Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, dass die SPD-Fraktion noch nicht anwesend ist. Ich habe keine Nachricht.
({0})
Da es um das Ergebnis des Vermittlungsausschusses,
also eine einvernehmliche Sache geht, unterbreche ich
die Sitzung im Interesse dieser Einvernehmlichkeit für
fünf Minuten.
({1})
({2})
Ich stelle fest, dass wir die fünf Minuten nicht brauchen. Die Sitzung ist also eröffnet.
({0})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
verbundene Tagesordnung um die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz, Drucksache 15/841, und zum Zwölften SGB-VÄnderungsgesetz, Drucksache 15/840, sowie um einen
interfraktionellen Antrag zum wirtschaftlichen Umgang
mit Versichertengeldern bei Arzneimitteln erweitert werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 12 und 13 auf:
ZP 12 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Gesetz zum Abbau
von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen ({2})
- Drucksachen 15/119, 15/287, 15/312, 15/480,
15/481, 15/612, 15/841 Berichterstattung:
Abgeordneter Joachim Poß
ZP 13 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({3}) zu dem Zwölften Gesetz
zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ({4})
- Drucksachen 15/27, 15/74, 15/120, 15/167,
15/278, 15/298, 15/840 Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Kollege
Wilhelm Schmidt.
Guten Morgen, Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein interessantes, ein
heftiges, ein umfangreiches Vermittlungsverfahren hinter uns, das sich mit zwei Komplexen befasst hat. Der
eine Komplex betraf das SGB. Hier war insbesondere
das Ziel, bei der DRG-Abrechnung in den Krankenhäusern, also der Fallpauschalenabrechnung, eine Stabilisierung zu erzielen, aber auch, bei den Arzneimittelpreisen
und den Verwaltungsausgaben der Krankenhäuser eine
Eingrenzung der ausufernden Kosten zu erreichen.
Das ist nur zu einem Teil gelungen. Ich bin dennoch
dankbar dafür, dass wir immerhin ein Ergebnis erzielt
haben, das wir heute gemeinsam im Bundestag beschließen werden und das auch im Bundesrat eine Mehrheit
finden wird. Denn das Ergebnis des Vermittlungsausschusses hat immerhin dazu geführt, dass wir in Bezug
auf die Fallpauschalen - mit einigen Ausnahmen 700 zusätzliche Krankenhäuser in diesem Land dazu
bringen werden, das neue, das moderne System anzuwenden. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt nach
vorne, der auch Vertrauen in die von der Koalition im
Redetext
Wilhelm Schmidt ({0})
vorigen Jahr erreichte Neuordnung des Abrechnungssystems schafft.
Das Zweite, was damit zusammenhängt, ist, dass wir
die Mitverantwortung der Krankenkassen noch mehr als
bisher stärken wollen, nämlich bei den von ihnen selbst
zu gestaltenden Ausgaben.
Wir bedauern sehr, dass wir insbesondere im Bereich
der Scheininnovation im Arzneimittelsektor nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind. Hier hätten
wir uns eine größere Mitverantwortung der Pharmaindustrie gewünscht. Diese war durch die Blockade der
Union leider nicht zu erzielen.
Wir haben uns aber dann darauf verständigt, dass wir
diesen Teil - das liegt Ihnen heute als Entschließungsantrag vor - noch nacharbeiten werden, dass er in eines der
nächsten Gesetze zur Gesundheitspolitik aufgenommen
und dort behandelt wird. Er wird dann hoffentlich zu einem positiven Ergebnis geführt.
Wir wollen außerdem die Krankenkassen über die
Aufsichtsbehörden zu einer stärkeren Einhaltung ihrer
Sparauflagen bringen. - Das ist das Ergebnis der Beratungen über den vorliegenden Entwurf eines SGB-V-Änderungsgesetzes. Ich bitte um entsprechende Beschlussfassung im Parlament.
Komplizierter und umfangreicher waren die Verhandlungen über das Steuerpaket. Ausgangspunkt war das
Steuervergünstigungsabbaugesetz. Wir werden an dieser Stelle nicht nachlassen, die Implikationen dieses Gesetzentwurfs weiterzuverfolgen. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Schwerpunkte. Der eine ist, dass wir
für mehr Steuergerechtigkeit sorgen wollen. Das ist uns,
gemessen an dem heute vorliegenden Ergebnis, nur zum
Teil gelungen, weil die Union in der Frage der Steuergerechtigkeit nicht mitgezogen hat. Wir finden das nicht in
Ordnung.
({1})
Der zweite Schwerpunkt ist: Wir wollen dafür sorgen,
dass auch die Kassen der öffentlichen Hand, also die von
Bund, Ländern und Kommunen, einen zusätzlichen Faktor der Steuerung und Unterstützung erhalten. Ich formuliere das so, weil die Materie sehr kompliziert ist.
Das Entscheidende im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit ist aber, dass wir uns über die Unternehmensbesteuerung verständigen konnten. Das ist richtig und
wichtig. Wir wollten die Steuerschlupflöcher schließen,
die in den letzten Jahren gerade von Großunternehmen
missbräuchlich genutzt worden sind. Das wird durch den
vorliegenden Kompromiss erreicht. Dafür danken wir.
({2})
Wir danken insbesondere denjenigen, die diesen Kompromiss in der Vorphase der Verhandlungen herbeigeführt haben. Das sind die beiden Ministerpräsidenten
Koch und Steinbrück. Ich möchte daran erinnern, dass
insbesondere in der CDU/CSU-Fraktion, aber auch in
der FDP-Fraktion fundamentaloppositionelle Ansätze zu
erkennen waren. Diese konnten überwunden werden.
({3})
Darüber bin ich sehr froh, und zwar auch deswegen, weil
sich Herr Merz und andere sehr frühzeitig in die Ecke
der beleidigten Leberwürste zurückgezogen haben. Herr
Merz, nun tun Sie so, als ob Sie die großen Sieger wären.
Ich sage Ihnen: Es ist zwar ein wichtiger, aber nur kleiner Erfolg erzielt worden. Wir würden gerne mehr erreichen und werden darin durch die Protokollerklärung, die
auch von der Bundesregierung unterstützt wird und die
wir zur Kenntnis geben, bestätigt.
Das, was wir nicht erreicht haben, bleibt auf der
Agenda des politischen Handelns, nämlich zum Beispiel
die Frage der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
und Gewinnen aus Aktienspekulationen. Auch das muss
von uns weiterhin politisch behandelt werden. Sonst
schaffen wir keine Steuergerechtigkeit.
({4})
Ich möchte noch hinzufügen, dass wir das, was wir
bei der Eigenheimzulage geplant hatten, tendenziell
weiterverfolgen müssen. Die Frage, wie wir Subventionen in diesem Land beibehalten können, muss von uns
allen in gemeinsamer Verantwortung weiterbehandelt
werden. Ich weise darauf hin, dass wir uns im Vermittlungsausschuss deswegen neben dem Schließen von
Steuerschlupflöchern für Unternehmen im Bereich der
Körperschaftsteuer darauf verständigt haben, dass wir
auch bei den Fragen der Europarechtswidrigkeit der Gesellschafterfremdfinanzierung, der Tonnagesteuer, der
Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Lebensund Krankenversicherungsunternehmen, von Abwehrmaßnahmen im deutschen Außensteuergesetz, der Verlustrechnungssysteme, des Verbots des Verlustabzugs bei
Dividenden und Veräußerungsgewinnen von den Betriebsausgaben und des Verlustabzugs von stillen Gesellschaftern weiterhin gemeinsam - nicht, dass Sie sich abseilen! - am Ball bleiben. All das werden wichtige
Aspekte der kommenden Diskussionen in diesem Hause
sein.
Wir haben, wie ich finde, einen Minimalkonsens erreicht, mit dem man insgesamt gesehen nicht ganz zufrieden sein kann. Aber das, was erreicht worden ist, ist
in Ordnung. Deswegen tragen wir diesen Kompromiss
mit.
({5})
Ich erteile das Wort Kollegen Volker Kauder, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Nach den vielen schlechten Nachrichten über
die hohe Arbeitslosigkeit, über einen unausgeglichenen
Bundeshaushalt und über neue Schulden, die gemacht
werden müssen, kommt heute eine gute Nachricht aus
dem Deutschen Bundestag und nachher auch aus dem
Bundesrat:
({0})
Wir haben verhindert, dass auf die Menschen in diesem
Land neue Steuererhöhungen herniedergehen.
({1})
Herr Kollege Schmidt, das, was Sie als einen Minimalkonsens bezeichnet haben, ist die gute Botschaft, die
an diesem Tag ins Land hinausgeht. Wir von der Union
haben Wort gehalten. Denn wir haben immer - sowohl
vor als auch nach den Landtagswahlen - gesagt, dass wir
keine Steuererhöhungen wollen, weil sie für die Wirtschaft in diesem Land Gift sind, dass wir aber einen
Punkt, an dem Sie einen ganz schlimmen Fehler gemacht
haben, korrigieren wollen: Dies betraf die Körperschaftsteuer.
({2})
Ich habe meinen Ohren fast nicht getraut, als ich im
Vermittlungsausschuss gehört habe, was Ministerpräsident Steinbrück gesagt hat. Er hat nämlich begründet,
warum man bei der Körperschaftsteuer etwas tun muss.
Er hat so gesprochen, als ob die SPD nie ein solches Gesetz, das zu diesen Ausfällen geführt hat, verabschiedet
hätte. Ich habe gedacht, dass er so spricht, wie wir dies
die ganze Zeit getan haben. Es war ein schwerer Fehler,
der jetzt korrigiert wird. Aber mehr wird nicht getan. Es
wird zu mehr Steuergerechtigkeit zurückgefunden, sodass sich alle - nun auch wieder die großen Unternehmen - gleichmäßig an den Kosten beteiligen, die der
Staat hat, weil er die Infrastruktur zur Verfügung stellt.
Mehr wird nicht getan. Dazu haben wir uns bekannt.
Deswegen bleibt es bei dem Satz: Die Union hat Wort
gehalten.
({3})
Dass wir Wort gehalten haben, wird nirgendwo noch
deutlicher als an dem Punkt, den wir aus der so genannten Resolution bzw. der Erklärung der Bundesregierung
am Schluss haben herausverhandeln können. Ich meine
das Thema AfA. Man stelle sich vor, dass die SPD in einer Zeit, in der wir alle wollen, dass Mittelstand und
Handwerk investieren, bereit gewesen wäre, dem Mittelstand und dem Handwerk Geld zu entziehen, wodurch
Investitionen noch schwieriger geworden wären.
({4})
Das haben wir verhindert. Dies ist eine gute Nachricht
aus dem Deutschen Bundestag.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
also ein gutes Ergebnis erzielt, das so aussieht, wie es die
Union immer beabsichtigt hat. Wenn Sie, Herr Kollege
Schmidt, häufiger auf die Union hören, wird die Situation in diesem Land auch besser.
({6})
Wir haben uns im Vermittlungsverfahren darauf verständigt - auf diese Erklärung warten Sie ja -, dass noch
eine Reihe von Prüfaufträgen von der Bundesregierung
ausgeführt werden. Sie haben sie genannt. Es handelt
sich um die Neuregelung der Gesellschafterfremdfinanzierung, die Beseitigung von Gestaltungsmodellen, die
Tonnagesteuer, die Beseitigung des Organschaftsverbots
für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und
noch ein paar andere Punkte, die in der Erklärung der
Bundesregierung enthalten sind.
Ich sage Ihnen hier und heute vor dem Deutschen
Bundestag zu, dass wir es begrüßen, dass diese Überprüfungen durchgeführt werden, und dass wir uns an den
daraus eventuell folgenden gesetzlichen Initiativen konstruktiv beteiligen werden. Wir werden mit Ihnen zusammen prüfen, ob die Dinge richtig laufen.
({7})
- Nein, Herr Müntefering, das ist nicht das erste Mal.
Wollen wir doch einmal sagen, was wirklich passiert ist:
Gott sei Dank haben wir im Bundesrat die Möglichkeit,
den größten Unsinn, den Sie produzieren wollen, zu verhindern.
({8})
Bei Hartz I und Hartz II haben wir etwas Sinnvolles, was
Sie nicht wollten, machen können. Wir haben nämlich
gesagt, dass wir die Arbeitsverhältnisse so ordnen wollen, dass auch geringfügige Beschäftigung in diesem
Land wieder eine Chance hat. Damit haben wir vielen
Menschen die Gelegenheit gegeben, wieder etwas Geld
dazuzuverdienen.
({9})
Damit haben wir vielen Vereinen die Möglichkeit gegeben, ihre ehrenamtliche Arbeit wieder besser zu gestalten. Das war schon eine erste gute Tat. Heute folgt die
zweite. Wenn Sie vernünftig bleiben, dann folgen noch
weitere. Das tut diesem Land außerordentlich gut.
Vielen Dank.
({10})
Ich erteile der Kollegin Krista Sager, Bündnis 90/Die
Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir
das Vermittlungsergebnis bewerten, dann können wir
eigentlich nur sagen: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner
Brust. Oder: Man sieht es mit einem lachenden und einem
weinenden Auge. Gut ist, dass wir uns im Vermittlungsausschuss geeinigt haben, einige Schritte einzuleiten, um
die öffentlichen Haushalte wieder handlungsfähig zu machen und auch um mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen.
Gut ist es natürlich auch, dass sich bei CDU und CSU die
Totalblockierer nicht durchgesetzt haben, sondern dass
dort ein bisschen Vernunft eingekehrt ist.
({0})
Auf der anderen Seite müssen wir aber auch ganz klar
sagen: 4,4 Milliarden Euro sind für die Haushalte der
Länder und Gemeinden zu wenig und das wird auch
Sie wieder einholen.
({1})
Die Steuerreform 2004/2005 wird - das kann man gar
nicht laut genug sagen - zu massiven Steuerentlastungen
führen;
({2})
deswegen ist es gut, dass heute auch Beschlüsse gefasst
werden, die bewirken, dass große und international tätige Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung des
Gemeinwesens leisten.
Dabei geht es allerdings nicht nur um die Körperschaftsteuer. Zur Körperschaftsteuer sollte man auch sagen: Es geht nicht nur um Einnahmeausfälle durch den
Systemwechsel - da wird es jetzt eine Verstetigung der
Einnahmen geben -, sondern man wollte auch - das gilt
auch für Sie, meine Damen und Herren von der CDU/
CSU -, einen international wettbewerbsfähigen Körperschaftsteuersatz. Wir haben es auch mit konjunkturell
bedingten Einbrüchen zu tun.
Unser Vermittlungsergebnis bewirkt auch - stimmen
Sie zu, dass es in diesem Bereich Handlungsbedarf
gibt! -, dass Umgehungstatbestände, also Möglichkeiten, durch Unternehmensgestaltung dafür zu sorgen,
dass Gewinne nicht mehr steuerlich erfasst werden, eingeschränkt werden. Deswegen sind die neuen Regelungen der Mehrmütterorganschaft und des Verlustabzugs
bei stillen Beteiligungen von Kapitalgesellschaften richtig. In diesem Zusammenhang ist die Dokumentationspflicht bei Verrechnungspreisen besonders wichtig. Es
ist gut, dass Sie erkannt haben, dass man diese Umgehungen nicht länger dulden kann.
({3})
Auch Sie haben gemerkt - leider war das nur ein erster Schritt -, dass man nicht immer wieder auf der einen
Seite Mittel aus entsprechenden Bundesgesetzen in die
Landeshaushalte, auch die der CDU-regierten Länder,
einstellen kann, wenn man auf der anderen Seite diese
Bundesgesetze im Bundesrat massiv bekämpft. Das ist in
der Tat eine ziemlich komische Moral.
({4})
Die Akteure auf Landesebene haben dafür gesorgt
- darüber bin ich froh -, dass auch Sie erkannt haben,
dass man nicht mit Drohgebärden dauerhaft an dem Ast
sägen kann, auf dem letztlich auch die CDU- und die
CSU-regierten Länder sitzen. Sie können jetzt - das sage
ich auch in Ihre Richtung, Herr Kauder - natürlich mit
stolzgeschwellter Brust verkünden, was Sie alles verhindert haben;
({5})
Herr Kauder, ich möchte aber, dass Sie den Bürgerinnen
und Bürgern in den Ländern und in den Gemeinden dann
auch erklären, warum ihre Kassen weiterhin so leer bleiben, wie sie jetzt sind. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
({6})
Auch diese Aufgabe sollten Sie einmal schultern!
Dass Sie hier in den letzten Tagen mit stolzgeschwellter Brust verkündet haben, es sei Ihre große Leistung gewesen, manches verhindert zu haben, wird Sie wieder
einholen.
({7})
Das gilt auch für die Eigenheimzulage. Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer, gerade auch die
von Ihrer Seite, diskutieren längst über die Eigenheimzulage. Wenn Sie einen pauschalen Subventionsabbau
durchführen wollen - das hat Herr Koch ja angekündigt -, dann müssen Sie einmal erklären, dass der pauschale Subventionsabbau bei der Eigenheimzulage,
wenn der dann konkret wird, etwas völlig anderes ist als
die konkreten Maßnahmen, die wir jetzt vorgeschlagen
hatten. Da werden Sie noch gucken!
({8})
Nach diesem ganzen Spiel, das wir bei der CDU/CSU
erlebt haben, möchte ich Frau Merkel einen gut gemeinten Rat geben: Passen Sie auf, Frau Merkel, dass Sie sich
nicht in die Rolle der Meckertante treiben lassen, während Herr Koch im Bundesrat den Retter der Nation
spielt!
({9})
Dabei können Sie mit Sicherheit - das kann ich Ihnen
jetzt schon prophezeien - nur die Verliererin sein.
({10})
Ich erteile dem Kollegen Hermann Otto Solms, FDPFraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die FDP-Fraktion wird dem Zwölften SGB-VÄnderungsgesetz zustimmen. Sie wird dem Steuervergünstigungsabbaugesetz auch mit den Änderungen, die
gestern vereinbart worden sind, widersprechen.
({0})
Zugegebenermaßen ist der Kompromiss besser als das
völlig verfehlte Steuervergüngstigungsabbaugesetz der
rot-grünen Koalition.
({1})
Das wäre ökonomisch das Falscheste gewesen, was man
hätte tun können. Aber erklären Sie mir bitte einmal die
Logik! Warum sollen dann, wenn 15 Milliarden Euro
Steuererhöhungen nach dem Steuervergünstigungsabbaugesetz falsch waren, die beiden Pakete mit zusammengerechnet 8 Milliarden Euro Steuererhöhungen gut
sein?
({2})
Diese Mathematik kann mir niemand erklären.
Dieser Kompromiss mit erheblichen Steuererhöhungen ist volkswirtschaftlich verfehlt und konjunkturpolitisch verheerend. Er wird die Arbeitslosigkeit steigern
und nicht senken.
({3})
Es ist klar, dass Sie sich jetzt gegenseitig loben, weil Sie
das Ergebnis wechselseitig unterstützen. Es handelt sich
aber trotzdem um eine große Koalition der ökonomischen Unvernunft, mit der wir es heute zu tun haben.
({4})
Ich weiß, dass sich einige Ministerpräsidenten aus
Sorge um ihren Haushalt auf dieses Spiel eingelassen haben, weil sie die Hoffnung haben, mehr Steuermittel zu
bekommen.
({5})
Ich kann ihnen aber versprechen: Das wird nicht eintreten. Die ausgerechneten Mehreinnahmen für die Haushalte infolge der Steuererhöhungen werden nicht eintreten,
({6})
weil die volkswirtschaftliche Wirkung dieser Maßnahmen so schlecht ist. Die wirtschaftliche Entwicklung
wird noch einmal zusätzlich gedämpft. Es wird weniger
investiert. Mehr Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert. In Deutschland muss mehr Arbeitslosigkeit entstehen.
({7})
Das Schlimme ist ja, dass Sie alle das wissen. Sie alle
haben es vielfach erklärt. Fangen wir mit Bundesfinanzminister Hans Eichel an. Noch bis zur Bundestagwahl
galt bei ihm, dass über eine Rückführung der Steuerbelastung und der Kreditaufnahme Wachstum und
Beschäftigung verbessert werden sollten. Das war Hans
Eichels Finanzpolitik mit Leitplanken. Davon haben wir
nach der Bundestagswahl schon gar nichts mehr gehört.
Hören Sie sich einmal die Zitate an! Ich habe eine unendliche Fülle von Zitaten hier, will Ihnen aber nur wenige zu Gehör bringen. Der Haupttäter war Ministerpräsident Koch. Deswegen möchte ich ihn privilegieren und
ihn hier als Ersten zitieren. Am 1. Oktober 2002 heißt es
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beispielsweise
- ich zitiere -:
Für falsch und kontraproduktiv halten Milbradt und
Koch die Diskussion über Steuererhöhungen ...
Koch sagte, schon die Diskussion
- über Steuererhöhungen nämlich signalisiere dem Mittelstand und der ausländischen
Wirtschaft, daß die politische Mehrheit in Deutschland immer noch nicht begriffen habe, was das „Gebot der Stunde“ sei.
({8})
In dem Fernsehduell bei Sabine Christiansen am
26. Januar, also vor den Landtagswahlen in Hessen und
Niedersachsen, hat Herr Koch wörtlich gesagt:
... nur um Schlimmeres zu vermeiden, ist es zunächst mal wichtig, dass es nicht weitere Steuererhöhungen gibt, von denen die Sachverständigen sagen, die kosten ein weiteres halbes Prozent.
Daraus konnte man eindeutig schließen: Wenn in Hessen
die Union gewinnt, dann ist sicher, dass es dieses Gesetz
mit 48 Steuererhöhungen nicht gibt. In die 48 Steuererhöhungen hat er wohlweislich auch die sieben Steuererhöhungen mit eingeschlossen, die heute verabschiedet
werden sollen.
({9})
Ich darf auch den finanzpolitischen Sprecher und
stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion,
Friedrich Merz, der ja hier anwesend ist, zitieren. In der
Bundestagsdebatte zur ersten Lesung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes hat er nämlich unter anderem gesagt:
Wir begeben uns mit Ihnen nicht in einen Wettbewerb um die Frage, wer in diesem Land die Steuern
am meisten erhöht. Das werden wir nicht tun. Die
gegenwärtige Lage unserer Volkswirtschaft ist vollkommen ungeeignet für eine Debatte über Steuererhöhungen. Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen
diesem Land und insbesondere den mittelständischen Unternehmen wieder eine Perspektive geben
und Steuern senken.
({10})
Er hat Recht; genau das wäre die richtige Strategie. Sie
aber tun hier das Gegenteil.
({11})
Ich will nur auf drei Punkte eingehen:
Die FDP wäre dazu bereit gewesen, die Auflösung
der Körperschaftsteuerguthaben in der Zeitachse zu strecken. Die jetzt vorgesehene Einschränkung der Mehrmütterorganschaften wird jedoch insgesamt dazu führen, dass Deutschland als Holdingstandort ausfällt, weil
es nicht mehr wettbewerbsfähig ist.
({12})
Das heißt, dass deutsche Konzerne ihre Holdinggesellschaften ins Ausland, vornehmlich nach Holland verlegen werden und zugleich damit Tausende von hoch qualifizierten und hoch bezahlten Arbeitsplätzen. Das ist
eine zwingende Folge.
Bezüglich der Dokumentationspflicht für die Bildung
von Verrechnungspreisen stellt sich mir die Frage: Wie
sollen denn beim Export intern Preise in Verträgen vereinbart werden, die unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Finanzbeamten stehen? Das ist doch völlig
ausgeschlossen. Da kommt keine einzige müde Mark
mehr herein, sondern es werden nur zusätzliche Kosten
verursacht.
({13})
Einen Mindesthebesatz bei den Gemeinden einzuführen widerspricht der Verfassung. Lesen Sie Art. 106
Abs. 6 der Verfassung nach, wo sinngemäß steht: Die
Gemeinden haben das Recht, ihren Hebesatz selber festzulegen.
({14})
- Nein, aber Sie können dieses Recht nicht bestreiten.
Den Grundsatz, dass die Gemeinden ihre Hebesätze autonom festlegen können, will ich nicht durchbrechen.
({15})
Deswegen möchte ich abschließend sagen: Es ist
nicht so, dass die Menschen geschont worden wären
- Frau Merkel hat das so gesagt - und dass es keine
Mehrbelastung für die Menschen gebe.
({16})
Sind denn die Arbeitslosen, deren Zahl immer mehr zunimmt, keine Menschen? Dank Ihrer Maßnahmen wird
es nämlich noch mehr Arbeitslose geben, weil dadurch
der Arbeitsmarkt belastet wird.
({17})
Dieser Kompromiss ist ein Kompromiss zulasten der
Wirtschaft, der Investitionen, der Arbeitsplätze. Wir
können ihn aufgrund unseres ökonomischen Sachverstandes nicht mittragen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({18})
Wir kommen zur Abstimmung über Zusatzpunkt 12,
Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag
über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Dies
gilt ebenfalls für die weitere Beschlussempfehlung des
Vermittlungsausschusses, über die wir anschließend abstimmen.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/841? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen.
Zusatzpunkt 13: Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Zwölften
Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 15/840. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
Maßnahmen zum wirtschaftlichen Umgang
mit Versichertengeldern bei Arzneimitteln und
bei Verwaltungsausgaben der Krankenkassen
- Drucksache 15/850 Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
daher gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 15/850? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 12:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zu den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember
1996 über Urheberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger
- Drucksache 15/15 ({0})
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft
- Drucksache 15/38 ({1})
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({2})
- Drucksache 15/837
Abgeordnete Dirk Manzewski
Jerzy Montag
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich bitte diejenigen, die an der Aussprache nicht teilnehmen wollen, den Raum möglichst ohne längere Gespräche zu verlassen, damit die Rednerin eine Chance
hat, gehört zu werden. - Wir können noch einen kleinen
Moment warten.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesministerin Brigitte Zypries das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident, für die freundliche Behandlung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie
beschließen heute darüber, wie das Urheberrecht in der
Informationsgesellschaft aussehen soll. Mir haben die
jüngsten Kommentare zu unserem Gesetzentwurf vor allem eines klar gemacht: Wir sind, allen Segnungen der
Informationsgesellschaft zum Trotz, in manchen Punkten weit davon entfernt, auch in einer informierten Gesellschaft zu leben.
({0})
Wo die richtigen Informationen fehlen, machen sich Gerüchte und Missverständnisse breit und halten sich mitunter hartnäckig.
Ich möchte deshalb gerne die Gelegenheit nutzen, Ihnen noch einmal zu verdeutlichen, was wir ändern wollen, insbesondere hinsichtlich der Schranke des Urheberrechts zugunsten von Unterricht und Forschung und
der Regelungen zur Privatkopie.
Teilweise ist behauptet worden, mit dem Gesetzentwurf sollten Bibliotheken angesichts knapper öffentlicher Kassen von der Pflicht enthoben werden, Zeitschriften zu abonnieren und Bücher vorzuhalten. Es ist die
Rede davon, künftig sei gar nur noch ein Zeitschriftenexemplar bundesweit erforderlich und man könne die
ganze notwendige Kommunikation über E-Mail und Internet abwickeln, ein Buch quasi frei versenden. Dies alles ist nicht zutreffend.
({1})
Was haben wir gemacht? Die schon heute geltenden
Ausnahmevorschriften im analogen Bereich haben wir
auf den digitalen Bereich übertragen. Das war notwendig, weil wir einerseits die digitale Welt in das Urheberrecht eingeführt haben. Hätten wir nicht andererseits die
Ausnahmeregelung geschaffen, hätten wir die Situation
gehabt, dass in der digitalen Welt, die wir inzwischen
nun einmal haben, Forschung und Lehre in dem Sinne,
wie wir es verstehen, nicht mehr möglich gewesen wäre.
({2})
Künftig wird es erlaubt sein, kleine Teile von Büchern, Werke geringen Umfangs oder einzelne Beiträge
aus Zeitschriften in interne Netzwerke - wohlgemerkt
nicht in das Internet - einzustellen, aber auch nur dann,
wenn es zur Veranschaulichung im Unterricht erforderlich ist. Das heißt, die Unterrichtssituation muss gegeben
sein. Schulbuchverlage haben wir davon ausgenommen,
weil die Schulen nun einmal der primäre Absatzmarkt
dieser Verlage sind.
Auch auf die Filmwerke haben wir Rücksicht genommen. Filme dürfen erst zwei Jahre nach ihrem Erscheinen auf diese Art und Weise verwertet werden. Zudem
haben wir die Bestimmung bis zum 31. Dezember 2006
befristet. Ich verspreche Ihnen: Das Justizministerium
wird sorgfältig darauf achten, wie diese Bestimmung angewandt wird. Gegebenenfalls wird sich der Bundestag
darüber verständigen, vorzeitig Änderungen vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass diese Regelung für unsere Wissensgesellschaft richtungweisend
ist. Wir haben den Auftrag, Bildung zu organisieren.
Dazu gehört, dass wir die Wissens- und Informationsgesellschaft gestalten. Dabei reicht es nicht aus, dass man
die Tafeln in den Klassenzimmern durch Computer ersetzt; man muss auch sicherstellen, dass auf den Bildschirmen etwas erscheint.
({3})
Während in der Schule früher die Lehrer Papiere und Fotokopien von Seiten aus Büchern oder Zeitschriften ausgeteilt haben, wird heute der Text auf den Computern der
Schüler angezeigt, um daran arbeiten zu können.
Genau das ist auch für die Wissenschaft vorgesehen.
Es geht auch hier darum, dass man einem bestimmten,
abgegrenzten Personenkreis, zum Beispiel einem Forscherteam, gestattet, wissenschaftliche Texte über das
Intranet einander zugänglich zu machen. Keinesfalls
- das möchte ich hier ganz deutlich sagen - sollen alle
Mitarbeiter oder gar alle Studierenden an einer Universität auf diese Weise Zugriff auf ein Werk erhalten können.
Auch künftig werden die Universitätsbibliotheken die
notwendigen Ausstattungen vorhalten müssen; denn der
Gesetzentwurf verschafft den Bibliotheken diesbezüglich keinen Spielraum. Die Bibliotheken wissen darum,
wie man entsprechenden Presseerklärungen entnehmen
konnte.
Die Tatsache, dass bestimmte Kommunikationstechniken auch illegal genutzt werden, ist ein anderes Problem. Man darf meines Erachtens nicht versuchen, dafür
sozusagen legale Schneisen zu schlagen. Wir müssen
vielmehr alles tun, um das Urheberbewusstsein in unserer Gesellschaft zu stärken. Nur dann kann sich wieder
ein Gefühl dafür entwickeln, was im Urheberrecht erlaubt und was nicht erlaubt ist. Heutzutage empfindet jeder das Kopieren als selbstverständlich. Nach meiner
Auffassung ist es auch Aufgabe der Industrie, hier
bewusstseinsbildend zu wirken. Sie darf nicht durch
gezielte Falschinformation geradezu dazu auffordern,
entsprechende Texte im Internet zu verbreiten.
({4})
Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns hier zusammenfinden, um über das Urheberrecht zu reden.
Kaum dass dieser Gesetzentwurf verabschiedet sein
wird, werden wir mit der Debatte über den zweiten
Korb beginnen und alle die Fragen behandeln, die jetzt
bewusst zurückgestellt wurden. Das gilt insbesondere für
das Vergütungssystem. Um diesen Punkt wird es sicherlich noch einigen Streit geben. Gleichwohl möchte ich
Ihnen versichern, dass ich mich auch da, wie ich es bei
dem vorliegenden Gesetzentwurf getan habe, für einen
parteiübergreifenden Konsens einsetzen werde. Ich
möchte Sie gerne auffordern, sich an diesem Diskurs
- „Wohin wollen wir mit dem Urheberrecht in den
nächsten 15 Jahren?“ - zu beteiligen. Freundlicherweise
hat sich die Bertelsmann-Stiftung bereit erklärt, ein
Stück des Weges mit uns gemeinsam zu gehen. Ich
glaube, das ist eine gute Sache.
Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie
so konstruktiv an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet
haben. Es freut mich, dass wir es schaffen, dieses Gesetz
zum Urheberrecht in diesem Hohen Hause fast einstimmig zu verabschieden. Ich möchte insbesondere den
Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU danken, dass
sie so kompromissbereit waren und sich den vernünftigen Argumenten nicht verschlossen haben.
({5})
Denn das muss man ja sehen: Es geht nicht in erster Linie darum, eine breite Zustimmung zu finden, sondern es
geht vor allen Dingen darum, vernünftige Lösungen zu
finden. Ich glaube, das haben wir gemeinsam geschafft.
Herzlichen Dank dafür! Ich hoffe auf weitere konstruktive Diskussionen beim zweiten Korb.
({6})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Krings,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Wir setzen heute eine Richtlinie der
Europäischen Union zum Urheberrecht um, für die die
Umsetzungsfrist bereits im letzten Jahr abgelaufen ist.
Bei dem Arbeitstempo dieser Bundesregierung sind wir
Kummer gewöhnt. Allerdings geht es hier nicht um die
Krümmung von Salatgurken, um irgendwelche zweitrangigen Dinge, sondern um die Zukunft des geistigen Eigentums.
Die rasanten Entwicklungen in der digitalen Welt
messen wir nicht in Jahrzehnten oder Jahren, sondern in
Monaten. Die Urheberschutz-Richtlinie der EU will
nicht mehr, aber auch nicht weniger, als den Schutz geistigen Eigentums den modernen Anforderungen einer digitalen Informationsgesellschaft anzupassen.
Wenn heute in Deutschland gewerblich betriebene Internetseiten oder Supermarktketten straflos Werkzeuge
und Anleitungen anbieten können, um einen Kopierschutz zu knacken, dann ist das ein unerträglicher Zustand, den wir durch dieses Gesetz unverzüglich beenden
müssen.
({0})
Es gilt aber auch, dass jeder Monat der Nichtumsetzung
dieser Richtlinie die Musik-, Film- und Verlagswirtschaft Millionen von Euro kostet und die Erwerbschancen von Autoren und Künstlern schmälert.
Ich sage Ihnen nun gerne etwas zu den Ursachen, die
dazu führten, dass dieses Gesetz mit erheblicher Verspätung verabschiedet wird.
Die rot-grüne Bundesregierung kann es offenbar nicht
lassen - und diese Kritik trifft noch am wenigsten das
Justizressort -, wichtige EU-Richtlinien mit gesetzgeberischem Ballast zu befrachten, der bestenfalls unausgegoren und schlimmstenfalls kontraproduktiv bis unsinnig ist.
({1})
Während der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes
haben Sie, Frau Bundesjustizministerin, von dieser
Stelle aus wörtlich erklärt - ich darf Sie zitieren -:
Mit diesem Umsetzungsgesetz wollen wir deshalb
in einem ersten Schritt nur all das regeln, was uns
die Richtlinie und die WIPO-Verträge zwingend
vorschreiben.
Wenn diese Aussage wirklich zur Geschäftsgrundlage
für die Ausarbeitung und Beratung dieses Gesetzes geworden wäre, so hätten wir die Umsetzungsfrist ohne
Probleme eingehalten und die betroffenen Unternehmen
und Urheber hätten den Schutz, den der Staat ihnen
schuldet, früher erhalten. Die Schuld an dieser Säumnis
trägt allein die amtierende Regierung.
({2})
Ich muss Sie, Frau Ministerin, bei aller Kompromissbereitschaft im Detail, deshalb schon fragen: Welche Bestimmung der EU-Richtlinie hat die Bundesregierung
dazu gezwungen, uns im neuen Urhebergesetz einen
§ 52 a vorzuschlagen?
({3})
Diese neue Schranke sollte es ursprünglich ermöglichen,
komplette Bücher in schulische und universitäre Datennetze einzustellen. Schon der Umstand, dass diese Bestimmung den zweifelhaften Ruhm erlangt hat, dass ihr
schon vor In-Kraft-Treten eine eigene Homepage im Internet gewidmet wird, hätte Ihnen zeigen müssen, dass
Sie hier Ihre eigenen Maßstäbe nicht erfüllt haben.
Ebenso wenig legt es die Richtlinie nahe, die bekannten und bewährten Regelungen aus der analogen Welt
eins zu eins in die digitale Welt zu übertragen. Gerade
weil die Gefahren und Risiken für das geistige Eigentum
in der digitalen Welt des Internets und der leistungsstarken CD-Brenner andere sind als diejenigen aus der Zeit
der Schellackplatte, gibt es diese WIPO-Verträge und
diese EU-Richtlinie. Nicht umsonst wird in diesen Dokumenten verlangt, dass der nationale Gesetzgeber, also
auch der deutsche, den „Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend
Rechnung tragen“ muss. In Sachen Privatkopie werden
in diesem Gesetzentwurf diese Anforderungen leider
ignoriert.
Schließlich: An keiner Stelle wird in dieser Richtlinie
eine Aussage dazu getroffen, dass auf Normen, die zwar
von privaten Instituten formuliert, aber durch den Staat
für rechtsverbindlich erklärt werden, ein Privater Urheberrechte geltend machen darf.
Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank,
hätten Sie sich doch nur, wie versprochen, auf die Umsetzung der Richtlinie beschränkt! Ihnen und uns wäre
viel erspart geblieben. Weniger wäre hier mehr gewesen.
({4})
Wir als CDU/CSU-Fraktion haben das Gespräch mit
allen Interessengruppen gesucht. Wir haben im Übrigen
gegen den Widerstand aller anderen Fraktionen - auch
der FDP-Fraktion - eine umfassende Anhörung zu dieser
Novelle im Deutschen Bundestag durchgesetzt.
({5})
Wir haben damit für die Kritik der betroffenen Verbände
ein Forum geschaffen. Das Ergebnis - auch zu einigen
von mir nicht zitierten Vorschriften - war relativ ernüchternd.
