist, um möglicherweise im Windschatten der kriegerischen und außenpolitischen Auseinandersetzungen schwierige Dinge für Deutschland zu erledigen. Böse Zungen könnten auf die Idee kommen, dass dieser Krieg dem Bundeskanzler zu früh und von der falschen Seite her ausgebrochen ist. ({5}) - Hören Sie den Leuten im Land zu und achten Sie darauf, wie die ganz normalen Menschen und die Gewerkschafter, Menschen, die traditionell die SPD wählen, reden! Es hat schon seinen Grund, dass Sie in den Demoskopien jetzt bei 26 Prozent gelandet sind; ({6}) denn Ihnen laufen nicht nur Wechselwähler, sondern auch Ihre Stammwähler scharenweise davon. ({7}) Dieser Stillstand bringt die Politik leider Gottes insgesamt in Misskredit. In Fernsehauftritten und Anzeigen wirbt der Bürgerkonvent für sich. In einer Fernsehschaltung wird das Reichstagsgebäude, der Deutsche Bundestag, ins Visier genommen. Eigentlich müsste dieser Kameraschwenk vor allen Dingen das Bundeskanzleramt treffen, denn hier liegt die Ursache der gesamten Blockade, und in eine Sitzung der SPD-Fraktion, in der die Blockierer sitzen, hineinleuchten. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Ramsauer, schauen Sie bitte auf Ihre Uhr.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, mit großem Interesse können wir auch den teuren Werbe-, Anti- und Prokampagnen entgegenblicken, die jetzt auf uns zukommen sollen. Der DGB will 5 Millionen Euro in Kampagnen gegen die Regierung investieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Ramsauer, bitte schauen Sie auf die Uhr vor sich.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Andere wollen 4 Millionen Euro für die Regierung investieren. Das ist eine besondere Art der politischen Desinvestition. Das alles kann aber nicht die Lösung unserer Probleme sein. Ran an die Reformen! Wir haben gesagt, dass wir konstruktiv mitarbeiten. Nur so bringen wir unser Land in eine gedeihliche Zukunft. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Walter Schöler, SPDFraktion. ({0})

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Dr. Ramsauer hat seinen Rezeptblock gezückt, um zwei Kollegen hier Valium zu verpassen. Schreiben Sie sich auch einmal Gingko-Tabletten auf! Die sollen nämlich das Langzeitgedächtnis etwas auf Vordermann bringen. Das ist bei Ihnen offensichtlich notwendig. Wenn Sie schon aktuelle Situationen beschreiben, dann sollten Sie sich auch noch einmal ganz kurz die Frage stellen, wer solche Situationen zu verantworten hat. ({0}) Wer hat denn diesen Schuldenaufbau über viele Jahre betrieben? ({1}) Herr Rexrodt, Sie haben eben gesagt, das sei zehn Jahre lang geschehen. In diesen zehn Jahren waren Sie noch gut fünf Jahre Wirtschaftsminister. Ich schätze, dass Sie an diesem Schuldenaufbau sehr intensiv beteiligt waren. ({2}) Sie sollten deshalb den Mund nicht so voll nehmen. Sie haben über zehn Jahre eine Klientelpolitik betrieben. Ich erinnere mich an einen Ihrer Vorgänger, der den Mund noch etwas mehr aufgeblasen hat als Sie heute und angekündigt hat: Ich bleibe nur im Amt, wenn ich Subventionen reduziere. - Das wird für uns alle in den nächsten Jahren ein Thema werden. ({3}) Er hat damals angekündigt, dass er im Amt bleiben werde, wenn er Subventionen in Höhe von 10 Milliarden DM abbauen werde. Auf dem Papier hat er 9,7 Milliarden DM geschafft, in der Realität waren es 2,7 Milliarden DM. Er musste dann aus ganz anderen Gründen als Sie gehen, aber er ist Gott sei Dank weg. Das sagen Sie sogar. Da müssten Sie mir jetzt zustimmen. Ich will mich nicht weiter mit der Vergangenheit befassen. Aber ich will auf eine Bemerkung von Ihnen wie folgt antworten: In den letzten vier Jahren der Regierung Kohl/Waigel betrug die Neuverschuldung 152,7 Milliarden Euro. In den letzten vier Jahren unter Finanzminister Eichel betrug die Neuverschuldung 104,6 Milliarden Euro. Sie haben in den letzten vier Jahren Ihrer Regierungszeit eine um 50 Prozent höhere Neuverschuldung als Eichel verursacht. ({4}) Eichel hat nämlich den Konsolidierungskurs eingeleitet, in dem wir jetzt sind. Dieser ist unsere finanzpolitische Richtschnur. Wir werden uns sicher mit vielen Realitäten auseinander setzen müssen und sollten nicht allzu sehr über die Vergangenheit reden. Diese konjunkturelle Belastung und auch die Blockadepolitik, die Sie nach wie vor betreiben, erfordern eine Neujustierung der haushalts- und finanzpolitischen Ziele. Trotz aller Schwierigkeiten: Wir halten an diesem Konsolidierungskurs fest. Die drei Jahre andauernde wirtschaftliche Schwächephase belastet zunehmend alle öffentlichen Haushalte. Das wissen wir. ({5}) Die der Haushaltsplanung der Bundesregierung zugrunde liegenden Annahmen bewegen sich jeweils im Prognosespektrum der Wirtschaftsforschungsinstitute. Soll ich Ihnen die noch einmal nennen? Frühjahrsschätzung 2002: 2,6 vom Hundert Wachstum des Bruttoinlandsprodukts; Herbstschätzung: nur noch 1,5 vom Hundert; Jahreswirtschaftsbericht: 1,0. Wir sind jetzt bei 0,7. Aber diese Schätzungen haben doch nicht der Finanzminister oder die Bundesregierung gemacht. Sie wissen aus Ihrer Regierungszeit, dass diese Schätzungen von einem Sachverständigenrat gemacht worden sind. Deshalb können Sie diese unvorhersehbaren Verschlechterungen nicht mit der Haushaltsplanung von Hans Eichel in einen Topf werfen. Die Bundesregierung muss sich auf die Sachverständigen verlassen können. Das konnte sie offensichtlich in dem Maße, das wir uns alle gewünscht hätten, in den letzten Jahren nicht mehr. Als Folge dessen und weiterer Gründe entsteht jetzt im Bundeshaushalt 2003 eine Mehrbelastung, die auf der Einnahmen- und Ausgabenseite - grob geschätzt - bei insgesamt rund 15 Milliarden Euro liegen wird. Jetzt komme ich zu Ihrem Kurzzeitgedächtnis, Herr Thiele, nachdem wir schon das Langzeitgedächtnis angesprochen haben. ({6}) Die Kollegen Poß und Kuhn haben es schon erwähnt: Die schwierige Lage, in der wir uns jetzt befinden, wird durch Ihre Blockadepolitik noch verschlimmert. ({7}) Nehmen Sie nur einmal den Bereich der Gemeinden. Durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat werden den Gemeinden in den nächsten vier Jahren 6,1 Milliarden Euro netto vorenthalten. Jeder kann sich ausrechnen, was das für seine Kommune bedeutet. Sie sind diejenigen, die verhindern, dass das notwendige Geld für die Kommunen bereitgestellt wird und Einnahmeverbesserungen für Bund, Länder und Gemeinden erzielbar sind. ({8}) Wir brauchen eine Neujustierung der haushalts- und finanzpolitischen Ziele. ({9}) - Herr Schauerte, Sie haben es noch nicht gemerkt, aber wir sind dabei. ({10}) Wir gehen deshalb davon aus, dass ein Nachtragshaushalt in diesem Jahr kommen wird. Wir werden allerdings im Rahmen der Kreditermächtigung mit diesem Nachtragshaushalt warten können, weil wir einen Haushalt haben, der uns dies ermöglicht. Es besteht keine Notwendigkeit, jetzt schon einen Nachtragshaushalt aufzustellen, der, wie Sie vermutlich gerne möchten, dann durch einen zweiten ersetzt werden müsste.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schöler, werfen auch Sie bitte einmal einen Blick zur Uhr!

