Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/7/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb beschlossen. Mit diesem Gesetz setzen wir fort, womit wir bereits in der letzten Legislaturperiode begonnen hatten, nämlich die Liberalisierung des Wirtschaftsmarktes hinsichtlich der Beschränkungen im Handel. In der letzten Legislaturperiode wurden das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung aufgehoben, jetzt haben wir das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb modernisiert. Mit dieser Novelle ist insofern ein Meilenstein gesetzt worden, als wir in § 1 des Gesetzentwurfes die Verbraucherinnen und Verbraucher als Schutzobjekte aufgenommen haben. Erstmals werden sie ausdrücklich in dem Gesetz erwähnt. Bestehen bleibt im Gesetzentwurf die Generalklausel gegen den unlauteren Wettbewerb, die sich unserer Ansicht nach bewährt hat. Wir haben in § 4 des Entwurfes Beispielsfälle aufgenommen, die die Rechtsprechung in Deutschland in den letzten Jahren zum unlauteren Wettbewerb entwickelt hat. So werden die Schleichwerbung, die Ausnutzung der Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen als Konsumenten sowie die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ausdrücklich verboten. Hierzu zählt beispielsweise eine Koppelung von Gewinnspielen mit Kaufangeboten. Sie alle kennen diese Art von Angeboten, bei denen man nur dann an einem Gewinnspiel teilnehmen kann, wenn man auch etwas kauft. Eine Ausnahme besteht - das wissen Sie - für Tageszeitungen. Eine weitere Neuerung in diesem Gesetzentwurf ist die Abschaffung der Sonderverkäufe, des Winterschlussverkaufes und des Sommerschlussverkaufes; darüber wurde in den Zeitungen schon berichtet. Sie wissen, dass diese Zeiten schon bisher aufgeweicht wurden, da zahlreiche Geschäfte vor dem eigentlichen Sommer- und Winterschlussverkauf Sonderangebote bei ihren Waren gemacht haben. Wir glauben, dass die feste Bezeichnung dieser jeweils zwei Wochen im Jahr nicht mehr zeitgemäß ist, und haben deswegen diese Regelung aufgenommen. Wir ermöglichen es dem Handel aber, sich auf solche Zeiten zu verständigen. Abgesprochene Sonderverkäufe sind also nicht unzulässig. Der Handel in einer Region oder einer Stadt kann, wenn er es will, sich auf solche verständigen, zum Beispiel anlässlich eines Stadtfestes. Das wird nicht verhindert. Ein weiterer Punkt, den wir in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, ist das ausdrückliche Verbot der irreführenden Werbung. Sie alle kennen die Werbeangebote „Solange der Vorrat reicht“. Die Unternehmer sind, wenn sie solche Angebote machen, künftig verpflichtet, eine angemessene Stückzahl dieser Produkte vorzuhalten. Es soll nicht mehr passieren, dass man eine Viertelstunde nach Geschäftsöffnung gesagt bekommt, es sei schon alles ausverkauft, man könne aber ein anderes Produkt bekommen, das etwas teurer sei. So etwas wollen wir vermeiden. Ebenso wollen wir vermeiden, dass mit so genannten Mondpreisen geworben wird. Wenn also ein Anbieter Produkte zu einem deutlich vergünstigten Preis anbietet, dann muss er sie vorher zu einem höheren Preis eine bestimmte Zeit lang im Sortiment gehabt haben. Um die belästigende Werbung, unter der viele von uns leiden, etwas zu reglementieren, haben wir § 7, der einen eigenständigen Tatbestand enthält, eingeführt. Danach handelt es sich unter anderem bei der Werbung über Telefonanrufe, über Faxgeräte oder über die elektronische Post, also den E-Mail-Verkehr, um eine unzumutbare Belästigung, wenn der Empfänger nicht einwilligt. Redetext Bei vorsätzlichen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sehen wir jetzt einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung vor. Nach unserer Vorstellung betrifft das vor allen Dingen die Fälle, in denen eine Vielzahl von Verbrauchern mit relativ geringen Kosten belastet wird. In diesem Zusammenhang bringe ich immer ein Standardbeispiel. Dabei geht es um die unerwünschte Zusendung eines Fax. Auf diesem steht, dass man es, wenn man es zukünftig nicht mehr erhalten will, bitte zurückschicken möge, nachdem man das entsprechende Kästchen angekreuzt hat. Wenn man dieses Fax dann zurückschickt, wird die Telefonrechnung mit 3 Euro belastet. Für den einzelnen Teilnehmer ist das natürlich keine besonders hohe Summe. In der Regel ärgert man sich über so etwas, man tut aber nichts dagegen. Für denjenigen, der so etwas initiiert, entsteht natürlich ein enormer Gewinn, wenn er dieses Fax an 100 000 Menschen verschickt. Deshalb haben wir beschlossen, dass sich die Verbraucherverbände um solche Fälle kümmern sollen. Künftig kann man sich also an die Verbraucherverbände wenden und ihnen sagen, sie mögen dort tätig werden. Diese haben andere Möglichkeiten, um gegen solche betrügerischen Unternehmer - so muss man sie bezeichnen - vorzugehen und den Gewinn abzuschöpfen; das sieht das Gesetz vor. Die Verbraucherverbände bekommen die ihnen entstandenen Kosten ersetzt und der abgeschöpfte Gewinn fließt an die Staatskasse. Ich glaube, das ist im Ergebnis nur recht und billig. Wir meinen, dass wir damit ein Gesetz geschaffen haben, welches auf einer breiten Basis steht. Es ist von einer Kommission, die vom Bundesjustizministerium eingesetzt wurde und die sich mit zahlreichen Punkten in diesem Bereich befasst hat - diese hat sie zur konkreten Regelung vorgeschlagen -, erarbeitet worden. Wir glauben, dass es ein modernes Gesetz ist, weil in ihm, wie gesagt, erstmals die Verbraucher als Schutzobjekte benannt werden. Wir meinen, dass wir damit einen guten Ausgleich zwischen den Interessen des Handels und den Interessen der Verbraucher gefunden haben. Auf europäischer Ebene werden derzeit vergleichbare Überlegungen angestellt. Die Bundesregierung ist sehr bemüht darum und daran interessiert, dieses Gesetz als Modellgesetz auch auf die europäische Ebene zu transportieren, um damit auch dort den notwendigen Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher und den Interessen des Wettbewerbs herzustellen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Frau Ministerin. Gibt es Rückfragen zu diesem Bericht? - Herr Kollege Röttgen. ({0}) Fragen Sie aber bitte nicht, ob kurz zusammengefasst werden könnte, was gerade vorgetragen wurde.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Ich hatte erstens gehofft, dass Sie den Hinweis auf mein nicht rechtzeitiges Erscheinen unterlassen würden, und zweitens, dass ich eine kleine Verschnaufpause haben würde. Ich bin aber gerne bereit und interessiert, eine Frage zu stellen. Der Anspruch auf Gewinnabschöpfung ist in seiner konzeptionellen Begründung zu begrüßen. Er zielt darauf ab, wettbewerbswidrig erzielte Früchte zu neutralisieren. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Praktikabilität insbesondere der Gewinnermittlung. Wie wollen Sie den Gewinn in seiner Kausalität bezogen auf wettbewerbswidrige Handlungen ermitteln? Was ist der Gewinn, der durch eine irreführende Werbung erzielt wird? Wie wollen Sie ihn gegenständlich begrenzen? Der Gewinn errechnet sich durch Abzug der Kosten. In welchem Ausmaß wird der Klagegegner in einem Prozess verpflichtet, über seine Kosten Auskunft zu geben? Sie sehen bei einem Rechtsstreit keinen Auskunftsanspruch vor. - Wie beantworten Sie diese Fragen? Wie schätzen Sie die Praktikabilität der Geltendmachung dieses Anspruchs auf Gewinnabschöpfung ein? Ich glaube, Sie müssen den Praktikern diese Fragen beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Ministerin.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Röttgen, Sie haben völlig Recht: Immer wenn ein neues Instrument eingeführt wird, dauert es eine Zeit lang, bis man sich in der Praxis darauf eingestellt hat. Nun ist es aber so, dass dieses Instrument nicht neu ist. Im Zivilprozess müssen in zahlreichen Fällen die entstandenen Kosten geschätzt werden. Denken Sie zum Beispiel an den Streit über die Angemessenheit einer Werklohnforderung. Für solche Fälle gibt es entsprechende Instrumentarien. Ich erinnere an mein Beispiel, das Sie vielleicht vorhin nicht mitbekommen haben und das ich deshalb gerne wiederhole, die unerwünschte Zusendung eines Fax. Darauf steht dann unten: Wenn Sie diese Informationen künftig nicht mehr erhalten wollen, kreuzen Sie Nein an und schicken Sie das Fax zurück. - In diesem Fall aber werden 3 Euro abgebucht. Passiert so etwas bei einer Vielzahl von Menschen, kann der Verbraucherschutzverband, der in einem solchen Fall für den Verbraucher die Klage erheben würde, vor Gericht einen Auskunftsanspruch gegen den Faxversender geltend machen, um herauszufinden, wie viele Faxe versandt und wie viele zurückgeschickt worden sind. Ich glaube, das ist ohne Weiteres möglich. Dass der Umsatz nicht dem Gewinn entspricht, wissen wir beide. Die Kosten - das haben Sie bereits angesprochen - werden vom Umsatz abgezogen. Ich muss gestehen: Ich bin optimistisch, dass die Gerichte in der Lage sein werden, mit diesen Problemen umzugehen. Im Übrigen erhoffe ich mir - insofern ist es gut, dass Sie gerade zu diesem Thema eine Nachfrage gestellt haben - durch die öffentliche Kommunikation der Einführung eines solchen Anspruchs einen hinreiBundesministerin Brigitte Zypries chenden Abschreckungseffekt. Diese Regelung hat, wie immer, eine gewisse präventive Wirkung. Das Beste wäre natürlich, die Menschen würden so etwas erst gar nicht machen. Dann wäre es nicht notwendig, in dieser Form darauf zu reagieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die nächste Frage kommt von Frau Kollegin Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, vom Grundsatz her ist die Änderung des UWG tatsächlich zu begrüßen. Aber der Gewinnabschöpfungsanspruch ist ein bisschen komplizierter, als Sie es eben dargestellt haben. Das wird sich in der Praxis als hoch kompliziert erweisen; denn es ist nicht so einfach, hier die Gewinne zu ermitteln. Meine Nachfrage bezieht sich auf die von Ihnen eben genannte Verhinderung von Mondpreisen. Es geht darum, dass der reduzierte Artikel vorher eine gewisse Zeit lang mit einem höheren Preis ausgezeichnet worden war. Ich möchte gerne wissen, wie umfangreich die Dokumentationspflichten künftig sein werden; denn das Unternehmen müsste diese Preise entsprechend dokumentieren. Zudem interessiert mich, wie auf der anderen Seite der Verbraucher Einsicht nehmen kann.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Abgesehen von ganz kleinen Läden sind die Firmen mit entsprechender EDV ausgestattet, mit der registriert wird, wann Preise herabgesetzt werden oder wie lange ein Artikel zu welchem Preis verkauft worden ist. Sie erinnern sich: An der Kasse wird mit einem Scanner der Warencode gelesen und der Computer zeigt den Preis an. Mit anderen Worten: Der Computer weiß, wie lange der Preis galt. Im Übrigen gilt auch hier, was ich eben sagte: Es wird im Wesentlichen die Aufgabe der Verbraucherverbände sein, sich um solche Themen zu kümmern, nachzufragen und gegebenenfalls zu klagen.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich noch eine Nachfrage stellen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, bitte schön.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Auch dieses Thema wird sich in der Praxis als nicht ganz so einfach erweisen. Aber das will ich jetzt nicht vertiefen. Ich habe eine Nachfrage zum künftigen Wegfall der §§ 7 und 8 UWG, die die Sonder- und insbesondere die Schlussverkäufe betreffen. Die Streichung dieser Paragraphen ist sicher sinnvoll. Sie haben aber gerade dargestellt, dass der Handel dennoch die Möglichkeit hat, im Rahmen einer Gemeinschaftsaktion Sonderverkäufe stattfinden zu lassen. Ist das rein rechtlich mit dem Kartellrecht kompatibel?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Ja, das ist es. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich erlaube mir, erneut eine Nachfrage zu dem eben angesprochenen Anspruch auf Gewinnabschöpfung zu stellen, weil ich es für wichtig halte, dass wir uns von Beginn an dieser Problematik stellen. Ich möchte noch einmal betonen, dass mir dieser Anspruch ordnungspolitisch durchaus geboten erscheint, weil er den wettbewerbswidrigen und insofern ungerechtfertigten Vorteil neutralisiert. Allerdings haben Sie meine Fragen nicht beantwortet. Man kann nicht ein solches Gesetz auflegen und sagen: Mal sehen, wie es wird. Ich habe darum noch zwei Fragen. Erstens. Muss man diesen Abschöpfungsanspruch nicht stärker nach Verletzungsarten differenzieren? Bei der Produktpiraterie ist die Gewinnermittlung viel einfacher und eine andere als bei einer diffus angelegten Wettbewerbsverletzung wie der irreführenden Werbung. Wenn Sie einen solchen Abschöpfungsanspruch als gesetzlichen Vorschlag einbringen, dann müssen Sie eine Vorstellung haben, wie im Falle von irreführender Werbung Gewinn ermittelbar sein soll. Der Gesetzgeber muss davon eine Vorstellung haben, sonst können wir die Praxis nicht mit einem solchen Instrument beglücken. Zweitens. Sie müssen eine Vorstellung davon haben, wie die Gewinnermittlung von der Wahrung betrieblicher Geheimnisse abgegrenzt werden kann. In den Gewinn fließen die Kosten eines Unternehmens ein. Sie haben keinen separaten Auskunftsanspruch. Wo ist die Grenze zur Wahrung betrieblicher Geheimnisse, die dann zur Gewinnermittlung offen gelegt werden müssten? Wie soll der Kläger seine Klage schlüssig und substanziiert begründen, wenn er den Gewinn doch gar nicht kennt? Wollen Sie das im Verfahren des strengen Beweises machen oder wollen Sie eine Billigkeitsregelung? Sie haben jetzt keine Billigkeitsregelung und somit den strengen Beweis, also keine Schätzung, wie es bei § 829 BGB der Fall wäre. Eine konkrete Vorstellung über die angesprochenen Punkte muss schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs vorhanden sein.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Sie sprechen die Forderung der Verbraucherverbände nach einem Auskunftsanspruch an. ({0}) - Das habe ich schon verstanden. - Wir haben überlegt, ob wir einen generellen Auskunftsanspruch einführen sollten. Wir haben dann aber festgestellt, dass das eine große Belastung für die Wirtschaft wäre und weit über das hinausginge, um was es uns eigentlich geht. Uns geht es nur um bestimmte Wettbewerbsverletzungen und nur, wenn sie den Tatbestand des § 10 erfüllen. Das heißt, wer dem § 3, also dem Verbot des unlauteren Wettbewerbs, zuwiderhandelt und dadurch auf Kosten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, ist gemeint. ({1}) Es sind nur bestimmte Fälle betroffen. Nicht jedes Beispiel irreführender Werbung, die Sie eben angesprochen haben, würde dazu führen. ({2}) - Aber es könnte sein, wenn man es vorsätzlich und systematisch betriebe. Dann werden die Verbraucherverbände das Klagerecht in aller Regel wahrnehmen, weil unser Ziel gerade die Gruppe der Verbraucher ist, die nur mit kleinen Beträgen geschädigt wird und deshalb selber kein Interesse hat zu klagen. Wir haben die Verbraucherverbände insofern als Mittler eingeführt, die das Klagerecht haben und im Interesse der Verbraucher den Anspruch geltend machen. Diese werden im Zweifel ein Grundurteil beantragen. Die Beantwortung der Frage nach der konkreten Höhe werden sie dem Prozess überlassen; denn der Beklagte muss in dem Prozess Auskunft darüber geben, was er erlangt hat. Das entspricht den allgemeinen Prozessregeln. Ich sehe insofern kein Problem. Ich habe vollstes Vertrauen, dass das funktionieren wird. Ansonsten rege ich an, dass wir das in der Sitzung des Rechtsausschusses diskutieren und vertiefen, wenn das Gesetz behandelt wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das wird sich wohl ohnehin nicht vermeiden lassen. ({0}) Nun hat Frau Kollegin Höfken das Wort.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung, ich habe wegen der laufenden Ausschusssitzung den Anfang der Debatte nicht mitbekommen. Ich möchte betonen, dass ich die bisher vorgetragenen Änderungen sehr gut finde, und die Ministerin fragen, inwieweit sie den Verbraucherschutz insgesamt in der Neufassung des Gesetzes berücksichtigen wird und ob entsprechende Initiativen auf EU-Ebene geplant sind.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden in § 1 des Gesetzentwurfs ausdrücklich als Schutzobjekte benannt. Ich habe auch eben in meiner Antwort auf die Frage des Abgeordneten Röttgen erläutert, welche zusätzlichen Möglichkeiten wir den Verbraucherverbänden einräumen, im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher tätig zu werden, zum Beispiel im Zuge der Gewinnabschöpfung. In diesem Bereich sieht der Gesetzentwurf eindeutig mehr Möglichkeiten vor. Ich meine auch, dass die Sonderregelungen in § 4 - die explizite Aufzählung dessen, was verboten ist; insofern erfolgt eine Kodifikation von Verboten gegenüber dem bisherigen Richterrecht - die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter stärken. Auf europäischer Ebene gibt es derzeit sozusagen einen Wettbewerb zwischen dem für den Verbraucherschutz zuständigen Kommissar auf der einen Seite und dem Wettbewerbskommissar auf der anderen Seite über Regelungen gegen den unlauteren Wettbewerb. Wir meinen, dass wir den Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb auf europäischer Ebene quasi als Modell einführen könnten, mit dem ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und denen der Wirtschaft geschaffen wird. Wir sind mit anderen Worten dabei, auf europäischer Ebene für diesen Ansatz des Gesetzentwurfs zu werben, um insoweit auch auf dieser Ebene einen sachgerechten Ausgleich herbeizuführen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kauder.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich möchte noch einmal auf den Gewinnabschöpfungsanspruch zurückkommen. Teilen Sie unsere Meinung, dass der prozessuale Weg im Gesetz vorgegeben werden muss? Die von Ihnen etwas hastig angedachte Lösung im Zusammenhang mit dem Grundurteil ist unseres Erachtens nicht der richtige Weg. Zunächst einmal muss ein Wettbewerbsverstoß feststehen; denn die Kalkulation eines Produkts ist Betriebsgeheimnis. Insofern muss zunächst eine Flanke geöffnet werden, um das Betriebsgeheimnis durchbrechen zu können. Das ist unseres Erachtens - dafür ist aber eine entsprechende gesetzliche Regelung notwendig - nur in Form einer Stufenklage möglich. Die erste Stufe ist die Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit. Mit der Stufenklage wird dem Anspruchsgegner die Möglichkeit gegeben, gegen das Urteil in der ersten Stufe Rechtsmittel einzulegen. Erst wenn der Instanzenzug abgeschlossen ist, steht rechtskräftig fest, dass die Wettbewerbsverletzung gegeben ist. Dann tritt man in die zweite Stufe ein. Es ist nicht erforderlich, erneut zu prozessieren, mit der Folge, dass in der zweiten Stufe Schadensersatz geltend gemacht werden kann. Ich bitte Sie, Ihr Vorhaben noch einmal zu überdenken, damit eine praktikable Lösung angeboten werden kann, die auch dem Interesse des Marktes gerecht wird.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter Kauder, die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fraktion der CDU/CSU, dass unnöBundesministerin Brigitte Zypries tige Gesetze unterbleiben sollten. Im Zivilprozess liegen bereits alle Möglichkeiten der Klageverfahren, die Sie eben genannt haben, als Gesetzestext vor. Das heißt, man kann sich darauf berufen. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, in jedem Sondergesetz die Gerichtsverfahren, die sich ohnehin nach dem allgemeinen Zivilprozess richten, noch einmal gesondert aufzunehmen. Ich würde Ihre Anregung gerne insofern aufgreifen, als wir das Thema im Rechtsausschuss diskutieren und in Erwägung ziehen sollten, die Begründung des Gesetzentwurfs entsprechend zu ergänzen, um damit den Rechtsanwendern Hinweise darauf zu geben, wie diese Klageverfahren nach Auffassung des Bundestages ablaufen sollten. Ich halte dies für eine bessere Lösung im Sinne der Klarheit der Gesetze.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zu dem vorgetragenen Bericht habe ich nicht registriert. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist offensichtlich auch nicht der Fall. Gibt es Fragen zu sonstigen aktuellen Themen im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung? ({0}) - Die gibt es zwar immer, aber sie wurden heute nicht angemeldet. Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 15/901, 15/917 Gemäß Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde rufe ich zu Beginn der Fragestunde zunächst die dringlichen Fragen auf. Zuerst kommen wir zur dringlichen Frage 1 des Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg: Teilt die Bundesregierung die im „Focus“, Ausgabe 19, Seite 28, zitierte Einschätzung des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, die dieser während des Jahrestreffens ehemaliger deutscher Botschafter im Auswärtigen Amt gemacht haben soll, nämlich, dass sich die USA zu einem „Polizeistaat“ entwickeln würden? Zur Beantwortung steht uns die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, zur Verfügung. Bitte schön, Frau Müller.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Guttenberg, ich beantworte Ihre dringliche Frage wie folgt: Die Unterstellungen des Artikels im „Focus“ sind aus unserer Sicht völlig abwegig und absurd. Sie wurden vom Auswärtigen Amt sofort und mit aller Schärfe dementiert. Weder hat Staatssekretär Jürgen Chrobog eine solche Einschätzung abgegeben noch entspricht dies der Auffassung der Bundesregierung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, da der Grundsatz audiatur et altera pars auch bei mir einen sehr hohen Stellenwert hat Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sie dürfen das ruhig auf Deutsch wiederholen.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- und der Herr Staatssekretär heute leider nicht persönlich anwesend ist, darf ich Sie fragen, welche konkreten Äußerungen der Staatssekretär anlässlich der zur Diskussion stehenden Versammlung hinsichtlich der inneren Verhältnisse der USA gemacht hat.

Not found (Gast)

Jedenfalls hat er nichts im Sinne von Polizeistaat oder Ähnlichem gesagt. Ich werde den entsprechenden Vortrag hier aber nicht wiederholen; denn die angesprochene Versammlung war eine interne Sitzung ehemaliger Diplomaten und Botschafter. Das, was in der Presse zitiert wurde, ist jedenfalls abwegig, falsch und unsinnig. Ich möchte noch hinzufügen: Jeder, der Staatssekretär Chrobog und seinen Lebenslauf kennt, weiß, wie wichtig ihm die deutsch-amerikanische Freundschaft ist und wie eng seine Beziehungen zu Amerika sind. Immerhin war er dort sechs Jahre Botschafter, und zwar mit großem Erfolg. Mehr ist zu dem, was in der Presse diskutiert wurde - darauf bezieht sich ja Ihre Frage -, nicht zu sagen.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, darf ich eine weitere Zusatzfrage stellen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, bitte.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ist denn die Bundesregierung der Auffassung, dass sich in den vergangenen Jahren polizeistaatliche Tendenzen in den Vereinigten Staaten herausgebildet haben?

Not found (Gast)

Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die dringliche Frage 2 des Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg auf: Teilt die Bundesregierung zudem die im selben „Focus“-Bericht, Ausgabe 19, Seite 28, wiedergegebene Darstellung, dass die USA „im Innern die bürgerlichen Freiheiten immer weiter einschränken“ würden? Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, dass Sie diese bereits bei der Beantwortung der ersten dringlichen Frage beantwortet haben. Ich weiß nicht, ob Sie sie noch gesondert aufgreifen möchten.

Not found (Gast)

Nein. Ich verweise auf meine Antwort auf die erste dringliche Frage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann hat der Kollege Guttenberg, wenn er möchte, gleichwohl zwei weitere Zusatzfragen. - Bitte schön.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, hält die Bundesregierung demnach die bürgerlichen Freiheiten in den Vereinigten Staaten wenigstens in den letzten beiden Jahren unverändert für gewahrt, wenn ich auf das Zitat zurückgreifen darf?

Not found (Gast)

Welches Zitat?

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich meine das Zitat, das ebenfalls im „Focus“ veröffentlicht wurde und das in meiner zweiten dringlichen Frage enthalten ist, nämlich dass die USA „im Innern die bürgerlichen Freiheiten immer weiter einschränken“ würden.

