Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/11/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, dass die SPD-Fraktion noch nicht anwesend ist. Ich habe keine Nachricht. ({0}) Da es um das Ergebnis des Vermittlungsausschusses, also eine einvernehmliche Sache geht, unterbreche ich die Sitzung im Interesse dieser Einvernehmlichkeit für fünf Minuten. ({1}) ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich stelle fest, dass wir die fünf Minuten nicht brauchen. Die Sitzung ist also eröffnet. ({0}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung um die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz, Drucksache 15/841, und zum Zwölften SGB-VÄnderungsgesetz, Drucksache 15/840, sowie um einen interfraktionellen Antrag zum wirtschaftlichen Umgang mit Versichertengeldern bei Arzneimitteln erweitert werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 12 und 13 auf: ZP 12 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen ({2}) - Drucksachen 15/119, 15/287, 15/312, 15/480, 15/481, 15/612, 15/841 Berichterstattung: Abgeordneter Joachim Poß ZP 13 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({3}) zu dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ({4}) - Drucksachen 15/27, 15/74, 15/120, 15/167, 15/278, 15/298, 15/840 Berichterstattung: Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Kollege Wilhelm Schmidt.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Guten Morgen, Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein interessantes, ein heftiges, ein umfangreiches Vermittlungsverfahren hinter uns, das sich mit zwei Komplexen befasst hat. Der eine Komplex betraf das SGB. Hier war insbesondere das Ziel, bei der DRG-Abrechnung in den Krankenhäusern, also der Fallpauschalenabrechnung, eine Stabilisierung zu erzielen, aber auch, bei den Arzneimittelpreisen und den Verwaltungsausgaben der Krankenhäuser eine Eingrenzung der ausufernden Kosten zu erreichen. Das ist nur zu einem Teil gelungen. Ich bin dennoch dankbar dafür, dass wir immerhin ein Ergebnis erzielt haben, das wir heute gemeinsam im Bundestag beschließen werden und das auch im Bundesrat eine Mehrheit finden wird. Denn das Ergebnis des Vermittlungsausschusses hat immerhin dazu geführt, dass wir in Bezug auf die Fallpauschalen - mit einigen Ausnahmen 700 zusätzliche Krankenhäuser in diesem Land dazu bringen werden, das neue, das moderne System anzuwenden. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt nach vorne, der auch Vertrauen in die von der Koalition im Redetext Wilhelm Schmidt ({0}) vorigen Jahr erreichte Neuordnung des Abrechnungssystems schafft. Das Zweite, was damit zusammenhängt, ist, dass wir die Mitverantwortung der Krankenkassen noch mehr als bisher stärken wollen, nämlich bei den von ihnen selbst zu gestaltenden Ausgaben. Wir bedauern sehr, dass wir insbesondere im Bereich der Scheininnovation im Arzneimittelsektor nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind. Hier hätten wir uns eine größere Mitverantwortung der Pharmaindustrie gewünscht. Diese war durch die Blockade der Union leider nicht zu erzielen. Wir haben uns aber dann darauf verständigt, dass wir diesen Teil - das liegt Ihnen heute als Entschließungsantrag vor - noch nacharbeiten werden, dass er in eines der nächsten Gesetze zur Gesundheitspolitik aufgenommen und dort behandelt wird. Er wird dann hoffentlich zu einem positiven Ergebnis geführt. Wir wollen außerdem die Krankenkassen über die Aufsichtsbehörden zu einer stärkeren Einhaltung ihrer Sparauflagen bringen. - Das ist das Ergebnis der Beratungen über den vorliegenden Entwurf eines SGB-V-Änderungsgesetzes. Ich bitte um entsprechende Beschlussfassung im Parlament. Komplizierter und umfangreicher waren die Verhandlungen über das Steuerpaket. Ausgangspunkt war das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Wir werden an dieser Stelle nicht nachlassen, die Implikationen dieses Gesetzentwurfs weiterzuverfolgen. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Schwerpunkte. Der eine ist, dass wir für mehr Steuergerechtigkeit sorgen wollen. Das ist uns, gemessen an dem heute vorliegenden Ergebnis, nur zum Teil gelungen, weil die Union in der Frage der Steuergerechtigkeit nicht mitgezogen hat. Wir finden das nicht in Ordnung. ({1}) Der zweite Schwerpunkt ist: Wir wollen dafür sorgen, dass auch die Kassen der öffentlichen Hand, also die von Bund, Ländern und Kommunen, einen zusätzlichen Faktor der Steuerung und Unterstützung erhalten. Ich formuliere das so, weil die Materie sehr kompliziert ist. Das Entscheidende im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit ist aber, dass wir uns über die Unternehmensbesteuerung verständigen konnten. Das ist richtig und wichtig. Wir wollten die Steuerschlupflöcher schließen, die in den letzten Jahren gerade von Großunternehmen missbräuchlich genutzt worden sind. Das wird durch den vorliegenden Kompromiss erreicht. Dafür danken wir. ({2}) Wir danken insbesondere denjenigen, die diesen Kompromiss in der Vorphase der Verhandlungen herbeigeführt haben. Das sind die beiden Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück. Ich möchte daran erinnern, dass insbesondere in der CDU/CSU-Fraktion, aber auch in der FDP-Fraktion fundamentaloppositionelle Ansätze zu erkennen waren. Diese konnten überwunden werden. ({3}) Darüber bin ich sehr froh, und zwar auch deswegen, weil sich Herr Merz und andere sehr frühzeitig in die Ecke der beleidigten Leberwürste zurückgezogen haben. Herr Merz, nun tun Sie so, als ob Sie die großen Sieger wären. Ich sage Ihnen: Es ist zwar ein wichtiger, aber nur kleiner Erfolg erzielt worden. Wir würden gerne mehr erreichen und werden darin durch die Protokollerklärung, die auch von der Bundesregierung unterstützt wird und die wir zur Kenntnis geben, bestätigt. Das, was wir nicht erreicht haben, bleibt auf der Agenda des politischen Handelns, nämlich zum Beispiel die Frage der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Gewinnen aus Aktienspekulationen. Auch das muss von uns weiterhin politisch behandelt werden. Sonst schaffen wir keine Steuergerechtigkeit. ({4}) Ich möchte noch hinzufügen, dass wir das, was wir bei der Eigenheimzulage geplant hatten, tendenziell weiterverfolgen müssen. Die Frage, wie wir Subventionen in diesem Land beibehalten können, muss von uns allen in gemeinsamer Verantwortung weiterbehandelt werden. Ich weise darauf hin, dass wir uns im Vermittlungsausschuss deswegen neben dem Schließen von Steuerschlupflöchern für Unternehmen im Bereich der Körperschaftsteuer darauf verständigt haben, dass wir auch bei den Fragen der Europarechtswidrigkeit der Gesellschafterfremdfinanzierung, der Tonnagesteuer, der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Lebensund Krankenversicherungsunternehmen, von Abwehrmaßnahmen im deutschen Außensteuergesetz, der Verlustrechnungssysteme, des Verbots des Verlustabzugs bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen von den Betriebsausgaben und des Verlustabzugs von stillen Gesellschaftern weiterhin gemeinsam - nicht, dass Sie sich abseilen! - am Ball bleiben. All das werden wichtige Aspekte der kommenden Diskussionen in diesem Hause sein. Wir haben, wie ich finde, einen Minimalkonsens erreicht, mit dem man insgesamt gesehen nicht ganz zufrieden sein kann. Aber das, was erreicht worden ist, ist in Ordnung. Deswegen tragen wir diesen Kompromiss mit. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Volker Kauder, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den vielen schlechten Nachrichten über die hohe Arbeitslosigkeit, über einen unausgeglichenen Bundeshaushalt und über neue Schulden, die gemacht werden müssen, kommt heute eine gute Nachricht aus dem Deutschen Bundestag und nachher auch aus dem Bundesrat: ({0}) Wir haben verhindert, dass auf die Menschen in diesem Land neue Steuererhöhungen herniedergehen. ({1}) Herr Kollege Schmidt, das, was Sie als einen Minimalkonsens bezeichnet haben, ist die gute Botschaft, die an diesem Tag ins Land hinausgeht. Wir von der Union haben Wort gehalten. Denn wir haben immer - sowohl vor als auch nach den Landtagswahlen - gesagt, dass wir keine Steuererhöhungen wollen, weil sie für die Wirtschaft in diesem Land Gift sind, dass wir aber einen Punkt, an dem Sie einen ganz schlimmen Fehler gemacht haben, korrigieren wollen: Dies betraf die Körperschaftsteuer. ({2}) Ich habe meinen Ohren fast nicht getraut, als ich im Vermittlungsausschuss gehört habe, was Ministerpräsident Steinbrück gesagt hat. Er hat nämlich begründet, warum man bei der Körperschaftsteuer etwas tun muss. Er hat so gesprochen, als ob die SPD nie ein solches Gesetz, das zu diesen Ausfällen geführt hat, verabschiedet hätte. Ich habe gedacht, dass er so spricht, wie wir dies die ganze Zeit getan haben. Es war ein schwerer Fehler, der jetzt korrigiert wird. Aber mehr wird nicht getan. Es wird zu mehr Steuergerechtigkeit zurückgefunden, sodass sich alle - nun auch wieder die großen Unternehmen - gleichmäßig an den Kosten beteiligen, die der Staat hat, weil er die Infrastruktur zur Verfügung stellt. Mehr wird nicht getan. Dazu haben wir uns bekannt. Deswegen bleibt es bei dem Satz: Die Union hat Wort gehalten. ({3}) Dass wir Wort gehalten haben, wird nirgendwo noch deutlicher als an dem Punkt, den wir aus der so genannten Resolution bzw. der Erklärung der Bundesregierung am Schluss haben herausverhandeln können. Ich meine das Thema AfA. Man stelle sich vor, dass die SPD in einer Zeit, in der wir alle wollen, dass Mittelstand und Handwerk investieren, bereit gewesen wäre, dem Mittelstand und dem Handwerk Geld zu entziehen, wodurch Investitionen noch schwieriger geworden wären. ({4}) Das haben wir verhindert. Dies ist eine gute Nachricht aus dem Deutschen Bundestag. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben also ein gutes Ergebnis erzielt, das so aussieht, wie es die Union immer beabsichtigt hat. Wenn Sie, Herr Kollege Schmidt, häufiger auf die Union hören, wird die Situation in diesem Land auch besser. ({6}) Wir haben uns im Vermittlungsverfahren darauf verständigt - auf diese Erklärung warten Sie ja -, dass noch eine Reihe von Prüfaufträgen von der Bundesregierung ausgeführt werden. Sie haben sie genannt. Es handelt sich um die Neuregelung der Gesellschafterfremdfinanzierung, die Beseitigung von Gestaltungsmodellen, die Tonnagesteuer, die Beseitigung des Organschaftsverbots für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und noch ein paar andere Punkte, die in der Erklärung der Bundesregierung enthalten sind. Ich sage Ihnen hier und heute vor dem Deutschen Bundestag zu, dass wir es begrüßen, dass diese Überprüfungen durchgeführt werden, und dass wir uns an den daraus eventuell folgenden gesetzlichen Initiativen konstruktiv beteiligen werden. Wir werden mit Ihnen zusammen prüfen, ob die Dinge richtig laufen. ({7}) - Nein, Herr Müntefering, das ist nicht das erste Mal. Wollen wir doch einmal sagen, was wirklich passiert ist: Gott sei Dank haben wir im Bundesrat die Möglichkeit, den größten Unsinn, den Sie produzieren wollen, zu verhindern. ({8}) Bei Hartz I und Hartz II haben wir etwas Sinnvolles, was Sie nicht wollten, machen können. Wir haben nämlich gesagt, dass wir die Arbeitsverhältnisse so ordnen wollen, dass auch geringfügige Beschäftigung in diesem Land wieder eine Chance hat. Damit haben wir vielen Menschen die Gelegenheit gegeben, wieder etwas Geld dazuzuverdienen. ({9}) Damit haben wir vielen Vereinen die Möglichkeit gegeben, ihre ehrenamtliche Arbeit wieder besser zu gestalten. Das war schon eine erste gute Tat. Heute folgt die zweite. Wenn Sie vernünftig bleiben, dann folgen noch weitere. Das tut diesem Land außerordentlich gut. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Krista Sager, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir das Vermittlungsergebnis bewerten, dann können wir eigentlich nur sagen: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. Oder: Man sieht es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Gut ist, dass wir uns im Vermittlungsausschuss geeinigt haben, einige Schritte einzuleiten, um die öffentlichen Haushalte wieder handlungsfähig zu machen und auch um mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen. Gut ist es natürlich auch, dass sich bei CDU und CSU die Totalblockierer nicht durchgesetzt haben, sondern dass dort ein bisschen Vernunft eingekehrt ist. ({0}) Auf der anderen Seite müssen wir aber auch ganz klar sagen: 4,4 Milliarden Euro sind für die Haushalte der Länder und Gemeinden zu wenig und das wird auch Sie wieder einholen. ({1}) Die Steuerreform 2004/2005 wird - das kann man gar nicht laut genug sagen - zu massiven Steuerentlastungen führen; ({2}) deswegen ist es gut, dass heute auch Beschlüsse gefasst werden, die bewirken, dass große und international tätige Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Dabei geht es allerdings nicht nur um die Körperschaftsteuer. Zur Körperschaftsteuer sollte man auch sagen: Es geht nicht nur um Einnahmeausfälle durch den Systemwechsel - da wird es jetzt eine Verstetigung der Einnahmen geben -, sondern man wollte auch - das gilt auch für Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU -, einen international wettbewerbsfähigen Körperschaftsteuersatz. Wir haben es auch mit konjunkturell bedingten Einbrüchen zu tun. Unser Vermittlungsergebnis bewirkt auch - stimmen Sie zu, dass es in diesem Bereich Handlungsbedarf gibt! -, dass Umgehungstatbestände, also Möglichkeiten, durch Unternehmensgestaltung dafür zu sorgen, dass Gewinne nicht mehr steuerlich erfasst werden, eingeschränkt werden. Deswegen sind die neuen Regelungen der Mehrmütterorganschaft und des Verlustabzugs bei stillen Beteiligungen von Kapitalgesellschaften richtig. In diesem Zusammenhang ist die Dokumentationspflicht bei Verrechnungspreisen besonders wichtig. Es ist gut, dass Sie erkannt haben, dass man diese Umgehungen nicht länger dulden kann. ({3}) Auch Sie haben gemerkt - leider war das nur ein erster Schritt -, dass man nicht immer wieder auf der einen Seite Mittel aus entsprechenden Bundesgesetzen in die Landeshaushalte, auch die der CDU-regierten Länder, einstellen kann, wenn man auf der anderen Seite diese Bundesgesetze im Bundesrat massiv bekämpft. Das ist in der Tat eine ziemlich komische Moral. ({4}) Die Akteure auf Landesebene haben dafür gesorgt - darüber bin ich froh -, dass auch Sie erkannt haben, dass man nicht mit Drohgebärden dauerhaft an dem Ast sägen kann, auf dem letztlich auch die CDU- und die CSU-regierten Länder sitzen. Sie können jetzt - das sage ich auch in Ihre Richtung, Herr Kauder - natürlich mit stolzgeschwellter Brust verkünden, was Sie alles verhindert haben; ({5}) Herr Kauder, ich möchte aber, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern in den Ländern und in den Gemeinden dann auch erklären, warum ihre Kassen weiterhin so leer bleiben, wie sie jetzt sind. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. ({6}) Auch diese Aufgabe sollten Sie einmal schultern! Dass Sie hier in den letzten Tagen mit stolzgeschwellter Brust verkündet haben, es sei Ihre große Leistung gewesen, manches verhindert zu haben, wird Sie wieder einholen. ({7}) Das gilt auch für die Eigenheimzulage. Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer, gerade auch die von Ihrer Seite, diskutieren längst über die Eigenheimzulage. Wenn Sie einen pauschalen Subventionsabbau durchführen wollen - das hat Herr Koch ja angekündigt -, dann müssen Sie einmal erklären, dass der pauschale Subventionsabbau bei der Eigenheimzulage, wenn der dann konkret wird, etwas völlig anderes ist als die konkreten Maßnahmen, die wir jetzt vorgeschlagen hatten. Da werden Sie noch gucken! ({8}) Nach diesem ganzen Spiel, das wir bei der CDU/CSU erlebt haben, möchte ich Frau Merkel einen gut gemeinten Rat geben: Passen Sie auf, Frau Merkel, dass Sie sich nicht in die Rolle der Meckertante treiben lassen, während Herr Koch im Bundesrat den Retter der Nation spielt! ({9}) Dabei können Sie mit Sicherheit - das kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien - nur die Verliererin sein. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Hermann Otto Solms, FDPFraktion, das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion wird dem Zwölften SGB-VÄnderungsgesetz zustimmen. Sie wird dem Steuervergünstigungsabbaugesetz auch mit den Änderungen, die gestern vereinbart worden sind, widersprechen. ({0}) Zugegebenermaßen ist der Kompromiss besser als das völlig verfehlte Steuervergüngstigungsabbaugesetz der rot-grünen Koalition. ({1}) Das wäre ökonomisch das Falscheste gewesen, was man hätte tun können. Aber erklären Sie mir bitte einmal die Logik! Warum sollen dann, wenn 15 Milliarden Euro Steuererhöhungen nach dem Steuervergünstigungsabbaugesetz falsch waren, die beiden Pakete mit zusammengerechnet 8 Milliarden Euro Steuererhöhungen gut sein? ({2}) Diese Mathematik kann mir niemand erklären. Dieser Kompromiss mit erheblichen Steuererhöhungen ist volkswirtschaftlich verfehlt und konjunkturpolitisch verheerend. Er wird die Arbeitslosigkeit steigern und nicht senken. ({3}) Es ist klar, dass Sie sich jetzt gegenseitig loben, weil Sie das Ergebnis wechselseitig unterstützen. Es handelt sich aber trotzdem um eine große Koalition der ökonomischen Unvernunft, mit der wir es heute zu tun haben. ({4}) Ich weiß, dass sich einige Ministerpräsidenten aus Sorge um ihren Haushalt auf dieses Spiel eingelassen haben, weil sie die Hoffnung haben, mehr Steuermittel zu bekommen. ({5}) Ich kann ihnen aber versprechen: Das wird nicht eintreten. Die ausgerechneten Mehreinnahmen für die Haushalte infolge der Steuererhöhungen werden nicht eintreten, ({6}) weil die volkswirtschaftliche Wirkung dieser Maßnahmen so schlecht ist. Die wirtschaftliche Entwicklung wird noch einmal zusätzlich gedämpft. Es wird weniger investiert. Mehr Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert. In Deutschland muss mehr Arbeitslosigkeit entstehen. ({7}) Das Schlimme ist ja, dass Sie alle das wissen. Sie alle haben es vielfach erklärt. Fangen wir mit Bundesfinanzminister Hans Eichel an. Noch bis zur Bundestagwahl galt bei ihm, dass über eine Rückführung der Steuerbelastung und der Kreditaufnahme Wachstum und Beschäftigung verbessert werden sollten. Das war Hans Eichels Finanzpolitik mit Leitplanken. Davon haben wir nach der Bundestagswahl schon gar nichts mehr gehört. Hören Sie sich einmal die Zitate an! Ich habe eine unendliche Fülle von Zitaten hier, will Ihnen aber nur wenige zu Gehör bringen. Der Haupttäter war Ministerpräsident Koch. Deswegen möchte ich ihn privilegieren und ihn hier als Ersten zitieren. Am 1. Oktober 2002 heißt es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beispielsweise - ich zitiere -: Für falsch und kontraproduktiv halten Milbradt und Koch die Diskussion über Steuererhöhungen ... Koch sagte, schon die Diskussion - über Steuererhöhungen nämlich signalisiere dem Mittelstand und der ausländischen Wirtschaft, daß die politische Mehrheit in Deutschland immer noch nicht begriffen habe, was das „Gebot der Stunde“ sei. ({8}) In dem Fernsehduell bei Sabine Christiansen am 26. Januar, also vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, hat Herr Koch wörtlich gesagt: ... nur um Schlimmeres zu vermeiden, ist es zunächst mal wichtig, dass es nicht weitere Steuererhöhungen gibt, von denen die Sachverständigen sagen, die kosten ein weiteres halbes Prozent. Daraus konnte man eindeutig schließen: Wenn in Hessen die Union gewinnt, dann ist sicher, dass es dieses Gesetz mit 48 Steuererhöhungen nicht gibt. In die 48 Steuererhöhungen hat er wohlweislich auch die sieben Steuererhöhungen mit eingeschlossen, die heute verabschiedet werden sollen. ({9}) Ich darf auch den finanzpolitischen Sprecher und stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, der ja hier anwesend ist, zitieren. In der Bundestagsdebatte zur ersten Lesung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes hat er nämlich unter anderem gesagt: Wir begeben uns mit Ihnen nicht in einen Wettbewerb um die Frage, wer in diesem Land die Steuern am meisten erhöht. Das werden wir nicht tun. Die gegenwärtige Lage unserer Volkswirtschaft ist vollkommen ungeeignet für eine Debatte über Steuererhöhungen. Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen diesem Land und insbesondere den mittelständischen Unternehmen wieder eine Perspektive geben und Steuern senken. ({10}) Er hat Recht; genau das wäre die richtige Strategie. Sie aber tun hier das Gegenteil. ({11}) Ich will nur auf drei Punkte eingehen: Die FDP wäre dazu bereit gewesen, die Auflösung der Körperschaftsteuerguthaben in der Zeitachse zu strecken. Die jetzt vorgesehene Einschränkung der Mehrmütterorganschaften wird jedoch insgesamt dazu führen, dass Deutschland als Holdingstandort ausfällt, weil es nicht mehr wettbewerbsfähig ist. ({12}) Das heißt, dass deutsche Konzerne ihre Holdinggesellschaften ins Ausland, vornehmlich nach Holland verlegen werden und zugleich damit Tausende von hoch qualifizierten und hoch bezahlten Arbeitsplätzen. Das ist eine zwingende Folge. Bezüglich der Dokumentationspflicht für die Bildung von Verrechnungspreisen stellt sich mir die Frage: Wie sollen denn beim Export intern Preise in Verträgen vereinbart werden, die unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Finanzbeamten stehen? Das ist doch völlig ausgeschlossen. Da kommt keine einzige müde Mark mehr herein, sondern es werden nur zusätzliche Kosten verursacht. ({13}) Einen Mindesthebesatz bei den Gemeinden einzuführen widerspricht der Verfassung. Lesen Sie Art. 106 Abs. 6 der Verfassung nach, wo sinngemäß steht: Die Gemeinden haben das Recht, ihren Hebesatz selber festzulegen. ({14}) - Nein, aber Sie können dieses Recht nicht bestreiten. Den Grundsatz, dass die Gemeinden ihre Hebesätze autonom festlegen können, will ich nicht durchbrechen. ({15}) Deswegen möchte ich abschließend sagen: Es ist nicht so, dass die Menschen geschont worden wären - Frau Merkel hat das so gesagt - und dass es keine Mehrbelastung für die Menschen gebe. ({16}) Sind denn die Arbeitslosen, deren Zahl immer mehr zunimmt, keine Menschen? Dank Ihrer Maßnahmen wird es nämlich noch mehr Arbeitslose geben, weil dadurch der Arbeitsmarkt belastet wird. ({17}) Dieser Kompromiss ist ein Kompromiss zulasten der Wirtschaft, der Investitionen, der Arbeitsplätze. Wir können ihn aufgrund unseres ökonomischen Sachverstandes nicht mittragen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zur Abstimmung über Zusatzpunkt 12, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Dies gilt ebenfalls für die weitere Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, über die wir anschließend abstimmen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/841? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen. Zusatzpunkt 13: Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Zwölften Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 15/840. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP Maßnahmen zum wirtschaftlichen Umgang mit Versichertengeldern bei Arzneimitteln und bei Verwaltungsausgaben der Krankenkassen - Drucksache 15/850 Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 15/850? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen. Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 12: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember 1996 über Urheberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger - Drucksache 15/15 ({0}) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft - Drucksache 15/38 ({1}) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({2}) - Drucksache 15/837