Die Lage in der Verlags- und Medienwirtschaft ist
dramatisch. Dies können Sie auch nicht mit der Behauptung abtun, dies seien nur Managementfehler. Nein, die
Rezession in der Medienwirtschaft ist ganz wesentlich
die Folge eines Urheberrechts des 20. Jahrhunderts, das
für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur unzureichend gewappnet ist.
Der aktuelle Niedergang fing in der Musikwirtschaft
an. Im vergangenen Jahr wurden sage und schreibe
100 Millionen mehr Musik-CDs auf privaten CD-Brennern erstellt als neue gekauft. Etwa jede dritte dieser
Aufnahme stammt ihrerseits bereits aus einer illegalen
Quelle - Tendenz steigend. Wenn das deutsche Recht die
Vervielfältigung aus einer illegalen Quelle für legal erklärt, kann ich mich als Rechtspolitiker mit einer solchen
von Staats wegen erlaubten urheberrechtlichen Datenwäsche nur schwer abfinden.
({6})
Mit den steigenden Übertragungsraten im Netz hat die
Piraterie inzwischen auch die Filmwirtschaft erreicht.
Fast 60 Millionen CD-Rohlinge wurden im vergangenen
Jahr mit Spielfilmen bespielt; über die Hälfte davon mit
Filmen, die in deutschen Kinos noch gar nicht angelaufen waren. So viel zur Unterscheidung von legaler und
illegaler Quelle! Wie kann eine Quelle legal sein, wenn
es diese Filme noch gar nicht hier im Handel gibt?
Wir als CDU/CSU-Opposition haben schließlich alles
in unseren Kräften Stehende getan, um zu verhindern,
dass die Buch- und Zeitschriftenverlage durch dieses
Gesetz in den Abwärtsstrudel der Musik- und Filmwirtschaft hineingezogen werden. Es ist wahr: Der Druck
der Bibliotheken in unserem Lande nimmt zu. Sie wollen möglichst kostengünstig auf Verlagsprodukte zugreifen können. Das ist angesichts enger Budgets durchaus
verständlich. Es gehört allerdings ebenso zur Wahrheit,
dass deutsche Bibliotheken nur jeden siebten Euro ihres
Budgets für Neuanschaffungen ausgeben.
Wir brauchen keine zunehmende Verstaatlichung oder
Sozialisierung von geistigem Privateigentum, sondern
wir wollen einen funktionierenden Markt für geistiges
Eigentum. Ein Markt kann aber unmöglich funktionieren, wenn die Produkte, die auf ihm gehandelt werden,
rechtlich nicht geschützt werden. Die Gleichung ist relativ einfach: Je schlechter kreative Leistungen geschützt
werden, desto weniger Kreativität wird es in diesem
Lande geben. Ein rohstoffarmes Land wie unseres mit
hohen Arbeitskosten ist auf nichts so sehr angewiesen
wie auf die hochwertigen kreativen geistigen Leistungen
seiner Menschen.
({7})
Hier und heute müssen wir uns entscheiden, wie wir
mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgehen. Wir als
CDU/CSU haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich habe es eingangs bereits gesagt: Wir hätten
dieses Gesetz an entscheidenden Stellen deutlich anders
gestaltet. Wir sind aber bereit, um der Sache und der
hiervon betroffenen Menschen willen eine Reihe von
Themen in einen zweiten Gesetzeskorb zurückzustellen.
({8})
Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben zugesagt - Frau Ministerin hat das gerade dankenswerterweise wiederholt -, den zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle rasch auf den Weg zu bringen und die
anstehenden Fragen offen zu diskutieren. Verlassen Sie
sich darauf: Wir nehmen Sie hier beim Wort.
({9})
Wir müssen zügig die noch ausstehenden Themen angehen: die legale Quelle, das Kopieren vom Original,
den Kopienversand sowie die Schaffung echter Anreize
für die Entwicklung digitaler Rechtemanagementsysteme. Wir reichen hierzu die Hand und sind bereit, schon
in der nächsten Sitzungswoche die Vorarbeiten am zweiten Korb aufzunehmen; denn die Zeit drängt. Es stehen
nicht nur Umsatzzahlen, sondern Arbeitsplätze in
Deutschland auf dem Spiel.
Das Ziel der Union ist und bleibt der faire Ausgleich
zwischen den Interessen der Autoren und Künstler, der
Unternehmen und der Verbraucher. Unter diesem Leitmotiv ist es uns gelungen, in konstruktiver Arbeit an einer Reihe von wichtigen Stellen Fehlentwicklungen in
diesem Gesetz zu entschärfen oder wenigstens abzumildern. Wir sind froh, dass sich die Regierung in einigen
Punkten der Einsicht in unsere besseren Argumente
nicht verschlossen hat.
({10})
Ich will nur einige wenige Beispiele herausgreifen.
Der berüchtigte § 52 a des Urheberrechtsgesetzes ist
im Vergleich zum Ursprungsentwurf an fünf wichtigen
Stellen positiv verändert worden: Unter anderem wurden
die Schulbuchverlage und zu einem großen Teil die
Filmwirtschaft herausgenommen, auch wenn wir eine
konsequentere Lösung etwa in Form der gänzlichen Herauslösung der Filmwirtschaft gewünscht hätten. Die Vorschrift bekommt ferner das, was mehr staatliche Gesetze
bekommen sollten: Sie wird mit einem Verfallsdatum
ausgestattet.
Das Urheberrecht für private Normen, die der Gesetzgeber für rechtsverbindlich erklärt, wird zwar kommen;
allerdings ist es uns gelungen, einerseits den Interessen
des Deutschen Instituts für Normung Rechnung zu tragen, aber andererseits zu verhindern, dass künftig private
Normen, die staatlich verbindlich erklärt werden, nur
von einem einzigen Hausverlag veröffentlicht werden
können.
Wir haben erreicht, dass die Medienwirtschaft einerseits und die bevorrechtigten Nutzerverbände andererseits in die Lage versetzt werden, die partielle Aufhebung von Kopierschutzinstrumenten im gegenseitigen
Einvernehmen zu regeln, statt sich hier vom Gesetzgeber
bevormunden zu lassen. Wir sorgen also auch hier für
weniger Staat und mehr Möglichkeiten und Verhandlungsspielraum für die Bürger.
({11})
Wir als Unionsfraktion werden diesem ersten Schritt
der Modernisierung des Urheberrechts daher zustimmen.
({12})
Wir tun dies, weil der Kern der Sache entscheidend ist:
Unser Urheberrecht, der Schutz geistigen Eigentums,
muss den Erfordernissen der modernen digitalen Welt
angepasst werden. Wir können nicht länger zuwarten;
wir müssen die eiligen Dinge jetzt verabschieden. Wir
befinden uns damit zugleich in einer Tradition der Zusammenarbeit beim Thema Urheberrecht, die bereits aus
der Regierung Kohl herrührt. Wir geben Ihnen damit allerdings auch einen Vertrauensvorschuss auf eine zügige
und fruchtbare Beratung der offen gebliebenen oder bestenfalls provisorisch gelösten Fragen in einem zweiten
Gesetzeskorb.
({13})
Meine Damen und Herren, am Ende des Tages bleibt
nicht Euphorie, aber die Hoffnung auf eine gute Zukunft
des Schutzes geistigen Eigentums in Deutschland.
Danke schön.
({14})
Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Krings, Sie haben hoffentlich zugehört, was die
Bundesjustizministerin zu beklagen hatte: An Informationen über die moderne Informationsgesellschaft krankt
es noch sehr. Leider, so muss ich Ihnen sagen, hat der
Beitrag, den Sie zu diesem Gesetzentwurf abgegeben haben, nur wenig zu einer Sachaufklärung beigetragen. Sie
haben kaum die Kurve bekommen, am Schluss zu begründen, warum Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen.
({0})
Aber immerhin, Sie wollen ihm zustimmen. Dafür danken wir Ihnen.
({1})
Das Urheberrecht stammt aus einer Zeit, die man aus
heutiger Sicht das zu Ende gehende analoge Zeitalter
nennen kann. Es bietet folgerichtig keine ausdrücklichen
und im Wege der Rechtsfortbildung keine befriedigenden Regelungen für das neue digitale Zeitalter, dessen
Boten uns in Form von Computer und Internet, von CD
und DVD, von Minidisc und MP3 geläufig sind. Die Europäische Union hat die darin liegende Problematik aufgegriffen und die Richtlinie zum Urheberrecht in der
modernen Informationsgesellschaft erlassen, die mit
dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf in einer ersten
Stufe umgesetzt werden soll.
Das Urheberrecht dient dem Schutz des geistigen Eigentums. Doch dieser Schutz ist nicht absolut. Auch für
geistiges Eigentum gilt, dass sein Gebrauch zugleich
dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Der heute zur
Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf enthält deshalb
auch Schrankenbestimmungen, die eine dem Gemeinwohl verpflichtete Nutzung des geistigen Eigentumsrechts ermöglichen. Er ist deshalb ein guter und nach
vorne weisender Kompromiss. Angesichts der Vielzahl
der Stimmen und des wirtschaftlichen Schwergewichts,
mit dem sich diese Stimmen im Gesetzgebungsverfahren
Gehör verschafft und sich für den Schutz des Eigentums
stark gemacht haben, sind wir froh, dass wir den Aspekt
des Gemeinwohls berücksichtigen konnten.
({2})
Lassen Sie mich zwei Punkte, die uns in den vergangenen Wochen besonders beschäftigt haben, hervorheben. Der erste Punkt betrifft § 52 a, die Schrankenbestimmung für Unterricht und Forschung. Niemand
kann ernsthaft bestreiten, dass Bildung und Forschung
gemeinwohlorientiert sind oder zumindest sein sollten.
Niemand bestreitet, dass modernste Formen des SichBildens und des Forschens nur unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten der digitalen Welt eine Zukunft im internationalen und europäischen Wettbewerb
haben.
Mit § 52 a haben wir eine Schranke zugunsten von
Unterricht und Forschung geschaffen, die für die Urheber bzw. Rechteinhaber bedeutet, dass sie in einem eng
begrenzten Rahmen in der Ausübung ihrer Rechte zurückstehen müssen. Sie dürfen nämlich nicht verbieten,
dass Teile ihrer Werke einem begrenzten Kreis von Personen in Intranets - nicht im Internet! - öffentlich zugänglich gemacht werden. Das bedeutet aber nicht, dass
sie auch bei der Frage der Vergütung zurückstehen müssen; denn die Schranke befreit die Nutzer nicht von der
Vergütungspflicht.
Dies ist mitnichten ein „Schlachtfest“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ vorgestern die Katastrophenszenarien
der Kritiker des § 52 a zusammengefasst hat. Die Verleger von wissenschaftlichen Fachbüchern und Zeitschriften werden nicht enteignet. Die Autoren in diesen Verlagen werden nicht ausgeraubt. Die Verlagslandschaft in
Deutschland wird nicht zu einer Wüste. Ich will den Urhebern und Verwertern von dieser Stelle aus sagen: Die
Vorschrift des § 52 a ist im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf bedeutend zu ihren Gunsten eingeschränkt
worden. - Der Kreis derer, die von dieser Vorschrift profitieren können sollen, ist von vorneherein sehr klein.
Wir reden von Schulklassen und kleinen Forscherteams,
die sich in Intranets austauschen. Darüber hinaus ist aber
auch das Ausmaß, in dem Werke öffentlich zugänglich
gemacht werden dürfen, auf Teile von Werken, auf
Werke geringen Umfangs und auf einzelne Beiträge aus
Zeitschriften beschränkt. Auf die Sonderregelungen für
die Schulbücher und den Film ist die Bundesjustizministerin schon eingegangen.
Wir Grüne hätten uns im § 52 a eine weiter gehende
Schranke zugunsten von Wissenschaft und Forschung
gewünscht.
({3})
Deswegen ist dieser Kompromiss für uns das Mindeste,
was wir akzeptieren konnten. Wir gehen davon aus, dass
bei der schon angesprochenen Evaluation die Entwicklung in beide Richtungen untersucht werden wird.
Der zweite Punkt betrifft die Privatkopie. Die Privatkopie - also nicht die Raubkopie - ist im täglichen Leben seit Jahrzehnten anerkannt und wird auch von der
Rechtsprechung gestützt. Wir begrüßen es, dass im Gesetzentwurf ausdrücklich klargestellt wird, dass es die
Möglichkeit der Privatkopie weiterhin geben soll, von
und auf jedem beliebigen Träger. Wir setzen uns dafür
ein, dass Privatkopien auch im digitalen Zeitalter, auch
im täglichen Leben und von allen Werknutzern hergestellt werden können. Dies wird sicherlich eine Aufgabe
für den zweiten Korb werden.
Ich hoffe, dass die Gespräche zur zweiten Urheberrechtsnovelle mit dem gleichen guten Geist, mit dem wir
in den letzten Wochen zusammengearbeitet haben, geführt werden und dass die Interessen der Werknutzer
eine noch größere Berücksichtigung finden werden;
denn - damit will ich gerne schließen - bei aller Achtung
der Interessen der Urheber und der Verwerter geht es am
Schluss doch darum, den Bürgerinnen und Bürgern Wissen und Genuss in einer Form zur Verfügung zu stellen,
die ihre Rechte als Konsumenten und als Subjekte im
Zeitalter der digitalen Kommunikation achtet.
Danke schön.
({4})
Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie
mich mit einer ganz einfachen, aber richtigen Feststellung beginnen: Urheberrechte sind Eigentumsrechte.
Deshalb ist es seit jeher die Politik der FDP, dass das Urheberrecht unter Berücksichtigung dieser Prämisse besonders zu schützen ist und dass im Zentrum aller urheberrechtlichen und politischen Überlegungen stets die
Belange der Rechteinhaber stehen müssen. Diesem Ansatz ist auch die umzusetzende Informationsgesellschafts-Richtlinie verpflichtet, deren Umsetzung das Gesetz dient, welches wir heute hier abschließend beraten.
Es geht dabei nicht lediglich um eine weitere Novelle
des Urheberrechts. Wir stellen heute entscheidende Weichen für den Rechtsschutz kreativer Leistungen in der
digitalen Welt. Die Umsetzung der Informationsgesellschafts-Richtlinie bietet die Chance, das deutsche Urheberrecht um diejenigen zukunftsweisenden Regelungen
zu ergänzen, welche die Schöpfer und die Verwerter urheberrechtlich geschützter Leistungen im digitalen Zeitalter dringend benötigen. Diese Chance wird heute vertan, wenn der Bundestag den von der Bundesregierung
vorgelegten Gesetzentwurf verabschiedet; denn dieser
Gesetzentwurf wird dem Bedürfnis der Kreativen und
der Verwerter nach einem verlässlichen Rechtsschutz in
der Informationsgesellschaft nicht gerecht.
({0})
Zu den zentralen Schwachstellen des Entwurfs gehört
der § 52 a, mit dem auf unverhältnismäßige Weise in die
Verwertungsrechte der Verlage
({1})
und, Herr Tauss, Autoren eingegriffen wird; das ist im
Übrigen mehrfach auch von der CDU/CSU erwähnt
worden.
({2})
Die FDP teilt die Befürchtung der Rechteinhaber - Herr
Tauss, Sie lesen sicherlich auch die vielen Zuschriften -,
dass § 52 a eine existenzbedrohende Beeinträchtigung
der Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke in
den neuen Medien zulasten vor allem kleiner und mittlerer Verlage zur Folge haben wird. Die FDP hat daher gefordert, dass § 52 a ersatzlos gestrichen wird. Bereits das
geltende Recht trägt den Interessen von Wissenschaft
und Lehre hinreichend Rechnung. Den Rechteinhabern
ist auch mit der von der Bundesregierung jetzt angestrebten Befristung des § 52 a nicht gedient. Mit dieser
Befristung wird das schlechte Gewissen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung deutlich,
({3})
die selber Zweifel an der Richtigkeit dieser Bestimmung
haben.
In der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert, bei der Umsetzung der Richtlinie den
Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater
Vervielfältigung gebührend Rechnung zu tragen. Den
Rechteinhabern muss in der digitalen Welt die Herrschaft über ihre Werke zurückgegeben werden. Dieses
Gebot missachtet die Bundesregierung nicht nur in Bezug auf den schädlichen § 52 a. Auch die Regelungen
des Rechts der Privatkopie, Herr Kollege Montag, bleiben ungenügend. Die FDP fordert, dass die Verwendung
einer legalen Quelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von privaten Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke ist.
({4})
Diese Einschränkung wäre ein entscheidender Baustein
- keine Symbolik - zur Verbesserung des Urheberrechtsschutzes und würde ein wichtiges rechtspolitisches Signal bei der Bekämpfung von Missbrauch und Piraterie
setzen.
Was heute im digitalen Bereich unter dem Rubrum
Privatkopie stattfindet, ist in Wahrheit eine existenzielle
Bedrohung der Medienwirtschaft. Nicht nur in der Musikwirtschaft führt die massenhafte Verbreitung illegaler
Vervielfältigungsstücke zu einer massiven Beeinträchtigung des kreativen Potenzials und der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Herr Kollege Krings hat das eingangs sehr genau beschrieben. Trotzdem will er diesem
Gesetzentwurf zustimmen, der eine Vernichtung von
Tausenden von Arbeitsplätzen in der Medienwirtschaft
nach sich ziehen würde.
({5})
Wir Freien Demokraten haben uns beim Urheberrecht
immer um eine breite parlamentarische Übereinstimmung bemüht. Wir hätten das auch diesmal gerne getan.
Aber hier wird in so starkem Maße in die Eigentumsrechte eingegriffen, dass wir diesmal nicht zustimmen
können, obwohl wir uns bei den Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums für die konstruktive Zusammenarbeit ausdrücklich bedanken möchten.
Vielen Dank.
({6})
Ich erteile Kollegen Dirk Manzewski, SPD-Fraktion,
das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute abschließend über den Gesetzentwurf der
Bundesregierung zum Urheberrecht. Hiermit ist das Ziel
verfolgt worden, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie anzupassen. Insbesondere für die Inhaber von Urheber- und Leistungsschutzrechten ist
dieses Vorhaben aufgrund der durch Digitalisierung und
Vernetzung veränderten technischen Rahmenbedingungen von existenzieller Bedeutung.
Wie sehr dies notwendig gewesen ist, hat nicht zuletzt
dieses Gesetzgebungsverfahren gezeigt. Die Anzahl der
betroffenen Medien ist vielfältig und dementsprechend
die in diesem Zusammenhang zu lösenden Probleme.
Hätten wir uns mit all den insoweit aufgeworfenen Fragen bereits jetzt ausführlich auseinander gesetzt, wären
wir in absehbarer Zeit vermutlich zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.
({0})
- Kollege Kampeter, es hat etwa 20 Sekunden bis zu Ihrem ersten Zwischenruf gedauert. Ich danke Ihnen, dass
ich immerhin 20 Sekunden lang ungestört sprechen
konnte.
Deswegen ist es richtig gewesen, jetzt im Wesentlichen nur die Vorgaben der EU-Richtlinie, die Hintergrund der Diskussion gewesen ist, zumindest in entscheidenden Bereichen umzusetzen. Ich meine, dass dies
dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auch bei einem
gerechten Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern
und Nutzern durchaus gelungen ist.
({1})
Einerseits wird zugunsten der Urheber und Leistungsberechtigten das so genannte Recht der öffentlichen
Zugänglichmachung eingeführt. Damit wird verdeutlicht, dass Werke in elektronischen Medien wie dem Internet nur mit Zustimmung der Urheber verwertet werden dürfen.
Andererseits werden auch die so genannten Schrankenregelungen den Erfordernissen des digitalen Zeitalters angepasst und es wird genau bestimmt, in welchen
Fällen es Urheber hinnehmen müssen, dass ihre Werke
auch ohne ihre Zustimmung genutzt werden können.
Das ist aber nichts Neues. Es ist vielmehr Ausdruck der
Sozialverpflichtung, wie wir sie bereits aus dem analogen Bereich kennen. Ich verweise insoweit nur auf § 53
Abs. 3, Kollege Funke, der schon jetzt die Vervielfältigung von kleinen Teilen zum Beispiel eines Druckwerkes für den Schulunterricht oder für Prüfungen zulässt.
Nun haben Sie sicherlich Recht, dass analoge und digitale Technologien nicht zwingend gleichgesetzt werDirk Manzewski
den können. Digitale Technologien - das muss man eingestehen - ermöglichen es eben zum Beispiel durch
Internet oder Intranet, Werke viel leichter, häufiger und
umfangreicher zu verbreiten. Die Gefahr eines stärkeren
Missbrauchs kann deshalb zu Recht nicht völlig ausgeschlossen werden. Ich persönlich - das habe ich auch
schon im Rechtsausschuss ausgeführt - hätte als Rechtspolitiker deshalb keine Probleme damit gehabt, den
§ 52 a weiter einzuschränken.
Aber Politik lebt nun einmal von Kompromissen. Insofern kann ich durchaus nachvollziehen, dass insbesondere unsere Bildungspolitiker Bedenken gegen zu starke
Barrieren für den Zugang zu Information und Wissen haben.
({2})
Denn wer für eine moderne Bildungs- und Forschungspolitik ist - und das sind wir doch eigentlich alle, liebe
Kolleginnen und Kollegen -, der kann die neuen digitalen Möglichkeiten hiervon nicht gänzlich ausschließen.
({3})
Es wäre auch in sich widersprüchlich, Inhalte, die
man für Dritte fotokopieren darf, nicht auch über das Intranet an diese weitergeben zu dürfen.
({4})
Das ist der eigentliche Streitgegenstand. Das, was vielfach suggeriert worden ist, nämlich dass der § 52 a Urheberrechtsgesetz die Rechteinhaber völlig rechtlos
stellt, trifft - so ehrlich sollte man sein - doch nicht zu,
Kollege Funke.
Man muss sich einmal den Wortlaut des Paragraphen
vergegenwärtigen. So dürfen selbst für den Unterrichtsund Forschungsbereich keine ganzen Werke, sondern
nur Teile bzw. kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs oder nur einzelne Beiträge aus Zeitungen
ohne ausdrückliche Einwilligung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, Werke, die ausschließlich für
den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt sind, noch
nicht einmal insoweit.
Filmwerke - auch das ist schon angesprochen worden - dürfen erst nach zwei Jahren frei zugänglich gemacht werden; wobei festzuhalten bleibt, dass auch diese
Nutzungen jeweils nur gegen eine Vergütung erfolgen
dürfen.
({5})
In einem Punkt - auch das muss ich sagen dürfen gehen mir die Zugeständnisse an die Rechteinhaber in
§ 52 a sogar zu weit.
({6})
- Ja, eindeutig. Das kann ich leicht erklären, Kollege
Kampeter. - Warum gerade im Bereich Bildung und Forschung eine Sonderregelung für die Filmwirtschaft geschaffen worden ist, ist mir - auch wenn ich mich damit
möglicherweise mit meinen Kollegen anlege - nicht
ganz erklärlich. Der Missbrauch, der im Filmbereich unbestritten erfolgt und zu erheblichen wirtschaftlichen
Schäden führt, findet nicht gerade im Unterricht an deutschen Schulen und Hochschulen oder im Rahmen der
wissenschaftlichen Forschung statt. In diesem Zusammenhang müssen wir uns doch über andere Bereiche unterhalten.
({7})
- Ich sehe das ein bisschen anders als Sie, Herr Kollege
Kampeter. Ich glaube vielmehr, dass Sie in diesen Bereichen keine Ahnung haben.
({8})
Aber das ist ein anderes Thema.
Um den letzten Bedenken zu begegnen, hat sich die
Bundesregierung dann bereit erklärt, § 52 unter eine
Befristung zu stellen. Der Rechtsausschuss hat darüber
hinaus einen Entschließungsantrag eingebracht, nach
dem auf der Grundlage des Gesetzes kurzfristig auf eigentlich nicht zu erwartende Beeinträchtigungen zum
Beispiel der deutschen Verlage reagiert werden könnte.
Meiner Auffassung nach kann nicht mehr erwartet werden. Insoweit habe ich kein Verständnis für eine pauschale Ablehnung des Gesetzentwurfs, Herr Kollege
Funke. Diese hätte meiner Auffassung nach auch negative Auswirkungen. Es darf nämlich nicht verkannt werden, dass durch § 52 a auch deutlich gemacht wird, was
alles nicht erlaubt ist. Das halte ich für wichtig.
({9})
Einig sind wir uns darüber, dass der Gesetzesentwurf
nicht alle Probleme des Urheberrechts geklärt hat. Dieser
werden wir uns im so genannten zweiten Warenkorb
annehmen. Dann wird es um die Angemessenheit der
Vergütung gehen. Auch die Frage der Privatkopien wird
noch einmal zu erörtern sein, wobei ich mit dem Begriff
„legale Quelle“ etwas vorsichtig wäre.
({10})
Die Anhörung hat auch gezeigt, dass der Begriff erhebliche Probleme birgt, Herr Kollege Kampeter. Das hat die
Anhörung deutlich gemacht. Sie können das im Protokoll nachlesen. Zum Beispiel hat ein Herr Kreuzer darauf hingewiesen, dessen Auffassung schließlich nicht irrelevant ist.
({11})
Wir werden auch noch einmal über die Geräteabgabe
und den elektronischen Pressespiegel diskutieren müssen.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei andere
Punkte ansprechen. Der Kollege Krings, der vor mir geredet hat, ist ein bisschen bissig gewesen. Deswegen
habe ich mich nicht dazu durchringen können, ihm mehr
als einmal zu applaudieren. Ich habe Sie im Laufe der
Diskussion ganz anders kennen gelernt, Herr Kollege
Krings, nämlich sehr ausgeglichen und kompetent.
({12})
- So war er eindeutig. - Ich danke ihm deshalb und natürlich auch den Kollegen Funke und Montag für die
konstruktive Zusammenarbeit und dem BMJ möchte ich
dafür danken, dass wir so frühzeitig wie nur bei wenigen
Gesetzen in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden
worden sind. Ich hoffe, dass das auch bei der Behandlung des zweiten Warenkorbes der Fall sein wird.
Ich danke Ihnen, liebe Kollegen.
({13})
Ich erteile das Wort Kollegin Vera Dominke, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist ja nichts Neues, dass einige in diesem Hause ein etwas
ambivalentes Verhältnis zum Eigentumsbegriff haben.
({0})
Eigentum, Gewinn und Unternehmertum passen nicht in
ein sozialistisch dominiertes Weltbild.
({1})
Ich bin sicher, lieber Herr Kollege Tauss, dass Sie uns das
hier gleich noch wortgewaltig demonstrieren werden.
({2})
Auch ich möchte Ihr Augenmerk, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, noch einmal speziell auf den
§ 52 a richten, der neu in das Urheberrechtsgesetz eingefügt werden soll. Diese Regelung ist wie kaum eine andere in dieser Diskussion zwischen die Fronten geraten.
Es geht hierbei darum, Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen überhaupt es zu erleichtern, für den
Unterricht zu verwendende Werke zu digitalisieren und
online verfügbar zu machen.
Es liegt auf der Hand, dass hierbei die Interessen von
Bildung und Wirtschaft in entgegengesetzte Richtungen gehen. Vor allem Schulbuchverlage und Wissenschaftsverlage sind gegen dieses Vorhaben Sturm gelaufen. Sie fürchten verständlicherweise um den Absatz
ihrer Werke, wenn diese eingescannt und im Intranet als
Lehrmaterial zur Verfügung gestellt werden. Die Bildungseinrichtungen auf der anderen Seite begrüßen
diese Regelung natürlich.
({3})
Für sie wird es erleichtert, die neuen Medien im Unterricht einzusetzen, ohne alle naselang Urheberrechts- und
Lizenzverletzungen zu begehen und ohne sich in jedem
Einzelfall um die Lizenzierung und deren Preis kümmern zu müssen.
Natürlich - das sage ich jetzt als Bildungs- und Forschungspolitikerin - ist das aus der Sicht von Bildung
und Forschung eine feine Sache: Die zunehmende Mittelknappheit und die nicht mehr ausreichende Finanzierung durch den Staat können dadurch ein wenig aufgefangen werden, dass Lehr- und Lernmittel in größerem
Umfang kopiert oder gescannt vervielfältigt und verwendet werden dürfen, ohne dass man sich um eine entsprechende Lizenzierung kümmern müsste.
({4})
- Herr Tauss, Sie dürfen gleich. - Es ist auch verständlich dass Schulen, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen darauf aus sind, Kosten zu sparen, wo immer
es geht. Sie sind es schließlich, die darunter leiden müssen, dass Bund, Länder und Kommunen wirtschaftlich
am Ende sind. Sie werden von den Kürzungen des Bundes im Bildungs- und Forschungsbereich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.
({5})
Sie sind die Leidtragenden, wenn die Kommunen nicht
mehr in der Lage sind, den Sachmitteltopf für ihre Schulen hinreichend auszustatten, weil die rot-grüne Bundesgesetzgebung sie ausgeblutet hat.
({6})
Aber, meine Damen und Herren, es darf doch nicht sein,
dass die Verlage jetzt für die rot-grünen Sünden bezahlen
müssen.
({7})
§ 52 a des Entwurfes zum Urheberrechtsgesetz beinhaltet eine Beschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrechts, des Eigentumsrechts an
veröffentlichten Werken und Beiträgen aus Zeitungen
und Zeitschriften zugunsten der Nutzung im Unterricht
von Bildungseinrichtungen.
({8})
- Den kenne ich wahrscheinlich besser als Sie.
({9})
Wir halten eine solche Beschränkung nicht für erforderlich; denn es gibt auch heute schon ausreichende
Möglichkeiten, Werke zu vervielfältigen und gescannt
ins Intranet einzustellen, ohne die Eigentumsgarantie für
die Verlage zu schmälern. Wenn wir dennoch heute einer
Kompromisslösung zustimmen, so tun wir das im Hinblick darauf, dass es allerhöchste Zeit ist - der Herr Kollege Krings hat das vorhin dargestellt -, die Anpassung
des deutschen Urheberrechts an die europäischen
Rechtsvorgaben über die Bühne zu bringen.
({10})
Der ausgehandelte Kompromiss enthält Komponenten, die die deutliche Handschrift der CDU/CSU-Fraktion tragen.
({11})
So ist die öffentliche Zugänglichmachung ganzer Werke
auf kleine Teile und Werke geringen Umfangs begrenzt
worden.
({12})
Wir haben durchgesetzt, dass auf die Einwilligung des
Berechtigten nicht verzichtet werden darf,
({13})
wenn ein für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmtes Werk öffentlich zugänglich gemacht werden
soll. Schließlich haben wir auf eine Verfallsklausel für
den § 52 a hingewirkt.
Diese Verfallsklausel garantiert, dass der begrenzte
Zeitraum der Gültigkeit des § 52 a genutzt wird, um zu
überprüfen - oder neudeutsch: zu evaluieren -, wie sich
die Regelung auf die betroffenen Verlage auswirkt, und
um gegebenenfalls kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn sich eine Gefährdung abzeichnet.
Henry Kissinger hat einmal gesagt:
({14})
Ein Kompromiss ist nur dann gerecht,
- Herr Tauss, hören Sie genau zu brauchbar und dauerhaft, wenn beide Partner damit
gleich unzufrieden sind.
Ludwig Erhard hat das positiv formuliert:
Ein Kompromiss, das ist die Kunst, einen Kuchen
so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte
Stück bekommen.
Hoffen wir, dass sich der Kompromiss zum Urheberrecht als für die Praxis erträglich erweist, sei es im Sinne
Erhards oder im Sinne Kissingers.
Herzlichen Dank.
({15})
Ich erteile Jörg Tauss, SPD-Fraktion, das Wort.
({0})
Es muss sein, weil ich heute ausnahmsweise im Gegensatz zur FDP in einem Punkt freundlich zu Ihnen sein
werde. Freuen Sie sich auf dieses Erlebnis!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin
Zypries hat völlig Recht: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen wir einen weiteren Schritt in Richtung
eines modernen Urheberrechts für das digitale Zeitalter.
Ich begrüße den Kompromiss aus Sicht der Arbeitsgruppen „Kultur und Medien“ und „Bildung und Forschung“.
Ich begrüße den Kompromiss, der für die Bereiche Film
sowie Bildung und Forschung gefunden worden ist, auch
wenn ich hier ganz ehrlich sagen muss: Ich hätte mir bezogen auf den § 52 a ein größeres Kuchenstück gewünscht.
Wir sind auf die Verlage zugegangen und haben ihre
Interessen im Wesentlichen in die Debatte eingebracht.
Wenn wir, lieber Kollege Krings, Ihrem Vorschlag gefolgt wären, die EU-Richtlinie eins zu eins umzusetzen,
wie sie sich aus dem Text ergibt, wäre genau das eingetreten, was jetzt wortreich begründet worden ist und zu
Ihrer Zustimmung zum Kompromiss geführt hat: Es
wäre erheblicher Schaden für die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft, den wir ja gerade abwenden wollen,
eingetreten. Aus diesem Grunde brauchen wir § 52 a,
nur deshalb haben wir uns über einen Kompromiss unterhalten.
({0})
Dabei geht es überhaupt nicht ums Sparen; das ist
überhaupt nicht die Frage. Wenn es um Einsparungen
ginge, hätten wir den Gemeinden heute Morgen nicht
6 Milliarden Euro weggenommen. Wir haben Ihr destruktives Verhalten im Vermittlungsausschuss zur
Kenntnis genommen.
({1})
6 Milliarden Euro werden den Schulen und Kommunen
aufgrund Ihrer Klientelpolitik, die Sie aus fadenscheinigen Gründen durchsetzen wollen, fehlen, um ihre Zukunft zu gestalten. Ums Sparen geht es hier weiß Gott
nicht, meine Damen und Herren.
({2})
Es geht darum, die modernen Kommunikationsmittel
auch im Unterricht nutzen und die Möglichkeiten der
neuen Kommunikationsformen in den Schulen entfalten
zu können. Das ist der Punkt, um den es geht. Aus diesem Grunde haben wir mit Ihnen um diesen Kompromiss gerungen.
Wir haben gerade in unserer Arbeitsgruppe „Kultur
und Medien“ die notwendigen Auseinandersetzungen
stellvertretend geführt. Ich bin allen Seiten dankbar, dass
sie bereit waren, an den Kompromissen mitzuwirken.
Ich habe Ihnen vorhin angekündigt, Herr Kollege
Krings, dass ich Ihnen nicht allzu sehr schaden will, indem ausgerechnet ich Sie lobe, aber immerhin habe ich
konstatiert, dass Sie sich bemüht haben, konstruktiv an
diesem Kompromiss mitzuwirken. Aus diesem Grund
auch der Dank an dieser Stelle. Ich hoffe, für den zweiten Korb ist dieses ein gutes Zeichen.
({3})
Ich halte die gefundene Lösung nicht nur für tragbar,
sondern für den Bildungs- und Forschungsstandort und
für die Rechtssicherheit an Schulen und Hochschulen für
unverzichtbar. Sie haben die Stimmen der Verlage eingebracht, die wir sehr ernst genommen haben.
({4})
Ich bitte, das Votum der Kultusministerkonferenz, das
einstimmig war, zur Kenntnis zu nehmen. Dann hätte ich
die Bitte, dass Sie die Stimme der Hochschulrektorenkonferenz und alle Stimmen der wissenschaftlichen
Fachvereinigungen zur Kenntnis nehmen. Das waren
nämlich die anderen Stimmen, auf die wir selbstverständlich auch hören wollten.
Sie haben gesagt, wir würden wegen der Befristung
dem § 52 a nicht trauen. Nein, Kollege Montag hat völlig Recht. Diese Evaluierung, die wir nicht scheuen, ist
nach allen Richtungen offen. Sie wird die Interessen der
Verlage berücksichtigen, wir werden aber auch sehr
sorgfältig schauen, wie die Auswirkung auf Bildung und
Forschung ist. Es ist legitim, dass wir das in beide Richtungen tun.
Im Hinblick auf den zweiten Korb erlauben Sie mir
bitte, einen Blick auf die Desinformationskampagne zu
werfen, der leider auch der Kollege Funke zum Opfer
gefallen ist. Ich würde Ihnen empfehlen, Herr Kollege
Funke, einfach noch einmal den Kommentar von
Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte in ihren ursprünglichen
Berichterstattungen etwas daneben gelegen. Aber jetzt
hat Prantl geschrieben und für die „Süddeutsche Zeitung“ wenigstens ein bisschen die Kurve gekriegt. „Ein
Blick ins Gesetz - ich zitiere ihn - erleichtert die Rechtsfindung. Und dabei ergibt sich: Die Panik ist unbegründet.“ Lieber Kollege Funke, Sie haben Panik gemacht,
indem Sie den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen an die Wand gemalt haben. Recht hat Prantl: Sie ist
unbegründet und es war eine unverantwortliche Kampagne.
({5})
Besonders putzig fand ich ein Schreiben in gewählter
Form des Wirtschaftsattachés der US-Botschaft, das uns
dieser Tage erreicht hat und der uns darum gebeten hat,
wir möchten doch bitte den § 52 a nicht verabschieden.
Erstens habe ich den Eindruck, dass unsere amerikanischen Freunde im Moment offensichtlich mit Sorgen anderer Art so überfrachtet sind, dass sie nicht richtig gelesen haben.
Ich muss aber sagen: Mich empört dieser Vorgang
durchaus. Wenn ich mir nämlich einen Blick ins amerikanische Recht gestatte, nämlich in den TEACH-Act
vom Juni 2001, dann stelle ich fest, dass das amerikanische Recht wesentlich über das hinausgeht, was wir
heute hier verabschieden. Also, die Forderung aus den
USA, wir möchten bitte den § 52 a zurückziehen, ist
meines Erachtens nicht korrekt.