Not found (Gast)

Noch einmal: Beide Zitate, die im „Focus“ veröffentlicht worden sind, weise ich als abwegig zurück. Die Position der Bundesregierung wurde hier und auch gegenüber den Medien ausführlich dargestellt. Eine allgemeine Bewertung der amerikanischen Innenpolitik ist meines Erachtens hier nicht das Thema. Selbstverständlich - das dürfte auch Ihnen bekannt sein - hat es im Zuge des 11. September 2001 zur Terrorbekämpfung einige Veränderungen gegeben. In den Vereinigten Staaten wurde sogar ein neues Ministerium, das Department of Homeland Security, eingerichtet. Aber wir können hier nicht in die Einzelheiten gehen. Natürlich gibt es dort Veränderungen, die zu bewerten sind. Aber die Bewertungen, die in der Presse zitiert sind, entsprechen in keiner Weise unserer Auffassung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Zusatzfrage, Herr Guttenberg.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ist denn die Bundesregierung der Ansicht, dass der Vorrat gemeinsamer Werte mit den Vereinigten Staaten über die kontrovers diskutierte Frage der Todesstrafe oder über einzelne Aspekte des Umweltschutzes hinaus schwindet? Auch das war in den letzten beiden Tagen zu lesen.

Not found (Gast)

Werter Kollege, auch dies ist ein angebliches Zitat von Staatssekretär Chrobog aus einer deutschen Zeitung, das - das möchte ich deutlich sagen - nicht im Zusammenhang mit der erwähnten Veranstaltung gefallen ist. Selbstverständlich gibt es Differenzen, die wir deutlich machen. Die Bundesregierung tritt - Sie wissen dies etwa für die Unterzeichnung und das In-Kraft-Treten des Kioto-Protokolls ein. Hierzu hat die amerikanische Regierung eine andere Auffassung. Wie Sie des Weiteren wissen, lehnt die Bundesregierung die Todesstrafe ab. Auch hierzu gibt es andere Auffassungen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Natürlich kommen diese Differenzen in offenen Gesprächen unter Partnern zum Tragen und werden selbstverständlich auch geäußert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Frage, Herr Kollege Dr. Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann lehnen Sie den Inhalt des „Focus“-Artikels rundweg als frei erfunden ab. Ob das wirklich so ist, kann sich durch die Beantwortung von Nachfragen noch herausstellen. In diesem „Focus“-Artikel steht aber außerdem - das lehnen Sie vielleicht nicht rundweg ab -, dass Staatssekretär Chrobog gesagt hat, die Außenpolitik der rot-grünen Bundesregierung sei vollkommen richtig. ({0}) Gerade gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika hat diese Außenpolitik ihre besonderen - auch verbalen Noten gehabt. Was sagen Sie zu dieser Äußerung von Staatssekretär Chrobog?

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Ich freue mich natürlich darüber, dass der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Herr Chrobog die Außenpolitik der Bundesregierung so nachdrücklich unterstützt. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Man hätte aus Ihrer Äußerung fast eine gewisse Verblüffung heraushören können. Weitere Nachfragen zu den Antworten auf diese beiden dringlichen Fragen liegen nicht vor. Ich werde dann nach den Richtlinien für die Fragestunde die auf Drucksache 15/901 vorliegenden Fragen in der üblichen Reihenfolge aufrufen. Die Fragen 1 und 2 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wurden zurückgezogen. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister Schwanitz zur Verfügung. Ich rufe Frage 3 des Kollegen Singhammer auf: Werden allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes, BND, die von dem überraschenden Beschluss des Bundessicherheitskabinetts, den BND komplett nach Berlin zu verlagern, betroffen sind, die gleichen Ausgleichs- und Übergangsregelungen zugestanden wie den Kolleginnen und Kollegen der Abteilung 3 „Auswertung“, die bereits in diesen Monaten nach Berlin verlagert wird, und, wenn ja, in welcher konkreten Höhe entstehen dadurch zusätzliche Kosten für den Bundeshaushalt auf der Basis der aktuellen Erfahrungen mit der Verlagerung der Abteilung 3?

Not found (Gast)

Herr Kollege Singhammer, die Antwort auf Ihre Frage lautet wie folgt: Auch für die weiteren nach Berlin umziehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes sollen das Dienstrechtliche Begleitgesetz und die mit ihm zusammenhängenden Hilfen bereitstehen. Die konkrete Höhe der entstehenden Kosten lässt sich derzeit noch nicht benennen, da sich die Planungen zur Umsetzung der Entscheidung der Bundesregierung erst in einem Anfangsstadium befinden. Wie Sie in Ihrer Frage richtig darstellen, wird die Abteilung 3 erst in den kommenden Monaten nach Berlin umziehen. Erfahrungen aus diesem Umzug werden daher erst im Herbst dieses Jahres zur Verfügung stehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, bitte.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, am 24. März 1999 hat der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Steinmeier im Plenum des Bundestages erklärt - er wurde nach Plänen, den Bundesnachrichtendienst von Pullach bei München zu verlegen, gefragt -: Zum ersten Teil Ihrer Frage will ich wiederholen, dass nach unserer bisherigen Konzeption - ich sehe nicht, dass diese verändert werden muss 1 000 Mitarbeiter nach Berlin verlegt werden, sodass die restlichen 3 500 bis 4 000 Mitarbeiter des BND, die in Pullach und in den Landkreisen um München herum arbeiten, dort bleiben werden. Welchen Verbindlichkeitsgrad haben Ihre jetzigen Auskünfte hier, im Plenum des Deutschen Bundestages, nachdem sich herausgestellt hat, dass die damalige Aussage von Herrn Steinmeier offenkundig nicht eingehalten worden ist, obwohl 4 000 Mitarbeiter des BND und 12 000 Familienangehörige darauf vertraut haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Singhammer, meine Ausführungen hier sind selbstverständlich verbindlich. Ich denke, etwas anderes würden Sie auch nicht akzeptieren. Ich habe mir in der Vorbereitung dieser Fragestunde das Protokoll der Fragestunde vom 24. März 1999 angesehen, auf die Sie abstellen. Wer sich die Formulierung von Staatssekretär Dr. Steinmeier genau anschaut, der wird feststellen, dass er die Schwierigkeit der relativ großen räumlichen Entfernung zwischen dem Raum München und dem Raum Bonn - Bonn war damals noch der Sitz des Bundestages nicht verschwiegen, sondern thematisiert hat. Er sprach beispielsweise von „bisherigen Planungen“. Das deutet darauf hin, dass man sich dieses Problems bewusst war. Seit Frühjahr 1999 hat sich die internationale Sicherheitslage objektiv in hohem Maße geändert. Zusätzlich kommen sicherlich noch positive Erfahrungen hinzu, was die bereits zu diesem Zeitpunkt vollzogenen Veränderungen und den Zuzug von Personal des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin betrifft.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, trifft es zu, dass die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes über eine solch gewichtige und auch für die Lebensumstände ihrer Angehörigen entscheidende Veränderung der Sach- und Beschlusslage, nämlich Verlegung des kompletten Dienstes, entgegen dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes erst unmittelbar vorher informiert worden sind, wenige Minuten bevor ohnehin die Presse dies gemeldet hat, und damit das, was man unter vertrauensvoller Zusammenarbeit versteht, nicht stattgefunden hat?

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Ich gehe nicht davon aus, dass es sich um eine solche Information der Mitarbeiter gehandelt hat, die dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit widerspricht. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, dass gerade auch die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung, übrigens auch dem Parlament, und den bereits hier in Berlin befindlichen Teilen des Bundesnachrichtendienstes nicht nur ein positives Empfinden bei den Informationsempfängern, sondern auch beim Bundesnachrichtendienst selbst geschaffen hat. Deswegen teile ich Ihre Einschätzung nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 4, ebenfalls von Herrn Kollegen Singhammer, auf: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Welche konkreten Schätzungen führen zu der Annahme der Bundesregierung - die „Welt“ vom 14. April 2003 -, dass mit dem Verkauf des BND-Geländes in Pullach bei München ein Erlös von 500 Millionen Euro erzielt werden könne, der zur Finanzierung der Neubaumaßnahmen in Berlin ausreichen würde, und, wenn diese Summe nicht erzielt werden kann, in welchen Haushaltstiteln wären die fehlenden Mittel dann vorgesehen?

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Die Antwort lautet wie folgt: Konkrete Schätzungen über die Höhe der durch den Verkauf des BND-Geländes in München zu erzielenden Einnahmen liegen bisher nicht vor. Die Bundesregierung hat die zuständige Oberfinanzdirektion mit entsprechenden Prüfungen beauftragt. Das Ergebnis dieser Arbeit liegt bisher nicht vor. Die Mittel für die Finanzierung der in Berlin erforderlichen Neubau- und Renovierungsmaßnahmen sind im Wirtschaftsplan des Bundesnachrichtendienstes auszuweisen. Einzelheiten des Wirtschaftsplans unterliegen der Geheimhaltung und werden nur den dafür zuständigen parlamentarischen Gremien des Deutschen Bundestages vorgelegt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Herr Staatsminister, trifft es zu, dass der Bundesnachrichtendienst, wenn er verlegt werden würde, wie es die Bundesregierung vorhat, nach den eigenen Planungen der Bundesregierung disloziert - an mehreren Orten in Berlin untergebracht - werden würde, das heißt das Prinzip eines einheitlichen Ortes, so wie es jetzt in Pullach bei München gegeben ist, aufgegeben würde und der Dienst über mehrere Standorte in Berlin verteilt wäre?

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Ich will zunächst darauf hinweisen, Herr Kollege Singhammer, dass der Bundesnachrichtendienst auch jetzt natürlich nicht nur den Sitz Pullach hat, auch wenn dort sicherlich der Hauptsitz ist. Ich kann die Vermutung, die Sie formulieren, nicht bestätigen, da die Sitzfrage, was die Berliner Situation betrifft, erst im Zuge der weiteren Planungen geklärt wird. Es wird ohnehin einen schrittweisen und, wie ich denke, sehr sozial verträglichen Vollzug - ich erinnere an die entsprechenden Rechtsgrundlagen - geben. Zu den Einzelheiten der Planung und den weiteren Absichten verweise ich - ich bitte da um Verständnis - auf die kurzfristig erfolgende Information der parlamentarischen Gremien. Bereits am heutigen Nachmittag wird eine entsprechende Information gegeben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie noch eine letzte Frage. Sie haben gerade erklärt, dass Schätzungen über die Kosten des Umzugs derzeit nicht vorgenommen werden können. Nun sind aber 500 Millionen Euro in der Diskussion. Haben Sie irgendeinen Hinweis darauf, woher diese Summe von 500 Millionen Euro in die Diskussion gekommen sein könnte, vor allem auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass derzeit noch gar nicht feststeht, wie das Areal des BND von der Gemeinde Pullach, die die Planungshoheit hat, überplant wird, welchen Anteil am Gelände der Bannwald hat, welche möglichen Altlasten im Gelände liegen und welcher Ensembleschutz für Teile der Liegenschaften besteht?

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Herr Kollege Singhammer, ich verfüge nicht über diesbezügliche Informationen. Die von Ihnen genannte Zahl tauchte wohl zum ersten Mal in einem Artikel in der „Welt“ auf, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Es müssen ja - Sie haben darauf hingewiesen - bezüglich der Erlösmöglichkeiten der Immobilie Gespräche mit den Gemeinden aufgenommen werden. Das ist ja auch der Grund, warum die entsprechenden Finanzbehörden, die ich schon genannt habe, hiermit beauftragt wurden. Deswegen kann diese Zahl zum jetzigen Zeitpunkt keinen seriösen Hintergrund haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frage 5 des Kollegen Fahrenschon: Mit welchem Gesamtaufwand einerseits - zum Beispiel Abbau von Benzinlagern und Bunkern, Suche und gegebenenfalls Sanierung von weiteren Altlasten am bisherigen Standort, Umzugskosten, Vorbereitung der Clay-Kaserne am neuen Standort etc. - und mit welchen Erträgen andererseits - zum Beispiel durch den Verkauf von nicht im Bannwald befindlichen Flächen - rechnet die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Vorhaben, den BND in Pullach aufzulösen und komplett nach Berlin zu verlagern?

Not found (Gast)

Konkrete Berechnungen zu den Kosten der Verlegung des Bundesnachrichtendienstes von Pullach bei München nach Berlin liegen bisher nicht vor. Um diese Kosten ermitteln zu können, sind zunächst Schätzungen der zuständigen Behörden und Gespräche mit den betroffenen Gemeinden erforderlich. Insofern gibt es hier also einen direkten Bezug zu der vorherigen Frage. Erst wenn diese Schätzungen und Gesprächsergebnisse vorliegen, wird sich abschätzen lassen, welche konkreten Verwertungsmöglichkeiten sich aus der Liegenschaft in Pullach ergeben und welche baulichen Investitionen zulässig und erforderlich sind. Die Bundesregierung wird die für die Kontrolle des BND zuständigen parlamentarischen Gremien über den Fortgang dieser Angelegenheit unterrichten.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben gerade herausgearbeitet, dass das Bundeskabinett den Beschluss für den Wegzug von der Standortgemeinde Pullach ohne jegliche Finanzierungsabwägungen getroffen hat. Hat es denn wenigstens Bedarfsermittlungen am Standort Pullach gegeben und Überlegungen, was man, wenn man einen Umzug durchführt, am neuen Standort braucht? Sind zum Beispiel Untersuchungen bezüglich der Größe des Dienstes in Berlin zumindest angestoßen worden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, Bedarfsermittlungen werden selbstverständlich Bestandteil der entsprechenden Planungsvorbereitungen sein. Es hat eine politische Entscheidung gegeben, in diesem Fall des Sicherheitskabinetts. Es macht sehr wohl Sinn - das ist übrigens auch in der Frage des Kollegen Singhammer angeklungen -, aufbauend auf den sehr positiven Erfahrungen mit den Personalstrukturen, die bereits in Berlin sind, jetzt auch bei diesem Thema solche Strukturen zu entwickeln.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Frage dreht sich noch einmal um die Zusammenarbeit und die Kooperation mit der Standortgemeinde Pullach. Ein wesentlicher Teil der Gegenfinanzierung beruht ja auf der Annahme einer optimalen Ausnutzung des bestehenden Geländes. Dabei handelt es sich immerhin um knapp 10 Prozent des Gebietes der Gemeinde Pullach. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Hat es denn vonseiten der Bundesregierung, die ja Auslöser des Ganzen war, schon erste Gespräche mit der Gemeinde gegeben oder wird das alles über die OFD bzw. den BND abgewickelt?

Not found (Gast)

Es wird insbesondere Aufgabe der OFD sein, die weiteren Vorbereitungen zu treffen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich Ihnen jetzt über die Agenda der dezentralen Gespräche - sozusagen mit dem Kalender in der Hand - nichts berichten kann. Es geht nur im gemeinschaftlichen Miteinander und liegt übrigens nicht nur im Interesse des Bundes, sondern auch im Interesse der Gemeinde Pullach selber, Lösungen zu finden. Die Gemeinde hat - nach dem, was ich mir über die Immobilie habe übermitteln lassen - ein Interesse daran, dieses für die Gemeindeentwicklung sehr wichtige und zentral gelegene Grundstück einer Verwertung zuzuführen, da es für die weitere Entwicklung des Ortes von großer Bedeutung ist, wie auch der Bund natürlich ein eigenständiges Verwertungsinteresse hat. Ich denke aber, dass es hier übereinstimmende Interessenslagen gibt, die sich finden lassen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Herr Kollege Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, aus Ihren Antworten ist ja zu schließen, dass die Bundesregierung keine konkreten Vorstellungen davon hat, welchen Erlös sie mit diesem Areal erzielen kann. Ich sage Ihnen voraus, dass die geschätzten Beträge, die hier im Raum stehen, bei weitem nicht erreicht werden. Aber unabhängig davon meine Frage: Trifft es zu, dass der Betrag, den Sie erlösen werden - vermutlich wird dieser deutlich unter dem liegen, was Sie sich vorstellen -, in den allgemeinen Vermögenshaushalt des Bundes einfließen soll und logischerweise nicht für ein irgendwie geartetes Sondervermögen des BND für den Umzug nach Berlin zur Verfügung steht?

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Herr Kollege Singhammer, ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, dass - wie ich bereits bei der ersten von Ihnen gestellten Frage ausgeführt habe - die weiteren haushaltsseitigen Konkretisierungen in den entsprechenden Gremien des Bundestages, die auch die notwendigen Geheimhaltungsvoraussetzungen erfüllen, erfolgen werden. Die Bundesregierung wird das selbstverständlich transparent machen, aber - ich bitte um Verständnis nicht hier im Plenum des Deutschen Bundestages.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Dr. Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, bei all Ihren Ausführungen muss man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen - nicht weil Sie auf einen hohen Erlös der Immobilie spekulieren -, sondern wegen der Lage im so genannten Sicherheitskabinett, was immer das ist, beschlossen haben, den BND von München nach Berlin zu verlagern. Ihre Begründung ist wahrscheinlich, dass Sie die Leute näher an Berlin brauchen, weil in der Welt so viel los ist. Da stellt sich mir die Frage: Müssten Sie dann nicht genauso schnell das Bundesverteidigungsministerium nach Berlin verlagern, damit die Leute bei allen wichtigen Fragen vor Ort sind?

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Einen weiteren Bedarf - wenn darauf Ihre Frage zielt in dieser Richtung sehe ich nicht. In der Tat hat es gerade seit der zweiten Jahreshälfte 1999 - ich darf an den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo, an die Ereignisse am und nach dem 11. September 2001, an Afghanistan und anderes mehr erinnern - eine massive Veränderung der internationalen Lage und der Sicherheitslage gegeben, bei der die Tätigkeit und das Informieren, das unmittelbare und direkte, auch persönliche Informieren durch den BND für die Bundesregierung und, wie ich denke, auch für den Deutschen Bundestag wichtiger geworden sind, als dies zuvor beurteilt werden konnte. Ein solches Defizit ist beim Verteidigungsministerium überhaupt nicht zu erkennen, weil die entsprechenden hierfür notwendigen Strukturen des Hauses präsent sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, müsste das, was Sie gerade als Begründung für eine Verlagerung des BND von Pullach nach Berlin angeführt haben - Sie haben ja die angespannte Sicherheitslage als Begründung dafür genannt -, nicht auch für das Bundeskriminalamt in Wiesbaden oder das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln gelten?

Not found (Gast)

Ich denke, dass man diese Fälle nicht vergleichen kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Beabsichtigt das Bundeskanzleramt, unter Verantwortung von Bundeskanzler Gerhard Schröder entsprechend der von der Staatsanwaltschaft Bonn im Verfahren 50 Js 816/00 eingeräumten Möglichkeit zur Verfahrenseinstellungsabsicht der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme abzugeben, und, wenn ja, bis wann?

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr von Klaeden, die Antwort heißt: Ja, schnellstmöglich.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in dem Verfahren, dessen Einstellung die Staatsanwaltschaft jetzt zum wiederholten Male empfiehlt, geht es um den Vorwurf der Vernichtung von Daten und Akten. Nun berichten mehrere Medien übereinstimmend, dass in diesem Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft festgestellt wird, dass die zentrale Festplatte für den Zeitraum September/Oktober 1998, also den Zeitraum, in dem diese Datenlöschung angeblich stattgefunden hat, im Jahre 1999 unter der Verantwortung Ihrer Bundesregierung vernichtet worden ist. Ich frage Sie: Ist dieser Sachverhalt zutreffend?

Not found (Gast)

Herr von Klaeden, ich bitte um Verständnis dafür, dass wir angesichts der derzeitigen Situation - erstens handelt es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren und zweitens ist die Stellungnahme der Bundesregierung zur beabsichtigten Einstellung, wie ich gerade ausgeführt habe, noch nicht abgeschlossen - dazu keine inhaltlichen Ausführungen machen können. Selbstverständlich ist dieser von Ihnen angesprochene Vorgang Bestandteil des Ermittlungsverfahrens.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte mir doch noch den Hinweis erlauben, dass das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft abgeschlossen ist, der entsprechende Vermerk vorliegt und Sie lediglich noch um eine Stellungnahme gebeten werden. Darüber hinaus muss ich bemerken, dass ich Sie zu einer zentralen Tatsache gefragt habe, mit der sich in der letzten Legislaturperiode ein Untersuchungsausschuss beschäftigt hat. Nach Ihrer Argumentation, während eines Ermittlungsverfahrens keine Stellung beziehen zu können, hätten Sie den Untersuchungsausschuss gar nicht durchführen dürfen. Damals lief das Ermittlungsverfahren und nun ist es eingestellt worden. Ich will in dieser Sache nachfragen: Haben Sie der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass diese Festplatte - ich gehe davon aus, dass es zutrifft - von Ihnen vernichtet worden ist und deswegen die Überprüfung der Vorwürfe nicht möglich gewesen ist?

Not found (Gast)

Herr von Klaeden, Sie wissen - auch darüber ist öffentlich informiert worden; insofern fällt es mir gar nicht schwer, das hier anzusprechen -, dass die Vernichtung von Festplatten selbstverständlich Gegenstand von intensiven Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft gewesen ist. Insofern gibt es hier kein Informationsdefizit, wie in Ihrer Frage angeklungen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Wird sich das Bundeskanzleramt unter Verantwortung von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Falle der Abgabe einer solchen Stellungnahme bei deren Erarbeitung der Hilfe des früheren Ermittlungsführers, Dr. Burkhard Hirsch, bedienen, und, wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

Not found (Gast)

Die Staatsanwaltschaft Bonn hat dem Bundeskanzleramt ihren Vermerk vom 25. März 2003 unter Hinweis auf Nr. 90 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und für das Bußgeldverfahren mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Die Stellungnahme wird derzeit im Bundeskanzleramt erarbeitet. Da sich der Vermerk ausschließlich mit den Ergebnissen der von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Burkhard Hirsch geführten Vorermittlungen befasst, ist es wie bei der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes zum Vermerk der Staatsanwaltschaft Bonn vom Januar 2001 notwendig, Bewertungen zu einzelnen Sachverhaltskomplexen von Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Burkhard Hirsch einzuholen. Die Beteiligung findet im Rahmen des Auftragsverhältnisses zwischen Dr. Burkhard Hirsch und dem Bundeskanzleramt statt.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, die Medien berichten, dass in dem von mir bereits erwähnten Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft der Hinweis vorhanden ist, dass Zeugen in den Protokollen von Herrn Dr. Hirsch Aussagen zugeschrieben worden seien, die sie so nicht gemacht haben. Ich frage Sie: Ist dieser Sachverhalt in dem Vermerk, der Ihnen vorliegt, enthalten?

Not found (Gast)

Ich will ausdrücklich feststellen, dass der in Ihrer Frage mitschwingende Vorwurf, hier seien - ({0}) - Sie wissen, dass ich über die entsprechenden Unterlagen selbstverständlich nicht direkt informieren kann. ({1}) - Informationen aus Ermittlungsunterlagen weiterzugeben steht mir an der Stelle nicht zu. Ich will ausdrücklich feststellen, dass der in Ihrer Frage mitschwingende Vorwurf, hier seien Informationen entgegen der vorhandenen Darstellung nicht korrekt gesammelt worden, aus unserer Sicht nicht zutrifft und auch nicht zutreffen kann. Es haben nämlich keine Einzelbefragungen, sondern intensive Befragungen in Anwesenheit Dritter stattgefunden. Beispielsweise waren jeweils ein Beamter des BKA und des Kanzleramtes sowie ein Protokollführer anwesend. Außerdem gab es die Möglichkeit, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Schließlich wurde das entsprechende Protokoll von den Befragten unterzeichnet. Ich denke also, dass Ihre Befürchtungen ausgeräumt werden können.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Ihre persönliche Integrität - Sie gehören zu der Spitze Ihres Hauses - steht außer Frage. Deshalb frage ich Sie als Ehrenmann: Werden Sie sich persönlich für die Rehabilitierung derjenigen einsetzen, die über einen langen Zeitraum hinweg diskreditiert und zu Unrecht beschuldigt worden sind?

Not found (Gast)

Ich bitte recht herzlich darum, nichts vorwegzunehmen. Wir werden eine Stellungnahme zur Einstellungsabsicht erarbeiten, in der wir unsere Sicht der Dinge darstellen. Ich verweise übrigens in diesem Zusammenhang auf die Antwort auf die von Ihnen mit Datum vom 2. Mai zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage, ({0}) in der wir unsere Sicht der Dinge deutlich machen. Wir bleiben in dieser Stellungnahme von der Grundrichtung her bei der Sicht der Dinge, wie wir sie bisher vertreten haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Polenz.