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Dirk Manzewski Jerzy Montag Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte diejenigen, die an der Aussprache nicht teilnehmen wollen, den Raum möglichst ohne längere Gespräche zu verlassen, damit die Rednerin eine Chance hat, gehört zu werden. - Wir können noch einen kleinen Moment warten. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesministerin Brigitte Zypries das Wort.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Vielen Dank, Herr Präsident, für die freundliche Behandlung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie beschließen heute darüber, wie das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft aussehen soll. Mir haben die jüngsten Kommentare zu unserem Gesetzentwurf vor allem eines klar gemacht: Wir sind, allen Segnungen der Informationsgesellschaft zum Trotz, in manchen Punkten weit davon entfernt, auch in einer informierten Gesellschaft zu leben. ({0}) Wo die richtigen Informationen fehlen, machen sich Gerüchte und Missverständnisse breit und halten sich mitunter hartnäckig. Ich möchte deshalb gerne die Gelegenheit nutzen, Ihnen noch einmal zu verdeutlichen, was wir ändern wollen, insbesondere hinsichtlich der Schranke des Urheberrechts zugunsten von Unterricht und Forschung und der Regelungen zur Privatkopie. Teilweise ist behauptet worden, mit dem Gesetzentwurf sollten Bibliotheken angesichts knapper öffentlicher Kassen von der Pflicht enthoben werden, Zeitschriften zu abonnieren und Bücher vorzuhalten. Es ist die Rede davon, künftig sei gar nur noch ein Zeitschriftenexemplar bundesweit erforderlich und man könne die ganze notwendige Kommunikation über E-Mail und Internet abwickeln, ein Buch quasi frei versenden. Dies alles ist nicht zutreffend. ({1}) Was haben wir gemacht? Die schon heute geltenden Ausnahmevorschriften im analogen Bereich haben wir auf den digitalen Bereich übertragen. Das war notwendig, weil wir einerseits die digitale Welt in das Urheberrecht eingeführt haben. Hätten wir nicht andererseits die Ausnahmeregelung geschaffen, hätten wir die Situation gehabt, dass in der digitalen Welt, die wir inzwischen nun einmal haben, Forschung und Lehre in dem Sinne, wie wir es verstehen, nicht mehr möglich gewesen wäre. ({2}) Künftig wird es erlaubt sein, kleine Teile von Büchern, Werke geringen Umfangs oder einzelne Beiträge aus Zeitschriften in interne Netzwerke - wohlgemerkt nicht in das Internet - einzustellen, aber auch nur dann, wenn es zur Veranschaulichung im Unterricht erforderlich ist. Das heißt, die Unterrichtssituation muss gegeben sein. Schulbuchverlage haben wir davon ausgenommen, weil die Schulen nun einmal der primäre Absatzmarkt dieser Verlage sind. Auch auf die Filmwerke haben wir Rücksicht genommen. Filme dürfen erst zwei Jahre nach ihrem Erscheinen auf diese Art und Weise verwertet werden. Zudem haben wir die Bestimmung bis zum 31. Dezember 2006 befristet. Ich verspreche Ihnen: Das Justizministerium wird sorgfältig darauf achten, wie diese Bestimmung angewandt wird. Gegebenenfalls wird sich der Bundestag darüber verständigen, vorzeitig Änderungen vorzunehmen. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass diese Regelung für unsere Wissensgesellschaft richtungweisend ist. Wir haben den Auftrag, Bildung zu organisieren. Dazu gehört, dass wir die Wissens- und Informationsgesellschaft gestalten. Dabei reicht es nicht aus, dass man die Tafeln in den Klassenzimmern durch Computer ersetzt; man muss auch sicherstellen, dass auf den Bildschirmen etwas erscheint. ({3}) Während in der Schule früher die Lehrer Papiere und Fotokopien von Seiten aus Büchern oder Zeitschriften ausgeteilt haben, wird heute der Text auf den Computern der Schüler angezeigt, um daran arbeiten zu können. Genau das ist auch für die Wissenschaft vorgesehen. Es geht auch hier darum, dass man einem bestimmten, abgegrenzten Personenkreis, zum Beispiel einem Forscherteam, gestattet, wissenschaftliche Texte über das Intranet einander zugänglich zu machen. Keinesfalls - das möchte ich hier ganz deutlich sagen - sollen alle Mitarbeiter oder gar alle Studierenden an einer Universität auf diese Weise Zugriff auf ein Werk erhalten können. Auch künftig werden die Universitätsbibliotheken die notwendigen Ausstattungen vorhalten müssen; denn der Gesetzentwurf verschafft den Bibliotheken diesbezüglich keinen Spielraum. Die Bibliotheken wissen darum, wie man entsprechenden Presseerklärungen entnehmen konnte. Die Tatsache, dass bestimmte Kommunikationstechniken auch illegal genutzt werden, ist ein anderes Problem. Man darf meines Erachtens nicht versuchen, dafür sozusagen legale Schneisen zu schlagen. Wir müssen vielmehr alles tun, um das Urheberbewusstsein in unserer Gesellschaft zu stärken. Nur dann kann sich wieder ein Gefühl dafür entwickeln, was im Urheberrecht erlaubt und was nicht erlaubt ist. Heutzutage empfindet jeder das Kopieren als selbstverständlich. Nach meiner Auffassung ist es auch Aufgabe der Industrie, hier bewusstseinsbildend zu wirken. Sie darf nicht durch gezielte Falschinformation geradezu dazu auffordern, entsprechende Texte im Internet zu verbreiten. ({4}) Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns hier zusammenfinden, um über das Urheberrecht zu reden. Kaum dass dieser Gesetzentwurf verabschiedet sein wird, werden wir mit der Debatte über den zweiten Korb beginnen und alle die Fragen behandeln, die jetzt bewusst zurückgestellt wurden. Das gilt insbesondere für das Vergütungssystem. Um diesen Punkt wird es sicherlich noch einigen Streit geben. Gleichwohl möchte ich Ihnen versichern, dass ich mich auch da, wie ich es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf getan habe, für einen parteiübergreifenden Konsens einsetzen werde. Ich möchte Sie gerne auffordern, sich an diesem Diskurs - „Wohin wollen wir mit dem Urheberrecht in den nächsten 15 Jahren?“ - zu beteiligen. Freundlicherweise hat sich die Bertelsmann-Stiftung bereit erklärt, ein Stück des Weges mit uns gemeinsam zu gehen. Ich glaube, das ist eine gute Sache. Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie so konstruktiv an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben. Es freut mich, dass wir es schaffen, dieses Gesetz zum Urheberrecht in diesem Hohen Hause fast einstimmig zu verabschieden. Ich möchte insbesondere den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU danken, dass sie so kompromissbereit waren und sich den vernünftigen Argumenten nicht verschlossen haben. ({5}) Denn das muss man ja sehen: Es geht nicht in erster Linie darum, eine breite Zustimmung zu finden, sondern es geht vor allen Dingen darum, vernünftige Lösungen zu finden. Ich glaube, das haben wir gemeinsam geschafft. Herzlichen Dank dafür! Ich hoffe auf weitere konstruktive Diskussionen beim zweiten Korb. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Krings, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir setzen heute eine Richtlinie der Europäischen Union zum Urheberrecht um, für die die Umsetzungsfrist bereits im letzten Jahr abgelaufen ist. Bei dem Arbeitstempo dieser Bundesregierung sind wir Kummer gewöhnt. Allerdings geht es hier nicht um die Krümmung von Salatgurken, um irgendwelche zweitrangigen Dinge, sondern um die Zukunft des geistigen Eigentums. Die rasanten Entwicklungen in der digitalen Welt messen wir nicht in Jahrzehnten oder Jahren, sondern in Monaten. Die Urheberschutz-Richtlinie der EU will nicht mehr, aber auch nicht weniger, als den Schutz geistigen Eigentums den modernen Anforderungen einer digitalen Informationsgesellschaft anzupassen. Wenn heute in Deutschland gewerblich betriebene Internetseiten oder Supermarktketten straflos Werkzeuge und Anleitungen anbieten können, um einen Kopierschutz zu knacken, dann ist das ein unerträglicher Zustand, den wir durch dieses Gesetz unverzüglich beenden müssen. ({0}) Es gilt aber auch, dass jeder Monat der Nichtumsetzung dieser Richtlinie die Musik-, Film- und Verlagswirtschaft Millionen von Euro kostet und die Erwerbschancen von Autoren und Künstlern schmälert. Ich sage Ihnen nun gerne etwas zu den Ursachen, die dazu führten, dass dieses Gesetz mit erheblicher Verspätung verabschiedet wird. Die rot-grüne Bundesregierung kann es offenbar nicht lassen - und diese Kritik trifft noch am wenigsten das Justizressort -, wichtige EU-Richtlinien mit gesetzgeberischem Ballast zu befrachten, der bestenfalls unausgegoren und schlimmstenfalls kontraproduktiv bis unsinnig ist. ({1}) Während der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes haben Sie, Frau Bundesjustizministerin, von dieser Stelle aus wörtlich erklärt - ich darf Sie zitieren -: Mit diesem Umsetzungsgesetz wollen wir deshalb in einem ersten Schritt nur all das regeln, was uns die Richtlinie und die WIPO-Verträge zwingend vorschreiben. Wenn diese Aussage wirklich zur Geschäftsgrundlage für die Ausarbeitung und Beratung dieses Gesetzes geworden wäre, so hätten wir die Umsetzungsfrist ohne Probleme eingehalten und die betroffenen Unternehmen und Urheber hätten den Schutz, den der Staat ihnen schuldet, früher erhalten. Die Schuld an dieser Säumnis trägt allein die amtierende Regierung. ({2}) Ich muss Sie, Frau Ministerin, bei aller Kompromissbereitschaft im Detail, deshalb schon fragen: Welche Bestimmung der EU-Richtlinie hat die Bundesregierung dazu gezwungen, uns im neuen Urhebergesetz einen § 52 a vorzuschlagen? ({3}) Diese neue Schranke sollte es ursprünglich ermöglichen, komplette Bücher in schulische und universitäre Datennetze einzustellen. Schon der Umstand, dass diese Bestimmung den zweifelhaften Ruhm erlangt hat, dass ihr schon vor In-Kraft-Treten eine eigene Homepage im Internet gewidmet wird, hätte Ihnen zeigen müssen, dass Sie hier Ihre eigenen Maßstäbe nicht erfüllt haben. Ebenso wenig legt es die Richtlinie nahe, die bekannten und bewährten Regelungen aus der analogen Welt eins zu eins in die digitale Welt zu übertragen. Gerade weil die Gefahren und Risiken für das geistige Eigentum in der digitalen Welt des Internets und der leistungsstarken CD-Brenner andere sind als diejenigen aus der Zeit der Schellackplatte, gibt es diese WIPO-Verträge und diese EU-Richtlinie. Nicht umsonst wird in diesen Dokumenten verlangt, dass der nationale Gesetzgeber, also auch der deutsche, den „Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung tragen“ muss. In Sachen Privatkopie werden in diesem Gesetzentwurf diese Anforderungen leider ignoriert. Schließlich: An keiner Stelle wird in dieser Richtlinie eine Aussage dazu getroffen, dass auf Normen, die zwar von privaten Instituten formuliert, aber durch den Staat für rechtsverbindlich erklärt werden, ein Privater Urheberrechte geltend machen darf. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, hätten Sie sich doch nur, wie versprochen, auf die Umsetzung der Richtlinie beschränkt! Ihnen und uns wäre viel erspart geblieben. Weniger wäre hier mehr gewesen. ({4}) Wir als CDU/CSU-Fraktion haben das Gespräch mit allen Interessengruppen gesucht. Wir haben im Übrigen gegen den Widerstand aller anderen Fraktionen - auch der FDP-Fraktion - eine umfassende Anhörung zu dieser Novelle im Deutschen Bundestag durchgesetzt. ({5}) Wir haben damit für die Kritik der betroffenen Verbände ein Forum geschaffen. Das Ergebnis - auch zu einigen von mir nicht zitierten Vorschriften - war relativ ernüchternd. Die Lage in der Verlags- und Medienwirtschaft ist dramatisch. Dies können Sie auch nicht mit der Behauptung abtun, dies seien nur Managementfehler. Nein, die Rezession in der Medienwirtschaft ist ganz wesentlich die Folge eines Urheberrechts des 20. Jahrhunderts, das für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur unzureichend gewappnet ist. Der aktuelle Niedergang fing in der Musikwirtschaft an. Im vergangenen Jahr wurden sage und schreibe 100 Millionen mehr Musik-CDs auf privaten CD-Brennern erstellt als neue gekauft. Etwa jede dritte dieser Aufnahme stammt ihrerseits bereits aus einer illegalen Quelle - Tendenz steigend. Wenn das deutsche Recht die Vervielfältigung aus einer illegalen Quelle für legal erklärt, kann ich mich als Rechtspolitiker mit einer solchen von Staats wegen erlaubten urheberrechtlichen Datenwäsche nur schwer abfinden. ({6}) Mit den steigenden Übertragungsraten im Netz hat die Piraterie inzwischen auch die Filmwirtschaft erreicht. Fast 60 Millionen CD-Rohlinge wurden im vergangenen Jahr mit Spielfilmen bespielt; über die Hälfte davon mit Filmen, die in deutschen Kinos noch gar nicht angelaufen waren. So viel zur Unterscheidung von legaler und illegaler Quelle! Wie kann eine Quelle legal sein, wenn es diese Filme noch gar nicht hier im Handel gibt? Wir als CDU/CSU-Opposition haben schließlich alles in unseren Kräften Stehende getan, um zu verhindern, dass die Buch- und Zeitschriftenverlage durch dieses Gesetz in den Abwärtsstrudel der Musik- und Filmwirtschaft hineingezogen werden. Es ist wahr: Der Druck der Bibliotheken in unserem Lande nimmt zu. Sie wollen möglichst kostengünstig auf Verlagsprodukte zugreifen können. Das ist angesichts enger Budgets durchaus verständlich. Es gehört allerdings ebenso zur Wahrheit, dass deutsche Bibliotheken nur jeden siebten Euro ihres Budgets für Neuanschaffungen ausgeben. Wir brauchen keine zunehmende Verstaatlichung oder Sozialisierung von geistigem Privateigentum, sondern wir wollen einen funktionierenden Markt für geistiges Eigentum. Ein Markt kann aber unmöglich funktionieren, wenn die Produkte, die auf ihm gehandelt werden, rechtlich nicht geschützt werden. Die Gleichung ist relativ einfach: Je schlechter kreative Leistungen geschützt werden, desto weniger Kreativität wird es in diesem Lande geben. Ein rohstoffarmes Land wie unseres mit hohen Arbeitskosten ist auf nichts so sehr angewiesen wie auf die hochwertigen kreativen geistigen Leistungen seiner Menschen. ({7}) Hier und heute müssen wir uns entscheiden, wie wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgehen. Wir als CDU/CSU haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich habe es eingangs bereits gesagt: Wir hätten dieses Gesetz an entscheidenden Stellen deutlich anders gestaltet. Wir sind aber bereit, um der Sache und der hiervon betroffenen Menschen willen eine Reihe von Themen in einen zweiten Gesetzeskorb zurückzustellen. ({8}) Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben zugesagt - Frau Ministerin hat das gerade dankenswerterweise wiederholt -, den zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle rasch auf den Weg zu bringen und die anstehenden Fragen offen zu diskutieren. Verlassen Sie sich darauf: Wir nehmen Sie hier beim Wort. ({9}) Wir müssen zügig die noch ausstehenden Themen angehen: die legale Quelle, das Kopieren vom Original, den Kopienversand sowie die Schaffung echter Anreize für die Entwicklung digitaler Rechtemanagementsysteme. Wir reichen hierzu die Hand und sind bereit, schon in der nächsten Sitzungswoche die Vorarbeiten am zweiten Korb aufzunehmen; denn die Zeit drängt. Es stehen nicht nur Umsatzzahlen, sondern Arbeitsplätze in Deutschland auf dem Spiel. Das Ziel der Union ist und bleibt der faire Ausgleich zwischen den Interessen der Autoren und Künstler, der Unternehmen und der Verbraucher. Unter diesem Leitmotiv ist es uns gelungen, in konstruktiver Arbeit an einer Reihe von wichtigen Stellen Fehlentwicklungen in diesem Gesetz zu entschärfen oder wenigstens abzumildern. Wir sind froh, dass sich die Regierung in einigen Punkten der Einsicht in unsere besseren Argumente nicht verschlossen hat. ({10}) Ich will nur einige wenige Beispiele herausgreifen. Der berüchtigte § 52 a des Urheberrechtsgesetzes ist im Vergleich zum Ursprungsentwurf an fünf wichtigen Stellen positiv verändert worden: Unter anderem wurden die Schulbuchverlage und zu einem großen Teil die Filmwirtschaft herausgenommen, auch wenn wir eine konsequentere Lösung etwa in Form der gänzlichen Herauslösung der Filmwirtschaft gewünscht hätten. Die Vorschrift bekommt ferner das, was mehr staatliche Gesetze bekommen sollten: Sie wird mit einem Verfallsdatum ausgestattet. Das Urheberrecht für private Normen, die der Gesetzgeber für rechtsverbindlich erklärt, wird zwar kommen; allerdings ist es uns gelungen, einerseits den Interessen des Deutschen Instituts für Normung Rechnung zu tragen, aber andererseits zu verhindern, dass künftig private Normen, die staatlich verbindlich erklärt werden, nur von einem einzigen Hausverlag veröffentlicht werden können. Wir haben erreicht, dass die Medienwirtschaft einerseits und die bevorrechtigten Nutzerverbände andererseits in die Lage versetzt werden, die partielle Aufhebung von Kopierschutzinstrumenten im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln, statt sich hier vom Gesetzgeber bevormunden zu lassen. Wir sorgen also auch hier für weniger Staat und mehr Möglichkeiten und Verhandlungsspielraum für die Bürger. ({11}) Wir als Unionsfraktion werden diesem ersten Schritt der Modernisierung des Urheberrechts daher zustimmen. ({12}) Wir tun dies, weil der Kern der Sache entscheidend ist: Unser Urheberrecht, der Schutz geistigen Eigentums, muss den Erfordernissen der modernen digitalen Welt angepasst werden. Wir können nicht länger zuwarten; wir müssen die eiligen Dinge jetzt verabschieden. Wir befinden uns damit zugleich in einer Tradition der Zusammenarbeit beim Thema Urheberrecht, die bereits aus der Regierung Kohl herrührt. Wir geben Ihnen damit allerdings auch einen Vertrauensvorschuss auf eine zügige und fruchtbare Beratung der offen gebliebenen oder bestenfalls provisorisch gelösten Fragen in einem zweiten Gesetzeskorb. ({13}) Meine Damen und Herren, am Ende des Tages bleibt nicht Euphorie, aber die Hoffnung auf eine gute Zukunft des Schutzes geistigen Eigentums in Deutschland. Danke schön. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Krings, Sie haben hoffentlich zugehört, was die Bundesjustizministerin zu beklagen hatte: An Informationen über die moderne Informationsgesellschaft krankt es noch sehr. Leider, so muss ich Ihnen sagen, hat der Beitrag, den Sie zu diesem Gesetzentwurf abgegeben haben, nur wenig zu einer Sachaufklärung beigetragen. Sie haben kaum die Kurve bekommen, am Schluss zu begründen, warum Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. ({0}) Aber immerhin, Sie wollen ihm zustimmen. Dafür danken wir Ihnen. ({1}) Das Urheberrecht stammt aus einer Zeit, die man aus heutiger Sicht das zu Ende gehende analoge Zeitalter nennen kann. Es bietet folgerichtig keine ausdrücklichen und im Wege der Rechtsfortbildung keine befriedigenden Regelungen für das neue digitale Zeitalter, dessen Boten uns in Form von Computer und Internet, von CD und DVD, von Minidisc und MP3 geläufig sind. Die Europäische Union hat die darin liegende Problematik aufgegriffen und die Richtlinie zum Urheberrecht in der modernen Informationsgesellschaft erlassen, die mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf in einer ersten Stufe umgesetzt werden soll. Das Urheberrecht dient dem Schutz des geistigen Eigentums. Doch dieser Schutz ist nicht absolut. Auch für geistiges Eigentum gilt, dass sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Der heute zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf enthält deshalb auch Schrankenbestimmungen, die eine dem Gemeinwohl verpflichtete Nutzung des geistigen Eigentumsrechts ermöglichen. Er ist deshalb ein guter und nach vorne weisender Kompromiss. Angesichts der Vielzahl der Stimmen und des wirtschaftlichen Schwergewichts, mit dem sich diese Stimmen im Gesetzgebungsverfahren Gehör verschafft und sich für den Schutz des Eigentums stark gemacht haben, sind wir froh, dass wir den Aspekt des Gemeinwohls berücksichtigen konnten. ({2}) Lassen Sie mich zwei Punkte, die uns in den vergangenen Wochen besonders beschäftigt haben, hervorheben. Der erste Punkt betrifft § 52 a, die Schrankenbestimmung für Unterricht und Forschung. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass Bildung und Forschung gemeinwohlorientiert sind oder zumindest sein sollten. Niemand bestreitet, dass modernste Formen des SichBildens und des Forschens nur unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten der digitalen Welt eine Zukunft im internationalen und europäischen Wettbewerb haben. Mit § 52 a haben wir eine Schranke zugunsten von Unterricht und Forschung geschaffen, die für die Urheber bzw. Rechteinhaber bedeutet, dass sie in einem eng begrenzten Rahmen in der Ausübung ihrer Rechte zurückstehen müssen. Sie dürfen nämlich nicht verbieten, dass Teile ihrer Werke einem begrenzten Kreis von Personen in Intranets - nicht im Internet! - öffentlich zugänglich gemacht werden. Das bedeutet aber nicht, dass sie auch bei der Frage der Vergütung zurückstehen müssen; denn die Schranke befreit die Nutzer nicht von der Vergütungspflicht. Dies ist mitnichten ein „Schlachtfest“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ vorgestern die Katastrophenszenarien der Kritiker des § 52 a zusammengefasst hat. Die Verleger von wissenschaftlichen Fachbüchern und Zeitschriften werden nicht enteignet. Die Autoren in diesen Verlagen werden nicht ausgeraubt. Die Verlagslandschaft in Deutschland wird nicht zu einer Wüste. Ich will den Urhebern und Verwertern von dieser Stelle aus sagen: Die Vorschrift des § 52 a ist im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf bedeutend zu ihren Gunsten eingeschränkt worden. - Der Kreis derer, die von dieser Vorschrift profitieren können sollen, ist von vorneherein sehr klein. Wir reden von Schulklassen und kleinen Forscherteams, die sich in Intranets austauschen. Darüber hinaus ist aber auch das Ausmaß, in dem Werke öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen, auf Teile von Werken, auf Werke geringen Umfangs und auf einzelne Beiträge aus Zeitschriften beschränkt. Auf die Sonderregelungen für die Schulbücher und den Film ist die Bundesjustizministerin schon eingegangen. Wir Grüne hätten uns im § 52 a eine weiter gehende Schranke zugunsten von Wissenschaft und Forschung gewünscht. ({3}) Deswegen ist dieser Kompromiss für uns das Mindeste, was wir akzeptieren konnten. Wir gehen davon aus, dass bei der schon angesprochenen Evaluation die Entwicklung in beide Richtungen untersucht werden wird. Der zweite Punkt betrifft die Privatkopie. Die Privatkopie - also nicht die Raubkopie - ist im täglichen Leben seit Jahrzehnten anerkannt und wird auch von der Rechtsprechung gestützt. Wir begrüßen es, dass im Gesetzentwurf ausdrücklich klargestellt wird, dass es die Möglichkeit der Privatkopie weiterhin geben soll, von und auf jedem beliebigen Träger. Wir setzen uns dafür ein, dass Privatkopien auch im digitalen Zeitalter, auch im täglichen Leben und von allen Werknutzern hergestellt werden können. Dies wird sicherlich eine Aufgabe für den zweiten Korb werden. Ich hoffe, dass die Gespräche zur zweiten Urheberrechtsnovelle mit dem gleichen guten Geist, mit dem wir in den letzten Wochen zusammengearbeitet haben, geführt werden und dass die Interessen der Werknutzer eine noch größere Berücksichtigung finden werden; denn - damit will ich gerne schließen - bei aller Achtung der Interessen der Urheber und der Verwerter geht es am Schluss doch darum, den Bürgerinnen und Bürgern Wissen und Genuss in einer Form zur Verfügung zu stellen, die ihre Rechte als Konsumenten und als Subjekte im Zeitalter der digitalen Kommunikation achtet. Danke schön. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP-Fraktion, das Wort. ({0})

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer ganz einfachen, aber richtigen Feststellung beginnen: Urheberrechte sind Eigentumsrechte. Deshalb ist es seit jeher die Politik der FDP, dass das Urheberrecht unter Berücksichtigung dieser Prämisse besonders zu schützen ist und dass im Zentrum aller urheberrechtlichen und politischen Überlegungen stets die Belange der Rechteinhaber stehen müssen. Diesem Ansatz ist auch die umzusetzende Informationsgesellschafts-Richtlinie verpflichtet, deren Umsetzung das Gesetz dient, welches wir heute hier abschließend beraten. Es geht dabei nicht lediglich um eine weitere Novelle des Urheberrechts. Wir stellen heute entscheidende Weichen für den Rechtsschutz kreativer Leistungen in der digitalen Welt. Die Umsetzung der Informationsgesellschafts-Richtlinie bietet die Chance, das deutsche Urheberrecht um diejenigen zukunftsweisenden Regelungen zu ergänzen, welche die Schöpfer und die Verwerter urheberrechtlich geschützter Leistungen im digitalen Zeitalter dringend benötigen. Diese Chance wird heute vertan, wenn der Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf verabschiedet; denn dieser Gesetzentwurf wird dem Bedürfnis der Kreativen und der Verwerter nach einem verlässlichen Rechtsschutz in der Informationsgesellschaft nicht gerecht. ({0}) Zu den zentralen Schwachstellen des Entwurfs gehört der § 52 a, mit dem auf unverhältnismäßige Weise in die Verwertungsrechte der Verlage ({1}) und, Herr Tauss, Autoren eingegriffen wird; das ist im Übrigen mehrfach auch von der CDU/CSU erwähnt worden. ({2}) Die FDP teilt die Befürchtung der Rechteinhaber - Herr Tauss, Sie lesen sicherlich auch die vielen Zuschriften -, dass § 52 a eine existenzbedrohende Beeinträchtigung der Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke in den neuen Medien zulasten vor allem kleiner und mittlerer Verlage zur Folge haben wird. Die FDP hat daher gefordert, dass § 52 a ersatzlos gestrichen wird. Bereits das geltende Recht trägt den Interessen von Wissenschaft und Lehre hinreichend Rechnung. Den Rechteinhabern ist auch mit der von der Bundesregierung jetzt angestrebten Befristung des § 52 a nicht gedient. Mit dieser Befristung wird das schlechte Gewissen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung deutlich, ({3}) die selber Zweifel an der Richtigkeit dieser Bestimmung haben. In der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert, bei der Umsetzung der Richtlinie den Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung zu tragen. Den Rechteinhabern muss in der digitalen Welt die Herrschaft über ihre Werke zurückgegeben werden. Dieses Gebot missachtet die Bundesregierung nicht nur in Bezug auf den schädlichen § 52 a. Auch die Regelungen des Rechts der Privatkopie, Herr Kollege Montag, bleiben ungenügend. Die FDP fordert, dass die Verwendung einer legalen Quelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von privaten Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke ist. ({4}) Diese Einschränkung wäre ein entscheidender Baustein - keine Symbolik - zur Verbesserung des Urheberrechtsschutzes und würde ein wichtiges rechtspolitisches Signal bei der Bekämpfung von Missbrauch und Piraterie setzen. Was heute im digitalen Bereich unter dem Rubrum Privatkopie stattfindet, ist in Wahrheit eine existenzielle Bedrohung der Medienwirtschaft. Nicht nur in der Musikwirtschaft führt die massenhafte Verbreitung illegaler Vervielfältigungsstücke zu einer massiven Beeinträchtigung des kreativen Potenzials und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Herr Kollege Krings hat das eingangs sehr genau beschrieben. Trotzdem will er diesem Gesetzentwurf zustimmen, der eine Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen in der Medienwirtschaft nach sich ziehen würde. ({5}) Wir Freien Demokraten haben uns beim Urheberrecht immer um eine breite parlamentarische Übereinstimmung bemüht. Wir hätten das auch diesmal gerne getan. Aber hier wird in so starkem Maße in die Eigentumsrechte eingegriffen, dass wir diesmal nicht zustimmen können, obwohl wir uns bei den Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums für die konstruktive Zusammenarbeit ausdrücklich bedanken möchten. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Dirk Manzewski, SPD-Fraktion, das Wort.

Dirk Manzewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003177, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Urheberrecht. Hiermit ist das Ziel verfolgt worden, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie anzupassen. Insbesondere für die Inhaber von Urheber- und Leistungsschutzrechten ist dieses Vorhaben aufgrund der durch Digitalisierung und Vernetzung veränderten technischen Rahmenbedingungen von existenzieller Bedeutung. Wie sehr dies notwendig gewesen ist, hat nicht zuletzt dieses Gesetzgebungsverfahren gezeigt. Die Anzahl der betroffenen Medien ist vielfältig und dementsprechend die in diesem Zusammenhang zu lösenden Probleme. Hätten wir uns mit all den insoweit aufgeworfenen Fragen bereits jetzt ausführlich auseinander gesetzt, wären wir in absehbarer Zeit vermutlich zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. ({0}) - Kollege Kampeter, es hat etwa 20 Sekunden bis zu Ihrem ersten Zwischenruf gedauert. Ich danke Ihnen, dass ich immerhin 20 Sekunden lang ungestört sprechen konnte. Deswegen ist es richtig gewesen, jetzt im Wesentlichen nur die Vorgaben der EU-Richtlinie, die Hintergrund der Diskussion gewesen ist, zumindest in entscheidenden Bereichen umzusetzen. Ich meine, dass dies dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auch bei einem gerechten Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern und Nutzern durchaus gelungen ist. ({1}) Einerseits wird zugunsten der Urheber und Leistungsberechtigten das so genannte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eingeführt. Damit wird verdeutlicht, dass Werke in elektronischen Medien wie dem Internet nur mit Zustimmung der Urheber verwertet werden dürfen. Andererseits werden auch die so genannten Schrankenregelungen den Erfordernissen des digitalen Zeitalters angepasst und es wird genau bestimmt, in welchen Fällen es Urheber hinnehmen müssen, dass ihre Werke auch ohne ihre Zustimmung genutzt werden können. Das ist aber nichts Neues. Es ist vielmehr Ausdruck der Sozialverpflichtung, wie wir sie bereits aus dem analogen Bereich kennen. Ich verweise insoweit nur auf § 53 Abs. 3, Kollege Funke, der schon jetzt die Vervielfältigung von kleinen Teilen zum Beispiel eines Druckwerkes für den Schulunterricht oder für Prüfungen zulässt. Nun haben Sie sicherlich Recht, dass analoge und digitale Technologien nicht zwingend gleichgesetzt werDirk Manzewski den können. Digitale Technologien - das muss man eingestehen - ermöglichen es eben zum Beispiel durch Internet oder Intranet, Werke viel leichter, häufiger und umfangreicher zu verbreiten. Die Gefahr eines stärkeren Missbrauchs kann deshalb zu Recht nicht völlig ausgeschlossen werden. Ich persönlich - das habe ich auch schon im Rechtsausschuss ausgeführt - hätte als Rechtspolitiker deshalb keine Probleme damit gehabt, den § 52 a weiter einzuschränken. Aber Politik lebt nun einmal von Kompromissen. Insofern kann ich durchaus nachvollziehen, dass insbesondere unsere Bildungspolitiker Bedenken gegen zu starke Barrieren für den Zugang zu Information und Wissen haben. ({2}) Denn wer für eine moderne Bildungs- und Forschungspolitik ist - und das sind wir doch eigentlich alle, liebe Kolleginnen und Kollegen -, der kann die neuen digitalen Möglichkeiten hiervon nicht gänzlich ausschließen. ({3}) Es wäre auch in sich widersprüchlich, Inhalte, die man für Dritte fotokopieren darf, nicht auch über das Intranet an diese weitergeben zu dürfen. ({4}) Das ist der eigentliche Streitgegenstand. Das, was vielfach suggeriert worden ist, nämlich dass der § 52 a Urheberrechtsgesetz die Rechteinhaber völlig rechtlos stellt, trifft - so ehrlich sollte man sein - doch nicht zu, Kollege Funke. Man muss sich einmal den Wortlaut des Paragraphen vergegenwärtigen. So dürfen selbst für den Unterrichtsund Forschungsbereich keine ganzen Werke, sondern nur Teile bzw. kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs oder nur einzelne Beiträge aus Zeitungen ohne ausdrückliche Einwilligung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, Werke, die ausschließlich für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt sind, noch nicht einmal insoweit. Filmwerke - auch das ist schon angesprochen worden - dürfen erst nach zwei Jahren frei zugänglich gemacht werden; wobei festzuhalten bleibt, dass auch diese Nutzungen jeweils nur gegen eine Vergütung erfolgen dürfen. ({5}) In einem Punkt - auch das muss ich sagen dürfen gehen mir die Zugeständnisse an die Rechteinhaber in § 52 a sogar zu weit. ({6}) - Ja, eindeutig. Das kann ich leicht erklären, Kollege Kampeter. - Warum gerade im Bereich Bildung und Forschung eine Sonderregelung für die Filmwirtschaft geschaffen worden ist, ist mir - auch wenn ich mich damit möglicherweise mit meinen Kollegen anlege - nicht ganz erklärlich. Der Missbrauch, der im Filmbereich unbestritten erfolgt und zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führt, findet nicht gerade im Unterricht an deutschen Schulen und Hochschulen oder im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung statt. In diesem Zusammenhang müssen wir uns doch über andere Bereiche unterhalten. ({7}) - Ich sehe das ein bisschen anders als Sie, Herr Kollege Kampeter. Ich glaube vielmehr, dass Sie in diesen Bereichen keine Ahnung haben. ({8}) Aber das ist ein anderes Thema. Um den letzten Bedenken zu begegnen, hat sich die Bundesregierung dann bereit erklärt, § 52 unter eine Befristung zu stellen. Der Rechtsausschuss hat darüber hinaus einen Entschließungsantrag eingebracht, nach dem auf der Grundlage des Gesetzes kurzfristig auf eigentlich nicht zu erwartende Beeinträchtigungen zum Beispiel der deutschen Verlage reagiert werden könnte. Meiner Auffassung nach kann nicht mehr erwartet werden. Insoweit habe ich kein Verständnis für eine pauschale Ablehnung des Gesetzentwurfs, Herr Kollege Funke. Diese hätte meiner Auffassung nach auch negative Auswirkungen. Es darf nämlich nicht verkannt werden, dass durch § 52 a auch deutlich gemacht wird, was alles nicht erlaubt ist. Das halte ich für wichtig. ({9}) Einig sind wir uns darüber, dass der Gesetzesentwurf nicht alle Probleme des Urheberrechts geklärt hat. Dieser werden wir uns im so genannten zweiten Warenkorb annehmen. Dann wird es um die Angemessenheit der Vergütung gehen. Auch die Frage der Privatkopien wird noch einmal zu erörtern sein, wobei ich mit dem Begriff „legale Quelle“ etwas vorsichtig wäre. ({10}) Die Anhörung hat auch gezeigt, dass der Begriff erhebliche Probleme birgt, Herr Kollege Kampeter. Das hat die Anhörung deutlich gemacht. Sie können das im Protokoll nachlesen. Zum Beispiel hat ein Herr Kreuzer darauf hingewiesen, dessen Auffassung schließlich nicht irrelevant ist. ({11}) Wir werden auch noch einmal über die Geräteabgabe und den elektronischen Pressespiegel diskutieren müssen. Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei andere Punkte ansprechen. Der Kollege Krings, der vor mir geredet hat, ist ein bisschen bissig gewesen. Deswegen habe ich mich nicht dazu durchringen können, ihm mehr als einmal zu applaudieren. Ich habe Sie im Laufe der Diskussion ganz anders kennen gelernt, Herr Kollege Krings, nämlich sehr ausgeglichen und kompetent. ({12}) - So war er eindeutig. - Ich danke ihm deshalb und natürlich auch den Kollegen Funke und Montag für die konstruktive Zusammenarbeit und dem BMJ möchte ich dafür danken, dass wir so frühzeitig wie nur bei wenigen Gesetzen in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden worden sind. Ich hoffe, dass das auch bei der Behandlung des zweiten Warenkorbes der Fall sein wird. Ich danke Ihnen, liebe Kollegen. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Vera Dominke, CDU/ CSU-Fraktion.

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nichts Neues, dass einige in diesem Hause ein etwas ambivalentes Verhältnis zum Eigentumsbegriff haben. ({0}) Eigentum, Gewinn und Unternehmertum passen nicht in ein sozialistisch dominiertes Weltbild. ({1}) Ich bin sicher, lieber Herr Kollege Tauss, dass Sie uns das hier gleich noch wortgewaltig demonstrieren werden. ({2}) Auch ich möchte Ihr Augenmerk, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, noch einmal speziell auf den § 52 a richten, der neu in das Urheberrechtsgesetz eingefügt werden soll. Diese Regelung ist wie kaum eine andere in dieser Diskussion zwischen die Fronten geraten. Es geht hierbei darum, Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen überhaupt es zu erleichtern, für den Unterricht zu verwendende Werke zu digitalisieren und online verfügbar zu machen. Es liegt auf der Hand, dass hierbei die Interessen von Bildung und Wirtschaft in entgegengesetzte Richtungen gehen. Vor allem Schulbuchverlage und Wissenschaftsverlage sind gegen dieses Vorhaben Sturm gelaufen. Sie fürchten verständlicherweise um den Absatz ihrer Werke, wenn diese eingescannt und im Intranet als Lehrmaterial zur Verfügung gestellt werden. Die Bildungseinrichtungen auf der anderen Seite begrüßen diese Regelung natürlich. ({3}) Für sie wird es erleichtert, die neuen Medien im Unterricht einzusetzen, ohne alle naselang Urheberrechts- und Lizenzverletzungen zu begehen und ohne sich in jedem Einzelfall um die Lizenzierung und deren Preis kümmern zu müssen. Natürlich - das sage ich jetzt als Bildungs- und Forschungspolitikerin - ist das aus der Sicht von Bildung und Forschung eine feine Sache: Die zunehmende Mittelknappheit und die nicht mehr ausreichende Finanzierung durch den Staat können dadurch ein wenig aufgefangen werden, dass Lehr- und Lernmittel in größerem Umfang kopiert oder gescannt vervielfältigt und verwendet werden dürfen, ohne dass man sich um eine entsprechende Lizenzierung kümmern müsste. ({4}) - Herr Tauss, Sie dürfen gleich. - Es ist auch verständlich dass Schulen, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen darauf aus sind, Kosten zu sparen, wo immer es geht. Sie sind es schließlich, die darunter leiden müssen, dass Bund, Länder und Kommunen wirtschaftlich am Ende sind. Sie werden von den Kürzungen des Bundes im Bildungs- und Forschungsbereich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. ({5}) Sie sind die Leidtragenden, wenn die Kommunen nicht mehr in der Lage sind, den Sachmitteltopf für ihre Schulen hinreichend auszustatten, weil die rot-grüne Bundesgesetzgebung sie ausgeblutet hat. ({6}) Aber, meine Damen und Herren, es darf doch nicht sein, dass die Verlage jetzt für die rot-grünen Sünden bezahlen müssen. ({7}) § 52 a des Entwurfes zum Urheberrechtsgesetz beinhaltet eine Beschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrechts, des Eigentumsrechts an veröffentlichten Werken und Beiträgen aus Zeitungen und Zeitschriften zugunsten der Nutzung im Unterricht von Bildungseinrichtungen. ({8}) - Den kenne ich wahrscheinlich besser als Sie. ({9}) Wir halten eine solche Beschränkung nicht für erforderlich; denn es gibt auch heute schon ausreichende Möglichkeiten, Werke zu vervielfältigen und gescannt ins Intranet einzustellen, ohne die Eigentumsgarantie für die Verlage zu schmälern. Wenn wir dennoch heute einer Kompromisslösung zustimmen, so tun wir das im Hinblick darauf, dass es allerhöchste Zeit ist - der Herr Kollege Krings hat das vorhin dargestellt -, die Anpassung des deutschen Urheberrechts an die europäischen Rechtsvorgaben über die Bühne zu bringen. ({10}) Der ausgehandelte Kompromiss enthält Komponenten, die die deutliche Handschrift der CDU/CSU-Fraktion tragen. ({11}) So ist die öffentliche Zugänglichmachung ganzer Werke auf kleine Teile und Werke geringen Umfangs begrenzt worden. ({12}) Wir haben durchgesetzt, dass auf die Einwilligung des Berechtigten nicht verzichtet werden darf, ({13}) wenn ein für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmtes Werk öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Schließlich haben wir auf eine Verfallsklausel für den § 52 a hingewirkt. Diese Verfallsklausel garantiert, dass der begrenzte Zeitraum der Gültigkeit des § 52 a genutzt wird, um zu überprüfen - oder neudeutsch: zu evaluieren -, wie sich die Regelung auf die betroffenen Verlage auswirkt, und um gegebenenfalls kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn sich eine Gefährdung abzeichnet. Henry Kissinger hat einmal gesagt: ({14}) Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, - Herr Tauss, hören Sie genau zu brauchbar und dauerhaft, wenn beide Partner damit gleich unzufrieden sind. Ludwig Erhard hat das positiv formuliert: Ein Kompromiss, das ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen. Hoffen wir, dass sich der Kompromiss zum Urheberrecht als für die Praxis erträglich erweist, sei es im Sinne Erhards oder im Sinne Kissingers. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Jörg Tauss, SPD-Fraktion, das Wort. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es muss sein, weil ich heute ausnahmsweise im Gegensatz zur FDP in einem Punkt freundlich zu Ihnen sein werde. Freuen Sie sich auf dieses Erlebnis! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Zypries hat völlig Recht: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen wir einen weiteren Schritt in Richtung eines modernen Urheberrechts für das digitale Zeitalter. Ich begrüße den Kompromiss aus Sicht der Arbeitsgruppen „Kultur und Medien“ und „Bildung und Forschung“. Ich begrüße den Kompromiss, der für die Bereiche Film sowie Bildung und Forschung gefunden worden ist, auch wenn ich hier ganz ehrlich sagen muss: Ich hätte mir bezogen auf den § 52 a ein größeres Kuchenstück gewünscht. Wir sind auf die Verlage zugegangen und haben ihre Interessen im Wesentlichen in die Debatte eingebracht. Wenn wir, lieber Kollege Krings, Ihrem Vorschlag gefolgt wären, die EU-Richtlinie eins zu eins umzusetzen, wie sie sich aus dem Text ergibt, wäre genau das eingetreten, was jetzt wortreich begründet worden ist und zu Ihrer Zustimmung zum Kompromiss geführt hat: Es wäre erheblicher Schaden für die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft, den wir ja gerade abwenden wollen, eingetreten. Aus diesem Grunde brauchen wir § 52 a, nur deshalb haben wir uns über einen Kompromiss unterhalten. ({0}) Dabei geht es überhaupt nicht ums Sparen; das ist überhaupt nicht die Frage. Wenn es um Einsparungen ginge, hätten wir den Gemeinden heute Morgen nicht 6 Milliarden Euro weggenommen. Wir haben Ihr destruktives Verhalten im Vermittlungsausschuss zur Kenntnis genommen. ({1}) 6 Milliarden Euro werden den Schulen und Kommunen aufgrund Ihrer Klientelpolitik, die Sie aus fadenscheinigen Gründen durchsetzen wollen, fehlen, um ihre Zukunft zu gestalten. Ums Sparen geht es hier weiß Gott nicht, meine Damen und Herren. ({2}) Es geht darum, die modernen Kommunikationsmittel auch im Unterricht nutzen und die Möglichkeiten der neuen Kommunikationsformen in den Schulen entfalten zu können. Das ist der Punkt, um den es geht. Aus diesem Grunde haben wir mit Ihnen um diesen Kompromiss gerungen. Wir haben gerade in unserer Arbeitsgruppe „Kultur und Medien“ die notwendigen Auseinandersetzungen stellvertretend geführt. Ich bin allen Seiten dankbar, dass sie bereit waren, an den Kompromissen mitzuwirken. Ich habe Ihnen vorhin angekündigt, Herr Kollege Krings, dass ich Ihnen nicht allzu sehr schaden will, indem ausgerechnet ich Sie lobe, aber immerhin habe ich konstatiert, dass Sie sich bemüht haben, konstruktiv an diesem Kompromiss mitzuwirken. Aus diesem Grund auch der Dank an dieser Stelle. Ich hoffe, für den zweiten Korb ist dieses ein gutes Zeichen. ({3}) Ich halte die gefundene Lösung nicht nur für tragbar, sondern für den Bildungs- und Forschungsstandort und für die Rechtssicherheit an Schulen und Hochschulen für unverzichtbar. Sie haben die Stimmen der Verlage eingebracht, die wir sehr ernst genommen haben. ({4}) Ich bitte, das Votum der Kultusministerkonferenz, das einstimmig war, zur Kenntnis zu nehmen. Dann hätte ich die Bitte, dass Sie die Stimme der Hochschulrektorenkonferenz und alle Stimmen der wissenschaftlichen Fachvereinigungen zur Kenntnis nehmen. Das waren nämlich die anderen Stimmen, auf die wir selbstverständlich auch hören wollten. Sie haben gesagt, wir würden wegen der Befristung dem § 52 a nicht trauen. Nein, Kollege Montag hat völlig Recht. Diese Evaluierung, die wir nicht scheuen, ist nach allen Richtungen offen. Sie wird die Interessen der Verlage berücksichtigen, wir werden aber auch sehr sorgfältig schauen, wie die Auswirkung auf Bildung und Forschung ist. Es ist legitim, dass wir das in beide Richtungen tun. Im Hinblick auf den zweiten Korb erlauben Sie mir bitte, einen Blick auf die Desinformationskampagne zu werfen, der leider auch der Kollege Funke zum Opfer gefallen ist. Ich würde Ihnen empfehlen, Herr Kollege Funke, einfach noch einmal den Kommentar von Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte in ihren ursprünglichen Berichterstattungen etwas daneben gelegen. Aber jetzt hat Prantl geschrieben und für die „Süddeutsche Zeitung“ wenigstens ein bisschen die Kurve gekriegt. „Ein Blick ins Gesetz - ich zitiere ihn - erleichtert die Rechtsfindung. Und dabei ergibt sich: Die Panik ist unbegründet.“ Lieber Kollege Funke, Sie haben Panik gemacht, indem Sie den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen an die Wand gemalt haben. Recht hat Prantl: Sie ist unbegründet und es war eine unverantwortliche Kampagne. ({5}) Besonders putzig fand ich ein Schreiben in gewählter Form des Wirtschaftsattachés der US-Botschaft, das uns dieser Tage erreicht hat und der uns darum gebeten hat, wir möchten doch bitte den § 52 a nicht verabschieden. Erstens habe ich den Eindruck, dass unsere amerikanischen Freunde im Moment offensichtlich mit Sorgen anderer Art so überfrachtet sind, dass sie nicht richtig gelesen haben. Ich muss aber sagen: Mich empört dieser Vorgang durchaus. Wenn ich mir nämlich einen Blick ins amerikanische Recht gestatte, nämlich in den TEACH-Act vom Juni 2001, dann stelle ich fest, dass das amerikanische Recht wesentlich über das hinausgeht, was wir heute hier verabschieden. Also, die Forderung aus den USA, wir möchten bitte den § 52 a zurückziehen, ist meines Erachtens nicht korrekt. ({6}) Die Ankündigung einiger Verlage, sie gingen ins Ausland, bevorzugt in die USA, kann ich nur so kommentieren: Viel Vergnügen. Dann sind sie dem amerikanischen Recht unterworfen und hier haben sie das Glück, dem § 52 a unterworfen zu sein, der für die Verlage wesentlich günstiger ist. ({7}) Ich hoffe, dass diese unsägliche Kampagne, in die deutsche Universitätsprofessoren mit gefälschten E-Mails hineingezogen wurden -

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Tauss, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krings?