({6})
Die Ankündigung einiger Verlage, sie gingen ins Ausland, bevorzugt in die USA, kann ich nur so kommentieren: Viel Vergnügen. Dann sind sie dem amerikanischen
Recht unterworfen und hier haben sie das Glück, dem
§ 52 a unterworfen zu sein, der für die Verlage wesentlich günstiger ist.
({7})
Ich hoffe, dass diese unsägliche Kampagne, in die deutsche Universitätsprofessoren mit gefälschten E-Mails hineingezogen wurden -
Kollege Tauss, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Krings?
Ich dachte, Sie wollten mich gerade an meine Redezeit erinnern und war ganz erschrocken, Herr Präsident.
Noch nicht.
Selbstverständlich gestatte ich eine Zwischenfrage
des Kollegen Krings. Bitte schön, Herr Kollege Krings.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Tauss. Zunächst einmal
können Sie sich bei mir bedanken, dass ich Ihnen dadurch noch ein paar Sekunden zusätzliche Redezeit verschaffe.
Sie haben eben das interessante Thema der amerikanischen Rechtslage angesprochen. Sind Sie bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, dass der von Ihnen zitierte
TEACH-Act zwar in einigen wenigen Punkten etwas
über den § 52 a des neuen deutschen Urheberrechts hinausgeht, in vielen anderen Punkten aber sehr viel enger
gefasst ist und vor dem Hintergrund einer anderen
Rechtslage entstanden ist, die viele Schranken wie das
Zitatrecht, die wir im deutschen Recht haben, gerade
nicht kennt?
Danke schön.
Herr Kollege Krings, Sie haben Recht. Ich wollte - weiß
Gott nicht - das amerikanische Recht nicht eins zu eins als
Vorbild für uns darstellen.
({0})
Ich habe im Zusammenhang mit dem § 52 a, der der entscheidende Gegenstand der Debatte war, über das amerikanische Recht gesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen,
dass an dieser Stelle das amerikanische Recht - ich rede
jetzt nicht von Musik, vom Film oder von anderen Bereichen - in der Tat wesentlich weiter geht als das, was wir
im § 52 a verabschiedet haben. Das ist klar. In anderen
Punkten konzediere ich, dass dort die Lobby etwas erfolgreicher war als in anderen Bereichen. Da haben Sie
völlig Recht.
({1})
Ich komme zum Schluss.
({2})
- Das macht mir Freude: Erst provozieren Sie Zwischenfragen und dann klatschen Sie, wenn ich zum Schluss
kommen möchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es ist
interessant, festzustellen, dass keine Ihrer Bildungspolitikerinnen mehr anwesend ist. Frau Pieper, Ihre bildungspolitische Sprecherin, ist gegangen, als Herr Funke
begonnen hat zu reden. Das ist bezeichnend für Ihre
Spaltung.
({3})
Sie behaupten außerdem, dass Sie die Partei des
Eigentums seien. Das sind wir auch. Aber wir sind zugleich die Partei, die das Eigentum verpflichtet. Beides
gehört zusammen.
({4})
Sie haben mit Ihren Lippenbekenntnissen zur Bildungs- und Forschungspolitik im vergangenen Wahlkampf und Ihrer heute bekundeten Absicht, gegen den
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts zu stimmen
- noch können Sie sich korrigieren -, endgültig bewiesen, dass Sie mit Bildung, Wissenschaft, Forschung und
technologischer Leistungsfähigkeit in diesem Land
- wahrscheinlich hockt deswegen der Kollege Gerhardt
so peinlich berührt in der letzten Reihe ({5})
nichts am Hut haben. Das müssen Sie sich heute noch
einmal vorwerfen lassen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche schöne Ostern.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu
den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember 1996 über Ur-
heberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger,
Drucksache 15/15. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 15/837, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal-
tungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
tung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist einstimmig angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des
Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, Druck-
sache 15/38. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 15/837, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun-
gen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/
Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist damit mit der gleichen Mehrheit wie zuvor gegen die
Stimme des Kollegen Nooke angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Hofbauer, Dirk Fischer ({0}), Eduard
Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Verkehrsinfrastruktur auf EU-Osterweiterung
vorbereiten
- Drucksache 15/467 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({1})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des
Bundesfernstraßengesetzes ({2})
- Drucksache 15/409 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({3})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Tourismus
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Präsident Wolfgang Thierse
Ich bitte diejenigen, die der Aussprache nicht folgen
wollen, den Plenarsaal möglichst geräuschlos zu verlassen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Klaus Hofbauer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Der 1. Mai 2004 ist ein wichtiges Datum für
Europa. Die Osterweiterung ist ein weiterer historischer
Meilenstein auf dem Weg zur Einigung unseres Kontinents. Damit erfolgt ein entscheidender Schritt zur
Sicherung von Demokratie, Freiheit und wirtschaftlicher
Stabilität. Dieser Einigungsprozess muss aber aktiv und
zukunftsorientiert gestaltet werden.
({0})
Zentrale Bedeutung hat dabei eine intakte Verkehrsinfrastruktur. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Einigung Europas ohne eine weiter verbesserte Verkehrsinfrastruktur für Straße, Schiene sowie Wasser- und
Luftverkehrswege erheblich erschwert wird.
({1})
Ich möchte sogar die These aufstellen: Die Osterweiterung droht zu scheitern, wenn die Verkehrsinfrastruktur
nicht entsprechend vorbereitet wird.
({2})
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren,
muss der neue Bundesverkehrswegeplan entscheidende
Akzente bei der Osterweiterung setzen.
({3})
Darüber hinaus sind viele weitere Schritte erforderlich,
um die neuen Herausforderungen zu bewältigen.
({4})
Ich möchte hier feststellen: Rot-Grün hat diesem Thema
bisher nur geringe Bedeutung beigemessen.
({5})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte
die Wiedervereinigung Deutschlands nicht mit der
Osterweiterung vergleichen. Im Verkehrsbereich gibt es
jedoch wesentliche Parallelen. Bei der Wiedervereinigung war es die große Leistung der Regierung Helmut
Kohl, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ aufzulegen und sie vor allen Dingen auch umzusetzen. Sollte
die Erweiterung Europas gelingen, dann müssen diese
Projekte durch Projekte „Osterweiterung“ ergänzt
werden. Das ist die zentrale Forderung des Antrags der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, über den wir heute beraten.
({6})
In den letzten fünf Jahren konnte ich keine zukunftsorientierte Weichenstellung von Rot-Grün sehen. Die
Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ wurden nicht konsequent genug umgesetzt. Erst recht gab es keine Initiativen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Hinblick auf die EU-Osterweiterung. Das Gegenteil ist der
Fall. Man hat sogar den Eindruck, dass Rot-Grün meint,
die Osterweiterung komme erst im Jahr 2015.
({7})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Forderungen der CDU/CSU wurden von der Bundesregierung
bisher nicht gehört.
({8})
Deswegen sind erhebliche Versäumnisse aufgetreten.
({9})
Im vergangenen Jahr lehnte Rot-Grün den Antrag der
Union mit dem Titel „Deutsche Verkehrsinfrastruktur
auf EU-Osterweiterung vorbereiten“ ab.
({10})
Im Juli 2002 teilte der damalige Staatssekretär, Herr
Hilsberg, mit, dass es keiner Verkehrsprojekte „EU-Osterweiterung“ bedarf. Meine schriftliche Anfrage vom
Oktober 2002, ob wir Verkehrsprojekte „Osterweiterung“ benötigen, wurde mit einem einzigen Wort beantwortet: Nein.
({11})
Im Oktober letzten Jahres wurde also gesagt, dass wir sie
nicht brauchen.
({12})
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Herr
Stiegler, der heute bei dieser Debatte leider Gottes fehlt,
obwohl er ja für Verkehrsfragen zuständig ist,
({13})
hat noch vor drei Wochen bei der IHK ganz klipp und
klar gesagt: Solche Initiativen brauchen wir nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, umso erstaunlicher und erfreulicher ist es, dass im Referentenentwurf für den Bundesverkehrswegeplan jetzt plötzlich Projekte „EU-Osterweiterung“ auftauchen.
({14})
Das begrüßen wir. Denn es ist ein erster Erfolg der
Union, zu dem es gekommen ist, weil wir diese Forderungen ständig aufgestellt haben.
({15})
Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich insbesondere
bei den Kollegen der FDP bedanken, weil auch sie immer wieder dieses Thema angesprochen haben.
({16})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden
es der Regierung nicht so leicht machen, dass sie ein
paar Projekte, die sowieso im vordringlichen Bedarf im
Anhang festgeschrieben sind, plötzlich als eigene Liste,
als Verkehrsprojekte „Osterweiterung“, darstellen kann.
Wir werden die nächsten Wochen nutzen,
({17})
damit in diesem Verkehrswegeplan ein eigenes Konzept
und eine eigene Strategie für die Verkehrswege der EUOsterweiterung untergebracht werden.
Ich möchte einen konkreten Punkt ansprechen. Ihr
Entwurf enthält nur einen einzigen Bereich, für den kein
vordringlicher Ausbau vorgesehen ist: die Strecken von
B 85 und B 20. Es ist doch unlogisch, wenn man im Text
angibt, für sie sei ein vordringlicher Bedarf gegeben, obwohl das in der Anlage so nicht erwähnt wird. Dieser
Widerspruch muss aufgearbeitet werden.
({18})
Warum kämpfen wir so für diese Projekte? Dabei geht
es nicht nur um die Verkehrsprobleme in den Grenzregionen, sondern auch um Verkehrsprojekte in ganz
Deutschland. Mir liegt ein hochinteressanter Bericht der
Handelskammer Hamburg vor. Herr Kollege Dirk
Fischer, Sie brauchen keine Angst zu haben: Ich will
nicht in Hamburg kandidieren, weil ich den schönsten
Wahlkreis in ganz Deutschland - er liegt in Ostbayern habe.
({19})
Die Handelskammer Hamburg hat die Problematik des
Verkehrs im Rahmen der Osterweiterung in hervorragender Art und Weise herausgearbeitet. Das erfordert politische Konsequenzen.
Ich möchte des Weiteren feststellen - das ist der entscheidende Grund, warum wir in diesem Bereich Akzente brauchen -: Die Verkehrszunahme im Rahmen
der Osterweiterung wird dramatisch sein. Das Bundesverkehrsministerium signalisiert uns, dass die Zunahme
des normalen Verkehrs in Deutschland insgesamt bis
2015 bei 20 Prozent und des Güterverkehrs bei 65 Prozent liegen wird. Eine solche Prognose ist noch nie unterschritten, sondern sie ist immer überschritten worden.
({20})
Auch die Fachverbände, mit denen wir Kontakt haben, prognostizieren im Zusammenhang mit der Osterweiterung eine Steigerung des Güterverkehrs bis 2015
von 200 Prozent. Man sagt uns immer wieder: Bei dem
Wert 200 Prozent geht man von einem relativ niedrigen
Stand aus. Man muss aber bedenken, dass diese Berechnungen aus dem Jahre 1997 stammen. Darin ist also die
Zunahme des Verkehrs, die aus der Öffnung der Grenzen
im Jahre 1990 resultierte, berücksichtigt. Der Güterverkehr hat bereits bis 1997 dramatisch zugenommen.
({21})
- Mein Gott, Herr Kollege, ob etwas bis 2012 oder 2015
geht, ändert am grundsätzlichen Problem und am grundsätzlichen Anliegen der CDU/CSU-Fraktion nichts.
({22})
Sie sind der CDU/CSU-Fraktion bereits schrittweise
entgegengekommen. Sie haben bestimmte Projekte in
diesen Entwurf mit aufgenommen. Sie sagen immer wieder, es handele sich um einen Referentenentwurf, bei
dem die Politik bisher nichts zu sagen gehabt habe. Aber
gestaltet wurde er letzten Endes von der Politik, weil
selbst der Bundeskanzler bestimmte Straßenbauprojekte
vorgegeben hatte usw. Fakt ist, dass wir diese Projekte
verstärkt initiieren müssen.
Ich möchte nur kurz auf die Bahn eingehen. Aus unserer Sicht sind die Bahn und die Straße gerade im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Verkehr gleichwertig zu behandeln. Was aber macht Rot-Grün?
({23})
In Tschechien, in der Nähe zur deutschen Grenze und damit zu meinem Wohnort, werden pro Monat 12 000 Tonnen Zement von der Schiene auf 600 LKWs verlagert.
Das ist so, weil die Bahn nicht konkurrenzfähig ist; es ist
also ein Ergebnis der Verkehrspolitik von Rot-Grün.
({24})
Die Politik muss grenzüberschreitende Projekte mitinitiieren.
Ich darf herzlich darum bitten, unsere Forderungen zu
unterstützen, neue Akzente zu setzen, vor allen Dingen
in der Aussprache in den nächsten Wochen und Monaten. Unterstützen Sie unseren Antrag! Er ist eine Initiative zur Lösung der Verkehrsprobleme im Rahmen der
EU-Osterweiterung.
Herzlichen Dank.
({25})
Ich erteile dem Kollegen Rainer Fornahl, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Hofbauer, vielen Dank für die freundliche Assistenz bei
der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur sowohl in
Deutschland als auch in Europa; ich glaube aber, dass
wir selbst wissen - wir haben das in den Jahren seit 1998
deutlich genug gezeigt -, wo Akzente gesetzt werden
müssen und wohin Schwerpunkte kommen müssen. Das
Beispiel, das Sie gebracht haben, nämlich mit den
12 000 Tonnen Zement, die vom Waggon auf den Lkw
geladen werden, ist genau richtig. Wir haben dieses Problem erkannt und aufgegriffen.
({0})
Wir geben für die Schiene wesentlich mehr Geld aus, als
Sie in den Jahren zuvor zusammen dafür ausgegeben haben. Wir liegen mit unserer Politik richtig und deswegen
werden wir sie auch fortführen.
({1})
Wir reden heute auch über ein durchaus europapolitisches Thema. Sie haben es angesprochen: 2004 wird die
EU zehn neue Mitglieder haben. An dieser Stelle darf
man wohl mit einem Satz erwähnen, dass vorgestern das
Europäische Parlament mit sehr großer Mehrheit den
Beitrittsverträgen für alle zehn Kandidaten zugestimmt
hat und damit eine wesentliche Hürde auf dem Weg zur
Vereinigung und Vertiefung Europas genommen ist. Das
ist, denke ich, einen Applaus von uns allen für das Europäische Parlament wert.
({2})
Damit sind wir natürlich sofort - ohne Frage - bei den
Problemen des Zusammenwachsens der Märkte und der
zu schaffenden Verkehrsachsen. Die Zahlen und Fakten
sind bekannt und stellen eine große Herausforderung für
Deutschland dar und insbesondere - das wollen wir dabei nicht vergessen - natürlich auch für die neuen Mitgliedsländer.
Die EU-Mitgliedsländer haben gemeinsam mit den
Kandidaten schon Anfang bis Mitte der 90er-Jahre zehn
Hauptverkehrsachsen definiert, transeuropäische Korridore, die Europa verkehrsinfrastrukturell vernetzen
sollen. Für uns sind die Korridore II, III und IV von besonders großer Bedeutung. Auf diese muss sich der Ausbau der Infrastruktur konzentrieren; denn wir müssen
Verkehr bündeln, um ihn vernünftig organisieren zu können und um die Ströme bewältigen zu können. Es nützt
gar nichts, von Mecklenburg-Vorpommern bis nach Bayern alle 10 Kilometer irgendwo einen Grenzübergang zu
haben und einen, zwei oder drei Lkw fahren zu lassen.
Wir müssen bündeln, Straße und Schiene bündeln, und
genau das tun wir mit unserer Politik.
({3})
Diese Korridore auch über die Grenzen hinweg fortzuführen und die Projekte dort zu unterstützen und zu
fördern ist eine Hauptaufgabe. Das muss die Devise sein.
Da gibt es auch noch Handlungsbedarf bei der Europäischen Gemeinschaft - das muss man durchaus einmal
sagen -; denn was bisher über Interreg und PHARECross-Border an Unterstützung für diese Projekte läuft,
löst die Probleme nicht. Bis nach dem Beitritt die Mittel
aus den Strukturfonds stärker fließen, vergeht viel Zeit.
Wir haben diese Zeit nicht. Möglicherweise lassen sich
auch andere Finanzierungen organisieren.
Über die Verkehrspolitik der Regierung Kohl ist
schon gesprochen worden.
({4})
Es ist wohl nicht zu verkennen, dass der Bundesverkehrswegeplan 1992/2012 mit Blick auf die EU-Erweiterung gerade bei der Schiene große Versäumnisse
aufweist.
({5})
- Nicht ein einziges Projekt in diesem Plan ist bis zur
Grenze geführt, Herr Friedrich! Wir machen damit
Schluss.
Die EU-Initiativen TINA und TEN und unser Kapitel „Stärkung der Verkehrsinfrastruktur in einem erweiterten vereinten Europa“ auf den Seiten 25 und 26 des
Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans sind genau die
Antwort auf die Fragen, die gestellt sind. Das ist die Lösung des Problems. Das machen wir. Der Entwurf des
Bundesverkehrswegeplans 2003 entspricht dem ganz genau.
({6})
Ich will noch einige konkrete Projekte nennen. Bei
der Schiene sind es: Berlin-Stettin, Berlin-Frankfurt/
Oder, Dresden-Görlitz und Nürnberg-Prag.
({7})
Bei der Straße sind es die A 20, die B 87, die B 178 neu,
die A 17 und die A 6 in Bayern. Das geht also von
Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Als sächsischer
Sozi darf ich mit Freude vermelden - Sie erlauben mir
das -, dass von den 16 Projekten immerhin 56 Prozent
für Sachsen vorgesehen sind; denn Sachsen hat nun einmal die längste Grenze zu Tschechien und zu Polen.
Es reicht nicht aus, die Anträge, die Sie hier angeführt
haben - den Antrag vom letzten Jahr, den Antrag zur
Förderung der Grenzregionen und einige andere mehr -,
immer wieder neu zu stellen. Weil sie nicht zielführend
sind, sind und bleiben sie überflüssig.
({8})
Der Parlamentarische Staatssekretär Großmann hat
Ihnen am Mittwoch in der Fragestunde ein Angebot gemacht. Sie können beantragen, dass die Projekte, von denen Sie meinen, sie müssten noch in den Plan hinein,
aufgenommen werden, natürlich im Austausch mit anderen; denn wir haben einen Plafond, den wir nicht überschreiten können, wenn wir auch in Zukunft verantwortliche Haushaltspolitik machen wollen. Reden Sie mit
Herrn Großmann, bringen Sie Ihre Vorschläge ein, nehmen Sie Ihre Landesregierungen mit. Dann lassen sich,
wie ich glaube, durchaus noch vernünftige Lösungen
finden, nachdem Sie auch uns davon überzeugt haben,
dass noch etwas mehr getan werden muss. Das ist genau
der richtige Weg. So sollten wir mit den Problemen umgehen. Wir sind mit dem Bundesverkehrswegeplan auf
dem richtigen Weg; mit ihm wird das erreicht, was im
Hinblick auf Europa infrastrukturell gemacht werden
muss. Diesen Weg sollten wir deshalb auch gemeinsam
gehen.
Wir haben - erlauben Sie mir diese Anmerkung bzw.
diese Bitte noch - insbesondere im Bereich des Schienengüterverkehrs in den nächsten Jahren erhebliche
Potenzialzuwächse zu erwarten. Gerade heute hat sich
eine Initiative zur Rettung des Bahnwerkes Delitzsch
gegründet; insgesamt acht Werke sind in Deutschland
wegen derzeitiger Überkapazitäten von Schließung bedroht. Die Perspektiven der Bahn im Zuge der europäischen Erweiterung, die auch einen Mehrbedarf beim
rollenden Material hervorbringen wird, sollten für uns
alle gemeinsam - die Bundesregierung, den Bundestag,
die Landesregierungen und die Landesparlamente sowie
insbesondere die Deutsche Bahn AG - Anlass sein, alle
Anstrengungen zu unternehmen, den Bahnwerken von
Delitzsch bis Zwickau eine Perspektive zu geben. Unterstützen Sie das mit; auch das wäre, wie ich glaube, ein
Schritt hin auf Europa.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({9})
Ich erteile das Wort Kollegen Joachim Günther, FDPFraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Fornahl, sicher könnten wir über
die Zusammenhänge und die Relationen zwischen Bahn
und Straße bei den Investitionen lange diskutieren, aber
darum geht es heute nicht in erster Linie. Ein Faktum besteht aber: In den letzten drei Jahren sind die Tonnagen
auf der Schiene trotz Ihres deutlichen Engagements in
diesem Bereich deutlich zurückgegangen.
Heute stehen hier zwei Vorlagen zur Diskussion. Den
Gesetzentwurf - das ist das Gesetz zur Änderung des
Bundesfernstraßengesetzes - möchte ich als typisch
deutsch bezeichnen. Wir alle sprechen von zu langen
Planungszeiten und fordern kürzere Bauzeiten und
mehr Flexibilität; hier soll aber so ganz nebenbei die
Gültigkeit von Planfeststellungsverfahren auf 15 Jahre
ausgedehnt werden. Meine Damen und Herren, das ist
nicht mehr zeitgerecht. Ich bin der Meinung, dass man
innerhalb von zehn Jahren nach Planfeststellung auch
eine Straße bauen kann. Da braucht man nicht zu warten,
bis 15 Jahre vergangen sind, da ist nämlich in einigen
Gebieten schon alles vorüber.
({0})
Der Antrag der CDU/CSU, die Verkehrsinfrastruktur
auf die EU-Osterweiterung vorzubereiten, ist von hoher
wirtschaftlicher, aber auch von hoher verkehrspolitischer
Bedeutung. Die Zahlen über die Zunahme der Verkehrsströme ab 2004 sind allen bekannt. Die Steigerung
der letzten Jahre kann man an den Istzahlen ablesen.
Herr Kollege Hofbauer hat hier einige Beispiele genannt.
Wir wissen, wie extrem der Verkehr in bestimmten
Regionen zugenommen hat. Wir haben damals in
Deutschland die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“
innerhalb von zwei Jahren auf den Weg gebracht: In
zwei Jahren wurde geplant, wurden Entscheidungen gefällt und mit dem Bau begonnen.
Europäische Hauptverkehrsströme aber - dieser Vorwurf ist nicht nur auf die Gegenwart bezogen, sondern
das muss man auf längere Frist sehen - werden meines
Erachtens nach wie vor bei den aktuellen Planungen
nicht berücksichtigt. Hinzu kommt auch ein interessanter
Punkt aus der Sicht der Wirtschaft selbst: Das sind die
Straßenanbindungen und Grenzübergänge in den
grenznahen Räumen zu Tschechien und Polen. In zwei
Jahren wird nämlich die Kooperation zwischen kleinen
Betrieben und insbesondere Handwerksbetrieben und ihren Partnern in den osteuropäischen Ländern extrem zunehmen. Das bedeutet, dass dann auch ein Handwerksmeister mit dem LKW schnell mal über die Grenze nach
Polen oder Tschechien fährt. Wer die derzeit stundenlangen Wartezeiten von LKWs und die Entfernungen von
LKW-Übergängen - das kann man sich auf der Landkarte anschauen - mit den Zuständen an den Grenzen
nach Westeuropa vergleicht, wird einsehen, dass dringend etwas geschehen muss.
({1})
Wenn man in diesem Sinn den Blick auf den Bundesverkehrswegeplan richtet, zeigt sich deutlich, dass er in
seiner jetzigen Form diese Probleme nicht lösen kann.
Zwar ist bekanntermaßen der Punkt 4.1 eingeführt worden, aber er beinhaltet im Prinzip nur Projekte, die sowieso in der Planung waren und nur fortgeschrieben
werden und jetzt höchstens einen neuen Stellenwert und
neue Bedeutung bekommen. Er schließt aber nicht die
Lücken, die in diesem Straßensystem insgesamt vorhanden sind.
({2})
Natürlich weiß ich, dass man in diesem Zusammenhang auch die polnischen und die tschechischen Partner
braucht. Uns allen ist bekannt, dass die tschechischen Partner nicht immer - ich drücke es einmal vornehm aus - gerade flexibel sind, wenn es darum geht, solche Verbindungen abzustimmen und sie schnell auf den Weg zu bringen.
Aber - das ist das Entscheidende - die europäische Einheit steht vor uns. Deshalb müssen wir in dieser Richtung handeln und können nicht mehr warten.
Dabei ist ein weiterer wesentlicher Punkt die Verantwortung der einzelnen Bundesländer. Auch das sollte
man nicht verschweigen. Ich möchte hier zwei Beispiele
aus Sachsen nennen.
Das erste Beispiel ist die Anbindung der A 4, die
mein Kollege von den Grünen sicherlich aus täglichem
Erleben kennt. Rund um Löbau ist sie vierspurig
Joachim Günther ({3})
ausgebaut, dahinter und davor steht man im Stau. In einigen Gemeinden streitet man sich kleinkariert über die
Streckenführung. Die große Masse ist frustriert, dass es
nicht weitergeht und sie im Stau steht. Deshalb finde ich
wichtig, dass in dem Antrag steht, dass das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz und das Planvereinfachungsgesetz in den zukünftigen Planungen Berücksichtigung
finden. In diesem Punkt sollte man noch weiter gehen,
indem man zum Beispiel die Verbandsklage herausnimmt. Wir können nicht mehr warten.
({4})
Als zweites Beispiel nenne ich die Erschließung im
unmittelbaren Grenzgebiet. Ich sehe die Anbindung an
die Grenze und die Erschließung relativ gleichberechtigt; denn mit der Erschließung leisten wir einen wichtigen Beitrag für die unmittelbare Grenzregion. Wenn zum
Beispiel im Erzgebirge nicht umgehend Anbindungen
geschaffen werden, werden weitere Arbeitsplätze abwandern; es wird zu einer Entvölkerung in dieser Region
kommen. Das heißt, wir müssen das Ganze sowohl wirtschaftlich als auch mit Blick auf die Erweiterung der EU
sehen. Wir müssen jetzt die Chance nutzen und dürfen
nicht fünf Jahre warten.
({5})
Wir müssen schnell und unbürokratisch handeln und
den Zusammenhang zwischen der EU-Osterweiterung
und den Arbeitsplätzen sehen. Wir brauchen Verfahren,
die nicht erst in 15 Jahren abgeschlossen werden, sondern unmittelbar umgesetzt werden und die die Bevölkerung vor Ort, die durch den Transitverkehr belastet ist
oder eine schlechte Anbindung an die Bundesautobahn
hat, täglich spürt. Wir sind bereit, zu handeln. Wir finden
den Antrag der CDU/CSU gut und werden ihn unterstützen. Ich hoffe, wir werden im Ausschuss gemeinsam
noch schnellere Verfahren finden.
({6})
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Hettlich, Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die EU-Osterweiterung ist eine große Chance
für Gesamteuropa und für die ostdeutschen Bundesländer, denen ihre historisch gewachsenen und bestehenden
Kontakte und Kenntnisse gewiss zugute kommen werden.
Aber die EU-Osterweiterung stellt zugleich eine
große Herausforderung für die Verkehrsinfrastruktur dar.
Ich bin zwar nicht der Ansicht, dass die im CDU/CSUAntrag prognostizierten Zuwachszahlen im Güterverkehr von bis 200 Prozent tatsächlich eintreten werden;
dennoch werden wir uns erheblichen Steigerungsraten
stellen müssen.
Unmittelbar berührt sind wir beim grenzüberschreitenden Verkehr zu unseren direkten Nachbarn Polen und
Tschechische Republik. Aber es geht auch um den Ausbau der Infrastruktur in Richtung baltische Staaten, Slowakei, Ungarn und Slowenien. Deswegen ist es wichtig,
dass der Ausbau der transeuropäischen Netze weiter
vorangetrieben wird.
Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die
zu bewältigenden Verkehrsströme nicht einseitig zulasten der Straße abgewickelt werden, sondern dass das
vorhandene Schienennetz in ein leistungsfähiges und
starkes europäisches Schienennetz überführt wird.
({0})
Hier gibt es zurzeit noch große Unterschiede zwischen
den einzelnen Beitrittsstaaten, wobei mir insbesondere
der kürzliche Besuch einer ungarischen Delegation und
deren Aussagen zum Schienennetz positiv in Erinnerung
geblieben sind. Daher sollten wir gemeinsam unterstützen, fördern und fordern, dass sowohl auf polnischer als
auch auf tschechischer Seite der Erhalt und der Ausbau
des Schienennetzes nicht dem Ausbau des Fernstraßennetzes untergeordnet werden.
({1})
Die rot-grüne Bundesregierung hat sich ihrer Verantwortung gestellt und im vorliegenden Referentenentwurf
zum Bundesverkehrswegeplan für die EU-Osterweiterung wichtige Strecken in den vordringlichen Bedarf
aufgenommen. Ich nenne die Ausbaustrecke Berlin-Frankfurt/Oder-Grenze Polen, die Ausbaustrecke
Dresden-Görlitz-Grenze Polen, die Ausbaustrecke Hoyerswerda-Horka-Grenze Polen, die eine große Bedeutung für den Güterverkehr zwischen Deutschland und
Polen haben wird, die Ausbaustrecke Berlin-Dresden
und weiter nach Prag, die Ausbaustrecke Nürnberg-Marktredwitz-Reichenbach-Grenze Tschechische
Republik.
({2})
Darüber hinaus gibt es, falls die polnische Seite mitmacht, die Vision, die Ausbaustrecke Berlin-Angermünde-Grenze Polen aufzunehmen, weil diese Strecke
in Zukunft den baltischen Staaten sehr zugute kommen
wird.
Ich stimme der im Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU geäußerten Auffassung ausdrücklich
zu, dass die Erhöhung der grenzüberschreitenden Verbindungen, eine verbesserte Abstimmung von Fahrplänen
im Regional- und Fernverkehr sowie die Anpassung der
technischen Verhältnisse eine Grundvoraussetzung dafür
sind, dass in Zukunft die Schienennetze leistungsfähig
und die Bahnunternehmen konkurrenzfähig sind.
({3})
Wenn wir uns die grenzüberschreitenden Verkehrsströme zwischen Ostdeutschland und unseren Nachbarn
anschauen, dann stellen wir fest, dass sie sich an geologischen, zum Teil an geographischen und historisch gewachsenen Verbindungen orientieren, weswegen unseren Verkehrswegen auf der anderen Seite entsprechende
polnische und tschechische Pendants - allerdings in
unterschiedlicher Qualität - gegenüberstehen. Deswegen
sollte sich unser Augenmerk primär - dass hat der Kollege Fornahl eben gesagt - auf den Ausbau dieser vorhandenen Verkehrskorridore richten.
Es macht meines Erachtens keinen Sinn, sich über
neue Anbindungen, beispielsweise über den Grenzübergang in Schwedt, zu streiten, wenn unsere Nachbarn
noch vollauf damit beschäftigt sind, ihre eigene Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, und gar nicht in der
Lage sind, entsprechende Passstücke auf ihrer Seite zur
Verfügung zu stellen.
Wenn ich mir die wesentlichen grenzüberschreitenden
Fernstraßen zwischen Ostdeutschland einerseits und Polen sowie der Tschechischen Republik andererseits anschaue, dann kann ich nicht erkennen, wo hier ein Versäumnis der rot-grünen Bundesregierung vorliegt oder
gar eine Stagnation zu finden ist. Die A 11, A 12 und die
A 15 befinden sich im Ausbau; die A 4 ist schon weit gehend ausgebaut und die A 17 befindet sich im Bau.
({4})
- Sie sprechen vielleicht von anderen Leuten.
Die Verzögerungen bei der A 17 sind sicherlich nicht
der Bundesregierung anzulasten.
({5})
Sie liegen eher in der liederlichen Kostenplanung seitens
der sächsischen Staatsregierung begründet.
({6})
Ein Grund ist sicher auch, dass geologische Verhältnisse
offensichtlich falsch eingeschätzt worden sind. Es tut
mir leid, lieber Kollege Nitzsche, das es so ist.
({7})
Die von mir genannten Verkehrswege werden in der
Zukunft primär die Last der Güterverkehrsströme tragen müssen - das ist im Augenblick die einzige Möglichkeit -, da es auf der polnischen und tschechischen
Seite keine neuen Passstücke gibt.
Problematisch ist die schwierige Lage im grenzüberschreitenden Güterverkehr zwischen Sachsen und der
Tschechischen Republik - da sind wir uns einig -; denn
die Belastung für die Bewohner entlang der Bundesstraßen B 92, B 170 und B 174 ist nahezu unerträglich. Meiner Meinung nach können die Lösungen nur in einer
Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene, im Bau von
Ortsumgehungen - dem haben wir im Bundesverkehrswegeplan Rechnung getragen - und in einer konsequenten Verkehrsvermeidungsstrategie liegen. Wir können
nicht einfach nur neue Straßen bauen; denn das Beispiel
A 17 zeigt doch, dass es bei schwierigen ökologischen
und geologischen Verhältnissen keine Möglichkeit gibt,
solche Straßen zu bauen.
Wir brauchen integrierte Verkehrskonzepte, die im
Zusammenspiel mit allen Beteiligten und Betroffenen,
also mit der Bundesregierung, den Regierungen unserer
Nachbarländer und den Landesregierungen, zu intelligenten Lösungen führen.
({8})
- Ich lade Sie zu dieser Diskussion ein.
In einem Punkt sind wir uns wohl einig: Nur eine
funktionierende Infrastruktur wird den Aufgaben und
Zielen einer modernen Europäischen Union gerecht werden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Ich erteile das Wort Kollegen Werner Kuhn, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten
Wochen und Monate haben durch Äußerungen, aber
auch durch Stillschweigen der Bundesregierung nicht
gerade dazu beigetragen, dass die politische Einigung
der Europäischen Union, besonders bezogen auf die Beitrittsländer, eine positive Entwicklung genommen hat.
Deshalb bin ich sehr dankbar, dass die CDU/CSU-Fraktion heute ganz pragmatische Vorschläge vorgelegt hat,
die aufzeigen, wie wir die europäische Einigung mit unseren Nachbarländern wie Polen und Tschechien voranbringen können und welche Aufgaben die Bundesregierung letztendlich zu lösen hat.
({0})
Die Bundesregierung hat einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen, weil sie noch nicht einmal die Äußerungen des französischen Präsidenten über Polen
kommentiert hat. Die Länder, die man in die Europäische Union aufnehmen will, werden wie Schulbuben
behandelt.
({1})
Wir wollen eine vernünftige und konstruktive Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn, besonders mit Polen
und Tschechien. Dafür ist eine Grundvoraussetzung,
dass wir der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eine hohe
Priorität beimessen. Wenn ich höre, dass Sie sozusagen
vom Reißbrett aus das Schienen- und Straßennetz und
die Flugverbindungen planen wollen, dann muss ich sagen, dass Sie auf dem falschen Weg sind. Der Kollege
Hofbauer hat in seiner Rede deutlich dargestellt, dass die
wirtschaftliche Entwicklung die Bedingungen diktiert,
unter denen Güter und Personen transportiert werden.
Werner Kuhn ({2})
In der Vergangenheit waren die Volkswirtschaften in
den ehemaligen sozialistischen Ländern natürlich sehr
niedrig entwickelt. Sie werden sich aber, was die Verkehre von Schüttgütern und Halbfertigfabrikaten betrifft,
in eine ganz andere Richtung entwickeln. Das heißt, sie
werden Zulieferer für viele ostdeutsche Unternehmen
werden. Schon jetzt gibt es dort Niederlassungen. Die
lassen dort schon produzieren. Module werden dort gebaut. Diese werden natürlich just in time über die Straße
transportiert, weniger über die Schiene.
Deswegen kann ich nicht einfach wie Sie, Herr
Hettlich, sagen: Wir werden das gesamte zur Verfügung
stehende Geld dafür ausgeben, dass die Schiene im Rahmen der Osterweiterung zukünftig der Faktor wird.
({3})
Das wird nicht gelingen.
Ich muss auch feststellen: Im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr wird in den nächsten 15 Jahren eine Steigerung von 200 Prozent erreicht. Die Volkswirtschaften in den EU-Beitrittsländern, gerade in
Tschechien und in Polen, entwickeln sich tatsächlich in
ganz besonderen Größenordnungen. Sie haben Wachstumsraten von 4 Prozent; im Export liegen sie sogar darüber. Darauf müssen wir reagieren. Auch die Volkswirtschaften und die nationalen Regierungen in diesen
Ländern reagieren darauf.
Wenn man zum Beispiel die A 4 betrachtet, dann
stellt man fest: Das schlesische Industriegebiet arbeitet
sich, verkehrstechnisch gesehen, systematisch im Rahmen einer Prioritätenliste in Richtung Sachsen und Mitteldeutschland vor. Aber die haben natürlich nicht nur
Sachsen im Auge, sondern auch die Rhein-Main-Schiene
sowie Bayern und Baden-Württemberg. Denn dort sitzen
ihre Kunden und da müssen Zulieferer bedient werden.
Da ist das Kapital und ohne Kapital kann man nicht arbeiten. Dazu braucht man Verkehrswege und darauf
muss man sich vernünftig einstellen. Nur so wird ein
Schuh daraus.
({4})
Herr Hettlich, Sie sagen: Wir können es nicht länger
ertragen, dass vor den Grenzübergangsstellen sehr lange
Kolonnen von Kraftfahrzeugen - speziell im Güterkraftverkehr große LKWs, die Rußpartikel-, NOX- und C02Emissionen bewirken - stehen. Das alles sehe ich ein.
Aber wenn Sie einfach sagen: „Wir bauen die Straßen
nicht weiter aus und verladen die Güter auf die Schiene“
- das wollen die Betroffenen gar nicht -, wird das dazu
führen, dass wir weiter durch Staus die größte Umweltverschmutzung, die es in Mitteleuropa gibt, produzieren.
Das ist der falsche Weg.
({5})
In dem Ziel, die Transeuropäischen Netze auf die
großen Magistralen zu konzentrieren, sind wir d’accord.