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme jetzt zum Schluss, Frau Präsidentin. - Wir werden auf jeden Fall einen solchen Nachtragshaushalt aufstellen und schon vorher werden wir dafür sorgen, dass sämtliche bestehenden Einsparmöglichkeiten berücksichtigt werden. Wir werden vor allen Dingen dafür sorgen - darin sind wir inzwischen auch durch das positive Signal der Europäischen Union bestärkt worden -, dass für das Jahr 2004 wieder ein verfassungsgemäßer Haushalt aufgestellt wird. Davon bin ich überzeugt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schöler!

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie werden uns wahrscheinlich nicht viel helfen. Aber wir können an der Hoffnung festhalten, dass sich zumindest der Bundesrat etwas aktiver an diesen Maßnahmen beteiligen wird als Sie in der Opposition hier. Danke für das Verständnis. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie, dass ich zunächst auch von dieser Stelle aus noch einmal dem Versuch einer Legendenbildung widerspreche, die im Zusammenhang mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz offensichtlich heute fortgesetzt werden soll. Ich habe mich im Zusammenhang mit der so genannten Eigenheimzulage immer wieder dahin gehend geäußert, dass wir uns durchaus mit einer stärkeren Annäherung zwischen der Förderung von Bestandserwerb und der Förderung von Neubauten anfreunden könnten. Das ist unverändert meine Meinung. Ich beziehe mich ausdrücklich auf ein Gesetz des Freistaates Sachsen, das im Bundesrat vorgelegt worden ist. Ich habe die herzliche Bitte, dass Sie - auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD - nicht länger versuchen, mir zu unterstellen, ich würde mich abweichend von dem, was wir im Vermittlungsausschuss zu Recht verhindert haben, mit einer anderen Auffassung zu Wort melden. ({0}) Ich sage dies deshalb, weil wir mit der Verantwortung, die der Union im Bundesrat zugewachsen ist, zu Recht - das betone ich noch einmal - Steuererhöhungen in Deutschland verhindert haben. Denn was Sie geplant haben, war kein Subventionsabbau; es waren vielmehr Steuererhöhungen. ({1}) Ich hatte in dieser Woche Gelegenheit, zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister an einer Wirtschaftskonferenz in den USA teilzunehmen. Die Kollegen, die neben mir die Gelegenheit hatten, daran teilzunehmen, werden Ihnen spätestens morgen nach ihrer Rückkehr bestätigen, dass die Beschreibung der wirtschaftlichen Lage in unserem Lande durch uns, durch die Sachverständigen, durch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute dieses Landes und durch weitere Experten alles andere als Schwarzmalerei ist, Herr Poß. Was wir in diesen Tagen feststellen, ist nach meiner Überzeugung eher noch eine optimistische Einschätzung der Lage der Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland für die nächsten Monate und Jahre. ({2}) Meine Damen und Herren, täuschen wir uns bitte nicht: Das, was auf der anderen Seite des Atlantiks über dieses Land gesprochen wird, weist nur noch bei denen, die ein höheres Lebensalter aufweisen und eine gemeinsame historische Erfahrung der Nachkriegsgeschichte mit Deutschland teilen, einen gewissen emotionalen Zugang zu unserem Land auf. Alle anderen sehen es sehr nüchtern, um nicht zu sagen: ernüchternd für uns. Deutschland spielt für einen großen Teil der Industrie, der Unternehmer, der Menschen, die gewichtige Investitionsentscheidungen zu treffen haben, auf der Landkarte der globalen Ökonomie keine Rolle mehr. Der Ernst der Lage gebietet es, dass wir in diesem Parlament - und zwar in Gegenwart der verantwortFriedrich Merz lichen Minister der Bundesregierung - über die sich daraus ergebenden Fragen diskutieren und dass uns nicht Klamauk vorgeworfen wird, wenn wir als Parlamentarier den Anspruch erheben, diese Fragen im Parlament mit Ihnen zu diskutieren. ({3}) Ich füge in diesem Zusammenhang einen weiteren Punkt hinzu. Herr Kollege Poß, Sie halten es offensichtlich für richtig, nicht nur draußen in den Versammlungen, sondern auch im Deutschen Bundestag das Märchen zu verbreiten, dass wir die Macht der Gewerkschaften in Deutschland beseitigen wollten. - Nein, es geht vielmehr um substanzielle Zukunftschancen dieses Landes. In diesen Tagen ist etwas zu kommentieren und politisch zu begleiten, was die IG Metall gegenwärtig im Osten Deutschlands versucht und was nur als Skandal bezeichnet werden kann, ({4}) nämlich dass sie mutwillig versucht, den einzigen Wettbewerbsvorteil, den die ostdeutsche Metallwirtschaft gegenüber der westdeutschen noch hat - die ostdeutschen Metaller arbeiten drei Stunden mehr pro Woche als ihre westdeutschen Kollegen -, wegzustreiken. Der Bundeskanzler hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass dann das Tarifvertragsgesetz geändert werden müsse, damit auch in Zukunft die Betriebe in Ostdeutschland gegen die Ignoranz der Funktionäre die Möglichkeit haben, ihre Wettbewerbsvorteile zu nutzen. ({5}) Herr Kollege Poß - und alle anderen, die es angeht -, nicht nur die deutsche Opposition, sondern auch führende Kommentatoren der großen Wirtschaftszeitungen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und in der Welt teilen diese Einschätzung. Das, was der Chefredakteur des „Handelsblatts“ heute dazu geschrieben hat, trifft mittlerweile nicht nur auf die Gewerkschaften, sondern offenkundig auch auf große Teile der Regierung zu, die nicht mehr in der Lage ist, das Gebotene in angemessener Zeit zu tun. Er schreibt: Mit ihrer Mischung aus moribunden Wirtschaftstheorien, Fantasien vom Endkampf gegen die neoliberale Weltverschwörung und Widerstandsromantizismen aller Art entfernen sich die Funktionäre immer weiter vom betrieblichen Alltag. Das können Sie eins zu eins auf Ihre Reden in dieser Debatte übertragen. ({6}) Sie entfernen sich von der Realität unseres Landes. Sie sind offenkundig weder bereit noch in der Lage, aus den vorhandenen Erkenntnissen die notwendigen Konsequenzen für unser Land zu ziehen. Wenn dies so weitergeht, dann geht nicht nur ein weiteres Stück Ansehen des Deutschen Bundestages verloren, sondern dann steht auch ein Wohlstandsverlust unbekannten Ausmaßes bevor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Merz, Sie haben Ihre Redezeit überschritten.