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich dachte, Sie wollten mich gerade an meine Redezeit erinnern und war ganz erschrocken, Herr Präsident.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Noch nicht.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich gestatte ich eine Zwischenfrage des Kollegen Krings. Bitte schön, Herr Kollege Krings. ({0})

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Tauss. Zunächst einmal können Sie sich bei mir bedanken, dass ich Ihnen dadurch noch ein paar Sekunden zusätzliche Redezeit verschaffe. Sie haben eben das interessante Thema der amerikanischen Rechtslage angesprochen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der von Ihnen zitierte TEACH-Act zwar in einigen wenigen Punkten etwas über den § 52 a des neuen deutschen Urheberrechts hinausgeht, in vielen anderen Punkten aber sehr viel enger gefasst ist und vor dem Hintergrund einer anderen Rechtslage entstanden ist, die viele Schranken wie das Zitatrecht, die wir im deutschen Recht haben, gerade nicht kennt? Danke schön.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Krings, Sie haben Recht. Ich wollte - weiß Gott nicht - das amerikanische Recht nicht eins zu eins als Vorbild für uns darstellen. ({0}) Ich habe im Zusammenhang mit dem § 52 a, der der entscheidende Gegenstand der Debatte war, über das amerikanische Recht gesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass an dieser Stelle das amerikanische Recht - ich rede jetzt nicht von Musik, vom Film oder von anderen Bereichen - in der Tat wesentlich weiter geht als das, was wir im § 52 a verabschiedet haben. Das ist klar. In anderen Punkten konzediere ich, dass dort die Lobby etwas erfolgreicher war als in anderen Bereichen. Da haben Sie völlig Recht. ({1}) Ich komme zum Schluss. ({2}) - Das macht mir Freude: Erst provozieren Sie Zwischenfragen und dann klatschen Sie, wenn ich zum Schluss kommen möchte. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es ist interessant, festzustellen, dass keine Ihrer Bildungspolitikerinnen mehr anwesend ist. Frau Pieper, Ihre bildungspolitische Sprecherin, ist gegangen, als Herr Funke begonnen hat zu reden. Das ist bezeichnend für Ihre Spaltung. ({3}) Sie behaupten außerdem, dass Sie die Partei des Eigentums seien. Das sind wir auch. Aber wir sind zugleich die Partei, die das Eigentum verpflichtet. Beides gehört zusammen. ({4}) Sie haben mit Ihren Lippenbekenntnissen zur Bildungs- und Forschungspolitik im vergangenen Wahlkampf und Ihrer heute bekundeten Absicht, gegen den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts zu stimmen - noch können Sie sich korrigieren -, endgültig bewiesen, dass Sie mit Bildung, Wissenschaft, Forschung und technologischer Leistungsfähigkeit in diesem Land - wahrscheinlich hockt deswegen der Kollege Gerhardt so peinlich berührt in der letzten Reihe ({5}) nichts am Hut haben. Das müssen Sie sich heute noch einmal vorwerfen lassen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche schöne Ostern. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember 1996 über Ur- heberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger, Drucksache 15/15. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- che 15/837, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal- tungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera- tung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Abstimmung über den von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, Druck- sache 15/38. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck- sache 15/837, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas- sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun- gen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/ Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit der gleichen Mehrheit wie zuvor gegen die Stimme des Kollegen Nooke angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Dirk Fischer ({0}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Verkehrsinfrastruktur auf EU-Osterweiterung vorbereiten - Drucksache 15/467 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({1}) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes ({2}) - Drucksache 15/409 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({3}) Rechtsausschuss Ausschuss für Tourismus Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Präsident Wolfgang Thierse Ich bitte diejenigen, die der Aussprache nicht folgen wollen, den Plenarsaal möglichst geräuschlos zu verlassen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Klaus Hofbauer, CDU/CSU-Fraktion.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der 1. Mai 2004 ist ein wichtiges Datum für Europa. Die Osterweiterung ist ein weiterer historischer Meilenstein auf dem Weg zur Einigung unseres Kontinents. Damit erfolgt ein entscheidender Schritt zur Sicherung von Demokratie, Freiheit und wirtschaftlicher Stabilität. Dieser Einigungsprozess muss aber aktiv und zukunftsorientiert gestaltet werden. ({0}) Zentrale Bedeutung hat dabei eine intakte Verkehrsinfrastruktur. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Einigung Europas ohne eine weiter verbesserte Verkehrsinfrastruktur für Straße, Schiene sowie Wasser- und Luftverkehrswege erheblich erschwert wird. ({1}) Ich möchte sogar die These aufstellen: Die Osterweiterung droht zu scheitern, wenn die Verkehrsinfrastruktur nicht entsprechend vorbereitet wird. ({2}) Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss der neue Bundesverkehrswegeplan entscheidende Akzente bei der Osterweiterung setzen. ({3}) Darüber hinaus sind viele weitere Schritte erforderlich, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen. ({4}) Ich möchte hier feststellen: Rot-Grün hat diesem Thema bisher nur geringe Bedeutung beigemessen. ({5}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte die Wiedervereinigung Deutschlands nicht mit der Osterweiterung vergleichen. Im Verkehrsbereich gibt es jedoch wesentliche Parallelen. Bei der Wiedervereinigung war es die große Leistung der Regierung Helmut Kohl, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ aufzulegen und sie vor allen Dingen auch umzusetzen. Sollte die Erweiterung Europas gelingen, dann müssen diese Projekte durch Projekte „Osterweiterung“ ergänzt werden. Das ist die zentrale Forderung des Antrags der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, über den wir heute beraten. ({6}) In den letzten fünf Jahren konnte ich keine zukunftsorientierte Weichenstellung von Rot-Grün sehen. Die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ wurden nicht konsequent genug umgesetzt. Erst recht gab es keine Initiativen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Hinblick auf die EU-Osterweiterung. Das Gegenteil ist der Fall. Man hat sogar den Eindruck, dass Rot-Grün meint, die Osterweiterung komme erst im Jahr 2015. ({7}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Forderungen der CDU/CSU wurden von der Bundesregierung bisher nicht gehört. ({8}) Deswegen sind erhebliche Versäumnisse aufgetreten. ({9}) Im vergangenen Jahr lehnte Rot-Grün den Antrag der Union mit dem Titel „Deutsche Verkehrsinfrastruktur auf EU-Osterweiterung vorbereiten“ ab. ({10}) Im Juli 2002 teilte der damalige Staatssekretär, Herr Hilsberg, mit, dass es keiner Verkehrsprojekte „EU-Osterweiterung“ bedarf. Meine schriftliche Anfrage vom Oktober 2002, ob wir Verkehrsprojekte „Osterweiterung“ benötigen, wurde mit einem einzigen Wort beantwortet: Nein. ({11}) Im Oktober letzten Jahres wurde also gesagt, dass wir sie nicht brauchen. ({12}) Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Herr Stiegler, der heute bei dieser Debatte leider Gottes fehlt, obwohl er ja für Verkehrsfragen zuständig ist, ({13}) hat noch vor drei Wochen bei der IHK ganz klipp und klar gesagt: Solche Initiativen brauchen wir nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, umso erstaunlicher und erfreulicher ist es, dass im Referentenentwurf für den Bundesverkehrswegeplan jetzt plötzlich Projekte „EU-Osterweiterung“ auftauchen. ({14}) Das begrüßen wir. Denn es ist ein erster Erfolg der Union, zu dem es gekommen ist, weil wir diese Forderungen ständig aufgestellt haben. ({15}) Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich insbesondere bei den Kollegen der FDP bedanken, weil auch sie immer wieder dieses Thema angesprochen haben. ({16}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden es der Regierung nicht so leicht machen, dass sie ein paar Projekte, die sowieso im vordringlichen Bedarf im Anhang festgeschrieben sind, plötzlich als eigene Liste, als Verkehrsprojekte „Osterweiterung“, darstellen kann. Wir werden die nächsten Wochen nutzen, ({17}) damit in diesem Verkehrswegeplan ein eigenes Konzept und eine eigene Strategie für die Verkehrswege der EUOsterweiterung untergebracht werden. Ich möchte einen konkreten Punkt ansprechen. Ihr Entwurf enthält nur einen einzigen Bereich, für den kein vordringlicher Ausbau vorgesehen ist: die Strecken von B 85 und B 20. Es ist doch unlogisch, wenn man im Text angibt, für sie sei ein vordringlicher Bedarf gegeben, obwohl das in der Anlage so nicht erwähnt wird. Dieser Widerspruch muss aufgearbeitet werden. ({18}) Warum kämpfen wir so für diese Projekte? Dabei geht es nicht nur um die Verkehrsprobleme in den Grenzregionen, sondern auch um Verkehrsprojekte in ganz Deutschland. Mir liegt ein hochinteressanter Bericht der Handelskammer Hamburg vor. Herr Kollege Dirk Fischer, Sie brauchen keine Angst zu haben: Ich will nicht in Hamburg kandidieren, weil ich den schönsten Wahlkreis in ganz Deutschland - er liegt in Ostbayern habe. ({19}) Die Handelskammer Hamburg hat die Problematik des Verkehrs im Rahmen der Osterweiterung in hervorragender Art und Weise herausgearbeitet. Das erfordert politische Konsequenzen. Ich möchte des Weiteren feststellen - das ist der entscheidende Grund, warum wir in diesem Bereich Akzente brauchen -: Die Verkehrszunahme im Rahmen der Osterweiterung wird dramatisch sein. Das Bundesverkehrsministerium signalisiert uns, dass die Zunahme des normalen Verkehrs in Deutschland insgesamt bis 2015 bei 20 Prozent und des Güterverkehrs bei 65 Prozent liegen wird. Eine solche Prognose ist noch nie unterschritten, sondern sie ist immer überschritten worden. ({20}) Auch die Fachverbände, mit denen wir Kontakt haben, prognostizieren im Zusammenhang mit der Osterweiterung eine Steigerung des Güterverkehrs bis 2015 von 200 Prozent. Man sagt uns immer wieder: Bei dem Wert 200 Prozent geht man von einem relativ niedrigen Stand aus. Man muss aber bedenken, dass diese Berechnungen aus dem Jahre 1997 stammen. Darin ist also die Zunahme des Verkehrs, die aus der Öffnung der Grenzen im Jahre 1990 resultierte, berücksichtigt. Der Güterverkehr hat bereits bis 1997 dramatisch zugenommen. ({21}) - Mein Gott, Herr Kollege, ob etwas bis 2012 oder 2015 geht, ändert am grundsätzlichen Problem und am grundsätzlichen Anliegen der CDU/CSU-Fraktion nichts. ({22}) Sie sind der CDU/CSU-Fraktion bereits schrittweise entgegengekommen. Sie haben bestimmte Projekte in diesen Entwurf mit aufgenommen. Sie sagen immer wieder, es handele sich um einen Referentenentwurf, bei dem die Politik bisher nichts zu sagen gehabt habe. Aber gestaltet wurde er letzten Endes von der Politik, weil selbst der Bundeskanzler bestimmte Straßenbauprojekte vorgegeben hatte usw. Fakt ist, dass wir diese Projekte verstärkt initiieren müssen. Ich möchte nur kurz auf die Bahn eingehen. Aus unserer Sicht sind die Bahn und die Straße gerade im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Verkehr gleichwertig zu behandeln. Was aber macht Rot-Grün? ({23}) In Tschechien, in der Nähe zur deutschen Grenze und damit zu meinem Wohnort, werden pro Monat 12 000 Tonnen Zement von der Schiene auf 600 LKWs verlagert. Das ist so, weil die Bahn nicht konkurrenzfähig ist; es ist also ein Ergebnis der Verkehrspolitik von Rot-Grün. ({24}) Die Politik muss grenzüberschreitende Projekte mitinitiieren. Ich darf herzlich darum bitten, unsere Forderungen zu unterstützen, neue Akzente zu setzen, vor allen Dingen in der Aussprache in den nächsten Wochen und Monaten. Unterstützen Sie unseren Antrag! Er ist eine Initiative zur Lösung der Verkehrsprobleme im Rahmen der EU-Osterweiterung. Herzlichen Dank. ({25})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Rainer Fornahl, SPD-Fraktion, das Wort.

Rainer Fornahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003120, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hofbauer, vielen Dank für die freundliche Assistenz bei der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur sowohl in Deutschland als auch in Europa; ich glaube aber, dass wir selbst wissen - wir haben das in den Jahren seit 1998 deutlich genug gezeigt -, wo Akzente gesetzt werden müssen und wohin Schwerpunkte kommen müssen. Das Beispiel, das Sie gebracht haben, nämlich mit den 12 000 Tonnen Zement, die vom Waggon auf den Lkw geladen werden, ist genau richtig. Wir haben dieses Problem erkannt und aufgegriffen. ({0}) Wir geben für die Schiene wesentlich mehr Geld aus, als Sie in den Jahren zuvor zusammen dafür ausgegeben haben. Wir liegen mit unserer Politik richtig und deswegen werden wir sie auch fortführen. ({1}) Wir reden heute auch über ein durchaus europapolitisches Thema. Sie haben es angesprochen: 2004 wird die EU zehn neue Mitglieder haben. An dieser Stelle darf man wohl mit einem Satz erwähnen, dass vorgestern das Europäische Parlament mit sehr großer Mehrheit den Beitrittsverträgen für alle zehn Kandidaten zugestimmt hat und damit eine wesentliche Hürde auf dem Weg zur Vereinigung und Vertiefung Europas genommen ist. Das ist, denke ich, einen Applaus von uns allen für das Europäische Parlament wert. ({2}) Damit sind wir natürlich sofort - ohne Frage - bei den Problemen des Zusammenwachsens der Märkte und der zu schaffenden Verkehrsachsen. Die Zahlen und Fakten sind bekannt und stellen eine große Herausforderung für Deutschland dar und insbesondere - das wollen wir dabei nicht vergessen - natürlich auch für die neuen Mitgliedsländer. Die EU-Mitgliedsländer haben gemeinsam mit den Kandidaten schon Anfang bis Mitte der 90er-Jahre zehn Hauptverkehrsachsen definiert, transeuropäische Korridore, die Europa verkehrsinfrastrukturell vernetzen sollen. Für uns sind die Korridore II, III und IV von besonders großer Bedeutung. Auf diese muss sich der Ausbau der Infrastruktur konzentrieren; denn wir müssen Verkehr bündeln, um ihn vernünftig organisieren zu können und um die Ströme bewältigen zu können. Es nützt gar nichts, von Mecklenburg-Vorpommern bis nach Bayern alle 10 Kilometer irgendwo einen Grenzübergang zu haben und einen, zwei oder drei Lkw fahren zu lassen. Wir müssen bündeln, Straße und Schiene bündeln, und genau das tun wir mit unserer Politik. ({3}) Diese Korridore auch über die Grenzen hinweg fortzuführen und die Projekte dort zu unterstützen und zu fördern ist eine Hauptaufgabe. Das muss die Devise sein. Da gibt es auch noch Handlungsbedarf bei der Europäischen Gemeinschaft - das muss man durchaus einmal sagen -; denn was bisher über Interreg und PHARECross-Border an Unterstützung für diese Projekte läuft, löst die Probleme nicht. Bis nach dem Beitritt die Mittel aus den Strukturfonds stärker fließen, vergeht viel Zeit. Wir haben diese Zeit nicht. Möglicherweise lassen sich auch andere Finanzierungen organisieren. Über die Verkehrspolitik der Regierung Kohl ist schon gesprochen worden. ({4}) Es ist wohl nicht zu verkennen, dass der Bundesverkehrswegeplan 1992/2012 mit Blick auf die EU-Erweiterung gerade bei der Schiene große Versäumnisse aufweist. ({5}) - Nicht ein einziges Projekt in diesem Plan ist bis zur Grenze geführt, Herr Friedrich! Wir machen damit Schluss. Die EU-Initiativen TINA und TEN und unser Kapitel „Stärkung der Verkehrsinfrastruktur in einem erweiterten vereinten Europa“ auf den Seiten 25 und 26 des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans sind genau die Antwort auf die Fragen, die gestellt sind. Das ist die Lösung des Problems. Das machen wir. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2003 entspricht dem ganz genau. ({6}) Ich will noch einige konkrete Projekte nennen. Bei der Schiene sind es: Berlin-Stettin, Berlin-Frankfurt/ Oder, Dresden-Görlitz und Nürnberg-Prag. ({7}) Bei der Straße sind es die A 20, die B 87, die B 178 neu, die A 17 und die A 6 in Bayern. Das geht also von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Als sächsischer Sozi darf ich mit Freude vermelden - Sie erlauben mir das -, dass von den 16 Projekten immerhin 56 Prozent für Sachsen vorgesehen sind; denn Sachsen hat nun einmal die längste Grenze zu Tschechien und zu Polen. Es reicht nicht aus, die Anträge, die Sie hier angeführt haben - den Antrag vom letzten Jahr, den Antrag zur Förderung der Grenzregionen und einige andere mehr -, immer wieder neu zu stellen. Weil sie nicht zielführend sind, sind und bleiben sie überflüssig. ({8}) Der Parlamentarische Staatssekretär Großmann hat Ihnen am Mittwoch in der Fragestunde ein Angebot gemacht. Sie können beantragen, dass die Projekte, von denen Sie meinen, sie müssten noch in den Plan hinein, aufgenommen werden, natürlich im Austausch mit anderen; denn wir haben einen Plafond, den wir nicht überschreiten können, wenn wir auch in Zukunft verantwortliche Haushaltspolitik machen wollen. Reden Sie mit Herrn Großmann, bringen Sie Ihre Vorschläge ein, nehmen Sie Ihre Landesregierungen mit. Dann lassen sich, wie ich glaube, durchaus noch vernünftige Lösungen finden, nachdem Sie auch uns davon überzeugt haben, dass noch etwas mehr getan werden muss. Das ist genau der richtige Weg. So sollten wir mit den Problemen umgehen. Wir sind mit dem Bundesverkehrswegeplan auf dem richtigen Weg; mit ihm wird das erreicht, was im Hinblick auf Europa infrastrukturell gemacht werden muss. Diesen Weg sollten wir deshalb auch gemeinsam gehen. Wir haben - erlauben Sie mir diese Anmerkung bzw. diese Bitte noch - insbesondere im Bereich des Schienengüterverkehrs in den nächsten Jahren erhebliche Potenzialzuwächse zu erwarten. Gerade heute hat sich eine Initiative zur Rettung des Bahnwerkes Delitzsch gegründet; insgesamt acht Werke sind in Deutschland wegen derzeitiger Überkapazitäten von Schließung bedroht. Die Perspektiven der Bahn im Zuge der europäischen Erweiterung, die auch einen Mehrbedarf beim rollenden Material hervorbringen wird, sollten für uns alle gemeinsam - die Bundesregierung, den Bundestag, die Landesregierungen und die Landesparlamente sowie insbesondere die Deutsche Bahn AG - Anlass sein, alle Anstrengungen zu unternehmen, den Bahnwerken von Delitzsch bis Zwickau eine Perspektive zu geben. Unterstützen Sie das mit; auch das wäre, wie ich glaube, ein Schritt hin auf Europa. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Joachim Günther, FDPFraktion.

Joachim Günther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000750, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fornahl, sicher könnten wir über die Zusammenhänge und die Relationen zwischen Bahn und Straße bei den Investitionen lange diskutieren, aber darum geht es heute nicht in erster Linie. Ein Faktum besteht aber: In den letzten drei Jahren sind die Tonnagen auf der Schiene trotz Ihres deutlichen Engagements in diesem Bereich deutlich zurückgegangen. Heute stehen hier zwei Vorlagen zur Diskussion. Den Gesetzentwurf - das ist das Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes - möchte ich als typisch deutsch bezeichnen. Wir alle sprechen von zu langen Planungszeiten und fordern kürzere Bauzeiten und mehr Flexibilität; hier soll aber so ganz nebenbei die Gültigkeit von Planfeststellungsverfahren auf 15 Jahre ausgedehnt werden. Meine Damen und Herren, das ist nicht mehr zeitgerecht. Ich bin der Meinung, dass man innerhalb von zehn Jahren nach Planfeststellung auch eine Straße bauen kann. Da braucht man nicht zu warten, bis 15 Jahre vergangen sind, da ist nämlich in einigen Gebieten schon alles vorüber. ({0}) Der Antrag der CDU/CSU, die Verkehrsinfrastruktur auf die EU-Osterweiterung vorzubereiten, ist von hoher wirtschaftlicher, aber auch von hoher verkehrspolitischer Bedeutung. Die Zahlen über die Zunahme der Verkehrsströme ab 2004 sind allen bekannt. Die Steigerung der letzten Jahre kann man an den Istzahlen ablesen. Herr Kollege Hofbauer hat hier einige Beispiele genannt. Wir wissen, wie extrem der Verkehr in bestimmten Regionen zugenommen hat. Wir haben damals in Deutschland die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ innerhalb von zwei Jahren auf den Weg gebracht: In zwei Jahren wurde geplant, wurden Entscheidungen gefällt und mit dem Bau begonnen. Europäische Hauptverkehrsströme aber - dieser Vorwurf ist nicht nur auf die Gegenwart bezogen, sondern das muss man auf längere Frist sehen - werden meines Erachtens nach wie vor bei den aktuellen Planungen nicht berücksichtigt. Hinzu kommt auch ein interessanter Punkt aus der Sicht der Wirtschaft selbst: Das sind die Straßenanbindungen und Grenzübergänge in den grenznahen Räumen zu Tschechien und Polen. In zwei Jahren wird nämlich die Kooperation zwischen kleinen Betrieben und insbesondere Handwerksbetrieben und ihren Partnern in den osteuropäischen Ländern extrem zunehmen. Das bedeutet, dass dann auch ein Handwerksmeister mit dem LKW schnell mal über die Grenze nach Polen oder Tschechien fährt. Wer die derzeit stundenlangen Wartezeiten von LKWs und die Entfernungen von LKW-Übergängen - das kann man sich auf der Landkarte anschauen - mit den Zuständen an den Grenzen nach Westeuropa vergleicht, wird einsehen, dass dringend etwas geschehen muss. ({1}) Wenn man in diesem Sinn den Blick auf den Bundesverkehrswegeplan richtet, zeigt sich deutlich, dass er in seiner jetzigen Form diese Probleme nicht lösen kann. Zwar ist bekanntermaßen der Punkt 4.1 eingeführt worden, aber er beinhaltet im Prinzip nur Projekte, die sowieso in der Planung waren und nur fortgeschrieben werden und jetzt höchstens einen neuen Stellenwert und neue Bedeutung bekommen. Er schließt aber nicht die Lücken, die in diesem Straßensystem insgesamt vorhanden sind. ({2}) Natürlich weiß ich, dass man in diesem Zusammenhang auch die polnischen und die tschechischen Partner braucht. Uns allen ist bekannt, dass die tschechischen Partner nicht immer - ich drücke es einmal vornehm aus - gerade flexibel sind, wenn es darum geht, solche Verbindungen abzustimmen und sie schnell auf den Weg zu bringen. Aber - das ist das Entscheidende - die europäische Einheit steht vor uns. Deshalb müssen wir in dieser Richtung handeln und können nicht mehr warten. Dabei ist ein weiterer wesentlicher Punkt die Verantwortung der einzelnen Bundesländer. Auch das sollte man nicht verschweigen. Ich möchte hier zwei Beispiele aus Sachsen nennen. Das erste Beispiel ist die Anbindung der A 4, die mein Kollege von den Grünen sicherlich aus täglichem Erleben kennt. Rund um Löbau ist sie vierspurig Joachim Günther ({3}) ausgebaut, dahinter und davor steht man im Stau. In einigen Gemeinden streitet man sich kleinkariert über die Streckenführung. Die große Masse ist frustriert, dass es nicht weitergeht und sie im Stau steht. Deshalb finde ich wichtig, dass in dem Antrag steht, dass das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz und das Planvereinfachungsgesetz in den zukünftigen Planungen Berücksichtigung finden. In diesem Punkt sollte man noch weiter gehen, indem man zum Beispiel die Verbandsklage herausnimmt. Wir können nicht mehr warten. ({4}) Als zweites Beispiel nenne ich die Erschließung im unmittelbaren Grenzgebiet. Ich sehe die Anbindung an die Grenze und die Erschließung relativ gleichberechtigt; denn mit der Erschließung leisten wir einen wichtigen Beitrag für die unmittelbare Grenzregion. Wenn zum Beispiel im Erzgebirge nicht umgehend Anbindungen geschaffen werden, werden weitere Arbeitsplätze abwandern; es wird zu einer Entvölkerung in dieser Region kommen. Das heißt, wir müssen das Ganze sowohl wirtschaftlich als auch mit Blick auf die Erweiterung der EU sehen. Wir müssen jetzt die Chance nutzen und dürfen nicht fünf Jahre warten. ({5}) Wir müssen schnell und unbürokratisch handeln und den Zusammenhang zwischen der EU-Osterweiterung und den Arbeitsplätzen sehen. Wir brauchen Verfahren, die nicht erst in 15 Jahren abgeschlossen werden, sondern unmittelbar umgesetzt werden und die die Bevölkerung vor Ort, die durch den Transitverkehr belastet ist oder eine schlechte Anbindung an die Bundesautobahn hat, täglich spürt. Wir sind bereit, zu handeln. Wir finden den Antrag der CDU/CSU gut und werden ihn unterstützen. Ich hoffe, wir werden im Ausschuss gemeinsam noch schnellere Verfahren finden. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Peter Hettlich, Bündnis 90/ Die Grünen.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Osterweiterung ist eine große Chance für Gesamteuropa und für die ostdeutschen Bundesländer, denen ihre historisch gewachsenen und bestehenden Kontakte und Kenntnisse gewiss zugute kommen werden. Aber die EU-Osterweiterung stellt zugleich eine große Herausforderung für die Verkehrsinfrastruktur dar. Ich bin zwar nicht der Ansicht, dass die im CDU/CSUAntrag prognostizierten Zuwachszahlen im Güterverkehr von bis 200 Prozent tatsächlich eintreten werden; dennoch werden wir uns erheblichen Steigerungsraten stellen müssen. Unmittelbar berührt sind wir beim grenzüberschreitenden Verkehr zu unseren direkten Nachbarn Polen und Tschechische Republik. Aber es geht auch um den Ausbau der Infrastruktur in Richtung baltische Staaten, Slowakei, Ungarn und Slowenien. Deswegen ist es wichtig, dass der Ausbau der transeuropäischen Netze weiter vorangetrieben wird. Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die zu bewältigenden Verkehrsströme nicht einseitig zulasten der Straße abgewickelt werden, sondern dass das vorhandene Schienennetz in ein leistungsfähiges und starkes europäisches Schienennetz überführt wird. ({0}) Hier gibt es zurzeit noch große Unterschiede zwischen den einzelnen Beitrittsstaaten, wobei mir insbesondere der kürzliche Besuch einer ungarischen Delegation und deren Aussagen zum Schienennetz positiv in Erinnerung geblieben sind. Daher sollten wir gemeinsam unterstützen, fördern und fordern, dass sowohl auf polnischer als auch auf tschechischer Seite der Erhalt und der Ausbau des Schienennetzes nicht dem Ausbau des Fernstraßennetzes untergeordnet werden. ({1}) Die rot-grüne Bundesregierung hat sich ihrer Verantwortung gestellt und im vorliegenden Referentenentwurf zum Bundesverkehrswegeplan für die EU-Osterweiterung wichtige Strecken in den vordringlichen Bedarf aufgenommen. Ich nenne die Ausbaustrecke Berlin-Frankfurt/Oder-Grenze Polen, die Ausbaustrecke Dresden-Görlitz-Grenze Polen, die Ausbaustrecke Hoyerswerda-Horka-Grenze Polen, die eine große Bedeutung für den Güterverkehr zwischen Deutschland und Polen haben wird, die Ausbaustrecke Berlin-Dresden und weiter nach Prag, die Ausbaustrecke Nürnberg-Marktredwitz-Reichenbach-Grenze Tschechische Republik. ({2}) Darüber hinaus gibt es, falls die polnische Seite mitmacht, die Vision, die Ausbaustrecke Berlin-Angermünde-Grenze Polen aufzunehmen, weil diese Strecke in Zukunft den baltischen Staaten sehr zugute kommen wird. Ich stimme der im Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU geäußerten Auffassung ausdrücklich zu, dass die Erhöhung der grenzüberschreitenden Verbindungen, eine verbesserte Abstimmung von Fahrplänen im Regional- und Fernverkehr sowie die Anpassung der technischen Verhältnisse eine Grundvoraussetzung dafür sind, dass in Zukunft die Schienennetze leistungsfähig und die Bahnunternehmen konkurrenzfähig sind. ({3}) Wenn wir uns die grenzüberschreitenden Verkehrsströme zwischen Ostdeutschland und unseren Nachbarn anschauen, dann stellen wir fest, dass sie sich an geologischen, zum Teil an geographischen und historisch gewachsenen Verbindungen orientieren, weswegen unseren Verkehrswegen auf der anderen Seite entsprechende polnische und tschechische Pendants - allerdings in unterschiedlicher Qualität - gegenüberstehen. Deswegen sollte sich unser Augenmerk primär - dass hat der Kollege Fornahl eben gesagt - auf den Ausbau dieser vorhandenen Verkehrskorridore richten. Es macht meines Erachtens keinen Sinn, sich über neue Anbindungen, beispielsweise über den Grenzübergang in Schwedt, zu streiten, wenn unsere Nachbarn noch vollauf damit beschäftigt sind, ihre eigene Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, und gar nicht in der Lage sind, entsprechende Passstücke auf ihrer Seite zur Verfügung zu stellen. Wenn ich mir die wesentlichen grenzüberschreitenden Fernstraßen zwischen Ostdeutschland einerseits und Polen sowie der Tschechischen Republik andererseits anschaue, dann kann ich nicht erkennen, wo hier ein Versäumnis der rot-grünen Bundesregierung vorliegt oder gar eine Stagnation zu finden ist. Die A 11, A 12 und die A 15 befinden sich im Ausbau; die A 4 ist schon weit gehend ausgebaut und die A 17 befindet sich im Bau. ({4}) - Sie sprechen vielleicht von anderen Leuten. Die Verzögerungen bei der A 17 sind sicherlich nicht der Bundesregierung anzulasten. ({5}) Sie liegen eher in der liederlichen Kostenplanung seitens der sächsischen Staatsregierung begründet. ({6}) Ein Grund ist sicher auch, dass geologische Verhältnisse offensichtlich falsch eingeschätzt worden sind. Es tut mir leid, lieber Kollege Nitzsche, das es so ist. ({7}) Die von mir genannten Verkehrswege werden in der Zukunft primär die Last der Güterverkehrsströme tragen müssen - das ist im Augenblick die einzige Möglichkeit -, da es auf der polnischen und tschechischen Seite keine neuen Passstücke gibt. Problematisch ist die schwierige Lage im grenzüberschreitenden Güterverkehr zwischen Sachsen und der Tschechischen Republik - da sind wir uns einig -; denn die Belastung für die Bewohner entlang der Bundesstraßen B 92, B 170 und B 174 ist nahezu unerträglich. Meiner Meinung nach können die Lösungen nur in einer Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene, im Bau von Ortsumgehungen - dem haben wir im Bundesverkehrswegeplan Rechnung getragen - und in einer konsequenten Verkehrsvermeidungsstrategie liegen. Wir können nicht einfach nur neue Straßen bauen; denn das Beispiel A 17 zeigt doch, dass es bei schwierigen ökologischen und geologischen Verhältnissen keine Möglichkeit gibt, solche Straßen zu bauen. Wir brauchen integrierte Verkehrskonzepte, die im Zusammenspiel mit allen Beteiligten und Betroffenen, also mit der Bundesregierung, den Regierungen unserer Nachbarländer und den Landesregierungen, zu intelligenten Lösungen führen. ({8}) - Ich lade Sie zu dieser Diskussion ein. In einem Punkt sind wir uns wohl einig: Nur eine funktionierende Infrastruktur wird den Aufgaben und Zielen einer modernen Europäischen Union gerecht werden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Werner Kuhn, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Wochen und Monate haben durch Äußerungen, aber auch durch Stillschweigen der Bundesregierung nicht gerade dazu beigetragen, dass die politische Einigung der Europäischen Union, besonders bezogen auf die Beitrittsländer, eine positive Entwicklung genommen hat. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass die CDU/CSU-Fraktion heute ganz pragmatische Vorschläge vorgelegt hat, die aufzeigen, wie wir die europäische Einigung mit unseren Nachbarländern wie Polen und Tschechien voranbringen können und welche Aufgaben die Bundesregierung letztendlich zu lösen hat. ({0}) Die Bundesregierung hat einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen, weil sie noch nicht einmal die Äußerungen des französischen Präsidenten über Polen kommentiert hat. Die Länder, die man in die Europäische Union aufnehmen will, werden wie Schulbuben behandelt. ({1}) Wir wollen eine vernünftige und konstruktive Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn, besonders mit Polen und Tschechien. Dafür ist eine Grundvoraussetzung, dass wir der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eine hohe Priorität beimessen. Wenn ich höre, dass Sie sozusagen vom Reißbrett aus das Schienen- und Straßennetz und die Flugverbindungen planen wollen, dann muss ich sagen, dass Sie auf dem falschen Weg sind. Der Kollege Hofbauer hat in seiner Rede deutlich dargestellt, dass die wirtschaftliche Entwicklung die Bedingungen diktiert, unter denen Güter und Personen transportiert werden. Werner Kuhn ({2}) In der Vergangenheit waren die Volkswirtschaften in den ehemaligen sozialistischen Ländern natürlich sehr niedrig entwickelt. Sie werden sich aber, was die Verkehre von Schüttgütern und Halbfertigfabrikaten betrifft, in eine ganz andere Richtung entwickeln. Das heißt, sie werden Zulieferer für viele ostdeutsche Unternehmen werden. Schon jetzt gibt es dort Niederlassungen. Die lassen dort schon produzieren. Module werden dort gebaut. Diese werden natürlich just in time über die Straße transportiert, weniger über die Schiene. Deswegen kann ich nicht einfach wie Sie, Herr Hettlich, sagen: Wir werden das gesamte zur Verfügung stehende Geld dafür ausgeben, dass die Schiene im Rahmen der Osterweiterung zukünftig der Faktor wird. ({3}) Das wird nicht gelingen. Ich muss auch feststellen: Im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr wird in den nächsten 15 Jahren eine Steigerung von 200 Prozent erreicht. Die Volkswirtschaften in den EU-Beitrittsländern, gerade in Tschechien und in Polen, entwickeln sich tatsächlich in ganz besonderen Größenordnungen. Sie haben Wachstumsraten von 4 Prozent; im Export liegen sie sogar darüber. Darauf müssen wir reagieren. Auch die Volkswirtschaften und die nationalen Regierungen in diesen Ländern reagieren darauf. Wenn man zum Beispiel die A 4 betrachtet, dann stellt man fest: Das schlesische Industriegebiet arbeitet sich, verkehrstechnisch gesehen, systematisch im Rahmen einer Prioritätenliste in Richtung Sachsen und Mitteldeutschland vor. Aber die haben natürlich nicht nur Sachsen im Auge, sondern auch die Rhein-Main-Schiene sowie Bayern und Baden-Württemberg. Denn dort sitzen ihre Kunden und da müssen Zulieferer bedient werden. Da ist das Kapital und ohne Kapital kann man nicht arbeiten. Dazu braucht man Verkehrswege und darauf muss man sich vernünftig einstellen. Nur so wird ein Schuh daraus. ({4}) Herr Hettlich, Sie sagen: Wir können es nicht länger ertragen, dass vor den Grenzübergangsstellen sehr lange Kolonnen von Kraftfahrzeugen - speziell im Güterkraftverkehr große LKWs, die Rußpartikel-, NOX- und C02Emissionen bewirken - stehen. Das alles sehe ich ein. Aber wenn Sie einfach sagen: „Wir bauen die Straßen nicht weiter aus und verladen die Güter auf die Schiene“ - das wollen die Betroffenen gar nicht -, wird das dazu führen, dass wir weiter durch Staus die größte Umweltverschmutzung, die es in Mitteleuropa gibt, produzieren. Das ist der falsche Weg. ({5}) In dem Ziel, die Transeuropäischen Netze auf die großen Magistralen zu konzentrieren, sind wir d’accord. Auch ich halte es für notwendig, dass dies vernünftig und grenzübergreifend mit den EU-Anrainerstaaten besprochen wird und dort eine Prioritätenliste erstellt wird. ({6}) Die Autobahnverbindung zwischen München und Prag, die über Waidhaus führt, ist natürlich ein Nadelöhr; da muss etwas getan werden. Dazwischen liegen große Raumhindernisse; das wissen wir. Da ist der Bayerische Wald und auf sächsischer Seite das Erzgebirge. Da kann ich nicht nur sagen: Tut mir leid, das sind die alten, traditionellen Wege; da können wir wegen fehlender Finanzen keine technischen Lösungen liefern. - Hier muss mit Tunneln und Brückenbauwerken gearbeitet werden, die dem heutigen technischen Standard entsprechen. Dafür müssen Sie Geld zur Verfügung stellen. Wenn wir wollen, dass die Maut, so wie sie von Ihnen konzipiert worden ist, auch demjenigen zugute kommt, der letztendlich die Kosten zu tragen hat, nämlich dem Güterkraftverkehrsgewerbe und dem gesamten Individual- und Personenverkehr, so wie er jetzt läuft, ({7}) dann muss man einen realistischen Weg gehen und sagen: Von den 3,4 Milliarden Euro, die wir dadurch einnehmen - das ist noch niedrig geschätzt -, bekommt Herr Eichel nicht 90 Prozent. Man kann nicht sagen: Euch als Verkehrspolitiker speisen wir mit 600 Millionen Euro ab und die restlichen 600 Millionen Euro bekommt derjenige, der das Geld einzieht. Im Hinblick auf die Maut muss es zu einer vernünftigen Finanzierungsgrundlage im Rahmen der europäischen Einigung kommen. Das ist unser Petitum. ({8}) Geben Sie das Geld, das Sie den LKW-Unternehmen wegnehmen, für vernünftige Investitionen aus! Dann wird sich die wirtschaftliche Entwicklung wieder in den positiven Bereich bewegen. Danke schön. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Danckert. ({0})