Auch ich halte es für notwendig, dass dies vernünftig
und grenzübergreifend mit den EU-Anrainerstaaten besprochen wird und dort eine Prioritätenliste erstellt wird.
({6})
Die Autobahnverbindung zwischen München und
Prag, die über Waidhaus führt, ist natürlich ein Nadelöhr; da muss etwas getan werden. Dazwischen liegen
große Raumhindernisse; das wissen wir. Da ist der Bayerische Wald und auf sächsischer Seite das Erzgebirge.
Da kann ich nicht nur sagen: Tut mir leid, das sind die alten, traditionellen Wege; da können wir wegen fehlender
Finanzen keine technischen Lösungen liefern. - Hier
muss mit Tunneln und Brückenbauwerken gearbeitet
werden, die dem heutigen technischen Standard entsprechen. Dafür müssen Sie Geld zur Verfügung stellen.
Wenn wir wollen, dass die Maut, so wie sie von Ihnen konzipiert worden ist, auch demjenigen zugute
kommt, der letztendlich die Kosten zu tragen hat, nämlich dem Güterkraftverkehrsgewerbe und dem gesamten
Individual- und Personenverkehr, so wie er jetzt läuft,
({7})
dann muss man einen realistischen Weg gehen und sagen: Von den 3,4 Milliarden Euro, die wir dadurch einnehmen - das ist noch niedrig geschätzt -, bekommt
Herr Eichel nicht 90 Prozent. Man kann nicht sagen:
Euch als Verkehrspolitiker speisen wir mit 600 Millionen Euro ab und die restlichen 600 Millionen Euro bekommt derjenige, der das Geld einzieht.
Im Hinblick auf die Maut muss es zu einer vernünftigen Finanzierungsgrundlage im Rahmen der europäischen Einigung kommen. Das ist unser Petitum.
({8})
Geben Sie das Geld, das Sie den LKW-Unternehmen
wegnehmen, für vernünftige Investitionen aus! Dann
wird sich die wirtschaftliche Entwicklung wieder in den
positiven Bereich bewegen.
Danke schön.
({9})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Danckert.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn man Herrn Kuhn so sprechen hört, dann
denkt man: Man ist im falschen Film.
({0})
Wir haben doch einen Bundesverkehrswegeplan, der
von 1992 bis 2012 gilt. Den haben noch Sie beschlossen.
({1})
Da sind doch die Markierungen für die nächsten
20 Jahre gelegt worden.
Wenn Sie sich diesen, Ihren Bundesverkehrswegeplan
ansehen, können Sie erkennen, wie viel Sie für die EUOsterweiterung vorgearbeitet haben, nämlich gar nichts.
Das ist das Problem.
({2})
Es geht um lange Planungszeiträume, aber wir fangen
erst jetzt, da die EU-Osterweiterung beschlossene Sache
ist und im nächsten Jahr vor der Tür steht, an, diese
Pläne in die Tat umzusetzen.
Die transeuropäischen Netze sind doch beschlossen.
Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden. Erwarten Sie doch
bitte nicht von jemandem, der eine sinnvolle Verkehrspolitik macht, dass er eine Straße bis an die Oder baut,
wo es dann nicht weitergeht. Wir brauchen für solche
Vorhaben immer einen Partner. Solange sich aber die
polnische oder in anderen Fällen die tschechische Seite
nicht entscheidet, was sie eigentlich haben will,
({3})
werden wir keine Brücken über die Oder bauen, weil es
dann keinen Sinn macht. Das ist die Realität.
({4})
Es ist noch ein zweiter Gesetzentwurf vom Bundesrat
eingebracht worden, und zwar getragen von der großen
Mehrheit der Bundesländer. Lassen Sie mich dazu ein
paar Sätze sagen, denn auch er berührt unser Thema. Es
geht um das Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen nach § 17
Abs. 7 Bundesfernstraßengesetz, das wir schon in der
14. Legislaturperiode besprochen haben. Das Gesetz ist
vom Bundesrat - ich glaube, einstimmig beschlossen eingebracht worden; übrigens ein Lehrbeispiel für das
Verfahren gemäß Art. 76 des Grundgesetzes.
Wir waren also bereits in der 14. Legislaturperiode
damit befasst und haben den Wunsch des Bundesrates
nach einer Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen sehr eingehend beraten. Das hat
dazu geführt, dass wir im Februar 2001 eine Anhörung
mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis durchgeführt
haben, die uns ihre sehr fundierten Kenntnisse der Materie nahe gebracht haben. Diese Sachverständigen haben
uns sehr sorgfältig dargelegt, dass es bei diesem Vorhaben - das übrigens von Baden-Württemberg initiiert
worden ist; dazu werde ich gleich noch etwas sagen -,
keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer weiteren Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen gibt.
({5})
Es gibt keine Bedenken unter dem Gesichtpunkt von
Vorratsbeschlüssen, denn mit der Aufstellung von Planfeststellungsbeschlüssen vollziehen wir das, was wir als
Bundestag in den Ausbaugesetzen beschlossen haben.
Insofern sind die Straßenbauverwaltungen geradezu verpflichtet.
Das alles muss man jedoch im Zusammenhang mit
dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen sehen.
Das Problem ist, dass es eine Reihe von Maßnahmen
gibt, für die es einen Planfeststellungsbeschluss gibt, die
aber noch nicht umgesetzt werden können.
({6})
- Mein Freund und Kollege Dirk Fischer möchte eine
Zwischenfrage stellen.
Ja, ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie die Zwischenfrage zulassen. Aufgrund Ihrer Reaktion gehe ich davon
aus, dass das der Fall ist. - Bitte.
Herr Kollege Dr. Danckert, Sie haben eben das Anhörungsverfahren angesprochen. Bestätigen Sie mir, dass
die Sachverständigen einhellig auch gesagt haben, dass
diese Staffelung in fünf und fünf Jahre mit einem Zwischenverfahren ohne Bürgerbeteiligung und ohne neue
Fakten im Grunde genommen nur unnötig Zeit und Geld
vergeudet und deswegen abgeschafft werden sollte, dass
also die Bestandskraft einmal für zehn Jahre von allen
Sachverständigen einheitlich empfohlen worden ist? Haben Sie das genau wie ich noch in Erinnerung?
Das kann ich Ihnen bestätigen. Das war im Wesentlichen die Aussage. Aber das ist hier nicht das Problem.
Wir sind in einer Koalition und haben einen Koalitionspartner. Mein Freund Albert Schmidt und ich
({0})
- ja, so ist das nun einmal; auch Sie sind nicht in der
Lage, das allein zu machen - haben uns über Monate bemüht, in dieser Frage eine Lösung zu finden. Das ist uns
letztendlich nicht gelungen. Das mussten wir so hinnehmen. - Bitte nimm doch wieder Platz, lieber Kollege
Fischer. ({1})
Nun ist die Situation eine andere: Es gibt wiederum
einen Antrag aus Baden-Württemberg und wir werden
uns erneut mit diesen Fragen beschäftigen. Interessant
ist dabei, wie es mit den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlüssen aussieht. Es gibt Bundesländer, die
haben überhaupt keinen rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss mehr. Sie haben alles abgearbeitet. Einige Bundesländer haben zwei oder drei und der Antragsteller, Baden-Württemberg hat 39 rechtskräftige
Planfeststellungsbeschlüsse. Diese bringen das Land in
die schwierige Situation, dass zwar festgestellt ist, wo
gebaut werden kann, jetzt aber die Mittel für die Umsetzung fehlen. Das war aber immer klar. Diese Situation
ist nicht neu.
Jetzt werden wir in die Situation geraten, dass wir an
der Stelle, wo wir über den Referentenentwurf bzw. die
Kabinettsvorlage diskutieren, festlegen müssen, für welche Maßnahmen der vordringliche Bedarf gilt. Ich
denke, dass es an dieser Stelle, Albert Schmidt, eine
Möglichkeit geben wird, über die wir dann gemeinsam
reden müssen.
Ich möchte mich da heute aber nicht festlegen. Meine
persönliche Meinung ist, dass in den Fällen, in denen
nach dem alten und nach dem neuen Bundesverkehrswegeplan der vordringliche Bedarf bestätigt wird, wir also
noch einmal feststellen, dass es einen vordringlichen Bedarf gibt, die Planfeststellungsbeschlüsse nicht ablaufen
sollten. Aber das muss man im Einzelfall sehen. Im
Grunde genommen müsste ein Zeitraum von zehn Jahren
vergangen sein: fünf Jahre regulär und fünf Jahre Verlängerung.
Ich habe bei meiner Nachfrage im Ministerium festgestellt, dass die Mitarbeiter dort sehr aufmerksam sind.
Sie wissen ganz genau, welcher Planfeststellungsbeschluss für welches Projekt abzulaufen droht. Deswegen
muss es muss doch möglich sein, den Hinweis an die jeweilige Landesregierung zu geben, dieses Projekt aus
diesem Grund besonders schnell anzugehen. Wenn wir
so verfahren und pragmatisch vorgehen, gibt es meines
Erachtens keine Probleme. Dann können wir den vordringlichen Bedarf bejahen und können die Realisierung
von rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlüssen ermöglichen. Dann brauchen wir auch die von den Ländern gewünschte Verlängerung nicht.
Wir müssen die finanziellen Möglichkeiten an die Realisierung dieser Projekte anpassen. Dann wird es laufen
und auch Baden-Württemberg wird auf die Reihe kommen.
({2})
Fast alle anderen Bundesländer haben sich, mit Ausnahme von Bayern - auch Bayern hat, wie ich glaube,
auf Vorrat geplant, Herr Oswald -, der Realität angepasst. Es ist unsere Aufgabe, das bei den Beratungen zu
berücksichtigen. Wenn uns aber kritische Einzelfälle
vorliegen, können wir reagieren. Entweder werden wir
der Gesetzesinitiative der Bundesländer durch den Bundesrat nachkommen oder wir werden einen praktischen
Weg aufweisen. In dem Fall können wir auf die Verabschiedung eines solchen Gesetzes verzichten.
Das ist die Realität, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Lassen Sie uns dieses Thema gemeinsam in
Ruhe beraten. Dann werden wir auch eine Lösung finden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubert Deittert.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir behandeln heute einen Gesetzentwurf des
Bundesrates, der zwei Ziele verfolgt. Zum einen geht es
um die Verlängerung der Dauer von Planfeststellungsbeschlüssen. Zum anderen geht es darum, verbindlich klarzustellen, dass eine Unterbrechung bei der Durchführung
einer Maßnahme die Geltungsdauer der Beschlüsse und
damit deren Rechtskraft nicht berührt. Beide Änderungen halten wir von der CDU/CSU-Fraktion für sinnvoll
und unterstützen sie im Grundsatz.
Der heute zu beratende Gesetzentwurf wurde - das
wurde schon aus der eben gestellten Zwischenfrage
deutlich - bereits in der 14. Legislaturperiode mit der
gleichen Zielsetzung in den Bundestag eingebracht und
entsprechend beraten. Unter den Sachverständigen gab
es keinen einzigen, der nicht eine Verlängerung auf zehn
Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit befürwortet hat.
Das sollte uns nachdenklich machen. Leider ist der Entwurf seinerzeit an der Uneinigkeit der Koalitionsfraktionen gescheitert.
Meine Damen und Herren, wie sieht heute die Realität im Fernstraßenbau aus? - Wir haben zum einen
eine erhebliche Finanzierungslücke.
({0})
Es gibt bundesweit eine ganze Reihe von Maßnahmen,
zu denen das Planfeststellungsverfahren durchgeführt
worden ist und Baureife besteht, wo die Fristen wegen
der zeitlichen Begrenzung aber zu verfallen drohen. Das
wurde eben angesprochen.
Hinzu kommt, dass es bei der Bereitstellung der notwendigen Mittel immer wieder Verzögerungen gibt und
dass immer neue, oft nur sehr kurzfristige Programme
aufgelegt werden, von denen niemand verbindlich sagen
kann, wie lange sie laufen. Die Folge ist, dass heute
beim Abschluss eines Planfeststellungsverfahrens niemand sagen kann, ob, wann und in welchem Zeitraum
die notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Unter solchen Bedingungen gibt es keine langfristige Planungssicherheit.
Es ist offensichtlich, dass die nur fünfjährige Geltungsdauer der Beschlüsse, die mit einem erheblichen
Planungs- und Zeitaufwand zustande gekommen sind,
heute nicht mehr zeitgemäß ist. Die Planverfahren in
Deutschland sind hochkompliziert und sehr langwierig.
Es gibt einzelne Projekte, die sich bis zu 20 Jahre lang in
der Planung befinden. Deshalb ist es nicht zu verantworten, dass das Baurecht bereits nach fünf Jahren wieder
verfällt.
({1})
Ich betone: Es ist gut und richtig, dass unsere Bürger
und Verbände ausreichende Möglichkeiten haben, ihre
Bedenken und Anregungen in das Planverfahren einzubringen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass der
Staat letztendlich handlungsunfähig wird. Auch das
spricht für eine Verlängerung der Frist.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass das
Planfeststellungsverfahren in ganz bestimmten Fällen
durch einen Bebauungsplan, der keinerlei gesetzlicher
Befristung unterliegt, ersetzt werden kann. Auch das
spricht für eine bestimmte Fristverlängerung. Ich will
nicht verhehlen, dass es hier bestimmte rechtliche Unterschiede gibt, aber unter bestimmten Voraussetzungen ist
das durchaus möglich. Aus diesem Grund sprechen wir
uns für eine Verlängerung der Geltungsdauer und damit
auch für eine Verwaltungsvereinfachung und Kosteneinsparung aus.
({2})
Die Bundesländer können es nicht länger akzeptieren,
dass sie viel Zeit und Geld aufwenden müssen, um vom
Verfall bedrohte Baurechte zu verlängern.
Bei der Beratung des eben genannten Gesetzentwurfs
in der 14. Legislaturperiode wurde nach einer Anhörung
im Fachausschuss vor allem von den Kollegen aus der
FDP-Fraktion ein Kompromiss angesprochen. Dabei
ging es um diese zehn Jahre. Die SPD wäre seinerzeit
gerne gesprungen, allerdings lag den Grünen die Latte
damals zu hoch. Ich denke aber, das sollte uns nicht daran hindern, diesen Gesetzentwurf jetzt zur Beratung in
die Ausschüsse zu überweisen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, eine gute Verkehrspolitik ist immer auch eine gute Wirtschaftspolitik.
({3})
Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist der Dreh- und Angelpunkt für jede wirtschaftliche Entwicklung.
({4})
Ich denke, in der Situation, in der sich unsere Wirtschaft
heute befindet, spricht alles dafür, dass wir jede Anstrengung unternehmen sollten, um eine gute Verkehrspolitik
zu machen. Lassen Sie uns diesen Entwurf in der Hoffnung, dass bei den Grünen der eine oder andere inzwischen klüger geworden ist und dass wir gemeinsam eine
vernünftige Lösung finden können, zur Beratung in die
Ausschüsse überweisen.
({5})
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. Herr
Kollege Dr. Danckert hat eben Einzelfälle angesprochen.
Ich warne davor, irgendwelche Einzelfallregelungen, die
möglicherweise auch noch im Halbdunkel geregelt werden, zu berücksichtigen. Lassen Sie uns mit der Fristverlängerung eine saubere Lösung ansteuern. Das kann der
wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Lande nur gut
tun.
Ich danke Ihnen.
({6})
Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Der Tag, ab dem zehn weitere europäische Länder, darunter auch unsere östlichen Nachbarn
Polen und Tschechien, die Europäische Union als gleichberechtigte Partner mitgestalten werden, rückt immer näher. Die Wirtschaft - das wissen Sie auch - sieht schon
seit langem mit sehr positiven Erwartungen auf diese
Entwicklung. Gemeinsame Institutionen wie die deutschpolnisch-tschechische Kammerunion Elbe/Oder pflegen
intensive Kontakte mit der Politik und untereinander.
Hier stehen natürlich auch die Anforderungen an die
Verkehrsinfrastruktur regelmäßig auf der Tagesordnung.
Mit dem wachsenden Handelsaustausch geht selbstverständlich auch ein Wachstum der Verkehrsleistungen einher. Deutschlands Rolle in diesem Schnittpunkt
der europäischen Verkehrsströme wächst mit der EUOsterweiterung somit weiter an. Deshalb bedarf es
selbstredend adäquater grenzüberschreitender Verkehrswege.
Wir haben gehandelt. In den Investitionsprogrammen
der Bundesregierung sind Verkehrsprojekte für die
Grenzregionen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro berücksichtigt. Kollege Hofbauer, es ist schon abenteuerlich und haarsträubend, zu behaupten, wir würden nichts
tun. Ich glaube, das, was ich gesagt habe, macht deutlich, dass wir schon gehandelt haben.
({0})
Herr Kuhn, Sie haben vorhin von praktischer Politik
gesprochen. Diese will ich Ihnen gerne erläutern, weil
Sie sie vermutlich vergessen haben. Die EFRE-Programme haben ein Volumen von 2 Milliarden Euro. Darüber hinaus möchte ich die TEN-Projekte in Höhe von
noch einmal 1,6 Milliarden Euro erwähnen. Bei diesen
Zahlen kann man doch nicht allen Ernstes so tun, als
würde diese Bundesregierung nichts machen. Wir haben
gehandelt und tun das auch weiterhin.
({1})
Wir haben mit der Aufnahme der Projekte in die Investitionsprogramme Planungssicherheit und natürlich
auch Bausicherheit geschaffen. Es wird ja auch gebaut.
Alles, was noch nicht gebaut und fertig gestellt worden
ist, haben wir in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen.
({2})
Er enthält alle relevanten Projekte im vordringlichen Bedarf, die wir benötigen, um die erweiterungsbedingten
Verkehrszuwächse aufzufangen.
({3})
Selbstverständlich sind wir auf der Arbeitsebene ständig
mit unseren tschechischen und polnischen Freunden in
Kontakt, um dafür zu sorgen, dass die Ausbauten vorangehen. All das leisten wir.
Für all diese Planungen bestehen selbstverständlich
Prognosen. In diesem Zusammenhang werden immer
hohe Steigerungsraten von 300 Prozent genannt. Ich
möchte Ihnen diese Zahl aber einmal erklären: Wenn
vorher ein Auto gefahren ist und anschließend vier Autos fahren, dann ist dies eine Steigerung um 300 Prozent.
Sie müssen sich einmal das niedrige Anfangsniveau anschauen. Wir verkennen überhaupt nicht die Lage, aber
man muss auf dem Teppich bleiben. Wir bauen das auf,
was notwendig ist. Wir haben ausrechnen lassen: Bis
zum Jahr 2015 werden die Kapazitäten, die wir bis dahin
zur Verfügung gestellt haben, zu 70 Prozent ausgelastet
sein. Damit besteht genügend Spielraum. Das macht
deutlich, dass wir das dringend Notwendige tun.
({4})
Mit Ihrer Forderung nach Verkehrsprojekten zur europäischen Einheit kommen Sie zu spät. Diese Projekte haben wir schon längst in den Bundesverkehrswegeplan
aufgenommen und realisieren sie bereits in den einzelnen Investitionsprogrammen. Ich weiß überhaupt nicht,
was Sie wollen. Ihre Forderungen sind total überholt.
({5})
Wenn Sie eine Definition der Korridore entlang der
Ostgrenzen fordern, wo es Verkehrsdefizite gibt, dann
will ich Ihnen darauf erwidern: Dort gibt es in der Tat
noch einiges zu tun, aber Sie müssen dann auch die Damen und Herren in den Ländern bitten, ihrer Verantwortung nachzukommen; denn dabei geht es hauptsächlich
um regionale Netze, die ebenfalls ausgebaut werden
müssen. Dort müssen noch - darin stimme ich Ihnen
zu - eine ganze Menge an Defiziten abgearbeitet werden. Aber diese Forderungen richten Sie bitte an die
Adresse der zuständigen Länder.
({6})
Beim Thema Bahn werden wir uns sofort einig werden. Da stimme ich dem, was Sie gesagt haben, zu. Wir
müssen die Bahn in die Lage versetzen, neue und vernünftige Lösungen anzubieten. Dabei sind für uns drei
Punkte ganz besonders wichtig. Erstens. Die Interoperabilität muss hergestellt werden. Zweitens. Die Eisenbahnnetze müssen für Dritte geöffnet werden. Drittens.
Die Rahmenbedingungen für den kombinierten Verkehr
müssen verbessert werden. Bei diesen Punkten sind wir
schon weit vorangekommen. Auch mit der Europäischen
Union stehen wir in Kontakt, um hier weiter zu kommen.
Wir wissen, dass die Wettbewerbsfähigkeit von diesen
Rahmenbedingungen abhängt. Die Eisenbahnunternehmen müssen untereinander zusammenarbeiten, um ein
größeres Angebot zu schaffen, damit solche abstrusen
Vorfälle, wie Sie sie uns dargestellt haben, nicht mehr
vorkommen.
Ziel dieser Bundesregierung ist es, mehr Verkehr auf
die Schiene zu bringen. Aber ich will daran erinnern - dabei lasse ich Sie nicht aus der Verantwortung -: Wer hat
denn dafür gesorgt, dass die Schienenwege nicht mehr so
ausgebaut werden konnten, wie es notwendig war? Wer
hat denn in den Jahren zuvor die Bahn als Sparbüchse
benutzt? Seit 1998 haben wir die Zuschüsse an die Bahn
für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verdoppelt, die
Sie vorher gekürzt haben. Die Bahn hat 1998 knapp
5 Milliarden DM bekommen. Damit konnte sie ihre Aufgaben nicht erfüllen. Sich bei einer solchen Vorgehensweise hier so zu äußern, wie Sie es getan haben, ist
schon ein starkes Stück.
({7})
Ich weiß zwar, dass es sehr viele Ängste gibt
({8})
und dass viele Menschen der EU-Osterweiterung mit
Skepsis und Sorge entgegenblicken, aber ich denke, wir
sollten die damit verbundenen Chancen herausstellen
und nutzen. Was die Verkehrsinfrastruktur angeht, sind
wir sehr gut aufgestellt.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung auf den
Drucksachen 15/467 und 15/409 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten
Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes
- Drucksache 15/510 ({0})
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1})
- Drucksache 15/835 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 15/836
Abgeordnete Dietrich Austermann
Carsten Schneider
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Bernd Scheelen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der 11. April 2003 ist ein guter Tag für die
Städte und Gemeinden in Deutschland. In seiner Reformrede vom 14. März - das war heute vor drei Wochen - hat der Bundeskanzler an dieser Stelle Folgendes
ausgeführt:
Zur sofortigen Entlastung der Gemeinden beabsichtigt die Bundesregierung, sie
- die Gemeinden von ihrem Beitrag zur Finanzierung des Flutopferfonds zu befreien. Das bringt Mehreinnahmen in einer Höhe von 800 Millionen Euro.
Es sind, genau gesagt, 819 Millionen Euro.
({0})
Damit macht die Koalition von SPD und Bündnis 90/
Die Grünen sechs Punkte sehr deutlich:
Erstens. Die Regierung Schröder/Fischer tut, was sie
sagt.
({1})
- Hören Sie jetzt gut zu! - Zweitens. Diese Regierung ist
außerordentlich kommunalfreundlich.
({2})
Drittens. Die Koalition erkennt an, dass die finanzielle Lage der Kommunen teilweise dramatisch ist.
Viertens. Die Koalition handelt durch die heute zu beschließende Sofortmaßnahme der Entlastung der Gemeinden von ihrem Beitrag zur Finanzierung des
Flutopferfonds.
Fünftens. Die Koalition macht sehr deutlich, dass
diese Sofortmaßnahme, die für dieses Jahr wirksam ist,
in eine Strategie zur Stabilisierung und Verstetigung der
kommunalen Einnahmen und zur Entlastung der Kommunen auf der Ausgabenseite eingebettet ist.
Sie wissen, dass wir gemeinsam die Aufgabe haben,
bis zum 1. Januar 2004 eine Gemeindefinanzreform
auf den Weg zu bringen. In diesem Zusammenhang sind
der Bundestag und der Bundesrat gefragt. Es geht dabei
um die Einnahmen und die Ausgaben der Kommunen.
Auf der Einnahmeseite geht es aus unserer Sicht um eine
erneuerte Gewerbesteuer. Diese Maßnahme - wenn sie
denn umgesetzt werden sollte - wird naturgemäß im Wesentlichen den strukturstärkeren Gemeinden zugute
kommen.
Die zweite Maßnahme, mit der sich die Kommission
beschäftigt, nämlich die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, wird sich tendenziell eher
zugunsten der strukturschwächeren Gemeinden auswirken. Deswegen ist es wichtig, dass in dieser Reform
beide Elemente gleich stark vertreten sind.
({3})
Sechstens. Die Koalition sagt zu, dass die Beseitigung
aller Schäden, die durch die Flutkatastrophe entstanden
sind, auch weiterhin ohne Wenn und Aber finanziert
wird. Das heißt, der Bund schultert die Last der Entlastung der Kommunen alleine. Wir verbinden damit den
Appell an die Länder, über weitere Entlastungen ihrer
Kommunen in eigener Zuständigkeit nachzudenken.
Wichtig ist, einmal deutlich zu machen, dass die Länder
diejenigen sind, die für die Gemeinden und deren finanzielle Situation vorrangig zuständig sind. Das ist keine
vorrangige Aufgabe des Bundes.
({4})
Denn die Verfassung kennt bekanntlich nur zwei staatliche Ebenen: den Bund und die Länder. Die Kommunen
sind Teile der Länder. Trotzdem setzt der Bund heute
ein, wie ich finde, wichtiges und richtiges Zeichen im
Hinblick auf die schwierige Situation von Städten und
Gemeinden.
Die CDU/CSU-regierten Länder könnten Ihrer Forderung nachkommen und die erhöhte Gewerbesteuerumlage in ihren Ländern an die Kommunen zurückzahlen.
Das ist besser, als wenn Sie in diesem Hohen Hause
ständig Schaufensteranträge stellen. Dass das Schaufensteranträge sind, das wissen Sie und das ist spätestens seit
dem Tag bekannt, an dem der bayerische Landtag mit
CSU-Mehrheit einen entsprechenden Antrag der SPDLandtagsfraktion abgelehnt hat, der vorsah,
({5})
das Mehraufkommen bei der Gewerbesteuerumlage in
Bayern an die eigenen Kommunen zurückzuzahlen. Niemand hindert Bayern daran, das zu tun. Statt dessen wird
über Mehrheitsanträge im Bundesrat versucht, in dieser
Frage eine Schau zu veranstalten, obwohl man weiß,
dass der Bund hier natürlich nicht zustimmen kann. Sie
stellen die Anträge ja nur deswegen, weil Sie genau wissen, dass die Ablehnung sichergestellt ist.
Es ist gut, dass wir heute den Beschluss hinsichtlich
der Entlastung der Gemeinden von ihrem Beitrag zum
Flutopferfonds einstimmig fassen. Ich will ausdrücklich
betonen, dass es sich um ein wichtiges Signal handelt.
Auch aufseiten der Opposition wird anerkannt, dass das
eine wichtige Maßnahme ist. Allerdings wäre es für Sie
ja auch schwer, eine solche Maßnahme, die der Bund allein finanziert, abzulehnen; denn Sie müssten dann Ihren
Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten erklären, warum Sie dagegen sind, dass mehr Geld vom
Bund in städtische Kassen fließt.
Der Bundesrat hat ebenfalls Zustimmung signalisiert
und wird sich am 23. Mai mit diesem Thema beschäftigen. Das bedeutet, dass ab Juli die besagten
819 Millionen Euro den Gemeinden zur Verfügung stehen. Wir gehen davon aus, dass dieses Geld, mit dem vor
Ort nicht gerechnet worden ist, sofort für Wachstumsimpulse, für Maßnahmen auf dem Gebiet der kommunalen
Infrastruktur und damit für wichtige Impulse für Wachstum und Beschäftigung wirksam werden kann, insbesondere auch zur Förderung des Mittelstandes und des
Handwerkes. Das ist ein erster Schritt.
Den zweiten Schritt haben Sie im Vermittlungsausschuss verhindert; Sie haben nämlich verhindert, dass
den Kommunen über das Steuervergünstigungsabbaugesetz
({6})
in diesem Jahr 300 Millionen Euro zusätzlich zufließen.
Das müssen Sie vor Ort verantworten. Wir erwarten,
dass sich aus dem Verfahren zur Zinsabgeltung weitere
750 Millionen Euro an Einnahmen für die Gemeinden
ergeben werden. Das stellt zusammen mit den zinsverbilligten Krediten von der Kreditanstalt für Wiederaufbau die für dieses Jahr vorgesehene Sofortmaßnahme
dar.
Für den Januar erwarten wir die Gemeindefinanzreform. Auch dazu brauchen wir, wie Sie wissen, Ihre Unterstützung. Ich möchte an Sie appellieren: Bringen Sie
sich in die Arbeit der Kommission für die Gemeindefinanzreform so ein, dass wir gemeinsam ab dem 1. Januar nächsten Jahres die Gemeinden auf ein neues, solides, tragfähiges finanzielles Fundament stellen können.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Manfred Kolbe.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der eigentliche Inhalt der Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes ist unstreitig. Die Höchstbeträge, die für die Verteilung des Gemeindeanteils der
Einkommensteuer innerhalb der Länder auf die Kommunen maßgeblich sind, werden angepasst. Von Zeit zu Zeit
muss eine solche Anpassung erfolgen, damit keine vollständige Nivellierung eintritt. Vor diesem Hintergrund
muss man sagen: Dieses Gesetz ist ein technisches Gesetz und findet die Zustimmung aller.
Interessant ist der Änderungsantrag, der von Ihnen
kürzlich, im März, mit dem Ziel eingebracht worden ist,
durch eine Änderung des Flutopfersolidaritätsgesetzes
die Kommunen mit einem Betrag in Höhe von 819 Millionen Euro von der Finanzierung des Aufbauhilfefonds
freizustellen. Dadurch werden die diesem Fonds zur Verfügung stehenden Mittel abgesenkt; Maßnahmen zur
Wiederherstellung der Bundesinfrastruktur sollen künftig nicht mehr aus dem Aufbauhilfefonds finanziert werden.
Bei der Bewertung dieses Änderungsantrages müssen
wir streng zwischen der Entlastung der Kommunen einerseits und der Finanzierung dieser Entlastung aus dem
Flutopferfonds andererseits unterscheiden.
({0})
Die Entlastung der Kommunen begrüßt meine Fraktion eindeutig; wir sagen sogar: Diese Entlastung kommt
zu spät und sie ist nicht umfassend genug.
({1})
Denn, Herr Bundesfinanzminister, die Lage unserer
Kommunen in West und Ost wird immer dramatischer.
({2})
Die Schere zwischen sinkenden Einnahmen und wachsenden Belastungen öffnet sich immer weiter. Die kommunalen Einnahmen sinken seit Jahren; allein das Gewerbesteueraufkommen ging 2001 um 11,4 Prozent und
2002 um 9,1 Prozent zurück. Im Gegenzug steigen die
Ausgaben. Als Folge dieser Entwicklung sind die kommunalen Investitionen - man höre und staune - in den
letzten zehn Jahren in Gesamtdeutschland um ein Drittel
und im Osten Deutschlands sogar um die Hälfte zurückgegangen.
({3})
Die Folge sind weniger Aufträge für die örtliche Wirtschaft und damit verbunden Arbeitnehmerentlassungen.
Das ist ein Teufelskreis, eine Abwärtsspirale, die gestoppt werden muss.
({4})
CDU/CSU wollten deshalb als Soforthilfe Ende letzten Jahres die Gewerbesteuerumlage wieder auf ihre alte
Höhe von 20 Prozent zurückführen und dadurch den
Kommunen 2 bis 3 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Sie haben dies verhindert.
({5})
Die bereits seit 1998 angekündigte kommunale
Finanzreform kommt ebenfalls, Herr Scheelen, nicht
voran. Eigentlich sollten im März dieses Jahres Ergebnisse vorgelegt werden. Bald ist es Mai und auf die Ergebnisse warten wir noch immer. Nach Ihren Aussagen,
Herr Eichel, sind wir von einem Kommissionsergebnis
mehr denn je entfernt.
Ich halte deshalb fest: Wir begrüßen ausdrücklich die
heute zu beschließende Entlastung der Kommunen, wir
erklären aber gleichzeitig, dass dies nicht alles gewesen
sein kann. Ich hoffe, meine Damen und Herren von den
Regierungsfraktionen, dass die Kommunen nicht nur auf
die Phantomgelder aus der Zinsabgeltungsteuer warten
müssen; denn dann ist wenig Besserung in Sicht.
({6})
Weniger einleuchtend ist dagegen die Finanzierung
der kommunalen Entlastung durch eine Absenkung des
Fonds „Aufbauhilfe“ nach dem Flutopfersolidaritätsgesetz. Warum gibt es eigentlich keine direkte Entlastung
der Kommunen, sondern den Weg über den Flutopferfonds? Dies zu verstehen fällt aus vielerlei Gründen
schwer.
({7})
Erstens. Vor dem Hintergrund eines ermittelten Schadenumfangs von rund 9,1 Milliarden Euro und einer bisherigen Ausstattung des Fonds in Höhe von 7,3 Milliarden Euro geht auch die Bundesregierung derzeit nicht
von Überschüssen aus. Es liegen bisher auch keinerlei
stichhaltige Anhaltspunkte für solche möglichen Überschüsse vor. Hinzu kommt noch, dass zahlreiche verdeckte Schäden oder bauliche Folgeschäden, etwa geohydrologische Schäden an Bauwerken, die erst nach der
Frostperiode sichtbar werden, bisher überhaupt noch
nicht erfasst werden konnten. Eine Reduzierung des
Flutopferfonds ist daher per heutigem Stand nicht zu begründen.
Dies zu bemerken stellt keine Undankbarkeit dar, sondern zeigt nur Tatsachen auf. Als Abgeordneter, durch
dessen Wahlkreis sowohl Elbe als auch Mulde fließen
und in dessen Wahlkreis viele Orte vom Hochwasser betroffen waren, möchte ich mich ausdrücklich für die
Solidarität ganz Deutschlands mit dieser Region bedanken.
({8})
Ich möchte aber auch festhalten, dass derzeit keinerlei
Anhaltspunkte für eine Nichtausschöpfung des Flutopferfonds vorliegen.
Zweitens. Auffallen muss auch, dass die Kürzung des
Fonds bei den so genannten Programmmitteln in Höhe
von 3,3 Milliarden Euro erfolgt. Diese Programmmittel
sind aber bis heute schon in Höhe von über 2,6 Milliarden Euro abgeflossen. Für eine Reduzierung um
819 Millionen Euro ist damit nach Adam Riese kein
Raum mehr.
Drittens. Nach Begründung des Änderungsantrags
soll die Absenkung vollständig im so genannten Block 3
- „Infrastrukturprogramm des Bundes“ in Höhe von
970 Millionen Euro - erfolgen. Von den 970 Millionen
Euro sollen 819 Millionen Euro abgezogen werden. Damit würde dieser Block fast komplett entfallen, obwohl
es auch nennenswerte Schäden an der Infrastruktur des
Bundes gibt. Wir haben bisher keine Aussage erhalten
- Herr Scheelen, deshalb ist das für uns so schwierig
zu verstehen -, wie deren Beseitigung finanziert werden soll.
({9})
Lassen Sie mich als Fazit festhalten: Die tatsächliche
Finanzierung der heute zu beschließenden kommunalen
Entlastung bleibt völlig im Dunkeln und wird den Haushaltsausschuss und das Plenum sicherlich auch noch in
Zukunft beschäftigen. Da meiner Fraktion aber die Entlastung der Kommunen immer ein besonderes Anliegen
war und auch heute ist
({10})
und auch die betroffenen Länder dem Gesetzentwurf zugestimmt haben, werden wir heute auch zustimmen.
Danke.
({11})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kerstin Andreae.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die
zwei Teile des Gesetzes ist gesprochen worden. Dass der
erste Teil unstrittig ist und eine technische Anpassung an
die aktuelle Entwicklung bedeutet, haben wir auch besprochen. Das müssen wir hier nicht weiter diskutieren.
Der zweite Teil - da haben Sie Recht - ist die eigentlich entscheidende politische Frage. Es geht darum, die
Gelder der Flutopferhilfe zurück an die Kommunen zu
geben. Herr Kolbe, ich bin richtig froh, dass Sie am
Schluss Ihrer Rede bestätigt haben, dass Sie zustimmen
werden. Während Ihrer Rede war ich mir nicht ganz so
sicher, ob wir Ihre Zustimmung bekommen. Wir haben
aber im Finanzausschuss schon darüber gesprochen und
einstimmig beschlossen, dass wir das so machen.
Sie haben Recht, wir haben noch nicht die Spitz-aufKnopf-Abrechnung und wissen noch nicht, ob die Gelder wirklich in der Höhe in Anspruch genommen werden. Aber es zeichnet sich ab - das wissen Sie auch -,
dass die Gelder in der Höhe nicht gebraucht werden.
Deswegen ist es nur richtig, dass wir in dem Moment, in
dem wir merken, dass diese Gelder nicht gebraucht werden, die Gelder den Kommunen geben, damit die Kommunen wieder mehr Gelder haben, um Impulse für Investitionen, für Wachstum und Beschäftigung geben zu
können.
Deswegen ist es richtig, dass die 819 Millionen Euro,
die nicht abgerufen werden, an die Kommunen zurückgehen. Das ist im Prinzip eine Art Kassenkredit aus den
Haushaltsmitteln. Die Spitz-auf-Knopf-Abrechnung erfolgt Ende Mai. Das wissen Sie.