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dafür tragen Sie und nicht die deutsche Opposition die Verantwortung. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube - ich habe das schon an anderer Stelle gesagt -, dass wir nicht über die Bewertung der Lage streiten. Die Lage ist dramatisch. Auch die Aussichten für die nächsten Jahre sind schwierig. Aber das macht auch klar, dass sich die Probleme, die wir haben, nicht mir nichts, dir nichts aus der Welt schaffen lassen. Deswegen - das sage ich deutlich in Richtung Opposition - können wir gar nichts damit anfangen, wenn Sie sich im Klein-Klein mit uns verhaken. Das haben Sie getan. Ich weise mit Empörung Ihre Feststellung zurück, dass das Wegbrechen der Steuereinnahmen ein Ergebnis unserer verfehlten Politik sei, wie sich Herr Merz in einer Pressemitteilung ausgedrückt hat. Das Wegbrechen der Steuereinnahmen ist vielmehr ein Ergebnis der verfehlten Politik im Bundesrat, die Sie zu verantworten haben. Aus dieser Verantwortung kommen Sie so nicht heraus. ({0}) - Nein. Das Thema ist viel zu ernst. Ich möchte Ihnen Ihre Verantwortung an folgendem Beispiel deutlich machen: Die von Ihnen geführten Landesministerien erhalten die Meldungen über die Steuereinnahmen früher als der Bund. Sie wussten also schon vor zehn Wochen - darauf haben Sie vorhin abgehoben -, wie dramatisch die Lage ist. Aber Sie haben aus reinem taktischen Kalkül die entsprechenden Entscheidungen nicht zugelassen. Das ist Klein-Klein-Politik und wird dem Ernst der Lage in diesem Land nicht gerecht. Deswegen fällt Ihr Vorwurf auf Sie selber zurück. ({1}) Herr Merz, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sich betroffen zeigen und schnell behaupten, dass Ihre Aussagen zur Eigenheimzulage nicht so gemeint gewesen seien. Sie haben nicht zu einem entscheidenden Subventionsabbau bei dieser Steuervergünstigung beigetragen. Ich bin froh, dass Sie uns jetzt versprochen haben, diesen Subventionsabbau mitzutragen. Ich denke, der Anspruch, den Sie erheben, und der Einfluss, den Sie in der Union haben, hätten schon längst zur Verabredung eines Subventionsabbaus in Milliardenhöhe führen müssen. Tatsächlich haben wir ihn noch vor uns. ({2}) Ich will Ihnen aber auch Folgendes sagen: Ein Subventionsabbau von 10 Prozent in drei Jahren - das ist nicht nur Ihr Ziel, sondern auch das von Herrn Koch und Herrn Steinbrück - wird zu wenig sein. Wir müssen uns schon ein bisschen mehr anstrengen und den Mut haben, uns mehr mit Leuten anzulegen, die Angst haben, Besitzstände zu verlieren. Sie können uns gern im Einzelnen kritisieren; aber bewegen auch Sie sich. Das gilt auch für die FDP, die immer so pseudokonsequent auftritt. Sie von der FDP sind bei den Themen Arzneimittelmarkt und Handwerksordnung völlig bewegungsunfähig. Angesichts der ernsten Lage in unserem Land kann das nicht richtig sein. ({3}) Angesichts der wirtschafts- und haushaltspolitischen Lage in Deutschland ist der heutige Tag nicht unwichtig; schließlich hat sich die EU zu unserer Haushaltssituation geäußert und sie wird es wieder tun. Positiv ist - daran werden wir, die Regierungsfraktionen, anknüpfen; auch Sie müssen da mitziehen -, dass wir es laut Beurteilung durch die EU geschafft haben, das strukturelle Defizit von 1 Prozent abzubauen. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die meinen, wir könnten uns jetzt auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen. Um das zu tun, ist die Lage zu schlecht. Ich spreche diese Beurteilung durch die EU an, weil sie den Weg weist, den wir in den nächsten Jahren vor uns haben: den Abbau des strukturellen Defizits. Ich komme auf einen negativen Punkt in der Beurteilung durch die EU zu sprechen. Die EU schreibt uns ins Stammbuch, dass Deutschland ein Problem damit hat, sich auf die mit der Überalterung der Bevölkerung verbundenen Finanzprobleme richtig vorzubereiten. Ich fordere insbesondere die Union auf, keine Blockadepolitik zu betreiben. ({4}) Zur Rentenfinanzierung und zur Finanzierung der Alterssicherungssysteme werden die heutigen Rentenbezieher und die jüngere Generation einen Beitrag leisten müssen. Reformen kommen hier nur zustande, wenn die Bundesregierung und die Regierungen der unionsgeführten Länder zusammenarbeiten. Von der Bereitschaft der unionsgeführten Landesregierungen zur Zusammenarbeit wird abhängig sein, ob Sie - auch mit Blick auf das Jahr 2004 - an einer Besserung der Lage in diesem Land mitarbeiten wollen. Wenn es erneut um dieses Thema Alterssicherung geht, treffen wir uns wieder. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter, CDU/ CSU-Fraktion.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Hajduk hat gerade bei der Behandlung mehrerer Themen Angebote zur Zusammenarbeit mit der Opposition gemacht, beispielsweise bei der Reform der Rentenversicherung. Offensichtlich ist die Rentenversicherung zu einer starken Belastung für die öffentlichen Haushalte geworden. Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass eine der ersten Taten der rot-grünen Bundesregierung war, die Rentenreform, die wir vor der Bundestagswahl 1998 auf den Weg gebracht haben - sie sah die Einführung eines demographischen Faktors vor -, auszusetzen. ({0}) Die Belastungen für den Bundeshaushalt, die daraus folgten, sind heute eine der Ursachen für die explodierenden Sozialabgaben in unserem Land. ({1}) Die Riester-Rente ist ein Flop; sie führt zu keiner Entlastung des Bundeshaushalts. Frau Kollegin Hajduk, es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, hier einmal selbstkritisch festzustellen: Es war ein Fehler, den demographischen Faktor außer Kraft zu setzen und die Bundeshaushalte über Gebühr zu beanspruchen. Dies gilt auch für viele andere Bereiche: Wir stünden heute anders da, wenn Sie die völlig verfehlte Steuerreform mit Ihrer damaligen Mehrheit nicht im Bundestag und Bundesrat durchgedrückt hätten. Die derzeit zu verkraftenden Ausfälle bei den Körperschaftsteuereinnahmen sind ein Reflex auf einen völlig verfehlten steuerpolitischen Ansatz, den Sie, Frau Kollegin Hajduk, respektive die mit Ihnen verbundene politische Mehrheit im Deutschen Bundestag durchgesetzt haben. ({2}) Der Wahrheitsfindung dient die Aussage: Das eigentliche Haushaltsrisiko ist die verfehlte Haushalts-, Steuerund Finanzpolitik dieser Bundesregierung. ({3}) Ich teile die Auffassung der Kollegin Hajduk, dass wir endlich handeln müssen. Nur: Mitte März hat der Bundeskanzler hier angekündigt, er wolle jetzt handeln. Aufgrund von Sonderparteitagen verschieben wir das Ganze aber bis Mitte Juni. Ich höre, dass Deutschland wahrscheinlich bis nach der Sommerpause im September auf Gesetzentwürfe warten muss, die dieses Handeln deutlich machen sollen. Das heißt: Innerhalb eines Jahres nach der Bundestagswahl wird diese Regierung noch keinen einzigen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, der Antworten auf die Krise in unserem Land