Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet, auch wenn ich mehr Besucher auf den
Rängen als Abgeordnete im Plenum zähle.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes
zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er- und
0900er-Mehrwertdiensterufnummern. Das hört sich
sehr kompliziert an.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Gerd Andres.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sie haben schon gemerkt, dass es sich um ein
außerordentlich kompliziertes Thema handelt, Frau Präsidentin. Ich bitte um Vergebung, wenn der Vortrag, den
ich einleitend halten möchte, etwas länger als fünf Minuten dauert. Ich lege es in Ihre Hand, mir Dispens zu erteilen.
Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf
zur Bekämpfung des Missbrauchs mit 0190er- und
0900er-Mehrwertdiensterufnummern beschlossen. Diese
Nummern dienen dazu, telefonisch oder über PC abgerufene Dienstleistungen wie etwa Beratungsdienste schnell
und einfach über die Telefonrechnung der Telefongesellschaft abzurechnen. Dieser Dienstleistungsmarkt hat ein
Volumen von circa 1,5 Milliarden Euro.
Neben dem großen Teil an seriösen Anbietern, beispielsweise den Verbraucherzentralen, gibt es einige
schwarze Schafe, die das Ansehen des gesamten Marktes
beeinträchtigen. In der letzten Zeit gibt es erhebliche
Probleme mit der missbräuchlichen Nutzung dieser
Nummern. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang
mit den so genannten Dialern, die sich zum Teil unbemerkt auf den PC aufschalten und die Verbindung zum
Internet jedes Mal über die teure Nummer herstellen.
Auch bei der telefonischen Inanspruchnahme von
0190er-Nummern kommt es zu erheblichen Missbräuchen und betrügerischen Handlungen.
Die Änderung des Telekommunikationsgesetzes dient
dem Zweck, das Angebot von 0190er- und 0900erMehrwertdiensterufnummern transparenter zu gestalten
und so die Rechtsposition des Verbrauchers zu verbessern. Hierzu enthält der Gesetzentwurf die folgenden Regelungen:
Erstens. Der Verbraucher erhält einen Auskunftsanspruch gegen die Regulierungsbehörde, um zu erfahren,
wer sich hinter einer 0190er-Mehrwertdiensterufnummer
verbirgt. Diese Angaben kann die Regulierungsbehörde
von ihren Zuteilungsnehmern abfragen.
Zweitens. Die 0900er-Mehrwertdiensterufnummern,
die seit dem 1. Januar 2003 genutzt werden können und
die die 0190er-Mehrwertdiensterufnummern unter Gewährung einer Übergangsfrist ablösen, sollen in einer
Datenbank erfasst werden, die im Internet veröffentlicht
werden soll. So kann der Verbraucher nachvollziehen,
welche Dienste von welchem Dienstanbieter über eine
bestimmte 0900er-Mehrwertdiensterufnummer angeboten werden.
Drittens. Der Verbesserung der Transparenz dient
auch die Verpflichtung, bei der Werbung für 0190er- und
0900er-Mehrwertdiensterufnummern auf die Preise hinzuweisen. Für die Inanspruchnahme der Dienste unter
den 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern,
deren Preise von den Teilnehmernetzbetreibern individuell festgesetzt werden, können bundesweit nicht einheitliche Preise verlangt werden. Für diese Fälle ist die
Pflicht zur Angabe einer Von-bis-Preismarge vorgesehen.
Die Pflicht zur Preisangabe gilt nicht für die Preise im
Mobilfunkbereich. Im Gegensatz zum Festnetz werden
von den einzelnen Mobilfunknetzbetreibern für die Inanspruchnahme von 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern regelmäßig unterschiedliche Preise verlangt, die vom jeweiligen Netzbetreiber, individuellen
Tarifen etc. abhängig sind. Es hätten also stets weite
Redetext
Preismargen angegeben werden müssen, wodurch die
Gefahr bestanden hätte, dass die Verbraucher über die
Kosten für die Inanspruchnahme von Mehrwertdiensterufnummern aus dem Mobilfunknetz eher falsch als richtig informiert worden wären.
Viertens. Für eine Verbesserung der Transparenz sorgt
auch die Pflicht, eine Preisansage vorzunehmen. Ändert
sich während der Inanspruchnahme der Preis für die
Nutzung einer solchen Rufnummer, zum Beispiel bei einer Weiterleitung auf eine anders tarifierte Nummer, ist
auch diese Änderung anzusagen. Art und Länge der Ansage sind genau vorgegeben, um sicherzustellen, dass sie
für den Kunden kostenlos erfolgt und er die Möglichkeit
hat, das Gespräch noch vor der Kostenpflichtigkeit zu
beenden.
Nach einer Übergangsfrist von einem Jahr nach InKraft-Treten gilt die Pflicht zur Preisansage auch für
Anrufe aus Mobilfunknetzen. Diese Übergangsfrist ist
erforderlich, um in den Vermittlungsstellen die für die
Preisansage benötigten technischen Voraussetzungen zu
schaffen.
Fünftens. Daneben werden durch den Gesetzentwurf
Preisobergrenzen eingeführt, um das Risiko, durch ein
missbräuchliches Angebot solcher Nummern einen hohen Geldbetrag zu schulden, zu begrenzen.
Bei der Preisgrenze ist zwischen den zeitabhängig und
den zeitunabhängig abgerechneten Diensten zu unterscheiden, da bei den Letztgenannten die Dienstleistung
einen einmaligen Wert hat. Bestellt also zum Beispiel jemand Theaterkarten über eine solche Mehrwertdiensterufnummer, fallen Kosten in einer bestimmten Höhe an,
und zwar unabhängig davon, wie lange das konkrete Telefongespräch dauert. Der Preis für diese Dienstleistung
wird auf 30 Euro pro Anruf oder Einwahl begrenzt. Wird
entsprechend der Länge der Verbindung abgerechnet, ist
das Entgelt auf 3 Euro pro Minute begrenzt. Die Abrechnung darf höchstens im 60-Sekunden-Takt, sie kann aber
auch in einem kürzeren Takt erfolgen.
Die Preise für Mehrwertdiensterufnummern der genannten Kategorie dürfen über diese Beträge auch hinausgehen, sie bedürfen dann aber einer geeigneten
Legitimation des Nutzers vor Inanspruchnahme der
Dienstleistung. Wie diese Legitimation im Einzelnen
aussehen soll, regelt die Regulierungsbehörde.
Sechstens. Auch die Pflicht zur Zwangstrennung nach
einer Stunde dient der Risikobegrenzung. Länger als
eine Stunde dauernde Verbindungen müssen vom Kunden ausdrücklich verlangt werden. Dafür muss er sich
vor Inanspruchnahme der Dienstleistung gegenüber dem
Diensteanbieter durch ein geeignetes Verfahren legitimieren. Die Einzelheiten regelt wiederum die Regulierungsbehörde.
Siebtens. Um die massiven Missbräuche durch den
Einsatz von Anwählprogrammen - Dialern - zu bekämpfen, sollen diese vor der Inbetriebnahme bei der
Regulierungsbehörde registriert werden. Gegenüber der
Regulierungsbehörde muss schriftlich versichert worden sein, dass eine rechtswidrige Nutzung, zum Beispiel
durch Täuschung über die Kosten, ausgeschlossen ist.
Wie das Registrierungsverfahren im Einzelnen erfolgen
wird und welche Vorgaben zu erfüllen sind, wird von der
Regulierungsbehörde festgelegt.
Neben den rein verfahrenstechnischen Vorgaben wird
die Regulierungsbehörde im Interesse eines Mindeststandards an effektivem Verbraucherschutz Mindestvorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung von Dialern
schaffen. Dafür wird dort ab Mitte April ein Arbeitskreis
eingerichtet.
Achtens. Eine weitere wichtige Änderung ist die
Klarstellung der Befugnis der Regulierungsbehörde, wonach die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und ihrer
Zuteilungsregeln sichergestellt werden kann. Sie kann
diese Nummern insbesondere bei gesicherter Erkenntnis
über eine rechtswidrige Nutzung entziehen.
Neuntens. Eine zusätzliche Maßnahme zur Verbesserung der Transparenz ist die Anpassung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die Mehrwertdiensterufnummern
dürfen ungekürzt gespeichert werden und entsprechend
auf dem Einzelverbindungsnachweis erscheinen, um es
dem Verbraucher zu ermöglichen, den Auskunftsanspruch gegenüber der Regulierungsbehörde auch geltend
zu machen.
Durch die Verbesserung der Rechtsstellung der Verbraucher und die anderen transparenzsichernden und risikoverringernden Maßnahmen wird das Vertrauen der
Verbraucher in das Angebot von Dienstleistungen über
Mehrwertdiensterufnummern gestärkt.
Schönen Dank. - Ich bitte darum, zunächst Fragen zu
dem Themenbereich zu stellen, über den so eben berichtet wurde. - Die Abgeordnete Heinen, bitte.
Recht herzlichen Dank für Ihre Einführung in das
Thema und die Vorstellung des Gesetzentwurfs. Gestatten Sie mir dazu einige Fragen.
Die erste Frage betrifft den Anwendungsbereich des
vorgelegten Entwurfs. Wenn ich Sie richtig verstanden
habe, geht es nur um die 0190er- und 0900er-Nummern,
andere Rufnummern werden nicht erfasst. Ist nicht zu
befürchten, dass es dadurch nicht zu einer Verhinderung
des Missbrauchs kommt, sondern nur zu einer Verlagerung auf andere Rufnummern, zum Beispiel auf 0118er-,
0136er- und 0137er-Nummern?
Meine zweite Frage bezieht sich auf den Mobilfunk.
Wir begrüßen es sehr - das war immer eine Forderung
der Opposition -, dass auch der Mobilfunk in den Anwendungsbereich des Gesetzentwurfes aufgenommen
wird. Allerdings verstehen wir nicht, warum eine Übergangsfrist von einem Jahr vorgesehen ist.
Zu Ihrer ersten Frage: Der Gesetzentwurf bezieht sich
auf exakt die beiden Rufnummerngruppen, die ich genannt habe. In diesen Anwendungsbereichen finden nach
gegenwärtigem Kenntnisstand die größten Missbräuche
statt. Ich kenne das Argument, dass man auch andere
Rufnummern einbeziehen soll. Aber ich will in diesem
Zusammenhang ausdrücklich darauf hinweisen, dass die
Regulierungsbehörde schon gegenwärtig Möglichkeiten
hat, Missbräuche zu begrenzen oder gegen sie vorzugehen. Für die Bundesregierung erkläre ich: Wir werden
das beobachten. Wenn sich in der Tat Verlagerungen abzeichnen sollten, muss entsprechend reagiert werden.
Zu der Frage zu den Mobilfunknetzen ist zu bemerken, dass zur Einführung der entsprechenden technischen Programme eine Übergangsfrist von einem Jahr
benötigt wird. Bei den Schnittstellen muss man feststellen können, aus welchem Netz der Anruf stammt. Dafür
müssen entsprechende Softwareprogramme entwickelt
werden, die dann installiert werden müssen. Dafür brauchen wir diese Übergangsfrist.
Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger.
Herr Staatssekretär, auch ich habe einige Fragen zu
dem Gesetzentwurf.
Ein Grund, hier richtigerweise Gesetzesänderungen
vorzunehmen, ist, dass es für Verbraucher sehr schwer
ist, ihre Ansprüche, die sie nach geltendem Recht und
nach Änderung des Schuldrechts mit dem allgemeinen
Auskunftsanspruch haben, durchzusetzen. Deshalb
meine Frage: Worin sehen Sie nach den neuen Gesetzesbestimmungen die Besserstellung des Verbrauchers bei
der Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen? Dies
ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich
viele dieser Diensteanbieter außerhalb Deutschlands und
des europäischen Auslands befinden und daher eine
Durchsetzung der Ansprüche aus vielerlei Gründen
scheitert.
Meine zweite Frage. Da die Regulierungsbehörde die
Auskünfte erteilt, spielt sie bei diesen Gesetzesänderungen eine wichtige Rolle. Ist dafür gesorgt worden, dass
sich diese Regulierungsbehörde als ein Dienstleistungsunternehmen und nicht als eine Behörde versteht, die die
Anliegen von Bürgern zuerst einmal kritisch unter die
Lupe nimmt, um die Anfragen möglichst schnell wieder
ad acta zu legen?
Ich beginne mit der zweiten Frage: Wir haben die
Verordnung geändert. Wir wollen sicherstellen, dass die
Regulierungsbehörde im Sinne eines modernen Dienstleisters schnell und innerhalb bestimmter Fristen - die
Antwort muss innerhalb von zehn Tagen gegeben
werden - die gewünschte Auskunft erteilt.
Zur Frage der Vorteile für den Verbraucher. Es gibt
eine ganze Bandbreite von Vorteilen: Es wird eine
Preisansage eingeführt, auf die reagiert werden kann.
Die Dialer werden registriert, was die Offenlegung derjenigen bedeutet, die diese Nummern anbieten. Zudem
wird mit bestimmten Instrumenten sichergestellt, dass
das Angebot aus dem inländischen Festnetz kommt,
bzw. dass - nach der genannten Übergangsfrist - geklärt,
um welchen Mobilfunkanbieter es sich handelt.
Wir glauben, dass das eine deutliche Verbesserung ist,
wobei wir noch an den rechtlichen Problemen, über die
Sie wahrscheinlich sehr viel besser Bescheid wissen als
ich - ich nenne zum Beispiel die Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche -, arbeiten. Ich bitte Sie, Probleme in die Beratung des Gesetzes einzubringen.
Frau Kollegin Heinen, haben Sie noch eine Frage zu
diesem Themenbereich? - Bitte.
Wir waren gerade bei den Forderungen. Meine Frage
ist, warum Sie das Inkassoverbot für den Rechnungssteller bei Einwendungserhebung oder Zahlungsverweigerung durch den Rechnungsempfänger nicht aufgenommen haben. Wir haben beispielsweise gefordert, dass die
Anschlussanbieter Forderungen erheben dürfen, auch
wenn der Kunde Einwände geltend macht.
Frau Abgeordnete Heinen, da ich mir schon gedacht
habe, dass diese Frage kommt,
({0})
habe ich mich gut vorbereitet. - Sie haben sich auch gut
vorbereitet. - Ich trage Ihnen einfach die Antwort der
Bundesregierung vom 29. Januar 2003 auf Ihre Kleine
Anfrage vor:
Es ist nicht geplant, ein Inkassoverbot einzuführen.
Dies würde sehr schnell zu einer Remonopolisierung des Mehrwertdienstemarktes führen. Im Falle
eines Inkassoverbots wäre die DTAG das einzige
Unternehmen, das seinen Kunden einen umfassenden Service anbieten könnte. Der DTAG könnte ein
Forderungseinzug nicht verboten werden, wenn es
sich um eigene Forderungen handelt. Zudem könnte
ein Inkassoverbot durch Forderungsabtretung umgangen werden. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs der 0190er- und 0900erMehrwertdiensterufnummern sieht allerdings eine
Regelung vor, nach der die Regulierungsbehörde
bei gesicherter Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung den Rechnungssteller auffordern kann, für
diese keine Rechnungslegung vorzunehmen.
Gibt es weitere Nachfragen zu diesem Themenbereich? - Bitte, Frau Kopp.
Herr Staatssekretär, Sie trugen vor, dass der Mobilfunkbereich erst in einem Jahr behandelt wird. Das
Problem der Mehrwertdienstenummern ist heute schon
sehr gravierend in diesem Bereich. Würden Sie bitte erläutern, weshalb Sie diese Gesamtthematik erst in einem
Jahr aufgreifen?
Frau Abgeordnete, diese Frage habe ich eben schon
beantwortet.
({0})
Auch im Mobilfunk besteht für die Verbraucher bei
Inanspruchnahme der 0190er- und 0900er-Mehrwertdienstenummern ein Informationsbedürfnis. Daher
wurde der Mobilfunk bei der Preisansage einbezogen.
Dafür müssen jedoch die technischen Möglichkeiten in
den Vermittlungsstellen geschaffen werden. Um die geforderte Preisansage korrekt durchzuführen, muss in den
Vermittlungsstellen erkannt werden, von welchem Netz
in welches Netz telefoniert wird. Die Entwicklung der
entsprechenden Software bedarf mindestens einer Übergangsfrist von einem Jahr. Deswegen haben wir die
Übergangsfrist von einem Jahr im Gesetzentwurf verankert.
Zu diesem Themenbereich gibt es keine Nachfragen
mehr. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen
Kabinettssitzung? - Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich
die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 15/789 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung ist der
Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg Wagner anwesend.
Die erste Frage hat der Abgeordnete Stinner gestellt.
Er ist nicht da und hat auch keine schriftliche Beantwortung beantragt. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dasselbe gilt für Frage 2. Damit
sind wir mit diesem Geschäftsbereich schon durch.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Hans
Martin Bury zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dirk Niebel
auf.
Auf welche Erkenntnisse stützt sich die Bundesregierung
bei ihrem Appell an die beteiligteen Konfliktparteien im Irak,
also auch an die USA und die alliierten Verbündeten - „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 21. März 2003 -, auf den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verzichten ?
Herr Kollege Niebel, da Sie regelmäßig aktiv an der
Regierungsbefragung und der Fragestunde teilnehmen,
ist Ihnen sicherlich geläufig, dass ich Presseberichte
nicht zu kommentieren pflege. Ich kann aber gerne aus
der Erklärung der Bundesregierung im Original zitieren.
Der Sprecher der Bundesregierung, Béla Anda, hat am
20. März 2003 anlässlich des Beginns der Kampfhandlungen erklärt:
Nun muss alles getan werden, um eine humanitäre
Katastrophe für die irakische Zivilbevölkerung abzuwenden. Die Bundesregierung hofft, dass die
Kampfhandlungen möglichst rasch zum Abschluss
kommen. Sie erwartet, dass die kriegführenden
Parteien alles daransetzen, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Dazu gehört insbesondere
der Verzicht auf die Anwendung von Massenvernichtungswaffen. Zur Linderung der Not der irakischen Bevölkerung ist die Bundesregierung bereit,
die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen bei der Leistung humanitärer Hilfe zu unterstützen.
Ich denke, dass sich Ihre Frage erübrigt, Herr Kollege
Niebel, wenn Sie den angesprochenen Sachverhalt im
Originalkontext hören.
Eine Nachfrage.
Lieber Herr Staatsminister, leider bin ich anderer Ansicht. Die Bundesregierung hat die am Krieg beteiligten
Parteien aufgefordert, auf den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verzichten. Deswegen möchte ich
gerne wissen, auf welchen Erkenntnissen der Bundesregierung dieser Appell unter anderem an die USA und
Großbritannien beruht und - falls derartige Erkenntnisse
nicht vorliegen sollten - ob die Bundesregierung bereit
ist, sich öffentlich dahin gehend zu erklären, dass dieser Appell nur an diejenigen gerichtet ist, die bisher
Massenvernichtungswaffen gegen andere eingesetzt
haben.
Herr Kollege Niebel, der Aufruf orientierte sich an
allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen. Das Völkerrecht beinhaltet eine allgemeine Verpflichtung für
Krieg führende Parteien, solche Waffen nicht einzusetzen. Im Übrigen konnte es aus der Sicht der Bundesregierung keinen Zweifel daran geben, wer im vorliegenden Fall gemeint war.
Der Unmovic-Exekutivdirektor, Dr. Hans Blix, und
der IAEO-Generalsekretär, Dr. Mohammed al-Baradei,
haben bei der öffentlichen Vorstellung des 12. UnmovicQuartalsberichts am 7. März 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärt, dass die Frage, ob der
Irak über Massenvernichtungswaffen verfügt, noch nicht
abschließend geklärt werden konnte.
Die zweite Nachfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatsminister, die Bevölkerung in Israel trägt
Gasmasken und die Bundesregierung hat Israel mit der
Lieferung von Patriot-Luftabwehrraketen zielgerichtet
unterstützt. Aus welchen Gründen können Sie ausschließen, dass im Irak Massenvernichtungswaffen vorhanden
sind?
Herr Kollege Niebel, wenn Sie mir eben zugehört haben, werden Sie gehört haben, dass ich die Existenz von
Massenvernichtungswaffen im Irak nicht ausgeschlossen
habe. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, dass die Inspektoren am 7. März vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärt haben, dass diese Frage nicht abschließend geklärt werden konnte. Wir wollten sie im
Rahmen des Inspektionsprozesses klären lassen. Ich bedauere, dass dieser Prozess nicht fortgeführt wurde.
Gibt es weitere Nachfragen? - Dann danke ich Ihnen,
Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Für die Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Alfred
Hartenbach bereit.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Tanja Gönner
auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie hoch die
Kosten sind, die durch die gemäß der Änderung der Insolvenzordnung zum 1. Dezember 2001 geschaffene Möglichkeit, für ehemals selbstständige Privatpersonen ohne vorheriges Durchlaufen eines außergerichtlichen Planverfahrens
direkt ein Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen und dabei hinsichtlich der Kosten eine Stundung zu erlangen, entstehen,
und plant die Bundesregierung, Änderungen in der Durchführung dieser Verfahren vorzunehmen?
Verehrte Frau Kollegin Gönner, der Frage liegt erkennbar die Vermutung zugrunde, das Durchlaufen eines
außergerichtlichen Einigungsversuchs könne im Vergleich zum geltenden Recht zu einer Kostenreduzierung
führen.
Hierzu ist zunächst anzumerken, dass nach der Änderung der Insolvenzordnung zum 1. Dezember 2001 ehemals Selbstständige zur Erlangung einer Restschuldbefreiung nicht mehr ein Verbraucherinsolvenz-, sondern
ein Regelinsolvenzverfahren zu durchlaufen haben. Eine
Ausnahme ist lediglich für die ehemals Selbstständigen
vorgesehen, die weniger als 20 Gläubiger haben und bei
denen keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen
bestehen.
Der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung lag die Annahme zugrunde, bei einer geringfügigen selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit würden
in der Regel überschaubare Vermögensverhältnisse gegeben sein. Wie die Erfahrung in der Praxis jedoch gezeigt hat, war dies bei Kleinunternehmen häufig nicht
der Fall. Teilweise hatten diese 100 oder mehr Gläubiger. Die Teilnahme am Verbraucherinsolvenzverfahren
verursachte in diesen Fällen einen nicht vertretbaren
Kosten-, Material- und Arbeitsaufwand, ohne dass nennenswerte Chancen bestanden, im Rahmen eines außergerichtlichen oder eines gerichtlichen Einigungsversuches zu einer Übereinkunft mit den Gläubigern zu
gelangen. Das zeitaufwendige außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren verzögerte darüber hinaus die
Verfahrenseröffnung, sodass keine Sicherungsmaßnahmen für die in diesem Stadium noch vorhandene Masse
ergriffen werden konnten. Sanierungen waren in diesen
Verfahren ohnehin nicht möglich. Aus all diesen Gründen wurden aktive und ehemalige Kleinunternehmer immer dem Regelinsolvenzverfahren zugeordnet, sofern
bei ihnen nicht die bereits von mir genannten Ausnahmetatbestände gegeben waren.
Von der mit dem Gesetz vom 26. Oktober 2001 eingeführten Stundungslösung können alle natürlichen Personen profitieren, die eine Restschuldbefreiung erlangen
wollen. Sofern in Ihrer Frage die Kosten angesprochen
werden, ist darauf hinzuweisen, dass durch die Zuordnung der Kleinunternehmer zum Regelinsolvenzverfahren zunächst eine gewisse Kostenentlastung eintritt, da
ein Einigungsversuch, der zahlreiche Kopien und Zustellungen erfordert, nicht mehr durchgeführt werden muss.
Allerdings sind die Kosten für den Insolvenzverwalter
im Regelinsolvenzverfahren höher als die für den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren. Während
für den Insolvenzverwalter eine Mindestvergütung von
500 Euro - ich erspare Ihnen, die entsprechenden Paragraphen zu nennen - vorgesehen ist
({0})
- das habe ich mir schon gedacht -, erhält der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren lediglich eine
Mindestvergütung von 250 Euro.
Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, ob und gegebenenfalls welche zusätzlichen Kosten durch die Zuweisung von Kleinunternehmern zum Regelinsolvenzverfahren verursacht werden.
Um die in § 312 der Insolvenzordnung genannten Verfahrenserleichterungen für das vereinfachte Insolvenzverfahren auch in den Fällen nutzen zu können, in denen
aktiven oder ehemaligen Kleinunternehmern die Verfahrenskosten gestundet wurden, wird derzeit im Bundesministerium der Justiz geprüft, ob diese Erleichterungen
auch im Regelinsolvenzverfahren genutzt werden können. Dies gilt etwa für die Frage, ob diese besonderen
Regelinsolvenzverfahren ebenso wie vereinfachte Insolvenzverfahren schriftlich durchgeführt werden können.
Die Bundesregierung richtet ihr besonderes Augenmerk darauf, im Interesse der Justizhaushalte der Länder,
die in Stundungsfällen zunächst in Vorlage treten müssen, die Verfahren möglichst kostengünstig abzuwickeln.
Ein wesentliches Einsparpotenzial sieht die Bundesregierung bei den Veröffentlichungskosten. In dem derzeit
in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurf zur Änderung des Unternehmensinsolvenzverfahrens ist deshalb
vorgesehen, dass künftig Bekanntmachungen in Insolvenzsachen - insoweit werden wir den Ländern eine
Öffnungsklausel zukommen lassen - auch im Internet
und daneben möglicherweise noch in einem Papiermedium veröffentlicht werden können. Auf weitere und
wiederholte Veröffentlichungen, wie sie derzeit noch in
der Insolvenzordnung vorgesehen sind, kann allerdings
nicht verzichtet werden. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass mit einer Maßnahme - sofern die Veröffentlichung nur im Internet stattfindet - die Veröffentlichungskosten auf unter 2 Prozent des heutigen Niveaus
gesenkt werden können. Eine solche Kostenreduzierung
käme letztlich allen Verfahrensbeteiligten zugute.
Das war eine lange Antwort. Die erste Nachfrage,
bitte.
Erlauben Sie mir den Hinweis, dass meine Frage nicht
vor dem Hintergrund einer vermuteten Kostenreduzierung, sondern vor dem Hintergrund meiner Erfahrung als
Insolvenzverwalterin gestellt wurde. Viele Dinge, die
Sie vorgetragen haben, sind mir aus der Praxis bekannt.
Nichtsdestotrotz stelle ich eine Nachfrage: Stimmen
Sie mit mir überein, dass aufgrund der Änderung zum
1. Dezember 2001, durch die Stundung, eine Verlagerung des Kostenrisikos von den Schuldnern, die eine
Restschuldbefreiung wollen, hin zum Staat erfolgt ist,
weil der Staat zunächst in Vorleistung treten muss? Nach
allem, was sich abzeichnet, wird es eine Verlängerung
der Stundung und im Zweifelsfall einen Verzicht auf die
Begleichung der Kosten geben.
Ich glaube, das waren drei Fragen. Verehrte Frau Kollegin, ich versuche sie alle zu beantworten. In der 12. Legislaturperiode, noch unter der Federführung unserer verehrten Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger
({0})
- ich habe als Amtsrichter mit großer Begeisterung über
das gelesen, was sie gemacht hat -, wurde das Instrument der Verbraucherinsolvenz in das seit der
9. Legislaturperiode in Beratung befindliche Verfahren
zur Änderung der Konkursordnung hin zu einer Insolvenzordnung eingebracht. Das wurde damals von allen
im Bundestag vertretenen Parteien befürwortet. Soviel
ich weiß, wurde diese Änderung damals so gut wie einstimmig beschlossen. Das war eine durchaus segensreiche Ergänzung der Insolvenzordnung, weil damit den
vielen gutwilligen Schuldnerinnen und Schuldnern, die
unverschuldet in eine Überschuldung geraten sind, die
Möglichkeit gegeben werden sollte, sich durch ein geordnetes Verfahren, in dem sie ihre Vermögensverhältnisse offen darlegen sollten, entschulden zu können, um
nach einer Frist von sieben Jahren - diesen Zeitraum haben wir dann ebenfalls fast einmütig auf sechs Jahre verkürzt - wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können, Steuern und Abgaben zu zahlen und wieder - ich
darf es in Anführungszeichen sagen - als vollwertige
Mitglieder dieser Gesellschaft zu gelten.
Der damalige Parlamentarische Staatssekretär, Rainer
Funke - mit ihm arbeite ich in dieser Sache auch heute
noch sehr eng zusammen -, hat, wie einige Mitglieder
meiner Fraktion, etwa Herr Professor Pick, die Ansicht
vertreten, dass der Verweis auf weitere Vorschriften der
Zivilprozessordnung die Regelung über die Prozesskostenhilfe automatisch beinhaltet. Sie wissen sicherlich,
dass es vom Amtsgericht Flensburg bis zum Amtsgericht
Füssen einen bunten Flickenteppich an Entscheidungen
gab. Ich weiß, dass ein Amtsrichter an einem Amtsgericht in Thüringen Prozesskostenhilfe gewährt hat; ein
anderer hat sie abgelehnt. Wir haben uns darum wieder
zusammengesetzt und gesagt: Wir müssen einen kostengünstigen Weg finden, um die Schuldner in das Verfahren der Restschuldbefreiung einzubeziehen. Das Stundungsverfahren war die einzige Lösung.
Frau Kollegin, die neue Regelung betrifft natürlich
zunächst einmal die Justizhaushalte. Aber auch die anfangs angedachte Regelung, nämlich die Gewährung von
Prozesskostenhilfe, hätte die Justizhaushalte betroffen.
Die Stundung der Kosten schafft für die Betroffenen die
Möglichkeit, zunächst einmal in das Verfahren hineinzukommen. Vor der Tilgung der Schulden müssen die gestundeten Kosten gezahlt worden sein. Eine Stundung ist
insofern nur ein kurzfristiges In-Vorleistung-Treten der
Justizhaushalte.
Ich begleite dieses Verfahren seit der 13. Legislaturperiode mit großer Freude, weil es ein sinnvolles Verfahren ist. Ich sage Ihnen: Das ist eine gute Lösung.
Zweite Nachfrage.
Stimmen Sie mit mir überein, dass es einen materiellen Unterschied - auch im Hinblick auf die Belastung
des Staates - gibt, ob Prozesskostenhilfe gewährt wird
oder ob eine Stundung vorgenommen wird?
Ich vermag diesen Unterschied im Moment nicht zu
sehen, Frau Kollegin.
Ich rufe die Frage 5 - sofern sie noch nicht beantwortet ist - der Abgeordneten Gönner auf:
Plant die Bundesregierung, nachdem deutsche Insolvenzrichter und -rechtspfleger in einem Aufruf die Bundesregierung im vergangenen Jahr aufgefordert haben, für die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte Sorge
zu tragen, derzeit eine Novellierung der Insolvenzordnung im
Bereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens und, wenn ja, in
welche Richtungen gehen die geplanten Regelungen?
Darf ich sie auch so ausführlich beantworten?
Juristen tun das so.
Frau Präsidentin, ich hoffe, Sie haben gemerkt, dass
ich bei dieser Angelegenheit mit ganzem Herzen dabei
bin.
({0})
Aber ja, ganz und gar. Alle haben das gemerkt.
({0})
Das dürfen Sie von mir auch erwarten, selbstverständlich. Herr Herzog, ich bin mit Leidenschaft und von ganzem Herzen dabei. Frau Gönner, ich bitte um Nachsicht.
({0})
Jetzt muss ich erst einmal die richtige Antwort auf
diese Frage finden. Das ist nicht so ganz einfach.
Es geht um die Frage 5.
Ich weiß. Jetzt habe ich sie. Ich war noch zu sehr mit
der Frage 4 befasst.
({0})
Der in der Frage angesprochene Aufruf der Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter sowie der Insolvenzrechtspflegerinnen und -rechtspfleger ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der von der Bundesregierung nicht
weiter kommentiert werden soll. Bereits vor In-KraftTreten der Insolvenzordnung lagen Schätzungen der
Länder vor, die von jährlich circa 180 000 Verfahren
ausgingen. Tatsächlich wurden im Jahr 2002 etwa
43 000 Insolvenzanträge in Bezug auf das Vermögen natürlicher Personen gestellt.
Während seitens der Länder zum Zeitpunkt des InKraft-Tretens der Insolvenzordnung personelle Vorkehrungen getroffen worden waren, wurde - nachdem der
erwartete Ansturm zunächst ausgeblieben war - das für
das Verbraucherinsolvenzverfahren bereitgestellte Personal anderweitig verplant. Die Bundesregierung appelliert
deshalb an die Länder, ihrer Verantwortung gegenüber
den überschuldeten Menschen insoweit nachzukommen.
Im Übrigen wird die Unterstellung, die Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte sei beeinträchtigt, zurückgewiesen.
Im Hinblick auf die geplanten Verfahrenserleichterungen ist zunächst auf die Antwort auf Frage 4 zu verweisen. Bezüglich des Verbraucherinsolvenzverfahrens
sei noch ergänzend darauf hingewiesen, dass zurzeit geprüft wird, wie der Versuch der Einigung des Schuldners mit seinen Gläubigern effektiv ausgestaltet werden
kann.
Noch ein kleiner Zusatz von mir: Ich habe mit einigen
dieser Aufrufer geredet und wir haben uns sehr vernünftig geeinigt, Frau Gönner.
Eine Nachfrage der Kollegin Gönner, bitte.
Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie viele Stellen
zwischen der Einführung der Insolvenzordnung zum
1. Januar 1999 bis zur Änderung am 1. Dezember 2001,
also bis zur neuen Regelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, abgebaut worden sind? Dadurch könnte ja
diese Belastung entstanden sein.
Mir lagen die entsprechenden Zahlen vor. Aber sie
sind nicht so, dass ich sie hier mitteilen könnte.
({0})
- Ich sage gleich, warum.
Es hat teilweise Verschiebungen gegeben. Es handelt
sich insbesondere um Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, aber auch um Richter. Sie werden teilweise noch
auf den entsprechenden Stellen geführt, auch wenn sie
mit anderen Aufgaben betraut sind, sodass man hier kein
eindeutiges Bild geben kann. Es dürfte sich aber - das
sage ich mit aller Vorsicht - um eine Stellenverschiebung in der Größenordnung von etwa 60 Prozent bis
65 Prozent handeln.
Zweite Nachfrage.
Stimmen Sie mit mir überein, dass es mit den Aufrufern, zu denen auch ich nach wie vor Kontakt habe, zu
keiner abschließenden Einigung gekommen ist und dass
auch von deren Seite immer noch weiter gehende Änderungen verlangt werden?
Diejenigen, die mit Ihnen geredet haben, sind sicherlich nicht dieselben, die mit mir geredet haben.
({0})
- Wir können uns nachher einmal zusammensetzen und
klären, ob wir dieselben Personen meinen.
Frau Gönner, natürlich sind einige Vorschläge gemacht worden, zum Beispiel die Anwendung des so genannten Verjährungsverfahrens auf völlig vermögenslose Schuldner. Außerdem hat man vorgeschlagen, dass
man, wenn man jemandem einen Nullplan zugesteht,
möglicherweise keinen Treuhänder benennt, dass vielmehr der Schuldner nach Ablauf von zwei Jahren zum
Gericht geht und seine Vermögenslosigkeit erneut an Eides statt versichert. Wir haben dies geprüft. Wie ich eben
gesagt habe, haben wir einen Vorschlag in den Gesetzentwurf übernommen, den wir demnächst vorlegen werden. Es geht dabei um das schriftliche Verfahren und um
die Veröffentlichungen in vereinfachter Form über das
Internet.
Sie sehen also: Wir nehmen die Aufrufer durchaus
ernst. Es gibt aber andere Dinge, bezüglich derer wir als
Bundesministerium der Justiz - im Übrigen im Einvernehmen mit der weitaus größeren Zahl der Praktiker der Ansicht sind: Wir brauchen ein geordnetes Verfahren
und können nicht irgendein Verfahren zur Anwendung
bringen, bei dem eventuell alles im Sande verläuft.
Ich hoffe, dass Sie mit meiner Antwort zufrieden sind.
Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Danke schön,
Herr Staatssekretär Hartenbach.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Die Fragen wird der Parlamentarische
Staatssekretär Matthias Berninger beantworten.
Es wurde darum gebeten, dass die Frage 6 schriftlich
beantwortet wird.
Ich rufe jetzt die Frage 7 des Abgeordneten Albert
Deß auf:
Welche Belege hat die Bundesregierung für die Behauptung der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft, Renate Künast - Plenarprotokoll 15/34,
Seite 2 838 B -, dass in Bayern die vielen kleinen mittelständischen Molkereien die Milchbauern gegeneinander ausspielen und dass im Ackerbaubereich die Bauern so viel verdienen, dass sie im Zweifelsfall im Winter mehrere Monate
Urlaub machen können?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, die Bundesministerin hat in der
Debatte im Bundestag, auf die Sie sich beziehen, darauf
hingewiesen, dass sich die wirtschaftliche Situation von
Milchviehbetrieben von der von Ackerbaubetrieben gravierend unterscheidet. Nun sind insbesondere die Molkereien, in Bayern aufgrund der aktuellen Marktlage unter
Druck geraten und es sind, wie Ihnen sicherlich bekannt
ist, dementsprechend auch die Auszahlungspreise für die
Bäuerinnen und Bauern massiv unter Druck geraten.
Beides ist für die Bundesregierung Anlass zu großer
Sorge. In dem Sinne hat sich die Bundesministerin auch
dafür ausgesprochen, die öffentliche Unterstützung für
die Milchbauern im Vergleich zu den Ackerbauern im
Zuge der Reformen, die im Agrarbereich anstehen, deutlich zu verbessern.
Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat in der
Rede gesagt, dass in Bayern die vielen kleinen mittelständischen Molkereien die Milchbauern gegeneinander
ausspielen. Wie erklären Sie sich, wenn diese Aussage
richtig ist, die Tatsache, dass im vergangenen Jahr in
Bayern mit den vielen Molkereien ein wesentlich besserer Durchschnittsmilchpreis erzielt worden ist als in solchen Regionen Deutschlands, in denen es nur noch wenige Molkereien gibt?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, im Protokoll des Bundestages ist
folgender Zwischenruf von Ihnen verzeichnet: In keinem
Bundesland bekommen die Bauern einen so guten
Milchpreis wie in Bayern! - Ein Blick auf die Zahlen beweist, dass diese Aussage nicht richtig ist.
Außerdem rutscht der Milchpreis zurzeit nirgends so
stark wie in Bayern. Es gibt deutlich bessere Milchpreise
in Ländern wie Sachsen oder auch Rheinland-Pfalz. Ich
räume gern ein, dass auch das CDU-regierte Hessen,
ähnlich strukturiert wie Bayern, einen erheblichen Einbruch bei den Auszahlungen für Milch zu verzeichnen
hat.
Wir sollten uns hier gemeinsam darauf verständigen,
festzustellen, dass die Situation in Bayern sehr dramatisch ist. Das ist auch der Grund dafür, dass die Ministerin besorgt ist.
Zweite Nachfrage des Kollegen Deß.
Ich will die Aussage jetzt nicht bewerten, sondern nur
darauf hinweisen, dass das natürlich auch mit der Produktionsausrichtung der Molkereien zusammenhängt.
Nun zur zweiten Zusatzfrage. Die Ministerin hat gesagt, dass im Ackerbaubereich die Bauern so viel verdienen, dass sie im Zweifelsfall im Winter mehrere Monate
Urlaub machen können. Können Sie mir Ackerbaubetriebe nennen, in denen der Betriebsleiter mehrere Monate Urlaub macht? Ich würde mich gern mit solchen
Betriebsleitern in Verbindung setzen.
({0})
Wie erklären Sie sich die Aussage der Ministerin vor
dem Hintergrund eines Getreidepreises von 7 Euro für
100 Kilogramm? 1961, als ich als 14-Jähriger das erste
Getreide zur Brauerei gefahren habe, habe ich für
100 Kilogramm noch 45 DM, also knapp 23 Euro, bekommen.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, die Gewinne von landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben im Getreidebereich liegen
deutlich über denen von Milchviehbetrieben. In
Deutschland hat der Ackerbaubetrieb im Wirtschaftsjahr
2001/02 im Schnitt 45 336 Euro verdient, während der
Milchviehbetrieb nur 27 949 Euro verdient hat. Als jemand, der sich bei den Milchbauern in Bayern sehr gut
auskennt, wissen Sie gut, dass Urlaub oder auch freie
Sonntage für Milchbauern über das ganze Jahr eher selten sind, weil der Arbeitsaufwand sehr hoch ist. Sie müssen aber sehen, dass dem deutschen Steuerzahler ein
Ackerbaubetrieb pro Arbeitskraft 22 700 Euro wert ist,
während ein Milchviehbetrieb ganze 7 600 Euro an öffentlicher Unterstützung bekommt. Dieses eklatante
Missverhältnis hat die Ministerin in der Debatte in ihrer
Aussage zugespitzt. Lassen Sie uns nicht über die Zuspitzung reden, sondern das hinter diesen Zahlen stehende gravierende Problem lösen, das auch für unsere
Kulturlandschaft und für unsere Umwelt erhebliche negative Folgewirkungen hat!
Gibt es noch andere Nachfragen? - Das ist nicht der
Fall.
Dann rufe ich die Frage 8 des Abgeordneten Deß auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Bundesratsbeschluss 61/03 vom 14. März 2003 zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der
Europäischen Union, EUZBLG, für sie bindend ist, und, wenn
nein, mit welcher Begründung?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, ich beantworte für die Bundesregierung die Frage wie folgt: Nein, die Voraussetzungen
für eine maßgebliche Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundesrates gemäß § 5 Abs. 2 des Gesetzes
über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union liegen hier nicht
vor.
Nachfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, dass
in der Sache doch eine Mitwirkungspflicht der Länder
besteht? Sie sind ja für die Umsetzung der EU-Agrarbeschlüsse zuständig und der Bundesrat hat eine ganz eindeutige Stellungnahme zu den Agrarbeschlüssen abgegeben. Deshalb stellt sich für mich schon die Frage:
Inwieweit berücksichtigt die Bundesregierung diesen
Beschluss des Bundesrates bei den Verhandlungen in
Brüssel?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege, die letzte Agrarministerkonferenz, die
in Schwerin stattgefunden hat, hat sich intensiv mit den
Fragen der anstehenden Agrarreform beschäftigt. Zweifelsohne nehmen wir die gemeinsamen Stellungnahmen
der Länder sehr ernst. Ein Beispiel: Die Länder haben
wie wir die Position vertreten, dass durch die Agrarreform in Brüssel weder alte Ungerechtigkeiten - ich erinnere an die Situation der Milchbauern - zementiert werden dürfen noch neue Ungerechtigkeiten entstehen
dürfen. Solche Äußerungen des Bundesrates sind für uns
von außerordentlicher Bedeutung und werden auch entsprechend berücksichtigt.
Man muss hier allerdings zwischen den politischen
Konsultationen, die mit den Landesregierungen in zahllosen Gesprächen stattfinden, und der formalen Abstimmung, wie sie in dem angesprochenen Gesetz vorgesehen ist, unterscheiden. Für die formale Abstimmung im
Sinne dieses Gesetzes liegen nach Meinung der Bundesregierung - das hat auch die Bundesministerin Künast
dem Bundesrat mitgeteilt - keine triftigen Gründe vor.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Benachteiligung
der Milchbauern angesprochen haben, erlaube ich mir,
Sie zu fragen: Müssten Sie, wenn Sie von einer Benachteiligung der Milchbauern sprechen, nicht auch darauf
hinweisen, dass die Milchbauern in Bayern sehr wohl
eine Grünlandprämie bekommen, während dies in anderen Bundesländern, insbesondere in denen, in denen Ihre
Partei mit regiert, oft nicht der Fall ist?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, ich danke Ihnen sehr für diesen
Hinweis. Ich begrüße in der Tat, dass Baden-Württemberg noch stärker als Bayern - das ist hart für einen Bayern, aber man muss es sagen - für den ländlichen Raum
und die Milchviehbetriebe zusätzliche Unterstützung
gibt.
({0})
Vor allen Dingen im Länderdreieck Hessen, Bayern, Baden-Württemberg treten extrem große Unterschiede bei
den Förderungen für Landwirte auf. Je nachdem, ob sie
in Hessen oder in einem der beiden anderen Bundesländer tätig sind, haben sie erhebliche Vor- bzw. Nachteile.
Leider wird aber gerade Hessen nicht von einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten regiert, sondern
von Roland Koch. Der lässt nicht erkennen, dass er dieses gravierende Missverhältnis aufzuheben gedenkt.
Wir wollen vonseiten des Bundes dadurch Abhilfe
schaffen, dass wir Grünland insgesamt deutschlandweit
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
bei der Gewährung von EU-Direktzahlungen aufwerten.
Ich glaube, dass das ein gutes Projekt ist, weil dadurch
auch in Bayern und Baden-Württemberg Mittel für andere sinnvolle Tätigkeiten im ländlichen Raum freigemacht werden.
({1})
Ich rufe die Frage 9 der Abgeordneten Julia Klöckner
auf:
Welche Initiativen gehen von der Bundesministerin für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate
Künast, und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, gemeinsam aus, um das
Ziel, den Güter- und Personenverkehr verstärkt von der Straße
auf die Schiene zu verlagern, zu erreichen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Ziel der Bundesregierung ist es, den Schienenverkehr
effizienter zu gestalten und seine Konkurrenzfähigkeit
zu erhöhen. Das schließt insbesondere auf dem Verkehrsmarkt auch die Verlagerung von Gütern von der
Straße auf die Schiene ein.
({0})
Ich war gar nicht darauf gefasst, dass die Frage so
knapp beantwortet wird
({0})
und hier gleichsam nur Aussagen des Koalitionsvertrages vorgetragen werden.
Meine Nachfrage geht dahin: Wenn es Ihr Ziel ist,
mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen, bedingt das Absprachen und Koordinationen, zum
Beispiel Gespräche des Ministeriums mit Herrn Mehdorn.
Für uns stellt sich nun die Frage: Warum finden dann
nicht auch Absprachen bei anderen Vorhaben der Bahn,
zum Beispiel bei solchen, die den Verbraucherschutz berühren, statt?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Zunächst einmal ist es so, dass die verschiedenen
Ressorts in einem ausgesprochen regen Austausch mit
der Bahn AG über die Zukunft des Preissystems und die
damit verbundenen Probleme stehen.
({1})
Hier sitzen eine ganze Reihe von Personen, auf der Regierungsbank und im Plenum, die daran beteiligt sind
und das bestätigen können.
Es ist völlig klar, dass alle Ressorts gemeinsam das
Ziel einer kundenfreundlichen Bahn verfolgen. Dabei
werden wir dafür sorgen, dass aktuelle Probleme, etwa
bei der Umsatzsituation der Bahn, korrigiert werden
können. Dafür ist sicherlich eine Partnerschaft zwischen
der Bahn auf der einen Seite und der Bundesregierung
auf der anderen Seite erforderlich. Diese existiert auch
auf höchster Ebene. Ich kann entsprechende Medienberichte bestätigen, nach denen sich Bundesministerin
Künast, Verkehrsminister Stolpe und Herr Mehdorn am
Sonntag genau über dieses Thema sehr ausführlich unterhalten haben. Einer Nachfrage vorbeugend muss ich
Ihnen allerdings auch sagen, dass über den Inhalt des
Gesprächs Vertraulichkeit vereinbart wurde.
Bitte.
Schade. Diese Frage hätte ich gerne als weitere Zusatzfrage gestellt.
Die Staatssekretärin aus Ihrem Ministerium sitzt ja im
Aufsichtsrat der Bahn.
({0})
- Entschuldigung, ich meine die Staatssekretärin aus
dem Umweltministerium.