Ruprecht Polenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002751, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Ihre heutige Diskretion bei der Beantwortung der Fragen von Herrn von Klaeden steht in einem ziemlichen Widerspruch zu dem, was aus Ihrem Hause jeweils im Zuge der unmittelbaren Inkriminierung angeblich verschwundener Akten verlautbart wurde. Deshalb will ich nachfragen: Haben Sie aufgrund dessen, dass im Frühjahr 1999 bestimmte Festplatten gelöscht worden sind, dienstrechtliche bzw. disziplinarische Maßnahmen eingeleitet?

Not found (Gast)

Selbstverständlich ist die Frage der Löschung der Festplatten Bestandteil der bereits vorhin angeführten dienstrechtlichen Vorermittlungen, die Ausgangspunkt für die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gewesen sind, weil derselbe Beamte betroffen ist. Insofern sehe ich diesen Widerspruch nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Guttenberg.

Karl Theodor Guttenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003543, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich anhand Ihrer heutigen Aussage annehmen, dass Sie sich in aller Deutlichkeit von der Aussage, Akten seien verschwunden, distanzieren, die einige Male - wenn auch nicht aus Ihrem Munde - zu vernehmen war?

Not found (Gast)

Wir werden in unserer Stellungnahme deutlich machen, dass wir selbstverständlich an unserer bisherigen Sicht der Dinge festhalten. Es bleibt abzuwarten, zu welchem Prüfungsergebnis die Staatsanwaltschaft Bonn kommt. Ich werbe sehr dafür, keine vorschnellen Wertungen in die eine oder andere Richtung als endgültig festgestellt vorzunehmen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in der zweiten Frage des Kollegen von Klaeden war von einer rechtlichen Grundlage die Rede, aufgrund deren Herr Hirsch auf Wunsch des Bundeskanzleramtes eventuell erneut tätig werden solle. Es ist bereits anzuzweifeln gewesen, dass die Vorermittlungen durch Herrn Hirsch auf einer rechtlichen Grundlage geführt wurden. Wenn sich jetzt herausstellt - Sie winden sich natürlich in Ihren Antworten -, dass sich die vielen Verdächtigungen nicht bestätigen, müssten dann nicht die angefallenen Spesen erstattet werden?

Not found (Gast)

Ich will noch einmal nachdrücklich sagen: Ich habe die feste Erwartung, dass sich das, was wir in den zurückliegenden Zeiträumen in den Vorermittlungen festgestellt haben und was vor dem Hintergrund der entsprechenden Anzeige dargelegt worden ist, am Ende als Sachverhalt darstellen wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kauder.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hatte die Bundesregierung Einsicht in die Ermittlungsakten?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hatte selbstverständlich Einsicht in die Ermittlungsakten.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Bundesregierung dann auch der neueste Stand der Ermittlungen bekannt?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich muss auf Folgendes aufmerksam machen: Es kann nur eine Zusatzfrage gestellt werden. Insofern muss ich es jetzt dem Staatsminister überlassen, ob er diese Frage beantworten will oder nicht.

Not found (Gast)

Die gestellte Frage ist hinreichend unspezifisch, wenn ich das einmal so formulieren darf. Deswegen fällt es mir ohnehin schwer, dazu Stellung zu nehmen.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich die Frage konkretisieren?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nein, Sie dürfen das nicht mehr. Aber offenkundig wird von der Möglichkeit, das ersatzweise durch andere erledigen zu lassen, Gebrauch gemacht. Der Kollege Fahrenschon hatte sich gemeldet. ({0}) - Geht es um einen anderen Komplex? ({1}) - Gut. Herr Kollege Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage war ja nun relativ eindeutig, nämlich ob die Bundesregierung Einsicht in die Ermittlungsakten hat und ob der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen bekannt ist. Das ist eine ganz konkrete Frage.

Not found (Gast)

Die Frage ist von mir beantwortet worden.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir haben Sie diese Frage noch nicht beantwortet und ich stelle diese Frage jetzt.

Not found (Gast)

Diese Frage ist vom Kollegen Kauder gestellt worden und ich habe sie positiv beantwortet.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Fahrenschon.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Sie mehrfach deutlich gemacht haben, dass Sie nach wie vor großes Interesse an einer Aufklärung des gesamten Verfahrens haben, und wir jetzt auch die Prüfung durch Herrn Hirsch debattieren, frage ich Sie, ob Sie im Zuge Ihrer Aufklärungsarbeiten darangehen, das Verfahren, wie Herr Hirsch die Dinge geprüft hat, zu prüfen, und ob Sie dazu in der Lage sind und Ihnen dazu die Prüfungsunterlagen von Herrn Hirsch vorliegen.

Not found (Gast)

Ich sehe überhaupt keinen Anlass, die Arbeit von Herrn Hirsch einer kritischen Nachprüfung zu unterziehen, im Gegenteil: Ich glaube, dass Herr Hirsch sehr sorgfältig ermittelt hat. Deswegen ist seine Arbeit vom Bundeskanzleramt auch als Grundlage für die dann erfolgten Maßnahmen genommen worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die letzte Zusatzfrage zu diesem Themenkomplex kommt vom Kollegen Gewalt.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie einen konkreten Zeitpunkt für die Stellungnahme der Bundesregierung zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nennen? Sie haben offenbar Einblick in die Ermittlungsakten genommen - das war Ihre Aussage -, also müssen Sie auch abschätzen können, wann Sie konkret eine Stellungnahme werden abgeben können.

Not found (Gast)

Die Frist für diese Stellungnahme läuft bis zum 31. Mai. Wir werden uns bemühen, in diesem Zeitrahmen die Stellungnahme abzugeben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe damit die Befragung zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Hier steht Frau Staatsministerin Kerstin Müller zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 8 des Kollegen Ruprecht Polenz auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsministers Paul Wolfowitz in seinem Leserbrief im „Spiegel“ 16/2003, Seite 12, dass - wie aus dem offiziellen Protokoll seines Gesprächs mit dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, am 18./19. September 2001 hervorgehen soll - Paul Wolfowitz „nie die Auffassung vertreten habe“, die ihm der Bundesminister des Auswärtigen in dessen „Spiegel“-Gespräch 13/2003, Seite 49, zugeschrieben habe, dass „die USA eine ganze Reihe von Ländern von ihren terroristischen Regierungen notfalls auch mit Gewalt befreien müssten“, sondern dass Paul Wolfowitz laut dem offiziellen Protokoll stattVizepräsident Dr. Norbert Lammert dessen gesagt haben soll, dass „nicht nur das Militär, sondern das ganze Spektrum an Mitteln - unter anderem diplomatische, geheimdienstliche und strafrechtliche - benötigt werde, um den Terrorismus erfolgreich zu bekämpfen“, und inwieweit stimmt die Bundesregierung der Aussage von Paul Wolfowitz in seinem Leserbrief im „Spiegel“ 16/2003 zu?

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Herr Kollege Polenz, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Bundesminister Fischer sieht keinen Anlass, seine Äußerungen in dem von Ihnen genannten „Spiegel“-Interview zu korrigieren. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Ruprecht Polenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002751, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das, dass die Bundesregierung die Aussagen, die der stellvertretende amerikanische Verteidigungsminister Wolfowitz gegenüber dem „Spiegel“ gemacht hat, wonach die ihm vom Außenminister zugeschriebenen Aussagen so nicht zutreffen, zurückweist?

Not found (Gast)

Das heißt, dass Bundesminister Fischer an seinen Äußerungen, die er im „Spiegel“ gemacht hat, festhält.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 9, ebenfalls vom Kollegen Polenz gestellt, auf: Ist aus Sicht der Bundesregierung die Aussage des stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsministers Paul Wolfowitz im „Spiegel“ 16/2003, Seite 12, zutreffend, dass der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, in seinem „Spiegel“-Interview 13/2003 auf Seite 49 die Äußerungen von Paul Wolfowitz aus einem „privaten Treffen“ mit ihm wiedergegeben haben soll, und, wenn ja, entspricht es dem üblichen diplomatischen Umgang, dass der Bundesminister des Auswärtigen Inhalte eines „privaten Treffens“ in aller Öffentlichkeit diskutiert?

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Ich beantworte Frage 9 wie folgt: Bundesaußenminister Fischer hat lediglich Aussagen wiedergegeben, die vom stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsminister Paul Wolfowitz sinngemäß so oder in ähnlicher Form auch in öffentlichen Äußerungen gemacht wurden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Ruprecht Polenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002751, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Er hat sich also nicht auf ein privates Gespräch bezogen?

Not found (Gast)

Nein. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass dies kein privates Gespräch war. Vielmehr handelte es sich um ein dienstliches Gespräch von zwei Regierungsvertretern. Entscheidend ist aber - ich verweise noch einmal auf die von mir gegebene Antwort -: Es gibt solche oder ähnliche andere öffentliche Äußerungen von Minister Wolfowitz, die in diese Richtung gehen. Wenn man sich mit diesen Fragen der Außenpolitik beschäftigt hat, kennt man diese auch.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Ruprecht Polenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002751, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In dem „Spiegel“-Gespräch bezieht sich der Außenminister aber ausdrücklich auf den 18. oder 19. September 2001, als er mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Wolfowitz gesprochen hat. Ihrer Antwort, in die, um bei Ihrem Standpunkt bleiben zu können, eine Fülle anderer Gespräche einbezogen wurde, entnehme ich, dass der Hinweis des stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsministers, es sei aus einem privaten Gespräch berichtet worden, wohl doch seine Berechtigung hat. Teilen Sie diese Ansicht?

Not found (Gast)

Nein, ich teile sie nicht, das habe ich auch schon einmal erläutert. Erstens handelte es sich nicht um ein privates Gespräch und zweitens hat Herr Minister Wolfowitz - ich möchte das wiederholen - solche oder ähnliche Äußerungen auch an anderer Stelle getan, sodass es in der Sache - hier beziehe ich mich auf meine Antwort auf die Frage 8 - nichts zu korrigieren gibt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was hat die Bundesregierung gegenüber der amerikanischen Botschaft und der amerikanischen Regierung unternommen, nachdem sie die Freude hatte, diesen Leserbrief im „Spiegel“ zur Kenntnis zu nehmen?

Not found (Gast)

Es gibt kein Missverständnis. Dort, wo kein Missverständnis besteht, muss auch keines ausgeräumt werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, heute wird man wirklich ein bisschen irre. Das, was im „Focus“ steht, stimmt nicht, das, was im „Spiegel“ steht, stimmt nicht und das, was Sie hier heute vortragen, ist kaum zu verstehen. Es gibt einen Leserbrief des stellvertretenden amerikanischen Verteidigungsministers Wolfowitz im „Spiegel“, aber was das genau bedeutet, weiß keiner mehr. Irgendwo steht konkret, dass die Vereinigten Staaten alles tun wollen, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Ich frage Sie daher konkret: Macht die Bundesregierung wenigstens da mit oder ist sie auch von diesem Ziel inzwischen abgerückt?

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Ich bitte Sie! Wir haben dazu viele intensive Diskussionen - auch ich war daran beteiligt - mit den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses geführt. Gerade in der Frage des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus ziehen wir an einem Strang, hier gibt es sehr gute Beziehungen und eine enge Zusammenarbeit mit den USA. Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders auf die Vereinten Nationen verweisen. Bei diesem Thema herrscht große Übereinstimmung, das gilt ebenso für das Vorgehen im Nahostkonflikt, Stichwort „Roadmap“. Zu diesem speziellen Zitat, auf das sich Ihre Nachfrage bezieht - hier muss ich Sie einfach korrigieren -, habe ich nicht gesagt, es stimmt nicht, was im „Spiegel“ steht, sondern ich habe genau das Gegenteil in der Beantwortung der Frage 8 gesagt; denn ich habe ausgeführt, dass Bundesminister Fischer von seinen Äußerungen, die er im „Spiegel“-Interview gemacht hat, nichts zurückzunehmen hat, und dabei bleibt es.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Dr. Stinner auf: Welche Institutionen haben bisher nach Kenntnis der Bundesregierung an Unternehmen aus welchen Ländern Aufträge für den Wiederaufbau im Irak vergeben?

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Herr Kollege Stinner, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die USRegierung, in diesem Fall die USAID und das Pentagon, bisher für den Wiederaufbau im Irak Aufträge in einem Umfang von rund 78 Millionen US-Dollar vergeben. Hierbei handelt es sich um Aufträge an US-Firmen sowie um freiwillige Beiträge an WHO und Unicef.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Stinner, bitte schön.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Zusatzfrage, Frau Staatsministerin: Teilt die Bundesregierung die weit verbreitete Ansicht, dass das Verhalten der deutschen Regierung in diesem Zusammenhang in den letzten sechs bis acht Monaten die Chancen deutscher Unternehmen, beim Wiederaufbau im Irak mitzuwirken, drastisch reduziert hat?

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Nein, diese Ansicht teile ich nicht. Ihre Frage bezog sich auf bisher erteilte Aufträge von USAID. Diesbezüglich gibt es keinerlei Verpflichtung der amerikanischen Regierung, auch nicht nach den entsprechenden Regelungen der WTO, Aufträge, für die Amerika Geld ausgibt, international auszuschreiben, weil die amerikanische Regierung im Hinblick auf solche Aufträge ausdrücklich eine Ausnahmeregelung festgehalten hat. Bezüglich der weiteren Zusammenarbeit hat die amerikanische Regierung deutlich gemacht, dass Subaufträge auch an andere Firmen gehen können und werden. Sie hat versichert, dass sie davon ausgeht und es begrüßt, dass in Zukunft beim Wiederaufbau enge Kooperation stattfinden wird und vermutlich auch deutsche Firmen eine Rolle spielen werden. Dort gibt es meines Wissens keinerlei Vorbehalte.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, darf ich Sie darauf hinweisen, dass sich meine Frage nicht auf eine Auftragsvergabe durch USAID, sondern allgemein auf die Vergabe von Aufträgen für den Aufbau des Irak an Unternehmen bezogen hat? Daher meine Nachfrage: Sie haben gesagt, die USA hätten erklärt, dass sie gegebenenfalls durchaus andere Unternehmen einbeziehen wollten. Gibt es diesbezüglich einen intensiven Kontakt zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika?

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Ja, den gibt es. Es gibt auch intensive Gespräche. Ich habe mich in meinen Ausführungen deshalb auf Aufträge aus den USA bezogen, weil Ihre Frage lautete, an welche Unternehmen aus welchen Ländern Aufträge vergeben wurden. Unserer Kenntnis nach sind für den Wiederaufbau im Irak bisher nur Aufträge von der USRegierung und da insbesondere durch USAID vergeben worden. Deshalb habe ich erläutert, dass es im Hinblick auf amerikanische öffentliche Gelder keine Verpflichtung der amerikanischen Regierung gibt, diese Aufträge international auszuschreiben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Stinner: Welches Vergabeverfahren für den Wiederaufbau im Irak hält die Bundesregierung für die Zukunft am geeignetsten und welche diplomatischen Anstrengungen hat sie bereits unternommen, um dieses umzusetzen?

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Ich beantworte die Frage wie folgt: Weder Auslandshilfen durch USAID noch potenzielle Aufträge durch eine neue irakische Regierung unterfallen förmlich dem WTO-Beschaffungsübereinkommen; das habe ich schon erwähnt. Für deutsche Unternehmen wären Auftragsvergaben durch die Vereinten Nationen am günstigsten, da die Beschaffungsregeln der Vereinten Nationen eine Diskriminierung verhindern. Die Bundesregierung wird sich weiter im bilateralen und multilateralen Rahmen für die Einhaltung der internationalen Vergaberegeln einsetzen, um deutschen Unternehmen eine Beteiligung an solchen Aufträgen im Rahmen eines fairen Wettbewerbs zu ermöglichen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Dr. Schröder auf: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen - RD 6566/03 -, darauf bestehen, dass die Anerkennung als Flüchtling nur bei staatlicher oder staatlich zurechenbarer Verfolgung erfolgt, und wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Richtlinie insgesamt verweigern, wenn sie sich insoweit nicht durchsetzt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Menschen, die aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründe - das sind beispielsweise Rasse, Religion oder politische Überzeugung - im Herkunftsland verfolgt werden, der GFK-Status zu gewähren ist und dabei nicht zwischen dem Staat zurechenbarer und nicht zurechenbarer nicht staatlicher Verfolgung unterschieden werden sollte. In beiden Fällen geht es um Verfolgungen, die den Einzelnen in Anknüpfung an die Merkmale der Genfer Konvention an Leib, Leben oder Freiheit gefährden und vor denen er im Herkunftsland keinen Schutz finden kann. Das insoweit gleiche Schutzbedürfnis muss auch zum gleichen Schutzstatus führen. Die Bundesregierung befürwortet deshalb die Einbeziehung auch der dem Staat nicht zurechenbaren nicht staatlichen Verfolgung in den Flüchtlingsbegriff. Das entspricht im Übrigen der ganz überwiegenden internationalen Staatenpraxis. Alle anderen EU-Staaten vertreten gegenwärtig - das muss man in diesem Zusammenhang auch feststellen - die Auffassung, dass auch die nicht staatliche Verfolgung, die dem Staat nicht zugerechnet werden kann, zur Flüchtlingsanerkennung führen muss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie verhält sich Ihre Aussage in Bezug auf die bisher von Bundesinnenminister Schily gemachten Äußerungen? Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Ausführungen von Innenminister Schily im Jahre 2000 in einem Gutachten für den Rechtsausschuss des Bundestages erinnern. Er hat damals ausgeführt: Der Wegfall des Erfordernisses der Staatlichkeit … durch Gesetzesänderungen ließe erheblichen Zuwanderungsdruck erwarten. Darüber hinaus hatte er angegeben, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem für Deutschland bedeutsamen Urteil vom März 2000 festgestellt hatte, dass das deutsche Rechtssystem in Fällen nicht staatlicher Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen nicht lückenhaft sei.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie haben sicher vernommen, dass meine Ausführungen den jetzigen Verhandlungsstand und -inhalt in Brüssel zu dieser Richtlinie wiedergeben. Ich habe deutlich gemacht, wie das gesamte Szenario aussieht und in welchen Teilen sich unsere Position von den Positionen der anderen unterscheidet. Das, was ich vorgetragen habe, ist die Position der Bundesregierung und die Position von Bundesinnenminister Otto Schily.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben in Ihrer Antwort auf meine Frage gesagt, dass die neuerdings von der Bundesregierung vertretene Auffassung auch Praxis in den anderen EU-Mitgliedstaaten sei. Wie verträgt sich das mit der einzigen Vereinbarung, die es zwischen den EU-Mitgliedstaaten gibt? Der Rat hat am 4. März 1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs Flüchtling aus Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention festgestellt - das ist gemeinsame Auffassung -, dass es der EU-Praxis entspricht, dass nur die staatliche Verfolgung unter den Flüchtlingsbegriff zu subsumieren ist und dass nur sie zur Anerkennung als Flüchtling führen kann. Wie verträgt sich das mit Ihrer Äußerung über die angeblich überall zu findende Praxis?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich habe nicht „überall“ gesagt, sondern dass dies im Übrigen der ganz überwiegenden internationalen Staatenpraxis entspricht. Das ist richtig und ist nicht zu korrigieren. Ich denke, dass unsere Position hinsichtlich der Hineinnahme der nicht zurechenbaren nicht staatlichen Verfolgung in den Flüchtlingsbegriff klar ist und dass klar ist, wie die internationale Staatenpraxis überwiegend aussieht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Koschyk, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben die momentane Verhandlungsposition der Bundesregierung respektive Ihres Hauses dargelegt. Wird der Bundesinnenminister bei den anstehenden Verhandlungen also die Hineinnahme nicht staatlicher Verfolgung in die Definition des Flüchtlingsbegriffs akzeptieren? Hat die Bundesregierung Berechnungen angestellt, zu welcher Erhöhung das bei der Zuwanderung für die Bundesrepublik Deutschland führen wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, alle anderen EU-Staaten vertreten gegenwärtig die Auffassung, dass auch die nicht staatliche Verfolgung, die dem Staat nicht zugerechnet werden kann, zur Anerkennung als Flüchtling führen muss. Das war bereits Teil meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Schröder. Daraus wird deutlich, dass diese Position noch einer gewissen Diskussion bedarf und einer Entscheidung zugeführt werden muss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen zu Frage 13 des Kollegen Dr. Schröder: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen - RD 6566/03 -, darauf bestehen, dass die Regelungen über den Zugang zum Arbeitsmarkt, da sie nicht in den Kompetenzbereich der EU fallen, aus der Richtlinie herausgenommen werden, und wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Richtlinie insgesamt verweigern, wenn sie sich insoweit nicht durchsetzt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, Regelungen zum Arbeitsmarktzugang sind unter anderem in den bereits verabschiedeten Richtlinien zum vorübergehenden Schutz und über die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber enthalten. Die Bundesregierung orientiert sich bei den Verhandlungen über die Anerkennungsrichtlinie an den in diesen Richtlinien enthaltenen Bestimmungen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Dr. Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie verhält sich das mit Ihrer Aussage, die Sie hier in der Fragestunde am 2. April 2003 gemacht haben, dass nämlich der „Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten … im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten“ liegt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Das ist kein Widerspruch. Sie wissen, dass es eine Diskussion zu dieser Frage gibt. Sie wissen auch, dass es beispielsweise eine relativ eindeutige Aussage von Bundesaußenminister Fischer in Bezug auf die Konventsverhandlungen gibt oder dass es eine Position gibt, die vonseiten der Länder eingenommen wird. Die Vorgehensweise, wie wir sie anstreben, ist deswegen, wie ich glaube, richtig. Wenn Sie sich die anderen Richtlinien ansehen und mit der Formulierung zum Arbeitsmarktzugang vergleichen, dann wird deutlich, dass es ein Kompromiss ist. An diesem Beispiel wird aber auch deutlich, dass Deutschland nicht alleine in Europa ist.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das, dass die Bundesregierung bei den demnächst anstehenden Verhandlungen über die anderen Richtlinien nach der Maßgabe verhandeln wird, dass darin der Zugang zum Arbeitsmarkt geregelt werden kann, und dass die Bundesregierung in dieser Hinsicht kompromissbereit ist?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, Sie wissen, dass der Arbeitsmarktzugang durch die von uns gefundenen Formulierungen in diesen Richtlinien - diese sind von mir auch erwähnt worden - viel stärker in die nationale Regelungskompetenz gestellt wird. Das wird deutlich, sodass hier kein solcher Dissens vorhanden ist, wie Sie ihn konstruieren wollen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, heißt das, dass die Bundesregierung bei der zu verhandelnden Richtlinie die Position verfolgt, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt in der nationalen Kompetenz verbleibt? Wird die Bundesregierung Ihre Zustimmung zu dieser Richtlinie vom Ausgang der Verhandlungen, bei denen es darum geht, ob der Zugang zum Arbeitsmarkt in der nationalen Kompetenz verbleibt oder nicht, abhängig machen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