({0})
Die Gemeinden bekommen also kurzfristig Geld. Das
ist auch von Ihnen im Zusammenhang mit der Gewerbesteuerumlage immer wieder eingefordert worden. Herr
Kolbe, Sie sagten, Sie verstünden nicht, warum man das
nicht direkt mache. Ich möchte Sie an das erinnern, was
wir im Finanzausschuss besprochen haben. Wenn wir
diese Entlastungsform wählen, dann ist das auch eine
Entlastung nach Leistungskraft. Wir treffen alle Kommunen gleichermaßen. Alle bekommen Geld zurück.
Das ist eine kurzfristige Stärkung der Finanz- und damit
der Investitionskraft. Das generiert Wachstums- und Arbeitsmarktimpulse. Das heißt aber auch - da müssen wir
schon an die Verantwortung der Länder appellieren -,
dass die Länder die bereits einbehaltenen Beträge den
Gemeinden unverzüglich zurückerstatten.
({1})
Richtig ist, dass das die Gemeindefinanzreform
nicht ersetzt. Das hat auch gar keiner vor. Es ist völlig
klar, dass wir die Gemeindefinanzreform jetzt zügig mit
den Zielen auf den Weg bringen müssen, die Finanzkraft
zu stärken, mehr Planungssicherheit zu schaffen, die
kommunale Selbstverwaltung und die kommunale Finanzautonomie zu erhalten. Ich bin sehr gespannt, was
ich aus Ihrer Bundestagsfraktion, aber auch aus den unionsregierten Ländern hören werde, wie Sie sich eigentlich die Gemeindefinanzreform vorstellen. Das erscheint
mir noch nicht durchdacht und nicht abgestimmt.
({2})
Die Vereinbarung im Vermittlungsausschuss zum
Subventionsabbau ist schon einmal angesprochen worden. Von der Regelung zur Körperschaftsteuer haben
die Kommunen überhaupt nichts. Die Kommunen bekommen von der Körperschaftsteuer keinen Cent und
keinen Euro. Die Steuer geht nur an Bund und Länder.
Auch hier sind die Länder in der Pflicht, die Kommunen
an diesen Einnahmen zu beteiligen. Wir appellieren an
die Länder, ihrer Verantwortung gegenüber den Kommunen gerecht zu werden, damit zumindest ein bisschen
Planungssicherheit geschaffen wird.
Wir brauchen die Gemeindefinanzreform. Jeder Euro
für die Kommunen ist ein Euro für Investitionen und Beschäftigung. Ich appelliere an Sie, damit wir schnell eine
Einigung im Hinblick auf die Stärkung der kommunalen
Finanzkraft erzielen.
Ich will noch einen Schwenk zur Hochwasserkatastrophe und zur Flutopferhilfe machen. Wir haben alle
noch die Bilder von dem Jahrhunderthochwasser vor
Augen. Wir haben die überwältigende Hilfsbereitschaft
in der Bevölkerung mitbekommen. Wir haben hier beschlossen, die zweite Stufe der Steuerreform um ein Jahr
zu verschieben. Das hat breite Akzeptanz gefunden. Was
ist denn der Grund für das Hochwasser gewesen? Es
gibt viele Gründe dafür. Ein Grund war die Flächenversiegelung. Das wissen Sie.
({3})
Nach wie vor gehen wir mit der Ressource Fläche und
Boden viel zu großzügig um. Heute verbauen wir täglich
130 Hektar. Das entspricht einer Größe von 100 Fußballfeldern. Ich möchte Ihnen einen Gedanken nahe bringen:
Überlegen Sie gut, damit wir uns nicht im Rahmen der
Gemeindefinanzreform für ein Modell der Besteuerung
entscheiden, das das Problem der Flächenversiegelung
und die Stadt-Umland-Problematik verschärft. Wir müssen uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir die
Ursachen von Hochwasser bekämpfen können. Bitte bedenken Sie das bei der Debatte über die anstehende Gemeindefinanzreform, über die wir hoffentlich bald beraten werden.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andreas
Pinkwart.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zum einen haben wir es - das klang schon an mit einem technischen Vorgang zu tun, mit dem aber ein
wichtiges Ziel verfolgt wird, nämlich durch die Anpassung der Höchstbeträge der grundgesetzlichen Vorgabe
nach Verteilung der Mittel auf der Grundlage des örtlichen Aufkommens zu entsprechen. Insofern begrüßen
wir den vorliegenden Entwurf eines Siebenten Gesetzes
zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes.
({0})
Zum anderen geht es um die Frage - darum haben wir
in den letzten Wochen wiederholt gerungen -, wie wir
den Städten und Gemeinden, die in der tiefsten Finanznot seit Kriegsende sind, helfen können. Für 2003 wird
- leider - ein Defizit in Höhe von 9,9 Milliarden Euro
erwartet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, vor diesem Hintergrund muss man
feststellen, dass die von Ihnen angebotene Entlastung
von etwas mehr als 800 Millionen Euro spät kommt und
dass dieser Betrag zu gering ist. Sie springen mit Ihrem
Änderungsantrag angesichts der Finanznot der Kommunen schlicht und ergreifend zu kurz.
({1})
Das ist in Anbetracht der Höhe, aber auch der Einmaligkeit der Hilfe der berühmte Tropfen auf den heißen
Stein, der den Kommunen keine nachhaltige Entlastung bringen wird, wie Herr Scheelen eben angedeutet
hat. Eine nachhaltige Entlastung hätte es aber geben können, wenn Sie am 13. Februar dieses Jahres der Senkung
der Gewerbesteuerumlage zugestimmt hätten; das war
damals eine namentliche Abstimmung. Das haben Sie
aber nicht getan.
({2})
Wenn Sie, Herr Scheelen, jetzt behaupten, diejenigen,
die vorschlagen, dass man das zuerst in den Ländern machen könne, seien gar nicht glaubwürdig, weil die Länder das gar nicht wollten, dann frage ich Sie: Welches
Parlamentsverständnis haben Sie eigentlich? Es lag
hierzu nicht nur ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion,
sondern auch ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor.
Die Länder haben also ihren Willen bekundet,
({3})
unter Inkaufnahme eigener Mindereinnahmen den Kommunen allein in diesem Jahr eine Entlastung in Höhe von
2,3 Milliarden Euro zuteil werden zu lassen. Sie haben
das bei der namentlichen Abstimmung am 13. Februar
abgelehnt. Diese Entlastung wäre nicht nur in diesem
Jahr, sondern auch in den Folgejahren wirksam gewesen.
({4})
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir werden dem kleinen Schritt, den Sie vorgeschlagen haben, zwar zustimmen. Aber ich prophezeie Ihnen auch mit Blick auf die
von Ihnen groß angekündigte Gemeindefinanzreform:
Wenn Sie weiterhin Politik in solch kleinen Schritten betreiben, dann werden die Kommunen ein Waterloo erleiden.
({5})
Wenn Sie, Frau Andreae fragen, welche Reformvorschläge die Opposition machen wird, dann antworte ich
Ihnen: Wir werden Ihnen sehr interessante Vorschläge
unterbreiten. Nur, Ihre Regierung hätte schon längst die
Arbeit in der Gemeindefinanzreformkommission unter
Vorsitz des Bundesfinanzministers abschließen können.
Tatsächlich wird das vertagt, weil Sie selber keine Reformkraft und keine Vorstellung haben, aus der hervorgeht, wie wir den Gemeinden nachhaltig helfen können.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Schild.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorab
das Positive: Wir begrüßen außerordentlich die Zustimmung der Opposition zu unserem Gesetzentwurf. Aber
kaum signalisieren Sie Ihre Zustimmung, relativieren
und mäkeln Sie.
({0})
Herr Kollege Kolbe, Sie haben heute wie im Finanzausschuss wieder Zweifel geäußert, ob die Art der Finanzierung richtig sei.
({1})
- Kollege Seiffert, Sie kennen Ihre Pappenheimer doch
viel besser als wir. Es ist doch gerade ein paar Wochen
her, da haben Ihre Oberbürgermeister beim Treffen in
der CDU-Zentrale hier in Berlin gefordert, nicht abgerufene Gelder aus dem Fluthilfefonds in Höhe von 2 Milliarden Euro den Gemeinden zur Verfügung zu stellen.
Was gilt denn? Es ist doch unseriös, 2 Milliarden Euro
zu fordern zu einem Zeitpunkt, wo noch überhaupt nicht
feststeht, welche Mittel tatsächlich aus diesem Fonds benötigt werden.
({2})
- Bayern kommt auch noch zur Sprache, Herr
Michelbach.
Wir wollen, dass das Geld den betroffenen Kommunen, Bürgern, Unternehmen und Ländern ungeschmälert
vorbehalten bleibt, bis endgültig klar ist, wie hoch die
Inanspruchnahme des Fonds tatsächlich ist. Unser Vorschlag zur Finanzierung ist deswegen keineswegs zweifelhaft; damit wird nämlich das Gesamtvolumen nicht
gekürzt. Der Bund steht für die Entlastung der Kommunen ein.
Es war absehbar, dass Sie heute trotz dieses ersten
Schrittes, den Gemeinden kurzfristig zu helfen, wieder
mäkeln würden. Wir kennen das Thema ja aus vielfältigen Diskussionen. Es war auch klar, dass Sie die Forderung nach Senkung der Gewerbesteuerumlage wiederholen würden. Ich frage bloß diejenigen, die sich Sorgen
um den Bundeshaushalt gemacht haben: Wenn die Mittel
aus diesem Fonds tatsächlich in voller Höhe nötig sind,
welche Auswirkungen wird das dann auf Infrastrukturmaßnahmen des Bundes haben? Diese Sorge haben Sie
aber nicht, wenn Sie sozusagen eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage fordern, die den Bund dauerhaft mit
1,3 Milliarden Euro belastet. Das müssen Sie sich auch
einmal überlegen.
Mit der heute zu beschließenden Entlastung bei der
Flutopferhilfe und den Mitteln für die zinsverbilligten
Kreditprogramme über die KfW leistet der Bund eine
Soforthilfe, die in der Summe dem geforderten Beitrag
an der Umlagesenkung entspricht. Wir erreichen damit
aber eine viel gerechtere Verteilung der Mittel unter den
Kommunen. Ich kann nur das wiederholen, was der Kollege Scheelen eben schon angesprochen hat: Die Länder,
die so vehement dafür eingetreten sind, die Gewerbesteuerumlage zu senken, sind herzlich eingeladen, den
Kommunen weitere Entlastungen zu gewähren. Wir wollen die Kommunalfinanzreform zum 1. Januar 2004 verwirklichen, damit die Gemeinden wieder über eine verlässliche und stetige Steuerquelle verfügen.
Bundeskanzler Schröder hat in seiner Regierungserklärung am 14. März den Kommunen eine erneuerte
Gewerbesteuer, die die Einnahmen verstetigt und den
Gemeinden mehr Eigenverantwortung gibt, zugesichert.
({3})
- Auch dazu kommen wir noch. - Die Koalitionsfraktionen unterstützen dies ausdrücklich. Auch die Vertreter
der kommunalen Spitzenverbände haben die Aussage
des Kanzlers begrüßt. Offensichtlich hat das nur der
kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Kollege Götz, noch nicht wahrgenommen. Ich unterstelle einmal, er war bei der Regierungserklärung des Kanzlers nicht anwesend. Wenn er festhält,
für die Kommunen sei Schröders Rede eine riesige Enttäuschung, nichts Neues, kein Licht am Ende des Tunnels,
({4})
dann muss man feststellen: Das ist absurd, Herr Kollege
Götz. Vier Wochen sind seit der Regierungserklärung
des Bundeskanzlers vergangen und bereits zwei Maßnahmen sind mit Abschluss der heutigen Debatte umgesetzt worden.
({5})
Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, eins
ist unstrittig: Für die Kommunalfinanzreform benötigen
wir eine breite Mehrheit, insbesondere im Bundesrat.
Das setzt aber voraus, dass die Union im Interesse der
Kommunen ihre Position klärt. Danach sieht es im Moment wahrhaftig nicht aus. Da gibt es einen vielstimmigen Chor. Erstens. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin
und Präsidentin des Städtetages Petra Roth fordert die
Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer und die Einbeziehung der Freiberufler. Die hessische Landesregierung, jetzt befreit von der Last des
Koalitionspartners, geht noch weiter und will wieder Gewerbekapital- und Lohnsummensteuer einführen.
({6})
Dann gibt es zweitens eine Gruppe in Ihrer Partei, die
deutliche Sympathien für das Modell des BDI auf Abschaffung der Gewerbesteuer und Ersetzung durch ein
kommunales Zuschlagsrecht auf Einkommensteuer und
Körperschaftsteuer zeigt; so beispielsweise Herr Teufel
aus Baden-Württemberg. Gestern las ich, dass der Kollege Meister erklärt hat - so stand es jedenfalls in der
„FAZ“ -, er sei für die Abschaffung der Gewerbesteuer.
Dann gibt es die dritte Position, den so genannten
dritten Weg - so wurde er in der kommunalpolitischen
Zeitschrift der CDU/CSU bezeichnet - des Kollegen
Fromme.
Man kann über vieles reden; aber Unberechenbarkeit
und Ziellosigkeit helfen den Gemeinden nicht weiter. Im
Interesse der Kommunen brauchen wir Entscheidungen.
({7})
Die Realisierung der Kommunalfinanzreform braucht
eine breite Mehrheit. Die heutige Entscheidung ist ein
wichtiges Signal für die Kommunen. In ihrem Interesse
sollten wir diesen Weg weitergehen. Das ist heute ein
wichtiger Schritt. Wenn die CDU/CSU-Fraktion ihre Position gefunden hat und wir diesen Weg in der Zukunft
gemeinsam fortsetzen, dann können wir das Ziel erreichen, eine umfassende Reform der Gemeindefinanzen
zum 1. Januar 2004 zu beschließen.
Ich danke Ihnen.
({8})
Der Abgeordnete Bartholomäus Kalb hat jetzt das
Wort.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass wir
heute die Entscheidung treffen werden, dass die Gemeinden von der Einzahlung in den Fluthilfefonds freigestellt
werden. Ich bin froh darüber, dass wir das vermutlich
einvernehmlich tun werden; schließlich haben Sie sich
vor ein paar Wochen noch nicht getraut, unserer diesbezüglichen Forderung und dem von uns vorgelegten Entschließungsantrag zuzustimmen, obwohl der Bundeskanzler es vorher angekündigt hatte, nach dem Motto - so
hat es Karl Valentin einmal zum Ausdruck gebracht -:
Mögen täten wir schon wollen, bloß dürfen haben wir
uns nicht getraut.
Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Probleme der Kommunen damit keinesfalls gelöst sind.
({0})
Der heutige Schritt bestätigt, dass unser Finanzierungsvorschlag aus dem letzten Jahr, gegen den Sie polemisiert haben, richtig war. Sie haben dann erkannt, zu
welch paradoxen Ergebnissen die Umsetzung Ihres Vorschlages geführt hätte, beispielsweise für die Stadt Passau, die als geschädigte Stadt mehr in Fluthilfefonds
hätte einzahlen müssen, als sie herausbekommen hätte.
Sie haben damals behauptet, wir zögen die Verschuldung
vor und Sie folgten der reinen Lehre. Tatsache ist, dass
der Bundesfinanzminister wenige Wochen später einen
Nachtragshaushalt vorlegen musste, der im Ergebnis für
2002 eine Erhöhung der Neuverschuldung von 21,1 Milliarden Euro auf 32,7 Milliarden Euro vorsah. Das geschah nach dem Motto: Vor der Wahl, nach der Wahl.
Es stellt sich auch heraus, dass es ein riesiger Fehler
war, die für 2003 vorgesehene Stufe der Steuerreform zu
verschieben.
({1})
Viele konjunkturelle Probleme, die wir jetzt haben, sind
darauf zurückzuführen.
Die Finanzsituation der Kommunen hat sich dramatisch verschärft. Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen um rund 6 Milliarden Euro ist Ihnen bekannt.
Die ungerechtfertigte Erhöhung der Gewerbesteuerumlage müsste dringend zurückgenommen werden. Professor Pinkwart hat bereits darauf hingewiesen: Es gibt
keinen Grund, die Höhe der Gewerbesteuerumlage aufrechtzuerhalten. Ich kann das jetzt im Detail nicht ausführen. Die Gewerbesteuerumlage müsste zurückgeführt
werden. Der Bundesrat und die CDU/CSU-Fraktion haben dazu jeweils einen Gesetzentwurf vorgelegt. Den
Ländern war Ernst und den Ländern ist Ernst.
Herr Kollege Scheelen, Herr Kollege Schild, es ist
falsch, zu behaupten, die Länder könnten auf ihren jeweiligen Anteil nun isoliert verzichten. Sie wissen ganz
genau, dass Bayern mittlerweile Gott sei Dank ein so genanntes Zahlerland ist und dass der Länderanteil an der
Gewerbesteuerumlage in die Berechnung des Länderfinanzausgleiches eingeht. Würde man Ihrem Vorschlag
folgen, müssten die Länder, jedenfalls die so genannten
Zahlerländer, doppelt zahlen.
({2})
Die Verschuldung der Gemeinden hat sich dramatisch
verschärft. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages,
Oberbürgermeisterin Roth, hat gestern darauf hingewiesen, dass das Defizit der Städte und Gemeinden in diesem Jahr wohl annähernd 10 Milliarden Euro erreichen
wird. Das bedeutet, dass sich das Defizit innerhalb von
zwei Jahren quasi verdoppelt haben wird. Dies ist eine
dramatische Entwicklung. Der Bundeskanzler verkündet
aber hier, er wolle den Gemeinden und den Städten mit
einem Kreditprogramm helfen. Weiß dieser Bundeskanzler denn nicht, dass wahrscheinlich mehr als die
Hälfte aller Städte und Gemeinden nicht mehr in der
Lage ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, und
nicht mehr in der Lage ist, ihre Verwaltungshaushalte
ohne Kredite zu finanzieren, weswegen es ihnen verwehrt ist, überhaupt noch Kredite aufzunehmen?
({3})
Es spielt dabei keine Rolle, ob gute oder weniger gute
Zinskonditionen angeboten werden.
({4})
Ich bin auch im Interesse der Kommunen sehr froh
darüber, dass wir zu diesem Ergebnis des Vermittlungsausschusses gekommen sind; wir haben heute Morgen
darüber abgestimmt. Damit konnte der steuerpolitische
Unfug, der mit den Beschlüssen in der Koalitionsvereinbarung und mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz
angerichtet werden sollte - ich verweise nur auf die Aussagen Ihres internen Konkurrenten, des Herrn Gabriel -,
von uns erfolgreich verhindert werden. Sie haben mit
diesem steuerpolitischen Unfug ganz wesentlich dazu
beigetragen, dass Ihre eigenen Prognosen - Sie haben
immer erzählt, im dritten Quartal, im vierten Quartal des
Jahres 2002 und ganz bestimmt im Jahr 2003 werde es
konjunkturell sehr viel besser gehen - nicht eintreffen
konnten. Sie versuchen ständig, diejenigen, die bei uns
im Lande die Leistung erbringen müssen, die Leistungsträger, von denen wir erwarten müssen, dass sie die Entwicklung mit ihrem Hirn anschieben, auf den Kopf zu
schlagen. Da wundern Sie sich, warum die Motivation
nicht da ist, warum die Investitionsbereitschaft nicht da
ist und warum die Leistungsbereitschaft nicht da ist!
({5})
Ihre Beschlüsse haben sich ausgewirkt wie ein dramatischer Bodenfrost über der Konjunktur in Deutschland.
Sie schlagen mit Ihrer verfehlten Haushalts-, Finanzund Wirtschaftspolitik die Einnahmen auch der Länder
und Gemeinden kaputt. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, Herr Kollege Schild, dass es die Länder Bayern
und Baden-Württemberg sind, die den höchsten Anteil
ihres Haushalts an die Kommunen weitergeben; in dem
Maß ist das in keinem anderen Land in Deutschland der
Fall.
({6})
Herr Kollege Kalb, denken Sie daran, dass die Redezeit abgelaufen ist.
Sie ruinieren die Finanzen der Länder und Gemeinden, weisen ihnen die Schuld zu und lassen sie im Regen
stehen. Dem müssen wir massiv entgegenwirken.
Ich danke Ihnen.
({0})
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 15/835, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen?
Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen
worden.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt
es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. - Gibt es
Enthaltungen? - Das ist auch nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung ebenfalls einstimmig
angenommen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Riegert, Peter Letzgus, Norbert Barthle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Internationale sportliche Großveranstaltungen gleichermaßen fördern
- Drucksache 15/544 Überweisungsvorschlag:
Sportausschuss ({0})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch gibt es nicht. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Gerlinde
Kaupa von der CDU/CSU-Fraktion.
({1})
- Die Kollegen sind so charmant, ihre Plätze einzunehmen.
Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sportliche Großveranstaltungen werfen ihre Schatten voraus, einmal die Fußball-WM - die haben wir Gott
sei Dank schon fest - und zum anderen die Olympischen
Spiele, um die wir uns bewerben. Morgen Abend werden
wir wissen, wer für Deutschland ins Rennen geht.
Förderprogramme, Masseninitiativen, die neu entfachte Diskussion um die reguläre und verpflichtende
dritte Sportstunde, dies sind nur einige Beispiele für das,
was durch die Bewerbung initiiert wurde.
Die Sportgroßveranstaltungen WM 2006 und Olympia 2012 lösen einen Sportboom aus und die Fußballvereine bekommen wieder Zulauf. Die Identifizierung
mit dem aktiven Sportler ist gerade während und nach
solchen Großveranstaltungen enorm hoch. Herausragende Erfolge deutscher Spitzensportler motivieren die
breite Menge zu sportlicher Betätigung. In den jeweiligen sportlichen Disziplinen kommt es zu einer Sogwirkung.
Die Spitzensportler nehmen eine Vorbildfunktion ein.
Sie begeistern die Menschen, sich selbst sportlich zu betätigen und ihre körperlichen Grenzen zu erfahren. Gerade für Kinder und Jugendliche ist es schön, zu sagen:
Ich will genauso sein wie der, ich will genauso sein wie
die. Diese Chance sollte nicht unbeachtet und ungenutzt
gelassen werden, denn die jüngste AOK-Studie beweist
doch: Unsere Kinder müssen wieder für den Sport begeistert werden. Nicht Gameboy, Power Rangers und
Fernsehen sollen die hauptsächliche Nachmittagsbeschäftigung sein, sondern die körperliche Betätigung.
({0})
Es ist geradezu besorgniserregend, wenn festgestellt
werden muss, dass die körperliche Fitness von Sechsbis 18-Jährigen kontinuierlich schlechter wird.
({1})
- Schauen wir einmal; ich habe ihn zum Nachlesen dabei. - Dieser Bewegungsmangel zieht gesundheitliche
Folgeschäden nach sich, die sich häufig erst in höherem
Alter stark bemerkbar machen:
({2})
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen,
Fettleibigkeit - um nur einiges zu nennen.
({3})
- Nicht? Aber das gehört mit dazu, denn Spitzensport
und Breitensport gehören zusammen. Wenn wir keine
Vorbilder haben, gibt es auch keine Breitenwirkung.
({4})
Die positiven Impulse von Sportgroßereignissen - jetzt
komme ich zu den von Ihnen geforderten Aussagen - müssen präventiv genutzt werden. Die Prävention muss als
eine starke Säule deutscher Gesundheitspolitik aufgebaut werden, denn Sport erfüllt alle Kriterien einer Präventionsmaßnahme. Nachdem wir bisher diese Säule
noch nicht aufgebaut haben, muss hier jede Gelegenheit
genutzt werden, um das anzusprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Spitzensport, sportliche Großveranstaltungen und Breitensport - das habe
ich eben gesagt - gehören zusammen und sind deshalb
alle sehr wichtig. Nur wenn der Breitensport funktioniert, der Nachwuchs gefördert wird, Talente gesichtet
und erkannt werden, kann der deutsche Spitzensport international erfolgreich sein.
Nennenswert ist die enorme Begeisterung und positive Einstellung, die von der Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 ausgeht. Die Aufbruchstimmung ist
enorm. Alle sind Feuer und Flamme für dieses Großereignis. Allein in Hessen wurden in Vorbereitung der
Spiele 22 neue hauptamtliche Trainerstellen geschaffen
und für den Sportnachwuchs 2,5 Millionen Euro - das
sind 10 Prozent mehr als 2002 - veranschlagt. Das Gleiche gilt für den Freistaat Sachsen. Auch hier wird in die
Trainerstellen investiert und die dritte Sportstunde ist
verpflichtend. Das sind Investitionen in Nachwuchsförderung im Hinblick auf ein Sportgroßereignis.
({5})
Auch die Entwicklung der Sportinfrastruktur hat eine
herausragende Stellung und darf nicht vergessen werden.
Jede für den Spitzensport bzw. für Sportgroßveranstaltungen erbaute Sportstätte steht auch dem Breitensport
zur Verfügung. Auch wenn die neu gebauten Sportstätten dem Breitensport zur Verfügung stehen, dürfen die
Haushaltsmittel für den Breitensport nicht zugunsten anderer Förderprojekte reduziert werden. Großveranstaltungen werfen Gewinne ab und sind von volkswirtschaftlichem Nutzen. So würden die Olympischen Spiele
2012 für Deutschland ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von 9,4 Milliarden Euro, Steuermehreinnahmen in
Höhe von 2,4 Milliarden Euro und umgerechnet
46 600 Vollzeitarbeitsplätze bringen. Dies zeigt, dass wir
mit internationalen sportlichen Großveranstaltungen
mehr gewinnen können, als es uns kostet. Diese Mehreinnahmen müssen voll und ganz dem Sport zugute
kommen. Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen
muss es sein, den Sport in all seinen Facetten zu fördern
und nicht zu hemmen.
({6})
- Das kann aber noch besser werden.
Ich denke mir, wir sind uns hier im Hause alle einig,
dass Deutschland internationale Sportveranstaltungen ins
Land holen soll und muss. Es gibt nämlich viel Konkurrenz und viele Mitbewerber. Daher muss es internationale,
absehbare und vorher bekannt gegebene Richtlinien für
solche Veranstaltungen geben. Die Austragungsländer
müssen gleiche Ausgangsvoraussetzungen haben. Es
kann nicht sein, dass in anderen Staaten oft günstigere
Rahmenbedingungen gelten. Dies benachteiligt Deutschland beim Heranholen von Sportmeetings. Bei uns gilt ein
engeres, strengeres und ungünstigeres Regelwerk als
anderswo. Ich fordere daher die Bundesregierung auf
- wenn sie es sowieso tut, ist es ja umso besser -, sich für
international verbindliche, einheitliche und einfachere
Standards einzusetzen.
({7})
Unsere ausufernde Bürokratie und unser Steuersystem dürfen nicht zu einer Benachteiligung des Sports
führen. Innerhalb ihrer Finanzbefugnisse muss die Bundesregierung alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen,
die der Austragung internationaler Sportwettkämpfe dienen. Die dafür im Sportetat eingestellten 700 000 Euro
sind ihren Einsatz wert und müssen in dieser Höhe weiterhin bestehen bleiben.
Unser Kollege Fritz Rudolf Körper - heute früh war
er da - hat im vergangenen November betont, dass die
Regierung nach besten Kräften versuchen werde, die
Einwerbung und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen zu unterstützen. Ich nehme ihn beim Wort und
vertraue auf ihn.
Vielen Dank.
({8})
Frau Kollegin, das war Ihre erste Rede in diesem Hohen Haus. Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen von allen.
({0})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhold Hemker.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Das, was im Antrag der Union festgestellt wird - auch die
Kollegin Kaupa hat das im Grunde nicht weiter ergänzen
können -, ist wiederholt, teilweise wortgleich, in den
Sportberichten früherer Regierungen und auch der jetzigen Regierung, so noch im 10. Sportbericht, festgestellt
worden. Der Antrag ist für mich so gesehen besonders im
Feststellungsteil eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten, die im Grunde nichts Neues enthalten.
({0})
Das gilt auch für die immer wiederholte Falschmeldung,
der Bund habe die Investitionen beim Spitzensport massiv gekürzt.
({1})
Natürlich sind sich heute alle Diskutanten einig: Es
muss alles getan werden, damit in Deutschland - und
nicht nur in Deutschland - bedeutsame Sportveranstaltungen durchgeführt werden. Allerdings weise ich auch darauf hin, dass die im vorliegenden Antrag und in früheren
Sportberichten genannten Ziele nicht in erster Linie über
internationale sportliche Großveranstaltungen in Deutschland nach der Zusage von Steuernachlässen erfolgen dürfen - in diese Richtung geht der Antrag -; vielmehr muss
im internationalen Miteinander für Weltmeisterschaften
und Olympische Spiele ein Konsens mit weniger privilegierten Ländern erreicht werden, die bei weitem nicht die
Wirtschaftskraft wie Deutschland besitzen.
Der Sport und somit auch internationale Großveranstaltungen stellen eine Komponente der internationalen,
bilateralen und auch projektpartnerschaftlichen Zusammenarbeit und der Entwicklungszusammenarbeit dar. Ich
betone, dass wir hier eigentlich keinen Wettbewerb der
Länder haben wollen. Sie sollen sich nicht gegeneinander ausspielen. Für uns zählt, dass unter fairen Bedingungen verhandelt wird.
({2})
Im Übrigen würde ich bei einem solchen Antrag nicht
feststellen - was auch schlicht eine falsche Behauptung
wäre -, dass der Bund wegen seiner angespannten Haushaltslage die Investitionen beim Spitzensport massiv
gekürzt habe. In der Zeit, als die CDU/CSU sich noch in
der Regierungsverantwortung befand, sanken die Ausgaben auf 242 Millionen DM, von 1998 bis 2001 sind die
Ausgaben auf 377 Millionen DM gestiegen.
({3})
Auch in den schwierigen Jahren 2002 und 2003, lieber
Klaus Riegert, liegt die Förderung trotz Haushaltskonsolidierung nicht niedriger als zum Ende der Regierungszeit von CDU/CSU und, lieber Detlef Parr, leider auch
FDP.
Die Kürzungen bewegen sich im Rahmen der Haushaltskonsolidierungen, die wohl unbestritten nötig sind.
Zumindest meine Gespräche mit Vertretern des Sports
haben immer wieder gezeigt, dass Bereitschaft zur Unterstützung der Konsolidierungsbemühungen besteht.
Übrigens hat der DSB im August 2002 Hans Eichel ausdrücklich wegen der steuerlichen Erleichterungen in der
Vereinslandschaft und der beruflichen Absicherung der
Spitzensportler gelobt.
({4})
Ich gehe davon aus, dass der Kollege Grasedieck auf
diesen Punkt noch näher eingehen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere im
Bereich des Profisports - da schreitet die Professionalisierung, die Sie ansprechen, besonders voran - wird
Geld in einem Umfang verdient, wie es in anderen Bereichen der Gesellschaft nicht der Fall ist. Auch darauf
muss man hinweisen. Außerdem ist längst noch nicht die
Mehrheit der gut verdienenden Spitzensportler in den
Kreis derjenigen eingetreten, die die Stiftung „Deutsche
Sporthilfe“ nachhaltig unterstützen. Auch da gibt es
noch einen Nachholbedarf.
({5})
Ich freue mich, dass in dem CDU/CSU-Antrag sowohl im Feststellungs- wie auch im Forderungsteil - das
ist ein wichtiger Punkt in Ihrem Antrag - die Umgangsweise mit der Abhängigmachung der Vergabe internationaler Sportgroßveranstaltungen von Steuerbefreiung oder von Steuernachlässen problematisiert wird.
Dieses werden Sie gewusst haben, als Sie Ihren Antrag
formuliert haben; denn ich gehe davon aus, dass Sie Ihr
Ohr am Volke bzw. in der Sportministerkonferenz vom
28. und 29. November 2002 gehabt haben. Damals stand
das Thema „Besteuerung internationaler Sportveranstaltungen und -verbände“ auf der Tagesordnung. Vor dem
Hintergrund der Ausrichtung der Fußball-WM 2006, der
Bewerbung Deutschlands für die Olympischen Spiele
2012 sowie anderer bedeutender internationaler Sportveranstaltungen in Deutschland wies die Sportministerkonferenz auf die Erschwernisse hin, die aus der Vorgabe der
§§ 50 Abs. 7 und 50 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes resultieren.
Man muss an Folgendes erinnern: Schon anlässlich
dieser Konferenz wurde darauf aufmerksam gemacht,
dass Nachteile für Sportvereine und -verbände bei internationalen Sportbegegnungen in Deutschland, bei Entscheidungen über die Vergabe großer internationaler
Sportveranstaltungen sowie bei der Durchführung von
Treffen internationaler Sportorganisationen in Deutschland die Folge sein könnten. Der Beschluss der damaligen Sportministerkonferenz war eindeutig: Die Finanzministerkonferenz, das Bundesministerium der Finanzen
und das Bundesministerium des Innern werden dazu einladen, eine Arbeitsgruppe einzurichten. Diese Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit aufgenommen. Ein Ergebnis wird
bald vorgelegt werden.
Ich vermute, lieber Klaus Riegert, dass Sie vor dem
Hintergrund Ihrer Kenntnis der damaligen Gespräche in
dieser Konferenz den Brief vom 4. Dezember 2002 geschrieben haben, in dem Sie einen Bericht des Finanzministers über die Auswirkungen der schon genannten Vorschriften im Einkommensteuergesetz gefordert haben.
Der Sachverhalt ist relativ einfach: Es geht im Wesentlichen darum, die Einkommensteuer zum Teil zu erlassen
oder einen Pauschalbetrag festzusetzen. Ich bin auf das
Ergebnis der Arbeitsgruppe sehr gespannt.
Mit dem vorliegenden Antrag wird im Grunde die Arbeit der Sportministerkonferenz und der Auftrag der Arbeitsgruppe, dem die Vertreter aller Bundesländer zugestimmt haben, infrage gestellt. Warum warten Sie
eigentlich das Ergebnis nicht ab? Warum begleiten Sie
nicht einen vertrauensfördernden Diskussionsprozess?
Warum muss der Antrag ausgerechnet während des gegenwärtigen Prozesses der Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 in Deutschland zur Sprache kommen? Ich bin der Meinung, dass es
sich zu diesem Zeitpunkt um ein falsches Signal handelt.
({6})
Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass
wir für die Arbeit der Polizei und der Hilfswerke sowie
für die gesundheitliche Betreuung im Rahmen solcher
Großveranstaltungen Geld, nämlich Steuergeld, brauchen.
({7})
Es werden ja nicht alle notwendigen Mittel durch Sponsoren aufgebracht, denen ich in diesem Zusammenhang
danken will.
Ich gehe davon aus, dass der internationalen Sportförderung eine besondere Rolle bei der Bildung von Vertrauen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
anderen Ländern, besonders in Europa, zukommt. Denn
mit dem deutschen Sport werden international auf allen
Ebenen und in allen Bereichen sehr positive Vorstellungen verbunden. Es muss natürlich ein Unterschied gemacht werden zwischen Veranstaltungen in Bereichen,
bei denen über Werbeeinnahmen, Lizenzverträge und
Zuschauereinnahmen viel Geld verdient wird, und Veranstaltungen im Bereich der meistens sehr wertvollen so
genannten Randsportarten, bei denen oft nicht annähernd
die Einnahmen erzielt werden, die ausreichen, um die
Ausgaben zu decken.
Ich möchte auf eine weitere Forderung in dem Antrag
der Union zu sprechen kommen. Ich gehe davon aus,
dass Ihre Forderung, die Erlöse aus dem Verkauf von
Sondermünzen oder Sonderbriefmarken aus Anlass
internationaler sportlicher Großveranstaltungen dem eigentlichen Verwendungszweck zuzuführen und erst
überschüssige Erlöse beim Sport verbleiben zu lassen,
nicht so ernst gemeint ist.
({8})
Ich weise darauf hin, dass bei den Olympischen Spielen
in Salt Lake City von 35 Medaillengewinnern aus
Deutschland 32 von der Stiftung „Deutsche Sporthilfe“
gefördert wurden. Meine Fraktion und ich möchten
nicht, dass auf irgendeine Art und Weise Erlöse für die
Stiftung „Deutsche Sporthilfe“ anders verwandt werden,
schon gar nicht für die Finanzierung dieser von mir erwähnten Großveranstaltungen.
({9})
- Natürlich haben wir das gesagt. Lieber Klaus Riegert,
wir haben sogar im Zusammenhang mit Gesprächen mit
der Stiftung „Deutsche Sporthilfe“ festgestellt: Wir müssen alle Kampagnen für die Deutsche Sporthilfe unterstützen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir uns dafür
einsetzen, dass die Erlöse aus dem Verkauf von Sondermünzen und Sonderbriefmarken entsprechend verwandt
werden. Das ist überhaupt keine Frage.
({10})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von daher gesehen
gehe ich davon aus: Wir werden im Ausschuss eine sachliche und fachliche Diskussion über den Antrag führen.
Wir werden über die Vorschläge noch einmal diskutieren. Ich habe deutlich gemacht, in welche Richtung unsere Argumente gehen. Ich hoffe, lieber Klaus Riegert,
dass diese Diskussion dann ins Detail geht, und zwar
möglichst unter Einbeziehung des Ergebnisses der Arbeitsgruppe, die einvernehmlich eingesetzt worden ist.
Herzlichen Dank.
({11})
Es spricht jetzt der Abgeordnete Detlef Parr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Kommerzialisierung des Sports wächst und wächst. Deswegen stellt sich bezüglich der Durchführung internationaler Großveranstaltungen zu Recht die Frage nach dem
Verhältnis von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der
Sportorganisationen auf der einen Seite und der Notwendigkeit staatlicher Unterstützung auf der anderen Seite.