({1})
- Ich wollte Sie nur testen. - Dennoch habe ich folgende
Frage. Wenn Sie sagen, Sie befinden sich in regen Gesprächen und versuchen, einen Weg zu finden, um Tarifsysteme zu forcieren, die dem Verbraucher zugute kommen, dann frage ich mich
({2})
- das mache ich gerade, vielleicht kennen Sie das
sprachliche Mittel der indirekten Frage; hören Sie einfach zu, dann verstehen Sie auch die Frage -,
({3})
warum erst alles hochkochen und sich als umständlich
und kurzsichtig erweisen muss, erst Pro Bahn, Verbraucherschützer und viele Organisationen gegen dieses System protestieren, und Konfrontationen suchen müssen,
bevor es zu freundschaftlichen Gesprächen kommt.
Denn letztlich ist der Verbraucher dabei der Dumme. Gespräche führen und Ziele formulieren ist das eine; es
kommt aber darauf an, etwas Neues umzusetzen oder
Bestehendes zu überarbeiten, und das braucht Zeit.
Wenn Sie also sagen, es würden Gespräche geführt
und man befinde sich in einem regen und freundschaftlichen Austausch, hört sich das sehr gut an, aber der Verbraucher spürt letztlich nichts davon. Auf welche Maßnahmen können wir hoffen, durch die der Verbraucher in
Bälde eine verbraucherfreundlichere Bahn bekommt?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin, Ihrer Frage liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Bundesregierung und auch die
Bahn AG mit den Auswirkungen des neuen Preissystems erst seit wenigen Tagen beschäftigen. Diese Annahme kann ich so nicht bestätigen. Im Gegenteil, wir
haben in den letzten Monaten auf verschiedenen Ebenen
intensive Gespräche geführt. Wir haben sowohl die Verbraucherverbände eingebunden als auch Gespräche mit
der Bahn direkt geführt. Außerdem gab es in der letzten
Legislaturperiode Bundestagsdebatten zu diesem
Thema, inklusive einer Regierungserklärung zum Verbraucherschutz.
Hinsichtlich der Wirkung des Preissystems auf die
Verbraucherinnen und Verbraucher gab es unterschiedliche Einschätzungen des Unternehmens Bahn, das ein
solches Preissystem in Eigenverantwortung am Markt
durchsetzen muss, und verschiedener anderer Akteure.
Diese unterschiedlichen Auffassungen sind jetzt, da das
neue Preissystem der Bahn seit einigen Monaten implementiert ist, deshalb offen zutage getreten, weil der Umsatzrückgang, der zurzeit zu verzeichnen ist, allen Freunden der Bahn Anlass zur Sorge gibt.
Eine Nachfrage der Kollegin Heinen.
Der Chef der Deutschen Bahn, Mehdorn, hat in der
vergangenen Woche im „Spiegel“ erklärt, dass er überhaupt nicht bereit sei, irgendetwas zu ändern. Er hat gesagt - ich zitiere, wenn Sie erlauben -:
Frau Künast kriegt sonst nicht viel auf die Reihe,
kann sich aber des Beifalls sicher sein, wenn sie
einfach mal populistisch halbe Ticketpreise fordert.
Meine Frage lautet: Hat sich die Ministerin in dem Gespräch mit Herrn Mehdorn nur über die Ticketpreise unterhalten und wird man zu Änderungen in diesem Bereich kommen oder war es wirklich nur, wie die Kollegin
Klöckner gefragt hat, ein netter Meinungsaustausch, der
dazu geführt hat, dass man sich nicht mehr via Zeitung
gegenseitig beschimpft?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Zunächst einmal hat die Ministerin zu dieser Äußerung erklärt, dass sie auf dem Niveau keine Verständigung über das Thema wünscht. Dieses Niveau ist dem
Unternehmen sicherlich auch nicht zuträglich und steigert nicht die Akzeptanz der Verbraucherinnen und
Verbraucher bezüglich des Unternehmens Bahn. Festhaltend daran, dass ich über Details des Gesprächs
vom vergangenen Sonntag nicht viel sagen möchte,
will ich doch so viel durchblicken lassen: Herr
Mehdorn ist bei dieser Äußerung mit Sicherheit nicht
geblieben.
Gibt es weitere Nachfragen zu diesem Geschäftsbereich? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Parlamentarische Staatssekretärin Marieluise Beck
wird die Fragen beantworten.
Ich rufe zunächst die Frage 10 der Abgeordneten
Maria Eichhorn auf:
Wie ist der Vorschlag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, DIHK, zur
Verkürzung der Elternzeit - vergleiche ddp-Meldung vom
3. März 2003 - mit der Wahlfreiheit von Eltern zu vereinbaren, Familie und Erwerbstätigkeit ihren Wünschen entsprechend gestalten zu können?
Zurzeit ist eine Verkürzung der Elternzeit nicht geplant. Allerdings wird, wie Sie dem Artikel in der „Financial Times Deutschland“ entnehmen konnten, sehr
wohl über mögliche Alternativen nachgedacht. Das rührt
daher, dass Mütter und Wirtschaft gleich gelagerte Interessen haben: Frauen wünschen sich häufig eine schnellere Rückkehr in den Beruf, um nicht ihre Qualifikation
zu verlieren; Betriebe sind ebenfalls daran interessiert,
dass Mütter oder Väter schnell wieder in ihren Beruf zurückkehren.
Wie Sie wissen, haben wir ab Januar 2001 den Eltern
die Möglichkeit gegeben, anstelle einer Bezugsdauer des
Erziehungsgeldes von zwei Jahren ein erhöhtes Erziehungsgeld für ein Jahr zu wählen. Wir werden erst die
Erfahrungen auswerten und dann sehen, welche Schritte
notwendig sind.
Nachfrage der Kollegin Eichhorn.
Frau Staatssekretärin, ich denke, es dürfte Ihnen bekannt sein, dass etwa ein Drittel der Mütter wenigstens
die ersten zwei bis drei Jahre nach der Geburt bei ihrem
Kind zu Hause bleiben will. Vor allem Mütter mit Kindern unter drei Jahren wünschen, ihre Kinder selbst zu
betreuen. Wollen Sie mit der Verkürzung der Elternzeit
Mütter von diesem Wunsch abbringen und ausschließlich die Berufstätigkeit von Müttern fördern?
Unser Prinzip, mit dem wir diesen Bereich politisch
gestalten wollen, ist, für eine möglichst große Wahlfreiheit zu sorgen. Ein großes Problem für die Mütter und
Väter, die früher in ihren Beruf zurückkehren wollen, ist,
dass im Augenblick die Betreuungsmöglichkeiten für
Kinder unter drei Jahren in Deutschland sehr gering entwickelt sind. Deswegen ist in dieser Legislaturperiode
unser Hauptprojekt in diesem Bereich, entsprechende
Abhilfe zu schaffen.
Frau Staatssekretärin, wollen Sie mit der Verkürzung
der Elternzeit auch die Bezugsdauer des Erziehungsgeldes verkürzen? Welche Einsparungen wären damit verbunden, wollen Sie also weitere Sparmaßnahmen bei den
Familien vornehmen?
Ihre Frage kann ich mit Nein beantworten. Es gibt
keine Pläne, die Elternzeit zu verkürzen. Es gibt auch
keine Pläne, das Erziehungsgeld abzusenken. Sie beziehen sich auf einen Zeitungsartikel, in dem sowohl von
dem Präsidenten des DIHK als auch von der Ministerin
darüber nachgedacht wurde, wie man Mütter und Väter
unterstützen kann, wenn sie früher in den Beruf zurückkehren wollen.
Es gibt in anderen Ländern, zum Beispiel in den skandinavischen Ländern, Lohnersatzleistungen anstatt - wie
bei uns - Erziehungsgeld. Es ist politisch durchaus vernünftig, sich mit solchen Alternativmodellen auseinander zu setzen. Insbesondere sollte man sich die Frage
stellen, ob es auf diese Weise gelingt, mehr Väter an der
Erziehung ihrer Kinder zu beteiligen.
Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Maria
Eichhorn auf:
Auf welchen Betrag soll das Erziehungsgeld im ersten
Jahr der Elternzeit angehoben werden, um das vom BMFSFJ
und vom DIHK angestrebte Ziel - vergleiche ddp-Meldung
vom 3. März 2003 -, einen möglichst hohen Teil des Lohnes
im ersten Jahr der Elternzeit zu ersetzen, erreichen zu können?
Es gibt in Europa, insbesondere in den skandinavischen Ländern - darauf habe ich eben hingewiesen -,
verschiedene Modelle, die unter bestimmten Voraussetzungen teilweise Lohnersatzleistungen vorsehen, die
sich auf das bisherige Einkommen beziehen. Sie wissen,
dass das Problem bei uns derzeit ist, dass sich Väter
- vorsichtig ausgedrückt - bei der Inanspruchnahme von
Erziehungszeiten vornehm zurückhalten. Deswegen
wird im politischen Raum durchaus darüber nachgedacht, ob es hilfreich wäre, in Richtung Lohnersatzleistungen zu denken, um diesen Missstand zu beheben.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, die von Ihnen angesprochenen
Lohnersatzleistungen sind unserem Familiengeld ähnlich, das Sie ja so verteufeln. Die Familienverbände
sprechen davon - diese Ansicht teilen wir -, dass die
Kosten pro Kind mindestens 300 Euro betragen. Erst danach käme der Lohnersatz. Das derzeitige Erziehungsgeld liegt bei zweijähriger Bezugsdauer bei etwa
300 Euro. Teilen Sie die Meinung, dass eine beträchtliche Erhöhung des Erziehungsgeldes notwendig wäre,
wenn man tatsächlich von Lohnersatz sprechen wollte?
Wenn ja, wie würden Sie einen solchen Titel finanzieren
wollen?
Frau Kollegin Eichhorn, wir sind im Augenblick
überhaupt nicht an dem Punkt, an dem solche Ideen in
engmaschige Konzepte überführt würden. Es geht hier
vielmehr darum, Anregungen aus anderen Ländern aufzunehmen und in die Überlegungen über mögliche zukünftige Gestaltungen in der Balance zwischen Erziehung und Arbeitswelt einzubeziehen. Bei allen diesen
Modellen wird man fragen müssen, wie sie zu finanzieren sind. Ich würde Forderungen von Ihrer Seite nach
höheren Geldleistungen auch nicht von vornherein verteufeln wollen. Die Frage ist nur, ob sie finanzierbar sind
oder ob wir den Bürgerinnen und Bürgern etwas versprächen, was wir nicht einlösen könnten.
Ich habe mich schon vor 15 Jahren mit solchen Lohnersatzmodellen beschäftigt. Zum Beispiel gibt es durchaus auch die Möglichkeit, über Versicherungsleistungen
zu gehen, also eine Elternversicherung einzuführen. Ich
glaube, dass das im Augenblick noch nicht an dem Punkt
angelangt ist, wo wir uns parlamentarisch damit befassen
müssen. Vielmehr geht es hier, wie gesagt, um gesellschaftspolitische Überlegungen, die weit in die Zukunft
weisen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich hoffe, wir sind uns einig, dass es uns bei Familienerwerbstätigkeit und Kinderbetreuung vor allem darum gehen muss, dass Familien das machen können, was
sie für richtig erachten, also Wahlfreiheit zu gewährleisten. Sind Sie mit mir der Meinung, dass, wenn man über
Lohnersatzleistungen nachdenkt, auch die Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld diskutiert werden müssten? Denn diese Einkommensgrenzen sind sehr niedrig
und Sie haben sie bei Ihrer Reform auch kaum erhöht.
Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass es absolut wünschenswert ist, die Kinderbetreuung möglichst so zu gestalten, dass niemand aus ökonomischen Gründen eine
Zukunft mit Kindern nicht leben möchte. Wir haben alle
miteinander die Verantwortung, Modelle zu stricken, die
realistisch sind und zu der allgemeinen Finanzsituation
passen.
Keine weiteren Nachfragen zu diesem Punkt.
Dann rufe ich die Frage 12 der Abgeordneten Sibylle
Laurischk auf:
Liegen der Bundesregierung Zahlen über den Adoptionskinderhandel in der Bundesrepublik Deutschland vor und
sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, sich als Aufnahmestaat im Rahmen des Adoptionskinderhandels in den
Herkunftsländern der Kinder zu engagieren, um zum Aufbau
adäquater Verwaltungsstrukturen und zur Besetzung fachlicher Stellen mit qualifizierten Kräften beizutragen?
Frau Kollegin Laurischk, der Bundesregierung liegen
keine Zahlen über den Adoptionskinderhandel in der
Bundesrepublik Deutschland vor.
Die Bundesregierung steht mit einer Reihe von Herkunftsländern zu dieser Thematik in Kontakt. Es geht
dabei um den Aufbau von adäquaten Verwaltungsstrukturen, der von uns allerdings nur unterstützt werden
kann, wenn diese anderen Staaten uns um Unterstützung
bitten.
Die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich für die
verbindliche Schaffung von Mindeststandards zum
Schutz der Kinder im Vorfeld der Adoption ein. Deswegen werben wir für die universelle Zeichnung und Ratifikation des VN-Zusatzprotokolls, das den Verkauf von
Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie betrifft. Darin wird ausdrücklich die Strafbarkeit der
Erschleichung der Einwilligung zur Adoption anerkannt.
Des Weiteren unterwerfen sich die Vertragsstaaten der
Verpflichtung, durch geeignete Verwaltungsmaßnahmen
die Anwendung der internationalen Schutzvorschriften
zugunsten des Kindes bei der Adoption zu gewährleisten.
Dem Schutz der Kinder dient auch das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption. Die Bundesrepublik hat dieses
Übereinkommen am 22. November 2001 ratifiziert und es
ist für Deutschland zum 1. März 2002 in Kraft getreten.
Möchten Sie nachfragen?
Ist es richtig, dass es in Deutschland in ganz überwiegender Zahl Verwandtenadoptionen gibt, Adoptionen
von Kleinkindern fast nicht zu vermitteln sind und daher
die Nachfrage nach Kindern aus dem Ausland steigt?
Es besteht schon seit langer Zeit das Problem, dass
von adoptionswilligen Eltern in der Regel zunächst der
Wunsch geäußert wird, mit einem Säugling gemeinsam
das Familienleben zu beginnen. In der Tat haben wir sehr
viel größere Schwierigkeiten, ältere Kinder zu vermitteln. Aus dieser Tatsache ist zu erklären, dass der in meinen Augen absolut verwerfliche Griff über die Grenzen
organisiert wird.
Es gibt keine weiteren Nachfragen zu diesem Punkt.
Ich rufe die Frage 13 der Abgeordneten Laurischk
auf:
Gibt es Initiativen der Bundesregierung auf internationaler
Ebene, den internationalen Kinderhandel über das Internet
einzudämmen, und wie kann die internationale Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden verbessert werden?
Für ein wirksames Vorgehen gegen Straftaten des internationalen Kinderhandels ist eine effiziente zwischenstaatliche und multilaterale Zusammenarbeit auf der
Grundlage von in allen Ländern geltenden Mindeststandards erforderlich. Es gibt in jüngster Zeit eine Reihe
von Rechtsakten im Rahmen der Vereinten Nationen, des
Europarates und der Europäischen Union, bei denen es
vor allen Dingen um rechtliche Rahmenbedingungen
und um die gemeinsame Bekämpfung von Menschenhandel geht. Die in diesen internationalen Rechtsakten
vorgesehene Strafbarkeit umfasst auch die in Nutzung
von Datennetzen begangenen Handlungen.
Die internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden bei der Bekämpfung des Menschenhandels
erfolgt durch eine Vielzahl von Maßnahmen, etwa im
Rahmen von Interpol, Europol und der Task Force on
Organized Crime in the Baltic Sea Region. Soweit erforderlich, ist die Bundesregierung ständig bemüht, die internationale Zusammenarbeit auf polizeilicher Seite fortzuentwickeln.
Haben Sie Zahlenmaterial zu den jährlichen Fällen,
die ermittelt werden?
Ich kann Ihnen die Zahlen jetzt nicht nennen, aber ich
denke, dass das Haus in der Lage ist, Ihnen diese Zahlen
nachzureichen.
({0})
Es gibt keine weiteren Nachfragen. Danke schön,
Frau Staatssekretärin.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die
Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Achim
Großmann beantworten.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Roland
Gewalt auf:
Wie stellt die Bundesregierung die Verwendung der für die
Hauptstadtsicherheit zweckgebundenen Bundeszuschüsse an
das Land Berlin in Höhe von circa 38,4 Millionen Euro sicher?
Herr Kollege Gewalt, wegen des Sachzusammenhangs möchte ich die Fragen 14 und 15 gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch noch die Frage 15 des Abgeordneten Gewalt auf:
Führt die Bundesregierung Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen, die bislang im Wesentlichen
das Land Berlin trägt?
Eine Prüfung der Verwendung der Bundesmittel im
Einzelnen findet nicht statt. Entsprechend dem Text des
Hauptstadtvertrags in der Fassung vom 29. März 2001
stellt der Bund dem Land Berlin jährlich 38,347 Millionen Euro pauschal zur Abgeltung von hauptstadtbedingten Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung. Damit sind
Sonderbelastungen des Landes Berlin im Sicherheitsbereich abgegolten. Die Bundesregierung führt daher keine
Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei
Staatsbesuchen.
Herr Staatssekretär, der Landeshaushalt Berlin
schreibt vor, dass noch vor Eingehen des Bundeszuschusses entsprechende Kürzungen im Sicherheitshaushalt vorgenommen werden. Meinen Sie nicht auch, dass
eine solche Kürzung eine zweckwidrige Verwendungsweise der Mittel zur Folge hat?
Herr Abgeordneter, wir haben einen Vertrag geschlossen. In diesem heißt es in § 1 - ich kann das gerne noch
einmal vortragen -:
Der Bund stellt zur pauschalen Abgeltung von
hauptstadtbedingten Sicherheitsmaßnahmen des
Landes einen Betrag von 75 Millionen DM
- der Vertrag wurde im Jahre 2001 geschlossen, deshalb
ist die Währungseinheit D-Mark jährlich bereit.
Es geht um eine pauschale Abgeltung. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass wir uns an den Vertrag halten
und aufgrund dieser pauschalen Abgeltung nicht mehr
prüfen müssen, wie das Geld im Einzelnen verwendet
wird.
({0})
- Das ist vertraglich so festgelegt, es ist eine pauschale
Abgeltung.
Meinen Sie, Herr Staatssekretär, dass der Bundesrechnungshof es ähnlich sieht, wenn Mittel des Bundes
durch ein Land zweckwidrig verwendet werden?
({0})
Ich kann hier nicht für den Bundesrechnungshof antworten.
({0})
Wenn Sie wollen, können Sie noch zwei weitere Zusatzfragen stellen, da Sie zwei Fragen gestellt haben.
Herr Staatssekretär, der Berliner Innensenator hat
nach dem Bush-Besuch im letzten Jahr, der das Land
Berlin übrigens 3 Millionen Euro gekostet hat,
({0})
erklärt, er verhandele mit der Bundesregierung über die
Bereitstellung weiterer Mittel. Ist Ihnen bekannt, dass es
solche Verhandlungen mit der Bundesregierung gegeben
hat?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich auf diese Detailfrage nicht vorbereitet bin.
({0})
- Nein, Inhalt Ihrer Frage war, ob Verhandlungen geführt werden.
({1})
Ich habe gesagt, wir führen keine Verhandlungen. Die
Frage, ob in einem Einzelfall der Versuch unternommen
worden ist, höhere Beträge zu generieren, kann ich nicht
beantworten. Es bleibt bei meiner Antwort: Wir führen
keine Verhandlungen.
Der Vertrag ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten
und gilt bis zum 31. Dezember 2004. Möglicherweise
- das habe ich aber nicht zu kommentieren - bezieht sich
die Äußerung zu den Verhandlungen auf den neuen Vertrag, der irgendwann zur Verhandlung steht.
Herr Staatssekretär, die Frage lautete klipp und klar,
ob der Berliner Senat mit der Bundesregierung Verhandlungen über die Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen führt. Ich frage noch
einmal: Hat es in der Vergangenheit Verhandlungen gegeben? Verhandelt der Senat gegenwärtig, ja oder nein?
Ich wiederhole am besten die Passage aus meiner ersten Antwort: Die Bundesregierung führt daher keine
Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei
Staatsbesuchen.
Herr Binninger, Sie möchten nachfragen.
({0})
- Herr Kollege Schmidt, die Fragen sind an die Bundesregierung gerichtet, nicht an die Kollegen.
Herr Staatssekretär, ich bin schon etwas überrascht
darüber, mit welcher Gelassenheit Sie Bundesmittel als
pauschalen Zuschuss für hauptstadtbedingte Aufgaben
weitergeben und dass Sie sich dann nicht darum kümmern, wofür diese Mittel verwendet werden. Ich möchte
einen Fakt nennen und Ihre Stellungnahme dazu erbitten.
Wenn es für hauptstadtbedingte Aufgaben einen Bundeszuschuss gibt, müsste sich der Sicherheitshaushalt des
Landes Berlin erhöhen. Das tut er aber offensichtlich
nicht. Hier liegt also der Verdacht nahe, dass dieser Zuschuss für irgendwelche anderen Aufwendungen benutzt
wird, während die eigentlich zu finanzierenden Aufgaben zurückgefahren werden, und deshalb eine Zweckentfremdung vorliegt.
Herr Abgeordneter, Sie wollen, wie auch schon der
Kollege Gewalt, von mir eine Antwort auf Fragen haben,
die das Verhalten des Berliner Senats betreffen. Diese
kann ich Ihnen aber nicht geben. Ich antworte hier für
die Bundesregierung.
({0})
- Die Bundesmittel stehen in pauschaler Form zur Verfügung. Das habe ich bereits gesagt.
({1})
Da zwei Fragen gemeinsam beantwortet worden sind,
können Sie noch eine zweite Frage stellen. Dann muss es
aber auch eine Frage sein.
Also noch einmal: Wie kontrollieren Sie die Einhaltung der Zweckgebundenheit bei der Vergabe entsprechender Bundesmittel?
Es geht um eine pauschale Abgeltung. Das bedeutet,
dass keine detaillierte Rechnungslegung erfolgt. Das ist im
Vertrag so vereinbart. Diesen Vertrag hat der Berliner Senat im Jahre 2001 mit der Bundesregierung geschlossen.
Herr Kollege Dörflinger, bitte.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung die Existenz einer mündlichen Vereinbarung zwischen dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin
Eberhard Diepgen und Bundeskanzler Gerhard Schröder
über die zweckgebundene Einsetzung des Bundeszuschusses im Berliner Haushalt bekannt?
Ich weiß nicht, auf was Sie rekurrieren.
({0})
Ich kann das nicht bestätigen.
({1})
Es gibt keinen weiteren Fragebedarf.
({0})
- Herr Hohmann, bitte.
Herr Staatssekretär, Ihren Antworten, in denen Sie
mehrfach betont haben, es handele sich um eine pauschale Zuwendung, kann man entnehmen, dass Sie sich
von jeglicher Pflicht enthoben sehen, sich auch nur über
Stichproben Gewissheit darüber zu verschaffen, dass die
Gelder des Bundes - diese weisen mit 38,4 Millionen
Euro eine erhebliche Höhe auf - zweckgebunden verwendet werden. Das kann doch nicht sein. Es ist doch
die Pflicht jeder Stelle des Bundes, die Ausgaben tätigt,
sicherzustellen, dass diese zweckgebunden verwendet
werden, und das zu kontrollieren. Deswegen frage ich
Sie: Wie gewährleisten Sie das?
Auch Ihnen will ich antworten, dass es angesichts der
großen Zahl von Einzelmaßnahmen nur eine pauschale
Abgeltung geben kann. Man hat bei der Aushandlung
des Vertrages festgestellt - die Verhandlungen hat der beamtete Staatssekretär in unserem Hause, Herr Wittling,
geführt -, dass es unmöglich ist, nach jeder Maßnahme
abzurechnen. Deswegen hat man sich auf eine pauschale
Abgeltung geeinigt. Ich habe nicht die Protokolle eingesehen, könnte mir aber vorstellen, dass die eine Seite der
Meinung war, wir würden zu viel bezahlen, und die andere Seite glaubt, wir würden zu wenig zahlen. Es liegt,
wie ich denke, angesichts der Vielzahl von Maßnahmen,
die in Berlin hiervon betroffen sind, auf der Hand, dass
ein pauschaler Zuschuss gerechtfertigt ist.