In der Zielsetzung bezüglich der Auswirkungen, was die Regelungen des Arbeitsmarktes anbelangt, sind wir uns relativ einig. Sie kennen die bisher gefundenen Regelungen. Sie stellen in der Tat einen Kompromiss dar. In ihren Auswirkungen entsprechen sie aber ganz wesentlich dem, was auch Sie formuliert haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Grindel werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 16 des Kollegen Koschyk: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen - RD 6566/03 -, darauf bestehen, dass der „weite Flüchtlingsbegriff“ einschließlich der damit verbundenen Statusaufwertung herausgenommen wird, und wird sie notfalls ihre Zustimmung zur Richtlinie insgesamt verweigern?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, Ihrer Frage ist für mich nicht eindeutig zu entnehmen, was Sie mit dem „,weiten Flüchtlingsbegriff‘ einschließlich der damit verbundenen Statusaufwertung“ meinen. Sollte sich die Frage auf die Einbeziehung der nicht staatlichen Verfolgung und den Flüchtlingsbegriff nach der GFK beziehen, so will ich auf die vorhin gegebenen Antworten in Bezug auf die Fragen von Herrn Dr. Schröder hinweisen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich beziehe mich dabei auch auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage von mir. Im Hinblick auf den damaligen Verhandlungsstand zu dieser Richtlinie des JI-Rates auf seiner Tagung am 27. und 28. Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung am 14. März durch Frau Staatssekretärin Vogt geantwortet, dass in dem Richtlinienvorschlag, um den es geht, unter anderem bestimmt wird, das subsidiär Schutzberechtigte nach spätestens einem Jahr einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben und dass sie auf den Gebieten der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung mit Inländern gleichgestellt werden sollen. Außerdem sollen subsidiär Schutzberechtigte nach dieser Richtlinie einen Zugang zu Integrationsprogrammen erhalten. Bei dem „weiten Flüchtlingsbegriff“ geht es also darum, ob subsidiär Schutzberechtigte diese Leistungen der Mitgliedstaaten nach dem Richtlinienentwurf bekommen sollen oder nicht. Am 14. März hat die Frau Staatssekretärin geantwortet: Da diese Regelungen, die die EU in dieser Richtlinie treffen will, in Teilen weder mit der geltenden Rechtslage noch mit den entsprechenden Bestimmungen im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes vereinbar sind, wurden auch im Rat dagegen Vorbehalte geltend gemacht. Meine Frage lautet: Macht die Bundesregierung bei den Verhandlungen über diese Richtlinie weiterhin Vorbehalte gegen diesen „weiten Flüchtlingsbegriff“ geltend?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, Sie wissen, was die Rechtsposition subsidiär Schutzberechtigter ausmacht. Aufgrund des derzeitigen Richtlinienvorschlags gilt es, Folgendes festzuhalten: Zukünftig soll ein Aufenthaltstitel gewährt werden. Dies gilt zum Beispiel auch bezüglich des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Hier gibt es in der Tat noch Diskussionen und Gespräche; Sie haben die Zeitdauer von einem Jahr genannt. Unsere Position bezüglich des nachrangigen Arbeitsmarktzugangs ist ganz entscheidend. Daneben geht es um die sich im Aufnahmeland befindlichen Familienangehörigen. Auch hierzu finden Diskussionen und Debatten statt, sodass noch kein abschließendes Ergebnis vorliegt. Unsere Verhandlungsposition orientiert sich an unserer politischen Haltung, die wir zum Zuwanderungsgesetz und zum nationalen Recht haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich frage noch einmal: Hält die Bundesregierung die Vorbehalte, wie sie mir die Frau Staatssekretärin in der Antwort vom 14. März 2003 mitgeteilt hat, aufrecht? Wird sie notfalls eine Zustimmung zu dieser Richtlinie verweigern, wenn es zu sehr starken Aufweichungstendenzen kommt, die Personen, die subsidiären Schutz genießen, von den Leistungen her - ich will es einmal so formulieren - Asylbewerbern nahezu gleichzustellen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, die Debatte um die subsidiär Schutzberechtigten kann man nicht nur an einem Spiegelstrich festmachen. Ich habe versucht, Ihnen das kurz darzulegen. Wir haben unsere Vorbehalte eingebracht. Das ist der derzeitige Sachstand.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Kollege Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe konkret zu dieser Richtlinie eine Nachfrage. In dem Entwurf zu dieser Richtlinie ist momentan vorgesehen, dass es den Nationalstaaten bei der missbräuchlichen Schaffung von Nachfluchttatbeständen nicht erlaubt sein soll, die Anerkennung als Flüchtling zu verweigern. Das entspricht nicht dem nationalen Recht. Wird die Bundesregierung ihre Zustimmung zu dieser Richtlinie verweigern, wenn es bei der missbräuchlichen Schaffung von Nachfluchtgründen nicht möglich ist, die Anerkennung als Flüchtling zu verweigern?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Diese Frage kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten. Inwieweit dieser von Ihnen genannte Sachverhalt Gegenstand der Beratungen zu dieser Richtlinie ist, will ich gerne nachfragen, um zu erfahren, wie die Position ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Koschyk: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die an3452 Vizepräsident Dr. Norbert Lammert derweitig internationalen Schutz benötigen - RD 6566/03 -, darauf bestehen, dass „subsidiär Schutzberechtigte“ keinen Anspruch auf Familienzusammenführung haben, und wird sie notfalls ihre Zustimmung zur Richtlinie insgesamt verweigern?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, die Familienzusammenführung im eigentlichen Sinne ist nicht Gegenstand der Richtlinie. Es ist wichtig, das festzuhalten. Die Richtlinie regelt lediglich die Rechtsstellung von Familienangehörigen, die sich bereits zusammen mit dem stammberechtigten Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigten im Aufnahmeland aufhalten, nicht aber das Recht auf den Nachzug von Familienangehörigen. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass Familienangehörigen, die sich mit dem subsidiär Schutzberechtigten im Aufnahmeland befinden, im Hinblick auf die nach Art. 6 unseres Grundgesetzes und auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention - ich glaube, das ist Art. 8 - gebotene Wahrung der Familieneinheit der Aufenthalt im Aufnahmeland zu ermöglichen ist. Die Bundesregierung hält es jedoch nicht für angebracht, Familienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten automatisch die gleiche Rechtsposition wie dem Stammberechtigten zu gewähren.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich das so verstehen, dass die Bundesregierung bei der weiteren Verhandlung dieser Richtlinie sehr genau darauf achten wird, dass es in dem von Ihnen genannten Sinne nur um die Situation der Familienangehörigen von Personen geht, die subsidiären Schutz genießen und sich bereits im aufnehmenden Land, beispielsweise Deutschland, befinden? Entscheidend ist also, wie deren Situation geregelt wird. Es kann folglich nicht darum gehen, dass Familienangehörige des subsidiär Schutzberechtigten, die sich noch nicht im aufnehmenden Land befinden, zu- oder nachziehen können.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, ich hatte schon vermutet, dass Sie eine Frage zu den nachziehenden Personen stellen würden. Diese Frage kann ich Ihnen genau beantworten: In der Diskussion zu dieser Richtlinie geht es nicht um die nachziehenden Personen, sondern um die im Land befindlichen Schutzberechtigten.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird die Bundesregierung sorgsam darauf achten, dass in den Verhandlungen zu dieser Richtlinie nicht eine - ich will es einmal so formulieren - versteckte Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte zum Tragen kommt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, wenn ich mich richtig erinnere, ist die Frage, wer von dieser Richtlinie betroffen ist, in den Verhandlungen überhaupt nicht streitig. Das muss man genau auseinander halten. Sie wissen, dass es relativ viele Richtlinien gibt. Aber bei dieser Richtlinie ist die Lage relativ eindeutig und klar.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Kollege Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Im Entwurf dieser Richtlinie wird auch geregelt, dass Flüchtlinge das Recht auf Weiterwanderung in einen zweiten Mitgliedstaat haben. Wie weit wird die Bundesregierung dies bei den Verhandlungen akzeptieren und wird die Bundesregierung notfalls die Zustimmung zu dieser Richtlinie verweigern, wenn dieser Passus beibehalten wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Schröder, ich will einmal eine grundsätzliche Bemerkung machen. Immer dann, wenn Fragen zu diesen Richtlinien gestellt werden, dann greifen Sie und andere Kollegen von der CDU/CSU einen Punkt auf und fordern die Bundesregierung auf, der Richtlinie ihre Zustimmung zu versagen, wenn sich die deutsche Position in diesem Detailpunkt nicht durchsetzt. Ich sage ganz deutlich: Sie müssen lernen, dass wir ein gemeinsames Europa wollen. Sie müssen auch erkennen, dass wir bei solchen Verhandlungen und Debatten nicht allein in Europa sind. Hören Sie deswegen mit dem Schwarz-Weiß-Schema und dem Motto „Alles oder nichts“ auf. Das bringt uns in Europa nicht voran.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun kommen wir zur Frage 18 der Abgeordneten Pau: Wie viele antisemitische Straftaten wurden im ersten Quartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, ich muss eine Vorbemerkung machen: Die im Folgenden von mir aufgeführten Zahlen stellen keine abschließende Statistik dar, sondern können sich aufgrund von Nachmeldungen noch verändern. Aber das wissen Sie, weil Sie mittlerweile Spezialistin geworden sind, was das Zustandekommen solcher Statistiken anbelangt. Die Bundesebene hat hier nur die Funktion, die Daten zu sammeln und zusammenzuführen. Im ersten Quartal 2003 wurden insgesamt 222 antisemitische Straftaten, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“ zugeordnet wurden, gemeldet, darunter 25 so genannte Propagandadelikte und sieben - danach fragen Sie auch - Gewaltdelikte. Bei Letzteren handelt es sich um sechs Körperverletzungen und einen Landfriedensbruch. Im ersten Quartal 2003 wurden sechs Personen verletzt. Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Frau Pau?