gibt. Das ist ein verlorenes Jahr für Deutschland. ({4}) Würden Sie so etwas in der betrieblichen Praxis machen, wären Sie wegen Arbeitsverweigerung wahrscheinlich schon längst abgemahnt, wenn man Ihnen nicht sogar gekündigt hätte. ({5}) Wegen der Dauer der Legislaturperiode ist das bei Ihnen nicht möglich. Sie können zu Ihrer Entschuldigung auch nicht anführen, Sie hätten nichts gewusst. Seit dem Regierungswechsel 1998 haben Sie 34 Kommissionen berufen und dafür 12,5 Millionen Euro ausgegeben. ({6}) Wenn es noch eines weiteren Beweises bedarf, füge ich noch hinzu: In der gleichen Zeit haben Sie 1 720 Gutachten in Auftrag gegeben, ({7}) die den Steuerzahler 128 Millionen Euro gekostet haben. Sie waren offensichtlich ganz gut informiert, aber Sie sind nicht handlungsfähig, weil Ihnen der politische Kompass verloren gegangen ist. Es fehlt Ihnen an der Kraft, politische Mehrheiten umzusetzen. Da Sie auf Gutachten und Kommissionen nicht hören, sollten Sie einmal lesen, was Ihnen heute der Bundesbankpräsident, ein Sozialdemokrat, gesagt hat. Ich entnehme einem Interview, dass er sich schwer tut, der Agenda 2010 etwas Positives abzugewinnen, weil er erst lesen möchte, was im Bundesgesetzblatt steht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bringen Sie endlich etwas ins Bundesgesetzblatt! Wir werden Ihnen im Bundesrat gern helfen, dass daraus auch etwas Vernünftiges wird. Nur: Handeln Sie bitte! Wir haben in diesem Zusammenhang wenig Zeit. ({8}) Der Bundesfinanzminister war heute im Haushaltsausschuss. Er hat für Deutschlands Probleme keine Antwort gehabt. Es war eine seltsame Mischung von Beratungsresistenz, Wirklichkeitsverweigerung und Handlungsunwilligkeit zu erkennen. Das Einzige, was er uns mitgeteilt hat, war: Es ist nicht nur ein Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit in der Größenordnung von 10 Milliarden Euro erforderlich, sondern darüber hinaus wird der Bundeshaushalt wahrscheinlich mit zusätzlichen Ausgaben im Bereich der steuerfinanzierten Arbeitslosenhilfe in Höhe von 2,5 bis 3 Milliarden Euro belastet. Ganz imposant fand ich die Begründung des Bundesfinanzministers heute im Haushaltsausschuss dafür, dass er nicht jetzt einen Nachtragshaushalt vorlegt. ({9}) Die Begründung lautete wie folgt: Wenn er jetzt einen Nachtragshaushalt vorlegt, kann er nicht sicher sein, ob er im Jahr 2003 nicht noch einen zweiten Nachtragshaushalt vorlegen muss; deswegen muss der Nachtragshaushalt warten. - Dieser Bundesregierung ist das Heft des Handelns schon längst aus der Hand genommen. ({10}) Sie verwaltet nur noch. Das schadet unserem Land. Was wir brauchen, ist eine Bundesregierung, die handelt und die die Ideale der sozialen Marktwirtschaft wieder in Kraft setzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kampeter, auch Ihre Redezeit ist bereits abgelaufen.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In diesem Sinne, meine sehr verehrte Frau Präsidentin, ist es schon sinnbildlich, dass die Regierungsbank leer ist, wenn wir jetzt diskutieren. Sie tun nichts, Sie müssten etwas tun und wir werden Sie zum Jagen tragen, meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Kampeter sieht älter aus, als er in Wirklichkeit ist. ({0}) Aber um sein Kurzzeitgedächtnis muss man sich Sorgen machen. Er hat von uns eben gefordert, sofort - so ist auch der Titel der heutigen, von der Union beantragten Aktuellen Stunde - mit Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, in der Finanz-, Haushalts- sowie Sozialpolitik zu beginnen. Ich habe mir auf drei DIN-A4-Seiten nur einmal in Stichworten zusammenstellen lassen, was wir in den letzten zwölf Monaten an Strukturreformen nicht nur beraten, sondern auf den Weg gebracht haben bzw. zurzeit beraten. Da sind zu nennen das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit der frühzeitigen Meldepflicht für gekündigte Arbeitnehmer mit Androhung einer Sperre beim Arbeitslosengeld, die Flexibilisierung der Zeitarbeit, neue Zumutungsregeln, flächendeckende Einführung von Personal-Service-Agenturen, ({1}) das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, unter anderem mit Erleichterungen bei der Aufnahme von Minijobs. ({2}) Im Bereich des Gesundheitssystems gibt es etliche Regelungen. Zurzeit findet in diesem Gebäude eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf zum Fallpauschalensystem statt. Wir haben die Ausgaben für Zukunftsbereiche kräftig aufgestockt. ({3}) 25 Prozent mehr geben wir für Bildung, Forschung und Investitionen aus. Wir haben die Mittelstandsoffensive auf den Weg gebracht. Wir tun viel für die Ausbildung junger Leute. Wir haben die Mittel für die neuen Länder richtig justiert ({4}) und insbesondere Abgabenbelastungen gesenkt. Ich erinnere an unsere Steuerreform, deren dritte und vierte Stufe im Jahre 2004 und 2005 in Kraft treten werden. Wir haben auch im Haushalt entsprechend gespart. Der Haushaltsansatz des Jahres 2002 lag nur 3 Milliarden höher als der des Jahres 1999, obwohl wir in der gleichen Zeit einen zweistelligen Milliardenbetrag zusätzlich für die Rentenversicherung aufbringen mussten. Das alles musste erst aus diesem Haushalt erwirtschaftet werden. ({5}) CDU und CSU verschweigen darüber hinaus, dass vorgelegte Strukturreformen an ihrem Widerstand scheiterten. Auf der Ausgabenseite sind sie teilweise für Subventionsabbau, auf der Einnahmenseite, wo ihre Klientel und die der FDP betroffen sind, sind sie dagegen und sagen, es handele sich um eine Steuererhöhung. ({6}) CDU und CSU verschweigen auch, dass sie erst einzelne Elemente ablehnten - Stichwort: Eigenheimzulage -, diese jetzt aber plötzlich auch für reformbedürftig erachten. CDU, CSU und FDP verschweigen in dieser Debatte natürlich auch, dass sie im Beratungsverfahren für den laufenden Haushalt Mehrausgaben in Höhe von 2 Milliarden Euro etatisieren wollten, dabei aber so unseriöse Finanzierungsvorschläge vorbrachten, dass die eigenen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss darüber lachen mussten. Denn der Finanzierungsvorschlag, bei Gewährleistungen Ausgaben zu kürzen und Einnahmen zu erhöhen, ist in dieser Situation und in dieser Größenordnung abenteuerlich. ({7}) Nun, meine Damen und Herren, komme ich zu den Helden in diesem Parlament. Die Helden in diesem Parlament sitzen ganz rechts. Sie haben beantragt, dass morgen als Tagesordnungspunkt die Beratung über einen Antrag aufgesetzt werde, mit dem der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, mit einem Haushaltssicherungsgesetz in diesem Jahr 20 Milliarden Euro einzusparen. ({8}) An diesen Antrag schließt sich eine lange Liste an, die fett gedruckt ist. Aber diese lange Liste enthält keine Vorschläge von Ihrer Seite, sondern diese lange Liste enthält nur die Namen derjenigen, ({9}) die dafür sind. Jetzt mache ich Ihnen einmal klar, was das bedeutet: Das Ausgabevolumen des gesamten Bundeshaushaltes beträgt 248 Milliarden