Eine Nachfrage des Kollegen Schmidt.
({0})
Es gibt Sachverhalte, nach denen muss selbst ich fragen. - Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass
es eine ganze Reihe von Zuwendungen des Bundes an
die Länder in erheblicher Höhe gibt, die zwar zweckgebunden sind, bei denen es aber keine rechtliche Grundlage für eine genaue Überprüfung gibt? Hierzu zählt
zum Beispiel die Zuwendung der Regionalisierungsmittel an die Bundesländer zur Bestellung von Nahverkehrsleistungen in Höhe von rund 7 Milliarden Euro
pro Jahr.
({0})
Können Sie mir weiterhin bestätigen, dass dies schon
lange Praxis ist und von uns weder eingeführt noch geändert wurde?
Herr Abgeordneter, das kann ich Ihnen bestätigen.
Bitte.
Herr Staatssekretär, der Sachverhalt ist doch folgender: Der Bund gibt an das Land Berlin Geld für einen bestimmten Zweck und das Land Berlin senkt im Gegenzug
den Landesetat etwa um diese Größenordnungen. Diese
Vorgehensweise kennen wir schon aus dem Kulturbereich. Die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung
hat sich aber sehr dagegen verwahrt, dass die Kulturausgaben des Landes Berlin um die Höhe des Bundeszuschusses gesenkt wurden. Deswegen meine Frage, Herr
Staatssekretär: Könnten Sie sich vorstellen, dass die Bundesregierung bei den zukünftigen Verhandlungen über
die Entgeltung darauf achtet, dass der Verwendungszweck des Haushaltstitels auch tatsächlich erfüllt wird
und es sich nicht um eine Reservekassenfinanzierung für
das kurz vor der Pleite stehende rot-rot-regierte Land
Berlin handelt?
({0})
Herr Kollege, der Vertrag, der mit der Bundeshauptstadt Berlin ausgehandelt worden ist, entspricht den Verträgen, die frühere Regierungen mit der Bundeshauptstadt Bonn ausgehandelt haben. Dazu gibt es keinen
Unterschied. Das ist auf Art. 106 Abs. 8 des Grundgesetzes zurückzuführen, in dem es heißt:
Veranlasst der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden ({0}) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden ({1}) unmittelbar Mehrausgaben oder
Mindereinnahmen ({2}) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden ({3}) nicht zugemutet werden
kann, die Sonderbelastungen zu tragen.
Dem wird seit Jahrzehnten in Form von Verträgen mit
pauschaler Abgeltung Rechnung getragen. Es gibt also
keine Änderung. Ich denke, dass man einen solchen Vertrag nicht davon abhängig machen kann, wie die Finanzlage einer einzelnen Stadt oder eines einzelnen Landes
ist. Es geht vielmehr um die pauschale Abgeltung von
Maßnahmen.
Ihre zweite Frage, bitte.
Herr Staatssekretär, es scheint aber doch einen Unterschied zu geben; denn in der Vergangenheit galt es als
unanständig, bei eigenen finanziellen Schwierigkeiten
Mittel des Bundes für die Ersatzkassenfinanzierung zu
verwenden.
Deswegen wiederhole ich meine Frage: Beabsichtigt
die Bundesregierung, bei zukünftigen Verhandlungen
darauf zu achten, dass die Aufwendungen des Steuerzahlers, die wir an unsere Partner, zum Beispiel die Länder,
weitergeben, auch tatsächlich für zusätzliche Aufwendungen oder Sonderaufwendungen verwendet werden?
Ich gehe davon aus, dass man bei der Abfassung eines
neuen Vertrages immer auf die letzten Jahre - in diesem
Fall sind es drei - zurückschaut und dass man bei den
Verhandlungen über eine neue Vereinbarung über diese
Erfahrungen spricht.
({0})
Ich rufe jetzt die Frage 16 des Abgeordneten Marco
Wanderwitz auf:
Wann legt die Bundesregierung die Einzelfallabwägungen
und die zugrunde liegenden konkreten Berechnungen vor, die
zur prioritären Einordnung der Maßnahmen im Bereich Bundesfernstraßenbau im Bundesverkehrswegeplan-Entwurf 2003
geführt haben, und sollen diese Teil der laut Bundesverkehrswegeplan-Entwurf 2003 in den Monaten April/Mai/Juni 2003
stattfindenden Anhörungen/Abstimmungen mit den Ländern
sein?
Herr Kollege Wanderwitz, die genannten Unterlagen
werden Ende April/Anfang Mai durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vorgelegt. Deshalb können sie Grundlage für die im Mai für
den Bereich der Bundesfernstraßen durchzuführenden
bilateralen Abstimmungen mit den obersten Straßenbaubehörden der Länder sein.
Die für die Aufstellungen der Vorhabenliste des am
20. März 2003 übersandten Entwurfs des Bundesverkehrswegeplanes 2003 verwendeten Bewertungen bedürfen hinsichtlich ihrer Darstellung in so genannten
Projektdossiers noch der Komplettierung und Aufbereitung sowie der Zusammenstellung durch vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
beauftragte Gutachter. Aufgrund des qualitativen Anspruchs ist der angesetzte Zeitaufwand bis Ende April/
Anfang Mai 2003 erforderlich und gerechtfertigt.
Herr Staatssekretär, Sie sind also der Ansicht, dass es
den Ländern zuzumuten ist, unmittelbar zu Beginn des
Abstimmungszeitraums, der seitens der Bundesregierung auf zwei bis drei Monate angesetzt wurde, diese
Daten in Empfang zu nehmen, sie binnen kürzester Frist
auszuwerten und eine entsprechende Stellungnahme abzugeben, nachdem die Bundesregierung mehrere Monate
- um nicht zu sagen: Jahre - benötigte, um die Maßnahmen der Länder zu bewerten?
({0})
Herr Kollege Wanderwitz, Sie unterstellen, dass die
Länder diese Daten nicht kennen. Das ist aber ein Irrtum.
Im Mai 2002 haben wir die gesamten Projektdossiers
zur Verfügung gestellt, auch allen Abgeordneten. Aus
Gründen der Plausibilisierung sind sie an die Länder zurückgegeben worden. Diese haben Änderungen vorgenommen und mehrere hundert neue Projekte vorgeschlagen. Das heißt, die Länder haben uns die Daten, die wir
jetzt noch in diese Projektdossiers einarbeiten, geliefert.
Von daher überfordern wir niemanden. Es hat noch nie
ein solch transparentes und offenes Verfahren bei der
Aufstellung eines Bundesverkehrswegeplanes gegeben.
({0})
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Wanderwitz
auf:
Hat die Bundesregierung über die jeweiligen Einzelpläne
nach Bundesländern hinaus eine die gesamte Bundesrepublik
Deutschland umfassende Prioritätenliste der Maßnahmen im
Bereich Bundesfernstraßenbau des BundesverkehrswegeplanEntwurfs 2003 getrennt nach den Prioritätenstufen aufgestellt,
und berechnen sich nach dieser Liste die so genannten Länderanteile in diesem Bereich?
Wie unter Ziffer 7.3.1.4 des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans 2003 ausgeführt, ergibt der Quotient aus
der Summe des landesspezifischen Projektvolumens aus
laufenden und fest disponierten Vorhaben sowie den
neuen Vorhaben einschließlich der RWA-Pool-Projekte
- RWA bedeutet: Raumwirksamkeitsanalyse - und dem
gesamten Investitionsvolumen für den vordringlichen
Bedarf den jeweiligen Landesanteil.
Laufende und fest disponierte Investitionsvorhaben
resultieren unter anderem aus den Überhängen des
Investitionsprogramms 1999 bis 2002, des Zukunftsinvestitionsprogramms 2001 bis 2003 und des AntiStau-Programms 2003 bis 2007. Sie werden ohne eine
erneute gesamtwirtschaftliche Bewertung als vordringlicher Bedarf in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen und im Rahmen des verfügbaren Finanzvolumens
vorrangig berücksichtigt.
Der Anteil der Länder am Investitionsvolumen für
neue Vorhaben des vordringlichen Bedarfs wurde nach
den Maßgaben des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von
Einzelvorhaben und des verfügbaren Finanzvolumens
grundsätzlich und bundesweit ermittelt und unter Berücksichtigung von netzkonzeptionellen Überlegungen
sowie aktuellen Planungsständen angepasst.
Die Investitionsvolumina für laufende und fest disponierte Vorhaben sowie für neue Vorhaben sind Summanden in der eingangs beschriebenen Berechnung der jeweiligen Landesanteile. Eine bundesweit umfassende,
nach Prioritätenstufen unterteilte Prioritätenliste kann es
aufgrund der vorstehend erwähnten Vorgehensweise daher nicht geben.
Bitte.
Sie haben den - ich will es einmal so formulieren allgemeinen Teil des Entwurfes zitiert, in dem unter anderem vom teilungsbedingten Sonderbedarf und vom
durch die EU-Osterweiterung resultierenden „neuen“
Bedarf die Rede ist. Auch soll durch den verstärkten Bau
von Ortsumgehungen eine Verkehrsbeschleunigung in
der Fläche erreicht werden.
Vor dem Hintergrund der erstgenannten Positionen
möchte ich Sie fragen: Glauben Sie nicht, dass es unter
diesem Aspekt erstaunlich ist, dass das Bundesland
Sachsen, das bekanntlich im Osten unseres Landes liegt
und derzeit eine sehr lange EU-Außengrenze hat, nach
dem neuen Entwurf rund ein Viertel seiner bisherigen
Mittel verlieren soll?
Zunächst kann ich Ihnen den Verlust von einem Viertel der Mittel nicht bestätigen. Der jetzige Bundesverkehrswegeplan ist ganz anders als der alte geschneidert.
Von daher darf man solche Vergleiche gar nicht anstellen.
In der Tat ist es bei den Verkehrsprojekten „Deutsche
Einheit“ absehbar, wann sie zu Ende gebaut und abfinanziert worden sind. Sachsen hat das Glück gehabt, schnell
planen zu können. Bereits in den 90er-Jahren flossen
enorme Summen in das Land Sachsen. Im Grunde genommen sind alle Maßnahmen, die baureif wurden, direkt finanziert worden. Angesichts eines solchen Doppelbonus darf man jetzt nicht nachweisen wollen, dass es
nunmehr zu einer Benachteiligung kommt. Sachsen kann
auf seine Planungsleistung sehr stolz sein und wir können sehr stolz darauf sein, dass in Sachsen schon sehr
viele Projekte umgesetzt worden sind.
Den Verlust von einem Viertel habe ich aus der Länderquote errechnet. Diese ist für Sachsen demnächst um
ein Viertel geringer. Insofern kann man durchaus von einem Verlust von einem Viertel der Mittel ausgehen. Ich
gebe Ihnen völlig Recht, dass das im Freistaat Sachsen
üblicherweise sehr rasch vorliegende Planungsrecht
dazu geführt hat, dass der schnelle Mittelabfluss gewährleistet werden konnte.
Trotzdem kann ich die teilweise drastischen Verschiebungen der Länderanteile nach wie vor nicht verstehen.
Vielleicht erschließt sich das aus den im Mai vorliegenden Planungen. Derzeit kann ich nicht erkennen, wo die
neuen, aus der EU-Osterweiterung resultierenden Verkehrsströme in dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes ihren Niederschlag finden.
Herr Abgeordneter, ich biete Ihnen gerne an, dass wir
uns einmal gemeinsam über die Pläne beugen und ich Ihnen die entsprechenden Trassen, ob nun in Richtung
Hoyerswerda oder - im Falle der B 178 - in Richtung
Görlitz, zeige. Dabei können Sie mir im Gegenzug erklären, was Sie vermissen.
({0})
Ich glaube, damit ist die Frage befriedigend beantwortet.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Thomas
Dörflinger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Planungen der französischen, deutschen und schweizerischen Bahngesellschaften für eine neue Bahnumfahrung von Basel auf deutscher
Seite, die insbesondere dem Güterverkehr dienen soll?
Herr Kollege Dörflinger, die Vorschläge der Bahngesellschaften für eine Umfahrung von Basel im Schienengüterverkehr auf deutscher Seite, der so genannte
Bypass Hochrhein, stellen langfristige Überlegungen
der Bahngesellschaften dar, die nicht Gegenstand der
laufenden Überprüfung des Bundesverkehrswegeplanes
sind.
In dem bilateralen Abkommen mit der Schweiz zur
Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufes zur neuen
Eisenbahn-Alpentransversale in der Schweiz, die sich
auf den Vertrag von Lugano von 1996 gründet, hat
Deutschland zugesichert, die Oberrheinmagistrale Karlsruhe-Basel als wichtigste Zulaufstrecke durchgehend
viergleisig auszubauen. Ein entsprechendes Projekt ist
im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans im
vordringlichen Bedarf berücksichtigt. Die Schweiz sieht
im Anschluss daran den Bau einer neuen zweigleisigen
Rheinbrücke in Basel vor. Weitere Projekte im Raum
Basel wurden für den neuen Bundesverkehrswegeplan
nicht angemeldet.
Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, die Antwort war mir in Teilen bereits bekannt. Sie haben die Frage, die ich Ihnen gestellt
habe, in der Substanz nicht beantwortet. Ich habe nicht
gefragt, ob diese Planungen im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind, sondern wie die Bundesregierung
die Pläne der verschiedenen Eisenbahngesellschaften bewertet. Findet sie sie gut oder eher schlecht?
Die Schweizerischen Bundesbahnen AG, also die
SBB AG, die Deutsche Bahn AG, die französische
SNCF und die französische Schienennetzgesellschaft
RFF haben strategische Überlegungen zur grenzüberschreitenden Infrastrukturentwicklung im Raum Basel
vorgenommen, die in der „Trilateralen Plattform Basiliensis“ der SBB-DB-Netz-SNCF/RFF zusammengefasst
sind. Darauf beziehen Sie sich. Das BMVBW hat an
diesem Vorgehen der Bahngesellschaften zur Vertiefung ihrer strategischen Vorstellungen nichts zu beanstanden. Die Bundesverkehrswegeplanung wird dadurch in keiner Weise präjudiziert oder eingeschränkt.
Maßgeblich zur Aufnahme in einen späteren BVWP
wären allein die Ergebnisse des gesamtwirtschaftlichen
Bewertungsverfahrens. Von daher sagen wir: Das ist
das, was sich die Unternehmen vorbereitend vorstellen.
Ob wir das aufnehmen und ob das gesamtwirtschaftlich
sinnvoll ist, unterliegt jetzt keiner Beurteilung, weil es
für diesen Bundesverkehrswegeplan absolut keine Rolle
spielt.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass wir in der
Region Hochrhein-Bodensee unter anderem durch die
Vorarbeiten des Regionalverbandes Hochrhein-Bodensee so weit sind, dass wir bezüglich des von Ihnen eben
dargestellten Projekts bereits über Trassen diskutieren
und es insofern notwendig wäre, in der Region, im Land
Baden-Württemberg und darüber hinaus Klarheit zu erlangen, wie sich die Bundesregierung zu diesem Thema
stellt? Das ist keine alleinige Angelegenheit der Deutschen Bahn AG, zumal für das Planfeststellungsverfahren das Eisenbahn-Bundesamt als nachgeordnete Behörde Ihres Hauses zuständig ist. Insofern noch einmal
die Frage: Wie positioniert sich die Bundesregierung zu
diesen Plänen, die viel weiter fortgeschritten sind, als Sie
uns das glauben machen?
({0})
Herr Kollege Dörflinger, der Bundesverkehrswegeplan reicht bis zum Jahr 2015. Wir sehen die angesprochene Maßnahme in keiner Weise vor, noch nicht einmal
im weiteren Bedarf. Damit ist klar, dass wir diese Maßnahme weder für vordringlich halten noch zum jetzigen
Zeitpunkt bewerten müssen. Sie erwecken durch das,
was Sie vorgetragen haben, den Eindruck, als ob bald
der Bagger kommen würde. Es gibt keine Finanzierung
für diese Strecke und keine gesamtwirtschaftliche Beurteilung. Wir können einem Unternehmen nicht verbieten,
sich bezüglich der Überlegungen, wie man zusammenarbeitet, zu positionieren. Man muss nur eins und eins zusammenzählen, um zu erkennen, dass die Bundesregierung dieses Projekt nicht betreibt und nicht unterstützt,
sondern bis zum Jahr 2015 völlig andere Prioritäten setzen will.
Eine weitere Frage der Kollegin Rehbock-Zureich,
bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie den Zeitrahmen nennen, der aufgrund der Studie vorgesehen ist, jenseits des
Bundesverkehrswegeplans 2015?
Das kann ich leider den mir zur Verfügung gestellten
Unterlagen nicht entnehmen. Der Frage müsste ich nachgehen und sie schriftlich beantworten, es sei denn, Sie
hätten die Zahlen selber im Kopf und kleideten sie in
eine zweite Frage.
({0})
- Wir haben über 2 000 Projekte im Bundesverkehrswegeplan bewertet. Sie können mir nicht vorwerfen, dass
ich auf eine Frage keine Antwort gebe, die eines von diesen 2 000 Projekten betrifft.
Herr Staatssekretär, vielleicht wären Sie so freundlich, die Antwort schriftlich nachzureichen.
Das habe ich angeboten; das mache ich gerne.
Dann hat Herr Kollege Peter Weiß noch eine
Frage.
Herr Staatssekretär, da die von Ihnen angesprochenen
strategischen Überlegungen der schweizerischen, französischen und deutschen Bahngesellschaften auch beinhalten, dass die Transitgüterverkehre von und nach
Frankreich über die derzeit in Planung befindliche Neubaustrecke drittes und viertes Gleis der Rheintalbahn geführt werden sollen, um dann über den so genannten Bypass um Basel herumgeleitet zu werden, müssten diese
strategischen Überlegungen dann bereits heute Bestandteil dieser Planungen werden und in das Planfeststellungsverfahren, das das Eisenbahn-Bundesamt durchzuführen hat, einfließen?
Herr Kollege Weiß, die Maßnahme ist nicht für den
Bundesverkehrswegeplan angemeldet worden. Deshalb
haben wir keine Grundlage, uns damit zu beschäftigen.
Anscheinend ist auch für das Land Baden-Württemberg
der Zeitpunkt, sich mit dieser Maßgabe zu beschäftigen,
deutlich zu früh.
Wir kommen zu Frage 19 des Kollegen Dörflinger:
Hat die von der DB AG, der schweizerischen SBB, der
französischen SNCF und dem Réseau Ferré de France am
20. Februar 2003 veröffentlichte „Trilaterale Plattform Basiliensis“ Eingang in den Entwurf des BMVBW für den Bundesverkehrswegeplan, BVWP, 2003 gefunden, und wenn ja,
in welcher Hinsicht?
Die am 20. Februar 2003 veröffentlichte „Trilaterale
Plattform Basiliensis“ enthält strategische Vorschläge
der Deutschen Bahn AG, der schweizerischen SBB, der
französischen SNCF und dem Réseau Ferré de France
zur langfristigen Entwicklung der Schieneninfrastruktur
im Raum Basel. Die darin für Deutschland genannten
Projekte Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe-Basel sowie Aus- und Neubaustrecke Oberhausen-Emmerich-Grenze Deutschland/Niederlande sind im Entwurf
des neuen Bundesverkehrswegeplans berücksichtigt.
Hingegen ist der als langfristige Überlegung der Bahn
in der „Trilateralen Plattform“ enthaltene „Bypass Hochrhein“ nicht Bestandteil des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans 2003. Ein solches Projekt ist nach den
Erkenntnissen der dem neuen Bundesverkehrswegeplan
zugrunde liegenden Verkehrsprognose in dessen Geltungszeitraum nicht erforderlich und wurde daher weder
von der Deutschen Bahn AG noch von den Ländern angemeldet.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dörflinger, bitte
schön.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Angebote der Schweizerischen Bundesbahnen an die Adresse der Deutschen
Bahn AG, das erforderliche Stück zwischen Basel und
dem zu bauenden Rheinübergang am Hochrhein aus
Mitteln der SBB vorzufinanzieren, bekannt und wie
stellt sich die Bundesregierung zu diesen Plänen?
Ich kann Ihnen nicht sagen, ob es derartige Angebote
gegeben hat.
({0})
- Okay. - Da wir aber die Grundlagen so definiert haben,
wie ich es gerade vorgetragen habe, besteht aus Sicht der
Bundesregierung kein Sinn darin, mit der Schweiz darüber zu verhandeln. Derartige Angebote liegen dem Bundesverkehrswegeplan nicht zugrunde; wir definieren sie
auch nicht als vordringlichen Bedarf. Deshalb kommt
eine Vorfinanzierung nicht infrage. Dem müsste erst einmal die Anmeldung durch die Deutsche Bahn AG, ein
Interesse des Landes Baden-Württemberg, eine gesamtwirtschaftliche Beurteilung und eine Darstellung der
finanziellen Möglichkeiten für dieses Projekt vorausgehen. Ein solches Angebot, wenn es denn vorliegen
würde, berührt uns deshalb nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Ich frage noch einmal, Herr Staatssekretär. Es ist zwar
richtig - darin sind wir uns einig -, dass zumindest die
Maßnahme zwischen Basel und dem zu bauenden
Rheinübergang am Hochrhein nicht für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet wurde. Können Sie aber bestätigen und sind wir uns in der Einschätzung einig, dass
dann, wenn die Schweizerischen Bundesbahnen mit ihren eigenen Mitteln für ein Projekt der Deutschen Bahn
AG in Vorleistung treten, Ihrem Haus - zumindest in der
Frage der Finanzierung - ein Stück weit die politische
Gestaltungsfreiheit fehlt, Ja oder Nein zu diesem Projekt
zu sagen?
Sie müssen sehen, dass der Bundesverkehrswegeplan
durch die Feststellung des vordringlichen Bedarfes gesetzliche Grundlagen für ein Planfeststellungsverfahren
schafft. Das wäre in dem Fall aber nicht gegeben. Deshalb ist Ihre Frage sehr hypothetisch. Wir sind von diesem Angebot nicht betroffen. Vielmehr legen wir im
Bundesverkehrswegeplan fest, dass wir diese Maßnahme
im Zeitraum bis 2015 nicht für realisierungswürdig halten. Ob es sowohl bei der Deutschen Bahn als auch im
Land Baden-Württemberg entsprechende Überlegungen
gibt, das Projekt dann anzumelden, und was die Bevölkerung dazu sagt, wäre in dem dann notwendig werdenden Verfahren zu klären. Das sehe ich aber nicht. Bis
zum Jahr 2015 passiert an dieser Stelle nichts.
Eine weitere Frage des Kollegen Peter Weiß.
Herr Staatssekretär, da Sie darauf hingewiesen haben,
dass es sich bei den derzeit bestehenden Überlegungen
um strategische Überlegungen der beteiligten Bahngesellschaften, aber nicht des Bundesverkehrsministers
handelt, frage ich Sie: Welche Voraussetzungen müssten
gegeben sein, wenn bei einer eventuellen Realisierung
der Bypass-Lösung für Basel irgendwo östlich von Basel
am Hochrhein eine zusätzliche Bahnüberquerung über
den Hochrhein und damit über die deutsch-schweizerische Grenze gebaut würde? Muss dafür ein Staatsvertrag
abgeschlossen werden oder welche anderen vertraglichen Vereinbarungen sind dafür notwendig?
Bekanntlich werden bei internationalen Schienenprojekten immer internationale Vereinbarungen geschlossen. Das wäre auch in diesem Falle notwendig.
Die Frage 20 soll schriftlich beantwortet werden, weil
sie in der Debatte über den Tagesordnungspunkt 13 dieser Woche angesprochen werden soll.