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herzlichen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. - Kann ich davon ausgehen, dass Sie auch die Auflistung nach Ländern vorrätig haben? Aus Gründen der Zeitersparnis würde es mir genügen, wenn Sie die Angaben nachreichen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, ich habe die Frage erwartet. Soweit es möglich ist, werden wir Ihnen die Angaben über die regionalen Unterschiede gerne zuleiten.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Danke schön.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe jetzt die Frage 19 des Kollegen Kaster auf: Welche Kriterien berücksichtigt die Bundesregierung, wenn sie - wie im Falle des ehemaligen Chefs des Presse- und Informationsamtes und Sprechers der Bundesregierung, Staatssekretär Uwe-Karsten Heye - dem Bundespräsidenten die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand vorschlägt, um dem Willkürverbot und der Intention des § 36 des Bundesbeamtengesetzes bzw. des § 31 des Beamtenrechtsrahmengesetzes Rechnung zu tragen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Kaster, Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand werden dem Bundespräsidenten nur bei Vorliegen eines sachlichen, dem Zweck des § 36 des Bundesbeamtengesetzes entsprechenden Grundes vorgeschlagen. Der Gesetzgeber hat der Exekutive für die Entscheidung über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand einen sehr weiten Ermessensspielraum eingeräumt, der nur reine Willkürmaßnahmen ausschließt. Demzufolge hat die Rechtsprechung eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Gründe als Rechtfertigung eines solchen Schrittes anerkannt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Falle des Staatssekretärs Heye gab es Veröffentlichungen im „Stern“ und interne Bekundungen, dass es eine Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und dem Staatssekretär gegeben haben soll, dass der Staatssekretär freiwillig darüber befinden kann, ob er aus dem Amt ausscheidet. Wäre in einem solchen Falle nicht vorrangig von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, selbst die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, was nach § 30 geht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich habe Ihnen § 36 des Bundesbeamtengesetzes genannt. Ich habe auch deutlich gemacht, wie dieser Paragraph praktiziert wird. Die Exekutive hat einen relativ weiten Ermessensspielraum. Herr Kaster, ich kann Ihnen sagen, dass die Regierung Kohl einen erheblichen Gebrauch von der Versetzung in den Ruhestand von politischen Beamten gemacht hat. - Sie sollten sich besser einem anderen Thema zuwenden. Ich glaube, dieses Thema ist nicht ergiebig. ({0}) - So bin ich eben. Sie kennen mich doch mittlerweile. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kaster.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sagten, dass die Palette der Kriterien, die in diesem Fall zur Anwendung kommen können, sehr weit gefasst ist. Es handelt sich schließlich um eine Kannbestimmung, die eben zitiert worden ist. Sie werden sicherlich eine entsprechende Mitteilung an den Bundespräsidenten richten. Gehört möglicherweise auch das Kriterium einer gewissen Amtsmüdigkeit dazu?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wie ich Herrn Heye kenne, kann von Müdigkeit keine Rede sein. Ich denke, die Rechtsprechung ist hinsichtlich der Gründe bzw. der Frage, was als zulässig anerkannt wird, eindeutig. Daran ist nichts zu beanstanden; das ist durchaus in Ordnung und entspricht auch der Praxis.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Fahrenschon.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie ausgeführt haben, dass von der Möglichkeit, freiwillig in Ruhestand zu gehen, nicht Gebrauch gemacht wurde, stellen sich die Fragen, wer die Anweisung zur Versetzung in den Ruhestand zulasten des Steuerzahlers gegeben hat und auf welche Höhe sich die Zahlungen an den ehemaligen Staatssekretär Heye belaufen, die er seit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erhalten hat.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Was Sie mir hinsichtlich der Freiwilligkeit in den Mund gelegt haben, entspricht nicht meinen Ausführungen. Ich habe Ihnen die Rechtsgrundlage dargelegt. Ich denke, sie ist nicht zu beanstanden. Das gilt auch für die praktische Handhabung dieses Falles. Sie sollten besser damit aufhören, irgendetwas zu unterstellen. Wie Sie wissen, gibt es das Amt des politischen Beamten und die damit verbundenen Möglichkeiten, von denen auch Gebrauch gemacht wird. Die Regierung Kohl hat davon erheblichen Gebrauch gemacht. Insofern denke ich, Sie tun gut daran, sich mit Wertungen aller Art stark zurückhalten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe nun die Frage 20 des Kollegen Bernhard Kaster auf: Welche Auswirkungen hat die künftige Tätigkeit von Uwe-Karsten Heye als Generalkonsul auf die Versorgungsbezüge des ehemaligen Regierungssprechers?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Kaster, treffen Versorgungsbezüge mit Erwerbseinkommen zusammen, wird Letzteres gemäß § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes auf die Versorgung angerechnet. Bei den Einkünften aus einer Tätigkeit als Generalkonsul handelt es sich um anrechenbares Erwerbseinkommen. Die Versorgungsbezüge werden dementsprechend gekürzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vor dem Hintergrund dieser finanziellen Auswirkung, die Sie eben deutlich gemacht haben, stelle ich die Frage, warum die neue Position als Generalkonsul im Hinblick auf diese finanzielle Auswirkung - sprich: Bezüge plus Versorgungsbezug - mit der entsprechenden Kürzung erst ab dem Monat September zum Tragen kommt und die Stelle, die wohl zum Monat Juni frei wird, im Hinblick auf die weiteren Zeiten ausschließlichen Versorgungsbezugs nicht bereits zu diesem Zeitpunkt besetzt wird.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Obwohl mir der Zeitpunkt September nicht geläufig ist, gehe ich davon aus, dass diese Verfahrenspraxis der Gesetzesgrundlage entspricht. ({0}) - Ja, das ist doch so. ({1}) - Frau Philipp, ich kann doch nichts für die Qualität der Fragen. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen habe ich eine weitere Zusatzfrage. Wenn Herr Staatssekretär Heye in den einstweiligen Ruhestand eines politischen Beamten versetzt worden ist, frage ich Sie, ob das nicht im Widerspruch zu einer erneuten Ernennung als Generalkonsul oder zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit für das Bundespresseamt, beispielsweise im Rahmen des Beirates zu dem so genannten Deutschland-Portal, steht.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Fahrenschon, bitte schön.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich frage noch einmal konkret: Ist die Stelle des Generalkonsuls in New York derzeit frei und, wenn ja, wie lange braucht die Bundesregierung, um sie ihrem Vorschlag entsprechend mit dem ehemaligen Staatssekretär Heye zu besetzen? Oder ist die Stelle des Generalkonsuls in New York nicht so wichtig, sodass man sich damit Zeit lassen kann?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Da ich diese Stelle nicht antreten will, kann ich Ihnen den derzeitigen Verfahrensstand nicht genau angeben, aber ich liefere ihn Ihnen gerne nach.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Hendricks zur Verfügung. Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Hofbauer werden schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 23 der Kollegin Petra Pau auf: Welche Auswirkungen hat die Neuregelung des Umsatzsteuergesetzes auf die Besteuerung von Schulspeisungen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, ich verstehe Ihre Frage dahin gehend, dass Sie nach den Auswirkungen der durch das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen geänderten Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes auf die steuerrechtliche Beurteilung von Umsätzen mit Schulspeisungen fragen. Die durch das eben genannte Gesetz vorgenommenen Änderungen im Umsatzsteuergesetz haben keinerlei Auswirkungen auf die steuerrechtliche Beurteilung von Umsätzen mit Schulspeisungen. Es gibt hier keine Rechtsänderung.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ich möchte nachfragen, ob im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens beispielsweise im Hinblick auf die vermehrte Einrichtung von Ganztagsschulen erörtert wurde, Schulspeisungen als Aspekt der Kinderbetreuung steuerlich zu begünstigen und damit einen Anreiz zu schaffen, dass möglichst viele Kinder dieses Angebot wahrnehmen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Frau Kollegin, das ist weder bei der Vorbereitung noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jemals Gegenstand der Erörterungen gewesen. Die Rechtslage ist folgende - davon kann leider im nationalen Recht nicht abgewichen werden, weil sie durch EU-Recht bestimmt ist -: Wenn jemand eine Schulspeisung in der Weise sicherstellt, dass er die Speisen in die Schulen liefert und im Übrigen keine weiteren Serviceleistungen erbringt, dann kommt eine solche Abgabe von Speisen dem Außer-Haus-Verkauf gleich und wird deswegen mit dem halben Mehrwertsteuersatz belegt. Wird aber eine volle Serviceleistung erbracht, fällt der volle Mehrwertsteuersatz an. Die Gestaltung der Schulspeisung ist den Schulen überlassen. Manchmal machen das ja auch Fördervereine. Man kann auch eine Trennung vornehmen: Jemand liefert an und jemand anders, der nicht der leistende Unternehmer ist, der die Ware bringt, bietet den Service. Wir sind aber bei der gesetzlichen Ausgestaltung nicht frei, sondern an EU-Recht gebunden. Es ist auch nicht beabsichtigt, auf europäischer Ebene eine Änderung vorzunehmen. In der Lebenswirklichkeit wird es ja häufig so sein, dass ein Dritter fertige Speisen anliefert, die den Kindern durch andere, die zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel Eltern aus einem Förderverein, dargereicht werden.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse, wie beispielsweise Belgien und Frankreich, wo wesentlich ermäßigte Mehrwertsteuersätze bei der Schulspeisung gelten, die entsprechenden EU-Richtlinien - diese sind mir in der Tat bekannt - kreativ umgangen haben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich werde dieser Frage nachgehen. Aber der Regelfall ist folgender: Vor In-Kraft-Treten der 6. EG-Richtlinie - ich sage das ganz allgemein - durften die Regelungen und die Ausnahmetatbestände, die im nationalen Recht enthalten waren, bestehen bleiben. Wenn es in dem von Ihnen angesprochenen Fall so war, dass in Belgien und Frankreich ein entsprechender Ausnahmetatbestand schon vor dem In-Kraft-Treten bestand, dann durfte er im nationalen Recht bestehen bleiben. Wir, die Deutschen, können aber im Nachhinein nicht sagen, dass wir die gleiche Regelung wie die Franzosen haben wollen; denn damals, als die 6. EG-Richtlinie als bindendes Recht in den Mitgliedstaaten in Kraft trat, gab es keinen entsprechenden Ausnahmetatbestand in Deutschland. Gerade wenn es um die Frage der Umsatzbesteuerung geht - das gilt nicht nur für den von Ihnen angesprochenen Fall; ich habe es ja allgemein formuliert; ich werde der Sache im Speziellen noch nachgehen -, stößt so etwas sehr häufig auf Unverständnis bei uns. Da es noch immer Länder in der Europäischen Union gibt, in denen alte Regelungen weitergelten, die aber in Deutschland niemals in gleicher Weise geltendes Recht waren, konnten in Deutschland keine solchen Ausnahmetatbestände in das neue Recht übernommen werden.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Danke schön.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herzlichen Dank.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Frau Hendricks. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Blank werden schrifltich beantwortet. Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Frau Dr. Lötzsch auf: Wie hoch waren bzw. sind die Ansätze sowie die Istausgaben für das Arbeitslosengeld durch die Bundesanstalt für Arbeit, BA, von 1999 bis 2003 und wie bewertet die Bundesregierung die Realisierbarkeit der geplanten Einsparungen für 2003?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Dr. Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Sollansätze für das Arbeitslosengeld im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit waren 1999 mit 26,8 Milliarden Euro, 2000 mit 25,3 Milliarden Euro, 2001 mit 23,2 Milliarden Euro, 2002 mit 25,1 Milliarden Euro und 2003 mit 24,4 Milliarden Euro dotiert. Die Istausgaben haben sich in den Jahren 1999 bis 2002 wie folgt entwickelt - ich verzichte jetzt darauf, die Jahreszahlen zu nennen, ich gebe sie in der entsprechenden Reihenfolge an -: 24,8 Milliarden Euro, 23,6 Milliarden Euro, 24,6 Milliarden Euro und 27 Milliarden Euro. Infolge der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde im Haushalt 2003 für das Arbeitslosengeld eine Entlastungswirkung in Höhe von rund 2,8 Milliarden Euro berücksichtigt. Es wäre verfrüht und rein spekulativ, bereits zum heutigen Zeitpunkt eine Prognose über die Realisierung der berücksichtigten Einsparung abzugeben. Wie bei jeder gesetzlichen Änderung bedürfen die neuen Maßnahmen einer Vorlaufzeit, bevor sie beginnen, voll zu greifen. Eine seriöse Aussage zum Erfolg der Konsolidierungsmaßnahmen kann daher erst nach Abschluss des laufenden Haushaltsjahres getroffen werden, wenn die Bundesanstalt für Arbeit Bilanz gezogen hat.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, es gab im Zuge der Haushaltsberatungen - Sie werden sich daran erinnern - sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr ohne einen Zuschuss des Bundes auskommen wird. Zahlreiche Abgeordnete, auch der SPD-Fraktion, waren der Auffassung, dass das nicht möglich sein wird. Für diese Auffassung gab es keine Mehrheit. Inzwischen sind aber auch Vertreter der Regierungskoalition der Auffassung - ich nenne die Vorsitzende des Finanzausschusses, Christine Scheel -, dass ein Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit aus dem Bundeshaushalt erforderlich sein wird. Wie ist Ihre Position dazu? Ist die Position, dass der Bundesanstalt für Arbeit kein Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gegeben werden muss, haltbar?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch, ich kann mich gut an die Diskussion während der Haushaltsberatungen erinnern. Ich bedanke mich für Ihren Hinweis. Ich möchte es anders als Sie formulieren: Der Aufstellung des Haushaltes 2003 für die Bundesanstalt für Arbeit lagen Eckdaten zugrunde, nach denen die Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt bei 4,14 Millionen liegen wird. Nach neueren Schätzungen und den Entwicklungen im ersten Quartal und des Monats April, also praktisch nach einem Drittel des Jahres, muss man davon ausgehen, dass die Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt bei 4,46 Millionen liegen wird. Es ist daher folgerichtig, dass die Zahlungen für Arbeitslosengeld bei einer größeren Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt höher sein werden. Es ist gegenwärtig schlecht einzuschätzen, wie hoch der Zuschussbedarf sein wird. Es gibt diesbezüglich unterschiedliche Zahlen. Ich bitte einfach um Verständnis dafür, dass man nach Ablauf eines Drittels des Jahres noch keine verlässlichen Aussagen darüber treffen kann, wie hoch die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt sein wird. Ihre Frage stellte einen Zusammenhang zwischen der Etatisierung der Leistungen für Arbeitslosengeld und den Einsparungen her, die sich aus der Umsetzung des Hartz-Konzepts ergeben. Das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Die Auswirkungen der „Hartz-Operationen“ sind in einer bestimmten Art und Weise eingeschätzt worden; es ist ebenfalls erst am Jahresende feststellbar, wie wirksam sie sind. Wenn man bedenkt, dass die neue Meldepflicht erst ab 1. Juli dieses Jahres gilt, ist klar, dass man überhaupt keine Prognosen darüber abgeben kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Können Sie also, insbesondere aufgrund der Prognose, dass sich die Anzahl der Arbeitslosen auf einem höheren Niveau als erwartet bewegen wird, meine Vermutung bestätigen, dass die Bundesanstalt für Arbeit einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt benötigen wird?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich wiederhole: Wir reden über unterschiedliche Dinge. Das eine ist ein eingeplanter Zuschuss des Bundes bei der Haushaltsaufstellung und das andere ist sozusagen die Defizithaftung, die der Bundesfinanzminister nach dem SGB III am Jahresende gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit im Hinblick auf die Pflichtleistungen leisten muss. Nach gegenwärtigem Stand ist absehbar - darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen; beispielsweise hat sich das Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Arbeit Weise heute darüber geäußert -, dass es zu einer Defizithaftung kommen wird. Wie hoch diese sein wird, lässt sich gegenwärtig nicht verlässlich vorhersagen. Ich habe keine Lust, im Namen der Bundesregierung irgendwelche Spekulationen anzustellen. Das verstehen Sie sicherlich.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Lötzsch auf: Trifft es zu, dass durch die BA, wie in der „Wirtschaftswoche“ vom 24. April 2003 berichtet, Vorgaben zur Verhängung von Sperrzeiten für Empfänger von Arbeitslosengeld erlassen wurden und, falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung dieses Vorgehen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Dr. Lötzsch, wie Sie wissen, ist die Bundesanstalt für Arbeit eine Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts. Die Arbeitslosenversicherung unterliegt nicht der Fachaufsicht der Bundesregierung, zwar der Rechtsaufsicht, aber nicht der Fachaufsicht. Über die Art und Weise der Ausführung der gesetzlichen Vorgaben im Bereich der Arbeitslosenversicherung entscheidet die Bundesanstalt daher in eigener Zuständigkeit. Nach der mir zu Ihrer Frage vorliegenden Stellungnahme der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit gibt es keine zentralen Vorgaben in Form von Quoten oder Ähnlichem zur Verhängung von Sperrzeiten. Allerdings gibt es verschiedene Aktivitäten der Arbeitsämter, etwa im Rahmen der Vermittlungsoffensive, die eine stärkere Aktivierung von Arbeitslosen zum Ziel haben. Diese bewerberorientierten Aktivitäten beinhalten auch eine Erhöhung der Kontaktdichte zu den Arbeitslosen, eine Intensivierung des Vermittlungsprozesses, einen konsequenten Nachweis von Eigenbemühungen und die Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen entsprechend den individuellen Erfordernissen des Arbeitslosen. Soweit dabei gesetzliche Verpflichtungen verletzt werden und diese mit Sanktionsmechanismen bewehrt sind, müssen die Arbeitsämter auch die entsprechenden leistungsrechtlichen Konsequenzen ziehen. Die Bundesregierung begrüßt die Anstrengungen der Bundesanstalt für Arbeit, eine möglichst umgehende Vermittlung der Arbeitsuchenden in neue Beschäftigung zu erreichen, Arbeitslose im Sinne des Förderns und Forderns stärker zu aktivieren und die Versichertengemeinschaft vor der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Leistungen zu schützen. Diese Anstrengungen zeigen, dass die Bundesanstalt dem Auftrag des Gesetzgebers aus dem Job-AQTIV-Gesetz nachgekommen ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage? - Bitte schön.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, gibt es Ihrer Kenntnis nach Vorgaben der Bundesanstalt für Arbeit, zum Beispiel Arbeitslose zu drängen, sich als nicht arbeitsbereit zu erklären, um die Statistik zu verbessern - man könnte auch sagen: zu schönen -, wie es in der „Wirtschaftswoche“ vom 24. April dieses Jahres nachzulesen ist?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 28 des Kollegen Fritz auf: In welcher Weise hat die Bundesregierung den gegenüber der EU-Kommission durch den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 13. März 2003 gemäß Bundestagsdrucksache 15/576 eingelegten Parlamentsvorbehalt im Rahmen der laufenden WTO-Dienstleistungsverhandlungen GATS-WTO: Welthandelsorganisation - berücksichtigt und welche praktischen Konsequenzen hat dieser Parlamentsvorbehalt bei dem Zustandekommen und der inhaltlichen Festlegung der jetzt vorgelegten EU-Angebote gehabt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Präsident, Herr Kollege Fritz, ich bitte, die Fragen 28 und 29 zusammen beantworten zu dürfen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich auch die Frage 29 des Kollegen Fritz auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass im nun vorgelegten EU-Verhandlungsangebot für die GATS-Verhandlungen der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 13. März 2003 ausreichend berücksichtigt wurde, und hält die Bundesregierung insbesondere das Ersetzen von „wirtschaftlicher Bedarfsprüfung“ durch eine „Quotenregelung“ beim Import von Dienstleistungen durch einreisende Personen - Mode 4 für eine ausreichende Beachtung des oben angesprochenen Beschlusses des Deutschen Bundestages?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Zunächst zur Frage 28: Die deutsche Delegation hat im Hinblick auf den Bundestagsbeschluss vom 13. März 2003 in der Sitzung des Ausschusses nach Art. 133 am 19. März 2003 in Brüssel mündlich und schriftlich für das vom Ratssekretariat angefertigte Protokoll Folgendes vorgetragen: Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Deutsche Bundestag bislang zu einzelnen Aspekten des Angebotsentwurfs seine Beratungen noch nicht abgeschlossen hat und daher noch kein abschließendes Votum hat abgeben können. Die Bundesregierung weist daher darauf hin, dass zu dem Ende März 2003 in Genf vorzulegenden Eingangsangebot der Gemeinschaft auch weiterhin Stellungnahmen gemäß dem fortlaufenden Verhandlungsprozess möglich sein müssen. Bei der Übermittlung und Vorlage des Eingangsangebots ist daher auf diesen Umstand in geeigneter Weise ausdrücklich hinzuweisen. Das am 29. April 2003 in der WTO eingebrachte EUEingangsangebot ist ausdrücklich als Conditional Offer bezeichnet. Damit wird auch dem oben angeführten Beschluss des Deutschen Bundestages Rechnung getragen. Die Frage 29 beantworte ich wie folgt: Erstens. Die Bundesregierung begrüßt das am 29. April 2003 eingebrachte EU-Angebot. Das Eingangsangebot der EU wurde mit allen hiervon betroffenen Stellen, Ressorts, Zivilgesellschaften und unter besonderer Berücksichtigung der Bundestagsdiskussion und der in dem oben angeführten Bundestagsbeschluss niedergelegten Bedenken abgestimmt und geprüft. Die in dem Bundestagsbeschluss vorgebrachten Punkte finden in dem EU-Angebotsentwurf hinreichend Berücksichtigung. Zweitens. Wirtschaftliche Bedarfsprüfungen, Economic Needs Tests, „ENTs“ abgekürzt, sind von ihrer Grundkonzeption sehr umstritten, da sie aufgrund mangelnder objektiver Kriterien faktisch vielfach einer Nichtverpflichtung gleichkommen und den mit Liberalisierungsverpflichtungen angestrebten Zielen der Verlässlichkeit und Rechtssicherheit gerade nicht genügen. Da3458 her werden ENTs von den Entwicklungsländern, die insbesondere an zusätzlichen Modus-4-Verpflichtungen interessiert sind, entschieden abgelehnt. Ferner sind ENT-Vorbehalte in der Europäischen Union mit großem Verwaltungsaufwand verbunden, da vor Zugang eines ausländischen Dienstleistungserbringers zunächst geprüft werden muss, ob im gesamten Gemeinschaftsgebiet kein vergleichbarer Anbieter zu Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission erklärt, unter keinen Umständen zur Aufnahme von ENTVorbehalten in das Gemeinschaftsangebot bereit zu sein. Stattdessen hat sie die Einführung von numerischen Obergrenzen in den EU-Eingangsangeboten vorgeschlagen. Damit wird zunächst nur die generelle Bereitschaft der EU-Mitgliedstaaten zu einer Konditionierung durch numerische Obergrenzen ausgedrückt. Die Einzelheiten einer derartigen Regelung werden noch eingehend unter Mitwirkung aller EU-Mitgliedstaaten beraten werden. Hier besteht ein erheblicher Gestaltungsspielraum. So sind zum Beispiel nationale oder Gemeinschaftsquoten möglich. Das EU-Eingangsangebot weist daher darauf hin, dass die Einzelheiten der Anwendung und der Beschränkung der numerischen Obergrenzen noch bestimmt werden müssen. Angesichts dieser Entwicklung hat die Bundesregierung nach intensiven Beratungen mit der Bundesanstalt für Arbeit und den Arbeitsmarktexperten innerhalb der Bundesregierung dem Modell der numerischen Obergrenzen zugestimmt, da es insgesamt in weitaus besserem Umfang eine Rücksichtnahme auf spezifische nationale Arbeitsmarktprobleme ermöglicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun hat der Kollege Fritz bis zu vier Zusatzfragen.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung werde ich diese Zahl nicht ausschöpfen. Ich hoffe, dagegen spricht nichts.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das würde wahrscheinlich auf großes Wohlwollen der anwesenden Kollegen stoßen.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der Bundesregierung war doch schon vor ihrem Vorstoß in Brüssel bekannt, welche Schwierigkeiten wirtschaftliche Bedarfsprüfungen mit sich bringen und dass diese kein wirksames Instrument sein können. Sie hat dennoch mit diesem Vorschlag auf den Parlamentsvorbehalt reagiert und ist damit in Brüssel logischerweise gescheitert. Haben Sie sich damit nicht eigentlich über den Parlamentsvorbehalt hinweggesetzt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Diese Bewertung teile ich nicht. Das habe ich in meiner Antwort auch ausdrücklich gesagt. Das Angebot der EU enthält nämlich entsprechende Formulierungen, die ich Ihnen gerne noch einmal zukommen lasse. Ich wollte die Antwort nicht noch länger ausfallen lassen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Fritz.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine hätte ich noch, Herr Präsident. - Aus Kreisen der Koalition ist der Presse mitgeteilt worden, das Angebot der EU - die Liste wird es hier genannt - sei von deutscher Seite jederzeit revidierbar. Wie beurteilen Sie das unter dem Aspekt, dass es jetzt eine Vorschlagsliste gibt, die im 133er-Ausschuss der Europäischen Union beschlossen wurde, und Sie ohnehin wissen, dass die Zuständigkeiten für die Verhandlungen bei der Europäischen Union liegen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich will noch einmal auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage verweisen: Die Bundesregierung hat sehr massiv deutlich gemacht, dass es im Laufe der weiteren Beratungen hier noch Möglichkeiten für entsprechende Änderungen geben muss. Ich denke, dass wir die auch entsprechend nutzen können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Fahrenschon auf: Wann hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, erstmals davon erfahren, dass sein Parlamentarischer Staatssekretär Rezzo Schlauch beabsichtigt, die in der „Bild“ vom 28. April 2003 beschriebene Amerikareise durchzuführen, und was hat er im Lichte seiner Erkenntnisse über den damaligen Missbrauch der als Abgeordneter des Deutschen Bundestages aus Dienst- und Mandatsreisen entstandenen Bonusmeilen für private Zwecke durch den heutigen Parlamentarischen Staatssekretär Rezzo Schlauch vor dessen Ernennung veranlasst?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Kollege Fahrenschon, Ihre Frage - darauf möchte ich gleich hinweisen - würde ich eigentlich ganz anders beantworten. Da Sie Ihre Frage aber in der Form gestellt haben, wie sie jetzt vorliegt, bekommen Sie auch nur die Antwort, die man auf Ihre Fragestellung geben kann. Ich beantworte also Ihre Frage wie folgt: Die Dienstreisen der Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit - Minister und Staatssekretäre - werden kontinuierlich geplant und bei verschiedenen Gelegenheiten besprochen. Vor diesem Hintergrund besteht keine Notwendigkeit, die jeweiligen Planungsschritte datenmäßig zu erfassen. Entsprechend den internen Regelungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurde auch die Dienstreise vom Parlamentarischen Staatssekretär Schlauch rechtzeitig und ordnungsgemäß angezeigt. Es bestand für Bundesminister Clement keine Veranlassung, vor Ernennung des ParlaParl. Staatssekretär Gerd Andres mentarischen Staatssekretärs Schlauch Maßnahmen im Hinblick auf künftige Dienstreisen zu treffen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, dann wollen wir beide gemeinsam versuchen, Ihnen im Nachfrage- und Antwortspiel die Möglichkeit zu geben, mir die Antwort zu geben, die Sie mir gerne geben wollen. ({0}) Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht mit Sicherheit die Frage, ob der Staatssekretär Schlauch seine Reise von vornherein als teilweise privat deklariert hat. Deshalb frage ich Sie ganz konkret: Kann der Parlamentarische Staatssekretär Rezzo Schlauch den Nachweis erbringen, dass er vor Dienstantritt die Reise als teilweise privat deklariert hat? Wenn ja, wer hat das abgezeichnet und genehmigt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Erstens. Er kann den Nachweis erbringen; diesen Teil Ihrer Frage beantworte ich mit Ja. Zweitens. Es gibt dazu keine Genehmigung und es gibt auch keine Genehmigungsnotwendigkeit.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf das Programm der Reise. Können Sie mir erklären, welche speziellen Informationen und Probleme der Besuch der Luftwaffenbasis Alamogordo mit sich bringt, bei dem Eingangsgespräche mit dem Kommandanten, Briefings und Besichtigungen der Stabsgebäude erfolgten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Staatssekretär Rezzo Schlauch diesen Stützpunkt bereits in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Fraktion der Grünen besucht hat? Oder kann es sein, dass der Besuch dieses Luftwaffenstützpunkts insbesondere dadurch begründet war, dass sein Bruder in unmittelbarer Nachbarschaft lebt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich habe die Berichterstattung über diese Reise persönlich verfolgt. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass auch ich, obwohl ich für arbeits- und sozialpolitische Fragen zuständig war und jetzt darüber hinaus für Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik zuständig bin, bei früheren Reisen Bundeswehrstützpunkte im Ausland besucht habe. Ich halte das als Teilaspekt einer Reise für völlig korrekt und angebracht. Es besteht vonseiten der Bundesregierung überhaupt keine Notwendigkeit, an diesem Tatbestand irgendetwas infrage zu stellen oder zu kritisieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Mantel.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine ganz kurze Frage: Was macht der Mittelstandsbeauftragte des Wirtschaftsministeriums bei Daimler, SAP und Motorola?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wenn man sich das Reiseprogramm anschaut, stellt man fest, dass die Reise aus sehr unterschiedlichen und vielfältigen Programmpunkten bestanden hat. Einen haben wir eben schon behandelt. Ich halte es für völlig korrekt, dass sich ein Mitglied der Bundesregierung, wenn es eine Auslandsreise unternimmt, mit sehr unterschiedlichen Tatbeständen befasst. Ich darf Ihnen noch einmal sagen, Frau Kollegin: Ich bin zuständig für Beschäftigungspolitik, habe aber auch Bundeswehrstandorte besucht und sie mir angeschaut, weil ein Vertreter der Bundesregierung natürlich nicht nur sein eigenes Ressort oder seine Zuständigkeit vertritt, sondern auch die gesamte Bundesregierung. Ich nehme ganz ausdrücklich diese Anleihe: Wenn man bei früheren Besuchen in den Vereinigten Staaten mit Bundeswehrangehörigen gesprochen hat, dann wurde man mit bestimmten Fragen konfrontiert, zum Beispiel der Arbeitserlaubnis von Angehörigen in den Vereinigten Staaten. Man ist auch mit anderen Fragen befasst. Wenn der Mittelstandsbeauftragte bei einer Auslandsreise mittelständische Firmen oder Unternehmen besucht, können wir uns freundlich darüber unterhalten, um welche Größenordnung es dabei geht. Aber wenn der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium einen Auslandsbesuch macht, ist es doch wohl selbstverständlich, dass er unterschiedliche Wirtschaftsunternehmen aufsucht, die dort tätig sind, zumal wenn sie aus Deutschland kommen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Connemann hat die nächste Zusatzfrage.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Antwort hätten Sie dem Kollegen Fahrenschon gerne gegeben?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Kollegin, ich kann immer nur auf die Fragen antworten, die gestellt worden sind. Wenn eine freundliche Frage gestellt wird, kann man sie nur entsprechend beantworten. Aber ich gehe in diesem Zusammenhang ein bisschen weiter. Ich hätte ihm Folgendes geantwortet: Erstens. Mitglieder der Bundesregierung müssen Reisen nicht formal genehmigen lassen. Das gilt sowohl für Minister als auch für Parlamentarische Staatssekretäre. Deswegen gehen Fragen, die sich darauf richten, wer was wo genehmigt hat, völlig am Tatbestand vorbei. Zweite Antwort - das bezieht sich alles auf Ihre Frage -: Die Reise enthielt private Bestandteile. Dritte Antwort: Die privaten Bestandteile der Reise sind vom Parlamentarischen Staatssekretär Schlauch vor Reiseantritt der Reisestelle des BMWA mitgeteilt worden. Falls also irgendjemand auf die Idee kommt, er wolle das nun rechtfertigen, weil es in der Zeitung gestanden habe, liegt falsch. Es ist vorher mitgeteilt worden und es gibt einen Aktenvermerk, sodass wir alles belegen können. Die vierte Antwort, die ich geben würde - weil man mit solchen Themen wunderbar spekulieren kann -, ist, dass Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schlauch den Bundesrechnungshof gebeten hat, seine Reise hinsichtlich des Ablaufs und der Abrechnung zu überprüfen. Wenn der Prüfbericht des Bundesrechnungshofes vorliegt, werden interessierte Stellen das Ergebnis erhalten. Sie werden sicherlich zugeben, dass an dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes als neutraler Stelle nichts gedeutelt werden kann. Diese Antwort hätte ich gegeben, wenn gleich am Anfang entsprechend gefragt worden wäre.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir dürfen aber die Antwort, die Sie jetzt gegeben haben, im Protokoll festhalten.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Deswegen habe ich diese Antwort gegeben, Herr Präsident. Ich bedanke mich ausdrücklich für den Hinweis.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Damit sind zumindest insofern alle möglichen Missverständnisse beseitigt. Für eine weitere Zusatzfrage hat der Kollege Wellenreuther das Wort.