Euro. ({10}) Eine Kürzung um 20 Milliarden Euro entspricht einem Anteil von 8 Prozent. Da hätte ich doch eigentlich erwartet, dass die Helden von der FDP wenigstens auch den Vorschlag machen, die Zuschüsse an die Fraktion der FDP aus dem Haushalt des Bundes gleich einmal um 8 Prozent zu kürzen. Das wäre dann ein vernünftiger Vorschlag gewesen. ({11}) Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Vorschlag stammt von feigen Helden oder, wie man in meiner Kindheit gesagt hätte, von Maulhelden. Nichts dahinter, lauter heiße Luft. ({12}) Nun gebe ich in der Tat zu, dass man bei der Beleuchtung der aktuellen Situation darauf hinweisen muss, dass Deutschland in einer schwierigen Lage ist. ({13}) Aber nicht nur Deutschland. Ich war letzte Woche auf einer Konferenz, wo Finanzminister und Europaminister vieler europäischer Länder zugegen waren. Sie alle haben über die wirtschaftliche Entwicklung in ihren Ländern berichtet. Überall ist das Gleiche zu beobachten. ({14}) 44 Prozent unser Ausgaben fließen allein in die Rentenkasse und in Zinsausgaben. Nimmt man noch die Arbeitsmarktausgaben hinzu, sind wir fast bei zwei Drittel unserer Ausgaben angelangt. Deswegen sind die Reform der sozialen Sicherungssysteme, die Reform der Gemeindefinanzen, die Agenda 2010 des Bundeskanzlers und die Steuersenkungen in den Jahren 2004 und 2005 Teile der richtigen Antwort. Es handelt sich um eine Mischung aus strukturellen Reformen, die wir auf den Weg bringen bzw. schon gebracht haben, und konjunkturellen Impulsen zur Förderung des Wachstums. ({15}) Wir müssen im Jahre 2003 feststellen: Die Eckwerte sind nicht zu halten. Die in Art. 115 des Grundgesetzes festgelegte Grenze wird überschritten. Ein Nachtragshaushalt wird entsprechend vorgelegt werden müssen. ({16}) Wir lassen die automatischen Stabilisatoren in 2003 wirken. Das Dreiprozentziel ist in diesem Jahr nicht zu halten. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2006 muss verschoben werden. ({17}) Aber ich sage hier - und bin dankbar für die Unterstützung durch die Koalitionsfraktionen -: Aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Wir werden ab 2004 - dafür arbeiten wir zurzeit an der Aufstellung dieses Haushalts das strukturelle Defizit entsprechend unserer Vereinbarung auf der europäischen Ebene jährlich im Durchschnitt um einen halben Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts abbauen; das ist eine Größenordnung von mehr als 10 Milliarden Euro. Ich würde mich freuen, wenn sich die Opposition daran lebhaft und mit substanziellen Vorschlägen beteiligen würde. Denn Subventionen, Herr Rexrodt - das muss ich noch einmal sagen -, belasten nicht nur die Ausgabenseite des Bundeshaushalts, sondern in gleicher Höhe die Einnahmeseite. Vorschläge, mit denen auf der Einnahmeseite Subventionen gestrichen werden sollen, dürfen nicht allein mit der Begründung abgetan werden, dass das für die Betroffenen Steuererhöhungen bedeute. Wenn ich auf der Ausgabenseite Subventionen streiche, kneift das bei den Betroffenen ebenfalls; das tut genauso weh wie auf der Einnahmeseite. ({18}) Deswegen werden wir unsere Vorstellungen umsetzen. Wir werden damit finanzielle Spielräume für die Zukunftssicherung erreichen; das heißt, mehr für die Familienförderung, mehr für Bildung, mehr für Ausbildung, mehr für Forschung, mehr für Investitionen an Mitteln freizuhaben. ({19}) Wir stehen zum Stabilitätspakt. Der Ecofin hat für den Fall eines schwachen Wachstums das Überschreiten der Dreiprozentgrenze gebilligt. Den Nachweis der Senkung des konjunkturbereinigten Defizits um 1 Prozentpunkt in diesem Jahr aber hat die EU gefordert. Heute können Sie in den Zeitungen lesen, wie die EUKommission unsere Einsparaktion beurteilt. Im „Handelsblatt“ zum Beispiel heißt es: „EU lobt Eichels Sparkurs und mahnt Reformen an“. ({20}) Damit bringt die EU zum Ausdruck, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass dieser richtige Weg fortgesetzt werden muss. ({21}) Das werden wir mit der Agenda 2010 tun. Die Agenda 2010 muss kommen; sie ist ein wichtiger Beitrag hierzu. Ich bedanke mich. ({22})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Jochen-Konrad Fromme, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Diller, Sie haben eben das Lob der EU Ihrer Politik wiedergegeben. Originalzitat ARD heute Morgen: Der Finanzminister brauche von der EU keine Kritik zu befürchten; er liege schon am Boden und man müsse nicht nachtreten. ({0}) Das ist doch einer der Gründe, warum Sie ihn hier heute verstecken: Der Finanzminister ist bei Ihnen zu einer Nullnummer verkommen. Er war der Meinung, die Tabaksteuer dürfe nicht erhöht werden. Sie haben ihn einfach beiseite geschoben. Er war der Meinung - und damit vielleicht ein bisschen näher an der Realität -, das Wachstum dürfe nur mit 0,5 angesetzt werden. Sie haben es mit 0,7 angesetzt. Sie nehmen ihn überhaupt nicht mehr ernst und deswegen verstecken Sie ihn auch hier. Das ist doch der wahre Grund. Wenn die Liste, die Sie eben vorgelesen haben, gewirkt hätte - es kommt ja nicht darauf an, dass man eine Liste hat, sondern darauf, dass dabei etwas herauskommt -, dann müssten wir diese Debatte hier gar nicht führen, weil wir dann in einer völlig anderen Lage wären. Sie reden davon, dass Sie sparen wollen. Immerhin geben Sie noch über 28 Milliarden Euro mehr aus als vorher! Nun will ich einer Legende vorbeugen. Sie tun immer so, als wenn mit Ihnen die Welt in Ordnung sei; nur weil Sie im Bundesrat nicht die Mehrheit hätten, könnten Sie Ihre Vorstellungen nicht umsetzen. Meine Damen und Herren, Sie haben doch den Kommunen Geld aus dem Steuerehrlichkeitsgesetz versprochen, das nicht in Kraft getreten ist. Dazu zitiere ich Ihren Freund Hickel; das ist der einzige Sachverständige, der neben dem DGB Ihre Vorschläge gutgeheißen hat. Er hat gesagt, mit dem Steuerehrlichkeitsgesetz kämen 3 Milliarden Euro weniger Steuern heraus statt 3 Milliarden Euro mehr. Das ist doch die Wahrheit. Deshalb: Bilden Sie nicht solche Legenden hier! ({1}) Herr Eichel hat heute im Haushaltsausschuss eingeräumt, was alles eintreten wird - die Zahlen sind schon genannt worden -: 10 Milliarden Euro Mehrausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit, weniger Steuern usw. Auf meine Frage, welche konjunkturrelevanten Ereignisse von März bis heute eingetreten seien, hat er keine Antwort gegeben. Das konnte er auch nicht; denn diesbezüglich ist nichts geschehen. Das beweist im Grunde genommen doch nur, dass er im März all das, was jetzt eingetreten ist, schon gewusst hat. Er hat es nur geleugnet, um über die Wahltermine zu kommen. ({2}) Solange Sie so mit der Wahrheit umgehen, meine Damen und Herren von der Koalition, brauchen wir uns über diese Dinge nicht zu unterhalten. ({3}) - Vorschläge haben die von Ihnen bestellten Experten schon im vorigen Jahr gemacht, aber Sie haben nicht auf sie gehört. Das ist genau der Fehler. ({4}) Sie rühmen sich der niedrigsten Steuerquote. Warum ist denn die Steuerquote so niedrig? - Weil die Körperschaftsteuer als Einnahmequelle ausgefallen ist. Das hat nichts mit Steuersenkungen zu tun! ({5}) Schauen Sie sich einmal das Ergebnis von fünf Jahren rot-grüner Regierung an: ({6}) Die Steuereinnahmen sind von 2001 auf 2002 um 4 Milliarden Euro gesunken. Darin ist ein Minus bei der Körperschaftsteuer in Höhe von 20 Milliarden Euro enthalten. ({7}) Das heißt, Sie haben 16 Milliarden Euro Steuern von den großen Unternehmen auf den kleinen Mann verlagert. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. ({8}) Sie brauchen sich also nicht zu wundern, dass die Wirtschaft in Deutschland so schlecht läuft. Die Ursache dafür ist doch nicht der Export oder die Lage auf dem Weltmarkt, sondern es ist die nicht laufende Binnenkonjunktur. Wenn Sie den Menschen über die Erhöhung der Tabaksteuer, der Versicherungsteuer und der Ökosteuer das Geld wegnehmen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn sie nicht mehr konsumieren können. ({9}) Je mehr die Menschen an den Staat abgeben müssen, desto weniger können sie kaufen und desto schlechter ist die Konjunktur. Das bedeutet weniger Arbeit, weniger Steuern und mehr Sozialhilfe. Genau das ist das Ergebnis Ihrer Binnenmarktpolitik. Aufgrund Ihrer Fehler ist Deutschland nicht mehr die Lokomotive in Europa, sondern hat die rote Laterne. ({10}) Nehmen Sie doch einmal die Aussagen Ihrer eigenen Leute: Frau Scheel sagt, dass die Opposition Recht hat und dass Sie nicht schnell genug die Realität erkennen. Auch alle Sachverständigen sind dieser Meinung. Wenn Sie täglich Steuererhöhungsdebatten führen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die Menschen in Ihre Politik kein Vertrauen mehr haben. ({11}) Nun überlegen Sie sich einmal, was den kleinen Mann bewegt, wenn heute einer Ihrer Kollegen von einem Mehrwertsteuersatz von 21 Prozent spricht. Da fühlt sich der kleine Mann doch völlig zu Recht angegriffen. Diese Steuererhöhungsdebatte haben Sie losgetreten. Es wäre viel richtiger, wenn Sie endlich einmal die Vorschläge der Sachverständigen aufgreifen würden. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts kostet die Staatskasse nichts, schafft aber Vertrauen in der Wirtschaft und verbessert das Investitionsklima. Aber diesen Zusammenhang leugnen Sie und beginnen stattdessen mit Statistiktrickserei. Ich erinnere an die Debatte über die Maastricht-Kriterien. Seinerzeit hieß es: 3 Prozent sind 3 Prozent - nicht mehr und nicht weniger. Nun fangen Sie an, das strukturelle Defizit vom konjunkturellen zu trennen. Warum? - Weil Sie die Rüge aus Brüssel fürchten und jetzt versuchen, mit der Bürokratie in Brüssel einen Weg zu finden, um sich verstecken zu können. Aber die Menschen haben längst begriffen, was los ist. Sonst hätten sie Sie in Niedersachsen und Hessen nicht abgewählt. ({12}) Erkennen Sie endlich den Ernst der Lage! Sorgen Sie dafür, dass die Regierung hier vor der Öffentlichkeit und nicht nur - wie Herr Eichel - in nicht öffentlichen Sitzungen Stellung bezieht! ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Doris Barnett, SPD-Fraktion.

Doris Barnett (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Finanzminister - wir haben es gerade gehört - hat schon letzte Woche kein Geheimnis daraus gemacht, dass sich die Steuereinnahmen nicht so entwickeln, wie von den weisen Schätzern geschätzt wurden. Ihre Forderung, dass er hier erscheinen soll, war doch nur eine große Show. Wenn Herr Koppelin sagt, dass er für einen Satz hierher kommen soll, dann frage ich mich, was seine Anwesenheit bringen soll. ({0}) Sie plustern sich hier Woche für Woche nur auf und verlangen Aktuelle Stunden praktisch zu den gleichen Themen. Sie selbst haben Woche für Woche nichts anderes anzubieten als dieselben haltlosen und platten Vorwürfe. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Debatte nur die Fortsetzung Ihrer Talkrunden mit anderen Mitteln ist. So haben Sie sich hier geriert: als sprächen Sie nur zu den Menschen an den Fernsehern. Aber wir sind hier im Plenum, im Parlament. Sie missachten das Parlament, nicht wir - dass wir uns da richtig verstehen! ({1}) Diese Aktuelle Stunde dient nur Ihrer aufgeplusterten Selbstdarstellung und leider nicht der Problemlösung, die unser Land wirklich verdient hätte. Auf jeden Fall überzeugen Sie nicht gerade durch Kreativität, allenfalls durch Betonmentalität. Ich muss Ihnen deshalb sagen: Deutschland hat eine bessere Opposition verdient. ({2}) Damit Sie dies endlich ordentlich üben können, werden Sie es noch lange bleiben. Denn wer in der Opposition nicht gut ist, kann erst recht nicht in der Regierung gut sein. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ({3}) Ihnen ein paar Seiten des Berliner Telefonbuchs vorzulesen. Das ist nämlich genauso lehrreich wie diese Aktuelle Stunde. Sie hören sowieso nicht zu; also lernen Sie auch nichts. Aber mein Respekt vor diesem Haus gebietet einen anderen Umgang. Deshalb für alle, die es immer noch nicht wahrhaben wollen: Wir haben viele Reformen auf den Weg gebracht, die aber nicht über Nacht wirken können, selbst wenn sie von Sozialdemokraten kommen. Etwas Zeit sollten Sie uns schon geben. Wenn es ab 1. April dieses Jahres möglich ist, einen Minijob anzunehmen, dann können Sie doch nicht allen Ernstes erwarten, dass sechs Wochen später schon Hunderttausende gemeldet sind. Genauso ist es bei den PSAs. Auch die wirken nicht über Nacht. Dass Sie so tun, als sei das, was wir gemacht haben, nichts, weil Sie darauf hoffen, die Früchte unserer Arbeit zu ernten, ({4}) das kann ich noch verstehen. Schaffen werden Sie das nicht! ({5}) Es ist richtig, dass in Deutschland derzeit wirtschaftlich nicht alles zum Besten steht. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, auf der Sie allzu gerne herumreiten, ohne zuzugeben, dass Sie selbst Mitverursacher sind. Oder glauben Sie, wir hätten 1998 die Arbeitslosen erfunden und die Schulden seien über Nacht gekommen? Die haben doch Sie in 16 Jahren Stück für Stück aufgebaut. ({6}) Schauen wir uns einmal die ganze Wahrheit an - wir können nämlich feststellen, dass die Lage optimistischer ist, als Sie es gerne hätten -: Die Industrieproduktion stieg im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 Prozent. Der Außenhandel legte um 5,4 Prozent zu. Auch die Einzelhandelsumsätze zeigten in den Monaten Januar und Februar im Vorjahresvergleich klar nach oben. Die gleiche Entwicklung haben wir beim verarbeitenden Gewerbe: auch hier ein Plus von 2,2 Prozent. Bei der Stahlproduktion legten wir um 5,5 Prozent zu. Also, so schwarz, wie Sie die Lage zeichnen, ist sie nun wirklich nicht. ({7}) Es wäre für alle am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten nützlich, wenn Sie endlich aufhören würden, Weltuntergangsstimmung zu verbreiten. Die hilft niemandem: weder der Wirtschaft