Dr. Peter Danckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003066, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn man Herrn Kuhn so sprechen hört, dann denkt man: Man ist im falschen Film. ({0}) Wir haben doch einen Bundesverkehrswegeplan, der von 1992 bis 2012 gilt. Den haben noch Sie beschlossen. ({1}) Da sind doch die Markierungen für die nächsten 20 Jahre gelegt worden. Wenn Sie sich diesen, Ihren Bundesverkehrswegeplan ansehen, können Sie erkennen, wie viel Sie für die EUOsterweiterung vorgearbeitet haben, nämlich gar nichts. Das ist das Problem. ({2}) Es geht um lange Planungszeiträume, aber wir fangen erst jetzt, da die EU-Osterweiterung beschlossene Sache ist und im nächsten Jahr vor der Tür steht, an, diese Pläne in die Tat umzusetzen. Die transeuropäischen Netze sind doch beschlossen. Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden. Erwarten Sie doch bitte nicht von jemandem, der eine sinnvolle Verkehrspolitik macht, dass er eine Straße bis an die Oder baut, wo es dann nicht weitergeht. Wir brauchen für solche Vorhaben immer einen Partner. Solange sich aber die polnische oder in anderen Fällen die tschechische Seite nicht entscheidet, was sie eigentlich haben will, ({3}) werden wir keine Brücken über die Oder bauen, weil es dann keinen Sinn macht. Das ist die Realität. ({4}) Es ist noch ein zweiter Gesetzentwurf vom Bundesrat eingebracht worden, und zwar getragen von der großen Mehrheit der Bundesländer. Lassen Sie mich dazu ein paar Sätze sagen, denn auch er berührt unser Thema. Es geht um das Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen nach § 17 Abs. 7 Bundesfernstraßengesetz, das wir schon in der 14. Legislaturperiode besprochen haben. Das Gesetz ist vom Bundesrat - ich glaube, einstimmig beschlossen eingebracht worden; übrigens ein Lehrbeispiel für das Verfahren gemäß Art. 76 des Grundgesetzes. Wir waren also bereits in der 14. Legislaturperiode damit befasst und haben den Wunsch des Bundesrates nach einer Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen sehr eingehend beraten. Das hat dazu geführt, dass wir im Februar 2001 eine Anhörung mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis durchgeführt haben, die uns ihre sehr fundierten Kenntnisse der Materie nahe gebracht haben. Diese Sachverständigen haben uns sehr sorgfältig dargelegt, dass es bei diesem Vorhaben - das übrigens von Baden-Württemberg initiiert worden ist; dazu werde ich gleich noch etwas sagen -, keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer weiteren Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen gibt. ({5}) Es gibt keine Bedenken unter dem Gesichtpunkt von Vorratsbeschlüssen, denn mit der Aufstellung von Planfeststellungsbeschlüssen vollziehen wir das, was wir als Bundestag in den Ausbaugesetzen beschlossen haben. Insofern sind die Straßenbauverwaltungen geradezu verpflichtet. Das alles muss man jedoch im Zusammenhang mit dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen sehen. Das Problem ist, dass es eine Reihe von Maßnahmen gibt, für die es einen Planfeststellungsbeschluss gibt, die aber noch nicht umgesetzt werden können. ({6}) - Mein Freund und Kollege Dirk Fischer möchte eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ja, ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie die Zwischenfrage zulassen. Aufgrund Ihrer Reaktion gehe ich davon aus, dass das der Fall ist. - Bitte.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Danckert, Sie haben eben das Anhörungsverfahren angesprochen. Bestätigen Sie mir, dass die Sachverständigen einhellig auch gesagt haben, dass diese Staffelung in fünf und fünf Jahre mit einem Zwischenverfahren ohne Bürgerbeteiligung und ohne neue Fakten im Grunde genommen nur unnötig Zeit und Geld vergeudet und deswegen abgeschafft werden sollte, dass also die Bestandskraft einmal für zehn Jahre von allen Sachverständigen einheitlich empfohlen worden ist? Haben Sie das genau wie ich noch in Erinnerung?

Dr. Peter Danckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003066, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das kann ich Ihnen bestätigen. Das war im Wesentlichen die Aussage. Aber das ist hier nicht das Problem. Wir sind in einer Koalition und haben einen Koalitionspartner. Mein Freund Albert Schmidt und ich ({0}) - ja, so ist das nun einmal; auch Sie sind nicht in der Lage, das allein zu machen - haben uns über Monate bemüht, in dieser Frage eine Lösung zu finden. Das ist uns letztendlich nicht gelungen. Das mussten wir so hinnehmen. - Bitte nimm doch wieder Platz, lieber Kollege Fischer. ({1}) Nun ist die Situation eine andere: Es gibt wiederum einen Antrag aus Baden-Württemberg und wir werden uns erneut mit diesen Fragen beschäftigen. Interessant ist dabei, wie es mit den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlüssen aussieht. Es gibt Bundesländer, die haben überhaupt keinen rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss mehr. Sie haben alles abgearbeitet. Einige Bundesländer haben zwei oder drei und der Antragsteller, Baden-Württemberg hat 39 rechtskräftige Planfeststellungsbeschlüsse. Diese bringen das Land in die schwierige Situation, dass zwar festgestellt ist, wo gebaut werden kann, jetzt aber die Mittel für die Umsetzung fehlen. Das war aber immer klar. Diese Situation ist nicht neu. Jetzt werden wir in die Situation geraten, dass wir an der Stelle, wo wir über den Referentenentwurf bzw. die Kabinettsvorlage diskutieren, festlegen müssen, für welche Maßnahmen der vordringliche Bedarf gilt. Ich denke, dass es an dieser Stelle, Albert Schmidt, eine Möglichkeit geben wird, über die wir dann gemeinsam reden müssen. Ich möchte mich da heute aber nicht festlegen. Meine persönliche Meinung ist, dass in den Fällen, in denen nach dem alten und nach dem neuen Bundesverkehrswegeplan der vordringliche Bedarf bestätigt wird, wir also noch einmal feststellen, dass es einen vordringlichen Bedarf gibt, die Planfeststellungsbeschlüsse nicht ablaufen sollten. Aber das muss man im Einzelfall sehen. Im Grunde genommen müsste ein Zeitraum von zehn Jahren vergangen sein: fünf Jahre regulär und fünf Jahre Verlängerung. Ich habe bei meiner Nachfrage im Ministerium festgestellt, dass die Mitarbeiter dort sehr aufmerksam sind. Sie wissen ganz genau, welcher Planfeststellungsbeschluss für welches Projekt abzulaufen droht. Deswegen muss es muss doch möglich sein, den Hinweis an die jeweilige Landesregierung zu geben, dieses Projekt aus diesem Grund besonders schnell anzugehen. Wenn wir so verfahren und pragmatisch vorgehen, gibt es meines Erachtens keine Probleme. Dann können wir den vordringlichen Bedarf bejahen und können die Realisierung von rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlüssen ermöglichen. Dann brauchen wir auch die von den Ländern gewünschte Verlängerung nicht. Wir müssen die finanziellen Möglichkeiten an die Realisierung dieser Projekte anpassen. Dann wird es laufen und auch Baden-Württemberg wird auf die Reihe kommen. ({2}) Fast alle anderen Bundesländer haben sich, mit Ausnahme von Bayern - auch Bayern hat, wie ich glaube, auf Vorrat geplant, Herr Oswald -, der Realität angepasst. Es ist unsere Aufgabe, das bei den Beratungen zu berücksichtigen. Wenn uns aber kritische Einzelfälle vorliegen, können wir reagieren. Entweder werden wir der Gesetzesinitiative der Bundesländer durch den Bundesrat nachkommen oder wir werden einen praktischen Weg aufweisen. In dem Fall können wir auf die Verabschiedung eines solchen Gesetzes verzichten. Das ist die Realität, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Lassen Sie uns dieses Thema gemeinsam in Ruhe beraten. Dann werden wir auch eine Lösung finden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubert Deittert. ({0})

Hubert Deittert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002639, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Gesetzentwurf des Bundesrates, der zwei Ziele verfolgt. Zum einen geht es um die Verlängerung der Dauer von Planfeststellungsbeschlüssen. Zum anderen geht es darum, verbindlich klarzustellen, dass eine Unterbrechung bei der Durchführung einer Maßnahme die Geltungsdauer der Beschlüsse und damit deren Rechtskraft nicht berührt. Beide Änderungen halten wir von der CDU/CSU-Fraktion für sinnvoll und unterstützen sie im Grundsatz. Der heute zu beratende Gesetzentwurf wurde - das wurde schon aus der eben gestellten Zwischenfrage deutlich - bereits in der 14. Legislaturperiode mit der gleichen Zielsetzung in den Bundestag eingebracht und entsprechend beraten. Unter den Sachverständigen gab es keinen einzigen, der nicht eine Verlängerung auf zehn Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit befürwortet hat. Das sollte uns nachdenklich machen. Leider ist der Entwurf seinerzeit an der Uneinigkeit der Koalitionsfraktionen gescheitert. Meine Damen und Herren, wie sieht heute die Realität im Fernstraßenbau aus? - Wir haben zum einen eine erhebliche Finanzierungslücke. ({0}) Es gibt bundesweit eine ganze Reihe von Maßnahmen, zu denen das Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden ist und Baureife besteht, wo die Fristen wegen der zeitlichen Begrenzung aber zu verfallen drohen. Das wurde eben angesprochen. Hinzu kommt, dass es bei der Bereitstellung der notwendigen Mittel immer wieder Verzögerungen gibt und dass immer neue, oft nur sehr kurzfristige Programme aufgelegt werden, von denen niemand verbindlich sagen kann, wie lange sie laufen. Die Folge ist, dass heute beim Abschluss eines Planfeststellungsverfahrens niemand sagen kann, ob, wann und in welchem Zeitraum die notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Unter solchen Bedingungen gibt es keine langfristige Planungssicherheit. Es ist offensichtlich, dass die nur fünfjährige Geltungsdauer der Beschlüsse, die mit einem erheblichen Planungs- und Zeitaufwand zustande gekommen sind, heute nicht mehr zeitgemäß ist. Die Planverfahren in Deutschland sind hochkompliziert und sehr langwierig. Es gibt einzelne Projekte, die sich bis zu 20 Jahre lang in der Planung befinden. Deshalb ist es nicht zu verantworten, dass das Baurecht bereits nach fünf Jahren wieder verfällt. ({1}) Ich betone: Es ist gut und richtig, dass unsere Bürger und Verbände ausreichende Möglichkeiten haben, ihre Bedenken und Anregungen in das Planverfahren einzubringen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass der Staat letztendlich handlungsunfähig wird. Auch das spricht für eine Verlängerung der Frist. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass das Planfeststellungsverfahren in ganz bestimmten Fällen durch einen Bebauungsplan, der keinerlei gesetzlicher Befristung unterliegt, ersetzt werden kann. Auch das spricht für eine bestimmte Fristverlängerung. Ich will nicht verhehlen, dass es hier bestimmte rechtliche Unterschiede gibt, aber unter bestimmten Voraussetzungen ist das durchaus möglich. Aus diesem Grund sprechen wir uns für eine Verlängerung der Geltungsdauer und damit auch für eine Verwaltungsvereinfachung und Kosteneinsparung aus. ({2}) Die Bundesländer können es nicht länger akzeptieren, dass sie viel Zeit und Geld aufwenden müssen, um vom Verfall bedrohte Baurechte zu verlängern. Bei der Beratung des eben genannten Gesetzentwurfs in der 14. Legislaturperiode wurde nach einer Anhörung im Fachausschuss vor allem von den Kollegen aus der FDP-Fraktion ein Kompromiss angesprochen. Dabei ging es um diese zehn Jahre. Die SPD wäre seinerzeit gerne gesprungen, allerdings lag den Grünen die Latte damals zu hoch. Ich denke aber, das sollte uns nicht daran hindern, diesen Gesetzentwurf jetzt zur Beratung in die Ausschüsse zu überweisen. Meine Kolleginnen und Kollegen, eine gute Verkehrspolitik ist immer auch eine gute Wirtschaftspolitik. ({3}) Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist der Dreh- und Angelpunkt für jede wirtschaftliche Entwicklung. ({4}) Ich denke, in der Situation, in der sich unsere Wirtschaft heute befindet, spricht alles dafür, dass wir jede Anstrengung unternehmen sollten, um eine gute Verkehrspolitik zu machen. Lassen Sie uns diesen Entwurf in der Hoffnung, dass bei den Grünen der eine oder andere inzwischen klüger geworden ist und dass wir gemeinsam eine vernünftige Lösung finden können, zur Beratung in die Ausschüsse überweisen. ({5}) Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. Herr Kollege Dr. Danckert hat eben Einzelfälle angesprochen. Ich warne davor, irgendwelche Einzelfallregelungen, die möglicherweise auch noch im Halbdunkel geregelt werden, zu berücksichtigen. Lassen Sie uns mit der Fristverlängerung eine saubere Lösung ansteuern. Das kann der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Lande nur gut tun. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Tag, ab dem zehn weitere europäische Länder, darunter auch unsere östlichen Nachbarn Polen und Tschechien, die Europäische Union als gleichberechtigte Partner mitgestalten werden, rückt immer näher. Die Wirtschaft - das wissen Sie auch - sieht schon seit langem mit sehr positiven Erwartungen auf diese Entwicklung. Gemeinsame Institutionen wie die deutschpolnisch-tschechische Kammerunion Elbe/Oder pflegen intensive Kontakte mit der Politik und untereinander. Hier stehen natürlich auch die Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur regelmäßig auf der Tagesordnung. Mit dem wachsenden Handelsaustausch geht selbstverständlich auch ein Wachstum der Verkehrsleistungen einher. Deutschlands Rolle in diesem Schnittpunkt der europäischen Verkehrsströme wächst mit der EUOsterweiterung somit weiter an. Deshalb bedarf es selbstredend adäquater grenzüberschreitender Verkehrswege. Wir haben gehandelt. In den Investitionsprogrammen der Bundesregierung sind Verkehrsprojekte für die Grenzregionen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro berücksichtigt. Kollege Hofbauer, es ist schon abenteuerlich und haarsträubend, zu behaupten, wir würden nichts tun. Ich glaube, das, was ich gesagt habe, macht deutlich, dass wir schon gehandelt haben. ({0}) Herr Kuhn, Sie haben vorhin von praktischer Politik gesprochen. Diese will ich Ihnen gerne erläutern, weil Sie sie vermutlich vergessen haben. Die EFRE-Programme haben ein Volumen von 2 Milliarden Euro. Darüber hinaus möchte ich die TEN-Projekte in Höhe von noch einmal 1,6 Milliarden Euro erwähnen. Bei diesen Zahlen kann man doch nicht allen Ernstes so tun, als würde diese Bundesregierung nichts machen. Wir haben gehandelt und tun das auch weiterhin. ({1}) Wir haben mit der Aufnahme der Projekte in die Investitionsprogramme Planungssicherheit und natürlich auch Bausicherheit geschaffen. Es wird ja auch gebaut. Alles, was noch nicht gebaut und fertig gestellt worden ist, haben wir in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. ({2}) Er enthält alle relevanten Projekte im vordringlichen Bedarf, die wir benötigen, um die erweiterungsbedingten Verkehrszuwächse aufzufangen. ({3}) Selbstverständlich sind wir auf der Arbeitsebene ständig mit unseren tschechischen und polnischen Freunden in Kontakt, um dafür zu sorgen, dass die Ausbauten vorangehen. All das leisten wir. Für all diese Planungen bestehen selbstverständlich Prognosen. In diesem Zusammenhang werden immer hohe Steigerungsraten von 300 Prozent genannt. Ich möchte Ihnen diese Zahl aber einmal erklären: Wenn vorher ein Auto gefahren ist und anschließend vier Autos fahren, dann ist dies eine Steigerung um 300 Prozent. Sie müssen sich einmal das niedrige Anfangsniveau anschauen. Wir verkennen überhaupt nicht die Lage, aber man muss auf dem Teppich bleiben. Wir bauen das auf, was notwendig ist. Wir haben ausrechnen lassen: Bis zum Jahr 2015 werden die Kapazitäten, die wir bis dahin zur Verfügung gestellt haben, zu 70 Prozent ausgelastet sein. Damit besteht genügend Spielraum. Das macht deutlich, dass wir das dringend Notwendige tun. ({4}) Mit Ihrer Forderung nach Verkehrsprojekten zur europäischen Einheit kommen Sie zu spät. Diese Projekte haben wir schon längst in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen und realisieren sie bereits in den einzelnen Investitionsprogrammen. Ich weiß überhaupt nicht, was Sie wollen. Ihre Forderungen sind total überholt. ({5}) Wenn Sie eine Definition der Korridore entlang der Ostgrenzen fordern, wo es Verkehrsdefizite gibt, dann will ich Ihnen darauf erwidern: Dort gibt es in der Tat noch einiges zu tun, aber Sie müssen dann auch die Damen und Herren in den Ländern bitten, ihrer Verantwortung nachzukommen; denn dabei geht es hauptsächlich um regionale Netze, die ebenfalls ausgebaut werden müssen. Dort müssen noch - darin stimme ich Ihnen zu - eine ganze Menge an Defiziten abgearbeitet werden. Aber diese Forderungen richten Sie bitte an die Adresse der zuständigen Länder. ({6}) Beim Thema Bahn werden wir uns sofort einig werden. Da stimme ich dem, was Sie gesagt haben, zu. Wir müssen die Bahn in die Lage versetzen, neue und vernünftige Lösungen anzubieten. Dabei sind für uns drei Punkte ganz besonders wichtig. Erstens. Die Interoperabilität muss hergestellt werden. Zweitens. Die Eisenbahnnetze müssen für Dritte geöffnet werden. Drittens. Die Rahmenbedingungen für den kombinierten Verkehr müssen verbessert werden. Bei diesen Punkten sind wir schon weit vorangekommen. Auch mit der Europäischen Union stehen wir in Kontakt, um hier weiter zu kommen. Wir wissen, dass die Wettbewerbsfähigkeit von diesen Rahmenbedingungen abhängt. Die Eisenbahnunternehmen müssen untereinander zusammenarbeiten, um ein größeres Angebot zu schaffen, damit solche abstrusen Vorfälle, wie Sie sie uns dargestellt haben, nicht mehr vorkommen. Ziel dieser Bundesregierung ist es, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Aber ich will daran erinnern - dabei lasse ich Sie nicht aus der Verantwortung -: Wer hat denn dafür gesorgt, dass die Schienenwege nicht mehr so ausgebaut werden konnten, wie es notwendig war? Wer hat denn in den Jahren zuvor die Bahn als Sparbüchse benutzt? Seit 1998 haben wir die Zuschüsse an die Bahn für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verdoppelt, die Sie vorher gekürzt haben. Die Bahn hat 1998 knapp 5 Milliarden DM bekommen. Damit konnte sie ihre Aufgaben nicht erfüllen. Sich bei einer solchen Vorgehensweise hier so zu äußern, wie Sie es getan haben, ist schon ein starkes Stück. ({7}) Ich weiß zwar, dass es sehr viele Ängste gibt ({8}) und dass viele Menschen der EU-Osterweiterung mit Skepsis und Sorge entgegenblicken, aber ich denke, wir sollten die damit verbundenen Chancen herausstellen und nutzen. Was die Verkehrsinfrastruktur angeht, sind wir sehr gut aufgestellt. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung auf den Drucksachen 15/467 und 15/409 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes - Drucksache 15/510 ({0}) a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache 15/835 - Berichterstattung: Abgeordnete Horst Schild b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 15/836

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Dietrich Austermann Carsten Schneider Antje Hermenau Dr. Günter Rexrodt Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Bernd Scheelen.

Bernd Scheelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002772, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 11. April 2003 ist ein guter Tag für die Städte und Gemeinden in Deutschland. In seiner Reformrede vom 14. März - das war heute vor drei Wochen - hat der Bundeskanzler an dieser Stelle Folgendes ausgeführt: Zur sofortigen Entlastung der Gemeinden beabsichtigt die Bundesregierung, sie - die Gemeinden von ihrem Beitrag zur Finanzierung des Flutopferfonds zu befreien. Das bringt Mehreinnahmen in einer Höhe von 800 Millionen Euro. Es sind, genau gesagt, 819 Millionen Euro. ({0}) Damit macht die Koalition von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen sechs Punkte sehr deutlich: Erstens. Die Regierung Schröder/Fischer tut, was sie sagt. ({1}) - Hören Sie jetzt gut zu! - Zweitens. Diese Regierung ist außerordentlich kommunalfreundlich. ({2}) Drittens. Die Koalition erkennt an, dass die finanzielle Lage der Kommunen teilweise dramatisch ist. Viertens. Die Koalition handelt durch die heute zu beschließende Sofortmaßnahme der Entlastung der Gemeinden von ihrem Beitrag zur Finanzierung des Flutopferfonds. Fünftens. Die Koalition macht sehr deutlich, dass diese Sofortmaßnahme, die für dieses Jahr wirksam ist, in eine Strategie zur Stabilisierung und Verstetigung der kommunalen Einnahmen und zur Entlastung der Kommunen auf der Ausgabenseite eingebettet ist. Sie wissen, dass wir gemeinsam die Aufgabe haben, bis zum 1. Januar 2004 eine Gemeindefinanzreform auf den Weg zu bringen. In diesem Zusammenhang sind der Bundestag und der Bundesrat gefragt. Es geht dabei um die Einnahmen und die Ausgaben der Kommunen. Auf der Einnahmeseite geht es aus unserer Sicht um eine erneuerte Gewerbesteuer. Diese Maßnahme - wenn sie denn umgesetzt werden sollte - wird naturgemäß im Wesentlichen den strukturstärkeren Gemeinden zugute kommen. Die zweite Maßnahme, mit der sich die Kommission beschäftigt, nämlich die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, wird sich tendenziell eher zugunsten der strukturschwächeren Gemeinden auswirken. Deswegen ist es wichtig, dass in dieser Reform beide Elemente gleich stark vertreten sind. ({3}) Sechstens. Die Koalition sagt zu, dass die Beseitigung aller Schäden, die durch die Flutkatastrophe entstanden sind, auch weiterhin ohne Wenn und Aber finanziert wird. Das heißt, der Bund schultert die Last der Entlastung der Kommunen alleine. Wir verbinden damit den Appell an die Länder, über weitere Entlastungen ihrer Kommunen in eigener Zuständigkeit nachzudenken. Wichtig ist, einmal deutlich zu machen, dass die Länder diejenigen sind, die für die Gemeinden und deren finanzielle Situation vorrangig zuständig sind. Das ist keine vorrangige Aufgabe des Bundes. ({4}) Denn die Verfassung kennt bekanntlich nur zwei staatliche Ebenen: den Bund und die Länder. Die Kommunen sind Teile der Länder. Trotzdem setzt der Bund heute ein, wie ich finde, wichtiges und richtiges Zeichen im Hinblick auf die schwierige Situation von Städten und Gemeinden. Die CDU/CSU-regierten Länder könnten Ihrer Forderung nachkommen und die erhöhte Gewerbesteuerumlage in ihren Ländern an die Kommunen zurückzahlen. Das ist besser, als wenn Sie in diesem Hohen Hause ständig Schaufensteranträge stellen. Dass das Schaufensteranträge sind, das wissen Sie und das ist spätestens seit dem Tag bekannt, an dem der bayerische Landtag mit CSU-Mehrheit einen entsprechenden Antrag der SPDLandtagsfraktion abgelehnt hat, der vorsah, ({5}) das Mehraufkommen bei der Gewerbesteuerumlage in Bayern an die eigenen Kommunen zurückzuzahlen. Niemand hindert Bayern daran, das zu tun. Statt dessen wird über Mehrheitsanträge im Bundesrat versucht, in dieser Frage eine Schau zu veranstalten, obwohl man weiß, dass der Bund hier natürlich nicht zustimmen kann. Sie stellen die Anträge ja nur deswegen, weil Sie genau wissen, dass die Ablehnung sichergestellt ist. Es ist gut, dass wir heute den Beschluss hinsichtlich der Entlastung der Gemeinden von ihrem Beitrag zum Flutopferfonds einstimmig fassen. Ich will ausdrücklich betonen, dass es sich um ein wichtiges Signal handelt. Auch aufseiten der Opposition wird anerkannt, dass das eine wichtige Maßnahme ist. Allerdings wäre es für Sie ja auch schwer, eine solche Maßnahme, die der Bund allein finanziert, abzulehnen; denn Sie müssten dann Ihren Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten erklären, warum Sie dagegen sind, dass mehr Geld vom Bund in städtische Kassen fließt. Der Bundesrat hat ebenfalls Zustimmung signalisiert und wird sich am 23. Mai mit diesem Thema beschäftigen. Das bedeutet, dass ab Juli die besagten 819 Millionen Euro den Gemeinden zur Verfügung stehen. Wir gehen davon aus, dass dieses Geld, mit dem vor Ort nicht gerechnet worden ist, sofort für Wachstumsimpulse, für Maßnahmen auf dem Gebiet der kommunalen Infrastruktur und damit für wichtige Impulse für Wachstum und Beschäftigung wirksam werden kann, insbesondere auch zur Förderung des Mittelstandes und des Handwerkes. Das ist ein erster Schritt. Den zweiten Schritt haben Sie im Vermittlungsausschuss verhindert; Sie haben nämlich verhindert, dass den Kommunen über das Steuervergünstigungsabbaugesetz ({6}) in diesem Jahr 300 Millionen Euro zusätzlich zufließen. Das müssen Sie vor Ort verantworten. Wir erwarten, dass sich aus dem Verfahren zur Zinsabgeltung weitere 750 Millionen Euro an Einnahmen für die Gemeinden ergeben werden. Das stellt zusammen mit den zinsverbilligten Krediten von der Kreditanstalt für Wiederaufbau die für dieses Jahr vorgesehene Sofortmaßnahme dar. Für den Januar erwarten wir die Gemeindefinanzreform. Auch dazu brauchen wir, wie Sie wissen, Ihre Unterstützung. Ich möchte an Sie appellieren: Bringen Sie sich in die Arbeit der Kommission für die Gemeindefinanzreform so ein, dass wir gemeinsam ab dem 1. Januar nächsten Jahres die Gemeinden auf ein neues, solides, tragfähiges finanzielles Fundament stellen können. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Manfred Kolbe. ({0})

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der eigentliche Inhalt der Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes ist unstreitig. Die Höchstbeträge, die für die Verteilung des Gemeindeanteils der Einkommensteuer innerhalb der Länder auf die Kommunen maßgeblich sind, werden angepasst. Von Zeit zu Zeit muss eine solche Anpassung erfolgen, damit keine vollständige Nivellierung eintritt. Vor diesem Hintergrund muss man sagen: Dieses Gesetz ist ein technisches Gesetz und findet die Zustimmung aller. Interessant ist der Änderungsantrag, der von Ihnen kürzlich, im März, mit dem Ziel eingebracht worden ist, durch eine Änderung des Flutopfersolidaritätsgesetzes die Kommunen mit einem Betrag in Höhe von 819 Millionen Euro von der Finanzierung des Aufbauhilfefonds freizustellen. Dadurch werden die diesem Fonds zur Verfügung stehenden Mittel abgesenkt; Maßnahmen zur Wiederherstellung der Bundesinfrastruktur sollen künftig nicht mehr aus dem Aufbauhilfefonds finanziert werden. Bei der Bewertung dieses Änderungsantrages müssen wir streng zwischen der Entlastung der Kommunen einerseits und der Finanzierung dieser Entlastung aus dem Flutopferfonds andererseits unterscheiden. ({0}) Die Entlastung der Kommunen begrüßt meine Fraktion eindeutig; wir sagen sogar: Diese Entlastung kommt zu spät und sie ist nicht umfassend genug. ({1}) Denn, Herr Bundesfinanzminister, die Lage unserer Kommunen in West und Ost wird immer dramatischer. ({2}) Die Schere zwischen sinkenden Einnahmen und wachsenden Belastungen öffnet sich immer weiter. Die kommunalen Einnahmen sinken seit Jahren; allein das Gewerbesteueraufkommen ging 2001 um 11,4 Prozent und 2002 um 9,1 Prozent zurück. Im Gegenzug steigen die Ausgaben. Als Folge dieser Entwicklung sind die kommunalen Investitionen - man höre und staune - in den letzten zehn Jahren in Gesamtdeutschland um ein Drittel und im Osten Deutschlands sogar um die Hälfte zurückgegangen. ({3}) Die Folge sind weniger Aufträge für die örtliche Wirtschaft und damit verbunden Arbeitnehmerentlassungen. Das ist ein Teufelskreis, eine Abwärtsspirale, die gestoppt werden muss. ({4}) CDU/CSU wollten deshalb als Soforthilfe Ende letzten Jahres die Gewerbesteuerumlage wieder auf ihre alte Höhe von 20 Prozent zurückführen und dadurch den Kommunen 2 bis 3 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Sie haben dies verhindert. ({5}) Die bereits seit 1998 angekündigte kommunale Finanzreform kommt ebenfalls, Herr Scheelen, nicht voran. Eigentlich sollten im März dieses Jahres Ergebnisse vorgelegt werden. Bald ist es Mai und auf die Ergebnisse warten wir noch immer. Nach Ihren Aussagen, Herr Eichel, sind wir von einem Kommissionsergebnis mehr denn je entfernt. Ich halte deshalb fest: Wir begrüßen ausdrücklich die heute zu beschließende Entlastung der Kommunen, wir erklären aber gleichzeitig, dass dies nicht alles gewesen sein kann. Ich hoffe, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass die Kommunen nicht nur auf die Phantomgelder aus der Zinsabgeltungsteuer warten müssen; denn dann ist wenig Besserung in Sicht. ({6}) Weniger einleuchtend ist dagegen die Finanzierung der kommunalen Entlastung durch eine Absenkung des Fonds „Aufbauhilfe“ nach dem Flutopfersolidaritätsgesetz. Warum gibt es eigentlich keine direkte Entlastung der Kommunen, sondern den Weg über den Flutopferfonds? Dies zu verstehen fällt aus vielerlei Gründen schwer. ({7}) Erstens. Vor dem Hintergrund eines ermittelten Schadenumfangs von rund 9,1 Milliarden Euro und einer bisherigen Ausstattung des Fonds in Höhe von 7,3 Milliarden Euro geht auch die Bundesregierung derzeit nicht von Überschüssen aus. Es liegen bisher auch keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte für solche möglichen Überschüsse vor. Hinzu kommt noch, dass zahlreiche verdeckte Schäden oder bauliche Folgeschäden, etwa geohydrologische Schäden an Bauwerken, die erst nach der Frostperiode sichtbar werden, bisher überhaupt noch nicht erfasst werden konnten. Eine Reduzierung des Flutopferfonds ist daher per heutigem Stand nicht zu begründen. Dies zu bemerken stellt keine Undankbarkeit dar, sondern zeigt nur Tatsachen auf. Als Abgeordneter, durch dessen Wahlkreis sowohl Elbe als auch Mulde fließen und in dessen Wahlkreis viele Orte vom Hochwasser betroffen waren, möchte ich mich ausdrücklich für die Solidarität ganz Deutschlands mit dieser Region bedanken. ({8}) Ich möchte aber auch festhalten, dass derzeit keinerlei Anhaltspunkte für eine Nichtausschöpfung des Flutopferfonds vorliegen. Zweitens. Auffallen muss auch, dass die Kürzung des Fonds bei den so genannten Programmmitteln in Höhe von 3,3 Milliarden Euro erfolgt. Diese Programmmittel sind aber bis heute schon in Höhe von über 2,6 Milliarden Euro abgeflossen. Für eine Reduzierung um 819 Millionen Euro ist damit nach Adam Riese kein Raum mehr. Drittens. Nach Begründung des Änderungsantrags soll die Absenkung vollständig im so genannten Block 3 - „Infrastrukturprogramm des Bundes“ in Höhe von 970 Millionen Euro - erfolgen. Von den 970 Millionen Euro sollen 819 Millionen Euro abgezogen werden. Damit würde dieser Block fast komplett entfallen, obwohl es auch nennenswerte Schäden an der Infrastruktur des Bundes gibt. Wir haben bisher keine Aussage erhalten - Herr Scheelen, deshalb ist das für uns so schwierig zu verstehen -, wie deren Beseitigung finanziert werden soll. ({9}) Lassen Sie mich als Fazit festhalten: Die tatsächliche Finanzierung der heute zu beschließenden kommunalen Entlastung bleibt völlig im Dunkeln und wird den Haushaltsausschuss und das Plenum sicherlich auch noch in Zukunft beschäftigen. Da meiner Fraktion aber die Entlastung der Kommunen immer ein besonderes Anliegen war und auch heute ist ({10}) und auch die betroffenen Länder dem Gesetzentwurf zugestimmt haben, werden wir heute auch zustimmen. Danke. ({11})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kerstin Andreae. ({0})

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die zwei Teile des Gesetzes ist gesprochen worden. Dass der erste Teil unstrittig ist und eine technische Anpassung an die aktuelle Entwicklung bedeutet, haben wir auch besprochen. Das müssen wir hier nicht weiter diskutieren. Der zweite Teil - da haben Sie Recht - ist die eigentlich entscheidende politische Frage. Es geht darum, die Gelder der Flutopferhilfe zurück an die Kommunen zu geben. Herr Kolbe, ich bin richtig froh, dass Sie am Schluss Ihrer Rede bestätigt haben, dass Sie zustimmen werden. Während Ihrer Rede war ich mir nicht ganz so sicher, ob wir Ihre Zustimmung bekommen. Wir haben aber im Finanzausschuss schon darüber gesprochen und einstimmig beschlossen, dass wir das so machen. Sie haben Recht, wir haben noch nicht die Spitz-aufKnopf-Abrechnung und wissen noch nicht, ob die Gelder wirklich in der Höhe in Anspruch genommen werden. Aber es zeichnet sich ab - das wissen Sie auch -, dass die Gelder in der Höhe nicht gebraucht werden. Deswegen ist es nur richtig, dass wir in dem Moment, in dem wir merken, dass diese Gelder nicht gebraucht werden, die Gelder den Kommunen geben, damit die Kommunen wieder mehr Gelder haben, um Impulse für Investitionen, für Wachstum und Beschäftigung geben zu können. Deswegen ist es richtig, dass die 819 Millionen Euro, die nicht abgerufen werden, an die Kommunen zurückgehen. Das ist im Prinzip eine Art Kassenkredit aus den Haushaltsmitteln. Die Spitz-auf-Knopf-Abrechnung erfolgt Ende Mai. Das wissen Sie. ({0}) Die Gemeinden bekommen also kurzfristig Geld. Das ist auch von Ihnen im Zusammenhang mit der Gewerbesteuerumlage immer wieder eingefordert worden. Herr Kolbe, Sie sagten, Sie verstünden nicht, warum man das nicht direkt mache. Ich möchte Sie an das erinnern, was wir im Finanzausschuss besprochen haben. Wenn wir diese Entlastungsform wählen, dann ist das auch eine Entlastung nach Leistungskraft. Wir treffen alle Kommunen gleichermaßen. Alle bekommen Geld zurück. Das ist eine kurzfristige Stärkung der Finanz- und damit der Investitionskraft. Das generiert Wachstums- und Arbeitsmarktimpulse. Das heißt aber auch - da müssen wir schon an die Verantwortung der Länder appellieren -, dass die Länder die bereits einbehaltenen Beträge den Gemeinden unverzüglich zurückerstatten. ({1}) Richtig ist, dass das die Gemeindefinanzreform nicht ersetzt. Das hat auch gar keiner vor. Es ist völlig klar, dass wir die Gemeindefinanzreform jetzt zügig mit den Zielen auf den Weg bringen müssen, die Finanzkraft zu stärken, mehr Planungssicherheit zu schaffen, die kommunale Selbstverwaltung und die kommunale Finanzautonomie zu erhalten. Ich bin sehr gespannt, was ich aus Ihrer Bundestagsfraktion, aber auch aus den unionsregierten Ländern hören werde, wie Sie sich eigentlich die Gemeindefinanzreform vorstellen. Das erscheint mir noch nicht durchdacht und nicht abgestimmt. ({2}) Die Vereinbarung im Vermittlungsausschuss zum Subventionsabbau ist schon einmal angesprochen worden. Von der Regelung zur Körperschaftsteuer haben die Kommunen überhaupt nichts. Die Kommunen bekommen von der Körperschaftsteuer keinen Cent und keinen Euro. Die Steuer geht nur an Bund und Länder. Auch hier sind die Länder in der Pflicht, die Kommunen an diesen Einnahmen zu beteiligen. Wir appellieren an die Länder, ihrer Verantwortung gegenüber den Kommunen gerecht zu werden, damit zumindest ein bisschen Planungssicherheit geschaffen wird. Wir brauchen die Gemeindefinanzreform. Jeder Euro für die Kommunen ist ein Euro für Investitionen und Beschäftigung. Ich appelliere an Sie, damit wir schnell eine Einigung im Hinblick auf die Stärkung der kommunalen Finanzkraft erzielen. Ich will noch einen Schwenk zur Hochwasserkatastrophe und zur Flutopferhilfe machen. Wir haben alle noch die Bilder von dem Jahrhunderthochwasser vor Augen. Wir haben die überwältigende Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung mitbekommen. Wir haben hier beschlossen, die zweite Stufe der Steuerreform um ein Jahr zu verschieben. Das hat breite Akzeptanz gefunden. Was ist denn der Grund für das Hochwasser gewesen? Es gibt viele Gründe dafür. Ein Grund war die Flächenversiegelung. Das wissen Sie. ({3}) Nach wie vor gehen wir mit der Ressource Fläche und Boden viel zu großzügig um. Heute verbauen wir täglich 130 Hektar. Das entspricht einer Größe von 100 Fußballfeldern. Ich möchte Ihnen einen Gedanken nahe bringen: Überlegen Sie gut, damit wir uns nicht im Rahmen der Gemeindefinanzreform für ein Modell der Besteuerung entscheiden, das das Problem der Flächenversiegelung und die Stadt-Umland-Problematik verschärft. Wir müssen uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir die Ursachen von Hochwasser bekämpfen können. Bitte bedenken Sie das bei der Debatte über die anstehende Gemeindefinanzreform, über die wir hoffentlich bald beraten werden. Vielen Dank. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andreas Pinkwart.