Ingo Wellenreuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003658, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, inwieweit war der Bundeskanzler oder das Bundeskanzleramt vorab und in welcher Form über die Reise des Staatssekretärs Schlauch in die USA informiert?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Falls Sie auf die Idee kommen, dass der Bundeskanzler Reisen von Staatssekretären formal genehmigen muss oder dass dem Bundeskanzler persönlich vorher zur Kenntnis gegeben wird, wohin die Ressortminister oder die Staatssekretäre reisen, dann darf ich Sie beruhigen: So etwas findet nicht statt. Selbstverständlich werden Auslandsreisen der Ressortminister und von Staatssekretären auch mit den zuständigen Abteilungen des Bundeskanzleramtes abgestimmt; das Auswärtige Amt wird einbezogen. Mit allen, die aus politischen oder aus inhaltlichen Gründen in irgendeinem Zusammenhang mit den Reisen zu tun haben, wird entsprechend Einvernehmen hergestellt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Andres. Bei den zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung eingereichten Fragen - das sind die Fragen 31 bis 36 - ist jeweils um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Fragen 37, 38 und 39 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 40 der Kollegin Gitta Connemann auf: Trifft es zu, dass die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin des Meeresbodens innerhalb des so genannten Küstenmeeres, 12-Seemeilen-Zone, eine Nutzung in Gestalt der Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen von dem Abschluss eines zivilrechtlichen Nutzungsvertrages mit etwaigen Betreiberunternehmen abhängig machen kann, und, wenn ja, in welchen Fällen sind bereits solche Verträge geschlossen worden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Connemann, es trifft zu, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Nutzung des Küstenmeeres zur Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen den Abschluss eines zivilrechtlichen Nutzungsvertrages durch das Betreiberunternehmen fordert. Nur über einen Nutzungsvertrag können die Eigentümerinteressen des Bundes hinsichtlich der Errichtung und Beseitigung von Anlagen Dritter auf Bundeseigentum verbindlich geregelt werden. Es sind bisher noch keine Verträge abgeschlossen worden, weil sich alle Offshore-Windenergieanlagen noch im Planungsstadium befinden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, bitte schön.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Betreiberunternehmen schon im Vorfeld an die Bundesregierung herangetreten?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ja. Da diese Frage auch Gegenstand Ihrer zweiten Frage ist, möchte ich sie in diesem Zusammenhang mit beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich noch die Frage 41 der Kollegin Gitta Connemann auf: Sind Betreiberunternehmen an die Bundesregierung wegen der Aufnahme von Vertragsverhandlungen herangetreten Vizepräsident Dr. Norbert Lammert und, wenn ja, in welchem Stadium befinden sich die Vertragsverhandlungen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Betreiberunternehmen sind im Vorfeld ihrer Planungen an die örtlich zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämter bzw. an die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen herangetreten. Dabei sind sie darauf hingewiesen worden, dass jeweils der Abschluss eines zivilrechtlichen Nutzungsvertrages nach dem eingeführten Muster der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung erforderlich ist. Konkrete Vertragsverhandlungen haben noch nicht stattgefunden.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würde zum Beispiel die Höhe des Nutzungsentgelts Bestandteil eines solchen Nutzungsvertrages sein?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir müssen in diesem Zusammenhang zwei Punkte unterscheiden: zum einen die Nutzungsverträge und zum anderen die möglichen Entgeltzahlungen. Das Küstenmeer steht als Seewasserstraße im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Es ist nach Art. 89 des Grundgesetzes Ressortvermögen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Das Küstenmeer wird von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes verwaltet, die für die Nutzung des Eigentums Nutzungsverträge abschließt, in denen die Rechte und Pflichten der Nutzer geregelt sind. Es geht, wie gesagt, nicht nur um die Errichtung, sondern auch um die Beseitigung, was Sinn macht. Es ist also wichtig, dass die Eigentümerinteressen gewahrt werden. Die WSV ist in ihrem Verwaltungshandeln an § 63 der Bundeshaushaltsordnung gebunden. Das heißt, sie hat für eine solche Nutzung ein Entgelt zu fordern. Für eine nach Haushaltsrecht erforderliche Ausnahmeregelung ist das Bundesministerium der Finanzen federführend zuständig, das bei Nachweis der Grenzwirtschaftlichkeit durch den Anlagenbetreiber auf ein Entgelt verzichtet. Dieses Vorgehen ist zwischen dem BMF, dem BMWA, dem BMU und dem BMVBW abgestimmt. Ein Verzicht auf den Abschluss von Nutzungsverträgen kommt dagegen nicht in Betracht. Das heißt, wenn ein Antrag gestellt wird, wird geprüft, ob in den Vertrag eine Entgeltregelung eingearbeitet werden muss oder nicht. Das wird jeweils davon abhängig gemacht, ob eine Grenzwirtschaftlichkeit vorliegt oder nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie definieren Sie Grenzwirtschaftlichkeit?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ob eine Grenzwirtschaftlichkeit besteht, unterliegt einer Prüfung. Der Investor wird sagen: Ich tätige bestimmte Investitionen und habe einen bestimmten Nutzen. Wenn ich ein Entgelt zahle, das eine bestimmte Höhe überschreitet, dann komme ich ins Defizit, ins Minus. Das heißt, Grenzwirtschaftlichkeit kann man nicht allgemeingültig definieren. Einem Antrag müssen belastbare Zahlen zugrunde gelegt werden und vor diesem Hintergrund muss geprüft werden, ob eine Grenzwirtschaftlichkeit vorliegt.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehört zu den potenziellen Verhandlungspartnern bzw. Vertragsinteressenten auch ein Vertragsinteressent betreffend das geplante Gebiet Borkumer Riffgat?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Darüber kann ich Ihnen nichts sagen. Ich habe ausgeführt, dass noch keine konkreten Verhandlungen stattgefunden haben. Wenn Sie nach potenziellen Vertragspartnern fragen, so muss ich feststellen: Ich kann mir viele vorstellen; aber ich kann in keinem Einzelfall sagen, dass das einer sein oder nicht sein könnte. Das wird auf die Antragstellung ankommen. Einen Antrag stellen kann potenziell jeder.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen liegen nicht vor. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Bis zum Beginn der Aktuellen Stunde unterbreche ich die Sitzung bis 15.30 Uhr. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Situation im Hinblick auf das akute Atemwegssyndrom ({0}) in der Bundesrepublik Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen haben diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat das Wort für die Bundesregierung die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema SARS ist ein Thema, das die Menschen in Europa und weltweit derzeit intensiv beschäftigt. Uns erreichen viele Anfragen, weil große Verunsicherung darüber besteht, was die tatsächlichen Risiken sind und wie wir ihnen begegnen können; von der Bundesregierung werden verlässliche Zahlen und Strategien angefordert. Außerdem erreichen uns momentan viele Anfragen insbesondere von Industrieunternehmen, weil in Frankfurt eine große Messe, die ACHEMA, ansteht. Wir können festhalten, dass neue Krankheiten und deren Risiken vor Grenzen nicht Halt machen. Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach den Gefahren durch Infektionen verschärft. Wir befassen uns derzeit nicht nur mit dem Thema SARS. Wir beschäftigen uns im zuständigen Ausschuss auch mit dem Thema Geflügelpest in den Niederlanden. Auch dies ist eine Herausforderung. Daher müssen wir uns immer vor Augen führen, wie die Gefährdungssituation in Deutschland aussieht und welche Maßnahmen und Strategien erforderlich sind. Inzwischen breitet sich SARS - das schwere akute respiratorische Syndrom - weiter aus. Nach aktuellen WHO-Angaben haben sich bis zum heutigen Tage weltweit 6 727 Menschen infiziert, 478 Personen sind an SARS bereits gestorben. Betroffen sind derzeit 30 Länder, am stärksten China mit Hongkong, Taiwan und Singapur mit fast 95 Prozent aller bekannten Fälle. Deshalb unterstützt die Bundesrepublik China bei der Behandlung von SARS-Patienten mit der Beschaffung von medizinischem Gerät im Wert von 10 Millionen Euro. Es war ein ausdrücklicher Wunsch der chinesischem Regierung, dass Deutschland bei der Beschaffung von Röntgengeräten und bei der logistischen Unterstützung hilft. Das haben wir sehr schnell getan. Die Identifizierung und genetische Analyse des Erregers wurde durch eine weltweite Kraftanstrengung in extrem kurzer Zeit geleistet. Derzeit werden verschiedene Testverfahren eingesetzt, so auch ein Verfahren, das vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg entwickelt wurde. Die WHO gibt eine wahrscheinliche Sterblichkeitsrate von 5 bis 6 Prozent an. Einer aktuellen englischen Studie zufolge kann sie mit bis zu 13 Prozent deutlich höher liegen. Allerdings müssen wir die Ergebnisse dieser Studie, die entsprechend publiziert wurde und auch durch die Regenbogenpresse ging, mit großen Fragezeichen versehen, weil diese von den deutschen Forschern nicht bestätigt werden konnten. Die britische Studie legt mit einem Sterblichkeitsrisiko von 40 Prozent bei den über 60-Jährigen sehr dramatische Ergebnisse vor. Deswegen melden wir deutliche Zweifel an. Bei allem, was wir bislang wissen, können wir diese hohe Zahl nicht bestätigen. Natürlich sind die Risiken nicht zu unterschätzen, weil wir derzeit weder über ein Impfverfahren noch über eine gezielte Therapie verfügen. Daher müssen wir uns den klassischen Aufgaben der Seuchenbekämpfung widmen und den internationalen Austausch intensivieren. In Deutschland sind bisher acht wahrscheinliche Fälle und 38 Verdachtsfälle registriert worden. Auch dies ist der Stand vom heutigen Tag. Sämtliche Meldungen über SARS-Verdachtsfälle werden beim Robert-Koch-Institut zusammengeführt. Das Robert-Koch-Institut hat unter anderem Falldefinitionen für die Identifizierung von Erkrankungsfällen erarbeitet und Empfehlungen für den Umgang mit SARS-Verdachtsfällen sowie die SARSDiagnostik veröffentlicht. Daneben stellt es Referenzmaterial für die Laboratorien zur Verfügung, um bei einem Verdachtsfall sicher beurteilen zu können, ob es sich tatsächlich um das Virus handelt. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich auf die Möglichkeit hinweisen, sich zeitnah und umfassend auf der entsprechenden Internetseite des Robert-Koch-Instituts zu informieren. Wir haben das Robert-Koch-Institut veranlasst, speziell für Messebesucher die Informationen zu aktualisieren und Hinweise zu geben, weil uns insbesondere aus diesem Bereich zurzeit sehr viele Anfragen vorliegen. Alle erforderlichen Mittel zur Erkennung und zum Management von SARS-Fällen durch die lokalen Gesundheitsbehörden und Institutionen wurden somit durch die Bundesregierung bereitgestellt. Wirksame Maßnahmen gegen SARS sind die schnelle Identifizierung von Infektionsfällen und die Vermeidung von Folgeinfektionen durch entsprechende seuchenhygienische Maßnahmen, das heißt durch Quarantäne, Identifizierung, Lokalisierung und vor allen Dingen auch prophylaktische Maßnahmen. Auch die Aufklärung und Information von Reisenden aus betroffenen Gebieten sind wesentliche Maßnahmen. Antragstellern für deutsche Visa werden Informationsmaterialien bereits in der jeweiligen Botschaft bei Antragstellung ausgehändigt. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sind gemeinsam an die Fluglinien herangetreten und haben um die Verteilung von Informationen schon während des Flugs gebeten. Parallel zu unserer Plenarsitzung findet auf Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen heute in Frankfurt eine Konferenz statt, die sich mit SARS im internationalen Reiseverkehr beschäftigt. Das Auswärtige Amt gibt der WHO folgend Reiseempfehlungen. Darüber hinaus hat das Auswärtige Amt allgemeine Hinweise zu SARS für Reisende veröffentlicht. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung sieht für Deutschland derzeit keine akute Gefahr durch SARS. Dennoch hat unser Haus das RobertKoch-Institut beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, um Deutschland nachhaltig vor SARS zu schützen. Es gilt, die Schutzmaßnahmen entsprechend dem wachsenden Kenntnisstand weiterzuentwickeln und Behandlungsformen sowie später eine Impfstrategie zu entwerfen. Europa ist bisher nur mit weniger als 1 Prozent der SARSErkrankungsfälle betroffen. Trotzdem wird die Bedrohung in der Europäischen Union sehr ernst genommen. So fand gestern eine Sondersitzung des Rates der Gesundheitsminister zu diesem Thema in Brüssel statt. Deutschland strebt eine gemeinsame Strategie und ein einheitliches Vorgehen bei den seuchenhygienischen Maßnahmen an. Wir haben uns darüber hinaus dafür eingesetzt, dass wir auf europäischer Ebene ein Netzwerk von Kompetenzzentren der einzelnen Staaten einrichten und die Zusammenarbeit verbessern. Der Erlass von Einreisebeschränkungen und die Durchführung von Gesundheitsuntersuchungen aller Reisenden aus den betroffenen Gebieten auf den Flughäfen werden derzeit nicht erwogen. Dies war ein Vorschlag Italiens, dem alle anderen Länder innerhalb der EU aus der Überlegung heraus, dass dadurch eine falsche Sicherheit suggeriert würde, nicht gefolgt sind. Wir wissen heute, dass die Inkubationszeit länger ist, als ein Flug dauert. Wenn man eine allgemeine Gesundheitsuntersuchung aller Reisenden durchführen würde, würden sich alle fälschlicherweise in Sicherheit wiegen, weil davon ausgegangen würde, dass jemand nicht infiziert ist, wenn momentan kein Verdacht vorliegt. Dies lässt sich jedoch aufgrund unseres Kenntnisstandes nicht mit Sicherheit sagen. Diese Einschätzung wurde von den europäischen Gesundheitsministern auf der Sondersitzung bestätigt. Darüber hinaus haben wir darüber beraten, die Forschung und Entwicklung von diagnostischen Tests, antiviralen Medikamenten und eines Impfstoffs gegen SARS finanziell zu unterstützen. Die Kommission wurde beauftragt, in diesem Sommer erste entsprechende Schritte einzuleiten und Vorschläge zu unterbreiten. Angesichts der Bedrohungssituation halten wir es für vernünftig, dass gerade bezüglich der Impfstrategie und der gemeinsamen diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen eine europäische Strategie entwickelt wird; denn es würde wenig Sinn machen, dieses national allein zu entwickeln. Deshalb war es richtig, statt der Einrichtung eines neuen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle - dies war der erste Vorschlag der Kommission - zu prüfen - das war der Vorschlag der Bundesrepublik -, wie man die derzeitigen Kompetenzzentren virtuell vernetzen kann, wie man eine europäische Struktur und Kooperation schaffen kann, ohne eine neue europäische Behörde ins Leben zu rufen. Denn bis zur Aufnahme ihrer Arbeit würde dies eine Lücke hinterlassen, weil sich jeder auf den anderen verließe. Ein solches Vorgehen hätte das Risiko beinhaltet, dass die nationalen Anstrengungen nicht in diesem Umfang wahrgenommen würden. Wir müssen auf die globalen Herausforderungen national, europäisch und global antworten. Wir tun dies durch Unterstützung der betroffenen Staaten, wie ich das am Beispiel Chinas verdeutlicht habe, und mit der Verstärkung der Kooperation. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette WidmannMauz von der CDU/CSU-Fraktion.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt eine Fülle von aktuellen Problemen in Deutschland: Die Arbeitslosigkeit im April ist seit der Wiedervereinigung auf dem höchsten Stand. Das Wirtschaftswachstum in unserem Land ist besorgniserregend niedrig. Unser System der sozialen Sicherung kollabiert. Die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung sind so hoch wie nie und steigen ständig weiter. Die Kassen sind dramatisch verschuldet. ({0}) - Herr Kollege, es gibt wirklich viele Probleme in Deutschland. SARS gehört - Gott sei Dank - aktuell nicht dazu. ({1}) Die Bundesregierung hat gestern betont, dass es für Deutschland keine akute Bedrohung durch SARS gibt. Auch das Robert-Koch-Institut bestätigt, dass der Infektionsschutz in Deutschland durch die gute Zusammenarbeit der zuständigen Behörden der Bundesländer und der Gesundheitsämter vor Ort hervorragend ist. Das Drängen der SPD, heute in einer Aktuellen Stunde das wichtige Thema SARS zu debattieren, ist ein politisches Ablenkungsmanöver. Die Hiobsbotschaft des heutigen Tages lautet: 4,5 Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos. Das ist das eigentliche Thema des Tages. ({2}) Wenn Sie politisch nicht weiter wissen, dann versuchen Sie gern, andere Themen in den Vordergrund zu stellen. Es ist noch gar nicht lange her, dass Sie außenpolitische Fragen beantwortet haben, die überhaupt kein Mensch gestellt hat. Der Verdacht kommt auf, dass Sie auch diese Debatte wieder instrumentalisieren, dass Sie die Sorgen und Ängste der Menschen nutzen, um von anderen Dingen abzulenken. Der Stellenwert dieses Themas zeigt sich darin, dass die Bundesgesundheitsministerin heute Wichtigeres zu tun hat, als an der Debatte teilzunehmen. Sie besucht eine Regionalkonferenz der SPD, um für Mehrheiten im eigenen Lager zu sorgen. ({3}) Die Emotionalisierung von Politik ist schon bei der Flutkatastrophe nicht gelungen. Die aktuellen Probleme in unserem Land bleiben. ({4}) Die Lungenkrankheit SARS bereitet den Menschen Sorge und macht ihnen Angst. Wir alle sollten diese Angst ernst nehmen. Mittlerweile hat der SARS-Erreger neben China einschließlich Hongkong, Singapur und Kanada ein weiteres bevölkerungsreiches Land, nämlich Indien, erreicht. In solchen unterentwickelten und überbevölkerten Ländern könnte der Erreger als eine Art infektiöse Streubombe explodieren. Das Verhalten der chinesischen Behörden hat diesem Erreger überhaupt erst den Weg geebnet. Durch Vertuschung und Verschweigen hat man in Kauf genommen, dass sich dieser Erreger verbreitet. Dieser Erreger ist eine klare Herausforderung für die Forschung und die Arzneimittelindustrie. Die deutschen Ärzte und Chemiker haben sich in den letzten Wochen und Monaten große Verdienste erworben. Aber dieser Erreger ist auch eine große Herausforderung für die Politik. Wir stehen in der Pflicht, die Forschung zu unterstützen, und zwar durch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln. Jede Kürzung im Bereich von Gesundheit, Bildung und Forschung, die Sie im Haushalt 2003 vorgenommen haben, schlägt auf uns zurück. ({5}) In unserer Regierungszeit haben wir - es wurde zu Ihrer Regierungszeit umgesetzt - ein Infektionsschutzgesetz initiiert. Gerade angesichts der zentralen Rolle des Robert-Koch-Instituts und der guten Kooperation zwischen dem Bund und den Länderbehörden bietet es gute Voraussetzungen. Es gibt noch andere Seuchengefahren. Ich nenne neben SARS eine weitere, nämlich die Geflügelpest, die sich direkt vor unserer Haustür ausgebreitet hat. Auch der Erreger der Geflügelpest kommt aus dem Tierreich und kann zu einer extremen Gefahr für die Bevölkerung werden, wenn er auf den Menschen überspringt. Es ist wichtig, die Frage zu stellen, ob das zuständige Robert-Koch-Institut sowohl personell als auch finanziell überhaupt so ausgestattet ist, dass es den gewachsenen Anforderungen gerecht werden kann. Es ist schon so weit, dass in einem Schreiben des im Gesundheitsministerium zuständigen Staatssekretärs an den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses erläutert wird, dass das RKI seinen Aufgaben wegen der fehlenden Mitarbeiter gar nicht mehr gerecht werden kann. Die Mitarbeiter müssen einen selbstlosen Einsatz erbringen, weil Sie die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stellen. Damit sind wir in einer sehr schwierigen Situation. Als wir das Infektionsschutzgesetz verabschiedet haben, war zwischen der Bundesregierung und uns klar, dass es mehr Stellen bedarf. Das Finanzministerium hat 45 zusätzliche Stellen zugestanden. Sie wissen ganz genau, dass Sie diese Zahl bis heute nicht erfüllt haben. Sie haben dem Robert-Koch-Institut gerade einmal 28 zusätzliche Stellen zugestanden und die auch noch mit dem Vermerk „kann wegfallen“ versehen. Wir brauchen keine schönen Reden, sondern wir brauchen endlich Taten in diesem Land. Wir müssen die Grundlagen, nämlich die Finanzen unseres Staates, in Ordnung bringen. Nur dann sind wir in der Lage, die Herausforderungen solcher Seuchen wie SARS bewältigen zu können. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Wir brauchen Taten statt Worte. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Selg vom Bündnis 90/Die Grünen.

Petra Selg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! SARS, auch Sars genannt, ein schweres akutes respiratorisches Syndrom, ist eine Atemwegserkrankung. Wir machen Taten, nicht nur Worte; Sie hingegen blasen nur heiße Luft in den Raum. Seit November 2002 breitet sich SARS rasant aus, vor allem in China einschließlich Hongkong und in Taiwan. Wir lesen in den Medien täglich andere Meldungen über die Zahl der Erkrankten und Verstorbenen. Deshalb lese ich keine Zahlen vor. Zwischenzeitlich sind die Informationen und vor allem der Umgang mit der Erkrankung besser geworden, woran vor allem auch Deutschland einem großen Anteil hat. Der Virus konnte sich dort vor allem deshalb so rasant ausbreiten, weil die Gesundheitsvorsorge vor Jahren dort aufgegeben wurde. Das ist eine ideale Brutstätte für Seuchen. Wir werden, Frau Widmann-Mauz, gerade die Gesundheitsvorsorge in Deutschland weiterhin stärken, was Sie jahrelang versäumt haben. Deswegen ist der Vergleich mit Deutschland, was diese schwere Krankheit betrifft, an den Haaren herbeigezogen. Diese Aktuelle Stunde ist keineswegs ein Ablenkungsmanöver. Wir wollen damit auch verhindern, dass in Zukunft so unsinnige Debatten, wie Sie sie im Zusammenhang mit der möglichen Pockengefahr angezettelt haben, geführt werden. Deshalb informieren wir heute rechtzeitig und sachbezogen. ({0}) Im Moment sind 26 Länder betroffen. In Deutschland sind wahrscheinlich sieben Fälle bekannt, es gibt 34 Verdachtsfälle. EU-weit ist das bisher 1 Prozent. Die Frau Staatssekretärin hat schon gesagt, dass es gestern in Brüssel ein Treffen der Gesundheitsminister gab. Es wird ein einheitliches Vorgehen geben. Wir haben den Ernst der Lage erkannt. Gleichwohl besteht nach wie vor kein Grund zur Panik in Deutschland. Man sollte vielleicht Reisen, vor allem in die betroffenen Gebiete, daraufhin überprüfen, ob sie notwendig sind. Das ist aber keine Warnung, sondern eine Empfehlung. Panik ist in solchen Fällen fehl am Platz, wenn Sie sie auch gerne heraufbeschwören. Auch wenn etwa die Sommergrippe in Deutschland auftritt, muss man nicht immer gleich SARS befürchten. Information und Aufklärung waren uns immer wichtig. Deswegen werden die Fluggäste aus den besonders betroffenen Ländern informiert, aber nicht kontrolliert. Verstärkte Einreisekontrollen sind aufgrund des Verlaufs der Krankheit und der Inkubationszeit nicht unbedingt sinnvoll. Wir haben in Deutschland einen hervorragenden Hygienestandard, wir haben einzigartige Seuchenschutzmaßnahmen und wir haben erstklassig ausgebildetes medizinisches und pflegerisches Personal, welches nach den Vorgaben und Empfehlungen des RobertKoch-Institutes arbeitet. Darüber hinaus gibt es eine gute Zusammenarbeit mit den Ländern. Die Forschung über Krankheitserreger und die Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen gegen diese Viren stehen an erster Stelle. SARS wird in den Medien zurzeit gerne als die Seuche des 21. Jahrhunderts beschrieben. Die Schlagzeilen übertreffen sich: „China hält den Atem an“ oder „Wettlauf mit dem Lungenfieber“. Ich halte das alles nicht für sinnvoll. Es gab schon viele große Seuchen, ob Aids, Ebola oder die derzeitige Geflügelpest in den Niederlanden; SARS wird nicht die letzte Seuche in diesem Jahrhundert sein. Wir müssen in unserer globalisierten Welt vielleicht in Zukunft unser Reiseverhalten überdenken. Ich hoffe aber, dass wir auch zukünftig mit solchen sachlichen und der Aufklärung dienenden Debatten weitaus mehr dazu beitragen - ({1}) - Sie können gerne mit Rezzo Schlauch reden. Das ist sicherlich kein Problem. Tun Sie das, wenn Sie damit ein Problem haben! Das ist eines der Ablenkungsmanöver, die Sie gerne inszenieren. Das war auch schon so bei der Debatte über die Pocken, mit der Sie uns im Ausschuss immer wieder genervt haben, oder bei anderen Debatten, die Sie im Bundestag immer wieder anzetteln. Ich wünsche mir, dass wir in der weiteren Debatte über SARS sachlich und dem Thema angemessen vorgehen und dass Sie Ihr Kindertheater unterlassen. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich L. Kolb von der FDP-Fraktion.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, man kann mit Blick auf die Bedrohung durch das akute Atemwegssyndrom in Deutschland von einer gespannten Ruhe sprechen. Es ist allerdings eine Ruhe bzw. eine Situation, die jederzeit kippen kann. Ich habe das in der vergangenen Woche in meinem Wahlkreis hautnah erleben müssen - der Kollegin Ober ist der Fall auch bekannt -, als eine Lehrerin, die in den Osterferien in China war - sie war allerdings nachweislich nicht in Gebieten unterwegs, in denen mit einer Ansteckungsgefahr zu rechnen war -, auf Druck der Elternschaft für zehn Tage vom Schuldienst suspendiert werden musste, weil andernfalls ein Schulstreik der Eltern und Schüler angedroht wurde. Die fast schon hysterische Reaktion, die an dieser Schule zu beobachten war, gibt eine Ahnung von dem, was in unserem Lande passieren könnte, wenn eine größere Zahl solcher Verdachtsfälle zu verzeichnen wäre. Pikant ist übrigens, dass der Sprecher der Elternschaft auf dem Frankfurter Flughafen - eine Umgebung, in der die Infektionsgefahr sicherlich auch nicht als gering anzusehen ist - arbeitet. Vor diesem Hintergrund ist wohl nichts dagegen einzuwenden, dass wir über dieses Thema im Deutschen Bundestag im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutieren. Entscheidend ist aber die Art und Weise, wie wir das tun. Wir sollten über das Thema unaufgeregt und keinesfalls marktschreierisch diskutieren. Ich will allerdings eines anmerken: Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns vor der Diskussion im Plenum auch im zuständigen Fachausschuss mit dieser Frage befasst hätten. ({0}) Auf Anregung der FDP im gestrigen Obleutegespräch sollte das Thema heute unter dem Punkt „Verschiedenes“ behandelt werden; dazu ist es aber aus Zeitgründen nicht gekommen. Wir sollten über das Thema, wie gesagt, nicht marktschreierisch - sozusagen auf dem öffentlichen Marktplatz - diskutieren, sondern im zuständigen Fachgremium, in dem auch konkrete Maßnahmen erörtert werden können. Wir sind uns darin einig, dass in Deutschland derzeit keine akute Gefahr für den Ausbruch von SARS besteht. Aber es besteht sicherlich eine latente Gefahr. Die Krankheit kann jederzeit auf Deutschland übergreifen. Dass das bisher nicht geschehen ist, ist wohl zu einem großen Teil Glück. Wir sollten versuchen, diese bislang glückliche Entwicklung durch konkretes, zielgerichtetes Vorgehen zu verstärken. Hierbei ist insbesondere auch die Europäische Union gefordert. Die Staatssekretärin hat bereits das Sondertreffen der EU-Gesundheitsminister in Brüssel angesprochen. Es geht meines Erachtens nicht an, dass Reisende aus China je nach ihrem europäischen Zielflughafen - Rom, Brüssel oder Frankfurt - unterschiedlich behandelt werden. Wenn der EU-Gesundheitskommissar David Byrne beklagt, dass bei Ausbruch einer Tierseuche umgehend die europäischen Grenzen geschlossen würden, dass ihm aber bei Ausbruch einer die Menschen gefährdenden Seuche die Hände gebunden seien, dann zeigt das, wie dringend notwendig ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene ist. Ich denke, dass angesichts der akuten Bedrohung durch die Krankheit SARS die von Byrne seit mehr als einem Jahr erhobene Forderung nach Errichtung eines europäischen Zentrums zur Bekämpfung von Seuchen und Infektionskrankheiten einen neuen Schub bekommt. Sicherlich muss auf europäischer Ebene Arbeit geleistet werden. Wir müssen aber auch auf der nationalen Ebene Aufklärung betreiben. Angst entsteht letztendlich immer aus Unwissenheit und Uninformiertheit. Das von mir eingangs beschriebene Beispiel einer hysterischen Reaktion zeigt doch, dass es hier erheblichen Nachholbedarf gibt. Man muss aber ganz nüchtern feststellen: Die Gefahr, dass sich ein Kind mit einem Grippevirus ansteckt, ist nach wie vor weitaus größer als das Risiko, sich mit SARS zu infizieren. Manche Fragen, die jetzt gestellt werden, erinnern ein bisschen an die Situation vor 20 Jahren, als die Aids-Diskussion das Land in Unruhe versetzte. Damals wurde beispielsweise gefragt, ob man sich im Schwimmbad infizieren könne, wenn zuvor ein Aids-Kranker im Wasser gewesen sei. Natürlich kann man das nicht. Auch heute muss man einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten, indem man ganz nüchtern auf mögliche Infektionswege hinweist. Zum Schluss möchte ich sagen, dass mich neuere Erkenntnisse beunruhigen, wonach geheilte SARS-Patienten weiter ansteckend sein können und sich das SARSVirus rasch verändert. Das deutet auf ein erhöhtes Risiko hin. Der Erfinder des Schnelltestes - er arbeitet im Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg - hat heute im Frühstücksfernsehen darauf hingewiesen, dass man erst in ein bis drei Jahren abschließend sagen könne, ob es gelungen sei, das Risiko, sich mit SARS zu infizieren, zu minimieren. Es gibt außerdem - das wird in der Diskussion sicherlich noch eine Rolle spielen - auch erhebliche wirtschaftliche Risiken. Gerade eine exportorientierte Nation wie Deutschland, die internationalen Austausch quasi zum Leben benötigt, ist sehr anfällig. Ich wage mir nicht vorzustellen, was wäre, wenn sich in Deutschland - ähnlich wie in Kanada - die Zahl der SARS-Fälle häufte und das öffentliche Leben zum Erliegen käme. Das alles zeigt, dass wir aufmerksam sein und bleiben müssen. Aber wir sollten unaufgeregt zu Werke gehen. Ich wünsche mir sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, dass wir schon sehr bald auch im Fachausschuss - möglicherweise auf einen gemeinsamen Antrag hin - initiativ werden. Vielen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Helga Kühn-Mengel von der SPD-Fraktion.