noch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und erst recht nicht den Menschen in diesem Land. Sorgen Sie lieber dafür, dass unsere Reformen, die wir im Hinblick auf eine gute Zukunft in diesem Lande durchführen wollen, nicht durch Ihre Leute im Bundesrat gestoppt werden, indem Sie zum Beispiel behaupten, wenn man Subventionen kürze, treibe man die Steuern nach oben. Es ist Quatsch, was Sie da sagen. Denn Sie selbst gehen klammheimlich her - Herr Merz wurde im Zusammenhang mit der Eigenheimzulage schon mehrfach zitiert - und führen das, was wir wollten und was Sie abgelehnt haben, häppchenweise wieder ein. Wahrscheinlich warten Sie damit, bis in Bayern die Landtagswahlen vorüber sind. Dann kommen auch Sie mit der ganzen Wahrheit heraus. Hätten Sie im April bei unserem Gesetzentwurf mitgemacht, hätten die Gemeinden bis 2006 6,7 Milliarden Euro mehr in den Schatullen. ({8}) Aber durch Ihre Betonpolitik haben Sie dafür gesorgt, dass aus den 6,7 Milliarden ganze 600 Milliönchen wurden. Das sind 9 Prozent. Ihre CDU-Oberbürgermeister jammern jetzt die Welt voll und fragen, wo das Geld bleibt. Dazu kann ich nur sagen: Bedanken Sie sich bei Ihren Freundinnen und Freunden im Bundesrat und im Bundestag! ({9}) Anstatt Aktuelle Stunden zu verlangen, die so aktuell sind wie die Zeitung von vor einer Woche, sollten Sie sich lieber an die Arbeit machen und endgültig mithelfen, dieses Land nach vorne zu bringen, anstatt es nach unten reden. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im Februar dieses Jahres in Ostdeutschland eine Arbeitslosenquote von durchschnittlich ungefähr 20 Prozent erreicht. Nun weiß ich zwar nicht, liebe Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, was die Kollegen aus Ostdeutschland in Ihren Fraktionen zu sagen haben. ({0}) In unserer Fraktion jedenfalls ist eine gewisse Betroffenheit spürbar, wenn Kollegen erzählen, was es bedeutet, den Menschen in dem eigenen Wahlkreis eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent zu erklären. Frau Kollegin Barnett, Sie sagen: So schwarz, wie wir die Lage malen, ist sie nicht. - Auf welchen Wert muss die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland denn noch steigen, ehe Ihrer Meinung nach unsere Warnungen angebracht sind und ehe Sie die Schilderung der Lage in Ostdeutschland als so dramatisch empfinden, wie sie ist? ({1}) Die Menschen in Ostdeutschland haben die SPD gewählt. Wenn die Menschen in Ostdeutschland genauso abgestimmt hätten wie in Westdeutschland, hätten Sie die Wahlen verloren. Die Menschen dort vertrauten Ihnen und gaben Ihnen die Chance für einen zweiten Versuch. Dieses Vertrauen haben Sie - spätestens mit dem, was Sie angesichts der neuen Steuerschätzungen sagen gründlich verspielt. Noch einmal hätten Sie mit diesem Trick bei uns keine Chance. ({2}) Die Menschen in Ostdeutschland regen insbesondere die ständigen Versuche auf, die Schuld auf andere abzuschieben - nach dem Motto: Wir haben jetzt fünf Jahre regiert, aber die Opposition ist an der schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland schuld. ({3}) Bitte aktivieren Sie einmal Ihr Langzeitgedächtnis. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir 1998 drei Reformwerke durchsetzen wollten: eine Gesundheitsreform, eine Rentenreform und eine Steuerreform. Die Steuerreform, auf der Grundlage der so genannten Petersberger Beschlüsse, sah Erleichterungen im Spitzen- und im Eingangssteuersatz vor und hatte eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zum Ziel. ({4}) Was haben Sie gemacht? - Den demographischen Faktor in der Rentenformel haben Sie beseitigt und die vernünftige Steuerreform haben Sie durch eine chaotische Steuerreform des Herrn Lafontaine ersetzt. Die Menschen in Deutschland beobachten Sie jetzt dabei, wie Sie versuchen, eine Reihe von Problemen zu beheben, die ohne Sie niemals entstanden wären. ({5}) Sogar das gelingt Ihnen nicht ohne ständige Rücktrittsdrohungen des Kanzlers. ({6}) Das ist ein peinliches Bild, von dem Sie uns möglichst schnell erlösen sollten. Heute sind wir so weit, dass in Ostdeutschland die Haushaltssperren regieren. Die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben heute Haushaltssperren verhängt. In Thüringen ist es nicht viel anders; dort bezieht sich das auf die disponiblen Titel. Die Länder wissen weder aus noch ein. Es gibt keine Möglichkeit, im Personalsektor mehr zu sparen, jedenfalls nicht kurzfristig. Also wird der investive Bereich weiter beschnitten. Die Konsequenz davon ist, dass in den Kommunen nichts mehr investiert werden kann; sie fallen als öffentliche Auftraggeber aus. Auch die Länder fallen als öffentliche Auftraggeber aus. Die erforderlichen Gelder geraten nicht in Umlauf. Gleichzeitig haben Sie die Eingliederungstitel der Bundesanstalt für Arbeit um ungefähr 1,6 Milliarden Euro im neuen Haushalt zurückgeführt. Auch diese Gelder stehen für den Konsum in Ostdeutschland nicht mehr zur Verfügung. ({7}) Wie soll Ihrer Meinung nach bei einer so dramatischen Reduzierung der Konsumkraft in Ostdeutschland der ostdeutsche Mittelstand aus seiner Krise herauskommen? Ich sehe die Möglichkeit dazu jetzt weniger denn je. Frau Kollegin Hajduk hat uns massive Vorwürfe gemacht, ({8}) weil wir Ihrem Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht in unveränderter Form zugestimmt haben. Ich sage Ihnen: Sie wollten den Mittelstand weiter dafür bluten lasArnold Vaatz sen, dass Sie bei der Körperschaftsteuer riesige handwerkliche Fehler gemacht haben. Das war das Ziel. ({9}) Ihre falsche Logik besteht darin, dass Sie ganz offenbar meinen, dass ausgebliebene Steuererhöhungen für die Mindereinnahmen verantwortlich sind. ({10}) Nein, für die Mindereinnahmen sind inzwischen die Konkurse der Mittelständler verantwortlich: Sie haben die Steuern derart erhöht, dass deren Gewinne dramatisch zurückgegangen sind. Die Investitionsmöglichkeiten blieben aus und sie mussten aufgeben. Das ist die Realität. ({11}) Frau Präsidentin, lassen Sie mich noch einen Satz sagen. - Wir stehen in Ostdeutschland jetzt wieder vor einer Entscheidung; der Kollege Merz hat das schon erwähnt. Augenblicklich bahnt sich ein Streik der IG Metall an. Ich bitte Sie: Sprechen Sie - mit uns gemeinsam - mit den Menschen, damit sie diesen Streik unterlassen! Der Kollege Stolpe hat - nach meiner Ansicht verantwortungsvoll - darauf hingewiesen, dass dieser Streik tödlich ist; auch andere Kollegen wie der Kollege Brandner haben sich in diesem Sinne geäußert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Vaatz, trotz allem ist Ihre Redezeit abgelaufen.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lassen Sie uns mit einer Stimme sprechen. Tragen Sie dazu bei, dass nicht auch noch der letzte Wettbewerbsvorteil in Ostdeutschland verloren geht und sich die Probleme weiter verschlimmern! Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde ist die Kollegin Erika Lotz, SPD-Fraktion.