Wir kommen zur Frage 21 des Abgeordneten Peter
Weiß ({0}):
Welche Gründe haben den Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, veranlasst,
den Ausbau der Bahnstrecke Müllheim-Neuenburg ({1}) mit einem Kostenvolumen von 40 Millionen Euro in
den Entwurf für den BVWP 2003 aufzunehmen?
Wir bleiben im schönen Südwestdeutschland, Herr
Weiß. - Frankreich plant unter der Bezeichnung TGV
Rhein-Rhone den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Mühlhausen-Belfort-Dijon. An das deutsche
Hochgeschwindigkeitsschienennetz soll der TGV über
Straßburg, Kehl und Basel angebunden werden. Zusätzlich wurde aus der Oberrheinregion der Ausbau der
vorhandenen regionalen Schienenverbindungen Mühlhausen-Neuenburg-Müllheim für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gefordert. Dieser Forderung wurde insofern entsprochen, als dass das Vorhaben im Abschnitt
„Internationale Projekte Schiene“ des Bundesverkehrswegeplans 2003 berücksichtigt wurde. Sofern der Nachweis der Wirtschaftlichkeit der Ausbaumaßnahme vorliegt, eine Vereinbarung mit Frankreich abgeschlossen
ist und der Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes entsprechend ergänzt worden ist, sind Ausbaumaßnahmen möglich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dient die im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene Maßnahme betreffend die Strecke
zwischen Neuenburg und Müllheim nur der Verknüpfung des Nahverkehrs zwischen Frankreich und
Deutschland - das wird zurzeit in einer INTERREG-Studie untersucht - oder ist die Festlegung eines Projekts in
der Vereinbarung zwischen den schweizerischen, französischen und deutschen Eisenbahngesellschaften, wonach
diese Strecke auf zwei Spuren ausgebaut und mit einer
Südkurve bei Müllheim-Baden versehen werden soll, bereits Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans, um
künftig den Transitgüterverkehr von und nach Frankreich über diese Strecke zu führen?
Diese Maßnahme ist in der Liste „Internationale Projekte Schiene“ aufgeführt. Wenn Sie sich die Tabellen
genau anschauen, dann werden Sie feststellen, dass ein
Teil der internationalen Projekte mit Verträgen unterlegt
ist - die unterlegten Maßnahmen und Projekte haben
auch Eingang in den vordringlichen Bedarf gefunden und dass ein großer Teil dieser Projekte noch im weiteren Bedarf steht. Wir haben bei den internationalen Strecken einen Bedarf - nageln Sie mich bitte nicht auf den
letzten Euro fest - von etwa 4,4 Milliarden Euro. Davon
entfallen etwa 400 bis 500 Millionen Euro auf Maßnahmen und Projekte des vordringlichen Bedarfs, also auf
diejenigen, für die schon Vereinbarungen vorliegen.
Die von Ihnen angesprochene Strecke ist nicht für den
vordringlichen Bedarf vorgesehen, weil es noch keine
Verträge mit Frankreich gibt und weil die Prüfung der
Wirtschaftlichkeit des TGV Rhein-Rhone in Frankreich
noch nicht abgeschlossen ist. Diese Strecke ist als Teil
der TGV-Verbindung Rhein-Rhone zu sehen. Das ist
das, was als zukünftige Maßnahme in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden ist. Diese Maßnahme kann aber noch nicht unterlegt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wenn diese Strecke nur für einen
Zulauf zur französischen TGV-Verbindung Rhin-RhônMulhouse sorgen sollte, dann wäre zum Beispiel keine
zusätzliche Abzweigung in Richtung Süden notwendig.
Deswegen frage ich, ob dieses im Bundesverkehrswegeplan enthaltene Projekt auch die Möglichkeit einer Südverbindung vorsieht, also die Möglichkeit, dass die Züge
künftig nicht nur in Richtung Norden, sondern auch in
Richtung Süden fahren können, wenn sie die Grenze bei
Chalampé-Neuenburg überfahren haben.
Ich kann Ihnen nur anbieten, diese Frage schriftlich
zu beantworten, weil ich mich auf diese Details nicht
vorbereitet habe.
Eine weitere Frage der Kollegin Rehbock-Zureich,
bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass diese Strecke
auch in der Anmeldungsliste des Landes BadenWürttemberg als Neumaßnahme vorgesehen ist?
Sie ist sowohl von der Deutschen Bahn AG als auch
vom Land Baden-Württemberg vorgeschlagen worden.
Noch eine Frage des Kollegen Dörflinger.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass in
den Anmeldungen des Landes Baden-Württemberg für
den eben angesprochenen Streckenabschnitt 4 Millionen
Euro als Kostenvolumen angegeben werden, dass aber in
Ihrem Entwurf eines Bundesverkehrswegeplans 40 Millionen Euro eingestellt sind? Ist deswegen, wenn es sich
so verhält, nicht die Befürchtung des Kollegen Peter
Weiß berechtigt, dass dies in erster Linie nicht dem Personenverkehr, sondern dem Güterverkehr zugute kommen soll?
Wir reden über 40 Millionen Euro. Für den Ausbau
einer Schiene, die für den TGV geeignet ist, ist das nicht
sehr viel Geld.
Wir kommen zur Frage 22 des Kollegen Peter Weiß:
Welche bestehenden beziehungsweise geplanten vertraglichen Vereinbarungen mit Frankreich und welche auf französischem Gebiet zu realisierenden Ausbaumaßnahmen sind
Grundlage für die Aufnahme der Ausbaustrecke Müllheim-Neuenburg({0}) in die Liste der „internationalen Projekte Schiene“ im Entwurf des BMVBW für den
BVWP 2003?
Herr Kollege Weiß, mit Frankreich besteht gegenwärtig keine Vereinbarung zum Ausbau der Schienenverbindung Müllheim-Neuenburg({0}). Mit Frankreich wurden auch noch keine Gespräche über die
Weiterführung des TGV Rhein-Rhone nach Deutschland
geführt.
Bitte, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da es in der Vereinbarung zwischen den schweizerischen, französischen und deutschen
Eisenbahngesellschaften ein Infrastrukturprojekt 9 gibt,
in dem genau diese Strecke enthalten ist, und zwar zum
Ausbau für den Güterverkehr, möchte ich Sie fragen, ob
der Ausbau für den Güterverkehr in Vorverhandlungen
mit der französischen Seite schon einmal angesprochen
wurde.
Auch diese Frage muss ich Ihnen schriftlich beantworten, Herr Kollege Weiß.
Zweite Zusatzfrage, Kollege Weiß.
Herr Staatssekretär, die Planungen sehen vor, den
Transitgüterverkehr von und nach Frankreich über die
Strecke Müllheim-Neuenburg auf das deutsche Rheintalgleis zu führen und per Bypass um Basel herumzuführen. Das würde bedeuten, dass täglich rund 210 Güterzüge zusätzlich verkehren würden. Wenn dem so ist,
müssten dann diese prognostizierten Zusatzbelastungen
nicht bereits heute Bestandteil der Planungen für das
dritte und vierte Gleis auf der Rheintalbahn sein, mithin
in die Erörterungen des Planfeststellungsbeschlusses
einfließen, zum Beispiel, was die Fragen Lärmschutz,
Erschütterung und Weiteres anbelangt?
All diese Fragen finden in das Planfeststellungsverfahren Eingang. Ich kann allerdings nicht bestätigen,
dass die von Ihnen genannten Zahlen realistisch sind.
Wir alle würden uns freuen, wenn mehr Güter auf die
Schiene kommen würden.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Sie werden später
noch einmal benötigt. Deswegen bitte ich Sie, hier zu
bleiben.
Jetzt steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Angelika Mertens zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 23 der Kollegin Ursula
Heinen:
Aus welchem Grund wurde mit Margareta Wolf eine Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, als
Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG, DB AG,
benannt und nicht jemand aus einem anderen Bundesministerium, wie zum Beispiel aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit oder dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft oder aus dem
zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, BMVBW?
Frau Kollegin, der Bund ist Alleinaktionär der Deutschen Bahn AG. Der Aufsichtsrat der DB AG besteht
aus 20 Mitgliedern. Davon werden jeweils zehn Mandate mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen besetzt. Die Aufteilung der
Anteilseignermandate wird durch die Satzung der DB
AG näher bestimmt. Danach hat der Bund das Recht,
drei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Entsandt sind derzeit Ralf Nagel, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Volker Halsch, Staatssekretär im Bundesministerium der
Finanzen, und Dr. Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit.
Das Entsendungsrecht wird durch Erklärung des Entsendungsberechtigten - hier: der Bundesrepublik
Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen - gegenüber dem
Vorstand der DB AG ausgeübt. Anders als bei den gewählten Aufsichtsratsmitgliedern hat die Hauptversammlung somit keinerlei Einfluss auf die Bestellung eines entsandten Aufsichtsratsmitgliedes.
Die übrigen sieben Anteilseignervertreter werden auf
Vorschlag des Aufsichtsrates von der Hauptversammlung gewählt. Bei Bundesunternehmen erfolgt der Vorschlag in Abstimmung mit der Bundesregierung. Dabei
benennt der Bund bewusst nicht nur Vertreter von Ministerien und Behörden als weitere Anteilseignervertreter,
sondern auch unabhängige Sachverständige, insbesondere aus der Wirtschaft.
Zwischen den Koalitionspartnern ist vereinbart worden, der Hauptversammlung der DB AG Frau MdB
Margareta Wolf, Parlamentarische Staatssekretärin
beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, für den von MdB Albert Schmidt
frei gemachten Sitz im Aufsichtsrat zur Wahl vorzuschlagen.
Zusatzfrage, Kollegin Heinen, bitte schön.
Recht herzlichen Dank für die Klarstellung, wer von
wem entsandt worden ist.
Gehe ich also richtig in der Annahme, dass Frau Wolf
nicht in ihrer Eigenschaft als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesumweltminister in den Aufsichtsrat entsandt oder gewählt wurde, sondern als Bundestagsabgeordnete?
Ich habe Ihnen eben gesagt, dass es drei entsandte
Mitglieder gibt. Alle übrigen sieben Mitglieder werden
der Hauptversammlung vorgeschlagen und sie werden
dann auch gewählt. Das steht übrigens - ich sage das
vielleicht im Vorgriff auf die Beantwortung der nächsten
Frage - so in der Satzung der DB AG.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Wenn ich es richtig sehe, werden drei Staatssekretäre
aus drei verschiedenen Ministerien plus Frau Wolf,
ebenfalls Staatssekretärin, aus einem anderen Ministerium entsandt. Wird das koordiniert oder handelt jeder
auf eigene Faust?
Auf genau das werde ich in meiner Antwort auf die
nächste Frage eingehen. Ich kann darauf aber auch schon
jetzt eingehen: Drei Mitglieder werden entsandt, es gibt
sieben weitere, von denen Frau Wolf eines ist.
Wir kommen zur Frage 24 der Abgeordneten Heinen
- sie geht in diese Richtung -:
Wie wird innerhalb der Bundesregierung sichergestellt,
dass Margareta Wolf im Aufsichtsrat der DB AG die Interessen der gesamten Bundesregierung und nicht nur die des
BMU vertritt?
Nach dem Aktiengesetz sind Mitglieder von Aufsichtsräten bei ihrem Handeln als Aufsichtsratsmitglied
in erster Linie dem Interesse des Unternehmens verpflichtet. Entsprechend der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeshaushaltsordnung sollen sich die
Bundesvertreter in Aufsichtsräten vor wichtigen Entscheidungen grundsätzlich über eine einheitliche Auffassung verständigen.
Eine Zusatzfrage.
Gibt es sozusagen einen Chefkoordinator oder erfolgt
das per Zuruf?
Bis jetzt war es so, dass sich die drei entsandten Mitglieder koordiniert haben und sich auch koordinieren
mussten. Das ist gesetzlich so geregelt. Sie erkennen aus
meiner Antwort auf Ihre Frage, dass sich alle Mitglieder
der Bundesregierung grundsätzlich über eine einheitliche Auffassung verständigen sollen.
Zweite Zusatzfrage.
Ist der Workshop, der am kommenden Freitag zu diesem Thema stattfinden soll, mit den drei übrigen Mitgliedern abgestimmt oder eine Initiative der Abgeordneten Wolf?
Ich glaube, darauf wird Frau Wolf in der Antwort auf
eine Frage, die noch gestellt werden wird, eingehen. Jedem Aufsichtsratsmitglied steht es natürlich frei, zu
überlegen, wie es dem Unternehmen helfen kann. Frau
Wolf wird diese Frage nachher beantworten.
Vielen Dank.
Wir kommen zur Frage 25 des Abgeordneten Hartwig
Fischer ({0}):
Wie steht die Bundesregierung dazu, dass es bislang keinen vorgeschriebenen Sicherheitsabstand für Windräder zu
brandgefährdeten Stätten gibt, obwohl die Feuerwehr bisher
keine Möglichkeit hat, brennende Windräder zu löschen, und
brennende Teile von Windrädern bis zu 500 Meter weit geschleudert werden können?
Herr Fischer, Regelungen über Sicherheitsabstände
aus Gründen des Brandschutzes sind Gegenstand der
Bauordnungen der Länder. Dies gilt auch für den Mindestabstand bei Windkraftanlagen. Der vorbeugende
Brandschutz ist Bestandteil des Rechts der Gefahrenabwehr, für das ausschließlich die Länder zuständig sind.
Dem Bund steht für den Bereich der bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr keine Gesetzgebungskompetenz
zu. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen.
Zusatzfrage, Kollege Fischer.
Frau Staatssekretärin, ich frage Sie, ob es vor dem
Hintergrund der sich häufenden Brände von Windrädern
- allein zehn im vergangenen Jahr - Überlegungen gibt,
eine regelmäßige Überprüfung der Windräder durchzuführen.
Ich habe Ihnen schon eben gesagt, dass wir mit der Änderung des Baugesetzbuches von 1996 die Zulassung von
Windkraftanlagen im so genannten Außenbereich - § 35
des Baugesetzbuches - erleichtert haben. Dabei ist den
Ländern und Gemeinden zugleich die Möglichkeit eröffnet worden, durch die Regional- und Flächennutzungsplanung vorrangige Windkraftstandorte auszuweisen, mit
der Folge, dass die Errichtung von Windkraftanlagen an
anderen Standorten nicht zulässig ist. Dadurch können
zum Beispiel für andere Nutzungen vorgesehene oder
landschaftlich schützenswerte Bereiche von der Windkraftnutzung freigehalten werden. Es ist also letztendlich
Sache der Länder und der Kommunen, auf diesem Gebiet, wenn nötig, initiativ zu werden. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, in diesem Bereich vorstellig zu werden.
Zweite Zusatzfrage.
Sie sehen also keinen Handlungsbedarf?
Vielleicht sehen die Länder oder die Kommunen ei-
nen Handlungsbedarf; aber wir sehen diesen Handlungs-
bedarf nicht. Wir können ihn auch nicht herstellen, weil
wir im Baugesetzbuch genau diese Regelung getroffen
und den Kommunen und den Ländern mehr Möglichkei-
ten der Umsetzung, das heißt eben auch der Einschrän-
kung, gegeben haben.
Vielen Dank.
Frage 26 des Kollegen Manfred Kolbe:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die DB AG, trotz ent-
gegenstehender Zusicherungen des Bundesministers für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, den
Stellenabbau bei den Eisenbahnausbesserungswerken im Frei-
staat Sachsen betreibt und welche Standorte im Einzelnen da-
von betroffen wären; vergleiche die Antworten der Parlamen-
tarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Angelika Mertens, auf meine Fra-
gen 20 und 21 in der Fragestunde am 12. Februar 2003 im
Plenarprotokoll 15/24, Seiten 1842 ff.)?
Herr Kolbe, der Bundesminister für Verkehr, Bauund Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, hat zugesagt,
sich gemeinsam mit dem Vorstand der Deutschen Bahn
AG und dem Freistaat Sachsen um Lösungen zum Erhalt
der Standorte zu bemühen. Eine Kapazitätsanpassung ist
unerlässlich, wenn der Verkauf und damit der Erhalt der
Standorte gelingen sollen.
Die Ausbesserungswerke Chemnitz, Delitzsch und
Zwickau der Deutschen Bahn AG sollen auf der Grundlage des Vorstandsbeschlusses vom 26. Juni 2001 verkauft oder geschlossen werden. Am 1. Januar 2003 waren in diesen Werken noch 1 201 vollzeitbeschäftigte
Mitarbeiter tätig.
Zur Begründung der Kapazitätsanpassung in den Ausbesserungswerken der Deutschen Bahn AG und zum
notwendigen Verkauf von Werken verweise ich auf die
Beantwortung Ihrer Fragen 20 und 21 in der Fragestunde
am 12. Februar 2003, nachzulesen im Plenarprotokoll
15/24 auf den Seiten 1842 bis 1844.
Zusatzfrage, Kollege Kolbe.
Frau Staatssekretärin, der Bundesminister
Dr. Manfred Stolpe hat mir mit Schreiben vom 5. März
2003 mitgeteilt - ich zitiere -:
Nach verschiedenen Gesprächen mit dem Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Herrn Mehdorn,
konnte ich während meines Besuches am 9. Dezember 2002 in Delitzsch den Mitarbeitern des Ausbesserungswerkes das Aussetzen des Schließungsbeschlusses zum Jahresende 2003 um zunächst zwei
Jahre mitteilen.
Hat dieses von Minister Stolpe vor 2 000 Menschen
in Delitzsch verkündete Aussetzen des Schließungsbeschlusses keinerlei Auswirkungen auf den Stellenabbau?
Das kann ich Ihnen so nicht beantworten. Das Unternehmen soll für den Markt fit gemacht werden. Wenn
man dieses Unternehmen verkaufen will, wird man
wahrscheinlich auch Anpassungen vornehmen müssen.
Ich will hier aber noch einmal betonen - ich glaube, darauf zielt Ihre Frage auch -: Es wird keine betriebsParl. Staatssekretärin Angelika Mertens
bedingten Kündigungen geben. Es wird also für jeden,
der dort eventuell von einer Anpassung betroffen ist,
eine Lösung geben.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Ich darf also festhalten, dass es für die nächsten zwei
Jahre keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird.
Davon können Sie ausgehen, ja.
({0})
Frage 27 des Kollegen Kolbe:
Ist der Bundesregierung in diesem Zusammenhang der aktuelle Stand der Privatisierungsbemühungen der DB AG für
die Eisenbahnausbesserungswerke im Freistaat Sachsen bekannt und wie schätzt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten dieser Privatisierungsbemühungen der DB AG ein?
Herr Bundesminister Dr. Stolpe hat am 27. März 2003
in einem Gespräch zum Standort Delitzsch gegenüber
Kommunalpolitikern nochmals versichert, dass der Erhalt dieses Standorts mit Nachdruck gefordert wird und
die Ende Januar dieses Jahres gegebenen Versprechen
detailliert zu untersetzen sind.
In Absprache mit dem Freistaat Sachsen wurde zugesagt, dass das Werk bestehen bleibt. Dazu ist vorgesehen, die Ausschreibung des Werks mit konkreten Beschäftigtenzahlen und für eine Übergangsphase mit
gesicherten Instandhaltungsaufträgen zu verbinden. Die
Ausschreibungsunterlagen sollen durch die Deutsche
Bahn AG so vorbereitet werden, dass sie einer Prüfung
durch das Kartellamt genügen werden. Die Ausschreibung soll mit circa 225 Mitarbeitern erfolgen. Mit den
Arbeitsplätzen für die Beschäftigten in einer Bremsventilwerkstatt würden dann in Delitzsch insgesamt
275 Arbeitsplätze erhalten werden können.
Zu den Werken in Chemnitz und Zwickau haben der
Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Hartmut
Mehdorn, und der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, Professor Georg Milbradt, gegenüber dem Bundesminister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen,
Dr. Manfred Stolpe, versichert, dass zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Freistaat Sachsen eine Lösung
gesehen wird. Die Bundesregierung ist daher davon
überzeugt, dass auch an diesen Standorten die Privatisierung gelingen wird und die Standorte erhalten werden
können.
Das Werk Leipzig/Engelsdorf, in dem überwiegend
Güterwagen instand gehalten worden sind, ist seit 1. Januar 2002 kein Werk der Deutschen Bahn AG mehr. Es
wurde zu diesem Zeitpunkt mit 151 Beschäftigten an die
Investorengruppe Wils/Duroc/Til-Gutzen verkauft.
Danke schön.
Wir kommen zur Frage 28 des Kollegen Volkmar
Uwe Vogel:
Ist es zutreffend, dass im Zuge der Einführung der LKWMaut-Verordnung bis zum 31. August 2003 nur 150 000 Fahrzeuggeräte - anstelle der 800 000 allein für die inländischen
Fahrzeuge benötigten - zur Verfügung stehen werden, und,
wenn ja, wie soll dieser Mangel behoben werden?
Herr Vogel, der Betreiber des künftigen LKW-MautSystems hat sich vertraglich verpflichtet, bis zum Start des
LKW-Maut-Systems am 31. August 2003 150 000 Fahrzeuggeräte zu liefern. Bis zum Ende des Jahres 2003
werden rund 500 000 Fahrzeuggeräte zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Fahrzeuggeräte die
Nachfrage nach Fahrzeuggeräten abdeckt.
Nicht alle mautpflichtigen Fahrzeuge werden am automatischen Mauterhebungssystem teilnehmen. Das
künftige LKW-Mautsystem ist als duales Mauterhebungssystem ausgestaltet. Für gelegentliche Autobahnbenutzer, insbesondere aus dem Ausland, wird neben der
automatischen Einbuchung ein zusätzliches manuelles
Mauterhebungssystem, also eine Einbuchung an Mautstellen mit herkömmlichen Zahlungsmitteln oder über
das Internet, den diskriminierungsfreien Zugang zum
Autobahnnetz sicherstellen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Vogel?
Ja. - Frau Staatssekretärin, es ist aber trotzdem zu
befürchten, dass es, da ja anzunehmen ist, dass
150 000 Geräte nicht ausreichen - man spricht von bis
zu 800 000 allein für den inländischen Bedarf -, dennoch zu einer gewissen Ungleichbehandlung kommt. Ist
es vor diesem Hintergrund nicht vielleicht günstiger,
dass man die für die Einführung des Systems vorgesehene Probezeit - ich glaube, derzeit sind circa acht Wochen vorgesehen - verlängert, um damit mehr Zeit für
die notwendigen Nachrüstungen zu geben?
Ich glaube, dass das nicht notwendig sein wird. Toll
Collect, der Betreiber des Mautsystems, hat sich natürlich vorher erkundigt: Was kann da auf uns zukommen?
Es unterliegen potenziell ungefähr 1,2 bis 1,4 Millionen
Fahrzeuge der Mautpflicht, davon sind ungefähr 400 000
bis 500 000 ausländische LKWs. Der Betreiber hat sich
erkundigt und festgestellt: Ungefähr ein Drittel der deutschen Fahrzeughalter wird wahrscheinlich vor Beginn
der Mauteinführung, ein Drittel unmittelbar danach und
ein Drittel ungefähr drei Monate danach ihre Fahrzeuge
ausrüsten. Insofern werden die 500 000 Geräte, deren
Herstellung bis zum Jahresende geplant ist, ausreichen.
Sie müssen immer bedenken, dass sich nicht jeder eine
solche Onboard Unit installieren wird. Es wird viele geben, die nur gelegentlich fahren; es gibt auch deutsche
LKW, die nur gelegentlich auf der Autobahn fahren. Dafür
lohnt sich dann letztendlich eine Onboard Unit nicht, weil
man den Betrag, den man für dieses Gerät bezahlen muss,
zwar abfahren kann, aber vorher auch erst einmal so hohe
Fahrleistungen erbringen muss. Von daher gehe ich davon
aus, dass die geplanten Stückzahlen reichen werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Vogel?