Andreas Pinkwart (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003610, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum einen haben wir es - das klang schon an mit einem technischen Vorgang zu tun, mit dem aber ein wichtiges Ziel verfolgt wird, nämlich durch die Anpassung der Höchstbeträge der grundgesetzlichen Vorgabe nach Verteilung der Mittel auf der Grundlage des örtlichen Aufkommens zu entsprechen. Insofern begrüßen wir den vorliegenden Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. ({0}) Zum anderen geht es um die Frage - darum haben wir in den letzten Wochen wiederholt gerungen -, wie wir den Städten und Gemeinden, die in der tiefsten Finanznot seit Kriegsende sind, helfen können. Für 2003 wird - leider - ein Defizit in Höhe von 9,9 Milliarden Euro erwartet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, vor diesem Hintergrund muss man feststellen, dass die von Ihnen angebotene Entlastung von etwas mehr als 800 Millionen Euro spät kommt und dass dieser Betrag zu gering ist. Sie springen mit Ihrem Änderungsantrag angesichts der Finanznot der Kommunen schlicht und ergreifend zu kurz. ({1}) Das ist in Anbetracht der Höhe, aber auch der Einmaligkeit der Hilfe der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, der den Kommunen keine nachhaltige Entlastung bringen wird, wie Herr Scheelen eben angedeutet hat. Eine nachhaltige Entlastung hätte es aber geben können, wenn Sie am 13. Februar dieses Jahres der Senkung der Gewerbesteuerumlage zugestimmt hätten; das war damals eine namentliche Abstimmung. Das haben Sie aber nicht getan. ({2}) Wenn Sie, Herr Scheelen, jetzt behaupten, diejenigen, die vorschlagen, dass man das zuerst in den Ländern machen könne, seien gar nicht glaubwürdig, weil die Länder das gar nicht wollten, dann frage ich Sie: Welches Parlamentsverständnis haben Sie eigentlich? Es lag hierzu nicht nur ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, sondern auch ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor. Die Länder haben also ihren Willen bekundet, ({3}) unter Inkaufnahme eigener Mindereinnahmen den Kommunen allein in diesem Jahr eine Entlastung in Höhe von 2,3 Milliarden Euro zuteil werden zu lassen. Sie haben das bei der namentlichen Abstimmung am 13. Februar abgelehnt. Diese Entlastung wäre nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den Folgejahren wirksam gewesen. ({4}) Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir werden dem kleinen Schritt, den Sie vorgeschlagen haben, zwar zustimmen. Aber ich prophezeie Ihnen auch mit Blick auf die von Ihnen groß angekündigte Gemeindefinanzreform: Wenn Sie weiterhin Politik in solch kleinen Schritten betreiben, dann werden die Kommunen ein Waterloo erleiden. ({5}) Wenn Sie, Frau Andreae fragen, welche Reformvorschläge die Opposition machen wird, dann antworte ich Ihnen: Wir werden Ihnen sehr interessante Vorschläge unterbreiten. Nur, Ihre Regierung hätte schon längst die Arbeit in der Gemeindefinanzreformkommission unter Vorsitz des Bundesfinanzministers abschließen können. Tatsächlich wird das vertagt, weil Sie selber keine Reformkraft und keine Vorstellung haben, aus der hervorgeht, wie wir den Gemeinden nachhaltig helfen können. Vielen Dank. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Schild.

Horst Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002775, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorab das Positive: Wir begrüßen außerordentlich die Zustimmung der Opposition zu unserem Gesetzentwurf. Aber kaum signalisieren Sie Ihre Zustimmung, relativieren und mäkeln Sie. ({0}) Herr Kollege Kolbe, Sie haben heute wie im Finanzausschuss wieder Zweifel geäußert, ob die Art der Finanzierung richtig sei. ({1}) - Kollege Seiffert, Sie kennen Ihre Pappenheimer doch viel besser als wir. Es ist doch gerade ein paar Wochen her, da haben Ihre Oberbürgermeister beim Treffen in der CDU-Zentrale hier in Berlin gefordert, nicht abgerufene Gelder aus dem Fluthilfefonds in Höhe von 2 Milliarden Euro den Gemeinden zur Verfügung zu stellen. Was gilt denn? Es ist doch unseriös, 2 Milliarden Euro zu fordern zu einem Zeitpunkt, wo noch überhaupt nicht feststeht, welche Mittel tatsächlich aus diesem Fonds benötigt werden. ({2}) - Bayern kommt auch noch zur Sprache, Herr Michelbach. Wir wollen, dass das Geld den betroffenen Kommunen, Bürgern, Unternehmen und Ländern ungeschmälert vorbehalten bleibt, bis endgültig klar ist, wie hoch die Inanspruchnahme des Fonds tatsächlich ist. Unser Vorschlag zur Finanzierung ist deswegen keineswegs zweifelhaft; damit wird nämlich das Gesamtvolumen nicht gekürzt. Der Bund steht für die Entlastung der Kommunen ein. Es war absehbar, dass Sie heute trotz dieses ersten Schrittes, den Gemeinden kurzfristig zu helfen, wieder mäkeln würden. Wir kennen das Thema ja aus vielfältigen Diskussionen. Es war auch klar, dass Sie die Forderung nach Senkung der Gewerbesteuerumlage wiederholen würden. Ich frage bloß diejenigen, die sich Sorgen um den Bundeshaushalt gemacht haben: Wenn die Mittel aus diesem Fonds tatsächlich in voller Höhe nötig sind, welche Auswirkungen wird das dann auf Infrastrukturmaßnahmen des Bundes haben? Diese Sorge haben Sie aber nicht, wenn Sie sozusagen eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage fordern, die den Bund dauerhaft mit 1,3 Milliarden Euro belastet. Das müssen Sie sich auch einmal überlegen. Mit der heute zu beschließenden Entlastung bei der Flutopferhilfe und den Mitteln für die zinsverbilligten Kreditprogramme über die KfW leistet der Bund eine Soforthilfe, die in der Summe dem geforderten Beitrag an der Umlagesenkung entspricht. Wir erreichen damit aber eine viel gerechtere Verteilung der Mittel unter den Kommunen. Ich kann nur das wiederholen, was der Kollege Scheelen eben schon angesprochen hat: Die Länder, die so vehement dafür eingetreten sind, die Gewerbesteuerumlage zu senken, sind herzlich eingeladen, den Kommunen weitere Entlastungen zu gewähren. Wir wollen die Kommunalfinanzreform zum 1. Januar 2004 verwirklichen, damit die Gemeinden wieder über eine verlässliche und stetige Steuerquelle verfügen. Bundeskanzler Schröder hat in seiner Regierungserklärung am 14. März den Kommunen eine erneuerte Gewerbesteuer, die die Einnahmen verstetigt und den Gemeinden mehr Eigenverantwortung gibt, zugesichert. ({3}) - Auch dazu kommen wir noch. - Die Koalitionsfraktionen unterstützen dies ausdrücklich. Auch die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben die Aussage des Kanzlers begrüßt. Offensichtlich hat das nur der kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Kollege Götz, noch nicht wahrgenommen. Ich unterstelle einmal, er war bei der Regierungserklärung des Kanzlers nicht anwesend. Wenn er festhält, für die Kommunen sei Schröders Rede eine riesige Enttäuschung, nichts Neues, kein Licht am Ende des Tunnels, ({4}) dann muss man feststellen: Das ist absurd, Herr Kollege Götz. Vier Wochen sind seit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vergangen und bereits zwei Maßnahmen sind mit Abschluss der heutigen Debatte umgesetzt worden. ({5}) Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, eins ist unstrittig: Für die Kommunalfinanzreform benötigen wir eine breite Mehrheit, insbesondere im Bundesrat. Das setzt aber voraus, dass die Union im Interesse der Kommunen ihre Position klärt. Danach sieht es im Moment wahrhaftig nicht aus. Da gibt es einen vielstimmigen Chor. Erstens. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin und Präsidentin des Städtetages Petra Roth fordert die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer und die Einbeziehung der Freiberufler. Die hessische Landesregierung, jetzt befreit von der Last des Koalitionspartners, geht noch weiter und will wieder Gewerbekapital- und Lohnsummensteuer einführen. ({6}) Dann gibt es zweitens eine Gruppe in Ihrer Partei, die deutliche Sympathien für das Modell des BDI auf Abschaffung der Gewerbesteuer und Ersetzung durch ein kommunales Zuschlagsrecht auf Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zeigt; so beispielsweise Herr Teufel aus Baden-Württemberg. Gestern las ich, dass der Kollege Meister erklärt hat - so stand es jedenfalls in der „FAZ“ -, er sei für die Abschaffung der Gewerbesteuer. Dann gibt es die dritte Position, den so genannten dritten Weg - so wurde er in der kommunalpolitischen Zeitschrift der CDU/CSU bezeichnet - des Kollegen Fromme. Man kann über vieles reden; aber Unberechenbarkeit und Ziellosigkeit helfen den Gemeinden nicht weiter. Im Interesse der Kommunen brauchen wir Entscheidungen. ({7}) Die Realisierung der Kommunalfinanzreform braucht eine breite Mehrheit. Die heutige Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Kommunen. In ihrem Interesse sollten wir diesen Weg weitergehen. Das ist heute ein wichtiger Schritt. Wenn die CDU/CSU-Fraktion ihre Position gefunden hat und wir diesen Weg in der Zukunft gemeinsam fortsetzen, dann können wir das Ziel erreichen, eine umfassende Reform der Gemeindefinanzen zum 1. Januar 2004 zu beschließen. Ich danke Ihnen. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Abgeordnete Bartholomäus Kalb hat jetzt das Wort. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute die Entscheidung treffen werden, dass die Gemeinden von der Einzahlung in den Fluthilfefonds freigestellt werden. Ich bin froh darüber, dass wir das vermutlich einvernehmlich tun werden; schließlich haben Sie sich vor ein paar Wochen noch nicht getraut, unserer diesbezüglichen Forderung und dem von uns vorgelegten Entschließungsantrag zuzustimmen, obwohl der Bundeskanzler es vorher angekündigt hatte, nach dem Motto - so hat es Karl Valentin einmal zum Ausdruck gebracht -: Mögen täten wir schon wollen, bloß dürfen haben wir uns nicht getraut. Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Probleme der Kommunen damit keinesfalls gelöst sind. ({0}) Der heutige Schritt bestätigt, dass unser Finanzierungsvorschlag aus dem letzten Jahr, gegen den Sie polemisiert haben, richtig war. Sie haben dann erkannt, zu welch paradoxen Ergebnissen die Umsetzung Ihres Vorschlages geführt hätte, beispielsweise für die Stadt Passau, die als geschädigte Stadt mehr in Fluthilfefonds hätte einzahlen müssen, als sie herausbekommen hätte. Sie haben damals behauptet, wir zögen die Verschuldung vor und Sie folgten der reinen Lehre. Tatsache ist, dass der Bundesfinanzminister wenige Wochen später einen Nachtragshaushalt vorlegen musste, der im Ergebnis für 2002 eine Erhöhung der Neuverschuldung von 21,1 Milliarden Euro auf 32,7 Milliarden Euro vorsah. Das geschah nach dem Motto: Vor der Wahl, nach der Wahl. Es stellt sich auch heraus, dass es ein riesiger Fehler war, die für 2003 vorgesehene Stufe der Steuerreform zu verschieben. ({1}) Viele konjunkturelle Probleme, die wir jetzt haben, sind darauf zurückzuführen. Die Finanzsituation der Kommunen hat sich dramatisch verschärft. Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen um rund 6 Milliarden Euro ist Ihnen bekannt. Die ungerechtfertigte Erhöhung der Gewerbesteuerumlage müsste dringend zurückgenommen werden. Professor Pinkwart hat bereits darauf hingewiesen: Es gibt keinen Grund, die Höhe der Gewerbesteuerumlage aufrechtzuerhalten. Ich kann das jetzt im Detail nicht ausführen. Die Gewerbesteuerumlage müsste zurückgeführt werden. Der Bundesrat und die CDU/CSU-Fraktion haben dazu jeweils einen Gesetzentwurf vorgelegt. Den Ländern war Ernst und den Ländern ist Ernst. Herr Kollege Scheelen, Herr Kollege Schild, es ist falsch, zu behaupten, die Länder könnten auf ihren jeweiligen Anteil nun isoliert verzichten. Sie wissen ganz genau, dass Bayern mittlerweile Gott sei Dank ein so genanntes Zahlerland ist und dass der Länderanteil an der Gewerbesteuerumlage in die Berechnung des Länderfinanzausgleiches eingeht. Würde man Ihrem Vorschlag folgen, müssten die Länder, jedenfalls die so genannten Zahlerländer, doppelt zahlen. ({2}) Die Verschuldung der Gemeinden hat sich dramatisch verschärft. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Roth, hat gestern darauf hingewiesen, dass das Defizit der Städte und Gemeinden in diesem Jahr wohl annähernd 10 Milliarden Euro erreichen wird. Das bedeutet, dass sich das Defizit innerhalb von zwei Jahren quasi verdoppelt haben wird. Dies ist eine dramatische Entwicklung. Der Bundeskanzler verkündet aber hier, er wolle den Gemeinden und den Städten mit einem Kreditprogramm helfen. Weiß dieser Bundeskanzler denn nicht, dass wahrscheinlich mehr als die Hälfte aller Städte und Gemeinden nicht mehr in der Lage ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, und nicht mehr in der Lage ist, ihre Verwaltungshaushalte ohne Kredite zu finanzieren, weswegen es ihnen verwehrt ist, überhaupt noch Kredite aufzunehmen? ({3}) Es spielt dabei keine Rolle, ob gute oder weniger gute Zinskonditionen angeboten werden. ({4}) Ich bin auch im Interesse der Kommunen sehr froh darüber, dass wir zu diesem Ergebnis des Vermittlungsausschusses gekommen sind; wir haben heute Morgen darüber abgestimmt. Damit konnte der steuerpolitische Unfug, der mit den Beschlüssen in der Koalitionsvereinbarung und mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz angerichtet werden sollte - ich verweise nur auf die Aussagen Ihres internen Konkurrenten, des Herrn Gabriel -, von uns erfolgreich verhindert werden. Sie haben mit diesem steuerpolitischen Unfug ganz wesentlich dazu beigetragen, dass Ihre eigenen Prognosen - Sie haben immer erzählt, im dritten Quartal, im vierten Quartal des Jahres 2002 und ganz bestimmt im Jahr 2003 werde es konjunkturell sehr viel besser gehen - nicht eintreffen konnten. Sie versuchen ständig, diejenigen, die bei uns im Lande die Leistung erbringen müssen, die Leistungsträger, von denen wir erwarten müssen, dass sie die Entwicklung mit ihrem Hirn anschieben, auf den Kopf zu schlagen. Da wundern Sie sich, warum die Motivation nicht da ist, warum die Investitionsbereitschaft nicht da ist und warum die Leistungsbereitschaft nicht da ist! ({5}) Ihre Beschlüsse haben sich ausgewirkt wie ein dramatischer Bodenfrost über der Konjunktur in Deutschland. Sie schlagen mit Ihrer verfehlten Haushalts-, Finanzund Wirtschaftspolitik die Einnahmen auch der Länder und Gemeinden kaputt. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, Herr Kollege Schild, dass es die Länder Bayern und Baden-Württemberg sind, die den höchsten Anteil ihres Haushalts an die Kommunen weitergeben; in dem Maß ist das in keinem anderen Land in Deutschland der Fall. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Kalb, denken Sie daran, dass die Redezeit abgelaufen ist.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie ruinieren die Finanzen der Länder und Gemeinden, weisen ihnen die Schuld zu und lassen sie im Regen stehen. Dem müssen wir massiv entgegenwirken. Ich danke Ihnen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/835, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen worden. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. - Gibt es Enthaltungen? - Das ist auch nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung ebenfalls einstimmig angenommen worden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Riegert, Peter Letzgus, Norbert Barthle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Internationale sportliche Großveranstaltungen gleichermaßen fördern - Drucksache 15/544 Überweisungsvorschlag: Sportausschuss ({0}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch gibt es nicht. Dann ist das so beschlossen. Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Gerlinde Kaupa von der CDU/CSU-Fraktion. ({1}) - Die Kollegen sind so charmant, ihre Plätze einzunehmen.

Gerlinde Kaupa (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003564, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sportliche Großveranstaltungen werfen ihre Schatten voraus, einmal die Fußball-WM - die haben wir Gott sei Dank schon fest - und zum anderen die Olympischen Spiele, um die wir uns bewerben. Morgen Abend werden wir wissen, wer für Deutschland ins Rennen geht. Förderprogramme, Masseninitiativen, die neu entfachte Diskussion um die reguläre und verpflichtende dritte Sportstunde, dies sind nur einige Beispiele für das, was durch die Bewerbung initiiert wurde. Die Sportgroßveranstaltungen WM 2006 und Olympia 2012 lösen einen Sportboom aus und die Fußballvereine bekommen wieder Zulauf. Die Identifizierung mit dem aktiven Sportler ist gerade während und nach solchen Großveranstaltungen enorm hoch. Herausragende Erfolge deutscher Spitzensportler motivieren die breite Menge zu sportlicher Betätigung. In den jeweiligen sportlichen Disziplinen kommt es zu einer Sogwirkung. Die Spitzensportler nehmen eine Vorbildfunktion ein. Sie begeistern die Menschen, sich selbst sportlich zu betätigen und ihre körperlichen Grenzen zu erfahren. Gerade für Kinder und Jugendliche ist es schön, zu sagen: Ich will genauso sein wie der, ich will genauso sein wie die. Diese Chance sollte nicht unbeachtet und ungenutzt gelassen werden, denn die jüngste AOK-Studie beweist doch: Unsere Kinder müssen wieder für den Sport begeistert werden. Nicht Gameboy, Power Rangers und Fernsehen sollen die hauptsächliche Nachmittagsbeschäftigung sein, sondern die körperliche Betätigung. ({0}) Es ist geradezu besorgniserregend, wenn festgestellt werden muss, dass die körperliche Fitness von Sechsbis 18-Jährigen kontinuierlich schlechter wird. ({1}) - Schauen wir einmal; ich habe ihn zum Nachlesen dabei. - Dieser Bewegungsmangel zieht gesundheitliche Folgeschäden nach sich, die sich häufig erst in höherem Alter stark bemerkbar machen: ({2}) Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, Fettleibigkeit - um nur einiges zu nennen. ({3}) - Nicht? Aber das gehört mit dazu, denn Spitzensport und Breitensport gehören zusammen. Wenn wir keine Vorbilder haben, gibt es auch keine Breitenwirkung. ({4}) Die positiven Impulse von Sportgroßereignissen - jetzt komme ich zu den von Ihnen geforderten Aussagen - müssen präventiv genutzt werden. Die Prävention muss als eine starke Säule deutscher Gesundheitspolitik aufgebaut werden, denn Sport erfüllt alle Kriterien einer Präventionsmaßnahme. Nachdem wir bisher diese Säule noch nicht aufgebaut haben, muss hier jede Gelegenheit genutzt werden, um das anzusprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Spitzensport, sportliche Großveranstaltungen und Breitensport - das habe ich eben gesagt - gehören zusammen und sind deshalb alle sehr wichtig. Nur wenn der Breitensport funktioniert, der Nachwuchs gefördert wird, Talente gesichtet und erkannt werden, kann der deutsche Spitzensport international erfolgreich sein. Nennenswert ist die enorme Begeisterung und positive Einstellung, die von der Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 ausgeht. Die Aufbruchstimmung ist enorm. Alle sind Feuer und Flamme für dieses Großereignis. Allein in Hessen wurden in Vorbereitung der Spiele 22 neue hauptamtliche Trainerstellen geschaffen und für den Sportnachwuchs 2,5 Millionen Euro - das sind 10 Prozent mehr als 2002 - veranschlagt. Das Gleiche gilt für den Freistaat Sachsen. Auch hier wird in die Trainerstellen investiert und die dritte Sportstunde ist verpflichtend. Das sind Investitionen in Nachwuchsförderung im Hinblick auf ein Sportgroßereignis. ({5}) Auch die Entwicklung der Sportinfrastruktur hat eine herausragende Stellung und darf nicht vergessen werden. Jede für den Spitzensport bzw. für Sportgroßveranstaltungen erbaute Sportstätte steht auch dem Breitensport zur Verfügung. Auch wenn die neu gebauten Sportstätten dem Breitensport zur Verfügung stehen, dürfen die Haushaltsmittel für den Breitensport nicht zugunsten anderer Förderprojekte reduziert werden. Großveranstaltungen werfen Gewinne ab und sind von volkswirtschaftlichem Nutzen. So würden die Olympischen Spiele 2012 für Deutschland ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von 9,4 Milliarden Euro, Steuermehreinnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro und umgerechnet 46 600 Vollzeitarbeitsplätze bringen. Dies zeigt, dass wir mit internationalen sportlichen Großveranstaltungen mehr gewinnen können, als es uns kostet. Diese Mehreinnahmen müssen voll und ganz dem Sport zugute kommen. Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen muss es sein, den Sport in all seinen Facetten zu fördern und nicht zu hemmen. ({6}) - Das kann aber noch besser werden. Ich denke mir, wir sind uns hier im Hause alle einig, dass Deutschland internationale Sportveranstaltungen ins Land holen soll und muss. Es gibt nämlich viel Konkurrenz und viele Mitbewerber. Daher muss es internationale, absehbare und vorher bekannt gegebene Richtlinien für solche Veranstaltungen geben. Die Austragungsländer müssen gleiche Ausgangsvoraussetzungen haben. Es kann nicht sein, dass in anderen Staaten oft günstigere Rahmenbedingungen gelten. Dies benachteiligt Deutschland beim Heranholen von Sportmeetings. Bei uns gilt ein engeres, strengeres und ungünstigeres Regelwerk als anderswo. Ich fordere daher die Bundesregierung auf - wenn sie es sowieso tut, ist es ja umso besser -, sich für international verbindliche, einheitliche und einfachere Standards einzusetzen. ({7}) Unsere ausufernde Bürokratie und unser Steuersystem dürfen nicht zu einer Benachteiligung des Sports führen. Innerhalb ihrer Finanzbefugnisse muss die Bundesregierung alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, die der Austragung internationaler Sportwettkämpfe dienen. Die dafür im Sportetat eingestellten 700 000 Euro sind ihren Einsatz wert und müssen in dieser Höhe weiterhin bestehen bleiben. Unser Kollege Fritz Rudolf Körper - heute früh war er da - hat im vergangenen November betont, dass die Regierung nach besten Kräften versuchen werde, die Einwerbung und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen zu unterstützen. Ich nehme ihn beim Wort und vertraue auf ihn. Vielen Dank. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, das war Ihre erste Rede in diesem Hohen Haus. Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen von allen. ({0}) Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhold Hemker.

Dr. Reinhold Hemker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002670, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das, was im Antrag der Union festgestellt wird - auch die Kollegin Kaupa hat das im Grunde nicht weiter ergänzen können -, ist wiederholt, teilweise wortgleich, in den Sportberichten früherer Regierungen und auch der jetzigen Regierung, so noch im 10. Sportbericht, festgestellt worden. Der Antrag ist für mich so gesehen besonders im Feststellungsteil eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten, die im Grunde nichts Neues enthalten. ({0}) Das gilt auch für die immer wiederholte Falschmeldung, der Bund habe die Investitionen beim Spitzensport massiv gekürzt. ({1}) Natürlich sind sich heute alle Diskutanten einig: Es muss alles getan werden, damit in Deutschland - und nicht nur in Deutschland - bedeutsame Sportveranstaltungen durchgeführt werden. Allerdings weise ich auch darauf hin, dass die im vorliegenden Antrag und in früheren Sportberichten genannten Ziele nicht in erster Linie über internationale sportliche Großveranstaltungen in Deutschland nach der Zusage von Steuernachlässen erfolgen dürfen - in diese Richtung geht der Antrag -; vielmehr muss im internationalen Miteinander für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele ein Konsens mit weniger privilegierten Ländern erreicht werden, die bei weitem nicht die Wirtschaftskraft wie Deutschland besitzen. Der Sport und somit auch internationale Großveranstaltungen stellen eine Komponente der internationalen, bilateralen und auch projektpartnerschaftlichen Zusammenarbeit und der Entwicklungszusammenarbeit dar. Ich betone, dass wir hier eigentlich keinen Wettbewerb der Länder haben wollen. Sie sollen sich nicht gegeneinander ausspielen. Für uns zählt, dass unter fairen Bedingungen verhandelt wird. ({2}) Im Übrigen würde ich bei einem solchen Antrag nicht feststellen - was auch schlicht eine falsche Behauptung wäre -, dass der Bund wegen seiner angespannten Haushaltslage die Investitionen beim Spitzensport massiv gekürzt habe. In der Zeit, als die CDU/CSU sich noch in der Regierungsverantwortung befand, sanken die Ausgaben auf 242 Millionen DM, von 1998 bis 2001 sind die Ausgaben auf 377 Millionen DM gestiegen. ({3}) Auch in den schwierigen Jahren 2002 und 2003, lieber Klaus Riegert, liegt die Förderung trotz Haushaltskonsolidierung nicht niedriger als zum Ende der Regierungszeit von CDU/CSU und, lieber Detlef Parr, leider auch FDP. Die Kürzungen bewegen sich im Rahmen der Haushaltskonsolidierungen, die wohl unbestritten nötig sind. Zumindest meine Gespräche mit Vertretern des Sports haben immer wieder gezeigt, dass Bereitschaft zur Unterstützung der Konsolidierungsbemühungen besteht. Übrigens hat der DSB im August 2002 Hans Eichel ausdrücklich wegen der steuerlichen Erleichterungen in der Vereinslandschaft und der beruflichen Absicherung der Spitzensportler gelobt. ({4}) Ich gehe davon aus, dass der Kollege Grasedieck auf diesen Punkt noch näher eingehen wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere im Bereich des Profisports - da schreitet die Professionalisierung, die Sie ansprechen, besonders voran - wird Geld in einem Umfang verdient, wie es in anderen Bereichen der Gesellschaft nicht der Fall ist. Auch darauf muss man hinweisen. Außerdem ist längst noch nicht die Mehrheit der gut verdienenden Spitzensportler in den Kreis derjenigen eingetreten, die die Stiftung „Deutsche Sporthilfe“ nachhaltig unterstützen. Auch da gibt es noch einen Nachholbedarf. ({5}) Ich freue mich, dass in dem CDU/CSU-Antrag sowohl im Feststellungs- wie auch im Forderungsteil - das ist ein wichtiger Punkt in Ihrem Antrag - die Umgangsweise mit der Abhängigmachung der Vergabe internationaler Sportgroßveranstaltungen von Steuerbefreiung oder von Steuernachlässen problematisiert wird. Dieses werden Sie gewusst haben, als Sie Ihren Antrag formuliert haben; denn ich gehe davon aus, dass Sie Ihr Ohr am Volke bzw. in der Sportministerkonferenz vom 28. und 29. November 2002 gehabt haben. Damals stand das Thema „Besteuerung internationaler Sportveranstaltungen und -verbände“ auf der Tagesordnung. Vor dem Hintergrund der Ausrichtung der Fußball-WM 2006, der Bewerbung Deutschlands für die Olympischen Spiele 2012 sowie anderer bedeutender internationaler Sportveranstaltungen in Deutschland wies die Sportministerkonferenz auf die Erschwernisse hin, die aus der Vorgabe der §§ 50 Abs. 7 und 50 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes resultieren. Man muss an Folgendes erinnern: Schon anlässlich dieser Konferenz wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Nachteile für Sportvereine und -verbände bei internationalen Sportbegegnungen in Deutschland, bei Entscheidungen über die Vergabe großer internationaler Sportveranstaltungen sowie bei der Durchführung von Treffen internationaler Sportorganisationen in Deutschland die Folge sein könnten. Der Beschluss der damaligen Sportministerkonferenz war eindeutig: Die Finanzministerkonferenz, das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium des Innern werden dazu einladen, eine Arbeitsgruppe einzurichten. Diese Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit aufgenommen. Ein Ergebnis wird bald vorgelegt werden. Ich vermute, lieber Klaus Riegert, dass Sie vor dem Hintergrund Ihrer Kenntnis der damaligen Gespräche in dieser Konferenz den Brief vom 4. Dezember 2002 geschrieben haben, in dem Sie einen Bericht des Finanzministers über die Auswirkungen der schon genannten Vorschriften im Einkommensteuergesetz gefordert haben. Der Sachverhalt ist relativ einfach: Es geht im Wesentlichen darum, die Einkommensteuer zum Teil zu erlassen oder einen Pauschalbetrag festzusetzen. Ich bin auf das Ergebnis der Arbeitsgruppe sehr gespannt. Mit dem vorliegenden Antrag wird im Grunde die Arbeit der Sportministerkonferenz und der Auftrag der Arbeitsgruppe, dem die Vertreter aller Bundesländer zugestimmt haben, infrage gestellt. Warum warten Sie eigentlich das Ergebnis nicht ab? Warum begleiten Sie nicht einen vertrauensfördernden Diskussionsprozess? Warum muss der Antrag ausgerechnet während des gegenwärtigen Prozesses der Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 in Deutschland zur Sprache kommen? Ich bin der Meinung, dass es sich zu diesem Zeitpunkt um ein falsches Signal handelt. ({6}) Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass wir für die Arbeit der Polizei und der Hilfswerke sowie für die gesundheitliche Betreuung im Rahmen solcher Großveranstaltungen Geld, nämlich Steuergeld, brauchen. ({7}) Es werden ja nicht alle notwendigen Mittel durch Sponsoren aufgebracht, denen ich in diesem Zusammenhang danken will. Ich gehe davon aus, dass der internationalen Sportförderung eine besondere Rolle bei der Bildung von Vertrauen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern, besonders in Europa, zukommt. Denn mit dem deutschen Sport werden international auf allen Ebenen und in allen Bereichen sehr positive Vorstellungen verbunden. Es muss natürlich ein Unterschied gemacht werden zwischen Veranstaltungen in Bereichen, bei denen über Werbeeinnahmen, Lizenzverträge und Zuschauereinnahmen viel Geld verdient wird, und Veranstaltungen im Bereich der meistens sehr wertvollen so genannten Randsportarten, bei denen oft nicht annähernd die Einnahmen erzielt werden, die ausreichen, um die Ausgaben zu decken. Ich möchte auf eine weitere Forderung in dem Antrag der Union zu sprechen kommen. Ich gehe davon aus, dass Ihre Forderung, die Erlöse aus dem Verkauf von Sondermünzen oder Sonderbriefmarken aus Anlass internationaler sportlicher Großveranstaltungen dem eigentlichen Verwendungszweck zuzuführen und erst überschüssige Erlöse beim Sport verbleiben zu lassen, nicht so ernst gemeint ist. ({8}) Ich weise darauf hin, dass bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City von 35 Medaillengewinnern aus Deutschland 32 von der Stiftung „Deutsche Sporthilfe“ gefördert wurden. Meine Fraktion und ich möchten nicht, dass auf irgendeine Art und Weise Erlöse für die Stiftung „Deutsche Sporthilfe“ anders verwandt werden, schon gar nicht für die Finanzierung dieser von mir erwähnten Großveranstaltungen. ({9}) - Natürlich haben wir das gesagt. Lieber Klaus Riegert, wir haben sogar im Zusammenhang mit Gesprächen mit der Stiftung „Deutsche Sporthilfe“ festgestellt: Wir müssen alle Kampagnen für die Deutsche Sporthilfe unterstützen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Erlöse aus dem Verkauf von Sondermünzen und Sonderbriefmarken entsprechend verwandt werden. Das ist überhaupt keine Frage. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, von daher gesehen gehe ich davon aus: Wir werden im Ausschuss eine sachliche und fachliche Diskussion über den Antrag führen. Wir werden über die Vorschläge noch einmal diskutieren. Ich habe deutlich gemacht, in welche Richtung unsere Argumente gehen. Ich hoffe, lieber Klaus Riegert, dass diese Diskussion dann ins Detail geht, und zwar möglichst unter Einbeziehung des Ergebnisses der Arbeitsgruppe, die einvernehmlich eingesetzt worden ist. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es spricht jetzt der Abgeordnete Detlef Parr.