Wir sind uns einig, dass Olympische Spiele sowie
Welt- und Europameisterschaften sowohl für das Bild
Deutschlands im Ausland von hoher Bedeutung sind als
auch für die Veranstalterregionen erheblichen Nutzen
- auch materiellen - bringen. Deshalb findet ja zurzeit
ein sehr starker Wettbewerb unter fünf Bewerberstädten
um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012
statt. Er wird morgen hoffentlich zu einem guten Ergebnis führen. Für den internationalen Wettbewerb in diesem Zusammenhang müssen wir - das wurde bereits von
dieser Stelle aus gesagt - alle Kräfte in unserem Land
bündeln und bis zum Sommer 2005 unsere Ausgangsposition Zug um Zug verbessern, um den Zuschlag des Internationalen Olympischen Komitees zu bekommen.
Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag der
Union, weil er berechtigterweise die immer ungeniertere
Vergabepraxis bei internationalen sportlichen Großereignissen kritisch beleuchtet. Es ist richtig, dass vor
dem Hintergrund stetig wachsender Anforderungen vieler Sportorganisationen auf internationaler Ebene der
Versuch gestartet werden muss, diese Entwicklung in
Grenzen zu halten. Die Begehrlichkeiten dürfen nicht ins
Uferlose bedient werden. Der Hang zur Perfektion muss
gebremst werden.
({0})
„Immer höher, immer schneller, immer weiter“ ist ein
akzeptiertes Leitmotiv der Aktiven. „Immer größer, immer aufwendiger, immer luxuriöser“ auf des Steuerzahlers Kosten darf nicht zum selbstverständlichen Leitmotiv der Veranstalter sportlicher Großereignisse werden.
({1})
Die im Antrag gestellten Forderungen nach einer Beschränkung auf das Notwendige und die Erweiterung nationaler Gestaltungsspielräume unterstützen wir gerne.
Das IOC scheint sich schon auf diesen Pfad zu begeben.
Diese neue Bescheidenheit ist umso wichtiger vor
dem Hintergrund der aktuellen Kürzungen der Mittel
für die Sportförderung im Spitzen- und Breitensportbereich auf vielen politischen Ebenen. Wenn Sportvereine daraufhin verstärkte Anstrengungen unternehmen,
ihre Einnahmeseite zu verbessern, und dafür steuerlich
belastet werden, dürfen wir auf der anderen Seite zukünftig nicht mehr leichtfertig auf Steuereinnahmen verzichten. Dass wir das nicht im nationalen Alleingang
schaffen können, ist klar und kommt im vorliegenden
Antrag zum Ausdruck.
Einem anderen Alleingang mit für die Sportvereine
gefährlichen steuerrechtlichen Tendenzen müssen wir
rechtzeitig entgegentreten; lassen Sie mich das in diesem
Zusammenhang ganz kurz erwähnen. Die EU-Kommission beabsichtigt offenbar, die Einnahmen aus von
Sportvereinen betriebenen Fitnesszentren voll der Steuer
zu unterwerfen. Überschüsse aus diesen Einnahmen dienen aber meistens der Finanzierung von weniger stark
nachgefragten Sportarten, die für die Vielfalt des Angebots der Vereine von Bedeutung sind und ansonsten
nicht angeboten werden könnten. Diese Betätigung der
Vereine sollte deshalb keinesfalls als Kommerz eingestuft werden und nicht zu steuerrechtlichen Folgen zulasten der Vereine führen.
Zurück zum Antrag und dem Thema Erlöse aus dem
Verkauf von Sondermünzen; Kollege Reinhold Hemker
hat das bereits angesprochen. Die Diskussion darüber im
Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006
und die Verwendung für das kulturelle Rahmenprogramm
hat Wellen geschlagen, weil es an der erforderlichen
Transparenz gefehlt hat. Die Kommunikation zwischen
dem Organisationskomitee und dem Sportausschuss ließ
zu wünschen übrig, im Übrigen auch die Kommunikation
zwischen Bundesregierung und Sportausschuss. Es gibt
eine interministerielle Arbeitsgruppe, die offensichtlich
durchgängig vom OK informiert wird. Diese Informationen kommen aber nicht im Sportausschuss an. Das hat unnötig Raum für Spekulationen geboten.
Meine Damen und Herren, die großen Verdienste des
Deutschen Fußballbundes, die Weltmeisterschaften in
unser Land zu holen, sind unbestritten. Das gilt auch für
das finanzielle Engagement des DFB. Gewiss haben
auch viele persönliche Kontakte erheblich zum Bewerbungserfolg beigetragen. Wenn aber in Bezug auf die
Organisation des kulturellen Rahmenprogramms und die
hierfür zu verwendenden öffentlichen Mittel nach und
nach Ungereimtheiten auftauchen, sind klärende Fragen
aus der Mitte des Sportausschusses eine Selbstverständlichkeit.
({2})
Hier geht es weniger um Kontrolle als um Offenlegung und damit Transparenz von Beziehungsgeflechten.
Heide Ecker-Rosendahl und Michael Groß verzichten
morgen in München aus Befangenheit auf ihr Stimmrecht bei der Wahl der Olympia-Bewerberstadt. Das ist
für die beiden Vertrauenssache. Neutralität bei der Abstimmung und Teilnahme schließen sich nach ihrem
Selbstverständnis aus.
Um Vertrauen geht es auch beim zukünftigen Zusammenwirken zwischen OK, Bundesregierung und Parlament. Deswegen müssen wir mehr miteinander reden,
und zwar nicht inquisitorisch, Herr Rauen - Kontrolle
und Inquisition wollen wir nicht -, aber offen.
Wie es der Antrag der CDU/CSU vorsieht, sollen
überschüssige Erlöse beim Sport verbleiben und im Einvernehmen mit dem Sportausschuss Verwendung finden.
Dabei geht es nicht darum, ob wir das Geld bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe oder woanders unterbringen
wollen. Das Geld soll beim Sport verbleiben. Das steht
im Antrag und das kann man nur unterstützen. Das ist
eine richtige Anregung für die weiteren Ausschussberatungen, auf die ich mich freue.
({3})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Winne Hermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über sportliche Großveranstaltungen, obwohl ich mir bei Ihrer Rede, Frau Kaupa, nicht ganz sicher war, ob das wirklich das Thema ist.
({0})
Eigentlich ist es das Thema des Antrages und wir diskutieren es im Vorfeld einer wichtigen Entscheidung, nämlich der Entscheidung über die deutsche Olympia-Bewerberstadt 2012.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen,
auch einmal zu sagen, dass die Art und Weise, wie in
Deutschland die richtige Bewerberstadt gefunden wird,
weltweit einmalig ist. Es gibt ein wirklich faires und transparentes Verfahren. Ich begrüße das für meine Fraktion
außerordentlich. Wir freuen uns, wenn morgen die Entscheidung fällt, und hoffen, dass dann das ganze Haus unabhängig von regionalen Patriotismen für diese Bewerberstadt steht und kämpft, damit dann tatsächlich im Jahre
2012 die Olympischen Spiele nach Deutschland kommen.
({1})
Nun zur eigentlichen Frage des Antrages, der Förderung internationaler sportlicher Großveranstaltungen.
Bei der Bearbeitung des Themas muss man ein Stück
weit die Geschichte der Sportentwicklung der letzten
Jahre und die Entwicklung von Sportgroßveranstaltungen kritisch beleuchten. Das war wohl auch in etwa das
Ziel Ihres Antrages.
Aus meiner Sicht ist festzustellen: In den letzten Jahren ist es immer häufiger dazu gekommen, dass die Veranstalter, also die internationalen Organisationen, qualitativ und quantitativ immer höhere Anforderungen an
die Bewerber stellen. Die Pflichtenhefte werden immer
dicker, in denen steht, was alles zu tun und auf jeden Fall
sicherzustellen ist. Die Sicherheitsvorkehrungen sind angesichts internationaler Unsicherheiten und der Gefahr
von terroristischen Anschlägen gewachsen.
Bei Wettkampfstätten und bei der Zahl der Teilnehmer gibt es ständige Erweiterungen. Auch das führt letztendlich zu immer komplizierteren Verfahren. Schließlich
wird inzwischen selbstverständlich - wie etwa bei der
Fußballweltmeisterschaft - ein umfassendes kulturelles
Begleitprogramm erwartet.
Fazit: Es gibt eine Tendenz zum Gigantischen und das
halte ich für durchaus problematisch. Das hat Auswirkungen für die Verbände, die sich für eine Bewerbung
einsetzen wollen, es hat Auswirkungen für die Länder,
die sich bewerben wollen, weil dadurch die Veranstaltungen immer teurer werden und sich deswegen nicht
mehr alle Länder solche Veranstaltung leisten können.
Gerade weil wir von diesen Auswirkungen wissen
- übrigens vor allem auch auf die öffentliche Hand, weil
die öffentliche Hand immer mehr investieren muss, damit ein Wettbewerb im Lande überhaupt erst möglich
ist -, halte ich es schon für berechtigt, die ernsthafte
Frage zu stellen: Ist es dann angemessen, den Sport, das
heißt die Veranstalter steuerlich zu befreien? Schließlich
werden im Sport auch üppige Geschäfte gemacht. Viele
verdienen gut dabei. Ist es deswegen nicht nur fair, zu sagen, dass sich dann der Sport auch fair am Steueraufkommen beteiligen muss? Er profitiert natürlich auch
von den steuerfinanzierten Infrastrukturmaßnahmen.
({2})
Es ist doch mehr als fair, bevor wir eine Entscheidung
treffen, danach zu fragen, wie viel Steuereinnahmen verloren gehen, welche Gewinne es gibt und wie es in anderen Ländern aussieht.
Wenn wir über die steuerlichen Rahmenbedingungen
reden, sollten wir auch die Bewerbungsverfahren thematisieren; das ist von Ihnen schon kurz angesprochen
worden. Die Vergabemodalitäten etwa für die Austragung von Olympischen Spielen haben in den letzten Jahren offenkundig gemacht, dass die Zustände skandalös
sind. Das Vorgehen der Vertreter von Salt Lake City hat
das Internationale Olympische Komitee in eine tiefe
Krise gestürzt, weil erkennbar wurde, dass Teile des Komitees bestechlich waren. Bewerberstädte haben offensichtlich große Summen an Schmiergeldern eingesetzt,
um siegreich zu sein. Das war skandalös. Ich bin froh,
dass das IOC diesen Vorfall aufgearbeitet hat, ihn zum
Anlass genommen hat, das Komitee zu demokratisieren
und das Vergabeverfahren transparenter und die Regeln
für die Entscheider schärfer zu machen. Es hat damit den
Versuch unternommen, so etwas zukünftig zu verhindern.
({3})
- Wir reden doch über Großveranstaltungen und darüber,
was die Voraussetzungen dafür sind, dass eine Veranstaltung an einem bestimmten Ort stattfindet. Dabei darf
man sich nicht nur auf Steuerfragen konzentrieren. Ich
werfe Ihnen vor, dass Sie sich in Ihrem Antrag einseitig
auf wenige Fragen konzentrieren, die meines Erachtens
zwar wichtig sind, aber nicht die einzigen wichtigen Fragen sind.
Wir müssen festhalten - das ist ein bedeutsamer Punkt -,
dass sportliche Großveranstaltungen nicht per se gemeinnützig sind, sondern dass mit ihnen große Geschäfte zu machen sind. Sie sind durchaus großen Kulturveranstaltungen
gleichzustellen, die auch nicht von vornherein als gemeinnützig eingestuft werden und steuerbefreit sind.
Wichtig ist aber auch, festzustellen, dass es nicht vorkommen darf, dass im Sportbereich, der global organisiert ist, die Nationalstaaten gegeneinander ausgespielt
werden, dass Steuerdumping betrieben wird und den
Staaten gedroht wird, mit Veranstaltungen nur dorthin zu
gehen, wo sie von der Steuer befreit werden. Die Nationalstaaten sind dann am Ende auch noch so blöd und lassen sich darauf ein. Ich finde, dass aufgrund der globalen
Organisation des Sports eine internationale Absprache
der Nationalstaaten erfolgen muss, die zu fairen Bedingungen führt und die dann alle Staaten bindet, damit
kein Steuerdumping mehr stattfindet.
({4})
- Das stimmt; das ist der Punkt. Dieses Element finde
ich übrigens auch in Ihrem Antrag, Herr Riegert. Sie haben vorhin gefragt, ob ich bei meiner Rede wie der SPDKollege herumeiern würde. Nein, ich eiere nicht herum.
Aber Ihr Antrag eiert etwas: Auf der einen Seite liebäugeln Sie mit dem Gedanken der Steuerbefreiung. Auf
der anderen Seite sagen Sie darin aus, dass das eigentlich
international einheitlich geregelt sein müsste. Diesen
zweiten Teil Ihres Antrags teile ich sehr wohl.
Wenn man sich ansieht, welche internationalen Wettbewerbe in den letzten Jahren nicht nach Deutschland
gekommen sind - ich nenne nur die Handballweltmeisterschaft oder die Leichtathletikweltmeisterschaft für 2005 -,
dann muss man feststellen, dass offensichtlich andere
Kriterien dazu geführt haben. Die Steuerbefreiung hat
keine Rolle gespielt. Hier ist der Hinweis angebracht,
dass Ihr Antrag in diesem Punkt in die falsche Richtung
geht, zumindest aber das Problem nicht trifft.
Sie haben in diesem Antrag - das muss ich anerkennen - Ihre Finanzwundertüten nicht in dem Ausmaß aufgemacht, wie Sie das in der letzten Periode des Öfteren
gemacht haben.
({5})
Man hat wirklich das Gefühl, dass dieser Antrag mit den
Finanzpolitikern Ihrer Fraktion abgesprochen worden
ist. Sie sind sehr viel zurückhaltender als in öffentlichen
Debatten früher.
Merkwürdig ist allerdings - das muss ich Ihnen so
wie der Kollege Hemker sagen -, dass Sie nicht zur
Kenntnis nehmen, dass es inzwischen eine Absprache
der Ländersportminister gibt und einen Arbeitskreis,
dessen Mitglieder sich verständigen wollen. Merkwürdig
ist auch, dass Sie an dieser Stelle wieder so tun, als wäre
die Bundesregierung für alles zuständig und verantwortlich. So ist es nicht. Die Steuerbefreiung, die für die
Fußballweltmeisterschaft fraktionsübergreifend beschlossen worden ist, ist nicht vom Deutschen Bundestag oder der Bundesregierung beschlossen worden, sondern von dem kompetenten Gremium, das dafür
zuständig ist, nämlich von der Länderfinanzministerkonferenz in Absprache mit dem Bundesfinanzminister.
({6})
- So war es.
Was folgt daraus? Wenn Sie eine ehrliche Politik machen möchten, dann müssen Sie auf die Ebene des Bundesrates gehen und Ihre Mehrheiten entsprechend Ihrer
Position sichern; denn sonst gibt es im Bundestag in dieser Frage nur Schauspiele und keine ehrlichen Debattenbeiträge.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss
und ziehe ein Fazit. Eine Debatte über das Pro und Kontra der Besteuerung von Großveranstaltungen ist keine
Debatte über das Pro und Kontra von Großveranstaltungen. Die Frage muss vielmehr lauten, wie wir steuerlich
mit Großveranstaltungen umgehen.
({7})
Großveranstaltungen im Bereich von Sport und Kultur,
durch die große Umsätze gemacht und Gewinne erzielt
werden, sollte man aus meiner Sicht nicht generell steuerfrei stellen.
({8})
Stattdessen plädiere ich sehr dafür, politisch, ökonomisch und steuerrechtlich zu überprüfen, ob im Einzelfall sinnvollerweise Ausnahmen zu machen sind.
Herr Kollege, Sie wollten zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. - Ich sage gleich dazu: Dieses Prinzip, dass fair miteinander umgegangen werden
muss, soll natürlich auch für die kleinen Organisationen
und Verbände und nicht nur für die großen und reichen
gelten.
Mein letztes Wort: Bei der Förderung von Großveranstaltungen geht es um mehr als nur um eine Steuerfrage.
Wenn wir Großveranstaltungen nach Deutschland holen
wollen, müssen wir zeigen, dass wir gastfreundlich und
sportlich sind.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort für seine erste Rede im Deutschen Bundestag hat jetzt der Abgeordnete Bernd Heynemann.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Seit einigen Wochen diskutieren wir über den
Haushalt und damit auch über das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz, das gestern im Vermittlungsausschuss aufgrund unserer Einsprüche entschärft
wurde. Vergünstigungen, besonders bei der Steuer, müssen durchaus auf den Prüfstand gestellt werden. Welche
nachhaltigen Auswirkungen hat dies aber? Diese Frage
ist zu stellen. Im Bereich des Sports und der Durchführung von sportlichen Großveranstaltungen gibt es hierzu
Diskussionsbedarf.
Wir als CDU/CSU-Fraktion haben mit unserem Antrag zur Förderung von internationalen Großveranstaltungen nicht nur wenige telegene Sportarten im Blick,
sondern wollen das gesamte Spektrum der Sportarten betrachtet wissen.
({0})
Wir wollen, dass die wirtschaftlichen, regionalen, touristischen, imagebildenden und sportspezifischen Aspekte
im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die Gleichbehandlung aller Sportarten beinhaltet auch ein Bekenntnis
zur gesamten Palette des Sports, kurzum zur olympischen Idee und nicht nur zu Prestige und Kommerz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders
bei internationalen Großereignissen gibt es eine - das ist
ein neuer Begriff - Nachhaltigkeit der Sportstätten und
der gesamten Infrastruktur. Denken wir dabei an
München 1972. Eine ganze Region profitiert infrastrukturell noch heute von den Olympischen Spielen.
({1})
Diese Nachhaltigkeit wird auch von dem neuen IOCPräsidenten Jacques Rogge bei der Bewerbung für die
Olympischen Spiele 2012 gefordert. Alle fünf deutschen
Bewerber haben dementsprechende Konzepte vorgelegt.
Wir sind gespannt, welche Entscheidung morgen getroffen wird.
Deshalb muss der Staat auch bei seinen steuerlichen
Entscheidungen langfristig denken und diese Events fördern. Es sollte dabei aber nicht nur um lukrative Ereignisse gehen, die natürlich auch eine politische Bedeutung haben und die für die eigenen Zwecke und
Interessen genutzt werden, so wie Sie es jetzt mit der
WM 2006 praktizieren. Der Spitzenbereich vieler Sportarten wird stark von kommerziellem Handeln geleitet
und in den Medien fokussiert. Sportarten, die vor zehn
Jahren noch als nicht medial und damit auch als nicht
kommerzialisierbar eingestuft wurden, sind heute Quotenhits, zum Beispiel Bobfahren, Skispringen, Golf, Triathlon und andere Sportarten mehr.
({2})
Wenn ein Großereignis mit internationalen Dimensionen nach Deutschland kommt bzw. kommen könnte, so
sollten die Verantwortlichen nicht zuerst nach den Kosten, sondern nach dem Nutzen fragen. Dieser ist nicht
immer in Euro und Cent zu berechnen.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, deshalb fordere ich Sie auf: Suchen Sie sich nicht nur die Rosinen
der Steuerförderung aus dem großen internationalen
Sportkuchen heraus, sondern nehmen Sie das Stück, das
Ihnen angeboten wird! Herr Hermann, nur so schaffen
Sie ein Umfeld, in dem es auch internationalen Sportorganisationen eine Überlegung wert zu sein scheint, ob
sie sich in Deutschland niederlassen werden. Wirtschaftspolitik - sprich: Ansiedlungspolitik - funktioniert
nicht anders. Reden Sie also nicht nur darüber, wie es
nicht geht, sondern reden Sie darüber, wie wir diese Aufgabe anpacken und lösen können!
({3})
Internationale Großveranstaltungen kommen natürlich nur nach Deutschland, wenn es hier auch einen gut
funktionierenden Spitzensport in den verschiedensten
Sportarten gibt. Ich sagte es bereits: Viele Sportarten
sind stark kommerzialisiert; doch international können
sie nur konkurrieren, wenn in ihnen wirtschaftlich gearbeitet werden kann. Nur dann ist die Teilnahme am internationalen Spielbetrieb möglich.
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, hatten die Bundesregierung im Februar dieses Jahres gefragt, wie sie zum Beispiel die steuerliche Behandlung von VIP-Logen in großen Arenen regeln will. Die Antwort ist nicht befriedigend.
Wird im Rahmen einer verdeckten Steuererhöhung die Abzugsfähigkeit gestrichen, so bedeutet das für viele Bundesligavereine in den unterschiedlichsten Sportarten hohe finanzielle Einbußen, die bis zur Einstellung des Spielbetriebes
gehen können.
({4})
Die Vereine sind dringend auf eine positive Lösung
angewiesen; denn damit steht irgendwann auch die Abzugsfähigkeit des gesamten Sportsponsorings auf dem
Prüfstand. Diese Forderung haben wir auch in unserem
Antrag formuliert, in dem wir die Bundesregierung auffordern, nicht nur internationale Großsportveranstaltungen gemäß ihrer Bedeutung gleichermaßen und angemessen zu fördern, sondern auch den nationalen
Gestaltungsspielraum zu erweitern.
({5})
Es geht nicht um die Bevorzugung von Wirtschaftsunternehmen, die mit Sport viel Geld verdienen und umsetzen. Es geht ganz einfach um die Unterstützung von
Bundesligavereinen, die zurzeit sechsmal mehr Steuern
zahlen als noch vor zehn Jahren. Allein die Fußballbundesligavereine zahlen jährlich 600 Millionen Euro an
Umsatz-, Gewerbe- und Lohnsteuer. Damit sind diese
Bundesligavereine nicht nur für die gesamte Region,
sondern auch für den Standort Deutschland ein wirtschaftlicher Faktor.
({6})
Dies sollte Rot-Grün berücksichtigen, bevor wieder
Steuererhöhungen bzw. Reglementierungen festgelegt
werden, Frau Freitag.
Internationale Großveranstaltungen sind nur möglich, wenn wir auch über hervorragende Stadien verfügen. Zerstören Sie nicht durch ständiges Manipulieren
der Steuergesetzgebung das Vertrauen der Vereine und
deren Kalkulationsgrundlage. Mehr noch: Mit einer Besteuerung der Spitzenligen würden auch Finanzierungsmodelle für Neubauten, wie etwa die „Arena auf
Schalke“, gefährdet. Und diese Arena ist nun wirklich
mehr als ein Sporttempel.
Schaffen Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün,
die Voraussetzungen dafür, dass sich der Spitzensport in
Deutschland so stark entwickeln kann, dass über internationale Erfolge auch große internationale Events in Deutschland stattfinden können. Ansonsten bleibt ein fader Beigeschmack hängen, nämlich dass Sie die neue Zeit nicht
begriffen haben und versuchen, private Initiativen durch
staatliche Gängelei zu unterdrücken. Denken Sie immer
daran: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!
({7})
Herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede.
({0})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dieter
Grasedieck.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Heynemann, unsere Bundesregierung fördert den Spitzensport. Ich will hier nur einmal einige
Zahlen nennen: 1998, als die CDU/CSU die Regierungsverantwortung hatte, wurden für den Spitzensport
221 Millionen Euro ausgegeben. Im Jahre 2001 waren es
schon fast 100 Millionen Euro mehr. Unsere Bundesregierung hat insgesamt 317 Millionen Euro für den Spitzensport ausgegeben.
({0})
In den letzten Jahren sind große Events gestartet worden. Sie haben es doch verfolgen können. Wir unterstützen den Spitzensport und den Breitensport. Das ist für
uns eine wichtige Aufgabe. In diesem Bereich ergreifen
wir konkrete Maßnahmen.
({1})
Diese konkreten Maßnahmen vermisse ich in Ihrem
Antrag. Man muss wirklich schon zwischen den Zeilen
lesen, um in dem von Ihnen vorgelegten Antrag Ziele zu
erkennen. Die CDU/CSU-Fraktion schreibt in ihrem Antrag vom Treffpunkt der Jugend und der Eliten. Die
Wichtigkeit der Weltmeisterschaften und der Olympischen Spiele wird beschworen, die gleichzeitig die Menschen begeistern. Auch vom Verständnis für fremde Kulturen durch sportliche Großereignisse ist die Rede. Dies kann ich richtigerweise nur als Literatur und
Sprechblasen bezeichnen.
({2})
In Ihrem Antrag haben Sie Selbstverständlichkeiten aufgeführt. Diese lesen sich einfach gut.
Die erste Botschaft des CDU/CSU-Antrages ist meiner Meinung nach: Alles ist gut. - Ich war über Ihre Ehrlichkeit überrascht, weil die CDU/CSU-Fraktion nur selten so offen ist.
({3})
Die zweite Botschaft lautet: Großveranstaltungen
sollten innerhalb Europas gleich gefördert werden. Darin sind wir einer Meinung. Das unterstützen wir auch.
Aber Steuerfreiheit für ausländische Sportler darf es
bei uns nicht geben. Nach dem Steuerrecht müssen
deutsche und ausländische Sportler gleich behandelt
werden. Dafür stehen wir und dafür werden wir uns
auch einsetzen.
({4})
Die dritte mögliche Botschaft, die Sie mit Ihrem Antrag vermitteln, ist, dass Sie nicht uneingeschränkt für
die Förderung der Fußballweltmeisterschaft 2006 eintreten. Man kann das so interpretieren, weil Sie in Ihrem
Antrag kritisieren, dass der Breitensport dadurch benachteiligt wird. Sie haben offenbar die Entwicklung in
den vergangenen sechs Jahren nicht exakt verfolgen
können. Es sind durchaus Verbesserungen erfolgt. Die
Bundesregierung hat den Breitensport steuerrechtlich
begleitet und unterstützt.
({5})
Beispielsweise ist die Übungsleiterpauschale um 50 Prozent - von 1 200 Euro auf 1 836 Euro - angehoben worden.
Auch die Erweiterung des Personenkreises war wichtig.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Bürokratieabbau,
der in Ihrem Antrag zumindest interpretationsfähig ist.
Wir bauen die Bürokratie ab. Nun können auch kleine
Vereine Spendenbescheinigungen ausstellen. Das war
für die kleinen Vereine ein wichtiger Schritt.
({6})
Aber auch größere Vereine profitieren. Wir haben den
Körperschaftsteuersatz für Vereine von über 40 Prozent
auf 25 Prozent gesenkt.
({7})
Innerhalb unserer Wahlkreise gibt es sehr viele kleine
Vereine, die in der Regel gemeinnützig sind; das bedeutet, sie zahlen keine Steuern.
Bei der Besteuerung der Zweckbetriebe, zum Beispiel
bei größeren Vereinen, haben wir - Sie konnten das im
Laufe der vergangenen Jahre verfolgen - Vereinfachungen vorgenommen: Für sportliche Aktivitäten wird ein
Betrag von 30 678 Euro pro Jahr bemessen. Überschüsse
und Verluste aus wirtschaftlichen Aktivitäten können
verrechnet werden.
Unsere Bundesregierung wird die Empfehlungen der
Enquete-Kommission im Laufe dieser Legislaturperiode berücksichtigen.
({8})
In der Enquete-Kommission sind vor allem zwei Punkte
behandelt worden, und zwar die Ausdehnung des Zeitraums zum Ausgleich von Verlusten und die Anpassung
der Besteuerungsfreigrenze an die Inflationsrate. Auch
das ist ein Faktor, der gerade für größere Vereine entscheidend ist.
Unsere Bundesregierung fördert den Breitensport: So
zahlen Sportler und Künstler seit dem 1. Januar 2002
weniger Steuern. Bei Zuwendungen bis 250 Euro zahlen
Sportler keine Steuern. Bei höheren Zuwendungen ist
die Besteuerung in Stufen von 10, 15 und 25 Prozent gestaffelt. Für den Breitensport spielt vor allem der Bereich
von 250 bis 1 000 Euro eine Rolle. Das haben wir steuerlich unterstützt.
({9})
Ihr CDU-Freund, der baden-württembergische
Finanzminister, sieht das ähnlich. Damit hat er auch
Recht. Er hat in einem Brief ausgeführt:
Die Besteuerung ausländischer Sportler muss vor
allen Dingen auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit festgehalten werden, da ansonsten deutsche
gegenüber ausländischen Sportlern ungerecht behandelt werden. Würde Deutschland Einkünfte der
ausländischen Sportler nicht besteuern, käme dies
allein dem Ausland zugute. Nach dem Abkommen
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung müssten
Ausländer in ihrem Heimatland dann die Steuern
zahlen. Weitere Steuervergünstigungen können im
Übrigen nicht auf Ausländer beschränkt werden.
Deutsche Sportler dürfen nicht benachteiligt werden.
Das kann man eigentlich nur unterstützen.
Ähnliches hat der Hamburger Finanzminister in einem Brief ausgeführt. Er ergänzt den Brief des badenwürttembergischen Finanzministers, indem er schreibt:
Es gibt keine steuerliche Benachteiligung zwischen großen und kleinen Vereinen. Das entspricht dem Ziel Ihres
Antrags, wie ich ihn verstanden habe.
Selbst Ihre CDU-Freunde sind von Ihnen nicht begeistert. Wir können uns dem nur anschließen.
({10})
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Riegert
das Wort.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Grasedieck, weil
mehrfach von Redlichkeit die Rede war, möchte ich zumindest auf einen Punkt hinweisen: Wenn Sie in Ihrer
Darstellung die gesamten Sportfördermittel erwähnen,
dann gehört es zur Redlichkeit, darauf hinzuweisen, dass
im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006
für den Ausbau der Stadien in Leipzig und Berlin schon
von Bundeskanzler Kohl in der Tat 200 Millionen DM versprochen wurden
({0})
und Ihre Regierung im Zusammenhang mit der Steuerreform im Juni 2000 für das Berliner Olympiastadion noch
einmal circa 160 Millionen DM draufgelegt hat, so dass
als Gesamtfördermittel für die Sondermaßnahmen im
Zusammenhang mit der WM 2006 in Berlin und Leipzig
180 Millionen Euro ausgegeben werden. Wenn Sie sich
einmal die Mühe machen, diesen Betrag von der von Ihnen genannten Gesamtzahl abzuziehen, dann werden Sie
sehen, dass Sie, wenn Sie die Zahlen für 1998 und 2001
miteinander vergleichen, ins Minus rutschen.
({1})
Zur Erwiderung jetzt der Abgeordnete Grasedieck.
Meine Damen und Herren! Herr Riegert, wir begrüßen natürlich, dass Sie das damals unterstützt haben.
Aber ich muss die betreffenden Zahlen nennen; sie sind
interessant. Ich habe sie vorhin schon einmal genannt
und will sie jetzt gern wiederholen - Sie können sich das
ja notieren -: 1998 waren es nur 221 Millionen Euro und
wir haben jetzt, im Jahre 2001, eben 100 Millionen Euro
mehr. Das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied.
Sie wissen doch, dass wir viele Events im Laufe dieser Zeit gefördert haben; dafür gab es ebenfalls Mittel.
Man muss auch eines festhalten: 15 Großveranstaltungen befinden sich in der Gesamtplanung und auch das
wird im Rahmen der Sportförderung und durch steuerliche Maßnahmen unterstützt.
Hinsichtlich der steuerlichen Maßnahmen möchte ich
nur kurz anfügen - ich habe die Übungsleiterpauschale
vorhin erwähnt -: Sie haben es in 16 Jahren nicht geschafft, auch nur eine Änderung der Übungsleiterpauschale vorzunehmen. Von daher waren wir gezwungen,
die Übungsleiterpauschale um 50 Prozent anzuheben.
Das diente dem sehr wichtigen Ziel, den Breitensport zu
fördern.
({0})
Jetzt hat der Abgeordnete Peter Rauen als letzter Redner in dieser Debatte das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will vorweg feststellen: Die Sportpolitiker, über alle
Parteigrenzen hinweg, wollen das Beste für den deutschen Sport.
({0})
Über die Wege dorthin mögen wir uns manchmal streiten; aber die Absicht ist unstreitig.
Wir reden ja heute über die steuerliche Behandlung
von sportlichen Großveranstaltungen. Ich bedaure eigentlich sehr, dass kein Vertreter des Finanzministeriums
bei dieser Debatte dabei ist.
({1})
Denn dieses Thema brennt uns in der Tat unter den Nägeln;
({2})
ich werde dies im Einzelnen ausführen.
Es ist völlig unbestritten, dass sportliche Großveranstaltungen in erheblicher Weise zur wirtschaftlichen und
strukturellen Entwicklung der jeweiligen Region beitragen. Der aktuelle Sportbericht der Bundesregierung
- es ist der zehnte ({3})
kommt zu dem Ergebnis, dass selbst unter Zugrundelegung restriktiver Annahmen beachtliche gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtssteigerungen durch die Durchführung von Großveranstaltungen zu erwarten sind.
Darüber hinaus wird festgestellt, dass allein durch die
WM 2006 rund 3 850 zusätzliche Arbeitsplätze generiert
werden. Im Bewusstsein dieser positiven wirtschaftlichen Wirkungen hat sich auch die Sportministerkonferenz, wie heute schon mehrfach ausgeführt, dieser Thematik angenommen. Auch sie kommt in diesem
Zusammenhang zu dem gleichen Ergebnis und betont,
dass es darum gehen müsse, angesichts starker internationaler Konkurrenz angemessene Rahmenbedingungen
zu schaffen und Standortnachteile in Deutschland, die
etwa aus der deutschen Steuergesetzgebung resultieren,
zu prüfen und, wenn notwendig, zu beseitigen.
Der Deutsche Sportbund und seine Spitzenverbände
haben immer wieder an das Finanzministerium die
Klage herangetragen - das wissen wir aus dem Sportausschuss -, dass das deutsche Steuerrecht die Einwerbung
internationaler Großveranstaltungen und die Ansiedlung
der Geschäftsstellen internationaler Sportverbände erheblich beeinträchtigt.
({4})
Es kann nicht angehen, dass der Finanzminister daraufhin immer wieder lediglich auf zwei allgemeine Vorschriften des Einkommensteuergesetzes verweist, die zur
Anwendung kommen können. Diese enthalten zudem
noch Ermessens- und Billigkeitsgesichtspunkte. Mit so
wenig präzisen Vorgaben ist ein erfolgreicher Wettbewerb mit anderen Standorten weltweit kaum möglich. Es
besteht also akuter Handlungsbedarf auf der steuerlichen
Ebene.
({5})
- Wir haben nichts davon, wenn wir uns die Dinge um
die Ohren hauen; denn wenn ein Bedarf besteht, müssen
wir objektiv darüber reden, wie wir zu Änderungen
kommen können.
Wir erleben gegenwärtig am Beispiel der Olympiade
2012 oder der Fußball-WM 2006 in Deutschland, welch
ungeheuren Planungsvorlauf sportliche Großveranstaltungen haben. Morgen fällt die Entscheidung darüber,
welche deutsche Stadt 2005 Deutschland international
vertreten wird, um die Olympiade 2012 nach Deutschland zu holen.
Wenn wir eine Chance haben wollen, müssen die
Spitzenverbände der Sportjugend der Welt die Chance
geben, zu zeigen, wie sportbegeistert Deutschland ist.
Deshalb müssen sie diese Veranstaltungen einwerben
und deshalb brauchen wir Klarheit darüber, unter
Berücksichtigung welcher steuerlicher Gesichtspunkte
dies geschehen kann.
Ein deutscher Sportverband wird im Wettbewerb mit
anderen Ländern kaum bestehen können, wenn er hinsichtlich der Besteuerung lediglich darauf verweisen
kann, dass er darauf hofft, dass eine verträgliche Lösung
gefunden wird. Es hilft einem veranstaltenden Verband
nichts, wenn er darauf vertröstet wird, dass man nach
Einwerbung einer Veranstaltung sicherlich eine steuerlich vertretbare Lösung finden wird. Es kommt vielmehr
darauf an, dass der Veranstalter mit konkreten steuerlichen Rahmenbedingungen in den Wettbewerb um den
Austragungsort eintreten kann.
Es muss nicht zuletzt dem Bundesfinanzminister unmittelbar einleuchten, dass er endlich vorab die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung von
Großveranstaltungen im Sport klar machen muss. Die
Besteuerungsgrundlagen sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Einwerbung und kein nebensächlicher Gesichtspunkt, den man nach der Einwerbung quasi nebenbei regeln kann.
({6})
Auf diesem Weg kommt es zunächst darauf an, zu
verdeutlichen, welche Besteuerungsgrundlagen für solche Großveranstaltungen in anderen Ländern Europas
und der übrigen Welt bestehen. Diese Daten müssen als
Entscheidungsgrundlage vorliegen, um letztlich bewerten zu können, wie groß der Handlungsbedarf ist, der in
Deutschland besteht.
Ich habe zusammen mit Peter Danckert - auch er ist
Mitglied im Sportausschuss - bereits vor Weihnachten
Herrn Schily gebeten, vom Innenministerium feststellen
zu lassen, wie die Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich wirklich sind. Das können die Sportverbände nicht ermitteln, sondern das müssen wir tun.
Liebe Freunde, die wettbewerbsverzerrende Wirkung
der deutschen Besteuerungspraxis bei Großveranstaltungen ist ja nicht an den Haaren herbeigezogen. Erst in der
vergangenen Woche hat der Europäische Gerichtshof
in einem Urteil, in dem es um die Gagen für die Drei Tenöre ging, festgestellt, dass die deutschen Umsatzsteuerregeln nicht mit europäischen Steuerprinzipien vereinbar
sind. Der Gerichtshof hat sich dabei ausdrücklich auf
den Grundsatz der steuerlichen Neutralität bezogen. Die
EuGH-Richter haben betont, dass die EU-Mitgliedstaaten Steuerbefreiungen von bestimmten Bedingungen abhängig machen dürfen.
Dieses und nichts anderes fordern wir in unserem Antrag für die sportlichen Großveranstaltungen. Wir brauchen klare Regelungen und Bedingungen für die Besteuerung, die von Anfang an bekannt sind. Nur diese
schaffen letztlich Sicherheit und steuerliche Neutralität.