Vielen Dank für die Beantwortung. Ich habe in diesem Zusammenhang eine weitere Zusatzfrage: Die Verordnung sieht teilweise sehr hohe Sanktionen vor, wenn
der Nutzer das System nicht richtig bedient. Nun kann es
ja, besonders in der Einführungsphase, zu Fehlleistungen
des Systems kommen, die dann für die Nutzer erhebliche
Nachteile mit sich bringen. Ist in diesen Fällen vorgesehen, dass man den Nutzern entgegenkommt oder - dieses Beispiel möchte ich hier nennen - muss dann der
Nutzer des Systems sein Recht tatsächlich vor Gericht
durchsetzen? Oder ist es im Rahmen des möglichen Ermessens vorgesehen, gerade in der Anfangsphase den
Spielraum auszunutzen und den Nutzern entgegenzukommen?
Ich müsste noch einmal genau schauen, wie die vertraglichen Bedingungen ausgestaltet sind. Ich könnte mir
aber vorstellen, dass wir, wenn wir Probleme beim System feststellen, auch Lösungen dafür finden. Ich will das
aber gerne noch einmal im Detail nachfragen, um Ihnen
jetzt nichts Falsches zu sagen. Wir gehen natürlich davon aus, dass dieses System funktioniert, sowohl über
den Weg der manuellen Einbuchung wie auch mittels der
automatischen Erfassung. Davon kann man, wie ich
glaube, einfach ausgehen. Ich werde das aber wirklich
im Detail noch einmal nachfragen.
({0})
- Mache ich gerne.
Wir kommen damit zur Frage 29 des Kollegen Vogel:
Ist es zutreffend, dass bis zum 31. August 2003 nur circa
50 Prozent der benötigten Überwachungsbrücken für das
elektronische Mauterhebungssystem auf den Bundesautobahnen funktionstüchtig zur Verfügung stehen werden, und, wenn
ja, wird damit eine flächendeckende und gerechte Mauterhebung für alle Teilnehmer möglich sein?
Das LKW-Mautsystem wird am 31. August 2003
starten und eine flächendeckende und gerechte Mauterhebung sicherstellen. Der künftige Betreiber des
LKW-Mautsystems hat sich vertraglich verpflichtet, bis
zum Start des LKW-Mautsystems 150 von insgesamt
300 Kontrollbrücken zu installieren. Die Kontrollbrücken, die zum Start des Mautsystems installiert sein
werden, dienen der automatischen Vorkontrolle für die
sich anschließende Standkontrolle des Bundesamtes für
Güterverkehr sowie die automatische Kontrolle durch
den Betreiber. Die vom Betreiber nach dem Start des
Mautsystems noch zu errichtenden 150 Kontrollbrücken
dienen ausschließlich der automatischen Kontrolle durch
den Betreiber.
Das Bundesamt für Güterverkehr, das gemäß § 7
Abs. 1 des Autobahnmautgesetzes für schwere Nutzfahrzeuge die Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes
überwacht, wird im Rahmen seines Kontrollkonzeptes
die Wahrung der Abgabengerechtigkeit insbesondere
durch seine mobilen Kontrollfahrzeuge sicherstellen. Bei
diesen mobilen Kontrollen ist der Standort des Kontrollfahrzeuges nicht erkennbar, da sie in dem gesamten Autobahnnetz im fließenden Verkehr mitschwimmen und
die mautpflichtigen Fahrzeuge während der Fahrt anhand des Kennzeichens überprüfen. Diese mobile Kontrolltechnik des Bundesamtes ist bereits zum Systemstart
am 31. August 2003 einsatzbereit und gewährleistet damit die flächendeckende und gerechte Mauterhebung.
Zusatzfrage, Kollege Vogel?
Nein. Vielen Dank für die Beantwortung.
Wir kommen dann zur Frage 30 der Kollegin Julia
Klöckner:
Welche Rolle kommt bei den aktuellen Gesprächen der
DB AG zum Thema neues Tarifsystem dem Bundesminister
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe,
innerhalb der Bundesregierung zu - vergleiche „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ vom 2. April 2003?
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen prüft die Rechtmäßigkeit der Beförderungsbedingungen im Schienenpersonenfernverkehr der Eisenbahnen des Bundes und damit auch der Deutschen
Bahn AG. Über die Inhalte ihrer Angebote entscheidet
die Deutsche Bahn AG jedoch in eigener unternehmerischer Verantwortung. Unabhängig davon werden aktuelle Fragen in den regelmäßigen Kontakten mit der
Deutschen Bahn AG erörtert.
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Sie sagen, aktuelle Fragen würden regelmäßig erörtert. Das entspricht jedoch nicht ganz der Aussage, die
Sie vorher getroffen haben. Sie haben gesagt, es gehe
nur um die Prüfung der Rechtmäßigkeit und alles andere
werde der Bahn überlassen. Es gibt jedoch aktuelle Fragen, die sowohl die Bahn anbelangen als auch die politische Einwirkung betreffen. Mein Eindruck ist, dass sich
SPD und Grüne das Terrain nicht teilen, sondern dass
das Terrain den Grünen überlassen wird und Herr Stolpe
außen vor bleibt. Welche Rolle spielt das Verkehrsministerium, wenn zum Beispiel Workshops wie am 11. April
anstehen? Ist das Verkehrsministerium da außen vor oder
hat es konkret zum Ausdruck gebracht, nicht daran teilnehmen zu wollen und sich aus allem herauszuhalten?
Wir halten uns natürlich nicht heraus. Aber Sie müssen zwischen unserer gesetzlichen Verpflichtung als
Ministerium - dazu gehört auch der entsandte Staatssekretär - und der Kommunikation mit der Bahn AG unterscheiden. Wir können die Bahn nicht anweisen, dieses
oder jenes im Preissystem zu verändern, sondern müssen
uns in dieser Frage auf unsere gesetzlichen Möglichkeiten beschränken. Das bedeutet nicht, dass man nicht miteinander redet und sich gute Ratschläge gibt.
Zweite Zusatzfrage? - Bitte schön.
Meine zweite Zusatzfrage geht ebenfalls in diese
Richtung. Sie sagten, es gebe eine Kommunikation.
Aber Herr Stolpe sagt das Gegenteil von Frau Künast,
nämlich dass man sich nicht in die Unternehmensentscheidungen einmischen solle, was zum Beispiel die
Preisgestaltung bzw. das Schienenangebot anbelangt.
Deshalb ging meine Frage dahin, welche Rolle innerhalb
der Bundesregierung Herrn Stolpe zukommt. Man hat
wirklich den Eindruck, er zieht sich vollkommen zurück
und überlässt das Feld der Bahn, die hier mitunter sehr
unkoordiniert wirkt.
Vielleicht muss ich Ihnen noch einmal erklären, wie
es sich nach der Bahnreform mit den Verpflichtungen
der einen wie der anderen Seite verhält. Das müssen Sie
berücksichtigen. Das Ministerium ist zwar für bestimmte
Dinge zuständig, die Bahn aber für das gesamte operative Geschäft. Das heißt, nicht wir verantworten letztendlich die Gestaltung des Preissystems, sondern das
macht die Bahn völlig eigenverantwortlich und das muss
sie auch machen, denn das ist ihr Auftrag. Da haben wir
uns aus gutem Grunde nicht einzumischen. Wenn nämlich die Bahn etwas ausführt, was wir verfügen, und ihr
dadurch Nachteile entstehen, könnten wir schadensersatzpflichtig werden, weil die DB nach EU-Gemeinschaftsrecht ihren Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich der Nachteile, die wir ihr aufbürden, geltend
machen könnte. Deshalb verstehen Sie vielleicht, dass
wir uns sehr streng an die gesetzliche Verpflichtung halten müssen, auch im Interesse des Steuerzahlers.
Eine Nachfrage der Kollegin Ursula Heinen.
Frau Staatssekretärin, nach Ihren Aussagen, die Sie
gerade getroffen haben, hat sich das Verbraucherschutzministerium zwar nicht rechtswidrig, aber doch eindeutig entgegen diesen Absprachen verhalten, indem es die
Bahn mehrfach aufgefordert hat, ihr Preissystem zu
überdenken und zu korrigieren. Zeitungsberichten zufolge hat es sogar einen eigenen Vierpunkteplan vorgelegt, in dem enthalten ist, wie die Deutsche Bahn ihr
Preissystem künftig gestalten soll. Ihre Aussage, nämlich keine Einmischung in die Geschäftspolitik der Bahn
- dazu zählt auch die Preisgestaltung -, steht doch in einem klaren Widerspruch zu der Haltung des Verbraucherschutzministeriums, das sich ganz klar einmischt.
Was ist denn nun richtig?
Das müssen Sie das Verbraucherschutzministerium
fragen.
({0})
- Ich entschuldige mich für diese Aussage und möchte
sie gerne zurücknehmen.
Das Verbraucherschutzministerium hat die Aufgabe,
die Verbraucher zu schützen. Insofern kann es jederzeit
Ratschläge geben, wie ein Unternehmen seine Preise gestalten könnte. Letztendlich gestaltet die DB AG ihre
Preise, mit denen sie am Markt bestehen muss, aber
selbst. Wenn sie damit am Markt nicht bestehen sollte,
wird sie ihre Preise korrigieren. Wir machen die Preise
weder für die DB AG noch für Connex.
Weitere Frage der Kollegin Gitta Connemann, bitte
schön.
Frau Staatssekretärin, Sie haben den Standpunkt vertreten, dass in Übereinstimmung mit den Regelungen des
Aktienrechts die Bahn ihre unternehmerischen Entscheidungen in vollständiger Eigenverantwortung trifft und
dass Sie sich nicht einzumischen haben. In diesem Sinne
haben sich in der letzten Sitzung des Ausschusses für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft unter
anderem auch die Kollegen der Koalitionsfraktionen im
Rahmen einer Debatte zum Thema Postagenturen geäußert. Sie haben ebenfalls den Standpunkt vertreten, dass
eine Einflussnahme aus unternehmerischen Gründen
nicht möglich ist.
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass von Ihrer Kollegin, der Staatssekretärin Wolf, ein Workshop ins Leben
gerufen wurde, um dort „Handreichungen für realistische, kurzfristige Veränderungen des Preissystems zu
bieten“? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass Ihre
Kollegin Wolf zum einen Mitglied der Bundesregierung
ist und zum anderen dem Aufsichtsrat der Bahn angehört.
Die Kollegin Wolf kann sich als Mitglied des Aufsichtsrats der DB AG sicherlich Gedanken darüber machen, wie sich das Unternehmen zukünftig aufstellt. Ich
sehe kein Problem darin, wenn man sich zunächst darüber informiert, wo Schwachstellen in der Organisation
liegen, und wenn man in dem einen oder anderen Fall
aufklärerisch tätig wird, was das Preissystem angeht.
Eine weitere Frage des Kollegen Dirk Niebel.
Frau Staatssekretärin, um die vielfältigen Aufgaben der
Kollegin Wolf besser auseinander halten zu können: Können Sie uns sagen, mit welchem Briefkopf die Kollegin zu
diesem Workshop eingeladen hat? Hat sie als Staatssekretärin oder als Mitglied des Aufsichtsrates eingeladen?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten.
Können Sie mir das bitte schriftlich nachreichen?
Das kann ich Ihnen schriftlich nachreichen.
Da die Kollegin Wolf anwesend ist, können wir sie
auch direkt fragen.
({0})
Frau Kollegin Wolf, können Sie diese Frage beantworten?
({1})
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Niebel, ich
verfüge nicht über Briefpapier mit einem Briefkopf der
Deutschen Bahn AG.
({0})
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Wolf. - Eine Zusatzfrage von Herrn Kampeter, bitte schön.
Nun handelt die Bundesregierung immer als Einheit.
Das steht in der Geschäftsordnung. Ich habe das Gefühl,
dass die Frage der Geschäftsordnung zumindest in der
Bundesregierung überhaupt keinen interessiert. Deswegen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, würde mich
interessieren, wie Sie als Vertreterin des federführenden
Ressorts beurteilen, dass die Parlamentarische Staatssekretärin Wolf, offensichtlich unter dem Briefkopf eines Mitgliedes der Bundesregierung, zu einem solchen
Symposion eingeladen hat. Oder dürfen wir das so interpretieren, dass, wie Sie es vorhin vorgetragen haben
- ich will das etwas salopp formulieren -, es Ihnen völlig
egal ist, welche Symposien die Kollegin Wolf veranstaltet, und dass Sie der Auffassung sind, dass das alles nur
heiße Luft sei, weil das nach dem Aktienrecht eh keinen
Einfluss auf das Unternehmen haben könne?
Was soll ich Ihnen dazu sagen, wenn sie keinen anderen Briefkopf hat?
({0})
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Jetzt hat wieder Herr Großmann die Möglichkeit zu
antworten, nämlich auf die Frage 31 des Kollegen
Dr. Peter Jahr:
Ist es zulässig, dass die Kommunen die finanziellen Mittel
aus dem Programm „Stadtumbau Ost“, Teil Rückbau, für
mehrere Jahre zusammenfassen und für ein Objekt in einem
Jahr konzentrieren?
Herr Kollege Jahr, den Stadtumbaumitteln liegt ein
Verpflichtungsrahmen zugrunde, der über einen Zeitraum
von fünf Jahren ausgezahlt wird. Dabei können zum Beispiel einer Kommune, die im Jahr 2003 Wohnungen abreißen will, Mittel bewilligt werden, die allein im Jahr
2003 ausgezahlt werden. Dafür könnte eine andere Kommune Mittel erhalten, die allein 2004 ausgezahlt werden.
Hierfür sieht die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung Umschichtungsmöglichkeiten vor. Das Land soll
also bei der Bewilligung von Mitteln für Kommunen
möglichst deren konkreten Bedarf berücksichtigen.
Zusatzfrage, Kollege Jahr?
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Antwort. Ich
entnehme ihr, dass es möglich ist, dass die Kommunen
quasi im Vorgriff Mittel in Anspruch nehmen, ähnlich
wie seinerzeit bei der Städtebausanierung. Da hatten die
Kommunen eine Genehmigung für fünf Jahr in Jahresscheiben bekommen und konnten dann selber entscheiden, welche Maßnahmen sie zu welchem Zeitpunkt in
welchem Umfang in Angriff nehmen.
Wie gesagt, im Grunde genommen kann ein Land so
handeln. Die Verwaltungsvereinbarung gibt her, dass der
Antrag nicht in fünf Jahresscheiben abgearbeitet wird,
sondern in einem Jahr. Es hängt im Einzelfall wahrscheinlich sehr von dem Umfang der benötigten Gelder
ab, ob das gelingt oder nicht.
Weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank. Es handelt sich um eine kleinere Kommune in meinem Wahlkreis mit 12 000 Einwohnern. Ihre
Jahreszuweisung würde etwa 10 000 Euro betragen. Wir
wissen selber: Mit 10 000 Euro lässt sich nicht allzu viel
anfangen. Das heißt, die Bundesmittel würden in ähnlicher Weise den Kommunen zufließen; auch dort ist die
Möglichkeit der Verlagerung gegeben.
Ich habe von den Bundesmitteln geredet. Die Verwaltungsvereinbarung gibt den Ländern die Möglichkeit,
mit den Bundesmitteln so zu verfahren, wie ich es geschildert habe.
({0})
Dann kommen wir zur Frage 32 des Kollegen Jahr:
Ist es zulässig, dass die kleineren Kommunen ihre Vorhaben im Rahmen des Programmes „Stadtumbau Ost“ für ein
einziges Entwicklungsgebiet ausweisen, oder müssen mehrere
Entwicklungsgebiete gebildet werden?
Nach der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2002 ist das Fördergebiet durch Beschluss der Gemeinde räumlich abzugrenzen. Die Gemeinde bestimmt,
wie viele Fördergebiete sie festlegt. Das kann auch ein
einziges Gebiet sein. Sollte eine Kommune allerdings
die Zahl der Fördergebiete verringern wollen, nachdem
das Land ihr für die bisher größere Zahl von Fördergebieten Mittel bewilligt hat, so muss sie sich mit dem
Land abstimmen.
Zusatzfrage, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Das würde bedeuten, dass die Kommune mit 12 000 Einwohnern, die ich
hier als Beispiel angeführt habe, mit dem Hinweis, sie
müsse sieben Entwicklungsgebiete bilden, offensichtlich
falsch beraten worden ist.
Wenn das so ist, wie Sie es schildern, gehe ich davon
aus, dass hier ein Fehler bei der Interpretation der Städtebaufördervereinbarung vorliegt. Die Kommune kann
also auch nur ein einziges Gebiet ausweisen.
({0})
Danke schön, Herr Staatsekretär.
Wir haben jetzt in der Fragestunde nur noch eine Minute. Wir könnten noch die nächsten beiden Fragen abwickeln, Frau Kollegin Mertens.
Dann kommen wir zur Frage 33 des Abgeordneten
Kurt Segner:
Welche Gespräche mit der DB AG zum Thema „Neues
Tarifsystem“ werden vonseiten der Bundesregierung von welchem Ressort durchgeführt?
Die Fragen 33 und 34 würde ich gerne im Sachzusammenhang gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 34 des Abgeordneten
Segner auf:
Zu welchen Ergebnissen führten diese?
Aktuelle Fragen werden in den regelmäßigen Kontakten zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen und der Deutschen Bahn AG erörtert.
Die inhaltliche Gestaltung der Angebote, also der Tarife, das heißt deren Zweckmäßigkeit und Kundenfreundlichkeit, sowie die Abwicklung des Personenverkehrs und die Organisation des Verkaufs- und
Informationssystems gehören zu den rein unternehmerischen Aufgaben der DB AG, auf die das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen nach seiner
gesetzlichen Aufgabenzuweisung keinen Einfluss nehmen kann.
Sofern sich aus der unternehmerischen Sicht der
Deutschen Bahn AG die Notwendigkeit von Änderungen oder Ergänzungen ergibt, wird sie entsprechende Tarifanträge beim Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen stellen, das im Rahmen seiner Zuständigkeit deren Rechtmäßigkeit prüft.
In engem Zusammenhang zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und
der Deutschen Bahn AG wird darüber hinaus regelmäßig
auf die Notwendigkeit weiterer Verbesserungen im Verbraucherschutz hingewiesen. So konnte bereits am
12. März 2003 ein Tarif für die Familienkarte genehmigt
werden, der die unentgeltliche Mitnahme aller Kinder
unter 14 Jahren regelt. Des Weiteren wurde eine vertragliche Haftung für Ausfall, Verspätung und Anschlussversäumnis, die über die jetzige Regelung des § 17 EVO hinaus geht, eingeführt.
Es gibt keine Zusatzfragen. - Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin.
Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Ich beende diese und unterbreche die Sitzung bis 15.35 Uhr.
({0})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
Deutlich erhöhter Finanzbedarf der Bundesanstalt für Arbeit durch die unverändert hohe
Arbeitslosigkeit und Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden Gerster zur Notwendigkeit
eines Bundeszuschusses
Diese Aktuelle Stunde wurde von der Fraktion der CDU/
CSU beantragt.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das
Wort der Kollege Dr. Hermann Kues von der CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei
dieser Aktuellen Stunde geht es nicht nur um finanzielle
Aspekte, wie man zunächst meinen könnte. Es geht zwar
zum einen darum, dass es bei der Bundesanstalt für Arbeit finanzielle Probleme gibt, zum anderen geht es aber
auch darum, dass diese finanziellen Probleme und gewisse strukturelle Entscheidungen, die Sie getroffen haben und die ein riesiges gesellschaftspolitisches Problem
darstellen, Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.
Sie haben in der Arbeitsmarktpolitik Veränderungen auf
den Weg gebracht, die uns nicht weiterbringen, die die
Situation eher verschlimmern als verbessern.
({0})
Mir geht es darum, darauf hinzuweisen, dass gewachsene Strukturen, die sich auf kommunaler Ebene und bei
den freien und gemeinnützigen Trägern über Jahre hinweg bewährt haben, durch Ihre Arbeitsmarktpolitik eingerissen werden, ohne dass neue und effektive Vermittlungswege aufgebaut werden. Das kann jeder von Ihnen
nachvollziehen, weil auch Sie Tag für Tag entsprechende
Schreiben bekommen. Hier geht Kreativität verloren.
Mit modellhaften Versuchen wurde hier Geld gespart
und den Menschen wurden falsche Hoffnungen gemacht.
Ich zitiere aus einem Schreiben des Kolpingwerks im
Lande Niedersachsen:
Die leidtragenden Verlierer dieser Reform sind Arbeitslose mit Vermittlungshemmnissen, sind Langzeitarbeitslose, benachteiligte Jugendliche, die ohne
Qualifizierung und ohne professionelle Begleitung
den Sprung ins Erwerbsleben nicht realisieren können.
Ich sage: Betroffen sind insbesondere Alleinerziehende,
aber auch Frauen mit qualifizierter Ausbildung. Diese
Arbeitsmarktpolitik ist nicht nur teuer - sie sprengt den
Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit -, sie führt gesellschaftspolitisch auch in die Irre; das beweisen die Zahlen
der Bundesanstalt für Arbeit.
({1})
Sehen Sie sich die Maßnahmen des Hartz-Konzeptes
an! Es steht fest, dass sie nicht greifen und dass die Regierung sie schöngerechnet hat. Erstens. Bis zum
31. März 2003 sind durch das Programm „Kapital für
Arbeit“ mit 197 Millionen Euro gerade einmal 2 628 Arbeitsplätze gefördert worden.
({2})
Das bedeutet eine Förderung von 75 000 Euro pro Platz.
Ich sage ganz eindeutig: Das ist nicht sehr effektiv. Ich
weiß nicht, wie die erwarteten 55 000 Jobs auf diese Art
und Weise entstehen sollen. Das steht in den Sternen.
({3})
Ich komme zum zweiten Baustein nach der Beschlusslage, den so genannten Personal-Service-Agenturen.
({4})
- Das ist nicht gemeinsam beschlossen worden. - Sie
kommen nur schleppend in Gang; die Zahlen sind ernüchternd. 2003 sollen 50 000 Arbeitsplätze entstehen.
Dafür sollen 600 Millionen Euro bereitgestellt werden,
die vor allem dem Eingliederungstitel entzogen worden
sind, woraus sich unüberblickbare Folgen ergeben haben.
Herr Gerster hat noch im Februar davon gesprochen,
dass er damit rechnet, dass auf diese Art und Weise
50 000 Menschen unterkommen.
({5})
Jetzt ist nur noch von 25 000 die Rede. Das bedeutet eine
Halbierung innerhalb von drei Monaten. Ich zitiere aus
einer Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung, die gestern auf unseren Tisch gekommen ist und in der auch eine Einschätzung vorgenommen wird. Dort heißt es wörtlich:
Es ist zu befürchten, dass die erhofften beschäftigungspolitischen Impulse des Reformansatzes verpuffen.
Es heißt zwar, dass alte Fesseln gelöst worden seien. Es
seien aber neue angelegt worden.
({6})
Was also ist das Ergebnis dieser Gesetzgebung? Die
Hartz-Gesetze verursachen Mehrkosten. Sie nehmen dafür in Kauf, dass Strukturen wegbrechen, die sich nach
meiner festen Einschätzung zumindest teilweise als unersetzlich erwiesen und auch bewährt haben. Was ich vor
allen Dingen sehe, ist, dass die vielen guten Ansätze, die
in den Landkreisen und im ländlichen Raum entwickelt
worden sind, den Bach runtergehen. Das halte ich für unverantwortlich.
({7})
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich Krista Sager,
der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, zustimmen, die
letzte Woche erklärt hat: „Man kann das alte Haus nicht
abreißen, bevor das neue steht.“ Sie hat weiterhin ausgeführt: „Gerster muss den Übergang so gestalten, dass
nicht am Ende ein Scherbenhaufen übrig bleibt.“ Dazu
sage ich: In diesem Bereich sind wir beim Scherbenhaufen längst angelangt.