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kommerzialisierung des Sports wächst und wächst. Deswegen stellt sich bezüglich der Durchführung internationaler Großveranstaltungen zu Recht die Frage nach dem Verhältnis von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Sportorganisationen auf der einen Seite und der Notwendigkeit staatlicher Unterstützung auf der anderen Seite. Wir sind uns einig, dass Olympische Spiele sowie Welt- und Europameisterschaften sowohl für das Bild Deutschlands im Ausland von hoher Bedeutung sind als auch für die Veranstalterregionen erheblichen Nutzen - auch materiellen - bringen. Deshalb findet ja zurzeit ein sehr starker Wettbewerb unter fünf Bewerberstädten um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 statt. Er wird morgen hoffentlich zu einem guten Ergebnis führen. Für den internationalen Wettbewerb in diesem Zusammenhang müssen wir - das wurde bereits von dieser Stelle aus gesagt - alle Kräfte in unserem Land bündeln und bis zum Sommer 2005 unsere Ausgangsposition Zug um Zug verbessern, um den Zuschlag des Internationalen Olympischen Komitees zu bekommen. Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag der Union, weil er berechtigterweise die immer ungeniertere Vergabepraxis bei internationalen sportlichen Großereignissen kritisch beleuchtet. Es ist richtig, dass vor dem Hintergrund stetig wachsender Anforderungen vieler Sportorganisationen auf internationaler Ebene der Versuch gestartet werden muss, diese Entwicklung in Grenzen zu halten. Die Begehrlichkeiten dürfen nicht ins Uferlose bedient werden. Der Hang zur Perfektion muss gebremst werden. ({0}) „Immer höher, immer schneller, immer weiter“ ist ein akzeptiertes Leitmotiv der Aktiven. „Immer größer, immer aufwendiger, immer luxuriöser“ auf des Steuerzahlers Kosten darf nicht zum selbstverständlichen Leitmotiv der Veranstalter sportlicher Großereignisse werden. ({1}) Die im Antrag gestellten Forderungen nach einer Beschränkung auf das Notwendige und die Erweiterung nationaler Gestaltungsspielräume unterstützen wir gerne. Das IOC scheint sich schon auf diesen Pfad zu begeben. Diese neue Bescheidenheit ist umso wichtiger vor dem Hintergrund der aktuellen Kürzungen der Mittel für die Sportförderung im Spitzen- und Breitensportbereich auf vielen politischen Ebenen. Wenn Sportvereine daraufhin verstärkte Anstrengungen unternehmen, ihre Einnahmeseite zu verbessern, und dafür steuerlich belastet werden, dürfen wir auf der anderen Seite zukünftig nicht mehr leichtfertig auf Steuereinnahmen verzichten. Dass wir das nicht im nationalen Alleingang schaffen können, ist klar und kommt im vorliegenden Antrag zum Ausdruck. Einem anderen Alleingang mit für die Sportvereine gefährlichen steuerrechtlichen Tendenzen müssen wir rechtzeitig entgegentreten; lassen Sie mich das in diesem Zusammenhang ganz kurz erwähnen. Die EU-Kommission beabsichtigt offenbar, die Einnahmen aus von Sportvereinen betriebenen Fitnesszentren voll der Steuer zu unterwerfen. Überschüsse aus diesen Einnahmen dienen aber meistens der Finanzierung von weniger stark nachgefragten Sportarten, die für die Vielfalt des Angebots der Vereine von Bedeutung sind und ansonsten nicht angeboten werden könnten. Diese Betätigung der Vereine sollte deshalb keinesfalls als Kommerz eingestuft werden und nicht zu steuerrechtlichen Folgen zulasten der Vereine führen. Zurück zum Antrag und dem Thema Erlöse aus dem Verkauf von Sondermünzen; Kollege Reinhold Hemker hat das bereits angesprochen. Die Diskussion darüber im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 und die Verwendung für das kulturelle Rahmenprogramm hat Wellen geschlagen, weil es an der erforderlichen Transparenz gefehlt hat. Die Kommunikation zwischen dem Organisationskomitee und dem Sportausschuss ließ zu wünschen übrig, im Übrigen auch die Kommunikation zwischen Bundesregierung und Sportausschuss. Es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe, die offensichtlich durchgängig vom OK informiert wird. Diese Informationen kommen aber nicht im Sportausschuss an. Das hat unnötig Raum für Spekulationen geboten. Meine Damen und Herren, die großen Verdienste des Deutschen Fußballbundes, die Weltmeisterschaften in unser Land zu holen, sind unbestritten. Das gilt auch für das finanzielle Engagement des DFB. Gewiss haben auch viele persönliche Kontakte erheblich zum Bewerbungserfolg beigetragen. Wenn aber in Bezug auf die Organisation des kulturellen Rahmenprogramms und die hierfür zu verwendenden öffentlichen Mittel nach und nach Ungereimtheiten auftauchen, sind klärende Fragen aus der Mitte des Sportausschusses eine Selbstverständlichkeit. ({2}) Hier geht es weniger um Kontrolle als um Offenlegung und damit Transparenz von Beziehungsgeflechten. Heide Ecker-Rosendahl und Michael Groß verzichten morgen in München aus Befangenheit auf ihr Stimmrecht bei der Wahl der Olympia-Bewerberstadt. Das ist für die beiden Vertrauenssache. Neutralität bei der Abstimmung und Teilnahme schließen sich nach ihrem Selbstverständnis aus. Um Vertrauen geht es auch beim zukünftigen Zusammenwirken zwischen OK, Bundesregierung und Parlament. Deswegen müssen wir mehr miteinander reden, und zwar nicht inquisitorisch, Herr Rauen - Kontrolle und Inquisition wollen wir nicht -, aber offen. Wie es der Antrag der CDU/CSU vorsieht, sollen überschüssige Erlöse beim Sport verbleiben und im Einvernehmen mit dem Sportausschuss Verwendung finden. Dabei geht es nicht darum, ob wir das Geld bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe oder woanders unterbringen wollen. Das Geld soll beim Sport verbleiben. Das steht im Antrag und das kann man nur unterstützen. Das ist eine richtige Anregung für die weiteren Ausschussberatungen, auf die ich mich freue. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Winne Hermann.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über sportliche Großveranstaltungen, obwohl ich mir bei Ihrer Rede, Frau Kaupa, nicht ganz sicher war, ob das wirklich das Thema ist. ({0}) Eigentlich ist es das Thema des Antrages und wir diskutieren es im Vorfeld einer wichtigen Entscheidung, nämlich der Entscheidung über die deutsche Olympia-Bewerberstadt 2012. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, auch einmal zu sagen, dass die Art und Weise, wie in Deutschland die richtige Bewerberstadt gefunden wird, weltweit einmalig ist. Es gibt ein wirklich faires und transparentes Verfahren. Ich begrüße das für meine Fraktion außerordentlich. Wir freuen uns, wenn morgen die Entscheidung fällt, und hoffen, dass dann das ganze Haus unabhängig von regionalen Patriotismen für diese Bewerberstadt steht und kämpft, damit dann tatsächlich im Jahre 2012 die Olympischen Spiele nach Deutschland kommen. ({1}) Nun zur eigentlichen Frage des Antrages, der Förderung internationaler sportlicher Großveranstaltungen. Bei der Bearbeitung des Themas muss man ein Stück weit die Geschichte der Sportentwicklung der letzten Jahre und die Entwicklung von Sportgroßveranstaltungen kritisch beleuchten. Das war wohl auch in etwa das Ziel Ihres Antrages. Aus meiner Sicht ist festzustellen: In den letzten Jahren ist es immer häufiger dazu gekommen, dass die Veranstalter, also die internationalen Organisationen, qualitativ und quantitativ immer höhere Anforderungen an die Bewerber stellen. Die Pflichtenhefte werden immer dicker, in denen steht, was alles zu tun und auf jeden Fall sicherzustellen ist. Die Sicherheitsvorkehrungen sind angesichts internationaler Unsicherheiten und der Gefahr von terroristischen Anschlägen gewachsen. Bei Wettkampfstätten und bei der Zahl der Teilnehmer gibt es ständige Erweiterungen. Auch das führt letztendlich zu immer komplizierteren Verfahren. Schließlich wird inzwischen selbstverständlich - wie etwa bei der Fußballweltmeisterschaft - ein umfassendes kulturelles Begleitprogramm erwartet. Fazit: Es gibt eine Tendenz zum Gigantischen und das halte ich für durchaus problematisch. Das hat Auswirkungen für die Verbände, die sich für eine Bewerbung einsetzen wollen, es hat Auswirkungen für die Länder, die sich bewerben wollen, weil dadurch die Veranstaltungen immer teurer werden und sich deswegen nicht mehr alle Länder solche Veranstaltung leisten können. Gerade weil wir von diesen Auswirkungen wissen - übrigens vor allem auch auf die öffentliche Hand, weil die öffentliche Hand immer mehr investieren muss, damit ein Wettbewerb im Lande überhaupt erst möglich ist -, halte ich es schon für berechtigt, die ernsthafte Frage zu stellen: Ist es dann angemessen, den Sport, das heißt die Veranstalter steuerlich zu befreien? Schließlich werden im Sport auch üppige Geschäfte gemacht. Viele verdienen gut dabei. Ist es deswegen nicht nur fair, zu sagen, dass sich dann der Sport auch fair am Steueraufkommen beteiligen muss? Er profitiert natürlich auch von den steuerfinanzierten Infrastrukturmaßnahmen. ({2}) Es ist doch mehr als fair, bevor wir eine Entscheidung treffen, danach zu fragen, wie viel Steuereinnahmen verloren gehen, welche Gewinne es gibt und wie es in anderen Ländern aussieht. Wenn wir über die steuerlichen Rahmenbedingungen reden, sollten wir auch die Bewerbungsverfahren thematisieren; das ist von Ihnen schon kurz angesprochen worden. Die Vergabemodalitäten etwa für die Austragung von Olympischen Spielen haben in den letzten Jahren offenkundig gemacht, dass die Zustände skandalös sind. Das Vorgehen der Vertreter von Salt Lake City hat das Internationale Olympische Komitee in eine tiefe Krise gestürzt, weil erkennbar wurde, dass Teile des Komitees bestechlich waren. Bewerberstädte haben offensichtlich große Summen an Schmiergeldern eingesetzt, um siegreich zu sein. Das war skandalös. Ich bin froh, dass das IOC diesen Vorfall aufgearbeitet hat, ihn zum Anlass genommen hat, das Komitee zu demokratisieren und das Vergabeverfahren transparenter und die Regeln für die Entscheider schärfer zu machen. Es hat damit den Versuch unternommen, so etwas zukünftig zu verhindern. ({3}) - Wir reden doch über Großveranstaltungen und darüber, was die Voraussetzungen dafür sind, dass eine Veranstaltung an einem bestimmten Ort stattfindet. Dabei darf man sich nicht nur auf Steuerfragen konzentrieren. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie sich in Ihrem Antrag einseitig auf wenige Fragen konzentrieren, die meines Erachtens zwar wichtig sind, aber nicht die einzigen wichtigen Fragen sind. Wir müssen festhalten - das ist ein bedeutsamer Punkt -, dass sportliche Großveranstaltungen nicht per se gemeinnützig sind, sondern dass mit ihnen große Geschäfte zu machen sind. Sie sind durchaus großen Kulturveranstaltungen gleichzustellen, die auch nicht von vornherein als gemeinnützig eingestuft werden und steuerbefreit sind. Wichtig ist aber auch, festzustellen, dass es nicht vorkommen darf, dass im Sportbereich, der global organisiert ist, die Nationalstaaten gegeneinander ausgespielt werden, dass Steuerdumping betrieben wird und den Staaten gedroht wird, mit Veranstaltungen nur dorthin zu gehen, wo sie von der Steuer befreit werden. Die Nationalstaaten sind dann am Ende auch noch so blöd und lassen sich darauf ein. Ich finde, dass aufgrund der globalen Organisation des Sports eine internationale Absprache der Nationalstaaten erfolgen muss, die zu fairen Bedingungen führt und die dann alle Staaten bindet, damit kein Steuerdumping mehr stattfindet. ({4}) - Das stimmt; das ist der Punkt. Dieses Element finde ich übrigens auch in Ihrem Antrag, Herr Riegert. Sie haben vorhin gefragt, ob ich bei meiner Rede wie der SPDKollege herumeiern würde. Nein, ich eiere nicht herum. Aber Ihr Antrag eiert etwas: Auf der einen Seite liebäugeln Sie mit dem Gedanken der Steuerbefreiung. Auf der anderen Seite sagen Sie darin aus, dass das eigentlich international einheitlich geregelt sein müsste. Diesen zweiten Teil Ihres Antrags teile ich sehr wohl. Wenn man sich ansieht, welche internationalen Wettbewerbe in den letzten Jahren nicht nach Deutschland gekommen sind - ich nenne nur die Handballweltmeisterschaft oder die Leichtathletikweltmeisterschaft für 2005 -, dann muss man feststellen, dass offensichtlich andere Kriterien dazu geführt haben. Die Steuerbefreiung hat keine Rolle gespielt. Hier ist der Hinweis angebracht, dass Ihr Antrag in diesem Punkt in die falsche Richtung geht, zumindest aber das Problem nicht trifft. Sie haben in diesem Antrag - das muss ich anerkennen - Ihre Finanzwundertüten nicht in dem Ausmaß aufgemacht, wie Sie das in der letzten Periode des Öfteren gemacht haben. ({5}) Man hat wirklich das Gefühl, dass dieser Antrag mit den Finanzpolitikern Ihrer Fraktion abgesprochen worden ist. Sie sind sehr viel zurückhaltender als in öffentlichen Debatten früher. Merkwürdig ist allerdings - das muss ich Ihnen so wie der Kollege Hemker sagen -, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass es inzwischen eine Absprache der Ländersportminister gibt und einen Arbeitskreis, dessen Mitglieder sich verständigen wollen. Merkwürdig ist auch, dass Sie an dieser Stelle wieder so tun, als wäre die Bundesregierung für alles zuständig und verantwortlich. So ist es nicht. Die Steuerbefreiung, die für die Fußballweltmeisterschaft fraktionsübergreifend beschlossen worden ist, ist nicht vom Deutschen Bundestag oder der Bundesregierung beschlossen worden, sondern von dem kompetenten Gremium, das dafür zuständig ist, nämlich von der Länderfinanzministerkonferenz in Absprache mit dem Bundesfinanzminister. ({6}) - So war es. Was folgt daraus? Wenn Sie eine ehrliche Politik machen möchten, dann müssen Sie auf die Ebene des Bundesrates gehen und Ihre Mehrheiten entsprechend Ihrer Position sichern; denn sonst gibt es im Bundestag in dieser Frage nur Schauspiele und keine ehrlichen Debattenbeiträge. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und ziehe ein Fazit. Eine Debatte über das Pro und Kontra der Besteuerung von Großveranstaltungen ist keine Debatte über das Pro und Kontra von Großveranstaltungen. Die Frage muss vielmehr lauten, wie wir steuerlich mit Großveranstaltungen umgehen. ({7}) Großveranstaltungen im Bereich von Sport und Kultur, durch die große Umsätze gemacht und Gewinne erzielt werden, sollte man aus meiner Sicht nicht generell steuerfrei stellen. ({8}) Stattdessen plädiere ich sehr dafür, politisch, ökonomisch und steuerrechtlich zu überprüfen, ob im Einzelfall sinnvollerweise Ausnahmen zu machen sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, Sie wollten zum Schluss kommen.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. - Ich sage gleich dazu: Dieses Prinzip, dass fair miteinander umgegangen werden muss, soll natürlich auch für die kleinen Organisationen und Verbände und nicht nur für die großen und reichen gelten. Mein letztes Wort: Bei der Förderung von Großveranstaltungen geht es um mehr als nur um eine Steuerfrage. Wenn wir Großveranstaltungen nach Deutschland holen wollen, müssen wir zeigen, dass wir gastfreundlich und sportlich sind. Vielen Dank. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort für seine erste Rede im Deutschen Bundestag hat jetzt der Abgeordnete Bernd Heynemann. ({0})

Bernd Heynemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003555, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit einigen Wochen diskutieren wir über den Haushalt und damit auch über das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz, das gestern im Vermittlungsausschuss aufgrund unserer Einsprüche entschärft wurde. Vergünstigungen, besonders bei der Steuer, müssen durchaus auf den Prüfstand gestellt werden. Welche nachhaltigen Auswirkungen hat dies aber? Diese Frage ist zu stellen. Im Bereich des Sports und der Durchführung von sportlichen Großveranstaltungen gibt es hierzu Diskussionsbedarf. Wir als CDU/CSU-Fraktion haben mit unserem Antrag zur Förderung von internationalen Großveranstaltungen nicht nur wenige telegene Sportarten im Blick, sondern wollen das gesamte Spektrum der Sportarten betrachtet wissen. ({0}) Wir wollen, dass die wirtschaftlichen, regionalen, touristischen, imagebildenden und sportspezifischen Aspekte im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die Gleichbehandlung aller Sportarten beinhaltet auch ein Bekenntnis zur gesamten Palette des Sports, kurzum zur olympischen Idee und nicht nur zu Prestige und Kommerz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders bei internationalen Großereignissen gibt es eine - das ist ein neuer Begriff - Nachhaltigkeit der Sportstätten und der gesamten Infrastruktur. Denken wir dabei an München 1972. Eine ganze Region profitiert infrastrukturell noch heute von den Olympischen Spielen. ({1}) Diese Nachhaltigkeit wird auch von dem neuen IOCPräsidenten Jacques Rogge bei der Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 gefordert. Alle fünf deutschen Bewerber haben dementsprechende Konzepte vorgelegt. Wir sind gespannt, welche Entscheidung morgen getroffen wird. Deshalb muss der Staat auch bei seinen steuerlichen Entscheidungen langfristig denken und diese Events fördern. Es sollte dabei aber nicht nur um lukrative Ereignisse gehen, die natürlich auch eine politische Bedeutung haben und die für die eigenen Zwecke und Interessen genutzt werden, so wie Sie es jetzt mit der WM 2006 praktizieren. Der Spitzenbereich vieler Sportarten wird stark von kommerziellem Handeln geleitet und in den Medien fokussiert. Sportarten, die vor zehn Jahren noch als nicht medial und damit auch als nicht kommerzialisierbar eingestuft wurden, sind heute Quotenhits, zum Beispiel Bobfahren, Skispringen, Golf, Triathlon und andere Sportarten mehr. ({2}) Wenn ein Großereignis mit internationalen Dimensionen nach Deutschland kommt bzw. kommen könnte, so sollten die Verantwortlichen nicht zuerst nach den Kosten, sondern nach dem Nutzen fragen. Dieser ist nicht immer in Euro und Cent zu berechnen. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, deshalb fordere ich Sie auf: Suchen Sie sich nicht nur die Rosinen der Steuerförderung aus dem großen internationalen Sportkuchen heraus, sondern nehmen Sie das Stück, das Ihnen angeboten wird! Herr Hermann, nur so schaffen Sie ein Umfeld, in dem es auch internationalen Sportorganisationen eine Überlegung wert zu sein scheint, ob sie sich in Deutschland niederlassen werden. Wirtschaftspolitik - sprich: Ansiedlungspolitik - funktioniert nicht anders. Reden Sie also nicht nur darüber, wie es nicht geht, sondern reden Sie darüber, wie wir diese Aufgabe anpacken und lösen können! ({3}) Internationale Großveranstaltungen kommen natürlich nur nach Deutschland, wenn es hier auch einen gut funktionierenden Spitzensport in den verschiedensten Sportarten gibt. Ich sagte es bereits: Viele Sportarten sind stark kommerzialisiert; doch international können sie nur konkurrieren, wenn in ihnen wirtschaftlich gearbeitet werden kann. Nur dann ist die Teilnahme am internationalen Spielbetrieb möglich. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, hatten die Bundesregierung im Februar dieses Jahres gefragt, wie sie zum Beispiel die steuerliche Behandlung von VIP-Logen in großen Arenen regeln will. Die Antwort ist nicht befriedigend. Wird im Rahmen einer verdeckten Steuererhöhung die Abzugsfähigkeit gestrichen, so bedeutet das für viele Bundesligavereine in den unterschiedlichsten Sportarten hohe finanzielle Einbußen, die bis zur Einstellung des Spielbetriebes gehen können. ({4}) Die Vereine sind dringend auf eine positive Lösung angewiesen; denn damit steht irgendwann auch die Abzugsfähigkeit des gesamten Sportsponsorings auf dem Prüfstand. Diese Forderung haben wir auch in unserem Antrag formuliert, in dem wir die Bundesregierung auffordern, nicht nur internationale Großsportveranstaltungen gemäß ihrer Bedeutung gleichermaßen und angemessen zu fördern, sondern auch den nationalen Gestaltungsspielraum zu erweitern. ({5}) Es geht nicht um die Bevorzugung von Wirtschaftsunternehmen, die mit Sport viel Geld verdienen und umsetzen. Es geht ganz einfach um die Unterstützung von Bundesligavereinen, die zurzeit sechsmal mehr Steuern zahlen als noch vor zehn Jahren. Allein die Fußballbundesligavereine zahlen jährlich 600 Millionen Euro an Umsatz-, Gewerbe- und Lohnsteuer. Damit sind diese Bundesligavereine nicht nur für die gesamte Region, sondern auch für den Standort Deutschland ein wirtschaftlicher Faktor. ({6}) Dies sollte Rot-Grün berücksichtigen, bevor wieder Steuererhöhungen bzw. Reglementierungen festgelegt werden, Frau Freitag. Internationale Großveranstaltungen sind nur möglich, wenn wir auch über hervorragende Stadien verfügen. Zerstören Sie nicht durch ständiges Manipulieren der Steuergesetzgebung das Vertrauen der Vereine und deren Kalkulationsgrundlage. Mehr noch: Mit einer Besteuerung der Spitzenligen würden auch Finanzierungsmodelle für Neubauten, wie etwa die „Arena auf Schalke“, gefährdet. Und diese Arena ist nun wirklich mehr als ein Sporttempel. Schaffen Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, die Voraussetzungen dafür, dass sich der Spitzensport in Deutschland so stark entwickeln kann, dass über internationale Erfolge auch große internationale Events in Deutschland stattfinden können. Ansonsten bleibt ein fader Beigeschmack hängen, nämlich dass Sie die neue Zeit nicht begriffen haben und versuchen, private Initiativen durch staatliche Gängelei zu unterdrücken. Denken Sie immer daran: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit! ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede. ({0}) Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dieter Grasedieck.

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Heynemann, unsere Bundesregierung fördert den Spitzensport. Ich will hier nur einmal einige Zahlen nennen: 1998, als die CDU/CSU die Regierungsverantwortung hatte, wurden für den Spitzensport 221 Millionen Euro ausgegeben. Im Jahre 2001 waren es schon fast 100 Millionen Euro mehr. Unsere Bundesregierung hat insgesamt 317 Millionen Euro für den Spitzensport ausgegeben. ({0}) In den letzten Jahren sind große Events gestartet worden. Sie haben es doch verfolgen können. Wir unterstützen den Spitzensport und den Breitensport. Das ist für uns eine wichtige Aufgabe. In diesem Bereich ergreifen wir konkrete Maßnahmen. ({1}) Diese konkreten Maßnahmen vermisse ich in Ihrem Antrag. Man muss wirklich schon zwischen den Zeilen lesen, um in dem von Ihnen vorgelegten Antrag Ziele zu erkennen. Die CDU/CSU-Fraktion schreibt in ihrem Antrag vom Treffpunkt der Jugend und der Eliten. Die Wichtigkeit der Weltmeisterschaften und der Olympischen Spiele wird beschworen, die gleichzeitig die Menschen begeistern. Auch vom Verständnis für fremde Kulturen durch sportliche Großereignisse ist die Rede. Dies kann ich richtigerweise nur als Literatur und Sprechblasen bezeichnen. ({2}) In Ihrem Antrag haben Sie Selbstverständlichkeiten aufgeführt. Diese lesen sich einfach gut. Die erste Botschaft des CDU/CSU-Antrages ist meiner Meinung nach: Alles ist gut. - Ich war über Ihre Ehrlichkeit überrascht, weil die CDU/CSU-Fraktion nur selten so offen ist. ({3}) Die zweite Botschaft lautet: Großveranstaltungen sollten innerhalb Europas gleich gefördert werden. Darin sind wir einer Meinung. Das unterstützen wir auch. Aber Steuerfreiheit für ausländische Sportler darf es bei uns nicht geben. Nach dem Steuerrecht müssen deutsche und ausländische Sportler gleich behandelt werden. Dafür stehen wir und dafür werden wir uns auch einsetzen. ({4}) Die dritte mögliche Botschaft, die Sie mit Ihrem Antrag vermitteln, ist, dass Sie nicht uneingeschränkt für die Förderung der Fußballweltmeisterschaft 2006 eintreten. Man kann das so interpretieren, weil Sie in Ihrem Antrag kritisieren, dass der Breitensport dadurch benachteiligt wird. Sie haben offenbar die Entwicklung in den vergangenen sechs Jahren nicht exakt verfolgen können. Es sind durchaus Verbesserungen erfolgt. Die Bundesregierung hat den Breitensport steuerrechtlich begleitet und unterstützt. ({5}) Beispielsweise ist die Übungsleiterpauschale um 50 Prozent - von 1 200 Euro auf 1 836 Euro - angehoben worden. Auch die Erweiterung des Personenkreises war wichtig. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Bürokratieabbau, der in Ihrem Antrag zumindest interpretationsfähig ist. Wir bauen die Bürokratie ab. Nun können auch kleine Vereine Spendenbescheinigungen ausstellen. Das war für die kleinen Vereine ein wichtiger Schritt. ({6}) Aber auch größere Vereine profitieren. Wir haben den Körperschaftsteuersatz für Vereine von über 40 Prozent auf 25 Prozent gesenkt. ({7}) Innerhalb unserer Wahlkreise gibt es sehr viele kleine Vereine, die in der Regel gemeinnützig sind; das bedeutet, sie zahlen keine Steuern. Bei der Besteuerung der Zweckbetriebe, zum Beispiel bei größeren Vereinen, haben wir - Sie konnten das im Laufe der vergangenen Jahre verfolgen - Vereinfachungen vorgenommen: Für sportliche Aktivitäten wird ein Betrag von 30 678 Euro pro Jahr bemessen. Überschüsse und Verluste aus wirtschaftlichen Aktivitäten können verrechnet werden. Unsere Bundesregierung wird die Empfehlungen der Enquete-Kommission im Laufe dieser Legislaturperiode berücksichtigen. ({8}) In der Enquete-Kommission sind vor allem zwei Punkte behandelt worden, und zwar die Ausdehnung des Zeitraums zum Ausgleich von Verlusten und die Anpassung der Besteuerungsfreigrenze an die Inflationsrate. Auch das ist ein Faktor, der gerade für größere Vereine entscheidend ist. Unsere Bundesregierung fördert den Breitensport: So zahlen Sportler und Künstler seit dem 1. Januar 2002 weniger Steuern. Bei Zuwendungen bis 250 Euro zahlen Sportler keine Steuern. Bei höheren Zuwendungen ist die Besteuerung in Stufen von 10, 15 und 25 Prozent gestaffelt. Für den Breitensport spielt vor allem der Bereich von 250 bis 1 000 Euro eine Rolle. Das haben wir steuerlich unterstützt. ({9}) Ihr CDU-Freund, der baden-württembergische Finanzminister, sieht das ähnlich. Damit hat er auch Recht. Er hat in einem Brief ausgeführt: Die Besteuerung ausländischer Sportler muss vor allen Dingen auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit festgehalten werden, da ansonsten deutsche gegenüber ausländischen Sportlern ungerecht behandelt werden. Würde Deutschland Einkünfte der ausländischen Sportler nicht besteuern, käme dies allein dem Ausland zugute. Nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung müssten Ausländer in ihrem Heimatland dann die Steuern zahlen. Weitere Steuervergünstigungen können im Übrigen nicht auf Ausländer beschränkt werden. Deutsche Sportler dürfen nicht benachteiligt werden. Das kann man eigentlich nur unterstützen. Ähnliches hat der Hamburger Finanzminister in einem Brief ausgeführt. Er ergänzt den Brief des badenwürttembergischen Finanzministers, indem er schreibt: Es gibt keine steuerliche Benachteiligung zwischen großen und kleinen Vereinen. Das entspricht dem Ziel Ihres Antrags, wie ich ihn verstanden habe. Selbst Ihre CDU-Freunde sind von Ihnen nicht begeistert. Wir können uns dem nur anschließen. ({10})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Riegert das Wort.

Klaus Riegert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001847, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Grasedieck, weil mehrfach von Redlichkeit die Rede war, möchte ich zumindest auf einen Punkt hinweisen: Wenn Sie in Ihrer Darstellung die gesamten Sportfördermittel erwähnen, dann gehört es zur Redlichkeit, darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 für den Ausbau der Stadien in Leipzig und Berlin schon von Bundeskanzler Kohl in der Tat 200 Millionen DM versprochen wurden ({0}) und Ihre Regierung im Zusammenhang mit der Steuerreform im Juni 2000 für das Berliner Olympiastadion noch einmal circa 160 Millionen DM draufgelegt hat, so dass als Gesamtfördermittel für die Sondermaßnahmen im Zusammenhang mit der WM 2006 in Berlin und Leipzig 180 Millionen Euro ausgegeben werden. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, diesen Betrag von der von Ihnen genannten Gesamtzahl abzuziehen, dann werden Sie sehen, dass Sie, wenn Sie die Zahlen für 1998 und 2001 miteinander vergleichen, ins Minus rutschen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zur Erwiderung jetzt der Abgeordnete Grasedieck.