Solche Regelungen gäben unseren Spitzenverbänden die
Chance, die Sportjugend der Welt nach Deutschland zu
holen, damit wir 2012 Austragungsort für die Olympiade
werden können.
Schönen Dank.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/544 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b so-
wie die Zusatzpunkte 9 bis 11 auf:
15 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Joachim Stünker, Hermann Bachmaier, Sabine
Bätzing, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der SPD sowie den Abgeordneten Jerzy Montag,
Hans-Christian Ströbele, Volker Beck ({0}),
weiteren Abgeordneten und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des
Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni
2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur
Änderung anderer Gesetze
- Drucksache 15/813 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({1})
Innenausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Norbert
Röttgen, Wolfgang Bosbach, Veronika Bellmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
Verpflichtungen aus dem EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung zügig erfüllen
- Drucksache 15/540 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({2})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van
Essen, Rainer Funke, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Opferschutz bei Terrorakten im Ausland verbessern
- Drucksache 15/34 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({3})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Joachim
Stünker, Hermann Bachmaier, Sabine Bätzing,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Jerzy Montag, HansChristian Ströbele, Volker Beck ({4}), weiterer
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Opferentschädigung verbessern
- Drucksache 15/808 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({5})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen,
Siegfried Kauder ({6}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Opferentschädigung für deutsche Staatsangehörige, die bei vorübergehendem Aufenthalt
im Ausland Opfer eines Gewaltverbrechens
werden
- Drucksache 15/802 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({7})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
diese Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen.Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Bundesministerin Brigitte Zypries.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war
nicht geplant, dass die heutige Beratung des Gesetzes zur
Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung mit dem ersten Jahrestag des Djerba-Attentats
zusammenfällt. Aber es ist eine gute Gelegenheit, an all
diejenigen zu erinnern, die - erstmals als deutsche Reisegruppe im Ausland - einem solchen Attentat zum Opfer
fielen, schwer verwundet wurden und starben. Ich denke
deshalb, dass die Beratungen heute, wie wir den Terror
weiter bekämpfen, damit verbunden sein sollten, dass
wir den zahlreichen Verletzten und den hinterbliebenen
Angehörigen auch von dieser Stelle unser Mitgefühl ausdrücken.
({0})
Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt den internationalen Terrorismus mit Entschiedenheit und Härte.
Der Generalbundesanwalt hat allein gegen Aktivisten
des so genannten Islamterrors 60 Verfahren gegen
100 Beschuldigte eingeleitet. Davon stehen zehn im
Zusammenhang mit der Hamburger Terrorzelle um
Mohammed Atta.
Am 19. Februar dieses Jahres wurde al-Motassadeq
wegen seiner Beteiligung an den Aktivitäten der Hamburger Terrorzelle schuldig gesprochen und zur Höchststrafe verurteilt. Ich weise deshalb ausdrücklich darauf
hin, weil das weltweit die erste Verurteilung für die Beteiligung an den Terroranschlägen des 11. September
2001 ist.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am 10. März
dieses Jahres vier Angeklagte wegen der Verabredung
eines Sprengstoffanschlags auf den Weihnachtsmarkt in
Straßburg Ende 2002 zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Auch hier konnte durch frühes Eingreifen der Ermittlungsbehörden der Anschlag selbst noch verhindert
werden. Lassen Sie mich deshalb die Gelegenheit nutzen, der Justiz für ihre nicht immer einfache Aufgabe
recht herzlich zu danken und ihr die Anerkennung - ich
nehme an, auch in Ihrem Namen - auszusprechen.
({1})
Der letzte Erfolg, den wir erzielen konnten, ist die
Verabredung eines Rechtshilfeübereinkommens mit
den Vereinigten Staaten von Amerika, auf das wir uns
Ende letzter Woche verständigt haben - ein Übereinkommen, das seit 20 Jahren verhandelt wurde. Wir haben im letzten halben Jahr sehr gut zusammengearbeitet,
auch mit der amerikanischen Botschaft und dem amerikanischen Botschafter, dem unser Dank gilt. Dieses
Übereinkommen werden wir in Kürze in den USA unterzeichnen. Es stellt die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Deutschland und den USA auf eine weitere, eine
sicherere Rechtsgrundlage. Nicht zuletzt ist dies auch
Ausdruck der guten Beziehungen zwischen beiden Staaten.
Sie sehen, Deutschland ist europaweit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vorn. Wir haben bereits ein hervorragendes Instrumentarium, um diesem Terrorismus zu begegnen, auch wenn es, sieht man
sich die Sachen im Detail an, in einzelnen Punkten noch
Nachbesserungsbedarf gibt. Genauso wie es wichtig ist,
dass wir unsere innerstaatlichen Normen immer überprüfen, so wichtig ist es, dass wir die internationalen Initiativen der Staatengemeinschaft unterstützen und bei ihnen an hervorragender Stelle mitarbeiten. Denn der
Terrorismus, der international agiert, kann natürlich auch
nur international bekämpft werden.
Wir haben deshalb zahlreiche internationale Rechtsakte auf europäischer Ebene gefördert, zum einen den
Rahmenbeschluss Terrorismus, über den wir heute reden, den Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl, den
Rahmenbeschluss über gemeinsame Ermittlungsgruppen
und nicht zuletzt den Beschluss über die Errichtung von
Eurojust.
Im nationalen Bereich - daran erinnern Sie sich alle bestimmt noch - wurden die Sicherheitspakete I und II beschlossen. Hinzu kommt, dass am 30. August letzten
Jahres § 129 b StGB in Kraft getreten ist. Damit haben
wir ein weiteres, den Anforderungen der Praxis entsprechendes Instrument geschaffen, um den Bedrohungen
des internationalen Terrorismus gerecht zu werden. Dieses Instrument wirkt: Seit dem 30. August 2002 hat der
Generalbundesanwalt eine Reihe von Ermittlungsverfahren eingeleitet, die auf diese Norm gestützt sind. Im Einzelnen handelt es sich bislang um vier Strukturverfahren
sowie sechs Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte. Diese richten sich, wie zum Beispiel im Fall
der ETA, gegen terroristische Vereinigungen im europäischen, aber auch gegen Gruppen im außereuropäischen
Ausland.
Der Rahmenbeschluss, über den wir heute beraten, ist
ein weiterer Baustein in der Sicherheitsarchitektur. Er
ist heute verbindliches europäisches Recht und muss und
wird deshalb so umgesetzt werden, dass der Rat bei der
Überprüfung der Umsetzung in den Mitgliedstaaten zum
31. Dezember dieses Jahres keinen Grund hat, Klage zu
erheben. Wir haben mit §§ 129, 129 a und 129 b des
Strafgesetzbuches bereits ein weit gehendes Instrumentarium im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten. Natürlich berücksichtigen wir bei terroristischen
Straftaten bereits nach dem geltenden Recht - dem
Schuldprinzip unseres Strafrechts entsprechend - auch
die subjektiven Ziele und Motive eines Täters. Gleichwohl gibt es Anpassungsbedarf. Er ist jedoch marginal.
So ist der Straftatenkatalog des § 129 a - wenn man ihn
mit dem Rahmenbeschluss vergleicht - noch nicht ganz
vollständig. Auch bei unseren Strafrahmen gibt es
Divergenzen, die darin begründet sind, dass die europäischen Staaten unterschiedliche Strafrechtssysteme haben.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen sieht deshalb vor
allen Dingen eine Änderung des § 129 a StGB vor. Der
Straftatenkatalog wird um die erforderlichen Delikte erweitert. Es ist dabei beabsichtigt, schwere Angriffe auf
die körperliche Unversehrtheit einer Person zu berücksichtigen. Dies entspricht auch einer der Forderungen
der Opposition. Zugleich berücksichtigen wir die europäischen Vorgaben des Rahmenbeschlusses, nämlich die
dort vorgesehene subjektive Seite wie „terroristische
Absicht“ und „Schädigungseignung“. Diese Präzisierung
der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 129 a wird
uns helfen, den Terrorismus über die Grenzen der europäischen Staaten hinweg auf vergleichbaren strafrechtlichen Grundlagen zu verfolgen.
Unsere Strafrahmen sollen ebenfalls an die Erfordernisse des Rahmenbeschlusses angepasst werden. Für die
Umsetzung in Deutschland heißt das: Es bleibt dabei,
dass die Rädelsführer und Hintermänner einer terroristischen Vereinigung mit der höchstmöglichen zeitigen
Freiheitsstrafe von 15 Jahren rechnen müssen. Die Gründer und Mitglieder einer terroristischen Vereinigung
können nach wie vor mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn
Jahren bestraft werden. Zu dem Werben für eine terroristische Vereinigung möchte ich klarstellen: Die Strafandrohung einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bleibt
erhalten. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir
irgendjemanden entkriminalisieren wollten.
({2})
Den Strafrahmen für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung werden wir auf bis zu zehn Jahre erhöhen. Das geht über den Rahmenbeschluss hinaus, der
lediglich acht Jahre vorsieht.
Es ist auch wichtig - ich habe eingangs darüber gesprochen -, den Blick auf die Opfer zu lenken. Auch
hierzu liegt uns heute ein Antrag der Regierungsfraktionen vor. Deutschland hat mit dem bereits 1976 verabschiedeten Opferentschädigungsgesetz als eines der ersten europäischen Länder eine gesetzliche Grundlage für
die Entschädigung von Opfern von Gewalttaten geschaffen. Wir haben dort, wo es notwendig war, wie beispielsweise bei dem Attentat von Djerba, schnell und unbürokratisch gehandelt. Bereits 14 Tage nach diesem
Attentat war ein Hilfsfonds der Bundesregierung eingerichtet. Das Geld konnte sehr schnell ausgezahlt werden.
Ich glaube, wir haben damit gezeigt, dass wir auch in
solchen Situationen fähig sind, zu reagieren, was natürlich nicht heißen soll, dass wir nicht gemeinsam überlegen sollten, inwieweit wir die Opferentschädigung weiter verbessern können.
Das wird unsere gemeinsame Aufgabe in der Beratung
dieser Entschließung sein.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Ole Schröder,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Menschen in Deutschland und in der Europäischen Union haben Angst vor Terrorismus. Ist diese Sorge begründet?
Tun wir in Deutschland alles Notwendige, um die Bevölkerung vor Terrorismus wirksam zu schützen? Führende
Vertreter des Terrornetzwerks al-Qaida haben Deutschland als konkretes Zielland möglicher terroristischer Anschläge genannt. Laut Verfassungsschutzbericht gibt es
in Deutschland etwa 60 000 ausländische Extremisten.
Die Bedrohung geht aber nicht nur von ausländischen
Extremisten aus, sondern auch von links- und rechtsextremen deutschen Gewalttätern.
Es ist daher zu begrüßen, dass der EU-Ministerrat im
Juni letzten Jahres aktiv geworden ist und rechtliche
Standards zur Terrorismusbekämpfung in einem Rahmenbeschluss aufgestellt hat. Alle EU-Mitgliedstaaten
haben diesen Beschluss umzusetzen, somit auch
Deutschland. Terrorismus ist grenzüberschreitend. Die
Täter leben in dem einen Land unbemerkt und verüben
terroristische Taten in einem anderen Land.
Umso unverständlicher ist das bisherige Verhalten der
Bundesregierung. Sie haben bis letzte Woche keine Anstalten gemacht, den Rahmenbeschluss des Rates zur
Terrorismusbekämpfung umzusetzen, obwohl Sie ihn
selbst mit beschlossen haben. Die Frist ist um über drei
Monate überschritten. Nur dem Druck der CDU/CSUFraktion ist es zu verdanken, dass sich die Koalition zusammengerauft hat und nun ein Anfang gemacht wird.
({0})
Mit Rücksicht darauf haben wir letzte Woche darauf verzichtet, unseren Antrag zu diskutieren.
Dennoch ist das schon bemerkenswert. Wir haben
heute den 11. April 2003 und auf der ersten Seite Ihres
Gesetzentwurfes steht:
Der Rahmenbeschluss ist ... bis zum 31. Dezember
2002 in innerstaatliches Recht umzusetzen.
Aber, meine Damen und Herren, besser spät als gar
nicht.
({1})
Ich freue mich, dass ich Ihnen heute nicht sagen muss,
dass es zu spät ist. Inhaltlich sind Sie größtenteils unserem Antrag gefolgt und haben den Rahmenbeschluss der
EU in einigen Teilen auch umgesetzt. Das begrüßen wir.
Was sind die wesentlichen Punkte des Rahmenbeschlusses? Gefordert wird erstens die Ausweitung der
Tatbestände, die unter den Begriff Terrorismus fallen,
zweitens eine Erhöhung des Strafmaßes für Terrortaten.
Der EU-Rahmenbeschluss sieht zu Recht vor, dass auch
Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit als terroristische Straftaten eingestuft werden. Die Einschüchterung
der Bevölkerung durch Misshandlungen jedweder Art
muss als Terrorismus bestraft werden können. Es ist
vollkommen unverständlich, warum Sie von Rot-Grün
die Körperverletzung als Katalogtat nicht mit aufgenommen haben.
Mein entscheidender Kritikpunkt ist aber, dass mit
diesem Regierungsentwurf der Einzeltäter einer Terrortat
nicht berücksichtigt wird. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
({2})
Das deutsche Recht sieht keine qualifizierte Strafe explizit für terroristische Handlungen vor. Nur die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist als terroristische Tat unter Strafe gestellt. Der einzelne Antragstäter,
der nicht Mitglied einer Vereinigung ist und eine solche
auch nicht unterstützt, wird bei uns nicht als Terrorist bestraft.
({3})
Der Gesetzentwurf verweist auf die allgemeine Strafzumessungsnorm. Damit wird die ausdrückliche Forderung des EU-Rahmenbeschlusses in Art. 5 Abs. 2, dass
terroristische Straftäter härter als sonstige Täter bestraft
werden müssen, nicht umgesetzt.
({4})
Es kann doch nicht angehen, dass nicht organisierte Terroristen, die mit der Zielsetzung handeln, unsere Bevölkerung schwer einzuschüchtern, nicht unter den terroristischen Strafbestand fallen. An dieser Stelle muss
nachgebessert werden.
({5})
Ein weiteres Ziel des EU-Rahmenbeschlusses ist eine
härtere Bestrafung von Terroristen, zum einen, um das
Abschreckungspotenzial zu erhöhen, zum anderen, damit die Terroristen länger weggesperrt sind und von ihren terroristischen Vereinigungen so lange wie möglich
isoliert bleiben. Der EU-Rahmenbeschluss fordert eine
Strafandrohung, die wirklich abschreckt. Eine Geldstrafe
als Mindeststrafe ist weder eine angemessene noch eine
abschreckende Strafe, wie es Art. 5 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses eigentlich fordert.
({6})
In Ihrem Gesetzentwurf ist dies aber die Mindeststrafe
für die Verbreitung von Terror durch Drohungen. Der
Gesetzentwurf greift also auch an diesem Punkt zu kurz.
Meine Damen und Herren, trotz der Fortschritte, die
wir mittlerweile erzielt haben, ist eine wirklich effektive
Terrorismusbekämpfung mit dieser Regierungskoalition
nicht möglich. Die grüne Fraktion erweist sich immer
wieder als Bremse. Anstatt den Rahmenbeschluss schon
im letzten Jahr umzusetzen, hat die grüne Fraktion dafür
gesorgt, dass Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen in Deutschland straffrei bleibt.
({7})
Nicht nur gewaltbereiten Extremisten, sondern auch deren Sympathisanten müssen wir eine Politik der Nulltoleranz entgegensetzen.
({8})
Auf Druck unserer Fraktion ist die Bundesregierung
endlich aktiv geworden. Das ist, so meine ich, ein gutes
Zeichen für einen funktionierenden Parlamentarismus.
Dennoch dürfen wir uns jetzt nicht bequem zurücklehnen. Es gibt bei der Terrorismusbekämpfung noch viel
zu tun. Ich verweise unter anderem auf unseren Antrag
vom letzten Dezember. Wir hoffen und erwarten, dass
die Bundesregierung auf diesem Gebiet aktiv wird. Wir
fordern sie auf, endlich alles für eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus zu tun.
Vielen Dank.
({9})
Herr Kollege Schröder, ich gratuliere Ihnen herzlich
zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag, verbunden mit allen guten Wünschen für die weitere parlamentarische Arbeit.
({0})
Nun erteile ich dem Abgeordneten Jerzy Montag,
Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Schröder, auch von mir herzlichen Glückwunsch - zu Ihrer ersten Rede, nicht aber zum Inhalt!
({0})
Sie haben neun Monate Zeit gehabt, einen Gesetzentwurf zu entwerfen.
({1})
- Das machen Sie doch sonst gerne, um sich Ihre Zeit zu
vertreiben. - Herausgekommen ist ein dünner und handwerklich schlechter Entschließungsantrag. Deswegen ist
es ganz gut, dass Sie sich jetzt mit unserem Gesetzentwurf auseinander zu setzen haben. Wir werden auf Ihre
Argumente gespannt sein.
Die Europäische Union hat auf die Herausforderung
des Terrorismus vom 11. September in vielfältiger
Weise reagiert. Mit dem Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung vom 13. Juni 2002 identifiziert die Europäische Union den Terrorismus als eine ernste Bedrohung der Werte der Gemeinschaft und seiner Mitglieder.
Diese Werte sind die Würde aller Menschen, Freiheit,
Gleichheit und Solidarität, die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie die Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit. Damit beschreibt die Europäische Union - ich bin von der Richtigkeit dieser Beschreibung überzeugt - den Terrorismus als einen zentralen Angriff auf die Grundsätze und auf die
Grundlagen unserer Gesellschaft.
Dies alles ist richtig. Ebenfalls selbstverständlich und
richtig ist aber auch, dass alle Maßnahmen zum Schutz
der Bürgerinnen und Bürger und ihres Staates gegen die
Bedrohung durch den Terrorismus nur unter dem Vorbehalt stehen können, dass sie nicht selbst die Werte der
Gemeinschaft aushöhlen, die es gegen die terroristische
Herausforderung zu schützen gilt.
({2})
- Herr Kollege Ströbele, ich danke für diesen emphatischen Applaus.
Der Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 fordert den
nationalen Gesetzgeber auf, die Definitionen von terroristischen Straftaten und terroristischen Vereinigungen
auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses anzugleichen
und für eine Verfolgung und Bestrafung zu sorgen, die
der Schwere dieser Taten entspricht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die Koalition genau diese Aufgabe erfüllt.
({3})
Ich will Ihnen kurz die Grundzüge der notwendigen
Novellierung darstellen: Erstens. Die Straftatenkataloge
des Rahmenbeschlusses und des § 129 a StGB sind angeglichen worden. Zweitens. Die Mindesthöchststrafen
haben wir auch für Unterstützer erhöhen müssen und wir
haben sie erhöht.
({4})
Drittens. Auch terroristische Vereinigungen, die mit der
Begehung von Verbrechen drohen, werden unter Strafe
gestellt. Viertens. Wir haben auch die europäische Definition einer terroristischen Vereinigung in den § 129 a StGB
aufgenommen.
({5})
- Zu Ihrem Einwurf, Herr Kollege, komme ich gleich.
Damit haben wir den Rahmenbeschluss nach Wort
und Sinn in unser Strafrecht übernomen. Die Angleichung wurde also in vollem Umfang vollzogen.
Ich will an dieser Stelle ganz kurz auf die Opferentschädigung zu sprechen kommen, die in dem Rahmenbeschluss auch erwähnt ist und zu der heute drei Anträge vorliegen. Diese Anträge sind fast deckungsgleich,
sodass wir in der weiteren Beratung wohl zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen können. Auf einen Punkt
aber will ich schon noch hinweisen, meine Damen und
Herren von der Opposition: Wieder einmal haben Sie bei
der Opferentschädigung diejenigen Bürgerinnen und
Bürger dieses Landes vergessen, die keinen deutschen
Pass besitzen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht
haben.
({6})
Obwohl das Opferentschädigungsgesetz so etwas auch
für Ausländerinnen und Ausländer vorsieht, taucht das
in Ihrem Antrag nicht auf; da werden Sie nachzubessern
haben.
({7})
Ich darf noch einmal auf den Kernbereich des europäischen Rahmenbeschlusses und auf den Antrag eingehen,
den Sie dem Hohen Haus dazu vorgelegt haben. Dieses
Antrags hätte es nicht bedurft. Er ist handwerklich unzureichend
({8})
und ein ganz durchsichtiger Schaufensterantrag. Ich will
Ihnen dies an drei Punkten auch aufzeigen: Den Unterschied zwischen einer terroristischen Vereinigung und
einer terroristischen Straftat kennen Sie offensichtlich
nicht. Sie meinen, dass ein Strafrahmen von einem Jahr
bis zehn Jahren bei terroristischen Vereinigungen unzureichend ist. Aber genau dieser Rahmen ist im Rahmenbeschluss vorgesehen. Die von Ihnen geforderte besonders harte Bestrafung von Anführern ist im deutschen
Recht genauso wie im Rahmenbeschluss bereits jetzt gewährleistet.
({9})
Am unerträglichsten ist Ihre gebetsmühlenhaft vorgetragene Philippika wegen der von uns vorgenommenen
Einengung der Bestrafung des Werbens für eine terroristische Vereinigung.
({10})
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Rahmenbeschluss
über die Werbung überhaupt nichts sagt!
({11})
Wenn Sie rechtsstaatlich bleiben wollen, dann müssen
Sie grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerungen
von Straftaten abzugrenzen lernen. Es geht nicht - das
lernt man an der Universität schon im ersten Semester -,
dass man Meinungsäußerungen einfach zu Straftaten erklärt.
({12})
Billigung und Belohnung von Straftaten sind bei uns
strafbar. Wir sind aber der Auffassung, dass politische
Meinungsäußerungen, das Schwenken von Fahnen und
das Zeigen von Bildern zur Meinungsäußerung gehört,
auch dann, wenn die Meinung Ihnen und mir nicht passt.
Aber das ist eben keine Straftat, die es mit dem Strafrecht zu verfolgen gilt. Deswegen wird es dabei bleiben,
dass Werbung nur dann - rechtsstaatlich eingegrenzt - ein
Straftatbestand ist, wenn es eine Werbung um Mitglieder
ist. Das haben wir so verändert; das wird auch so bleiben.
({13})
Ich komme zum Schluss: Statt solche Schaufensteranträge zu stellen, wie Sie sie uns letzte Woche vorgelegt
haben, wäre es besser, Sie würden sich jetzt mit uns an
die Sacharbeit machen.
({14})
Der Gesetzentwurf ist da; er muss im Rechtsausschuss
diskutiert werden. Da hoffen wir auf sachliche Vorschläge von Ihnen, meine Damen und Herren von der
Opposition.
Danke schön.
({15})
Das Wort hat der Kollege Rainer Funke, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der internationale Terrorismus stellt auch Europa vor neue Herausforderungen. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass
Terrorismus nur dann wirksam bekämpft werden kann,
wenn die Bekämpfung länderübergreifend und in enger
Abstimmung mit unseren Nachbarn geschieht.
({0})
Seit Jahren arbeiten wir an einer gemeinsamen europäischen Innen- und Rechtspolitik. Bisher sind wir leider
nur mit kleinen Schritten vorangekommen. Umso erfreulicher ist es, dass sich nunmehr im EU-Reformkonvent
eine klare Mehrheit für zusätzliche Zuständigkeiten der
EU und wirksamere Entscheidungsverfahren abzeichnet.
Hier ist auch Deutschland als großer europäischer Partner in besonderer Weise gefordert, Anstrengungen zu
unternehmen, damit die Europäische Union bei der Harmonisierung der Kriminalitätsbekämpfung weiter vorankommt.
({1})
Ich hoffe, dass die Bundesregierung schon recht bald
konkrete Schritte aufzeigt und uns in diese Richtung gehende Vorschläge macht.
Der Antrag der Union und der Gesetzentwurf der Koalition weisen daher zu Recht auf den EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung hin. Deutschland
muss sich mit der Aufforderung, die der Europäische Rat
an die EU-Mitgliedstaaten richtet, ernsthaft auseinander
setzen. Dabei muss man dann aber auch ehrlich anerkennen, dass der deutsche Gesetzgeber in den vergangenen
Jahren im Bereich der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung gerade im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen nicht untätig geblieben ist.
({2})
Ich erinnere nur an die Sicherheitspakete I und II und die
Änderung der § § 129, 129 a, 129 b StGB im vergangenen Jahr.
Dass die Koalition immer wieder für Überraschungen
gut ist, zeigt sich nun an dem Gesetzentwurf,
({3})
den wir heute in erster Lesung beraten und der uns sehr
kurzfristig zugegangen ist. Er sieht Änderungen im
§ 129 a StGB sowie in der StPO und im Gerichtsverfassungsgesetz vor. Die Änderungsvorschläge für das Strafrecht überraschen deshalb, weil die Koalition bisher
jeden Vorschlag der Opposition zur Änderung des Strafrechts mit dem Argument abgelehnt hat, man wolle bis
zur großen Reform des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches warten.
({4})
Ich erinnere hier nur an unsere Initiative zum Schutz der
Intimsphäre.
Nun scheint es auch unabhängig von der Gesamtreform möglich zu sein, vorab Detailfragen zu regeln. Ich
würde mich freuen, wenn diese Wendung dazu führen
würde, dass man sich nun auch dem einen oder anderen
konstruktiven Vorschlag der Opposition gegenüber etwas aufgeschlossener zeigen würde.
({5})
Ich glaube, der Rechtspolitik in diesem Bundestag würde
das überhaupt nicht schaden, eher würden wir dadurch
wieder mehr zusammenfinden. Ich kündige wenigstens
für meine Fraktion an, dass wir uns an der parlamentarischen Beratung zu diesen strafrechtlichen Fragen konstruktiv beteiligen werden, wie Sie das von uns gewohnt
sind.
Sehr enttäuschend ist allerdings der Antrag der Koalition zur Opferentschädigung. Bereits im vergangenen
Jahr hat die FDP-Bundestagsfraktion im Rahmen der
Beratungen zur Änderung von § 129 b StGB einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes vorzunehmen, damit Opfer von
Straftaten im Ausland entschädigt werden können. Die
Regierung hatte damals eine Prüfung zugesagt. Das ist
jetzt immerhin ein Jahr her.
({6})
Passiert ist nichts. Wir haben daher zu Beginn der Wahlperiode unseren Antrag erneut eingebracht. Er ist heute
Gegenstand der Beratungen. Jetzt legen die Koalitionsfraktionen ebenfalls einen Antrag vor, der aber lediglich
einen Prüfauftrag an die Bundesregierung enthält.
({7})
Ich denke, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen arbeiten eng zusammen, da brauchen sie doch nicht
extra Prüfungsaufträge! Das ist geradezu lächerlich.
({8})
So schwierig kann eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes doch wirklich nicht sein.
({9})
Die Untätigkeit von Rot-Grün auf diesem Gebiet ist - das
muss ich auch Ihnen, Herr Ströbele, sagen - wirklich beschämend.
({10})
Daran wird deutlich, wie wichtig Ihnen der Opferschutz
tatsächlich ist. Ein Jahr bräuchten Sie eigentlich nicht.
Der Justizhaushalt 2003 enthält immerhin 9 Millionen
Euro für einen Entschädigungsfonds für die Opfer terroristischer Gewalttaten.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Ja, ich komme zum Ende. - Dies ist grundsätzlich zu
begrüßen. Es reicht aber bei weitem nicht aus.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Siegfried Kauder,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Kauder wäre auch dreimal gut!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Hinterbliebenen der Opfer von Djerba gilt unser Mitgefühl.
Frau Justizministerin, das Mitgefühl ist auch deshalb angebracht, weil diesen Hinterbliebenen der Hinterbliebenenanwalt auf Staatskosten noch immer vorenthalten
wird - eine Lücke im Opferschutzgesetz, die ebenfalls
zu schließen ist.
({1})
Das Mitgefühl gilt nicht nur diesen Hinterbliebenen,
sondern allen Opfern von Straftaten. Wo Lücken auftauchen, müssen sie geschlossen werden. Eine Lücke, die
nicht Sie von Rot-Grün angesprochen haben, sondern
die wir in einem Entschließungsantrag aufgedeckt haben, besteht im Opferentschädigungsrecht. Eine deutsche Frau, die in Italien Opfer einer Straftat wird, bekommt keine staatliche Opferentschädigung, eine
italienische Frau, die in Deutschland Opfer einer Straftat
wird, bekommt eine Entschädigung. Das ist schlicht und
ergreifend eine Gerechtigkeitslücke.
({2})
Diese Gerechtigkeitslücke kann man, Herr Kollege
Montag, auf recht einfache Art und Weise schließen.
({3})
Zuerst mussten wir von der CDU/CSU mit Unterstützung der FDP Rot-Grün zum Jagen tragen. Kaum sind
Sie dabei, entwickeln Sie sich zum opferschützenden
Bedenkenträger. Ich weiß noch immer nicht, was Sie
wollen. Wollen Sie eine Ergänzung des Opferentschädigungsgesetzes, wie wir es vorschlagen, oder wollen Sie
irgendeine nebulöse Lösung mit einem Opferfonds, wie
wir ihn haben, zur Entschädigung der Opfer terroristischer Gewalt? Da müssen Sie schon Farbe bekennen.
Wir sagen es ganz klar: Wir wollen eine Änderung
des Opferentschädigungsgesetzes derart, dass deutsche
Touristen im Ausland einen Rechtsanspruch auf eine
Entschädigung bekommen.
({4})
Nun meinten Sie, Herr Kollege Montag - Herr Ströbele,
möglicherweise auch Sie -, dass wir die ausländischen Mitbürger vergessen hätten. Wer das Opferentschädigungsgesetz nicht kennt, für den ist es in der Tat schwierig, diesen Punkt zu beurteilen. Wer es aber kennt, weiß, dass
die Verweisungsvorschriften in § 1 Abs. 4 bis Abs. 7 den
ausländischen Mitbürgern automatisch die gleichen
Rechte wie den deutschen einräumen.
({5})
Siegfried Kauder ({6})
Deswegen brauchen sie in unserem Antrag nicht besonders erwähnt zu werden.
Aber, meine Damen und Herren von Rot-Grün, eine
Frage werden Sie uns beantworten müssen. Wollen Sie
sozusagen das Faß für alle Ausländer, die sich in
Deutschland aufhalten, ganz aufmachen oder wollen Sie
eine Einschränkung?
({7})
Ihrem Antrag entnehme ich, dass Sie für die Ausländer
eine Einschränkung wollen, die sich mindestens drei
Jahre in Deutschland aufhalten. Darüber kann man reden. Aber Sie müssen Farbe bekennen und sich entscheiden, was Sie wollen.
Wir lassen uns von Ihnen nicht die Butter vom Brot
nehmen. Frau Justizministerin, es war das zweite Mal
- auch diesmal werden wir es Ihnen nicht durchgehen
lassen -, dass Sie einen Entschließungsantrag von RotGrün erwähnen, aber einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der zeitlich vor dem anderen Antrag eingebracht
wurde, unterschlagen.
({8})
Ich kann mich an den 10. Oktober 1999 erinnern, als
ein Regierungsvertreter auf dem Opferforum des Weißen
Ringes auf einen Einwand von mir erklärt hat, das Opferentschädigungsgesetz werde nicht geöffnet, man werde
am Territorialitätsprinzip festhalten. Seit 1999 laufe
ich dieser Änderung des Opferentschädigungsgesetzes
nach. Deswegen freue ich mich sehr, dass sich die Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion meinem Anliegen
angeschlossen haben.
({9})
Ich danke Herrn Kollegen Funke, dass er darauf hingewiesen hat, dass es die Bundesregierung in einem Jahr
Prüfung nicht geschafft hat, einen Vorschlag zur Gesetzesänderung vorzulegen. Nachdem wir jetzt feststellen
können, dass es nur noch marginale Unterschiede in den
Auffassungen gibt, wie das Opferentschädigungsgesetz
angepaßt werden soll, werden wir Ihnen auf die Sprünge
helfen.
Wir werden morgen einen voll ausformulierten Gesetzentwurf zur Beratung stellen.
({10})
Ich bin gespannt, ob wir zu einer Einigung in den Ausschüssen kommen. Ich kann es mir sehr wohl vorstellen.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat nun der Kollege Joachim Stünker, SPDFraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Am 11. Oktober 2001 haben wir erstmals nach
den schrecklichen Ereignissen vom 11. September mit
über 3 000 Toten in New York in diesem Hohen Hause
über die notwendigen innenpolitischen Folgerungen aus
dieser neuen Form des Terrorismus debattiert. Ich habe
damals hier gesagt:
Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit, nach
Schutz vor Kriminalität und vor Terrorismus ist ein
hohes Gut. Wir als Gesetzgeber haben uns dieser
Aufgabe mit großem Ernst und mit sehr viel Verantwortung zu widmen.
({0})
Ich habe hinzugefügt:
Der Gesetzgeber hat bei dieser Aufgabe das Normen- und Wertesystem unseres Grundgesetzes nicht
nur zu beachten, sondern auch strikt einzuhalten.
Wenn wir heute nach eineinhalb Jahren Bilanz ziehen,
dann darf ich feststellen - ich bin sehr froh darüber, das
feststellen zu können -, dass wir gemeinsam als Gesetzgeber diese Aufgabe der Gewährleistung der höchstmöglichen inneren Sicherheit bei Wahrung der bürgerlichen
Freiheitsrechte des Einzelnen gut gemeistert haben. Ich
bedanke mich daher für die gute Zusammenarbeit in diesem Bereich.
({1})
Die Bedenken der Öffentlichkeit sind in Teilbereichen
sehr groß gewesen. Diejenigen, die dabei waren, wissen,
welche Diskussionen wir zum Teil führen mussten.
Durch eine Fülle von zügig auf den Weg gebrachten
gesetzgeberischen Maßnahmen belegt Deutschland - das
können wir heute feststellen; darauf ist dankenswerterweise bereits hingewiesen worden - einen Spitzenplatz
bei der Terrorismusbekämpfung in Europa.
Lassen Sie mich daher noch kurz einige der Maßnahmen Revue passieren. Man sollte sich nach dieser ganzen Zeit wieder einmal vor Augen führen, was alles wir
auf den Weg gebracht haben. Das erste Antiterrorpaket
ist bereits im Herbst des Jahres 2001 beschlossen worden. Wir haben zunächst über die Finanzierung der Terrorbekämpfung beraten und dazu einen Gesetzentwurf
eingebracht. Wir haben dann zügig die notwendige Änderung des Vereinsrechts mit der Abschaffung des Religionsprivilegs vorgenommen. Seither können Vereine
verboten werden, wenn sie die Religionsausübung als
Deckmantel für extremistische Ziele missbrauchen. Davon wird Gebrauch gemacht. Das führt zu Erfolgen.
Neu eingeführt im Strafgesetzbuch haben wir § 129 b.
Seither können terroristische Aktivitäten im Ausland auch
im Inland strafrechtlich verfolgt werden. Die §§ 129 und
129 a StGB gelten auch für terroristische Vereinigungen im
Ausland.
Auch das zweite Antiterrorpaket stammt von Winter
2001. Es handelt sich um das so genannte Schily-II-Paket. In einer zweiten Stufe haben wir die zahlreichen Sicherheitsgesetze an die Bedrohungslage angepasst. Damit wurden die Voraussetzungen für eine bessere
Verknüpfung des Daten- und Informationsaustausches
zwischen den Diensten geschaffen. Die Frau Justizministerin hat vorhin zu Recht auf die Fahndungserfolge
hingewiesen, die dadurch eingetreten sind. Das alles
sollten wir hier nicht aus parteipolitischen Motiven
kleinreden.
({2})
Wir sind dann die Bekämpfung dessen, wie sich der
Terrorismus finanziert, angegangen. Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz haben wir Regelungen zur
Bekämpfung der Geldwäsche geschaffen, die zum Zwecke der Finanzierung des Terrorismus eingesetzt worden
ist. In Deutschland sind mittlerweile eine Vielzahl von
Konten gesperrt worden, deren Inhaber dem terroristischen Umfeld zuzurechnen sind. Viele Millionen Euro
sind seit dem Jahre 2001 vor diesem Hintergrund eingefroren worden.
Ich denke, dass der Rechtsstaat hier interdisziplinär
zwischen den einzelnen Ministerien gehandelt und deutlich gemacht hat, dass er in der Lage ist, auf diese Herausforderungen angemessen - ich betone: angemessen zu reagieren. Ich meine, von daher können wir heute
eine eindrucksvolle Bilanz vorlegen.
({3})
Durch die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur
Terrorismusbekämpfung des Rates der Europäischen
Union vom 13. Juni 2002 bauen wir nun unseren Spitzenplatz bei der Terrorismusbekämpfung in Europa weiter aus. Das sollten wir nicht bemäkeln, Herr Kollege
Schröder. Der Rahmenbeschluss dient nämlich dazu, die
strafrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Terrorismusbekämpfung weiter anzugleichen. Der Rahmenbeschluss ist Teil eines umfassenden Vorgehens der
Europäischen Union gegen den Terrorismus. Er ergänzt
die bereits bestehenden internationalen strafrechtlichen
Rechtsinstrumente. Darauf wurde bereits hingewiesen;
ich möchte es nicht wiederholen.
Als wir darangingen, diesen Rahmenbeschluss umzusetzen, haben wir festgestellt, dass das meiste bereits im
deutschen Strafrecht pönalisiert ist
({4})
und es bei der Angleichung von Strafrahmen in der Tat
wirklich nur um ganz marginale Teilbereiche geht, was
auch etwas mit den unterschiedlichen Rechtssystemen in
Europa zu tun hat. Das wird hier nachgeholt. Zudem
werden eine Reihe von neuen Tatbeständen aufgenommen.