({8})
Abschließend möchte ich deutlich machen: Ich habe
ohnehin meine Probleme mit einer zentralistisch aufgebauten Arbeitsverwaltung. Bei allen weiteren Ansätzen,
über die wir diskutieren, muss daher gelten: Wenn wir es
nicht schaffen, die Dinge zu dezentralisieren und sie mit
den entsprechenden Mitteln in die Zuständigkeit der
kommunalen Ebene zu geben, dann werden wir nie zu
maßgerechten Lösungen kommen. Damit helfen wir
nicht den Arbeitslosen. Zudem ist es eine ungeheuer
teure Veranstaltung, die dazu führt, dass die Haushalte
weiter explodieren.
Vielen Dank.
({9})
Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehren Damen und Herren! Darüber, dass sich eine steigende Arbeitslosigkeit
auch im Bereich des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit auswirkt und dort wie auch im Bundeshaushalt zumindest saisonal zu einem erhöhten Finanzbedarf und steigenden Haushaltsrisiken führt, kann kein Streit bestehen.
({0})
Ein Rückgang der Beschäftigung wirkt sich nun einmal
negativ auf die Einnahmen des Bundes wie auch der
Bundesanstalt aus. Zugleich erhöhen sich die Folgen der
steigenden Arbeitslosigkeit und insbesondere die Ausgaben für das Arbeitslosengeld.
Im März zählten die Arbeitsämter rund 4,6 Millionen
Arbeitslose. Das waren rund 450 000 mehr als vor Jahresfrist. Die Beschäftigung hat sich im Dezember 2001
auf Dezember 2002 um 396 000 verringert. 100 000 Arbeitslosengeldempfänger kosten die Bundesanstalt rund
1,5 Milliarden Euro. 100 000 Beschäftigte weniger verringern die Einnahmen um 200 Millionen Euro. Unbestreitbar ist deshalb: Bis Ende März hat die Bundesanstalt rund 2,8 Milliarden Euro mehr ausgegeben als
eingenommen. Diese Zahl ist bekannt. Ich will sie auch
gar nicht schönreden.
({1})
Darum geht es überhaupt nicht.
Dieses Zwischenergebnis darf aber nicht ohne weiteres hochgerechnet werden,
({2})
weil im Winter saisonbedingt immer mehr Geld ausgegeben als eingenommen wird. Das können Sie sich in jedem Haushaltsjahr anschauen. Deswegen müssen Sie
keine Zwischenrufe machen. Das ist so. Mit zurückgehender Saisonarbeitslosigkeit entwickeln sich auch die
Haushaltszahlen wieder günstiger.
({3})
Es ist deshalb nach einem Vierteljahr noch zu früh,
schon Prognosen über die Entwicklung für das Gesamtjahr abgeben zu wollen. Dies wäre unseriös. Die Bundesregierung wird sich deshalb nicht an der Kaffeesatzleserei beteiligen.
({4})
Wir arbeiten gemeinsam mit der Bundesanstalt energisch
an der Verwirklichung von Maßnahmen, um die Beschäftigungsquote zu verbessern. Wir werden auf der
Ausgabenseite alle denkbaren Effizienzgewinne ausschöpfen. Dabei setzen wir gemeinsam mit dem Vorstand der Bundesanstalt auf neue Instrumente, die mit
dem Namen Hartz verbunden sind.
({5})
Dadurch erhält das System der Arbeitsvermittlung eine
Vielzahl neuer Impulse. Spürbare Wirkungen können
aber erst im Laufe des Jahres erwartet werden. Ich sage
Ihnen vorher: Wir werden dann auf der Ausgabenseite
der Bundesanstalt erhebliche Einspareffekte erleben.
({6})
Entscheidendes Element für die Beherrschbarkeit der
Haushaltsrisiken ist aber, dass im Laufe des zweiten
Halbjahres tatsächlich eine substanzielle Erholung der
Konjunktur einsetzt. Wenn wir diese Erwartung - etwa
aufgrund der unkalkulierbaren Auswirkungen des Irakkriegs - aufgeben müssten, dann werden wir nicht umhin kommen, aber auch nicht zögern, auch im Haushalt
die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Weshalb aber
heute schon die Pferde scheu machen und die betroffenen Menschen verunsichern?
({7})
Ausdrücklich festhalten möchte ich an dieser Stelle
aber, dass die Bundesregierung selbstverständlich die
notwendige Liquidität der BA jederzeit sicherstellen
wird,
({8})
auch wenn zunächst im erst vor kurzem in zweiter und
dritter Lesung gebilligten Haushalt 2003 ein Nullzuschuss vorgesehen ist.
({9})
Diesem Nullzuschuss an die BA und dem Haushalt insgesamt ist die aktuelle Projektion der Bundesregierung
zugrunde gelegt.
({10})
Diese geht 2003 von einem realen Wirtschaftswachstum
in Höhe von rund 1 Prozent
({11})
und einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von
4,2 Millionen aus. Die Projektion ist unter Berücksichtigung aller vorhandenen und relevanten Informationen
mit der notwendigen Sorgfalt und Vorsicht erstellt worden.
({12})
Sie berücksichtigt nicht - und sie kann dies auch gar
nicht berücksichtigen - die bereits angesprochenen Auswirkungen des Irakkonflikts auf die weitere konjunkturelle Entwicklung.
({13})
Ich möchte ganz deutlich herausstellen: Die Auswirkungen des Irakkriegs auf die weltwirtschaftliche Entwicklung und die nationale Wirtschaftsentwicklung sind auch
aus heutiger Sicht noch nicht seriös abschätzbar.
({14})
Natürlich sind heute die wirtschaftlichen Risiken gewachsen. Aber es steht keineswegs schon fest, ob und,
wenn, inwieweit eine Verschlechterung der konjunkturellen Situation anzunehmen ist. Deshalb sind auch die
finanziellen Auswirkungen noch nicht zuverlässig abschätzbar. Die Vorgaben des von uns beschlossenen
Haushalts sind durchaus ehrgeizig und erscheinen vor
dem Hintergrund der aktuellen Zahlen noch ehrgeiziger.
Das haben wir aber auch nie bestritten. Sie setzen voraus, dass die Reformen, die wir zum Aufbrechen der
Verkrustung am Arbeitsmarkt durchgeführt haben und
durchführen werden, greifen und die deutsche Wirtschaft
im weiteren Jahresverlauf wieder besser Tritt fasst.
({15})
Statt hier allwöchentlich das gleiche Ritual zu veranstalten, sollten wir besser alle gemeinsam daran arbeiten,
dies auch zu erreichen.
({16})
Es ist überhaupt kein Geheimnis, dass Mitte Mai die
neuen Zahlen vom Arbeitskreis Steuerschätzung vorgelegt werden. Hierzu wird auch die Bundesregierung wie
üblich ihre - aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklungen gegebenenfalls überarbeitete - Einschätzung der
wirtschaftlichen Entwicklung für das Jahr 2003 präsentieren.
Die weltwirtschaftliche Projektion des IWF und die
Einschätzung der europäischen Wirtschafts- und Finanzentwicklung durch die EU-Kommission liegen dann
ebenfalls vor. Sollte sich herausstellen, dass die Projektion insbesondere vor dem Hintergrund der Tatbestände,
die ich schon geschildert habe, korrigiert werden muss,
werden wir die notwendigen Konsequenzen auch für den
Bundeshaushalt ziehen. Wir werden dabei ebenso unseren Verpflichtungen gegenüber unseren europäischen
Partnern nachkommen wie auch den dann gegebenenfalls gebotenen konjunkturpolitischen Erfordernissen
Rechnung tragen.
Nichts wäre aber falscher, als jetzt in Panik zu verfallen. Entscheidungen müssen und werden, wenn sie denn
erforderlich sind, auf der Grundlage gesicherter Informationen und solider Analysen gefällt werden. Bis dahin
sollten wir uns gemeinsam auf das zentrale Ziel konzentrieren, die Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen für Deutschland zu verbessern, und das vom Bundeskanzler formulierte Programm, die Agenda 2010,
schnell umsetzen und mit Leben füllen.
({17})
Das schafft auch bei Investoren und Konsumenten das
notwendige Zukunftsvertrauen. Die Menschen wollen
adäquate und verlässliche Antworten auf die großen Herausforderungen, vor denen die Wirtschafts- und Finanzpolitik steht. Sie wollen keine reine Effekthascherei,
({18})
wie Sie sie jede Woche von neuem veranstalten. Deswegen empfehle ich Ihnen, bei den Tatbeständen zu bleiben, die wir kennen und mit denen wir vernünftig umgeParl. Staatssekretär Gerd Andres
hen können. Die Bundesregierung wird sich jedenfalls
daran halten und danach handeln.
Herzlichen Dank.
({19})
Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel von der FDPFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich bin immer besonders angetan, wenn sich der
Kollege Küster freut, dass ich reden darf. Es ist gut, dass
er die Gelegenheit nutzt, hier noch etwas dazuzulernen.
Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass wir den
Haushalt des Jahres 2003 beschlossen haben. Es ist genauso, wie wir es damals schon gesagt haben: Er war damals schon nicht das Papier wert, auf den ihn diese Bundesregierung geschrieben hat.
({0})
Uns wurde ein Haushalt vorgelegt, von dem wir aufgrund der Fakten, Herr Staatssekretär, und der Arbeitsmarktzahlen, die man täglich bzw. monatlich den Medien entnehmen kann, wussten und wissen, dass er nicht
so durchzuhalten ist, wie Sie es den Menschen vorzumachen versuchen. Sie versuchen, die Menschen hinters
Licht zu führen. Das Schlimme ist: Es gibt leider immer
wieder welche, die gutgläubig genug sind, Ihnen zu
glauben.
Noch zu Beginn des Jahres hat der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Gerster, im
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit festgestellt, die Anstalt werde ohne Bundeszuschuss auskommen. Das hat
die FDP übrigens lange gefordert und mehrfach beantragt. Vor einem Monat begann Herr Gerster zu äußern,
die Anstalt werde so lange wie möglich ohne Bundeszuschuss auskommen. Darauf erfolgte keine Reaktion von
Rot-Grün.
Mittlerweile wissen wir: Die Zahl der Arbeitslosen
betrug im vergangenen Monat 4,6 Millionen und es gibt
ein Defizit von 2,8 Milliarden Euro, das man zwar nicht
hochrechnen kann, das aber durchaus eine Tendenz erkennen lässt. Wer einen Blick zurück auf das Jahr 2002
wirft, Herr Staatssekretär, wird feststellen, dass der vorgesehene Zuschuss in Höhe von 2 Milliarden Euro um
weitere 3,6 Milliarden Euro auf insgesamt 5,6 Milliarden Euro erhöht werden musste, um die Arbeitsmarktpolitik dieser rot-grünen Regierung finanzieren zu können.
Sie schaffen nämlich keine Arbeitsplätze, sondern Sie
vernichten sie.
({1})
Wir haben als FDP-Bundestagsfraktion bei den Haushaltsberatungen beantragt, zumindest den Ansatz für Arbeitslosenhilfe auf 14,8 Milliarden Euro zu erhöhen. Das
ist nämlich derselbe Betrag, der im vergangenen Jahr für
die Arbeitslosenhilfe aufgebracht wurde. Bei Ihrer Politik war es schließlich absehbar, dass die Situation nicht
besser, sondern eher noch schlechter werden wird. Sie
haben unsere Forderung abgelehnt und für das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einen Haushalt
mit einem Volumen von 18,5 Milliarden Euro vorgelegt.
Davon entfallen 12,3 Milliarden Euro auf die Arbeitslosenhilfe. Der nächstgrößere Posten mit 2,8 Milliarden
Euro ist schon die Steinkohlesubvention. Das ist ein
Haushalt für Arbeitslosenhilfe und Steinkohle, aber er
setzt keine Impulse für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze.
({2})
Auf der anderen Seite steht der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit mit insgesamt 53,3 Milliarden Euro,
von denen allein 21,5 Milliarden Euro für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen sind. Das ist ein Haushalt,
der dem Zugriff des Parlaments nicht zugänglich ist,
weil er vom Vorstand aufgestellt, vom Verwaltungsrat
festgestellt und von der Bundesregierung genehmigt
wird. Das heißt, die Arbeitsmarktpolitik unterliegt hinsichtlich der finanziellen Ansätze im Wesentlichen keiner Kontrolle durch das Parlament. Im Gegenteil: Er unterliegt der Kontrolle des Verbändestaates, in dem die
stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Frau Dr. Engelen-Kefer, zum 1. April
auch noch die Vorsitzende des Verwaltungsrates geworden ist.
({3})
Das kann doch angesichts der Tatsache, dass das bfw des
DGB der größte Bildungsträger in der Bundesrepublik
Deutschland ist und dass die Deutsche AngestelltenAkademie der zweitgrößte ist, nicht wahr sein! Letztere
gehört Verdi.
({4})
Verdi sitzt der grüne Gewerkschaftsfunktionär Bsirske
vor. Das ist derselbe Mann, der sich als stellvertretender
Aufsichtsratsvorsitzender bei der Lufthansa mit seiner
Gewerkschaft selbst bestreikt hat. Wenn das keine ungesunde Verquickung ist, dann möchte ich wissen, wo Filzvorwürfe sonst noch möglich sein können.
({5})
Um dem für die Zukunft entgegenzuwirken und dafür
zu sorgen, dass Arbeitsmarktpolitik wieder effektiv für
die Eingliederung der Menschen genutzt wird, ist die
Redemokratisierung der Arbeitsmarktpolitik notwendig.
Wir brauchen die Trennung der Bundesanstalt für Arbeit
in eine Versicherungsagentur, die die Versicherungsleistungen der Arbeitslosenversicherung verwaltet, und in
eine Arbeitsmarktagentur, die aus Steuermitteln finanziert
und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
zugeordnet wird und die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben neu organisiert.
({6})
Das führt dann auch dazu, dass die Bekämpfung der
Langzeitarbeitslosigkeit, der Jugendarbeitslosigkeit
({7})
- seien Sie still und hören Sie zu! ({8})
und andere gesamtgesellschaftliche Aufgaben vom Steuerzahler finanziert werden, dass Spielräume für Beitragssenkungen entstehen, dass der Faktor Arbeit entlastet
wird und dass auf diesem Wege in der Bundesrepublik
Deutschland endlich wieder Arbeit ermöglicht werden
kann.
({9})
Sie verweigern sich mit Ihrer Politik dem Ziel der Integration der Arbeit suchenden Menschen. Sie blenden
den Sachverstand der Kommunen in den Jobcentern aus
und verlagern - wahrscheinlich auch noch auf Kosten
der Kommunen - die Arbeitslosenhilfe in das neue Konstrukt des Arbeitslosengeldes II. Nach Ihren derzeitigen
Vorstellungen im Hartz-Konzept werden Kostenentscheidungen zulasten der Kommunen getroffen. Das
kann nicht gesund sein. Deswegen müssen Sie neue
Wege gehen.
Folgen Sie unseren Vorschlägen: Dezentralisieren Sie
die Bundesanstalt für Arbeit! Teilen Sie sie in eine Versicherungs- und eine Arbeitsmarktagentur auf! Sorgen Sie
dafür, dass Versicherungsleistungen von den Beitragszahlern und gesamtgesellschaftliche Aufgaben von allen
Steuerzahlern finanziert werden, und bekämpfen Sie jeden auch nur möglichen Vorwurf von Verfilzung im Verbändestaat! Das bedeutet für Sie, neue Wege zu gehen.
Schaffen Sie die Selbstverwaltungen ab, in denen die
Vertreter der Arbeitgeberverbände, die Funktionäre der
Gewerkschaften und diejenigen, die ihre öffentlichen
Hände am liebsten in den Taschen der Bürger haben,
versuchen, das Geld unter sich aufzuteilen! Das ist nicht
zukunftsweisend.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich bin nach den vorangegangenen beiden Rednern der Oppositionsfraktionen ein bisschen ratlos geblieben.
({0})
- Ich habe überhaupt keine Probleme, auf Ihre Belustigung einzugehen; denn ihre Zurufe betreffen nicht den
Kern des Problems.
Die Fraktion der CDU/CSU hat eine Aktuelle Stunde
zu dem Thema „Deutlich erhöhter Finanzbedarf der
Bundesanstalt für Arbeit durch die unverändert hohe Arbeitslosigkeit“ verlangt. Aber weder der Kollege von der
CDU/CSU noch der Kollege von der FDP - Letzterer
schon gar nicht - war imstande, zu diesem Thema zu argumentieren.
({1})
Sie bleiben also dort stehen bzw. - um es präziser zu sagen - bewegen sich dorthin, wovon ich Ihnen schon vor
einer Woche abgeraten habe, nämlich in die Blockiererecke. Sie beginnen, politisch zu blockieren, weil Sie sich
darauf ausruhen, dass es wegen der weit schlechteren
konjunkturellen Entwicklung und der weit schlechteren
Situation auf dem Arbeitsmarkt ein milliardenschweres
Risiko bei der Finanzierung der Bundesanstalt für Arbeit
gibt. Darauf weisen wir schon seit Wochen hin.
({2})
- Ich habe darauf Wert gelegt - Kollege Austermann
weiß das -, dass dies nicht geleugnet wird. Sie wollen
uns hier - das kann ich noch verstehen - ein bisschen
mehr festnageln.
Das, was Sie machen, ist aber zu wenig. Die Menschen
in diesem Land, insbesondere diejenigen ohne Arbeit, erwarten mehr von uns. Sie erwarten, dass wir auch in
schwieriger Lage auf der politischen Ebene Veränderungen herbeiführen. Dafür reicht Ihr Gejammer nicht aus.
({3})
Ich möchte das konkretisieren. Das, was Ihr Kollege
zur neuen Arbeitsmarktpolitik gesagt hat, war ja - ironischer kann man das an dieser Stelle nicht formulieren unglaublich zielführend. Er hat zwar gejammert, alles,
was wir im Hinblick auf den Arbeitsmarkt täten, sei zu
teuer. Aber im gleichen Atemzug hat er gefordert, alles
müsse so bleiben, wie es sei; denn die bestehenden Instrumente hätten sich bewährt.
({4})
Ich sage Ihnen: Nein, wir brauchen auch neue Instrumente in der Arbeitsmarktpolitik. Wachen Sie auf!
({5})
Wir brauchen eine schnellere Vermittlung durch die
PSAs. Diese dürfen auch Geld kosten und in Wettbewerb
zu bewährten Instrumenten treten. Sie sind in einer
Blockierer- und Verweigererecke. Sie spielen ein ganz
seltsames, sozialpolitisch unglaubwürdiges Spielchen
und haben Angst, Ihre eigenen Forderungen von vor einigen Monaten, insbesondere diejenigen der eigenen
Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, durchzudeklinieren. Das ist sehr billig.
({6})
Wir wissen um die Risiken, die wir eingehen. Wir
glauben aber, dass wir trotz des konjunkturellen Risikos
und des Haushaltsrisikos zu Strukturveränderungen
kommen müssen. Wir werden das auch schaffen. Sie
kennen ja die Maßnahmen. Schließlich haben Sie im Dezember letzten Jahres die Hartz-Gesetze mit beschlossen. Dahinter verstecken sich ja die entsprechenden
Maßnahmen. Stehen Sie zu Ihren eigenen Entscheidungen!
({7})
Wir werden, wie gesagt, für Veränderungen sorgen.
Ich sehe es angesichts der jetzigen Entwicklung aber
sehr kritisch, ob wir an einem Nullzuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit festhalten können; denn der Nullzuschuss ist - darauf haben wir immer gesetzt - von einer
wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Jahreshälfte
abhängig. Ich wage zu bezweifeln, dass diese eintreten
wird. Wir wissen auch, dass wir demnächst mit neuen
Wachstumsprognosen für Deutschland rechnen müssen,
die keinen Anlass zur Freude geben werden.
Ich bleibe aber dabei: Auch in diesen schwierigen
konjunkturellen Zeiten müssen wir Strukturveränderungen vornehmen. Die Bundesanstalt für Arbeit muss effizienter werden. Ich erwarte, dass angesichts der schwierigen Lage auch die Opposition bereit ist, in der
Öffentlichkeit zuzugeben, dass sie bestimmte Einschnitte - wenn man mit Ihnen auf dem Flur spricht, gestehen Sie ein, dass Sie diese richtig finden - befürwortet.
({8})
Sie können zwar im Detail Alternativen vorschlagen.
Aber ich akzeptiere es nicht - ich glaube auch nicht, dass
Sie damit glaubwürdig sind -, dass Sie uns eine unsoziale Politik vorhalten.
({9})
Ich fand das, was Ihr Kollege vorhin dazu gesagt hat,
überzogen.
({10})
- Sie haben ja Gelegenheit, Ihre Äußerung dazu zu ändern.
Wir machen uns auf den Weg, neue Instrumente für
die Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. Wir werden - das
sage ich abschließend - Ernst machen damit, Übergänge
zu erleichtern. In diesem Zusammenhang wurde vorhin
auf meine Fraktionsvorsitzende hingewiesen. Wir wissen, dass Veränderungsprozesse schmerzhaft sind. Wir
wissen aber auch, dass man Veränderungsprozesse gestalten kann.
({11})
Dessen nehmen wir uns an. Wir handeln konkreter, als
ich es von Ihnen gehört habe.
({12})
Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer von
der CDC/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt zwei Gemeinsamkeiten zwischen der rotgrünen Bundesregierung und der Spitze der Bundesanstalt für Arbeit.
({0})
- Auch das.
Erstens. Ankündigungen und feierliche Versprechungen entpuppen sich als Luftbuchungen.
Zweitens. Die Schulden wachsen sowohl der Bundesregierung als auch der Bundesanstalt über den Kopf. Die
Menschen wissen nicht mehr, wem und wie lange sie
diesen Ankündigungen noch vertrauen können. Die
Sorge greift um sich.
Wir haben gehört - auch von Ihnen, Herr Staatssekretär Andres -, dass die Zahl der Arbeitslosen deutlich
über allen Prognosen liegen wird. Im Schnitt dieses Jahres wird sie die Prognosen, die den Finanzplänen zugrunde liegen, um mehrere Hunderttausend übersteigen.
Wenn das so weiterginge, würde das bedeuten, dass die
Bundesanstalt für Arbeit Ende des Jahres 8 Milliarden
Euro Miese schreiben müsste. Wenn die Bundesanstalt
ein Privatunternehmen wäre, was sie Gott sei Dank nicht
ist, dann müsste sie den Gang zum Konkursrichter antreten. In dieser dramatischen Situation kommt es vor allen
Dingen darauf an, wieder zu Seriosität und Ehrlichkeit
zurückzukehren. Man darf den Mund nicht zu voll nehmen. Spätestens jetzt muss man reinen Tisch machen
und den Menschen sagen, wie schlimm die Situation ist.
({1})
Dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit empfehle ich,
mit Prognosen vorsichtig zu sein, denn sonst kann er
leicht von der rot-grünen Wunderwaffe - so wurde er
noch vor einem Jahr vom Bundeskanzler angekündigt schnell zum Rohrkrepierer werden. Herr Gerster hat vor
seinem Amtsantritt noch die Einschätzung vorgetragen,
die Mammutbehörde BA könne sich langfristig von der
Hälfte ihrer 90 000 Mitarbeiter trennen. Davon ist inzwischen keine Rede mehr.
Dann wurde versprochen, den Tanker Bundesanstalt
sehr rasch umzubauen. Aber 25 Projektgruppen und fünf
externe Unternehmensberatungen ersetzen noch lange
keinen Kurswechsel.
Dann wurde angekündigt, dass sich 10 Prozent der
Mitarbeiter in den Arbeitsämtern, jedenfalls deutlich
mehr als bisher, mit der eigentlichen Kernaufgabe, der
Vermittlungstätigkeit, befassen sollen. Heute kümmern
sich kaum mehr als die ursprünglichen 8 500 Mitarbeiter, nämlich 12 500 Mitarbeiter um diese Kernaufgabe.
An dieser Stelle möchte ich aber auch unmissverständlich sagen, dass sich unsere Kritik nicht gegen die
Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit richtet. Sie haben unseren Dank und unsere Anerkennung verdient,
weil sie sich in einem ständig wechselnden Vorschriftengespinst zurechtfinden müssen. Die Bundesanstalt für
Arbeit verbreitet mit einem Ausstoß an neuen Verordnungen in Rekordhöhe Verunsicherung. Die Mitarbeiter
müssen trotzdem Kurs halten und die enorm schwierige
Aufgabe der Vermittlung, Betreuung und Fortbildung
der Arbeitslosen leisten. Dafür herzlichen Dank von dieser Stelle!