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Herr Riegert, wir begrüßen natürlich, dass Sie das damals unterstützt haben. Aber ich muss die betreffenden Zahlen nennen; sie sind interessant. Ich habe sie vorhin schon einmal genannt und will sie jetzt gern wiederholen - Sie können sich das ja notieren -: 1998 waren es nur 221 Millionen Euro und wir haben jetzt, im Jahre 2001, eben 100 Millionen Euro mehr. Das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied. Sie wissen doch, dass wir viele Events im Laufe dieser Zeit gefördert haben; dafür gab es ebenfalls Mittel. Man muss auch eines festhalten: 15 Großveranstaltungen befinden sich in der Gesamtplanung und auch das wird im Rahmen der Sportförderung und durch steuerliche Maßnahmen unterstützt. Hinsichtlich der steuerlichen Maßnahmen möchte ich nur kurz anfügen - ich habe die Übungsleiterpauschale vorhin erwähnt -: Sie haben es in 16 Jahren nicht geschafft, auch nur eine Änderung der Übungsleiterpauschale vorzunehmen. Von daher waren wir gezwungen, die Übungsleiterpauschale um 50 Prozent anzuheben. Das diente dem sehr wichtigen Ziel, den Breitensport zu fördern. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Abgeordnete Peter Rauen als letzter Redner in dieser Debatte das Wort.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorweg feststellen: Die Sportpolitiker, über alle Parteigrenzen hinweg, wollen das Beste für den deutschen Sport. ({0}) Über die Wege dorthin mögen wir uns manchmal streiten; aber die Absicht ist unstreitig. Wir reden ja heute über die steuerliche Behandlung von sportlichen Großveranstaltungen. Ich bedaure eigentlich sehr, dass kein Vertreter des Finanzministeriums bei dieser Debatte dabei ist. ({1}) Denn dieses Thema brennt uns in der Tat unter den Nägeln; ({2}) ich werde dies im Einzelnen ausführen. Es ist völlig unbestritten, dass sportliche Großveranstaltungen in erheblicher Weise zur wirtschaftlichen und strukturellen Entwicklung der jeweiligen Region beitragen. Der aktuelle Sportbericht der Bundesregierung - es ist der zehnte ({3}) kommt zu dem Ergebnis, dass selbst unter Zugrundelegung restriktiver Annahmen beachtliche gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtssteigerungen durch die Durchführung von Großveranstaltungen zu erwarten sind. Darüber hinaus wird festgestellt, dass allein durch die WM 2006 rund 3 850 zusätzliche Arbeitsplätze generiert werden. Im Bewusstsein dieser positiven wirtschaftlichen Wirkungen hat sich auch die Sportministerkonferenz, wie heute schon mehrfach ausgeführt, dieser Thematik angenommen. Auch sie kommt in diesem Zusammenhang zu dem gleichen Ergebnis und betont, dass es darum gehen müsse, angesichts starker internationaler Konkurrenz angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen und Standortnachteile in Deutschland, die etwa aus der deutschen Steuergesetzgebung resultieren, zu prüfen und, wenn notwendig, zu beseitigen. Der Deutsche Sportbund und seine Spitzenverbände haben immer wieder an das Finanzministerium die Klage herangetragen - das wissen wir aus dem Sportausschuss -, dass das deutsche Steuerrecht die Einwerbung internationaler Großveranstaltungen und die Ansiedlung der Geschäftsstellen internationaler Sportverbände erheblich beeinträchtigt. ({4}) Es kann nicht angehen, dass der Finanzminister daraufhin immer wieder lediglich auf zwei allgemeine Vorschriften des Einkommensteuergesetzes verweist, die zur Anwendung kommen können. Diese enthalten zudem noch Ermessens- und Billigkeitsgesichtspunkte. Mit so wenig präzisen Vorgaben ist ein erfolgreicher Wettbewerb mit anderen Standorten weltweit kaum möglich. Es besteht also akuter Handlungsbedarf auf der steuerlichen Ebene. ({5}) - Wir haben nichts davon, wenn wir uns die Dinge um die Ohren hauen; denn wenn ein Bedarf besteht, müssen wir objektiv darüber reden, wie wir zu Änderungen kommen können. Wir erleben gegenwärtig am Beispiel der Olympiade 2012 oder der Fußball-WM 2006 in Deutschland, welch ungeheuren Planungsvorlauf sportliche Großveranstaltungen haben. Morgen fällt die Entscheidung darüber, welche deutsche Stadt 2005 Deutschland international vertreten wird, um die Olympiade 2012 nach Deutschland zu holen. Wenn wir eine Chance haben wollen, müssen die Spitzenverbände der Sportjugend der Welt die Chance geben, zu zeigen, wie sportbegeistert Deutschland ist. Deshalb müssen sie diese Veranstaltungen einwerben und deshalb brauchen wir Klarheit darüber, unter Berücksichtigung welcher steuerlicher Gesichtspunkte dies geschehen kann. Ein deutscher Sportverband wird im Wettbewerb mit anderen Ländern kaum bestehen können, wenn er hinsichtlich der Besteuerung lediglich darauf verweisen kann, dass er darauf hofft, dass eine verträgliche Lösung gefunden wird. Es hilft einem veranstaltenden Verband nichts, wenn er darauf vertröstet wird, dass man nach Einwerbung einer Veranstaltung sicherlich eine steuerlich vertretbare Lösung finden wird. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Veranstalter mit konkreten steuerlichen Rahmenbedingungen in den Wettbewerb um den Austragungsort eintreten kann. Es muss nicht zuletzt dem Bundesfinanzminister unmittelbar einleuchten, dass er endlich vorab die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung von Großveranstaltungen im Sport klar machen muss. Die Besteuerungsgrundlagen sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Einwerbung und kein nebensächlicher Gesichtspunkt, den man nach der Einwerbung quasi nebenbei regeln kann. ({6}) Auf diesem Weg kommt es zunächst darauf an, zu verdeutlichen, welche Besteuerungsgrundlagen für solche Großveranstaltungen in anderen Ländern Europas und der übrigen Welt bestehen. Diese Daten müssen als Entscheidungsgrundlage vorliegen, um letztlich bewerten zu können, wie groß der Handlungsbedarf ist, der in Deutschland besteht. Ich habe zusammen mit Peter Danckert - auch er ist Mitglied im Sportausschuss - bereits vor Weihnachten Herrn Schily gebeten, vom Innenministerium feststellen zu lassen, wie die Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich wirklich sind. Das können die Sportverbände nicht ermitteln, sondern das müssen wir tun. Liebe Freunde, die wettbewerbsverzerrende Wirkung der deutschen Besteuerungspraxis bei Großveranstaltungen ist ja nicht an den Haaren herbeigezogen. Erst in der vergangenen Woche hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil, in dem es um die Gagen für die Drei Tenöre ging, festgestellt, dass die deutschen Umsatzsteuerregeln nicht mit europäischen Steuerprinzipien vereinbar sind. Der Gerichtshof hat sich dabei ausdrücklich auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität bezogen. Die EuGH-Richter haben betont, dass die EU-Mitgliedstaaten Steuerbefreiungen von bestimmten Bedingungen abhängig machen dürfen. Dieses und nichts anderes fordern wir in unserem Antrag für die sportlichen Großveranstaltungen. Wir brauchen klare Regelungen und Bedingungen für die Besteuerung, die von Anfang an bekannt sind. Nur diese schaffen letztlich Sicherheit und steuerliche Neutralität. Solche Regelungen gäben unseren Spitzenverbänden die Chance, die Sportjugend der Welt nach Deutschland zu holen, damit wir 2012 Austragungsort für die Olympiade werden können. Schönen Dank. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/544 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b so- wie die Zusatzpunkte 9 bis 11 auf: 15 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Joachim Stünker, Hermann Bachmaier, Sabine Bätzing, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Jerzy Montag, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck ({0}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze - Drucksache 15/813 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({1}) Innenausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Norbert Röttgen, Wolfgang Bosbach, Veronika Bellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU Verpflichtungen aus dem EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung zügig erfüllen - Drucksache 15/540 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({2}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Opferschutz bei Terrorakten im Ausland verbessern - Drucksache 15/34 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({3}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Joachim Stünker, Hermann Bachmaier, Sabine Bätzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Jerzy Montag, HansChristian Ströbele, Volker Beck ({4}), weiterer Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Opferentschädigung verbessern - Drucksache 15/808 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({5}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Siegfried Kauder ({6}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Opferentschädigung für deutsche Staatsangehörige, die bei vorübergehendem Aufenthalt im Ausland Opfer eines Gewaltverbrechens werden - Drucksache 15/802 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({7}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diese Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen.Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Bundesministerin Brigitte Zypries.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war nicht geplant, dass die heutige Beratung des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung mit dem ersten Jahrestag des Djerba-Attentats zusammenfällt. Aber es ist eine gute Gelegenheit, an all diejenigen zu erinnern, die - erstmals als deutsche Reisegruppe im Ausland - einem solchen Attentat zum Opfer fielen, schwer verwundet wurden und starben. Ich denke deshalb, dass die Beratungen heute, wie wir den Terror weiter bekämpfen, damit verbunden sein sollten, dass wir den zahlreichen Verletzten und den hinterbliebenen Angehörigen auch von dieser Stelle unser Mitgefühl ausdrücken. ({0}) Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt den internationalen Terrorismus mit Entschiedenheit und Härte. Der Generalbundesanwalt hat allein gegen Aktivisten des so genannten Islamterrors 60 Verfahren gegen 100 Beschuldigte eingeleitet. Davon stehen zehn im Zusammenhang mit der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta. Am 19. Februar dieses Jahres wurde al-Motassadeq wegen seiner Beteiligung an den Aktivitäten der Hamburger Terrorzelle schuldig gesprochen und zur Höchststrafe verurteilt. Ich weise deshalb ausdrücklich darauf hin, weil das weltweit die erste Verurteilung für die Beteiligung an den Terroranschlägen des 11. September 2001 ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am 10. März dieses Jahres vier Angeklagte wegen der Verabredung eines Sprengstoffanschlags auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg Ende 2002 zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Auch hier konnte durch frühes Eingreifen der Ermittlungsbehörden der Anschlag selbst noch verhindert werden. Lassen Sie mich deshalb die Gelegenheit nutzen, der Justiz für ihre nicht immer einfache Aufgabe recht herzlich zu danken und ihr die Anerkennung - ich nehme an, auch in Ihrem Namen - auszusprechen. ({1}) Der letzte Erfolg, den wir erzielen konnten, ist die Verabredung eines Rechtshilfeübereinkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika, auf das wir uns Ende letzter Woche verständigt haben - ein Übereinkommen, das seit 20 Jahren verhandelt wurde. Wir haben im letzten halben Jahr sehr gut zusammengearbeitet, auch mit der amerikanischen Botschaft und dem amerikanischen Botschafter, dem unser Dank gilt. Dieses Übereinkommen werden wir in Kürze in den USA unterzeichnen. Es stellt die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Deutschland und den USA auf eine weitere, eine sicherere Rechtsgrundlage. Nicht zuletzt ist dies auch Ausdruck der guten Beziehungen zwischen beiden Staaten. Sie sehen, Deutschland ist europaweit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vorn. Wir haben bereits ein hervorragendes Instrumentarium, um diesem Terrorismus zu begegnen, auch wenn es, sieht man sich die Sachen im Detail an, in einzelnen Punkten noch Nachbesserungsbedarf gibt. Genauso wie es wichtig ist, dass wir unsere innerstaatlichen Normen immer überprüfen, so wichtig ist es, dass wir die internationalen Initiativen der Staatengemeinschaft unterstützen und bei ihnen an hervorragender Stelle mitarbeiten. Denn der Terrorismus, der international agiert, kann natürlich auch nur international bekämpft werden. Wir haben deshalb zahlreiche internationale Rechtsakte auf europäischer Ebene gefördert, zum einen den Rahmenbeschluss Terrorismus, über den wir heute reden, den Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl, den Rahmenbeschluss über gemeinsame Ermittlungsgruppen und nicht zuletzt den Beschluss über die Errichtung von Eurojust. Im nationalen Bereich - daran erinnern Sie sich alle bestimmt noch - wurden die Sicherheitspakete I und II beschlossen. Hinzu kommt, dass am 30. August letzten Jahres § 129 b StGB in Kraft getreten ist. Damit haben wir ein weiteres, den Anforderungen der Praxis entsprechendes Instrument geschaffen, um den Bedrohungen des internationalen Terrorismus gerecht zu werden. Dieses Instrument wirkt: Seit dem 30. August 2002 hat der Generalbundesanwalt eine Reihe von Ermittlungsverfahren eingeleitet, die auf diese Norm gestützt sind. Im Einzelnen handelt es sich bislang um vier Strukturverfahren sowie sechs Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte. Diese richten sich, wie zum Beispiel im Fall der ETA, gegen terroristische Vereinigungen im europäischen, aber auch gegen Gruppen im außereuropäischen Ausland. Der Rahmenbeschluss, über den wir heute beraten, ist ein weiterer Baustein in der Sicherheitsarchitektur. Er ist heute verbindliches europäisches Recht und muss und wird deshalb so umgesetzt werden, dass der Rat bei der Überprüfung der Umsetzung in den Mitgliedstaaten zum 31. Dezember dieses Jahres keinen Grund hat, Klage zu erheben. Wir haben mit §§ 129, 129 a und 129 b des Strafgesetzbuches bereits ein weit gehendes Instrumentarium im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten. Natürlich berücksichtigen wir bei terroristischen Straftaten bereits nach dem geltenden Recht - dem Schuldprinzip unseres Strafrechts entsprechend - auch die subjektiven Ziele und Motive eines Täters. Gleichwohl gibt es Anpassungsbedarf. Er ist jedoch marginal. So ist der Straftatenkatalog des § 129 a - wenn man ihn mit dem Rahmenbeschluss vergleicht - noch nicht ganz vollständig. Auch bei unseren Strafrahmen gibt es Divergenzen, die darin begründet sind, dass die europäischen Staaten unterschiedliche Strafrechtssysteme haben. Der Antrag der Koalitionsfraktionen sieht deshalb vor allen Dingen eine Änderung des § 129 a StGB vor. Der Straftatenkatalog wird um die erforderlichen Delikte erweitert. Es ist dabei beabsichtigt, schwere Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit einer Person zu berücksichtigen. Dies entspricht auch einer der Forderungen der Opposition. Zugleich berücksichtigen wir die europäischen Vorgaben des Rahmenbeschlusses, nämlich die dort vorgesehene subjektive Seite wie „terroristische Absicht“ und „Schädigungseignung“. Diese Präzisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 129 a wird uns helfen, den Terrorismus über die Grenzen der europäischen Staaten hinweg auf vergleichbaren strafrechtlichen Grundlagen zu verfolgen. Unsere Strafrahmen sollen ebenfalls an die Erfordernisse des Rahmenbeschlusses angepasst werden. Für die Umsetzung in Deutschland heißt das: Es bleibt dabei, dass die Rädelsführer und Hintermänner einer terroristischen Vereinigung mit der höchstmöglichen zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren rechnen müssen. Die Gründer und Mitglieder einer terroristischen Vereinigung können nach wie vor mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft werden. Zu dem Werben für eine terroristische Vereinigung möchte ich klarstellen: Die Strafandrohung einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bleibt erhalten. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir irgendjemanden entkriminalisieren wollten. ({2}) Den Strafrahmen für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung werden wir auf bis zu zehn Jahre erhöhen. Das geht über den Rahmenbeschluss hinaus, der lediglich acht Jahre vorsieht. Es ist auch wichtig - ich habe eingangs darüber gesprochen -, den Blick auf die Opfer zu lenken. Auch hierzu liegt uns heute ein Antrag der Regierungsfraktionen vor. Deutschland hat mit dem bereits 1976 verabschiedeten Opferentschädigungsgesetz als eines der ersten europäischen Länder eine gesetzliche Grundlage für die Entschädigung von Opfern von Gewalttaten geschaffen. Wir haben dort, wo es notwendig war, wie beispielsweise bei dem Attentat von Djerba, schnell und unbürokratisch gehandelt. Bereits 14 Tage nach diesem Attentat war ein Hilfsfonds der Bundesregierung eingerichtet. Das Geld konnte sehr schnell ausgezahlt werden. Ich glaube, wir haben damit gezeigt, dass wir auch in solchen Situationen fähig sind, zu reagieren, was natürlich nicht heißen soll, dass wir nicht gemeinsam überlegen sollten, inwieweit wir die Opferentschädigung weiter verbessern können. Das wird unsere gemeinsame Aufgabe in der Beratung dieser Entschließung sein. Vielen Dank. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Ole Schröder, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Menschen in Deutschland und in der Europäischen Union haben Angst vor Terrorismus. Ist diese Sorge begründet? Tun wir in Deutschland alles Notwendige, um die Bevölkerung vor Terrorismus wirksam zu schützen? Führende Vertreter des Terrornetzwerks al-Qaida haben Deutschland als konkretes Zielland möglicher terroristischer Anschläge genannt. Laut Verfassungsschutzbericht gibt es in Deutschland etwa 60 000 ausländische Extremisten. Die Bedrohung geht aber nicht nur von ausländischen Extremisten aus, sondern auch von links- und rechtsextremen deutschen Gewalttätern. Es ist daher zu begrüßen, dass der EU-Ministerrat im Juni letzten Jahres aktiv geworden ist und rechtliche Standards zur Terrorismusbekämpfung in einem Rahmenbeschluss aufgestellt hat. Alle EU-Mitgliedstaaten haben diesen Beschluss umzusetzen, somit auch Deutschland. Terrorismus ist grenzüberschreitend. Die Täter leben in dem einen Land unbemerkt und verüben terroristische Taten in einem anderen Land. Umso unverständlicher ist das bisherige Verhalten der Bundesregierung. Sie haben bis letzte Woche keine Anstalten gemacht, den Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung umzusetzen, obwohl Sie ihn selbst mit beschlossen haben. Die Frist ist um über drei Monate überschritten. Nur dem Druck der CDU/CSUFraktion ist es zu verdanken, dass sich die Koalition zusammengerauft hat und nun ein Anfang gemacht wird. ({0}) Mit Rücksicht darauf haben wir letzte Woche darauf verzichtet, unseren Antrag zu diskutieren. Dennoch ist das schon bemerkenswert. Wir haben heute den 11. April 2003 und auf der ersten Seite Ihres Gesetzentwurfes steht: Der Rahmenbeschluss ist ... bis zum 31. Dezember 2002 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Aber, meine Damen und Herren, besser spät als gar nicht. ({1}) Ich freue mich, dass ich Ihnen heute nicht sagen muss, dass es zu spät ist. Inhaltlich sind Sie größtenteils unserem Antrag gefolgt und haben den Rahmenbeschluss der EU in einigen Teilen auch umgesetzt. Das begrüßen wir. Was sind die wesentlichen Punkte des Rahmenbeschlusses? Gefordert wird erstens die Ausweitung der Tatbestände, die unter den Begriff Terrorismus fallen, zweitens eine Erhöhung des Strafmaßes für Terrortaten. Der EU-Rahmenbeschluss sieht zu Recht vor, dass auch Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit als terroristische Straftaten eingestuft werden. Die Einschüchterung der Bevölkerung durch Misshandlungen jedweder Art muss als Terrorismus bestraft werden können. Es ist vollkommen unverständlich, warum Sie von Rot-Grün die Körperverletzung als Katalogtat nicht mit aufgenommen haben. Mein entscheidender Kritikpunkt ist aber, dass mit diesem Regierungsentwurf der Einzeltäter einer Terrortat nicht berücksichtigt wird. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. ({2}) Das deutsche Recht sieht keine qualifizierte Strafe explizit für terroristische Handlungen vor. Nur die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist als terroristische Tat unter Strafe gestellt. Der einzelne Antragstäter, der nicht Mitglied einer Vereinigung ist und eine solche auch nicht unterstützt, wird bei uns nicht als Terrorist bestraft. ({3}) Der Gesetzentwurf verweist auf die allgemeine Strafzumessungsnorm. Damit wird die ausdrückliche Forderung des EU-Rahmenbeschlusses in Art. 5 Abs. 2, dass terroristische Straftäter härter als sonstige Täter bestraft werden müssen, nicht umgesetzt. ({4}) Es kann doch nicht angehen, dass nicht organisierte Terroristen, die mit der Zielsetzung handeln, unsere Bevölkerung schwer einzuschüchtern, nicht unter den terroristischen Strafbestand fallen. An dieser Stelle muss nachgebessert werden. ({5}) Ein weiteres Ziel des EU-Rahmenbeschlusses ist eine härtere Bestrafung von Terroristen, zum einen, um das Abschreckungspotenzial zu erhöhen, zum anderen, damit die Terroristen länger weggesperrt sind und von ihren terroristischen Vereinigungen so lange wie möglich isoliert bleiben. Der EU-Rahmenbeschluss fordert eine Strafandrohung, die wirklich abschreckt. Eine Geldstrafe als Mindeststrafe ist weder eine angemessene noch eine abschreckende Strafe, wie es Art. 5 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses eigentlich fordert. ({6}) In Ihrem Gesetzentwurf ist dies aber die Mindeststrafe für die Verbreitung von Terror durch Drohungen. Der Gesetzentwurf greift also auch an diesem Punkt zu kurz. Meine Damen und Herren, trotz der Fortschritte, die wir mittlerweile erzielt haben, ist eine wirklich effektive Terrorismusbekämpfung mit dieser Regierungskoalition nicht möglich. Die grüne Fraktion erweist sich immer wieder als Bremse. Anstatt den Rahmenbeschluss schon im letzten Jahr umzusetzen, hat die grüne Fraktion dafür gesorgt, dass Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen in Deutschland straffrei bleibt. ({7}) Nicht nur gewaltbereiten Extremisten, sondern auch deren Sympathisanten müssen wir eine Politik der Nulltoleranz entgegensetzen. ({8}) Auf Druck unserer Fraktion ist die Bundesregierung endlich aktiv geworden. Das ist, so meine ich, ein gutes Zeichen für einen funktionierenden Parlamentarismus. Dennoch dürfen wir uns jetzt nicht bequem zurücklehnen. Es gibt bei der Terrorismusbekämpfung noch viel zu tun. Ich verweise unter anderem auf unseren Antrag vom letzten Dezember. Wir hoffen und erwarten, dass die Bundesregierung auf diesem Gebiet aktiv wird. Wir fordern sie auf, endlich alles für eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus zu tun. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Schröder, ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag, verbunden mit allen guten Wünschen für die weitere parlamentarische Arbeit. ({0}) Nun erteile ich dem Abgeordneten Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Schröder, auch von mir herzlichen Glückwunsch - zu Ihrer ersten Rede, nicht aber zum Inhalt! ({0}) Sie haben neun Monate Zeit gehabt, einen Gesetzentwurf zu entwerfen. ({1}) - Das machen Sie doch sonst gerne, um sich Ihre Zeit zu vertreiben. - Herausgekommen ist ein dünner und handwerklich schlechter Entschließungsantrag. Deswegen ist es ganz gut, dass Sie sich jetzt mit unserem Gesetzentwurf auseinander zu setzen haben. Wir werden auf Ihre Argumente gespannt sein. Die Europäische Union hat auf die Herausforderung des Terrorismus vom 11. September in vielfältiger Weise reagiert. Mit dem Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung vom 13. Juni 2002 identifiziert die Europäische Union den Terrorismus als eine ernste Bedrohung der Werte der Gemeinschaft und seiner Mitglieder. Diese Werte sind die Würde aller Menschen, Freiheit, Gleichheit und Solidarität, die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Damit beschreibt die Europäische Union - ich bin von der Richtigkeit dieser Beschreibung überzeugt - den Terrorismus als einen zentralen Angriff auf die Grundsätze und auf die Grundlagen unserer Gesellschaft. Dies alles ist richtig. Ebenfalls selbstverständlich und richtig ist aber auch, dass alle Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und ihres Staates gegen die Bedrohung durch den Terrorismus nur unter dem Vorbehalt stehen können, dass sie nicht selbst die Werte der Gemeinschaft aushöhlen, die es gegen die terroristische Herausforderung zu schützen gilt. ({2}) - Herr Kollege Ströbele, ich danke für diesen emphatischen Applaus. Der Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 fordert den nationalen Gesetzgeber auf, die Definitionen von terroristischen Straftaten und terroristischen Vereinigungen auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses anzugleichen und für eine Verfolgung und Bestrafung zu sorgen, die der Schwere dieser Taten entspricht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die Koalition genau diese Aufgabe erfüllt. ({3}) Ich will Ihnen kurz die Grundzüge der notwendigen Novellierung darstellen: Erstens. Die Straftatenkataloge des Rahmenbeschlusses und des § 129 a StGB sind angeglichen worden. Zweitens. Die Mindesthöchststrafen haben wir auch für Unterstützer erhöhen müssen und wir haben sie erhöht. ({4}) Drittens. Auch terroristische Vereinigungen, die mit der Begehung von Verbrechen drohen, werden unter Strafe gestellt. Viertens. Wir haben auch die europäische Definition einer terroristischen Vereinigung in den § 129 a StGB aufgenommen. ({5}) - Zu Ihrem Einwurf, Herr Kollege, komme ich gleich. Damit haben wir den Rahmenbeschluss nach Wort und Sinn in unser Strafrecht übernomen. Die Angleichung wurde also in vollem Umfang vollzogen. Ich will an dieser Stelle ganz kurz auf die Opferentschädigung zu sprechen kommen, die in dem Rahmenbeschluss auch erwähnt ist und zu der heute drei Anträge vorliegen. Diese Anträge sind fast deckungsgleich, sodass wir in der weiteren Beratung wohl zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen können. Auf einen Punkt aber will ich schon noch hinweisen, meine Damen und Herren von der Opposition: Wieder einmal haben Sie bei der Opferentschädigung diejenigen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes vergessen, die keinen deutschen Pass besitzen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht haben. ({6}) Obwohl das Opferentschädigungsgesetz so etwas auch für Ausländerinnen und Ausländer vorsieht, taucht das in Ihrem Antrag nicht auf; da werden Sie nachzubessern haben. ({7}) Ich darf noch einmal auf den Kernbereich des europäischen Rahmenbeschlusses und auf den Antrag eingehen, den Sie dem Hohen Haus dazu vorgelegt haben. Dieses Antrags hätte es nicht bedurft. Er ist handwerklich unzureichend ({8}) und ein ganz durchsichtiger Schaufensterantrag. Ich will Ihnen dies an drei Punkten auch aufzeigen: Den Unterschied zwischen einer terroristischen Vereinigung und einer terroristischen Straftat kennen Sie offensichtlich nicht. Sie meinen, dass ein Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren bei terroristischen Vereinigungen unzureichend ist. Aber genau dieser Rahmen ist im Rahmenbeschluss vorgesehen. Die von Ihnen geforderte besonders harte Bestrafung von Anführern ist im deutschen Recht genauso wie im Rahmenbeschluss bereits jetzt gewährleistet. ({9}) Am unerträglichsten ist Ihre gebetsmühlenhaft vorgetragene Philippika wegen der von uns vorgenommenen Einengung der Bestrafung des Werbens für eine terroristische Vereinigung. ({10}) Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Rahmenbeschluss über die Werbung überhaupt nichts sagt! ({11}) Wenn Sie rechtsstaatlich bleiben wollen, dann müssen Sie grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerungen von Straftaten abzugrenzen lernen. Es geht nicht - das lernt man an der Universität schon im ersten Semester -, dass man Meinungsäußerungen einfach zu Straftaten erklärt. ({12}) Billigung und Belohnung von Straftaten sind bei uns strafbar. Wir sind aber der Auffassung, dass politische Meinungsäußerungen, das Schwenken von Fahnen und das Zeigen von Bildern zur Meinungsäußerung gehört, auch dann, wenn die Meinung Ihnen und mir nicht passt. Aber das ist eben keine Straftat, die es mit dem Strafrecht zu verfolgen gilt. Deswegen wird es dabei bleiben, dass Werbung nur dann - rechtsstaatlich eingegrenzt - ein Straftatbestand ist, wenn es eine Werbung um Mitglieder ist. Das haben wir so verändert; das wird auch so bleiben. ({13}) Ich komme zum Schluss: Statt solche Schaufensteranträge zu stellen, wie Sie sie uns letzte Woche vorgelegt haben, wäre es besser, Sie würden sich jetzt mit uns an die Sacharbeit machen. ({14}) Der Gesetzentwurf ist da; er muss im Rechtsausschuss diskutiert werden. Da hoffen wir auf sachliche Vorschläge von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition. Danke schön. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat der Kollege Rainer Funke, FDP-Fraktion.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der internationale Terrorismus stellt auch Europa vor neue Herausforderungen. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass Terrorismus nur dann wirksam bekämpft werden kann, wenn die Bekämpfung länderübergreifend und in enger Abstimmung mit unseren Nachbarn geschieht. ({0}) Seit Jahren arbeiten wir an einer gemeinsamen europäischen Innen- und Rechtspolitik. Bisher sind wir leider nur mit kleinen Schritten vorangekommen. Umso erfreulicher ist es, dass sich nunmehr im EU-Reformkonvent eine klare Mehrheit für zusätzliche Zuständigkeiten der EU und wirksamere Entscheidungsverfahren abzeichnet. Hier ist auch Deutschland als großer europäischer Partner in besonderer Weise gefordert, Anstrengungen zu unternehmen, damit die Europäische Union bei der Harmonisierung der Kriminalitätsbekämpfung weiter vorankommt. ({1}) Ich hoffe, dass die Bundesregierung schon recht bald konkrete Schritte aufzeigt und uns in diese Richtung gehende Vorschläge macht. Der Antrag der Union und der Gesetzentwurf der Koalition weisen daher zu Recht auf den EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung hin. Deutschland muss sich mit der Aufforderung, die der Europäische Rat an die EU-Mitgliedstaaten richtet, ernsthaft auseinander setzen. Dabei muss man dann aber auch ehrlich anerkennen, dass der deutsche Gesetzgeber in den vergangenen Jahren im Bereich der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung gerade im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen nicht untätig geblieben ist. ({2}) Ich erinnere nur an die Sicherheitspakete I und II und die Änderung der § § 129, 129 a, 129 b StGB im vergangenen Jahr. Dass die Koalition immer wieder für Überraschungen gut ist, zeigt sich nun an dem Gesetzentwurf, ({3}) den wir heute in erster Lesung beraten und der uns sehr kurzfristig zugegangen ist. Er sieht Änderungen im § 129 a StGB sowie in der StPO und im Gerichtsverfassungsgesetz vor. Die Änderungsvorschläge für das Strafrecht überraschen deshalb, weil die Koalition bisher jeden Vorschlag der Opposition zur Änderung des Strafrechts mit dem Argument abgelehnt hat, man wolle bis zur großen Reform des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches warten. ({4}) Ich erinnere hier nur an unsere Initiative zum Schutz der Intimsphäre. Nun scheint es auch unabhängig von der Gesamtreform möglich zu sein, vorab Detailfragen zu regeln. Ich würde mich freuen, wenn diese Wendung dazu führen würde, dass man sich nun auch dem einen oder anderen konstruktiven Vorschlag der Opposition gegenüber etwas aufgeschlossener zeigen würde. ({5}) Ich glaube, der Rechtspolitik in diesem Bundestag würde das überhaupt nicht schaden, eher würden wir dadurch wieder mehr zusammenfinden. Ich kündige wenigstens für meine Fraktion an, dass wir uns an der parlamentarischen Beratung zu diesen strafrechtlichen Fragen konstruktiv beteiligen werden, wie Sie das von uns gewohnt sind. Sehr enttäuschend ist allerdings der Antrag der Koalition zur Opferentschädigung. Bereits im vergangenen Jahr hat die FDP-Bundestagsfraktion im Rahmen der Beratungen zur Änderung von § 129 b StGB einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes vorzunehmen, damit Opfer von Straftaten im Ausland entschädigt werden können. Die Regierung hatte damals eine Prüfung zugesagt. Das ist jetzt immerhin ein Jahr her. ({6}) Passiert ist nichts. Wir haben daher zu Beginn der Wahlperiode unseren Antrag erneut eingebracht. Er ist heute Gegenstand der Beratungen. Jetzt legen die Koalitionsfraktionen ebenfalls einen Antrag vor, der aber lediglich einen Prüfauftrag an die Bundesregierung enthält. ({7}) Ich denke, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen arbeiten eng zusammen, da brauchen sie doch nicht extra Prüfungsaufträge! Das ist geradezu lächerlich. ({8}) So schwierig kann eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes doch wirklich nicht sein. ({9}) Die Untätigkeit von Rot-Grün auf diesem Gebiet ist - das muss ich auch Ihnen, Herr Ströbele, sagen - wirklich beschämend. ({10}) Daran wird deutlich, wie wichtig Ihnen der Opferschutz tatsächlich ist. Ein Jahr bräuchten Sie eigentlich nicht. Der Justizhaushalt 2003 enthält immerhin 9 Millionen Euro für einen Entschädigungsfonds für die Opfer terroristischer Gewalttaten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, ich komme zum Ende. - Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Es reicht aber bei weitem nicht aus. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Siegfried Kauder, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kauder wäre auch dreimal gut! ({0}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Hinterbliebenen der Opfer von Djerba gilt unser Mitgefühl. Frau Justizministerin, das Mitgefühl ist auch deshalb angebracht, weil diesen Hinterbliebenen der Hinterbliebenenanwalt auf Staatskosten noch immer vorenthalten wird - eine Lücke im Opferschutzgesetz, die ebenfalls zu schließen ist. ({1}) Das Mitgefühl gilt nicht nur diesen Hinterbliebenen, sondern allen Opfern von Straftaten. Wo Lücken auftauchen, müssen sie geschlossen werden. Eine Lücke, die nicht Sie von Rot-Grün angesprochen haben, sondern die wir in einem Entschließungsantrag aufgedeckt haben, besteht im Opferentschädigungsrecht. Eine deutsche Frau, die in Italien Opfer einer Straftat wird, bekommt keine staatliche Opferentschädigung, eine italienische Frau, die in Deutschland Opfer einer Straftat wird, bekommt eine Entschädigung. Das ist schlicht und ergreifend eine Gerechtigkeitslücke. ({2}) Diese Gerechtigkeitslücke kann man, Herr Kollege Montag, auf recht einfache Art und Weise schließen. ({3}) Zuerst mussten wir von der CDU/CSU mit Unterstützung der FDP Rot-Grün zum Jagen tragen. Kaum sind Sie dabei, entwickeln Sie sich zum opferschützenden Bedenkenträger. Ich weiß noch immer nicht, was Sie wollen. Wollen Sie eine Ergänzung des Opferentschädigungsgesetzes, wie wir es vorschlagen, oder wollen Sie irgendeine nebulöse Lösung mit einem Opferfonds, wie wir ihn haben, zur Entschädigung der Opfer terroristischer Gewalt? Da müssen Sie schon Farbe bekennen. Wir sagen es ganz klar: Wir wollen eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes derart, dass deutsche Touristen im Ausland einen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung bekommen. ({4}) Nun meinten Sie, Herr Kollege Montag - Herr Ströbele, möglicherweise auch Sie -, dass wir die ausländischen Mitbürger vergessen hätten. Wer das Opferentschädigungsgesetz nicht kennt, für den ist es in der Tat schwierig, diesen Punkt zu beurteilen. Wer es aber kennt, weiß, dass die Verweisungsvorschriften in § 1 Abs. 4 bis Abs. 7 den ausländischen Mitbürgern automatisch die gleichen Rechte wie den deutschen einräumen. ({5}) Siegfried Kauder ({6}) Deswegen brauchen sie in unserem Antrag nicht besonders erwähnt zu werden. Aber, meine Damen und Herren von Rot-Grün, eine Frage werden Sie uns beantworten müssen. Wollen Sie sozusagen das Faß für alle Ausländer, die sich in Deutschland aufhalten, ganz aufmachen oder wollen Sie eine Einschränkung? ({7}) Ihrem Antrag entnehme ich, dass Sie für die Ausländer eine Einschränkung wollen, die sich mindestens drei Jahre in Deutschland aufhalten. Darüber kann man reden. Aber Sie müssen Farbe bekennen und sich entscheiden, was Sie wollen. Wir lassen uns von Ihnen nicht die Butter vom Brot nehmen. Frau Justizministerin, es war das zweite Mal - auch diesmal werden wir es Ihnen nicht durchgehen lassen -, dass Sie einen Entschließungsantrag von RotGrün erwähnen, aber einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der zeitlich vor dem anderen Antrag eingebracht wurde, unterschlagen. ({8}) Ich kann mich an den 10. Oktober 1999 erinnern, als ein Regierungsvertreter auf dem Opferforum des Weißen Ringes auf einen Einwand von mir erklärt hat, das Opferentschädigungsgesetz werde nicht geöffnet, man werde am Territorialitätsprinzip festhalten. Seit 1999 laufe ich dieser Änderung des Opferentschädigungsgesetzes nach. Deswegen freue ich mich sehr, dass sich die Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion meinem Anliegen angeschlossen haben. ({9}) Ich danke Herrn Kollegen Funke, dass er darauf hingewiesen hat, dass es die Bundesregierung in einem Jahr Prüfung nicht geschafft hat, einen Vorschlag zur Gesetzesänderung vorzulegen. Nachdem wir jetzt feststellen können, dass es nur noch marginale Unterschiede in den Auffassungen gibt, wie das Opferentschädigungsgesetz angepaßt werden soll, werden wir Ihnen auf die Sprünge helfen. Wir werden morgen einen voll ausformulierten Gesetzentwurf zur Beratung stellen. ({10}) Ich bin gespannt, ob wir zu einer Einigung in den Ausschüssen kommen. Ich kann es mir sehr wohl vorstellen. Vielen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Joachim Stünker, SPDFraktion.