Herr Kollege Schröder, ich habe nicht ganz verstanden - das muss ich ganz ehrlich sagen; es mag aber an
mir gelegen haben; ich bitte um Nachsicht -, wo Sie in
dem von Ihnen angesprochenen Beispiel eine strafrechtliche Lücke sehen. Ich bin gerne bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich bin der Meinung, dass da keine
Lücke besteht. Wir werden uns darüber austauschen.
({5})
Aber wenn es eine geben sollte, haben wir mit Sicherheit
kein Problem, uns mit Ihnen darüber auseinander zu setzen und zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass dieser Rahmenbeschluss
erstmalig auf europäischer Ebene eine gemeinsame
Definition für terroristische Straftaten und terroristische
Zielsetzungen beinhaltet. Dies ist ein ganz wichtiger
Punkt; denn darüber haben wir vor eineinhalb Jahren
lange gestritten. Wir wussten nicht so richtig, wie wir zu
einem Ausgleich kommen können. Wir haben nun die Definition zur Vereinheitlichung des europäischen Rechtssystems in innerstaatliches Recht übernommen und in den
neuen Tatbestand hineingeschrieben. Von daher, Herr
Kollege Schröder, glaube ich, dass die Strafbarkeitslücke,
die Sie angesprochen haben, nicht vorhanden ist.
Meine Damen und Herren, ich habe in meinen Ausführungen ganz bewusst auf jegliche Polemik verzichtet,
({6})
obwohl sicherlich einige Äußerungen und Zwischenrufe
von der rechten Seite des Hauses dazu möglicherweise
Veranlassung gegeben hätten.
({7})
Die Menschen in unserem Land verlangen von uns,
dass wir gemeinsam - ich betone: gemeinsam - politische Antworten auf die terroristische Bedrohung geben.
Nur mit gemeinsamen Antworten sind wir den Menschen in unserem Land gegenüber glaubwürdig. Wir
sollten uns daher nicht gegenseitig den Willen zur gemeinsamen wirksamen Bekämpfung des Terrorismus absprechen, denn damit werden wir keine Sicherheit für die
Bevölkerung schaffen können.
Schönen Dank.
({8})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Wolfgang Zeitlmann, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren über die Umsetzung eines von der
EU vorgegebenen Rahmenbeschlusses seitens der Bundesrepublik. Ich habe in der Debatte genau aufgepasst.
Herr Kollege Stünker, ich finde es ehrenwert, dass Sie
bereit sind, dann, wenn es Strafbarkeitslücken gibt,
über deren Schließung zu diskutieren.
Ich will festhalten: Der Kollege Dr. Schröder hat eine
Lücke - ich glaube, es ist in der Tat eine Lücke - aufgezeigt, nämlich dass der Einzeltäter wie zum Beispiel der
Anthrax-Täter, der allein handelt, keine terroristische
Straftat im Sinne der bestehenden Strafbestimmungen
begeht.
({0})
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, gibt es noch eine
zweite Lücke, nämlich dass nur der Tatbestand der qualifizierten Körperverletzung gemäß § 226 StGB mit in den
Straftatenkatalog aufgenommen wurde.
({1})
Ich sage ganz deutlich: Sie haben sicherlich einen Großteil der aus dem Rahmenbeschluss erwachsenden Verpflichtungen erfüllt. Dennoch sind Lücken vorhanden
und darum geht es.
Es geht auch um etwas, was der Kollege Montag angeschnitten hat, nämlich dass er kein Gesinnungsstrafrecht will.
({2})
Dazu muss ich allerdings sagen: Hier muss man deutliche Fragezeichen machen.
({3})
- Nein, ich will es nicht.
({4})
In diesem Land wird das Zeigen von Fahnen im
rechtsradikalen Bereich - so etwa bei Nazis und Ähnlichen - aus guten Gründen bestraft.
({5})
Angesichts dessen können Sie sich hier, wenn es um Terrorismus geht, doch nicht einfach auf dem linken Auge
blind stellen. Nach unserer Auffassung muss das Werben für terroristische Organisationen auch dann strafbar
sein, wenn man keine Mitgliederwerbung vorwerfen
kann.
({6})
Es ist doch utopisch, zu sagen, es sei lediglich Ausdruck einer Gesinnung, wenn jemand mit einem T-Shirt
mit der Aufschrift „I love al-Qaida“ herumläuft, sein
Handeln aber strafbar sein soll, sobald er sagt: Werde
Mitglied bei al-Qaida. - Das Herumlaufen mit einem solchen T-Shirt wird nach meiner Meinung von dem Großteil
der Bevölkerung nicht als bloßer Ausdruck einer Gesinnung, sondern als strafwürdiger Beginn einer Straftat gesehen.
Ich verstehe, dass sich die Grünen schwer tun. In den
Drucksachen des Deutschen Bundestages habe ich Belege dafür gefunden, dass Sie noch vor drei Jahren im
März 2000 - Herr Ströbele ist ganz groß aufgeführt - alle
miteinander die Abschaffung des § 129 a Strafgesetzbuch
gefordert haben.
({7})
Angesichts eines solchen Werdeganges braucht man
sich nicht darüber zu wundern, dass es schwer fällt, die
vom EU-Rahmenbeschluss gesetzten Fristen einzuhalten. Ich habe mich immer gefragt, was die Koalition eigentlich daran hindert, hier endlich zu Stuhl zu kommen
und diesen Rahmenbeschluss auszufüllen.
Der Kollege Ströbele hat darüber hinaus in einer Presseerklärung kundgetan, dass das neue Gesetz nach seiner
Erwartung weniger Ermittlungen nach dem Terrorismusparagraphen zur Folge haben wird.
({8})
Er formuliert: So fallen beispielsweise Aktionen der
Antiatombewegung wie das Blockieren und Beschädigen von Bahngleisen künftig nicht mehr unter den pauschalen Terrorismusparagraphen.
Ich kann mich in einen Grünen hineindenken
({9})
und kann verstehen, dass er Probleme mit der Terrorismusbekämpfung hat, insbesondere wenn es um so diffizile Fragen wie Werbung für terroristische Vereinigungen geht.
Ich freue mich über die Zusage des Kollegen Stünker,
dass wir in den noch folgenden Ausschussberatungen
- wir haben heute die erste Lesung - über offene Fragen
diskutieren können. Das muss der Sinn einer parlamentarischen Beratung sein.
Ich halte es für bedenklich, dass Sie bei der Umsetzung eines so wichtigen Gesetzes drei Monate überziehen. Man kann allerdings sagen: Es ist ja nichts passiert. - Ich kann außerdem nicht verstehen, warum Sie
so apodiktisch sagen, sie wollten sich nur an den Rahmen halten. Der Rahmen gibt doch nur eine Mindestregelung vor. Sie könnten an einigen Stellen mit guten
Gründen über den Rahmen hinausgehen.
({10})
- Aber sehr dürftig. - Ich bitte Sie, alles dafür zu tun, damit wir zu einer vernünftigen Regelung für die Justiz
kommen.
Wir alle hoffen, dass wir bei der Bekämpfung des Terrorismus erfolgreich sind. Ich schließe mich - das sage
ich ausdrücklich - dem Dank an die Justiz und den Generalbundesanwalt für das bisherige Handeln an. Wir haben allen Grund, zufrieden zu sein. Zufrieden sind wir
von der Union aber mit dem, was Sie heute vorgelegt haben, nicht ganz. Es gibt noch Handlungsbedarf. Wenn
Sie die Grünen besser in den Griff bekommen könnten,
könnten wir uns vielleicht leichter einigen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 15/813, 15/540, 15/34, 15/808 und 15/802 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich stelle fest, dass Sie damit einverstanden
sind. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Ernst Burgbacher, Hans-Michael Goldmann, Dirk
Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte auf sechs Monate ausweiten
- Drucksachen 15/368, 15/834 Berichterstattung:
Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
FDP fünf Minuten Redezeit erhalten soll. - Auch dazu
besteht Einverständnis. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Kollege Ernst Burgbacher für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
gibt schon seltsame Situationen im Parlament. Wir wissen, dass dem Antrag, den wir vorgelegt haben, eine
große Mehrheit der Abgeordneten auch aus dem Regierungslager gerne zustimmen würde, aber sie tut es nicht.
Das ist das Problem. Rot-Grün redet immer nur, aber
wenn es ans Handeln geht, ist das Ende der Fahnenstange erreicht.
({0})
Ich zitiere aus der Beschlussempfehlung. Da heißt es:
Einig war sich der Ausschuss darüber, dass ausländische Saisonarbeitskräfte besonders in Spitzenzeiten einen wertvollen Beitrag in der Wirtschaft leisten.
Das spricht doch eigentlich für sich.
({1})
Es gab eine lange Diskussion über das Zuwanderungsgesetz. Deswegen wissen wir, dass wir in Deutschland ausländische Arbeitskräfte brauchen, und zwar sowohl hoch qualifizierte Arbeitnehmer als auch solche,
die einfache Tätigkeiten ausführen. Die FDP will natürlich auch in der Frage der Zuwanderung weiterkommen
und hat hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir müssen aber bedauern, dass alles blockiert wird und sich
nichts nach vorne bewegt.
Mit dem heutigen Antrag könnten wir etwas vorwärts
bringen, was allerdings mit dem Zuwanderungsgesetz
nichts zu tun hat; das will ich gleich zu Beginn unmissverständlich sagen, weil ich die Argumente schon kenne,
die nachher kommen werden. Wir wollen - das ist das
Ziel des FDP-Antrages -, dass ausländische Saisonarbeitskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der
Obst- und Gemüseverarbeitung, in der Land- und Forstwirtschaft sowie in Sägewerken nicht nur drei Monate
wie bisher arbeiten dürfen, sondern dass sie sechs Monate bleiben können.
({2})
Gerade in vielen Gegenden von Baden-Württemberg,
Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist das von großer Bedeutung.
({3})
- Natürlich auch in Niedersachsen, lieber Kollege. Viele von Ihnen, auch von Rot-Grün, wissen aus dem eigenen Wahlkreis ganz genau, dass das wichtig ist. Viele
von Ihnen würden dem Antrag deshalb zustimmen. Sie
haben, wie wir auch, Briefe vom Deutschen Bauernverband und von vielen Industrie- und Handelskammern bekommen, in denen Sie aufgefordert werden, dem FDPAntrag zuzustimmen. Leider wird das, wenn ich die Ergebnisse der Ausschussberatungen sehe, nicht der Fall
sein.
({4})
Ich freue mich, dass sich die Union überwinden konnte,
wenigstens dem ersten Punkt unseres Antrags zuzustimmen. Im zweiten Punkt werden wir keine Einigkeit erreichen; aber auch bei uns liegt das Gewicht eher auf dem
ersten Punkt.
({5})
Lassen Sie mich nun zu zwei Punkten kommen, weil
ich denke, dass Sie auf diese eingehen werden.
Als Erstes geht es um das Hartz-Konzept. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Hartz-Konzept ändert an dieser Problematik überhaupt nichts.
({6})
Wenn Sie mit den Betroffenen vor Ort sprechen, dann
wissen Sie, dass sie für die jetzt beginnende Spargelernte
und für die Tourismussaison keine Arbeitskräfte finden.
Hier sollten Sie nicht mit Scheinargumenten wie dem
des Hartz-Konzeptes kommen.
({7})
Beim zweiten Punkt geht es um das Zuwanderungsgesetz. Frau Kollegin, der von uns gestellte Antrag hat mit
dem Zuwanderungsgesetz direkt nichts zu tun; denn die
Saisonarbeit wird im Zuwanderungsgesetz nicht geregelt.
({8})
Wir wissen allerdings, dass die Regierung plant - das
wurde in den Ausschüssen gesagt -, nach dem In-KraftTreten des Zuwanderungsgesetzes bei der einen Regelung von drei auf vier Monate und bei der anderen Regelung von sechs auf sieben Monate zu gehen. Deshalb
sage ich Ihnen: Machen Sie heute Nägel mit Köpfen!
({9})
Stimmen Sie unserem Antrag zu! Dadurch hätten Sie etwas für die Menschen getan, die händeringend Arbeitskräfte suchen, und Sie hätten ein Zeichen gesetzt, durch
das deutlich wird, dass wir hier weiterkommen.
({10})
Meine Damen und Herren, von diesem Parlament müssen Zeichen ausgehen, die zeigen, dass wir bereit sind,
auf Anforderungen zu reagieren, und dass wir nicht nur
Beschlüsse fassen, die die Branche weiter beuteln.
Heute Vormittag wurde hier das im Vermittlungsausschuss ermittelte Ergebnis mit einer breiten Mehrheit allein gegen die Stimmen der FDP beschlossen. Jetzt wird
so getan, als handele es sich um eine vernachlässigbare
steuerliche Belastung, die nur die Großkonzerne treffen
würde. Das stimmt einfach nicht. Das heute Morgen
auch mit den Stimmen der Union Beschlossene bedeutet
eine gewaltige zusätzliche Belastung aller GmbHs, also
auch der kleinen und nicht nur der großen.
({11})
Deshalb appelliere ich an Sie: Springen Sie jetzt über
Ihren Schatten und tun Sie das, was Sie gerne tun würden! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Sie würden dadurch einiges bewirken, sodass es in den genannten
Branchen in der kommenden Saison aufwärts geht. Ich
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es sich noch einmal überlegen würden, und es würde mich freuen, wenn wir zu
einer breiten Mehrheit kämen.
Herzlichen Dank.
({12})
Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Angelika
Krüger-Leißner, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Der Antrag der FDP zur Ausweitung der
Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte ist
zunächst das Ergebnis einer wichtigen strukturellen Diskussion über die Zuwanderung, die wir seit längerer
Zeit führen und deren Ergebnis ein Zuwanderungsgesetz
sein wird.
In der Tat eröffnen unsere heutigen gesetzlichen Regelungen kaum Möglichkeiten zur Steuerung der Zuwanderung. Deshalb können wir in vielen Fällen weder
den staatlichen Erfordernissen noch den Forderungen
aus der Wirtschaft Rechnung tragen. Dass das Zuwanderungsgesetz bis heute nicht zustande gekommen ist, ist
sicherlich weniger die Schuld der Freien Demokraten.
Einzig die CDU/CSU will die Zeichen der Zeit nicht erkennen.
Wie bei vielen Reformen ist aber auch hier das Gesamtkonzept entscheidend. Daher kann es nicht sein,
dass sich die FDP einzelne Problemkreise wie die ausländischen Saisonarbeitskräfte herauspickt.
({0})
Aus meiner Sicht ist dies für die Lösung der Zuwanderungsfrage kontraproduktiv. Wenn auch wir dies täten,
würden wir nämlich für eine bestimmte Gruppe eine sehr
weit reichende Öffnung der gesetzlichen Regelungen
schaffen. Wohlgemerkt: Es müsste auch hinterfragt werden, ob diese Öffnung den Bedürfnissen unseres Landes
und der Wirtschaft wirklich entspricht.
Schauen wir uns den Vorschlag der FDP genauer an.
Zunächst einmal komme ich zur rechtlichen Situation,
die sich bei näherer Betrachtung als komplizierter erweist, als sich die FDP-Fraktion das bei der Formulierung ihres Antrages möglicherweise gedacht hat. Die
Annahme, man könne eine Öffnung bei gleichzeitiger
Umgehung des Bundesrates erreichen, ist nämlich irrig.
Eine Änderung der Anwerbestoppausnahmeverordnung
reicht nicht aus. Nach dem Ausländergesetz darf Ausländern der Aufenthalt für eine längere als dreimonatige
Beschäftigung nur dann erlaubt werden, soweit dies
durch eine Rechtsverordnung geregelt ist. Deshalb
müsste nicht nur die Anwerbestoppausnahmeverordnung, sondern auch die Arbeitsaufenthalteverordnung
ergänzt werden.
({1})
Eine solche Änderung bedarf genau wie das Zuwanderungsgesetz selbst der Zustimmung des Bundesrates.
Daher bleiben wir dabei: Eine Änderung der Situation
für Saisonarbeitskräfte muss mit einer vernünftigen Neuregelung der Migration insgesamt gestaltet werden: mit
dem Zuwanderungsgesetz.
({2})
Ein weiteres rechtliches Problem aus dem Vorschlag
der Verlängerung der Arbeitserlaubnis auf sechs Monate
erwächst im Bereich des Arbeitslosengeldes. Möglicherweise ist dieser Umstand von der FDP nicht bedacht
worden. Auf der Beschäftigungsseite erwachsen bei einer Beschäftigung von sechs Monaten pro Jahr Ansprüche auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Diese zeitliche
Grenze ist deshalb immer als absolute Obergrenze für
ausländische Saisonarbeitskräfte angesehen worden.
Frau Kollegin Krüger-Leißner, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen. Ich wende mich an die gerade in
den Saal kommenden Kollegen: Wir reden über die Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte. Es
wäre schön, wenn sich die am Rednerpult befindliche
Kollegin bei der Behandlung des Punktes Gehör verschaffen könnte. Das gilt besonders für die eigene Fraktion.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident!
({0})
- Sie haben nicht zugehört. Versuchen Sie es jetzt noch
einmal.
({1})
Unabhängig von diesen rechtlichen Fragen, die aus
meiner Sicht in Ihrem Antrag nicht geklärt sind, und unabhängig von der Regelung zur Zuwanderung muss man
sich die Frage stellen: Ist der Antrag der FDP-Fraktion
an sich überhaupt sinnvoll?
({2})
Sie wissen: Wir haben im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz in Aussicht gestellt - Herr Burgbacher hat
darauf hingewiesen -, die maximale Beschäftigungsdauer
auf vier Monate auszuweiten. Die Begrenzung für Betriebe
soll aus unserer Sicht von sieben auf acht Monate erhöht
werden. Sie hingegen schlagen sechs Monate für Beschäftigte und eine generelle Aufhebung der Regelung für Betriebe vor. Dazu sage ich ganz klar: Unsere Regelung halte
ich für die deutlich bessere und sinnvollere.
({3})
Ich will Ihnen das begründen, indem ich der Frage
nachgehe: Wem nutzt Ihr Regelungsvorschlag? Ich
denke, er nutzt natürlich zunächst den ausländischen Saisonarbeitern; das ist klar. Diese könnten doppelt so lange
in Deutschland bleiben und Geld verdienen. Auf der
Seite der Betriebe sieht die Sache aber etwas anders aus.
Die in der Verordnung genannten landwirtschaftlichen
Betriebe profitieren kaum von der Regelung; denn sobald Saisonarbeitskräfte mehr als 50 Tage beschäftigt
sind, sind sie sozialversicherungspflichtig. Damit kommen auf die Arbeitgeber erhebliche zusätzliche Kosten
zu. Die meisten Betriebe wollen diese nicht tragen und
stellen daher eher neue Arbeitskräfte ein.
Anders sieht es allerdings im Hotel- und Gaststättengewerbe aus. Hier sind die Arbeitgeber oft an einer
längeren Beschäftigungszeit interessiert. Das hängt auch
mit der Einarbeitungszeit zusammen. In der Tat ist die
bisherige Regelung einigermaßen problematisch. Bei einer angenommenen Saison von maximal sieben Monaten und einer Höchstarbeitsdauer von drei Monaten für
die Beschäftigten benötigt ein Betrieb, um die Höchstdauer in Anspruch zu nehmen, drei Saisonarbeitskräfte.
Daher ist unser Vorschlag begründet, die Aufenthaltsdauer der Saisonarbeitskräfte auf vier Monate und die
Beschäftigungsdauer bei den Betrieben auf acht Monate
zu verlängern. Die Betriebe kämen so in einer verlängerten Saison mit zwei Arbeitskräften aus, die zudem längere Zeit zur Verfügung stünden.
Ich gebe zu: Der Vorschlag der FDP geht darüber hinaus. Das hätte für einige Betriebe Vorteile.
({4})
Aber an diesem Punkt muss man doch stutzig werden,
meine Damen und Herren von der FDP.
({5})
Sie müssen uns vor allen Dingen erklären, in welcher
Branche eine Saison ein ganzes Jahr dauert. Mir ist
keine bekannt.
({6})
In diesem Zusammenhang erinnere ich noch einmal
daran: Es geht hier um eine Regelung für Saisonarbeitskräfte. Würden wir dem Vorschlag der FDP folgen, würden wir diesen Umstand ad absurdum führen. Landwirtschaftliche und gastronomische Betriebe hätten dann das
ganze Jahr über die Möglichkeit, befristet ausländische
Saisonkräfte einzustellen.
Eine solche Regelung, wie Sie sie vorgeschlagen haben, wird weder den Erfordernissen des Arbeitsmarktes
noch denen der Wirtschaft gerecht. Schon deswegen
muss eine Neuregelung in ein Zuwanderungsgesetz eingebettet sein.
({7})
Ich möchte noch auf einen besonderen Umstand aufmerksam machen: Dem Antrag der FDP widersprechend
erscheint mir die Tatsache, dass wir bei einer so ausgedehnten Neuregelung die notwendigen Arbeitsmöglichkeiten für Inländer nicht ausreichend im Auge behalten.
Gerade im Rahmen der Hartz-Gesetzgebung und angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt ergeben sich aus
meiner Sicht neue Arbeitsmöglichkeiten für Inländer,
auch und gerade in diesen Bereichen.
({8})
Die Anwendung der Zeitarbeit und die Möglichkeiten
der Minijobs führen dazu, dass die betroffenen Arbeitsmöglichkeiten auch für Inländer wachsende Bedeutung
bekommen.
({9})
Wollen Sie einem Arbeitsuchenden, dem wir zugesagt
haben, wir wollen ihn fördern und fordern, erklären: Wir
haben zwar neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, aber wir können Ihnen keine entsprechenden Stellen
- schon gar nicht in der Gastronomie - anbieten, weil
alle von ausländischen Kräften besetzt sind?
({10})
Wenn es nach Ihnen geht, dann arbeiten ausländische
Kräfte das ganze Jahr über in Deutschland, und zwar
ohne die Kosten, die der Erhalt der deutschen Sozialsysteme verursacht, mit zu finanzieren.
({11})
Ich weiß, dass Sie darauf entgegnen werden, der Markt
reguliere alles. Aber wir sind diejenigen, die die Rahmenbedingungen für die Neuordnung des Arbeitsmarktes schaffen müssen. Die neuen Rahmenbedingungen
dienen dem Ziel, mehr Menschen in Arbeit zu bringen.
Die aktuellen Zahlen verdeutlichen, wie notwendig
eine Regelung ist, die die Einstellung inländischer Kräfte
stärker im Blick behält. Im Jahr 2001 gab es im Gastgewerbe noch 60 000 offene Stellen. Im Jahr 2002 sind
20 000 Jobs weggefallen.
Es gibt einen Bereich, auf den sich dieser Trend nicht
ausgewirkt hat, und zwar die Saisonkräfte. Die Zahl der
Saisonkräfte ist zwischen 2000 und 2002 um über
30 Prozent gestiegen. Im Gastgewerbe war der Anstieg
mit mehr als 50 Prozent sogar noch höher. Dies ist eine
Entwicklung, die sicherlich niemand von uns befürwortet.
Es zeigt sich vor allen Dingen eines: Wir brauchen
dringend ein Gesetz, das die Zuwanderung vernünftig
und umfassend regelt.
({12})
Unser Land muss die Möglichkeit bekommen, auf
konjunkturelle Schwankungen und die Erfordernisse der
Wirtschaft schnell zu reagieren. Wir sind, wie bereits
ausgeführt wurde, bereit, die Anwerbestoppausnahmeverordnung dahin gehend zu ändern, dass sowohl den
Belangen und Forderungen der Betriebe als auch den
Ansprüchen der inländischen Arbeitnehmer Rechnung
getragen wird. Mit dem Antrag der FDP ist dies nicht
möglich. Aber ich denke, dass wir uns einigen können.
Wir haben den Vorschlag gemacht, die Arbeitserlaubnis
für ausländische Saisonkräfte im Zusammenhang mit
dem Zuwanderungsgesetz neu zu regeln.
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie sind in
vielen Parlamenten vertreten, in denen Sie mit in der
Verantwortung sind.
({13})
Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und wirken Sie
darauf hin, dass wir ein umfassendes neues Zuwanderungsgesetz bekommen, das auch diese Regelung beinhaltet!
({14})
Nun erteile ich dem Kollegen Dr. Hermann Kues von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
werde es kurz machen.
({0})
Frau Kollegin, Sie haben sehr gezielt gesprochen,
aber - das betone ich ausdrücklich - sehr gezielt am
Thema vorbei.
({1})
Denn die Situation stellt sich doch so dar - wir kennen
die Schreiben der Spargelbauern, der Erdbeerplantagenbesitzer und des Hotel- und Gaststättengewerbes -,
dass die Betriebe für die beginnende Saison - wenn die
Sonne weiter scheint, wird die Spargelernte tatsächlich
beginnen - zum Beispiel für die Spargelernte nicht die
Arbeitskräfte finden, die sie benötigen. Dafür brauchen
wir eine Regelung. Das ist der Kern und deswegen stimmen wir auch dem ersten Teil des FDP-Antrages zu, in
dem es um eine Verlängerung auf sechs Monate geht.
Denn das bedeutet weniger Bürokratie und ist eine unmittelbare Hilfe für die betroffenen Betriebe.
({2})
Ich will eines ganz deutlich sagen: Sie versuchen immer, einen Zusammenhang zwischen der Frage der Saisonarbeitskräfte und der Zuwanderung herzustellen.
Dazu sage ich: Dieses hat absolut nichts miteinander zu
tun.
({3}): Fehleinschätzung!)
Dass wir nicht die von Ihnen angestrebte Zuwanderungsregelung haben, ist für unseren Arbeitsmarkt ein Segen.
({4})
Sie haben ja mit Ihrer damals noch bestehenden Bundesratsmehrheit versucht, in verfassungswidriger Weise ein
Gesetz durchzusetzen.
({5})
Setzen Sie sich einmal mit den Zahlen des Arbeitsmarktes auseinander! Etwa 10 Prozent der ausländischen
Arbeitskräfte sind bei uns als Saisonarbeitnehmer oder
als Werksarbeitskräfte tätig. Sie wissen genauso gut wie
ich, dass gerade im Niedriglohnbereich die Arbeitslosigkeit ausländischer Arbeitsnehmer überdurchschnittlich
hoch ist. Das heißt, Zuwanderung würde dieses Problem
überhaupt nicht lösen.
({6})
Vielmehr haben wir es mit einem Strukturproblem
auf dem Arbeitsmarkt zu tun, das Sie kaum einem Außenstehenden verdeutlichen können. Auch dank Ihrer
Wirtschafts- und Finanzpolitik gehen wir auf eine Zahl
von 5 Millionen Arbeitslosen zu; gleichzeitig finden wir
für bestimmte Tätigkeiten niemanden, der sie übernehmen will. Da stimmt etwas nicht; deswegen müssen wir
uns mit dem Strukturproblem beschäftigen.
({7})
- Sie haben bislang in dieser Frage nichts verändert.
Ich sage ausdrücklich, dass ich mir schon einiges von
der neuen 400-Euro-Regelung verspreche und von der
Gleitzone zwischen 400 und 800 Euro Monatseinkommen mit ihrer Entlastung bei den Beiträgen. Das müssen
wir abwarten; man wird sehen, inwieweit diese Regelung greift.
Sie sollten eines nicht vergessen: Die 400-Euro-Regelung haben wir gegen Ihren Widerstand im Bundesrat
Gott sei Dank durchsetzen können.
({8})
Das bisschen Freiheit auf dem Arbeitsmarkt, das es dadurch gibt, konnte dadurch zustande kommen, dass wir
mittlerweile eine vernünftige Bundesratsmehrheit haben.
({9})
Langer Rede kurzer Sinn: Wir unterstützen den ersten
Teil des FDP-Antrages; dabei geht es um die Verlängerung der Frist auf sechs Monate. Mit dem zweiten Teil
haben auch wir unsere Probleme; da geht es um den
Wegfall der Befristung auf sieben Monate bei der Saisonarbeit. Das ganze Jahr über kann keine Saison sein.
Wir meinen schon, dass man in dieser Hinsicht differenzieren muss. Wir brauchen Strukturveränderungen auf
dem Arbeitsmarkt. Daran sollten wir arbeiten. Wenn wir
das tun, bekommen wir insgesamt bessere Lösungen hin.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({10})
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident!
Rechtzeitig zur nahenden Spargelsaison winkt die FDP
mit einem Antrag in Richtung der Bauern. Aber wenn
Sie so kurz springen und eine haarsträubende Widersprüchlichkeit in Sachen Zuwanderung demonstrieren,
dann drohen Sie als Spargeltarzan zu enden.
({0})
Anstatt endlich eine moderne Zuwanderungsregelung zu
ermöglichen - da reden wir keineswegs am Thema vorbei, sondern treffen den Kern -, halten Sie sich damit
auf, Ausnahmeregelungen für Saisonarbeitskräfte zu fordern. Geben Sie endlich - ich schaue dabei auf die rechte
Seite des Hauses - Ihre Blockade auf und lassen Sie uns
ein modernes Zuwanderungsrecht schaffen,
({1})
das es der deutschen Wirtschaft ermöglicht, ausländische
Arbeitskräfte zu beschäftigen, wenn sie gefragt sind.
Sie wissen doch auch, dass immer noch und auch in
Zukunft im IT-Bereich, im Ingenieurwesen und in einigen bestimmten Teilarbeitsmärkten händeringend Fachkräfte gesucht werden.
({2})
Fachkräfte werden gesucht und Sie halten sich damit auf,
Ausnahmeregelungen für Hilfskräfte in Land- und Forstwirtschaft um ein paar Monate zu verlängern. Ihre Manöver sind nicht wirtschaftsfreundlich, sie sind einfach
überflüssig.
({3})
Auf der einen Seite greift Ihr Antrag zu kurz, weil er
sich nur an der geltenden, aber dringend überholungsbedürftigen Rechtslage orientiert. Ich sage noch einmal: Die Saisonarbeitnehmerfrage muss im Zusammenhang mit Regelungen für die Zulassung von Fachkräften
und ausländischen Arbeitnehmern insgesamt geklärt
werden.
({4})
- Das haben wir in dem Gesetzentwurf, der sich in der
parlamentarischen Beratung befindet, vorgesehen.
({5})
Bei der fehlenden Verfügbarkeit inländischer Bewerber
besteht die Möglichkeit, den Zuzug von Kräften auch
ohne zeitliche Begrenzung zuzulassen.
({6})
Auf der anderen Seite geht Ihr unausgegorener Vorschlag zu weit, weil er die bewusst saisonbezogene und
damit kurzzeitige Beschäftigung von ausländischen
Kräften zu einer dauerhaften Beschäftigung ausdehnen
will. Damit konterkariert er - das ist ein wichtiger Punkt,
den ich betonen will - die gerade von uns beschlossenen
Regelungen, die auf dem Hartz-Konzept beruhen.
Sie, Herr Burgbacher, haben gesagt, das Hartz-Konzept sei nicht sinnvoll und die 400-Euro-Jobs richteten
nichts aus. Woher wollen Sie heute schon die Wirkung
des Hartz-Konzeptes kennen? Lassen Sie uns doch erst
einmal abwarten,
({7})
welchen Effekt diese Regelungen im Hotel- und Gaststättengewerbe haben werden.
({8})
Gerade im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes haben wir die Voraussetzungen erheblich verbessert,
um verstärkt inländische Aushilfen für niedriger entlohnte Beschäftigungen zu gewinnen.
Die Kollegin Krüger-Leißner hat bereits darauf hingewiesen, dass Änderungen der Anwerbestoppausnahmeverordnung und der Arbeitsaufenthalteverordnung ebenso
wie das Zuwanderungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Sollen wir uns also im Nebenzimmer
der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz noch zu
weiteren Vermittlungsgesprächen treffen? Ich weiß
nicht, ob Ihre Fraktion nichts zu tun oder zuviel Personal
hat, um solche Manöver durchzuhalten, meine lieben
Kollegen von der FDP.
({9})
Es bleibt im Gesamtkonzept zu lösen, wie die Zuwanderung speziell aus mittel- und osteuropäischen Staaten
geregelt werden kann. Hier sollten Sie sich bewegen, anstatt sich auf nebensächliche Scheindebatten zu spezialisieren.
({10})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
FDP-Fraktion mit dem Titel „Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte auf sechs Monate ausweiten“. Zu diesem Antrag liegt eine Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache 15/834 vor. Es ist vereinbart, dass über den Antrag
abgestimmt wird, wobei auf Wunsch der Fraktion der
CDU/CSU die Abstimmung getrennt über die Ziffern 1
und 2 erfolgt.
Wir stimmen daher zunächst über die Ziffer 1 des Antrags auf der Drucksache 15/368 ab. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die
Ziffer 1 dieses Antrags ist abgelehnt.
Wer stimmt für Ziffer 2 des Antrags auf Drucksache
15/368? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die
Ziffer 2 des Antrags ist abgelehnt. Damit ist der Antrag
insgesamt abgelehnt.
Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen haben fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung ihres Antrags auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Erste Zivildienständerungsgesetz zu erweitern und diesen Antrag
jetzt als Zusatzpunkt 15 aufzurufen.
- Ich stelle dazu Einverständnis fest. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 15 auf:
Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Erste Gesetz zur Änderung des
Zivildienstgesetzes ({0})
- Drucksache 15/853 Es wäre schön, wenn der eine oder andere sich vor der
Abstimmung vergewissern würde, worüber wir abstimmen und in welcher Weise diese Abstimmung durchgeführt wird.
Der Präsident des Bundesrates hat soeben schriftlich
mitgeteilt, dass der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung
beschlossen hat, gegen das Erste Zivildienständerungsgesetz Einspruch einzulegen.
({1})
Es liegt ein Antrag der Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates vor.
({2})
- Der zweite Beifall war ebenso absehbar wie der erste.
({3})
Bevor wir zur Abstimmung über den Antrag kommen, darf ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit für einige
Hinweise zum Abstimmungsverfahren bitten. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Nach Art. 77 Abs. 4
des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Einspruches des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder
des Bundestages erforderlich. Das sind mindestens 302 Stimmen.
Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja
stimmen. Sie benötigen für die Abstimmung außer Ihren
Stimmkarten auch Ihren Stimmausweis in der Farbe
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
gelb. Den Stimmausweis können Sie, soweit noch nicht
geschehen, dem Stimmkartenfach entnehmen.
({4})
Bitte achten Sie darauf, dass Stimmkarte und Stimmausweis Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte
in die dafür vorgesehenen Boxen werfen, übergeben Sie
bitte den Stimmausweis einem der Schriftführer. Die
Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu
achten, dass Stimmkarten nur von den Kolleginnen und
Kollegen in die dafür vorgesehenen Boxen geworfen
werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis abgegeben haben.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 15/853. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das scheint bereits der
Fall zu sein. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich sehe niemanden, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat. Ich
schließe nun die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich darf schon jetzt denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die die Bekanntgabe des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung nicht abwarten können oder wollen,
für die bevorstehende Osterpause ein paar ruhige, erholsame und besinnliche Tage wünschen. Kommen Sie vor
allen Dingen gut gelaunt wieder.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
({5})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Erste Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes bekannt. Abgegebene
Stimmausweise 527,
({0})
abgegebene Stimmen 529. Mit Ja haben gestimmt 304,
({1})
mit Nein haben gestimmt 225.
({2})
Der Antrag ist mit der - durch das Grundgesetz für die
Zurückweisung des Einspruchs vorgegebenen - erforderlichen Mehrheit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 529;
davon
ja: 304
nein: 225
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({3})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({4})
Klaus Barthel ({5})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({6})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({7})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({8})
Marion Caspers-Merk
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({9})
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({10})
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({11})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({12})
Anke Hartnagel
Nina Haver
Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({13})
Walter Hoffmann
({14})
Iris Hoffmann ({15})
Frank Hofmann ({16})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus-Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({17})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({18})
Christian Müller ({19})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({20})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinrich Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({21})
Michael Roth ({22})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({23})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({24})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({25})
Ulla Schmidt ({26})
Silvia Schmidt ({27})
Dagmar Schmidt ({28})
Wilhelm Schmidt ({29})
Heinz Schmitt ({30})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Brigitte Schulte ({31})
Reinhard Schultz
({32})
Swen Schulz ({33})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({34})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis ({35})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({36})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({37})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({38})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({39})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({40})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({41})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({42})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Anke Eymer ({43})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({44})
Axel E. Fischer ({45})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({46})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Holger-Heinrich Haibach
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Joachim Hörster
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Siegfried Kauder ({47})
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler
Norbert Königshofen
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Werner Kuhn ({48})
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Walter Link ({49})
Dr. Klaus W. Lippold
({50})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Erwin Marschewski
({51})
Stephan Mayer ({52})
Conny Mayer ({53})
Dr. Martin Mayer
({54})
Wolfgang Meckelburg
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({55})
Doris Meyer ({56})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({57})
Bernward Müller ({58})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({59})
Katherina Reiche
Hannelore Roedel
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({60})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({61})
Hartmut Schauerte
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({62})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({63})
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({64})
Gerald Weiß ({65})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Elke Wülfing
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Marieluise Beck ({66})
Volker Beck ({67})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({68})
Katrin-Dagmar GöringEckardt
Anja Hajduk
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({69})
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({70})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({71})
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({72})
Werner Schulz ({73})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({74})
FDP
Angelika Brunkhorst
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich ({75})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({76})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Georg Hartmann
({77})
Klaus Haupt
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sibylle Laurischk
Ina Lenke
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto ({78})
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Nein
Fraktionslose Abgeordnete
Dr. Gesine Lötzsch
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Lintner, Eduard
CDU/CSU
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
({79})
Dem Kollegen Tauss, dem die guten Wünsche zur Osterpause offensichtlich so gut gefallen haben, dass er sie
wiederholt haben möchte, empfehle ich einen Blick in
das Protokoll dieser Sitzung.
({80})
Die Sitzung ist geschlossen.