Helga Kühn-Mengel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Widmann-Mauz, Sie versuchen heute einmal mehr, diese Aktuelle Stunde für Negativmeldungen zu nutzen. Dem möchte ich Folgendes entgegensetzen: Wir haben in der letzten Legislaturperiode - dieses Gesetz hätten Sie in Ihrer langen Regierungszeit längst verabschieden können - das modernste Infektionsschutzgesetz über alle Hürden gebracht. ({0}) Dr. Wodarg hat daran entscheidend mitgewirkt. ({1}) Deutschland ist eines der wenigen Länder mit wachsendem Forschungsetat. Auch das sollte einmal Erwähnung finden. Wir haben des Weiteren, auch wenn uns die Arbeitslosenzahlen bedrücken, die höchste Erwerbsquote in diesem Land. Auch das muss gesagt werden. Wir sind im Übrigen die erste Regierung, die endlich eine durchdachte Strukturreform im Gesundheitswesen zustande bringt. ({2}) Sie haben die Patientinnen und Patienten nur belastet. ({3}) Deutschland ist im Übrigen auch Exportweltmeister. ({4}) Des Weiteren reisen die Deutschen am meisten. Das heute zur Diskussion stehende Thema hat insofern auch etwas damit zu tun. SARS ist - das ist schon gesagt worden - die erste große Epidemie dieses Jahrhunderts. Mittlerweile sind in 28 betroffenen Ländern viele Menschen gestorben. In Deutschland - die Frau Staatssekretärin hat bereits darauf hingewiesen - gibt es 38 Verdachtsfälle und acht infizierte Personen. Es ist natürlich beunruhigend, dass SARS - die Infiziertenzahlen steigen ständig - besonders in China einschließlich Hongkong wütet, Menschenleben fordert sowie das öffentliche und wirtschaftliche Leben in den dortigen Metropolen lahm legt und die Bevölkerung in den Metropolen verunsichert. Wir hätten - das erwähne ich nur am Rande - im Gesundheitsausschuss darüber reden können, wenn uns die Opposition nicht mit einer Diskussion über die Geflügelpest aufgehalten hätte. ({5}) Die Konsequenz für Europa und insbesondere für Deutschland aus den Entwicklungen in den asiatischen Ländern ist klar: Es muss alles unternommen werden, um ein Einschleppen dieser Krankheit auch in Zukunft zu verhindern. Dabei haben die Organe und Institutionen des Bundes - das muss an dieser Stelle ausdrücklich betont werden - in der Vorsorge und in der Aufklärung einen klaren Weg beschritten, und zwar zügig und adäquat. Die SARS-Hotline ist beim Robert-Koch-Institut angesiedelt worden. Sie informiert in verständlicher Form und aus erster Hand über die Erkrankung. Ebenso sind die Beschreibung der Erreger und der Symptome, die Erstellung von Reisehinweisen und die enge Zusammenarbeit mit den Fluglinien, die Flüge in die Risikoregionen anbieten, sehr schnell und koordiniert durchgeführt worden. All das war richtig. Dieser Weg muss weiter verfolgt werden. Es ist ebenfalls richtig, dieses Problem auf europäischer Ebene zu behandeln. Die Staatssekretärin hat in diesem Zusammenhang den EU-Netzwerk-Ausschuss für übertragbare Krankheiten erwähnt. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass wir bei der Bekämpfung von Menschen- und Tierseuchen im Bedarfsfall nicht zögern dürfen und auch über die Grenzen hinweg zusammenarHelga Kühn-Mengel beiten müssen, um gemeinsam Präventionsmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Die WHO hat sich auf diesem Gebiet eingebracht. Die Bundesrepublik arbeitet eng mit ihr zusammen. Das Zusammenspiel von Fachkompetenz vor Ort und in den Laboren ist ausdrücklich zu begrüßen und wird durch die Regierungskoalition weiter aktiv unterstützt. Der konkrete Umgang mit Verdachtsfällen in Deutschland ist von extremer Wichtigkeit. Aufklärung, medizinische Untersuchung von potenziell Infizierten und die Organisation von Quarantänemaßnahmen sind wichtige Bereiche, in denen der öffentliche Gesundheitsdienst zum Zuge kommt. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen - das muss betont werden -, dass die Mittel für den öffentlichen Gesundheitsdienst seit 1992 kontinuierlich zusammengestrichen wurden. Wir brauchen den öffentlichen Gesundheitsdienst für die angesprochenen Aufgaben, aber auch für andere wichtige öffentliche Aufgaben. Insofern muss man sagen: Der öffentliche Gesundheitsdienst wird in Krisenzeiten nicht nur gebraucht, sondern auch auf seine Schlagkraft getestet. Wir sollten ihn im Auge behalten. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Jens Spahn von der CDU/CSU-Fraktion.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kühn-Mengel, aus Ihrer Einleitung könnte man den Eindruck gewinnen, wir hätten diese Aktuelle Stunde beantragt. ({0}) Sie waren es doch, die dieses Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben. Sie sind diejenigen, die mit dem Thema dieser Aktuellen Stunde von anderen Dingen ablenken möchten und die suggerieren, dass für Deutschland Handlungsbedarf bestehe und dass wir uns mit diesem Thema anstatt mit anderen beschäftigen müssten. Sie hätten, wenn es tatsächlich um Information ginge, schon im Ausschuss entsprechend handeln können. Wir haben vor Ostern beantragt, darüber zu sprechen. Es ist unter dem Punkt „Verschiedenes“ kurz darüber gesprochen worden; allerdings ist der Beratung des Themas im Nachhinein zu wenig Raum gewährt worden. ({1}) Ich möchte noch ein Wort zu dem Gesetz, das Sie gerade ansprachen, sagen. Als dieses Gesetz hier verabschiedet wurde, hat Herr Wodarg selbst die ehemalige Staatssekretärin Bergmann-Pohl dafür gelobt, dass die Initiative von der CDU/CSU-Fraktion ausgegangen sei. ({2}) Daher ist dieses Maß an Selbstbeweihräucherung, das Sie hier gerade betrieben haben, nicht angebracht. ({3}) Dieses Thema - ihm ist in den letzten Wochen verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt worden; der erste Verdachtsfall war im November 2002 - hat sicherlich viel Unsicherheit, Ängste und Sorgen hervorgerufen; Herr Kolb hat eben ein Beispiel geschildert, über das auch in den Medien berichtet worden ist. Es ist sicherlich wichtig, über dieses Thema sachlich zu sprechen. Das sollte aber, wie gesagt, zuerst im Ausschuss oder woanders und nicht in einer Aktuellen Stunde geschehen. Wenn das nämlich geschieht, dann wird etwas suggeriert, was es gar nicht gibt. Alles in allem können wir in drei Bereichen Handlungsbedarf feststellen: Zum Ersten brauchen wir mehr Forschung und Vorsorge in diesem Bereich. Von der Kollegin WidmannMauz ist gerade schon angesprochen worden: Das Robert-Koch-Institut ist für seine Aufgaben ganz offensichtlich nicht hinreichend ausgestattet; in der letzten Zeit wird es immer öfter gefordert. Ganz grundsätzlich müssen wir uns zum Beispiel mit der Frage beschäftigen, wie es dazu kommt, dass die Mensch-Tier-Barriere immer öfter von Viren übersprungen wird. Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hatte meines Wissens heute einen Virologen zur Thematik der Geflügelpest zu Gast. Von daher ist Ihr Einwurf von vorhin, wir hätten mit der Geflügelpest verhindert, dass das andere Thema behandelt worden ist - allein die Formulierung! -, eher skandalös zu nennen, Frau Kühn-Mengel. ({4}) Es geht zweitens um Vorsichtsmaßnahmen. Natürlich sind solche Maßnahmen zu treffen, auch wenn wir in Deutschland aktuell nicht betroffen sind. Da geht es um Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes und des Robert-Koch-Institutes; solche gibt es ja. Es geht darum, Verdachtsfällen gründlich nachzugehen und im Zweifel noch sicherer zu gehen, als wir es vielleicht tun müssten. Aber wir dürfen auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Im Internet lese ich, dass es mittlerweile hier in Deutschland Angebote für Mundschutz gibt. Mundschutz wird zu einem Preis von 2,99 Euro angeboten. Da wird an der einen oder anderen Stelle in der Öffentlichkeit und auch von den Medien unnötig Hysterie erzeugt. Wichtig ist drittens gemeinsames europäisches Handeln. Ich möchte die Regierung, Frau Staatssekretärin, ausdrücklich unterstützen, wenn es um die Frage der Zuständigkeit geht. Sicherlich ist es wichtig, dass wir die Arbeit der einzelnen Nationalstaaten in diesem Bereich vernetzen, aber wir dürfen dazu nicht eine Stelle, ein Amt oder sonst irgendetwas auf europäischer Ebene schaffen - das haben Sie, Herr Staatssekretär Schröder, glaube ich, auch gesagt -; denn das, was damit von Kommissar Byrne letztlich beabsichtigt ist, ist einmal mehr, einen Fuß in die Tür zu bekommen, um Kompetenzen im Bereich des Gesundheitswesens auf die europäische Ebene zu ziehen. Sie müssen aber auf jeden Fall auf der nationalen Ebene bleiben. ({5}) Ich möchte zum Abschluss noch auf folgenden Punkt eingehen: Der Umstand, dass diese Seuche von ihrem Herd in Südchina aus mittlerweile zu Verdachtsfällen in Toronto, in Frankfurt, in Bogotá und Taiwan geführt hat, zeigt, dass Globalisierung und zunehmende Vernetzung nicht nur wirtschaftliche Aspekte haben, sondern auch mit ganz anderen Aspekten verbunden sind. Umso unverantwortlicher ist es - das muss deutlich gesagt werden, nicht zuletzt von der Bundesregierung, so wichtig es auch ist, dass sie finanzielle Unterstützung leistet -, wie die chinesische Staatsführung mit diesem Thema umgegangen ist und wie sie es wochen- und monatelang unterdrückt hat. Sie ist nur sehr intransparent vorgegangen. Das bedeutet: mehr Zusammenarbeit in der EU - das habe ich gerade schon gesagt -, sicherlich aber auch in der WHO. Ich hoffe und wünsche, dass es gelingt, diese erste neue Infektionskrankheit des 21. Jahrhunderts, wie sie in den Medien oft genannt wird, einzudämmen, ihrer Herr zu werden und vor allem zu verhindern, dass sie uns in Deutschland erreicht. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat nun die Kollegin Birgitt Bender von Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist beruhigend zu sehen, dass es in wesentlichen Bereichen zwischen Opposition und Regierung doch Einigkeit gibt. Herr Spahn, ich stimme Ihnen ausdrücklich darin zu, dass die Erfahrung mit SARS auch ein Lehrstück zur Umgangsweise mit einer solchen Krankheit ist, insbesondere auch zur Frage von Demokratie und Transparenz. Genau diese sind nämlich in China nicht gegeben. Dort haben sich die örtlichen Funktionäre nicht getraut, die Informationen über den Ausbruch der Krankheit weiterzugeben, weil sie Angst vor Repressalien der nächsten Ebene hatten. Auf diese Weise hat es über lange Zeit eine Politik des Verschweigens und Vertuschens gegeben, die der Ausbreitung der Krankheit und dem Entstehen einer Epidemie überhaupt erst die Tür geöffnet hat. Das ist in der Tat unverantwortlich. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, denke ich, dass wir, die wir in einer Demokratie leben, unsere Freiheit auch dazu nutzen sollten, über dieses Thema zu reden. ({0}) Herr Spahn, Frau Widmann-Mauz, Sie sollten das nicht kritisieren. Im Übrigen habe ich mich etwas darüber gewundert, Frau Kollegin, dass Sie uns eine Emotionalisierung vorwerfen, selbst aber gleich sagen, man brauche mehr Stellen für das Robert-Koch-Institut. ({1}) Sie müssen sich schon entscheiden, wie es denn jetzt sein soll. Sie haben davon gesprochen, dass wir uns mit der wirtschaftlichen Lage beschäftigen sollten. Ich kann Ihnen versichern: Das tun wir. Sie haben ein ganzes Wochenende Klausurtagung gebraucht, um festzulegen, wie Sie zu unseren Vorhaben Stellung nehmen wollen, und haben einen Haufen Formelkompromisse geschlossen. Ich will aber auch, meine Damen und Herren, darauf aufmerksam machen, dass SARS nicht nur ein gesundheitspolitisches, sondern in der Tat auch ein wirtschaftspolitisches Problem ist. Wir sehen jetzt schon, welche Einbrüche die Fluggesellschaften zu verkraften haben, die mit dem Südostasiengeschäft bisher wesentliche Teile ihrer Einnahmen erzielt haben. Machen wir uns nichts vor: Die Entwicklung wird auch noch ein Stück weiter in diese Richtung gehen. Wir sehen auch daran: In einer globalisierten Welt gibt es keine Inseln. Somit ist eben möglich, dass über Flugreisende eine solche Krankheit in andere Länder eingeschleppt wird. Die entsprechenden Gegenmaßnahmen ziehen natürlich wiederum wirtschaftliche Folgen nach sich. Deutschland ist noch viel weniger als China eine Insel. Es wird auch keine werden. Es macht keinen Sinn - das wurde schon gesagt -, jetzt zu versuchen, so eine Art Schutzmauer um Deutschland herum zu ziehen, indem man alle Flugreisenden kontrolliert. Das wäre ein hoher Aufwand, der nur ein irriges Gefühl von Sicherheit vermitteln würde. Wir können jetzt aber etwas tun, indem wir die betroffenen Länder in der Bekämpfung der Krankheit unterstützen. Die Frau Staatssekretärin hat darauf hingewiesen, dass wir China entsprechende infrastrukturelle Hilfen zur Verfügung gestellt haben. Auch wenn sich die chinesischen Behörden zunächst falsch verhalten haben, ist es richtig, ihnen Kooperationsangebote zu unterbreiten und sie jetzt zu unterstützen. Weiterhin müssen wir selber in aller Ruhe Vorkehrungen treffen. Das geschieht zum Beispiel am RobertKoch-Institut. Hierbei kommt es insbesondere auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern an. Nicht zuletzt ist natürlich die Vernetzung und Kooperation auf europäischer Ebene sehr wichtig. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg und können sagen, dass wir uns dieser Gefahr stellen, es aber keinen Grund zur Panikmache gibt und wir mit unserem System der Gesundheitsvorsorge und unseren Möglichkeiten zu seuchenhygienischen Maßnahmen in dieser Situation einer drohenden neuen Epidemie gut gerüstet sind. Danke schön. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Erika Ober von der SPD-Fraktion.

Dr. Erika Ober (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Vorwürfe von Frau Widmann-Mauz und Herrn Spahn aus der CDU/CSUFraktion eingehen, wir wollten uns mit der Behandlung des Themas SARS vor der Behandlung von aktuellen politischen Themen drücken und von ihnen ablenken. ({0}) Wie Sie wissen, sind wir jederzeit bereit, uns aktuellen Themen zu stellen und über sie zu diskutieren. Wir wollen uns aber auch diesem aktuellen Problem widmen. Herr Kolb hat ja eben schon berichtet, dass es in unserem gemeinsamen Wahlkreis eine hysterische Reaktion, eine Überreaktion gab. Daran sieht man, wie wichtig dieses Thema ist. Ich denke, wir sollten darüber sachlich und gemeinsam diskutieren. Auf den Vorwurf, dass wir es nicht zuerst im Ausschuss diskutiert haben, antworte ich, dass für mich eine Diskussion hier im Plenum mindestens genauso wichtig und sinnvoll ist. Deshalb sehe ich diesen Vorwurf so nicht ganz ein. ({1}) Die Verbreitung von SARS findet nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hauptsächlich über Tröpfchen- und Schmierinfektionen statt. Das heißt, es handelt sich hierbei auch um eine Hygienefrage. Damit stellt es in unserem Land auch kein so großes Problem dar. Der Verursacher der Atemwegserkrankung ist ein Coronavirus, zu dessen Nachweis inzwischen verschiedene Laborverfahren zur Verfügung stehen. Nach Aussagen der Tropeninstitute ist SARS nicht so ansteckend wie zum Beispiel Masern und auch nicht so resistent. Wir müssen aber damit rechnen, dass sich SARS wegen der derzeitigen weltweiten Verbreitung dauerhaft als Krankheit etablieren kann. Die Symptome sind - das wurde schon gesagt - unspezifisch und ähneln denen einer Grippe. Konkrete Therapiemöglichkeiten gibt es derzeit nicht, sondern nur eine Behandlung der Symptome, was im Übrigen auch für viele andere Krankheiten gilt. Auch die Möglichkeit zu einer Impfung besteht derzeit noch nicht. In China, Hongkong und Taiwan ist der Höhepunkt der Entwicklung nach Aussagen der Weltgesundheitsorganisation noch nicht erreicht; in Kanada und Vietnam sieht die Situation positiver aus. Wie von der Staatssekretärin, Frau Caspers-Merk, schon gesagt, gab es gestern ein Treffen der EU-Gesundheitsminister. Es wurde die Einrichtung eines europäischen Zentrums für Krankheitsvorsorge und -kontrolle vorgeschlagen. Wie dies aussehen soll, müssen wir hier nicht diskutieren. Zu begrüßen ist auf jeden Fall ein EU-weites gemeinsames Vorgehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine globale Bedrohungslage, wie Gro Harlem Brundtland gestern sagte, die für Deutschland zurzeit gering einzuschätzen ist. Eine akute Bedrohung für Deutschland ist momentan nicht vorhanden. Trotzdem stimmt es angesichts globaler Bedrohung sehr nachdenklich, wenn die US-Behörde CDC zur Kontrolle und Vorbeugung von Krankheiten gleichzeitig den kompletten SARS-Virus sowie seine Einzelteile patentieren will oder die Firma Combimatrix im US-Bundesstaat Washington das Patent auf Schlüsselkomponenten zweier SARS-Gene beantragt, die für die Infektion im menschlichen Körper verantwortlich sein sollen. ({2}) Die Erregerentdeckung und Gendetektion eines Erregers dürfen nicht durch einen Patentschutz in der Weise „geschützt“ werden, dass die Beforschung des Erregers und die Entwicklung von Therapien behindert werden. Dies wäre höchst gefährlich. ({3}) Man kann sich vorstellen, dass nur der Patentinhaber Interesse an der Erforschung hätte, wenn Erreger mit all ihren Eigenschaften patentierbar wären. Das Interesse anderer könnte sinken, wenn sie wissen, dass sie für Lizenzen bezahlen müssen. Zudem könnte man annehmen, dass sich zusätzlich die Forschungsdauer verlangsamt, weil man sich mit einem Patent in der Tasche möglicherweise mehr Zeit lässt. Wenn sich viele Forschungseinrichtungen mit neuen Erregern beschäftigen, gibt es vielleicht schnellere Ergebnisse. Wir können es uns nicht leisten, Chancen auf die Entwicklung spezifischer Therapeutika und einer Prophylaxe, das heißt eines Impfstoffes, zu vergeben. Wichtig ist deshalb die weltweite Klärung dieses Sachverhaltes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Forscher und Forscherinnen dürfen nicht durch die Patentierbarkeit auf Schlüsselbestandteile von Erregern oder auf komplette Erreger in ihrer Forschungstätigkeit behindert werden. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothee Mantel von der CDU/CSU-Fraktion.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Nachrichten der letzten Tage waren oft beunruhigend. Panikmache wäre jedoch fehl am Platz. Dennoch muss die Lage von uns ernst genommen werden. Die Zahl der an SARS neu erkrankten Men3470 schen nimmt in einigen Ländern nicht ab. Vor allem im vermutlichen Ursprungsland China ist keine Eindämmung in Sicht, obwohl die Chinesen mittlerweile mehr tun, um die dramatische Situation in den Griff zu bekommen. Die Todesrate liegt bei schätzungsweise 8 bis 15 Prozent, nachdem anfangs von 4 bis 6 Prozent ausgegangen wurde. Nach neuesten Schätzungen liegt die Todesrate in Hongkong bei knapp 20 Prozent. Bei alten Menschen könnte sogar über die Hälfte eine Infektion nicht überleben. Auch wenn einzelne Fälle durch infizierte Einreisende nie auszuschließen sind, in Deutschland und Europa besteht Virenexperten zufolge momentan kein Grund zu der Sorge, dass sich SARS wie in Asien ausbreitet. Dennoch ist Prävention weiterhin das Gebot der Stunde. Die konsequente Nachprüfung jedes einzelnen Verdachtsfalls hat sich bewährt. Dabei ist es wichtig, alle potenziellen Kontaktpersonen zu registrieren und zu informieren. Über den Erreger aus der Familie der Coronaviren werden erst nach und nach Erkenntnisse gewonnen. Wir können nur hoffen, dass neue Forschungsergebnisse weiterhin mit dieser ermutigenden Geschwindigkeit bekannt werden. Eines können wir heute aber bereits festhalten: Offenheit und eine transparente Informationspolitik sind unumgänglich. ({0}) Im Bereich der Wissenschaft funktioniert die weltweite Zusammenarbeit von Labors bei der Erforschung von SARS gut. Dies darf nicht unerwähnt bleiben. Die Informationspolitik einzelner Staaten hätte aber offener sein können. SARS macht nicht vor Staatsgrenzen und auch nicht vor Kontinenten halt. Ohne eine sofortige und umfassende internationale Kooperation kommen wir nicht aus. Wer Informationen zurückhält, gefährdet andere und auch sich selbst. Die Bundesregierung muss eine offene Informationspolitik als Herausforderung der internationalen Zusammenarbeit begreifen. Allen Staaten dieser Erde muss nahe gelegt werden, keine Informationsabschottung vorzunehmen - mit den gebotenen diplomatischen Formulierungen, aber doch unmissverständlich. Denn dies hilft letztlich vor allem den betroffenen Staaten selbst. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bundesregierung, für die deutsche Außenpolitik scheinen Visionen im Moment dringend gesucht zu sein. Deutschland und die vielen deutschen Organisationen genießen auf dem Gebiet der humanitären Hilfe weltweit hohes Vertrauen und Ansehen. Das gilt ebenso für die Fähigkeit, bei Hilfseinsätzen in Krisensituationen schnell und angemessen zu reagieren. Ich frage Sie: Wäre Deutschland daher nicht prädestiniert, international die Rolle eines Koordinators bei Krisenfällen einzunehmen? Wäre es nicht denkbar, dass Deutschland dadurch internationale Informationsflüsse beschleunigt? Vor allem restriktiv handelnde Länder könnten dazu gebracht werden, Informationen zu teilen. Eine solche Politik würde Deutschland wieder zum konstruktiven Partner machen und aus Ihrer Anti-Rhetorik herausführen. Eine solche Rolle wäre glaubwürdig für Deutschland und würde Deutschland wieder zum gesuchten Partner in der Welt werden lassen. Mit einer solchen Rolle wäre der Anfang gemacht, der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik insgesamt wieder Profil zu geben, was Sie die letzte Zeit sehr vernachlässigt haben, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. ({1}) Ich verspreche Ihnen hier und heute: Wenn Sie diesen Schritt gehen, können Sie mit unserer Unterstützung rechnen. Die CSU und die CDU haben nämlich in den letzten Monaten zwei Dinge immer wieder verdeutlicht: ({2}) - Ich frage mich, warum Sie sich jetzt so aufregen. Sie können doch froh sein, dass wir einmal ein Problem haben, das nicht Ihr Kanzler verschuldet hat. ({3}) Uns ist vor allem daran gelegen, Deutschland aus dem internationalen Abseits zu holen. Uns ist zudem daran gelegen, Deutschland international wieder zu einem Impulsgeber zu machen. Zu hoffen bleibt, dass die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von SARS einen internationalen Anstoß gibt, grenzüberschreitende Probleme auch mit grenzüberschreitenden Informationen zu lösen. Die Unterstützung der CDU/CSU wäre Ihnen sicher. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Marlies Volkmer von der SPD-Fraktion.