Joachim Stünker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 11. Oktober 2001 haben wir erstmals nach den schrecklichen Ereignissen vom 11. September mit über 3 000 Toten in New York in diesem Hohen Hause über die notwendigen innenpolitischen Folgerungen aus dieser neuen Form des Terrorismus debattiert. Ich habe damals hier gesagt: Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit, nach Schutz vor Kriminalität und vor Terrorismus ist ein hohes Gut. Wir als Gesetzgeber haben uns dieser Aufgabe mit großem Ernst und mit sehr viel Verantwortung zu widmen. ({0}) Ich habe hinzugefügt: Der Gesetzgeber hat bei dieser Aufgabe das Normen- und Wertesystem unseres Grundgesetzes nicht nur zu beachten, sondern auch strikt einzuhalten. Wenn wir heute nach eineinhalb Jahren Bilanz ziehen, dann darf ich feststellen - ich bin sehr froh darüber, das feststellen zu können -, dass wir gemeinsam als Gesetzgeber diese Aufgabe der Gewährleistung der höchstmöglichen inneren Sicherheit bei Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte des Einzelnen gut gemeistert haben. Ich bedanke mich daher für die gute Zusammenarbeit in diesem Bereich. ({1}) Die Bedenken der Öffentlichkeit sind in Teilbereichen sehr groß gewesen. Diejenigen, die dabei waren, wissen, welche Diskussionen wir zum Teil führen mussten. Durch eine Fülle von zügig auf den Weg gebrachten gesetzgeberischen Maßnahmen belegt Deutschland - das können wir heute feststellen; darauf ist dankenswerterweise bereits hingewiesen worden - einen Spitzenplatz bei der Terrorismusbekämpfung in Europa. Lassen Sie mich daher noch kurz einige der Maßnahmen Revue passieren. Man sollte sich nach dieser ganzen Zeit wieder einmal vor Augen führen, was alles wir auf den Weg gebracht haben. Das erste Antiterrorpaket ist bereits im Herbst des Jahres 2001 beschlossen worden. Wir haben zunächst über die Finanzierung der Terrorbekämpfung beraten und dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben dann zügig die notwendige Änderung des Vereinsrechts mit der Abschaffung des Religionsprivilegs vorgenommen. Seither können Vereine verboten werden, wenn sie die Religionsausübung als Deckmantel für extremistische Ziele missbrauchen. Davon wird Gebrauch gemacht. Das führt zu Erfolgen. Neu eingeführt im Strafgesetzbuch haben wir § 129 b. Seither können terroristische Aktivitäten im Ausland auch im Inland strafrechtlich verfolgt werden. Die §§ 129 und 129 a StGB gelten auch für terroristische Vereinigungen im Ausland. Auch das zweite Antiterrorpaket stammt von Winter 2001. Es handelt sich um das so genannte Schily-II-Paket. In einer zweiten Stufe haben wir die zahlreichen Sicherheitsgesetze an die Bedrohungslage angepasst. Damit wurden die Voraussetzungen für eine bessere Verknüpfung des Daten- und Informationsaustausches zwischen den Diensten geschaffen. Die Frau Justizministerin hat vorhin zu Recht auf die Fahndungserfolge hingewiesen, die dadurch eingetreten sind. Das alles sollten wir hier nicht aus parteipolitischen Motiven kleinreden. ({2}) Wir sind dann die Bekämpfung dessen, wie sich der Terrorismus finanziert, angegangen. Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz haben wir Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche geschaffen, die zum Zwecke der Finanzierung des Terrorismus eingesetzt worden ist. In Deutschland sind mittlerweile eine Vielzahl von Konten gesperrt worden, deren Inhaber dem terroristischen Umfeld zuzurechnen sind. Viele Millionen Euro sind seit dem Jahre 2001 vor diesem Hintergrund eingefroren worden. Ich denke, dass der Rechtsstaat hier interdisziplinär zwischen den einzelnen Ministerien gehandelt und deutlich gemacht hat, dass er in der Lage ist, auf diese Herausforderungen angemessen - ich betone: angemessen zu reagieren. Ich meine, von daher können wir heute eine eindrucksvolle Bilanz vorlegen. ({3}) Durch die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 bauen wir nun unseren Spitzenplatz bei der Terrorismusbekämpfung in Europa weiter aus. Das sollten wir nicht bemäkeln, Herr Kollege Schröder. Der Rahmenbeschluss dient nämlich dazu, die strafrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Terrorismusbekämpfung weiter anzugleichen. Der Rahmenbeschluss ist Teil eines umfassenden Vorgehens der Europäischen Union gegen den Terrorismus. Er ergänzt die bereits bestehenden internationalen strafrechtlichen Rechtsinstrumente. Darauf wurde bereits hingewiesen; ich möchte es nicht wiederholen. Als wir darangingen, diesen Rahmenbeschluss umzusetzen, haben wir festgestellt, dass das meiste bereits im deutschen Strafrecht pönalisiert ist ({4}) und es bei der Angleichung von Strafrahmen in der Tat wirklich nur um ganz marginale Teilbereiche geht, was auch etwas mit den unterschiedlichen Rechtssystemen in Europa zu tun hat. Das wird hier nachgeholt. Zudem werden eine Reihe von neuen Tatbeständen aufgenommen. Herr Kollege Schröder, ich habe nicht ganz verstanden - das muss ich ganz ehrlich sagen; es mag aber an mir gelegen haben; ich bitte um Nachsicht -, wo Sie in dem von Ihnen angesprochenen Beispiel eine strafrechtliche Lücke sehen. Ich bin gerne bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich bin der Meinung, dass da keine Lücke besteht. Wir werden uns darüber austauschen. ({5}) Aber wenn es eine geben sollte, haben wir mit Sicherheit kein Problem, uns mit Ihnen darüber auseinander zu setzen und zu einem guten Ergebnis zu kommen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass dieser Rahmenbeschluss erstmalig auf europäischer Ebene eine gemeinsame Definition für terroristische Straftaten und terroristische Zielsetzungen beinhaltet. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt; denn darüber haben wir vor eineinhalb Jahren lange gestritten. Wir wussten nicht so richtig, wie wir zu einem Ausgleich kommen können. Wir haben nun die Definition zur Vereinheitlichung des europäischen Rechtssystems in innerstaatliches Recht übernommen und in den neuen Tatbestand hineingeschrieben. Von daher, Herr Kollege Schröder, glaube ich, dass die Strafbarkeitslücke, die Sie angesprochen haben, nicht vorhanden ist. Meine Damen und Herren, ich habe in meinen Ausführungen ganz bewusst auf jegliche Polemik verzichtet, ({6}) obwohl sicherlich einige Äußerungen und Zwischenrufe von der rechten Seite des Hauses dazu möglicherweise Veranlassung gegeben hätten. ({7}) Die Menschen in unserem Land verlangen von uns, dass wir gemeinsam - ich betone: gemeinsam - politische Antworten auf die terroristische Bedrohung geben. Nur mit gemeinsamen Antworten sind wir den Menschen in unserem Land gegenüber glaubwürdig. Wir sollten uns daher nicht gegenseitig den Willen zur gemeinsamen wirksamen Bekämpfung des Terrorismus absprechen, denn damit werden wir keine Sicherheit für die Bevölkerung schaffen können. Schönen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Wolfgang Zeitlmann, CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren über die Umsetzung eines von der EU vorgegebenen Rahmenbeschlusses seitens der Bundesrepublik. Ich habe in der Debatte genau aufgepasst. Herr Kollege Stünker, ich finde es ehrenwert, dass Sie bereit sind, dann, wenn es Strafbarkeitslücken gibt, über deren Schließung zu diskutieren. Ich will festhalten: Der Kollege Dr. Schröder hat eine Lücke - ich glaube, es ist in der Tat eine Lücke - aufgezeigt, nämlich dass der Einzeltäter wie zum Beispiel der Anthrax-Täter, der allein handelt, keine terroristische Straftat im Sinne der bestehenden Strafbestimmungen begeht. ({0}) Wenn ich ihn richtig verstanden habe, gibt es noch eine zweite Lücke, nämlich dass nur der Tatbestand der qualifizierten Körperverletzung gemäß § 226 StGB mit in den Straftatenkatalog aufgenommen wurde. ({1}) Ich sage ganz deutlich: Sie haben sicherlich einen Großteil der aus dem Rahmenbeschluss erwachsenden Verpflichtungen erfüllt. Dennoch sind Lücken vorhanden und darum geht es. Es geht auch um etwas, was der Kollege Montag angeschnitten hat, nämlich dass er kein Gesinnungsstrafrecht will. ({2}) Dazu muss ich allerdings sagen: Hier muss man deutliche Fragezeichen machen. ({3}) - Nein, ich will es nicht. ({4}) In diesem Land wird das Zeigen von Fahnen im rechtsradikalen Bereich - so etwa bei Nazis und Ähnlichen - aus guten Gründen bestraft. ({5}) Angesichts dessen können Sie sich hier, wenn es um Terrorismus geht, doch nicht einfach auf dem linken Auge blind stellen. Nach unserer Auffassung muss das Werben für terroristische Organisationen auch dann strafbar sein, wenn man keine Mitgliederwerbung vorwerfen kann. ({6}) Es ist doch utopisch, zu sagen, es sei lediglich Ausdruck einer Gesinnung, wenn jemand mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „I love al-Qaida“ herumläuft, sein Handeln aber strafbar sein soll, sobald er sagt: Werde Mitglied bei al-Qaida. - Das Herumlaufen mit einem solchen T-Shirt wird nach meiner Meinung von dem Großteil der Bevölkerung nicht als bloßer Ausdruck einer Gesinnung, sondern als strafwürdiger Beginn einer Straftat gesehen. Ich verstehe, dass sich die Grünen schwer tun. In den Drucksachen des Deutschen Bundestages habe ich Belege dafür gefunden, dass Sie noch vor drei Jahren im März 2000 - Herr Ströbele ist ganz groß aufgeführt - alle miteinander die Abschaffung des § 129 a Strafgesetzbuch gefordert haben. ({7}) Angesichts eines solchen Werdeganges braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass es schwer fällt, die vom EU-Rahmenbeschluss gesetzten Fristen einzuhalten. Ich habe mich immer gefragt, was die Koalition eigentlich daran hindert, hier endlich zu Stuhl zu kommen und diesen Rahmenbeschluss auszufüllen. Der Kollege Ströbele hat darüber hinaus in einer Presseerklärung kundgetan, dass das neue Gesetz nach seiner Erwartung weniger Ermittlungen nach dem Terrorismusparagraphen zur Folge haben wird. ({8}) Er formuliert: So fallen beispielsweise Aktionen der Antiatombewegung wie das Blockieren und Beschädigen von Bahngleisen künftig nicht mehr unter den pauschalen Terrorismusparagraphen. Ich kann mich in einen Grünen hineindenken ({9}) und kann verstehen, dass er Probleme mit der Terrorismusbekämpfung hat, insbesondere wenn es um so diffizile Fragen wie Werbung für terroristische Vereinigungen geht. Ich freue mich über die Zusage des Kollegen Stünker, dass wir in den noch folgenden Ausschussberatungen - wir haben heute die erste Lesung - über offene Fragen diskutieren können. Das muss der Sinn einer parlamentarischen Beratung sein. Ich halte es für bedenklich, dass Sie bei der Umsetzung eines so wichtigen Gesetzes drei Monate überziehen. Man kann allerdings sagen: Es ist ja nichts passiert. - Ich kann außerdem nicht verstehen, warum Sie so apodiktisch sagen, sie wollten sich nur an den Rahmen halten. Der Rahmen gibt doch nur eine Mindestregelung vor. Sie könnten an einigen Stellen mit guten Gründen über den Rahmen hinausgehen. ({10}) - Aber sehr dürftig. - Ich bitte Sie, alles dafür zu tun, damit wir zu einer vernünftigen Regelung für die Justiz kommen. Wir alle hoffen, dass wir bei der Bekämpfung des Terrorismus erfolgreich sind. Ich schließe mich - das sage ich ausdrücklich - dem Dank an die Justiz und den Generalbundesanwalt für das bisherige Handeln an. Wir haben allen Grund, zufrieden zu sein. Zufrieden sind wir von der Union aber mit dem, was Sie heute vorgelegt haben, nicht ganz. Es gibt noch Handlungsbedarf. Wenn Sie die Grünen besser in den Griff bekommen könnten, könnten wir uns vielleicht leichter einigen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/813, 15/540, 15/34, 15/808 und 15/802 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich stelle fest, dass Sie damit einverstanden sind. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Hans-Michael Goldmann, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte auf sechs Monate ausweiten - Drucksachen 15/368, 15/834 Berichterstattung: Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die FDP fünf Minuten Redezeit erhalten soll. - Auch dazu besteht Einverständnis. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Kollege Ernst Burgbacher für die FDP-Fraktion.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt schon seltsame Situationen im Parlament. Wir wissen, dass dem Antrag, den wir vorgelegt haben, eine große Mehrheit der Abgeordneten auch aus dem Regierungslager gerne zustimmen würde, aber sie tut es nicht. Das ist das Problem. Rot-Grün redet immer nur, aber wenn es ans Handeln geht, ist das Ende der Fahnenstange erreicht. ({0}) Ich zitiere aus der Beschlussempfehlung. Da heißt es: Einig war sich der Ausschuss darüber, dass ausländische Saisonarbeitskräfte besonders in Spitzenzeiten einen wertvollen Beitrag in der Wirtschaft leisten. Das spricht doch eigentlich für sich. ({1}) Es gab eine lange Diskussion über das Zuwanderungsgesetz. Deswegen wissen wir, dass wir in Deutschland ausländische Arbeitskräfte brauchen, und zwar sowohl hoch qualifizierte Arbeitnehmer als auch solche, die einfache Tätigkeiten ausführen. Die FDP will natürlich auch in der Frage der Zuwanderung weiterkommen und hat hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir müssen aber bedauern, dass alles blockiert wird und sich nichts nach vorne bewegt. Mit dem heutigen Antrag könnten wir etwas vorwärts bringen, was allerdings mit dem Zuwanderungsgesetz nichts zu tun hat; das will ich gleich zu Beginn unmissverständlich sagen, weil ich die Argumente schon kenne, die nachher kommen werden. Wir wollen - das ist das Ziel des FDP-Antrages -, dass ausländische Saisonarbeitskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Obst- und Gemüseverarbeitung, in der Land- und Forstwirtschaft sowie in Sägewerken nicht nur drei Monate wie bisher arbeiten dürfen, sondern dass sie sechs Monate bleiben können. ({2}) Gerade in vielen Gegenden von Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist das von großer Bedeutung. ({3}) - Natürlich auch in Niedersachsen, lieber Kollege. Viele von Ihnen, auch von Rot-Grün, wissen aus dem eigenen Wahlkreis ganz genau, dass das wichtig ist. Viele von Ihnen würden dem Antrag deshalb zustimmen. Sie haben, wie wir auch, Briefe vom Deutschen Bauernverband und von vielen Industrie- und Handelskammern bekommen, in denen Sie aufgefordert werden, dem FDPAntrag zuzustimmen. Leider wird das, wenn ich die Ergebnisse der Ausschussberatungen sehe, nicht der Fall sein. ({4}) Ich freue mich, dass sich die Union überwinden konnte, wenigstens dem ersten Punkt unseres Antrags zuzustimmen. Im zweiten Punkt werden wir keine Einigkeit erreichen; aber auch bei uns liegt das Gewicht eher auf dem ersten Punkt. ({5}) Lassen Sie mich nun zu zwei Punkten kommen, weil ich denke, dass Sie auf diese eingehen werden. Als Erstes geht es um das Hartz-Konzept. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Hartz-Konzept ändert an dieser Problematik überhaupt nichts. ({6}) Wenn Sie mit den Betroffenen vor Ort sprechen, dann wissen Sie, dass sie für die jetzt beginnende Spargelernte und für die Tourismussaison keine Arbeitskräfte finden. Hier sollten Sie nicht mit Scheinargumenten wie dem des Hartz-Konzeptes kommen. ({7}) Beim zweiten Punkt geht es um das Zuwanderungsgesetz. Frau Kollegin, der von uns gestellte Antrag hat mit dem Zuwanderungsgesetz direkt nichts zu tun; denn die Saisonarbeit wird im Zuwanderungsgesetz nicht geregelt. ({8}) Wir wissen allerdings, dass die Regierung plant - das wurde in den Ausschüssen gesagt -, nach dem In-KraftTreten des Zuwanderungsgesetzes bei der einen Regelung von drei auf vier Monate und bei der anderen Regelung von sechs auf sieben Monate zu gehen. Deshalb sage ich Ihnen: Machen Sie heute Nägel mit Köpfen! ({9}) Stimmen Sie unserem Antrag zu! Dadurch hätten Sie etwas für die Menschen getan, die händeringend Arbeitskräfte suchen, und Sie hätten ein Zeichen gesetzt, durch das deutlich wird, dass wir hier weiterkommen. ({10}) Meine Damen und Herren, von diesem Parlament müssen Zeichen ausgehen, die zeigen, dass wir bereit sind, auf Anforderungen zu reagieren, und dass wir nicht nur Beschlüsse fassen, die die Branche weiter beuteln. Heute Vormittag wurde hier das im Vermittlungsausschuss ermittelte Ergebnis mit einer breiten Mehrheit allein gegen die Stimmen der FDP beschlossen. Jetzt wird so getan, als handele es sich um eine vernachlässigbare steuerliche Belastung, die nur die Großkonzerne treffen würde. Das stimmt einfach nicht. Das heute Morgen auch mit den Stimmen der Union Beschlossene bedeutet eine gewaltige zusätzliche Belastung aller GmbHs, also auch der kleinen und nicht nur der großen. ({11}) Deshalb appelliere ich an Sie: Springen Sie jetzt über Ihren Schatten und tun Sie das, was Sie gerne tun würden! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Sie würden dadurch einiges bewirken, sodass es in den genannten Branchen in der kommenden Saison aufwärts geht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es sich noch einmal überlegen würden, und es würde mich freuen, wenn wir zu einer breiten Mehrheit kämen. Herzlichen Dank. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner, SPD-Fraktion. ({0})

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der FDP zur Ausweitung der Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte ist zunächst das Ergebnis einer wichtigen strukturellen Diskussion über die Zuwanderung, die wir seit längerer Zeit führen und deren Ergebnis ein Zuwanderungsgesetz sein wird. In der Tat eröffnen unsere heutigen gesetzlichen Regelungen kaum Möglichkeiten zur Steuerung der Zuwanderung. Deshalb können wir in vielen Fällen weder den staatlichen Erfordernissen noch den Forderungen aus der Wirtschaft Rechnung tragen. Dass das Zuwanderungsgesetz bis heute nicht zustande gekommen ist, ist sicherlich weniger die Schuld der Freien Demokraten. Einzig die CDU/CSU will die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Wie bei vielen Reformen ist aber auch hier das Gesamtkonzept entscheidend. Daher kann es nicht sein, dass sich die FDP einzelne Problemkreise wie die ausländischen Saisonarbeitskräfte herauspickt. ({0}) Aus meiner Sicht ist dies für die Lösung der Zuwanderungsfrage kontraproduktiv. Wenn auch wir dies täten, würden wir nämlich für eine bestimmte Gruppe eine sehr weit reichende Öffnung der gesetzlichen Regelungen schaffen. Wohlgemerkt: Es müsste auch hinterfragt werden, ob diese Öffnung den Bedürfnissen unseres Landes und der Wirtschaft wirklich entspricht. Schauen wir uns den Vorschlag der FDP genauer an. Zunächst einmal komme ich zur rechtlichen Situation, die sich bei näherer Betrachtung als komplizierter erweist, als sich die FDP-Fraktion das bei der Formulierung ihres Antrages möglicherweise gedacht hat. Die Annahme, man könne eine Öffnung bei gleichzeitiger Umgehung des Bundesrates erreichen, ist nämlich irrig. Eine Änderung der Anwerbestoppausnahmeverordnung reicht nicht aus. Nach dem Ausländergesetz darf Ausländern der Aufenthalt für eine längere als dreimonatige Beschäftigung nur dann erlaubt werden, soweit dies durch eine Rechtsverordnung geregelt ist. Deshalb müsste nicht nur die Anwerbestoppausnahmeverordnung, sondern auch die Arbeitsaufenthalteverordnung ergänzt werden. ({1}) Eine solche Änderung bedarf genau wie das Zuwanderungsgesetz selbst der Zustimmung des Bundesrates. Daher bleiben wir dabei: Eine Änderung der Situation für Saisonarbeitskräfte muss mit einer vernünftigen Neuregelung der Migration insgesamt gestaltet werden: mit dem Zuwanderungsgesetz. ({2}) Ein weiteres rechtliches Problem aus dem Vorschlag der Verlängerung der Arbeitserlaubnis auf sechs Monate erwächst im Bereich des Arbeitslosengeldes. Möglicherweise ist dieser Umstand von der FDP nicht bedacht worden. Auf der Beschäftigungsseite erwachsen bei einer Beschäftigung von sechs Monaten pro Jahr Ansprüche auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Diese zeitliche Grenze ist deshalb immer als absolute Obergrenze für ausländische Saisonarbeitskräfte angesehen worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Krüger-Leißner, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen. Ich wende mich an die gerade in den Saal kommenden Kollegen: Wir reden über die Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte. Es wäre schön, wenn sich die am Rednerpult befindliche Kollegin bei der Behandlung des Punktes Gehör verschaffen könnte. Das gilt besonders für die eigene Fraktion. ({0})

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident! ({0}) - Sie haben nicht zugehört. Versuchen Sie es jetzt noch einmal. ({1}) Unabhängig von diesen rechtlichen Fragen, die aus meiner Sicht in Ihrem Antrag nicht geklärt sind, und unabhängig von der Regelung zur Zuwanderung muss man sich die Frage stellen: Ist der Antrag der FDP-Fraktion an sich überhaupt sinnvoll? ({2}) Sie wissen: Wir haben im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz in Aussicht gestellt - Herr Burgbacher hat darauf hingewiesen -, die maximale Beschäftigungsdauer auf vier Monate auszuweiten. Die Begrenzung für Betriebe soll aus unserer Sicht von sieben auf acht Monate erhöht werden. Sie hingegen schlagen sechs Monate für Beschäftigte und eine generelle Aufhebung der Regelung für Betriebe vor. Dazu sage ich ganz klar: Unsere Regelung halte ich für die deutlich bessere und sinnvollere. ({3}) Ich will Ihnen das begründen, indem ich der Frage nachgehe: Wem nutzt Ihr Regelungsvorschlag? Ich denke, er nutzt natürlich zunächst den ausländischen Saisonarbeitern; das ist klar. Diese könnten doppelt so lange in Deutschland bleiben und Geld verdienen. Auf der Seite der Betriebe sieht die Sache aber etwas anders aus. Die in der Verordnung genannten landwirtschaftlichen Betriebe profitieren kaum von der Regelung; denn sobald Saisonarbeitskräfte mehr als 50 Tage beschäftigt sind, sind sie sozialversicherungspflichtig. Damit kommen auf die Arbeitgeber erhebliche zusätzliche Kosten zu. Die meisten Betriebe wollen diese nicht tragen und stellen daher eher neue Arbeitskräfte ein. Anders sieht es allerdings im Hotel- und Gaststättengewerbe aus. Hier sind die Arbeitgeber oft an einer längeren Beschäftigungszeit interessiert. Das hängt auch mit der Einarbeitungszeit zusammen. In der Tat ist die bisherige Regelung einigermaßen problematisch. Bei einer angenommenen Saison von maximal sieben Monaten und einer Höchstarbeitsdauer von drei Monaten für die Beschäftigten benötigt ein Betrieb, um die Höchstdauer in Anspruch zu nehmen, drei Saisonarbeitskräfte. Daher ist unser Vorschlag begründet, die Aufenthaltsdauer der Saisonarbeitskräfte auf vier Monate und die Beschäftigungsdauer bei den Betrieben auf acht Monate zu verlängern. Die Betriebe kämen so in einer verlängerten Saison mit zwei Arbeitskräften aus, die zudem längere Zeit zur Verfügung stünden. Ich gebe zu: Der Vorschlag der FDP geht darüber hinaus. Das hätte für einige Betriebe Vorteile. ({4}) Aber an diesem Punkt muss man doch stutzig werden, meine Damen und Herren von der FDP. ({5}) Sie müssen uns vor allen Dingen erklären, in welcher Branche eine Saison ein ganzes Jahr dauert. Mir ist keine bekannt. ({6}) In diesem Zusammenhang erinnere ich noch einmal daran: Es geht hier um eine Regelung für Saisonarbeitskräfte. Würden wir dem Vorschlag der FDP folgen, würden wir diesen Umstand ad absurdum führen. Landwirtschaftliche und gastronomische Betriebe hätten dann das ganze Jahr über die Möglichkeit, befristet ausländische Saisonkräfte einzustellen. Eine solche Regelung, wie Sie sie vorgeschlagen haben, wird weder den Erfordernissen des Arbeitsmarktes noch denen der Wirtschaft gerecht. Schon deswegen muss eine Neuregelung in ein Zuwanderungsgesetz eingebettet sein. ({7}) Ich möchte noch auf einen besonderen Umstand aufmerksam machen: Dem Antrag der FDP widersprechend erscheint mir die Tatsache, dass wir bei einer so ausgedehnten Neuregelung die notwendigen Arbeitsmöglichkeiten für Inländer nicht ausreichend im Auge behalten. Gerade im Rahmen der Hartz-Gesetzgebung und angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt ergeben sich aus meiner Sicht neue Arbeitsmöglichkeiten für Inländer, auch und gerade in diesen Bereichen. ({8}) Die Anwendung der Zeitarbeit und die Möglichkeiten der Minijobs führen dazu, dass die betroffenen Arbeitsmöglichkeiten auch für Inländer wachsende Bedeutung bekommen. ({9}) Wollen Sie einem Arbeitsuchenden, dem wir zugesagt haben, wir wollen ihn fördern und fordern, erklären: Wir haben zwar neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, aber wir können Ihnen keine entsprechenden Stellen - schon gar nicht in der Gastronomie - anbieten, weil alle von ausländischen Kräften besetzt sind? ({10}) Wenn es nach Ihnen geht, dann arbeiten ausländische Kräfte das ganze Jahr über in Deutschland, und zwar ohne die Kosten, die der Erhalt der deutschen Sozialsysteme verursacht, mit zu finanzieren. ({11}) Ich weiß, dass Sie darauf entgegnen werden, der Markt reguliere alles. Aber wir sind diejenigen, die die Rahmenbedingungen für die Neuordnung des Arbeitsmarktes schaffen müssen. Die neuen Rahmenbedingungen dienen dem Ziel, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Die aktuellen Zahlen verdeutlichen, wie notwendig eine Regelung ist, die die Einstellung inländischer Kräfte stärker im Blick behält. Im Jahr 2001 gab es im Gastgewerbe noch 60 000 offene Stellen. Im Jahr 2002 sind 20 000 Jobs weggefallen. Es gibt einen Bereich, auf den sich dieser Trend nicht ausgewirkt hat, und zwar die Saisonkräfte. Die Zahl der Saisonkräfte ist zwischen 2000 und 2002 um über 30 Prozent gestiegen. Im Gastgewerbe war der Anstieg mit mehr als 50 Prozent sogar noch höher. Dies ist eine Entwicklung, die sicherlich niemand von uns befürwortet. Es zeigt sich vor allen Dingen eines: Wir brauchen dringend ein Gesetz, das die Zuwanderung vernünftig und umfassend regelt. ({12}) Unser Land muss die Möglichkeit bekommen, auf konjunkturelle Schwankungen und die Erfordernisse der Wirtschaft schnell zu reagieren. Wir sind, wie bereits ausgeführt wurde, bereit, die Anwerbestoppausnahmeverordnung dahin gehend zu ändern, dass sowohl den Belangen und Forderungen der Betriebe als auch den Ansprüchen der inländischen Arbeitnehmer Rechnung getragen wird. Mit dem Antrag der FDP ist dies nicht möglich. Aber ich denke, dass wir uns einigen können. Wir haben den Vorschlag gemacht, die Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonkräfte im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz neu zu regeln. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie sind in vielen Parlamenten vertreten, in denen Sie mit in der Verantwortung sind. ({13}) Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und wirken Sie darauf hin, dass wir ein umfassendes neues Zuwanderungsgesetz bekommen, das auch diese Regelung beinhaltet! ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun erteile ich dem Kollegen Dr. Hermann Kues von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde es kurz machen. ({0}) Frau Kollegin, Sie haben sehr gezielt gesprochen, aber - das betone ich ausdrücklich - sehr gezielt am Thema vorbei. ({1}) Denn die Situation stellt sich doch so dar - wir kennen die Schreiben der Spargelbauern, der Erdbeerplantagenbesitzer und des Hotel- und Gaststättengewerbes -, dass die Betriebe für die beginnende Saison - wenn die Sonne weiter scheint, wird die Spargelernte tatsächlich beginnen - zum Beispiel für die Spargelernte nicht die Arbeitskräfte finden, die sie benötigen. Dafür brauchen wir eine Regelung. Das ist der Kern und deswegen stimmen wir auch dem ersten Teil des FDP-Antrages zu, in dem es um eine Verlängerung auf sechs Monate geht. Denn das bedeutet weniger Bürokratie und ist eine unmittelbare Hilfe für die betroffenen Betriebe. ({2}) Ich will eines ganz deutlich sagen: Sie versuchen immer, einen Zusammenhang zwischen der Frage der Saisonarbeitskräfte und der Zuwanderung herzustellen. Dazu sage ich: Dieses hat absolut nichts miteinander zu tun. ({3}): Fehleinschätzung!) Dass wir nicht die von Ihnen angestrebte Zuwanderungsregelung haben, ist für unseren Arbeitsmarkt ein Segen. ({4}) Sie haben ja mit Ihrer damals noch bestehenden Bundesratsmehrheit versucht, in verfassungswidriger Weise ein Gesetz durchzusetzen. ({5}) Setzen Sie sich einmal mit den Zahlen des Arbeitsmarktes auseinander! Etwa 10 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte sind bei uns als Saisonarbeitnehmer oder als Werksarbeitskräfte tätig. Sie wissen genauso gut wie ich, dass gerade im Niedriglohnbereich die Arbeitslosigkeit ausländischer Arbeitsnehmer überdurchschnittlich hoch ist. Das heißt, Zuwanderung würde dieses Problem überhaupt nicht lösen. ({6}) Vielmehr haben wir es mit einem Strukturproblem auf dem Arbeitsmarkt zu tun, das Sie kaum einem Außenstehenden verdeutlichen können. Auch dank Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik gehen wir auf eine Zahl von 5 Millionen Arbeitslosen zu; gleichzeitig finden wir für bestimmte Tätigkeiten niemanden, der sie übernehmen will. Da stimmt etwas nicht; deswegen müssen wir uns mit dem Strukturproblem beschäftigen. ({7}) - Sie haben bislang in dieser Frage nichts verändert. Ich sage ausdrücklich, dass ich mir schon einiges von der neuen 400-Euro-Regelung verspreche und von der Gleitzone zwischen 400 und 800 Euro Monatseinkommen mit ihrer Entlastung bei den Beiträgen. Das müssen wir abwarten; man wird sehen, inwieweit diese Regelung greift. Sie sollten eines nicht vergessen: Die 400-Euro-Regelung haben wir gegen Ihren Widerstand im Bundesrat Gott sei Dank durchsetzen können. ({8}) Das bisschen Freiheit auf dem Arbeitsmarkt, das es dadurch gibt, konnte dadurch zustande kommen, dass wir mittlerweile eine vernünftige Bundesratsmehrheit haben. ({9}) Langer Rede kurzer Sinn: Wir unterstützen den ersten Teil des FDP-Antrages; dabei geht es um die Verlängerung der Frist auf sechs Monate. Mit dem zweiten Teil haben auch wir unsere Probleme; da geht es um den Wegfall der Befristung auf sieben Monate bei der Saisonarbeit. Das ganze Jahr über kann keine Saison sein. Wir meinen schon, dass man in dieser Hinsicht differenzieren muss. Wir brauchen Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Daran sollten wir arbeiten. Wenn wir das tun, bekommen wir insgesamt bessere Lösungen hin. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Rechtzeitig zur nahenden Spargelsaison winkt die FDP mit einem Antrag in Richtung der Bauern. Aber wenn Sie so kurz springen und eine haarsträubende Widersprüchlichkeit in Sachen Zuwanderung demonstrieren, dann drohen Sie als Spargeltarzan zu enden. ({0}) Anstatt endlich eine moderne Zuwanderungsregelung zu ermöglichen - da reden wir keineswegs am Thema vorbei, sondern treffen den Kern -, halten Sie sich damit auf, Ausnahmeregelungen für Saisonarbeitskräfte zu fordern. Geben Sie endlich - ich schaue dabei auf die rechte Seite des Hauses - Ihre Blockade auf und lassen Sie uns ein modernes Zuwanderungsrecht schaffen, ({1}) das es der deutschen Wirtschaft ermöglicht, ausländische Arbeitskräfte zu beschäftigen, wenn sie gefragt sind. Sie wissen doch auch, dass immer noch und auch in Zukunft im IT-Bereich, im Ingenieurwesen und in einigen bestimmten Teilarbeitsmärkten händeringend Fachkräfte gesucht werden. ({2}) Fachkräfte werden gesucht und Sie halten sich damit auf, Ausnahmeregelungen für Hilfskräfte in Land- und Forstwirtschaft um ein paar Monate zu verlängern. Ihre Manöver sind nicht wirtschaftsfreundlich, sie sind einfach überflüssig. ({3}) Auf der einen Seite greift Ihr Antrag zu kurz, weil er sich nur an der geltenden, aber dringend überholungsbedürftigen Rechtslage orientiert. Ich sage noch einmal: Die Saisonarbeitnehmerfrage muss im Zusammenhang mit Regelungen für die Zulassung von Fachkräften und ausländischen Arbeitnehmern insgesamt geklärt werden. ({4}) - Das haben wir in dem Gesetzentwurf, der sich in der parlamentarischen Beratung befindet, vorgesehen. ({5}) Bei der fehlenden Verfügbarkeit inländischer Bewerber besteht die Möglichkeit, den Zuzug von Kräften auch ohne zeitliche Begrenzung zuzulassen. ({6}) Auf der anderen Seite geht Ihr unausgegorener Vorschlag zu weit, weil er die bewusst saisonbezogene und damit kurzzeitige Beschäftigung von ausländischen Kräften zu einer dauerhaften Beschäftigung ausdehnen will. Damit konterkariert er - das ist ein wichtiger Punkt, den ich betonen will - die gerade von uns beschlossenen Regelungen, die auf dem Hartz-Konzept beruhen. Sie, Herr Burgbacher, haben gesagt, das Hartz-Konzept sei nicht sinnvoll und die 400-Euro-Jobs richteten nichts aus. Woher wollen Sie heute schon die Wirkung des Hartz-Konzeptes kennen? Lassen Sie uns doch erst einmal abwarten, ({7}) welchen Effekt diese Regelungen im Hotel- und Gaststättengewerbe haben werden. ({8}) Gerade im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes haben wir die Voraussetzungen erheblich verbessert, um verstärkt inländische Aushilfen für niedriger entlohnte Beschäftigungen zu gewinnen. Die Kollegin Krüger-Leißner hat bereits darauf hingewiesen, dass Änderungen der Anwerbestoppausnahmeverordnung und der Arbeitsaufenthalteverordnung ebenso wie das Zuwanderungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Sollen wir uns also im Nebenzimmer der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz noch zu weiteren Vermittlungsgesprächen treffen? Ich weiß nicht, ob Ihre Fraktion nichts zu tun oder zuviel Personal hat, um solche Manöver durchzuhalten, meine lieben Kollegen von der FDP. ({9}) Es bleibt im Gesamtkonzept zu lösen, wie die Zuwanderung speziell aus mittel- und osteuropäischen Staaten geregelt werden kann. Hier sollten Sie sich bewegen, anstatt sich auf nebensächliche Scheindebatten zu spezialisieren. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte auf sechs Monate ausweiten“. Zu diesem Antrag liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache 15/834 vor. Es ist vereinbart, dass über den Antrag abgestimmt wird, wobei auf Wunsch der Fraktion der CDU/CSU die Abstimmung getrennt über die Ziffern 1 und 2 erfolgt. Wir stimmen daher zunächst über die Ziffer 1 des Antrags auf der Drucksache 15/368 ab. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Ziffer 1 dieses Antrags ist abgelehnt. Wer stimmt für Ziffer 2 des Antrags auf Drucksache 15/368? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Ziffer 2 des Antrags ist abgelehnt. Damit ist der Antrag insgesamt abgelehnt. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen haben fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung ihres Antrags auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Erste Zivildienständerungsgesetz zu erweitern und diesen Antrag jetzt als Zusatzpunkt 15 aufzurufen. - Ich stelle dazu Einverständnis fest. Dann ist so beschlossen. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 15 auf: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Erste Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes ({0}) - Drucksache 15/853 Es wäre schön, wenn der eine oder andere sich vor der Abstimmung vergewissern würde, worüber wir abstimmen und in welcher Weise diese Abstimmung durchgeführt wird. Der Präsident des Bundesrates hat soeben schriftlich mitgeteilt, dass der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung beschlossen hat, gegen das Erste Zivildienständerungsgesetz Einspruch einzulegen. ({1}) Es liegt ein Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates vor. ({2}) - Der zweite Beifall war ebenso absehbar wie der erste. ({3}) Bevor wir zur Abstimmung über den Antrag kommen, darf ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstimmungsverfahren bitten. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Einspruches des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich. Das sind mindestens 302 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen für die Abstimmung außer Ihren Stimmkarten auch Ihren Stimmausweis in der Farbe Vizepräsident Dr. Norbert Lammert gelb. Den Stimmausweis können Sie, soweit noch nicht geschehen, dem Stimmkartenfach entnehmen. ({4}) Bitte achten Sie darauf, dass Stimmkarte und Stimmausweis Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die dafür vorgesehenen Boxen werfen, übergeben Sie bitte den Stimmausweis einem der Schriftführer. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von den Kolleginnen und Kollegen in die dafür vorgesehenen Boxen geworfen werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis abgegeben haben. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 15/853. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das scheint bereits der Fall zu sein. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich sehe niemanden, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat. Ich schließe nun die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich darf schon jetzt denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die die Bekanntgabe des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung nicht abwarten können oder wollen, für die bevorstehende Osterpause ein paar ruhige, erholsame und besinnliche Tage wünschen. Kommen Sie vor allen Dingen gut gelaunt wieder. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Erste Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes bekannt. Abgegebene Stimmausweise 527, ({0}) abgegebene Stimmen 529. Mit Ja haben gestimmt 304, ({1}) mit Nein haben gestimmt 225. ({2}) Der Antrag ist mit der - durch das Grundgesetz für die Zurückweisung des Einspruchs vorgegebenen - erforderlichen Mehrheit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 529; davon ja: 304 nein: 225 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({3}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({4}) Klaus Barthel ({5}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({6}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({7}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({8}) Marion Caspers-Merk Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({9}) Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({10}) Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({11}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({12}) Anke Hartnagel Nina Haver Hubertus Heil Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({13}) Walter Hoffmann ({14}) Iris Hoffmann ({15}) Frank Hofmann ({16}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({17}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({18}) Christian Müller ({19}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({20}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinrich Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({21}) Michael Roth ({22}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({23}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({24}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Otto Schily Horst Schmidbauer ({25}) Ulla Schmidt ({26}) Silvia Schmidt ({27}) Dagmar Schmidt ({28}) Wilhelm Schmidt ({29}) Heinz Schmitt ({30}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gisela Schröter Brigitte Schulte ({31}) Reinhard Schultz ({32}) Swen Schulz ({33}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({34}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis ({35}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({36}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({37}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({38}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({39}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({40}) Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({41}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({42}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Albert Deß Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Anke Eymer ({43}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({44}) Axel E. Fischer ({45}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({46}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Holger-Heinrich Haibach Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Joachim Hörster Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Steffen Kampeter Siegfried Kauder ({47}) Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler Norbert Königshofen Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Werner Kuhn ({48}) Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Walter Link ({49}) Dr. Klaus W. Lippold ({50}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({51}) Stephan Mayer ({52}) Conny Mayer ({53}) Dr. Martin Mayer ({54}) Wolfgang Meckelburg Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({55}) Doris Meyer ({56}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({57}) Bernward Müller ({58}) Henry Nitzsche Michaela Noll Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({59}) Katherina Reiche Hannelore Roedel Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({60}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({61}) Hartmut Schauerte Norbert Schindler Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({62}) Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({63}) Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({64}) Gerald Weiß ({65}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Elke Wülfing Wolfgang Zöller Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({66}) Volker Beck ({67}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({68}) Katrin-Dagmar GöringEckardt Anja Hajduk Antje Hermenau Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({69}) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({70}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({71}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({72}) Werner Schulz ({73}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({74}) FDP Angelika Brunkhorst Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich ({75}) Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({76}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Christel Happach-Kasan Christoph Georg Hartmann ({77}) Klaus Haupt Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sibylle Laurischk Ina Lenke Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Eberhard Otto ({78}) Gisela Piltz Dr. Günter Rexrodt Marita Sehn Dr. Rainer Stinner Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Nein Fraktionslose Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU Lintner, Eduard CDU/CSU Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. ({79}) Dem Kollegen Tauss, dem die guten Wünsche zur Osterpause offensichtlich so gut gefallen haben, dass er sie wiederholt haben möchte, empfehle ich einen Blick in das Protokoll dieser Sitzung. ({80}) Die Sitzung ist geschlossen.