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es der CDU/CSU wirklich um die Lösung von Problemen ginge, dann hätte heute diese Inszenierung nicht stattgefunden. ({0}) Herr Meyer hat vorhin - wo ist er jetzt eigentlich? ({1}) das Wort von der Verlässlichkeit in den Mund genommen. Ihre Verlässlichkeit hat sich ja heute gezeigt: Das, was unter den Obleuten verabredet worden ist, haben Sie nicht eingehalten. Ich denke, daran kann man sehen, wer dem Ansehen des Parlamentes wirklich geschadet hat. ({2}) Wir, Rot-Grün, reden nicht um die Probleme herum, sondern wir handeln. Wir arbeiten an Lösungen. ({3}) Sie tun so, als sei die weltweite Konjunkturschwäche von der Bundesregierung produziert. Das glauben Sie doch wohl selbst nicht! Herr Vaatz, Sie haben die Finanzsituation der ostdeutschen Länder beklagt. In Westdeutschland ist die Situation auch nicht gerade prächtig. ({4}) In meinem Land, in Hessen, macht Herr Koch zum dritten Mal einen Haushalt, der nicht der Verfassung entspricht. Wenn Sie meinen, hier die finanzielle Situation der Länder und der Kommunen beklagen zu müssen, dann sage ich Ihnen: Es waren doch die Länder, die gegen Mehreinnahmen gestimmt haben. Das kann man doch nicht einfach so machen. ({5}) Sie haben hier die alten Petersberger Beschlüsse der CDU gepriesen. Was hätte denn eine Umsetzung bedeutet? - Eine Entlastung des Zahnarztes und die Belastung der Krankenschwester! Sie wollten doch an die Nachtzuschläge heran. ({6}) Deshalb war es gut, dass wir das verhindert haben. ({7}) - Zu Ihrem Zwischenruf sage ich: Wir haben doch den Eingangssteuersatz von 15 Prozent auf den Weg gebracht. Das ist schon Gesetz. ({8}) Lassen Sie mich nun noch einmal auf die konjunkturelle Schwäche zurückkommen. Sie hat natürlich Folgen für die Sozialversicherungen. Die Einnahmen sinken, während die Ausgaben gleich bleiben oder sogar steigen wie beispielsweise in der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb haben wir dort auch gegengesteuert. Es gab geringere Lohnsteigerungen als erwartet. Das hat sich auf der Einnahmeseite negativ niedergeschlagen, ({9}) genauso wie die Anrechnung übertariflicher Lohnbestandteile. ({10}) Es ist Augenwischerei, so zu tun, als ob diese Belastungen erst heute aufgetaucht seien. Herr Rexrodt, Sie waren es doch, der gemeint hat, dass Wirtschaft in der Wirtschaft stattfinde, ({11}) als Politiker müsse man da nichts tun. ({12}) Wir tun aber etwas, wir handeln. Wer die Belastungen durch das Geschenk der deutschen Einheit nur der Sozialversicherung aufgebürdet hat, soll jetzt nicht die hohen Lohnnebenkosten beklagen. ({13}) Sie tragen dafür die Verantwortung. Gesamtgesellschaftlich hätte das finanziert werden müssen. Deshalb ist es jetzt nicht in Ordnung, wenn Sie bei den Steuereinnahmen blockieren. ({14}) Ja, wir müssen Veränderungen betreiben. ({15}) - Herr Schauerte, ich erlebe jetzt schon zum x-ten Male, dass meine Reden dadurch unterbrochen werden, dass Sie mir vorhalten, ich sei Gewerkschafterin, ich sei IGMetallerin. ({16}) Ich sage Ihnen: Ich bin stolz darauf, dass ich IG-Metallerin bin. Wenn Sie schon immer im Kürschner blättern müssen, wäre es vielleicht angebracht, dass Sie auch einmal feststellen: Diese Erika Lotz hat neun Jahre Akkord gearbeitet. ({17}) Sie weiß durchaus, wovon sie redet. - Deshalb schätze ich die Tarifhoheit. Ich habe mich immer dagegen gewandt, dass Politiker und Politikerinnen sich in die Tarifhoheit einmischen. Deshalb werde ich auch heute als Bundestagsabgeordnete dies nicht tun. ({18}) Natürlich müssen wir handeln. Es sind Veränderungen notwendig, beispielsweise bei dem Gang in die Frühverrentung. Wir wollen doch auch einmal feststellen: Dass man mit 60 in Rente geht, ist nicht von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eingeleitet worden, sondern von Herrn Blüm. ({19}) Schon damals haben wir als Gewerkschafter gesagt: Die Rentenkassen werden geplündert. Die Arbeitgeber haben dafür gesorgt, dass ältere Arbeitnehmer den Betrieb verlassen, ohne dass jüngere ihre Plätze einnehmen. Daran müssen wir arbeiten. Dies muss sich aufgrund der demographischen Veränderungen ebenfalls verändern. Sie fordern hier Veränderungen ein. Ich lade Sie heute noch einmal ein: Tun Sie mit! Lassen Sie das mit den Aktuellen Stunden! Lassen Sie uns wirklich sachlich arbeiten! Dann wären wir schon ein ganzes Stückchen weiter. Danke schön. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22. Mai 2003, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.