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste große Epidemie des 21. Jahrhunderts versetzt die Welt in Aufregung. Täglich kommen neue Erkrankte hinzu; täglich erliegen Menschen dem hoch ansteckenden Virus. Am stärksten sind dabei China, Taiwan und Singapur betroffen. Ich möchte betonen, dass die Krankheit dort eben nicht nur das öffentliche Leben einschränkt. Je länger SARS wütet, desto größer werden die wirtschaftlichen Schäden für diese Länder sein. Es sind nicht nur die gesundheitlichen Gefahren - darauf möchte ich hinweisen -, die uns über den bis vor kurzem noch unbekannten Erreger sprechen lassen. Es sind auch die Gefahren für die wirtschaftliche Stabilität einer ganzen Region, die auch auf unsere Wirtschaft nicht ohne Einfluss ist. Die Sorge der Bürger hierzulande ist dabei verständlich. Die Ansteckungsgefahr mit dem Erreger ist zwar niedriger als bei der Influenza, der Grippe, aber die Sterblichkeit liegt deutlich höher. Ein Impfstoff oder konkrete Therapien sind derzeit nicht verfügbar. Zur leichten Übertragbarkeit mittels Tröpfchen- oder Schmierinfektion kommt hinzu, dass Erreger heute nicht mehr Jahre brauchen, um andere Kontinente zu erreichen, wie das früher beim Schiffsverkehr der Fall war. Im Zeitalter des Flugzeugs trennen uns von den am stärksten betroffenen Gebieten nur noch Stunden. So erschreckend diese Befunde auch sind: Regelrechte Angst vor SARS muss hierzulande natürlich niemand haben. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und das Robert-Koch-Institut haben frühzeitig umfassende Maßnahmen ergriffen, um eine Ausbreitung von SARS zu verhindern. Mittels breit angelegter Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen konnten Ansteckungsfälle in Deutschland bislang verhindert werden. Dazu trug auch die gute Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Länder und den Gesundheitsämtern vor Ort bei. Die wichtigste Maßnahme ist freilich die Aufklärung einreisender Menschen aus Risikoregionen. Die Luftfahrtgesellschaften haben ihr Personal instruiert, Reisende auf Symptome zu befragen und Erkrankungsfälle an Bord bereits an den Zielflughafen zu melden. Daneben sind umfassende Hygienemaßnahmen und damit die konsequente Eindämmung von Erkrankungsherden zur Verhinderung der Weiterverbreitung von SARS notwendig. Krankenhäuser mit Isolierstationen sind bestens auf den vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Umgang mit SARS-Patienten vorbereitet. Mediziner, Gesundheitsämter und Bürger können über das Internet unkompliziert das umfangreiche Informationsangebot des Instituts abrufen. Zusätzlich hat das Robert-Koch-Institut einen 24-Stunden-Rufbereitschaftsdienst für Anfragen aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst geschaltet. Die Informationshotline, die für Bürger eingerichtet wurde, wird häufig genutzt. Eine wichtige Rolle - auch das ist schon angesprochen worden - spielt die Forschung, die so schnell wie möglich Wege finden muss, dem Virus beizukommen. Das deutsche Bernhard-Nocht-Institut hat sich dabei große Verdienste erworben. ({0}) Ihm war es erstmals gelungen, das Virus zu beschreiben. SARS-Nachweissysteme sind inzwischen am RobertKoch-Institut, an der Philipps-Universität Marburg und der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main etabliert worden. Bisher wurden in Deutschland weniger als 0,1 Prozent der weltweit registrierten Erkrankungsfälle verzeichnet. Das entbindet uns aber nicht von der Verantwortung, den am stärksten von der Krankheit betroffenen Ländern beizustehen. Auf eine Bitte des Bürgermeisters von Peking hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung daher 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, sodass insgesamt etwa 100 Röntgen- und 200 Beatmungsgeräte nach China geliefert werden können. ({1}) Ich persönlich hoffe, dass dieses Beispiel Schule macht. Denn der Kampf gegen diese tückische Krankheit kann nur in enger internationaler Kooperation gewonnen werden. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Erich Fritz von der CDU/CSU-Fraktion.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland lebt wie kaum ein anderes Land von globaler Mobilität. Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen aus Deutschland weltweit ihren Geschäften nachgehen und dass umgekehrt Kunden zu uns kommen. Jetzt stellen wir fest: Auch Viren nutzen globale Mobilität. Vorsorge ist also angesagt. Das berühmte Vorsorgeprinzip, das von der Bundesregierung an anderer Stelle sehr hoch gehalten wird, muss sich hier bewähren. Frau Staatssekretärin, es ist so, dass bei der Einschätzung der Gefährlichkeit dieser Seuche Prognosen nicht mehr helfen. Denn in Hongkong wurde deutlich, dass es in 20 Prozent der Erkrankungen zu Todesfällen kommt und dass mit zunehmendem Alter die Sterblichkeit steigt. Dies zeigt, dass wir ein Problem haben. Dieses Problem führt dazu, dass Menschen Angst haben und verunsichert sind. Das zeigt sich zunächst einmal darin, dass touristische Aktivitäten stark eingeschränkt werden, dass die Passagierzahlen bei den Fluggesellschaften zurückgehen und dass in den letzten Wochen zum Beispiel in China die Zahl der Messebesucher dramatisch eingebrochen ist und Geschäftsabschlüsse unterbleiben. Dass SARS in einem großen Umfang Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben hat, ist also nicht nur zu vermuten, sondern bereits zu spüren. Jetzt kommt es darauf an, dass all diejenigen, die mit diesem Problem im Rahmen ihrer Tätigkeit umgehen müssen, einen einfachen Weg erhalten, sich zu informieren. Ich habe mir heute einmal die Internetinformationen der Bundesregierung angesehen. Das, was das RobertKoch-Institut in diesem Zusammenhang macht, ist wirklich klasse. Aber auf der Internetseite der Bundesregierung versteckt sich dieses Angebot unter kleinen Links. Ich meine schon, dass diejenigen Adressen, die als Erste aufgesucht werden, zum Beispiel das Auswärtige Amt, sehr schnell und möglichst konkret informieren und weiterführende Hinweise geben sollten. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr gute Angebot der WHO in Teilen übernommen wird. Es sollte sofort zugänglich und nicht erst über Links zu erreichen sein. Das würde sicher dazu beitragen, dass das, was Sie vorhin gefordert haben, nämlich eine ruhige, sachliche Auseinandersetzung und frühzeitige Information, möglich wird. ({0}) Ob SARS eine weltweite Gefahr ist, können wir alle heute nicht beantworten. Reuters hat heute Mittag gemeldet, die Chinesen seien jetzt der Meinung, dass sie in einer bestimmten Anzahl von Tagen - es ist von zehn bis 15 Tagen die Rede - das Problem im Griff hätten. Gro Harlem Brundtland ist von meiner Vorrednerin zitiert worden; sie hat gesagt, das sei die erste Seuche des 21. Jahrhunderts. Diese Seuche ist schwerpunktmäßig in Ländern ausgebrochen, in denen das Gesundheitssystem hoch entwickelt ist. Bei allen Schwierigkeiten, die es in der Entwicklung Chinas gibt, können wir sagen: Das Gesundheitswesen ist ein Bereich, der wirklich funktioniert. Stellen wir uns einmal vor, diese Seuche würde nach Afrika oder in bestimmte Länder Lateinamerikas überspringen. Dann hätten wir etwas ganz anderes zu erwarten; dann wäre eine Begrenzung dieser Seuche sehr viel schwieriger. Erst dann hätten wir es mit Auswirkungen zu tun, die wir uns jetzt noch gar nicht ausmalen können. Die EU braucht keine neue Zuständigkeit. Das kann die Bundesregierung, Frau Staatssekretärin, am besten dadurch beweisen, dass sie schnell und effektiv mit anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeitet und gemeinsame Regelungen erarbeitet. Dass Sie dafür vom 15. März bis zum 4. Mai gebraucht haben, ist kein Ausweis von Kompetenz auf diesem Gebiet. Das hat zu lange gedauert und das hat dazu geführt, dass neue Begehrlichkeiten in Brüssel geweckt wurden. Wir meinen: Eine solche Zuständigkeit Brüssels ist nicht nötig. Wenn wieder so ein Fall auftritt, muss das also schneller gehen. Wenn wir uns die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen anschauen, die nun zu erwarten sind, dann stellen wir fest, dass alle Prognosen der Wachstumsraten für China deutliche Rückgänge aufweisen. Das gilt übrigens auch für Hongkong, Singapur, die anderen betroffenen Länder und vermutlich für den gesamten Raum. Was heißt das nun konkret in Bezug auf die Auswirkungen, die für Europa und Deutschland zu erwarten sind? China hatte in den ersten drei Monaten eine Wachstumsrate von annähernd 10 Prozent und muss die Zahl für die nächsten Monate auf etwas über 7 Prozent korrigieren. Das sind schon dramatische Einbrüche. Mir liegt daran, auch in Richtung aller derjenigen, die sich mit China beschäftigen, zu sagen: Man sollte dies zum Anlass nehmen, diesem Land, das eine unglaubliche wirtschaftliche Dynamik entfaltet hat, klar zu machen, dass man nicht WTO-Mitglied sein und alle Vorteile der Globalisierung und der Einbindung in den Welthandel nutzen kann und gleichzeitig im Inneren bei Strukturen verharren kann, die die Intransparenz gegenüber den eigenen Bürgern und der internationalen Öffentlichkeit zur Maxime erheben. ({1}) Diese Lage sollte dazu führen, dass die Chinesen gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit klarstellen, dass sie jederzeit und überall bereit sind, dazu beizutragen, dass die Informationen, die vorliegen, tatsächlich auch genutzt werden können. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg von der SPD-Fraktion.

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel gesagt worden; es sind auch schon viele Details angesprochen worden. Ich möchte deshalb versuchen, Schlussfolgerungen zu ziehen und Parallelen zu dem zu entwickeln, was wir zurzeit beobachten. Die Kollegin Bender hat dargestellt, wie das in China gelaufen ist, wie lange es gedauert hat, bis die chinesische Regierung eingestanden hat, dass etwas nicht in Ordnung ist. Was sie aufgezeigt hat, ist eine Gesetzmäßigkeit. Bei der Bekämpfung von Seuchen ist es immer wieder zu erleben, dass Menschen sich schämen, wenn sie etwas in sich tragen, was sie brandmarkt und was dazu führen kann, dass andere Menschen den Kontakt mit ihnen scheuen. Eine Seuche zu haben, infiziert zu sein, eine Gefahrenquelle für andere zu sein - das ist etwas, worüber man nicht gern spricht. Das können wir in vielen Bereichen sehen. Es gilt für Einzelpersonen, gilt für Gemeinschaften und gilt für ganze Staaten. In den vergangenen Jahren konnten wir genug Lehrbeispiele dafür erleben. Das Folgende sage ich ohne Schuldzuweisung; ich sage es einfach analysierend: Es hat zu lange gedauert, bis man in Großbritannien dazu stand, dass man mit der Rinderseuche ein Problem hat. In der Schweiz ist das anders behandelt worden. Die Schweizer haben jeden belohnt, der einen Verdacht gemeldet hat; die Schweizer haben damals gesagt: Jedes infizierte Rind, das wir finden, bedeutet mehr Sicherheit. - Wir in Deutschland waren nicht immer der gleichen Meinung. Die Briten standen lange Zeit auf dem Standpunkt: Macht bloß keine Panik; lasst uns das unter dem Teppich halten. - Das ist bei der Seuchenbekämpfung die falsche Strategie. ({0}) Genauso hat sich jetzt China verhalten. Das gilt auch, wenn es sich nur um Salmonellen handelt, über die wir in diesem Hause schon mehrfach diskutiert haben - es ging damals darum, dass eine Fabrik oder eine Landesregierung Infektionsfälle unter den Teppich kehren wollte; sie wollte diese nicht zugeben, weil sie wirtschaftliche Nachteile befürchtete -, oder anderes. Es sind immer wieder dieselben Mechanismen. Frau Staatssekretärin, ich glaube, das ist einer der Gründe, weshalb wir darüber nachdenken müssen, wo die Verantwortlichkeit in der Seuchenbekämpfung - das Belohnen, möglicherweise aber auch das Bestrafen - am besten aufgehoben ist. Ich denke, dass die Zuständigkeit auf internationaler Ebene liegen muss. Die internationale Ebene ist unparteilich und erstellt nach sachlichen Kriterien einen Bekämpfungsplan. Mit Unterstützung aller kann auf internationaler Ebene dafür Sorge getragen werden, dass die Instrumente wirklich greifen. Der Apparat zur Bekämpfung von Seuchen muss vor Ort bleiben, weil hier die konkreten nationalen Maßnahmen organisiert werden. Es ist wichtig, dass wir die WHO stärken. Das, was die WHO hier geleistet hat, machen wir uns heute noch gar nicht richtig klar. Diese Rolle hat sie früher bei der Aids- und BSE-Bekämpfung noch nicht gespielt. Sie hat bei der Bekämpfung von Krankheiten, die wir heute gar nicht eingeblendet haben - dazu gehören Tuberkulose in vielen Staaten der Welt, in denen Hunger herrscht, aber auch Aids und Malaria in Afrika, an denen Millionen von Menschen jedes Jahr sterben -, an Bedeutung gewonnen. Sie zeigt uns und der Welt, dass eine internationale Behörde schnell und wirklich zielgenau effizient arbeiten kann. Das sollten wir mit aller Kraft unterstützen. Ich denke, dass wir auch noch andere Dinge beachten müssen und weitere Lehren ziehen können: Die neuen Infektionskrankheiten kommen nicht aus den Genlabors aufgrund von Bioterrorismus, sondern sie entstehen dadurch, dass Dinge technisch zusammengebracht werden, die früher nicht zusammen waren. So fügt man beispielsweise Menschen und Tiere durch die Xeno-Transplantation zusammen. Dieses ist eine sehr gefährliche Technologie. Das hat der Europarat 1999 erkannt und gefordert, diese Experimente, also das Einpflanzen von Tierorganen in Menschen, zu unterlassen, weil sie zu gefährlich sind. Die Folgen solcher Experimente können wir nicht kontrollieren. Ein Mensch, der auf diesem Weg infiziert würde, wäre ein hohes Risiko für seine Umwelt. Das ist nicht vertretbar. Daher gibt es immer noch ein Moratorium und die Xeno-Transplantation wurde aufgrund dieser Bedenken hintangestellt. Aber auch die Forschung mit embryonalen Stammzellen, in die viele Menschen Hoffnung setzen, hat einen solchen Pferdefuß. Embryonale Stammzellen werden immer noch auf Mäusenährböden gezüchtet. Das heißt, Mäusezellen kommen in direkte Verbindung mit menschlichen embryonalen Zellen, sie wachsen zu einem System zusammen. Dass bei den Tieren, aus denen der Nährboden hergestellt wird, Erreger versteckt sind, ist nicht auszuschließen. Sie würden durch Therapien auf den Menschen übertragen und dort virutent werden können. Dieses große Risiko muss auf jeden Fall erkannt und berücksichtigt werden. In diesem Bereich besteht eine große Gefahr und es gibt noch viel zu tun, bevor man den Menschen wirklich mit Recht Hoffnungen auf solche Therapiemöglichkeiten machen kann. Ich freue mich, dass meine Kollegin die Patentfrage bereits angesprochen hat. Wir werden die Biopatentrichtlinie umsetzen müssen. Dabei müssen wir darauf achten, dass Menschen, die gerettet werden könnten, nicht deshalb ums Leben kommen, weil Forschungen blockiert werden und starre Patente bestehen. Erkenntnisse, die für alle, nicht nur für die reichen Industrienationen, sondern gerade auch für die Länder, in denen die Infektionsbekämpfung eine noch größere Rolle als bei uns spielt, wichtig sind, müssen auch umgesetzt werden können. Die Herstellung von Diagnostika und Impfstoffen darf nicht durch teure, für manche nicht erschwingliche Patente blockiert werden. Ich hoffe, dass wir das alle in Erinnerung behalten, wenn wir über Biopatente diskutieren. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Klaus Brähmig von der CDU/CSU-Fraktion.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tourismuswirtschaft ist gegenwärtig einer der Wirtschaftszweige, der besonders von den Auswirkungen von SARS betroffen ist. Neben China und anderen Zielländern in Asien zeigen sich die Auswirkungen auch beim Incoming-Tourismus nach Deutschland. Nachdem die Bundesrepublik im vergangenen Jahr exklusiv das so genannte ADS-Abkommen für erleichterte Individualreisen chinesischer Staatsbürger unterzeichnet hatte, war die anschließend einsetzende Reisefreudigkeit chinesischer Touristen ein Hoffnungsträger für den Tourismusstandort Deutschland. Dieses chancenreiche Geschäft ist damit schon in seiner Anfangsphase vorerst zum Erliegen gekommen. Zusätzlich hat der Outgoing-Tourismus von Deutschland nach Asien und insbesondere China rapide abgenommen. Die Lufthansa, Reiseveranstalter und vor allem unsere vielen Tausend Reisebüros, denen nun die lukrativen Provisionen auf Fernreisen nach Asien und Kanada fehlen, erleiden teilweise dramatische Einbußen. Bei den Auswirkungen des akuten Atemwegsyndroms gilt also das alte Sprichwort: kleine Ursache, große Wirkung. Weltweit sind bezüglich dieser gefährlichen Lungenkrankheit zurzeit in 31 Ländern mehr als 6 730 Erkrankungen und 480 Todesfälle bekannt. Dabei sind alle betroffenen Länder ausgerechnet attraktive Reiseziele mit großen Wachstumspotenzialen. Panikmache ist allerdings die falsche Antwort auf SARS. Aids, Malaria und Tollwut sorgen jeweils jährlich für deutlich mehr Tote weltweit als bisher das akute Atemwegsyndrom. Allein der Malaria fallen jährlich global 1 Million Menschen zum Opfer. Sogar die jährlichen Grippewellen in Deutschland sorgen für mehrere Tausend Todesfälle. Mit diesen Zahlen möchte ich diese Seuche und die Gefahren durch SARS nicht bagatellisieren, aber der jetzige Medienrummel, den diese Erkrankung momentan hervorruft, ist ihrer Bedeutung nicht angemessen. Vorbeugen ist besser als Heilen - so lautet das Gebot der Stunde bei uns in Deutschland. Es ist die Aufgabe der Politik, das Gesundheitsbewusstsein der Reisenden zu steigern, die Aufklärung der Bevölkerung zu verbessern und die Wissenschaftler bei der Entwicklung von Impfstoffen zur Vorbeugung und Vorsorge nach Kräften zu unterstützen. Den von SARS betroffenen Ländern kann man nur zu einer offenen und transparenten Informationspolitik raten. Dieser Rat geht ausdrücklich an die Regierung in China. Die bisherige Verschleierungstaktik schadet China selber am meisten. Ich erinnere hier nur an die Auswirkungen des jüngsten Terroranschlags auf Djerba, in Tunesien. Die anfängliche Desinformationspolitik hat das Vertrauen in dieses grundsätzlich attraktive Urlaubsziel zeitweise kräftig erschüttert. Das spreche ich auch und vor allem vor dem Hintergrund an, dass Peking im Jahre 2008 die Olympischen Sommerspiele durchführen möchte. Die weltweite Vernetzung der Wirtschaft, der internationale Tourismus und die hohe Mobilität, die uns die Distanz zwischen Kontinenten innerhalb von Stunden überbrücken lässt, machen es notwendig, die Bevölkerung und die Reisenden gleichermaßen über die Gefahrenpotenziale weltweit verbreiteter Infektionen, Seuchen und Epidemien zu informieren und das Niveau der Gesundheitsvorsorge anzupassen. Das gelingt allerdings nur, wenn die große Bedeutung des internationalen Tourismus auch tatsächlich erkannt wird. Sicherheit wird zum strategischen Standortfaktor der Wirtschaft und vor allem der Tourismuswirtschaft im 21. Jahrhundert. Meines Erachtens werden nur die Länder langfristig attraktive Tourismusstandorte sein, die erstens den Terrorismus nachhaltig bekämpfen, zweitens eine umfassende Gesundheitsvorsorge betreiben und drittens Umweltbelastungen so weit wie möglich vermeiden. Nur so wird man das Vertrauen der Reisenden weltweit als potenzielles Gastland gewinnen. ({0}) Die Ausbreitung von SARS verdeutlicht erneut: Die Welt wird immer mehr zum globalen Dorf und wir sitzen alle in einem Boot. Wenn wir aus dieser aktuellen Lungenseuche etwas lernen können, dann das: Es besteht die dringende Notwendigkeit, dass die Weltgesundheitsorganisation und verschiedene Forscherteams weltweit Informationen austauschen und gemeinsam an der Früherkennung und Bekämpfung solcher Krankheiten arbeiten. Im globalen Dorf muss global gehandelt werden. Mein Fazit zum Stand der Auswirkungen von SARS lautet: Es gibt in unserem Land keinen Grund zur Panik. Die Bevölkerung muss durch eine transparente Informationspolitik über die Gefahren und Chancen der globalen Vernetzung aufgeklärt werden. Eine klare und offene Informationspolitik der Gastländer und Reiseveranstalter ist geboten, denn sonst drohen Vertrauensverluste, die auch auf lange Sicht nicht auszugleichen sind. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass die heutige Debatte nicht die letzte Debatte zu diesem Thema im Deutschen Bundestag sein wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Tourismusausschuss - die Kollegin Irber ist auch anwesend -, wir werden uns mit diesem Thema auch in Zukunft im Ausschuss für Tourismus intensiv beschäftigen. Vielen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner erteile ich nun dem Kollegen Peter Dreßen von der SPD-Fraktion das Wort.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Der Spiegel“ schreibt in einer Überschrift: Ist der weltweite Seuchenzug des SARS-Erregers noch zu stoppen? Das ist in der Tat die Frage. Ich bin froh, dass eigentlich alle Redner heute hier versucht haben, auf diesem Weg ein Stück weiterzukommen, Ideen vorzuschlagen, wie man dem Problem begegnen kann. Es gab eine Ausnahme, auf die ich noch zu sprechen komme. Ich bin der Meinung, dass wir noch viel tun müssen. Wir müssen zum Beispiel das System der Beziehungen bei den Viren ausfindig machen. Wir müssen herausfinden, welche Tiere deren Träger sind, welche Bedingungen Voraussetzung für die Verbreitung sind und welche Artengrenzen SARS überwinden kann. Wir brauchen aber auch - das wurde schon gesagt; dem stimme ich voll zu - eine enge Zusammenarbeit aller Wissenschaftler der Welt, also von Virologen, Chemikern usw., damit ein Austausch aller Erkenntnisse stattfinden kann. Das ist in dieser Frage wirklich dringend notwendig. Wenn jemand meint, er müsse etwas im stillen Kämmerlein tun und könne Erkenntnisse zurückhalten, dann ist das falsch. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten noch einmal aus dem „Spiegel“ zitieren. Dort ist zu lesen: Die Fortschritte wurden möglich durch rasches und gemeinsames Handeln... Und weiter: „Das Wissen der Welt wurde zusammengetragen“, schwärmt der Frankfurter Virologe Rabenau. Gedanken und Ergebnisse würden ausgetauscht wie sonst nur selten im rauen Forschungsbetrieb. Genau das ist die richtige Herangehensweise. Wir müssen Infokampagnen machen - dazu zählt natürlich auch diese Aktuelle Stunde - und müssen aufklären. Artikel, wie sie im „Spiegel“ und in anderen Zeitschriften erschienen sind, tragen dazu bei, um Menschen aufzuklären, wie sie schneller zu Hilfe kommen. Verdachtsfälle müssen bis zur Klärung gut isoliert und gut behandelt werden. Es muss mit aller Dringlichkeit weiter geforscht werden, um zu wirksamen Medikamenten oder Impfstoffen zu kommen. Weltweit zusammentragen das muss unser Motto sein. Frau Widmann-Mauz, Ihren Beitrag in dieser Debatte fand ich wirklich abstrus. Sie sprachen von einem Brief des Staatssekretärs an Klaus Kirschner zur Personalsituation. ({0}) - Doch, Sie haben erwähnt, dass Sie einen solchen Brief vorliegen haben. ({1}) - Sie haben einen Brief von Staatssekretär Tiemann an Klaus Kirschner erwähnt. Es wäre schön, wenn Sie uns diesen Brief geben könnten; denn wir wissen, dass er noch nicht abgeschickt ist ({2}) und dass an ihm noch gearbeitet wird. ({3}) - Der Brief, den Sie in diesem Zusammenhang genannt haben, ist noch in Arbeit. ({4}) - Dann zeigen Sie einmal her, was Sie meinen. Dann können wir dem nachgehen. Ich war der Meinung, Sie hätten von einem Brief gesprochen, der im Moment in Arbeit ist und über den im Ministerium noch diskutiert wird. Aber Ihr Brief war nichts sagend. Den brauchen Sie nicht zu zitieren. Ich frage mich, was das soll. Sie haben hier einen Vortrag gehalten und deutlich gemacht, das Thema sei für Sie unnötig und unwichtig. Sie haben uns vorgeworfen, wir würden nicht genug unternehmen. Wenn aber übermorgen 20 oder 30 Fälle auftreten, dann wären Sie die Ersten, die eine Aktuelle Stunde beantragen würden. Ich meine, auf dieser Basis sollten wir dieses Thema nicht behandeln. Es ist ganz wichtig, dass es in unserem Land viele Menschen gibt, die versuchen, dieses Problem in den Griff zu bekommen, und dass die WHO sehr aktiv ist. Die WHO ist im Übrigen stolz auf das, was in Deutschland geleistet wird. Deswegen sollten wir so auch weitermachen. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. Mai 2003, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.