({2})
Die entscheidenden Ursachen für den Anstieg der Arbeitslosenzahlen und für die Finanzprobleme der Bundesanstalt für Arbeit liegen natürlich bei der Bundesregierung und bei dem rapiden wirtschaftlichen Verfall.
Natürlich wirkt sich das auf die Finanzsituation der Bundesanstalt aus. Deshalb sage ich an dieser Stelle:
Deutschland braucht einen Sanierungsplan, wie Edmund
Stoiber ihn vorgestellt hat. Andernfalls verlieren Tag für
Tag 1 100 Menschen in Deutschland ihren Arbeitsplatz.
Alle 15 Minuten meldet in unserem Land ein Unternehmen Konkurs an. Wir wollen das ändern, weil das nicht
mehr länger zu ertragen ist!
({3})
Die Schulden und die Finanzprobleme, die bei der
Bundesanstalt für Arbeit jetzt auftreten, sind auch deshalb so problematisch, weil wir statt mehr Schulden eine
Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
brauchen. Niemand bestreitet ernsthaft, dass eine Zielmarge von 5 Prozent wünschenswert ist. Klar ist auch:
Die Finanzprobleme werden durch eine Senkung der
Beiträge nicht kleiner.
Ich empfehle der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen deshalb: Legen Sie möglichst rasch ein
Programm vor, aus dem hervorgeht, wie Sie die Kosten
der Arbeitslosenversicherung senken wollen! Darüber
wollen wir gerne diskutieren. Wir wollen nicht darüber
diskutieren, wie Sie die ständig anfallenden neuen
Schulden bewältigen können, sondern darüber, wie Sie
die Lohnnebenkosten senken wollen. Diese Senkung ist
die Grundlage für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
({4})
In diesem Bereich gibt es viel zu tun.
Ich empfehle Ihnen an dieser Stelle - befolgen Sie zumindest in diesem Fall einmal unseren Ratschlag! -: Lenken Sie Ihren Blick auf die so genannten Nichtleistungsempfänger, die natürlich ebenfalls Leistungen empfangen!
Die Nichtleistungsempfänger sind Teilleistungsempfänger, weil sie beispielsweise in der Rentenversicherung Anwartschaften erhalten. Machen Sie Vorschläge, wie in diesem Bereich gespart werden kann! Wir diskutieren mit
Ihnen gerne darüber, aber nicht ständig über neue Schulden.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Kröning von
der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist weder
aktuell noch originell.
({0})
Was sind die Fakten? Ich stelle diese Frage, weil die
Fakten die Voraussetzung für eine politische Bewertung
sind. Von dieser Haltung sollten wir uns auch durch Ihren wöchentlichen Extraauftritt in der Aktuellen Stunde
nicht abbringen lassen.
({1})
Die Union hat vor drei Wochen, als wir den
Bundeshaushalt 2003 beraten und beschlossen haben,
keinen Antrag gestellt, der dazu aufforderte, einen Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit einzustellen. Ich habe in der damaligen Debatte darauf hingewiesen, dass keine Fraktion einen solchen Antrag gestellt
hat, auch die der FDP nicht.
({2})
- Aha, so drücken Sie sich vor der Verantwortung. Das
müssen wir einmal zu Protokoll nehmen.
({3})
Was hat sich seither geändert? Die Zahl der Arbeitslosen im März ist gegenüber der Zahl vom Februar, die wir
vor drei Wochen kannten, nicht gestiegen, sondern leicht
gesunken.
({4})
Wer will sagen, dass wir keine weitere Entspannung auf
dem Arbeitsmarkt von Monat zu Monat erreichen werden? Wer stellt sich hin und stellt solch eine Negativprognose? Das trauen Sie sich nicht, wenn Sie sich nicht
endgültig ins Abseits stellen wollen.
({5})
Zugegeben: Auch das Wirtschaftswachstum lässt zu
wünschen übrig. Doch es ist wie immer: Das Durcheinander der Prognosen bleibt. Es ist nicht mehr von
1 Prozent oder einer Schwankung zwischen 1,2 Prozent
und 0,6 Prozent die Rede, sondern von 0,5 Prozent oder
weniger.
({6})
Doch wer sagt, ob das noch in vier Wochen gilt, wenn
der Irakkrieg hoffentlich beendet ist und nicht nur die
nationale, sondern auch die europäische Politik an die
Folgenbeseitigung herangeht?
Die Vorlage des Haushaltsentwurfs 2004 und des
Finanzplans 2007 sind für die Bundesregierung und die
Koalition die nächste Station bei der Beurteilung des
Haushaltsvollzugs 2003. Vorher wird uns die Steuerschätzung vorliegen, und vorher ist von Berlin nach
Brüssel zu melden - auch das muss hier immer wieder
gesagt werden -, was bei der Bekämpfung der Strukturprobleme in den Bereichen Arbeit und Wirtschaft und im
Bereich der sozialen Sicherungssysteme auf den Weg gebracht worden ist.
Erst in der letzten Woche hat die zuständige Generaldirektion gegenüber der deutschen Presse klargestellt:
Die EU-Kommission unterstützt den deutschen Kurs; es
ist für die EU-Kommission kein Thema - Sie wollen der
Bevölkerung in dieser Hinsicht Angst machen -, ob wir
2003 mit einem Defizit knapp unter oder knapp über
3 Prozent abschließen werden, vorausgesetzt bis dahin
stehen die entsprechenden Gesetzesbeschlüsse des Bundestages und hoffentlich auch des Bundesrates im Gesetzblatt. Dafür ausschlaggebend, ob wir Deutschland
aus dem Reformstau und aus dem Nachwahlkampf herausführen, ist, ob die Koalitionsfraktionen und die
große Oppositionsfraktion die nötigen Entscheidungen
einvernehmlich treffen.
Was Herr Gerster sagt, ist immer interessant, vor allem wenn man daran denkt,
({7})
dass nicht nur der ehemalige Bundestagsabgeordnete
und Landesminister, sondern auch der Spitzenmanager
der BA aus ihm spricht. Seine Aufgabe - das müssen wir
doch einmal festhalten - steht der Reform der Bahn und
der Reform der Post in nichts nach. Wir müssen ihm dabei jede mögliche Unterstützung geben.
Herr Gerster hat den Haushalt seiner Anstalt aufgestellt. Es ist klar, dass die Prognosen, die damals zugrunde gelegen haben,
({8})
augenblicklich nicht mehr tragfähig erscheinen. Es
könnte sein, dass sie sich als überholt erweisen, wenn
wir am Ende des zweiten Quartals eine Zwischenbetrachtung anstellen.
({9})
Bis dahin erlaubt der Haushalt - das möchte ich betonen,
damit in unserem Lande auch Vertrauen in die Reform
wächst -, wie im Vorjahr, zu steuern. Die Zahlungsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit ist nicht in Gefahr.
({10})
Die Bundesanstalt ist sogar in der Lage, mit den
Haushaltsinstrumentarien, über die wir verfügen und von
denen ich in der Debatte neulich gesprochen habe, sozial
und regional Rücksicht zu nehmen und dafür zu sorgen,
dass die Arbeitsmarktreform nicht im Sturzflug, sondern
im Gleitflug realisiert wird.
Der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit hat das
Vertrauen der SPD-Fraktion. Ich spreche ausdrücklich
von Herrn Gerster und den anderen beiden Herren,
Herrn Alt und Herrn Weise,
({11})
die uns in vielen Gesprächen zur Verfügung stehen. Sie
machen auf uns einen überzeugenden Eindruck, auch
dann, wenn wir sie nicht nur an der Mattscheibe oder in
Aktuellen Stunden hier zu beurteilen haben.
Wir sind der Gesetzgeber und der Budgetgeber, aber
wir sind nicht Teil der Selbstverwaltung. Ich empfehle
Ihnen, Herr Niebel, bis zur nächsten Debatte über die
Bundesanstalt das Verhältnis zwischen Demokratisierung und Dezentralisierung einer solchen Organisation
zu klären.
Zum Schluss zur haushaltspolitischen Verantwortung,
die auch Sie mittragen, wenn Sie nicht nur das Einzelne,
sondern das Ganze im Auge haben. Sie haben heute
Abend Gelegenheit, im Vermittlungsausschuss dazu beizutragen, und Sie werden mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat
noch bei anderen Gelegenheiten dazu beitragen können,
dass die zustimmungsbedürftigen Gesetze verabschiedet
werden und wir die Erwartungen in Brüssel an eine stabilitäts- und wachstumsorientierte Politik auch erfüllen.
Die Aktuelle Stunde war nicht weiterführend. Weiterführend wäre es, wenn die Union den Streit in ihren Reihen klären und entscheiden würde, ob Koch oder Merkel
oder Stoiber oder Merz oder wer auch immer das Sagen
bei ihr hat.
({12})
Ich hoffe, dass wir endlich zu der Gemeinsamkeit zurückfinden, die wir vor drei Monaten bei der Einleitung der
Arbeitsmarktreform noch unter Beweis gestellt haben.
Danke schön.
({13})
Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs von der
CDU/CSU.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Ich möchte als Allererstes aus einer Vorlage des Bundesfinanzministerium vom 12. Dezember zitieren:
Der Sach- und Personalhaushalt der BA für das
Haushaltsjahr 2003 schafft den Ausgleich zwischen
der notwendigen Konsolidierung der Staatsfinanzen
und der Fortführung der aktiven Arbeitsförderung
auf hohem Niveau.
So haben Sie das damals gesehen, verehrter Herr
Andres. Nach dem, was Sie heute hier erzählt haben,
glaube ich, dass Sie nach den Gebrüdern Grimm wohl
der zweitbeste Märchenerzähler dieser Nation sind. Das
ist vielleicht ein Job, den Sie später einmal übernehmen
können.
({0})
Gott sei Dank haben Sie wenigstens einmal zugegeben, Herr Andres, dass es bei der Bundesanstalt bereits
jetzt ein Defizit von 2,8 Milliarden Euro gibt. Sie werden
das nicht wegreden können, indem Sie sagen: Das sind
saisonale Einflüsse, das ist ein Zufall. - Das ist die Situation der Bundesanstalt!
Ich will Ihnen eines sagen - das ist keine Hellseherei -:
Wir werden in diesem Jahr bei einem Zuschuss von
8 Milliarden Euro landen. Das ist ziemlich einfach errechenbar. Sie haben im Jahreswirtschaftsbericht prognostiziert, dass wir durchschnittlich 4,14 Millionen Arbeitslose haben werden. In den ersten drei Monaten waren
pro Monat über 500 000 Menschen mehr in Arbeitslosigkeit, als Sie prognostiziert haben. Dann rechnen Sie
doch bitte! Wenn Sie Ihre eigenen Zahlen von eben zugrunde legen, dann werden Sie sehr schnell feststellen,
dass meine Prognose von 8 Milliarden Euro - eher noch
plus x - eintreffen wird und dass Sie damit an die Wand
fahren.
Sie werden den Haushalt der Bundesanstalt an die
Wand fahren, Sie werden den Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit - da sind Sie mit
verantwortlich - an die Wand fahren und Sie werden den
Bundeshaushalt an die Wand fahren; denn Ihre Prognose, mit der Neuverschuldung von 18,9 Milliarden
Euro auszukommen, ist - das kann man heute schon mit
absoluter Sicherheit sagen - nicht haltbar. Sie ist nicht
das Papier wert, auf dem sie steht.
Meine Damen und Herren, Sie haben riesiges Glück
gehabt: In der Haushaltswoche haben wir uns im Wesentlichen mit dem Irakkrieg beschäftigt. So dramatisch
er auch sein mag, dadurch wurde aber verhindert, dass
die Bürger in diesem Lande erfahren konnten, woran sie
wirklich sind und wie dramatisch die wirtschaftliche Situation wirklich ist.
({1})
Die Lüge um den Nullzuschuss reiht sich für mich in
die Geschichten ein, mit denen uns der Bundeskanzler,
zuletzt in Hannover, weismachen will, die Lage sei besser als die Stimmung. Ich würde sagen, die Stimmung
passt sich langsam der katastrophalen Lage überhaupt
erst an: Steuerausfälle und mehr Finanzbedarf bei der
Arbeitslosen-, der Renten- und der Pflegeversicherung;
von der Krankenversicherung will ich überhaupt nicht
reden. Angesichts der Lage der Rentenkasse wird ja
schon wieder über Beitragserhöhungen spekuliert. So hat
das BfA-Vorstandsmitglied Christian Zahn gesagt, es
gebe deutliche Liquiditätsengpässe.
({2})
Die Zuschüsse für die Rentenversicherung - auch das
muss den Bürgern immer wieder gesagt werden - belaufen sich in diesem Jahr auf 77,3 Milliarden Euro; das
sind 31,2 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes.
({3})
Daraus resultiert, dass der gesamte Bundeshaushalt
auseinander fliegt. Das fängt beim Bedarf der Bundesanstalt für Arbeit an, wo ich ein Defizit in Höhe von
8 Milliarden Euro prognostiziere. Auch eine Erhöhung
der Steuereinnahmen werden Sie nicht schaffen, denn
das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist gescheitert,
aber Sie haben bereits 2,5 Milliarden Euro an Einnahmen aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz eingeplant. Da tut sich schon die nächste Lücke auf.
({4})
Schließlich prognostizieren Sie, Herr Staatssekretär, uns
immer noch - das haben Sie eben getan und ich halte
mich, nebenbei gesagt, Herr Kröning, an die Vorgaben
des Staatssekretärs -,
({5})
dass wir 1 Prozent Wirtschaftswachstum noch erreichen
werden. Wie, das haben Sie uns nicht gesagt. Es ist nämlich gar nicht möglich. Gestern kam vonseiten der EU
die Prognose, dass wir 0,4 Prozent Wachstum erreichen
werden; selbst das ist noch zu hoch gegriffen. Ich gehe
davon aus, dass Sie auch das nicht mehr erreichen können. Das macht weitere Einnahmeausfälle in Höhe von
5 Milliarden Euro aus. Acht plus zwei macht also zehn,
zehn plus fünf sind dann 15. Das können auch die PISAGeschädigten, und zwar im Kopf, errechnen.
({6})
Wir rasen hier Schimären hinterher. Wenn das so weitergeht, dann wird es in diesem Jahr die höchste Nettoneuverschuldung, die wir überhaupt seit der Wiedervereinigung gehabt haben, geben. Dass es so kommen wird,
werden wir den Bürgern sehr deutlich sagen.
Gehen Sie hin und setzen Sie endlich auf vernünftige
Instrumente bei der Bundesanstalt für Arbeit. Da gibt es
nach wie vor Möglichkeiten und auch genug Einsparpotenzial.
({7})
Setzen Sie Herrn Gerster unter Druck. Er wird dann auch
die richtigen Dinge machen, aber versuchen Sie nicht,
die ganze Zeit an diesen Fragen vorbeizureden.
({8})
Last but not least: Zwar werden wir von Ihnen das Argument, der Irakkrieg sei schuld, in jeder Rede hören,
aber das ist das Gleiche, als wenn Sie sagen würden, im
April hatten wir die größte Kältewelle dieses Jahres,
oder, in diesem Jahr hatten wir leider kein Schaltjahr und
der Februar hatte nur 28 Tage. Auf diesem Niveau bewegen sich Ihre Begründungen. So werden Sie aus dieser
Misere nicht herauskommen. Tun Sie endlich etwas! Wir
warten auf Ihre Vorschläge und nicht nur auf Ankündigungen; die sind wir von Herrn Clement mittlerweile gewöhnt.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner von der
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Bei einem aufmerksamen Zuhörer
wird ganz schnell der Eindruck entstanden sein, dass die
Opposition erstens nicht Bescheid weiß und zweitens
nicht sagt, was sie will.
({0})
Gerade bei Ihnen, Herr Singhammer und Herr Kues,
ist mir das ganz besonders deutlich aufgefallen. Herr
Kues sagt, dass die Bildungsträger in diesem Land gute
Arbeit geleistet haben, und beklagt, dass sie jetzt nicht
mehr so arbeiten können, weil diese Bundesregierung ihnen über die Bundesanstalt für Arbeit nicht genügend
Mittel zur Verfügung stellt. Sie haben sich da ganz angewidert gezeigt, aber dabei interessanterweise übersehen,
dass der Ministerpräsident des Landes Bayern gerade bei
der Bundesanstalt für Arbeit eine Halbierung der Mittel
für die Weiterbildung verlangt. Genau das ist Bestandteil
des Sanierungsplans, den er vorgelegt hat.
Diesen Widerspruch müssen Sie uns einmal erklären:
({1})
Auf der einen Seite sagen Sie, hier müsse mehr getan
werden, und beklagen, dass die Bildungsträger immer
weniger Möglichkeiten haben, auf der anderen Seite fordern Sie, die Mittel zu halbieren.
({2})
- So ist es.
Der zweite Punkt. Ich glaube, uns allen ist in diesem
Zusammenhang ein Widerspruch aufgefallen. Sie haben
in den Haushaltsberatungen ständig Beitragssatzsenkungen, also eine Kürzung der Mittel für die Bundesanstalt
für Arbeit gefordert und haben in diesem Zusammenhang eine große Zahl von Aufgaben der BA aufgelistet,
die, wie Sie sagen, keine Versicherungsleistungen sind.
Ich erinnere daran, dass gerade Ihr Kollege Laumann
und andere gesagt haben, der nachgeholte Hauptschulabschluss und andere Maßnahmen der Berufsvorbereitung
seien nicht Aufgabe der BA. Andererseits beklagen Sie
hier, dass nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt
werden. Diesen Widerspruch müssen Sie erklären.
({3})
- Dann finanzieren Sie das bitte auf andere Art und
Weise! Sie beklagen hier einen Zustand. Wir reden über
einen Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit.
({4})
- Das war auch zum damaligen Zeitpunkt nicht notwendig. Wir haben den Bundeszuschuss deshalb nicht vorgesehen, weil Sie ihn erstens nicht gefordert haben
({5})
- natürlich! -, weil wir zweitens davon ausgehen, dass
sich die Arbeitslosenzahlen auch durch interessantere
und optimierte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen senken lassen,
({6})
und weil wir drittens darauf bauen, dass unsere Instrumente in diesem Herbst greifen werden.
({7})
Wir wissen sehr wohl, dass wir zurzeit - darüber sollten wir uns gar nicht streiten - eine zu hohe Arbeitslosigkeit haben. Aber es ist schändlich, wenn Sie hier bloß
hämisch über die Höhe der Arbeitslosenzahlen reden
und die ungünstige Arbeitsmarktlage beklagen, anstatt
mitzuhelfen, die notwendigen Maßnahmen in Gang zu
setzen, um die Situation zu verbessern.
Meine Damen und Herren von der Opposition, helfen
Sie lieber mit, die Arbeitslosigkeit zu senken, statt hier
billige Polemik zu betreiben. Es ist doch wohl richtig,
dass die Bundesanstalt für Arbeit 21,5 Milliarden Euro
für aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt zur Verfügung hat und dass in den ersten drei Monaten dieses
Jahres über 800 000 Arbeitslose und Arbeitssuchende an
Fördermaßnahmen teilgenommen haben; das ist mehr
als im ersten Quartal 2002. Die Steigerung war im Übrigen nur möglich, weil die Bundesanstalt für Arbeit - dafür gebührt ihr Dank und Lob - im Einzelfall Maßnahmen verkürzt und neue Instrumente eingesetzt hat, damit
die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zielgerechter und optimierter erfolgen kann.
Herr Kues hat hier deutlich gesagt, dass die Länder
und Kommunen bisher viel Gutes auf den Weg gebracht
haben, um zum Beispiel Sozialhilfeempfänger in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist völlig richtig; das finden wir auch gut so. Aber wir finden nicht gut, dass insbesondere CDU-regierte Bundesländer und CDUgeführte Gemeinden die Mittel, die sie dafür in der Vergangenheit eingesetzt haben, nun einfach eingestrichen
haben
({8})
und den Scherbenhaufen, von dem Sie jetzt sprechen,
durch ihre Politik verursacht haben.
({9})
Es ist unverantwortlich, der Bundesregierung die Schuld
für diesen Scherbenhaufen in die Schuhe zu schieben.
Die Bundesregierung hat im Übrigen mit Ihrer Unterstützung - das ist mehrfach gesagt worden - das HartzKonzept auf den Weg gebracht. Ich hielte es für richtig,
dass Sie jetzt mithelfen, die veränderten Maßnahmen
praktisch umzusetzen. Es ist jedenfalls verantwortungslos, sie einfach zu blockieren.
In dem Zusammenhang hat der Kollege Singhammer
von dem Sanierungsplan für Deutschland gesprochen.
Hier muss ganz deutlich gesagt werden: Deutschland
braucht keinen Sanierungsplan, sondern wir brauchen
eine Opposition, die nicht populistisch ist, sondern verantwortlich mitgestaltet.
({10})
Die Maßnahmen in Ihrem Sanierungsplan führen zu
einem Bruch der Tarifautonomie. Sie sagen, der Kündigungsschutz sei erst in Betrieben mit mehr als
20 Beschäftigten erforderlich. Sie wollen die Sozialhilfe
auf 75 Prozent kürzen. Sie wollen höhere Abschläge für
Rentner auch bei einem späteren Renteneintritt. Sie wollen die Zahl der Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit halbieren. So könnte man einen ganzen
Horrorkatalog aufstellen, mit dem Sie dieses Land nicht
sanieren, weil Sie sich damit nicht auf die Herausforderungen dieses Jahrhunderts einstellen, sondern schlicht
Sozialkürzungen und Aktivitäten gegen die Gewerkschaften in diesem Lande einleiten wollen. Da macht die
Sozialdemokratie nicht mit.
({11})
Herr Kollege Brandner, Ihre Redezeit ist weit überschritten.
({0})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Schluss kommen. - Es ist wichtig, dass wir den jungen
Menschen in diesem Lande eine Perspektive geben. Dafür treten wir ein. Helfen Sie bitte mit, dass die Ausbildungsbereitschaft, insbesondere die der Unternehmen,
zunimmt! Damit ist schon viel getan, um den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit erfolgreich zu bestehen.
({0})
Das Wort hat der Kollege Robert Hochbaum von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Brandner, herzlichen Dank, dass Sie das, was wir fordern, umsetzen wollen. Wir werden uns auch weiterhin
bemühen.
Ich halte zwei Dokumente in den Händen. Beide betreffen dasselbe Thema, Herr Brandner. In beiden werden nämlich die Haushaltsansätze der Bundesanstalt für
Arbeit für die Jahre 2002 und 2003 verglichen. Das Papier in meiner linken Hand ist ein Informationsvermerk
der zuständigen Ministerien vom Dezember des letzten
Jahres. In der rechten Hand halte ich die Antwort der
Bundesregierung vom März auf meine schriftliche Anfrage zu demselben Thema.
Warum das Ganze? Mir geht es ganz einfach um die
Frage, welche Summe im Haushaltsansatz 2003 im Vergleich zum Jahr 2002 beim so genannten Eingliederungstitel gestrichen wurde. Wie Sie wissen, ist das derjenige Titel, aus dem ABM, SAM, Fortbildung und
Umschulungen, um die es heute schon ging, sowie die
Eingliederungsleistungen für Unternehmen gezahlt werden.
Doch nun staunt der Betrachter. Im Papier der Ministerien wird die Summe von 700 Millionen Euro genannt.
Der Antwort der Bundesregierung kann man jedoch die
Summe von 1,6 Milliarden Euro entnehmen. Angesichts
des Unterschiedes von 700 Millionen Euro zu
1,6 Milliarden Euro frage ich mich: Wo liegt da die
Wahrheit? Ist das die Klarheit der Bundesregierung,
wenn es um die Situation der Bundesanstalt für Arbeit
geht? - Nein. Ich bezeichne das als Täuschung und Vernebelungstaktik.
({0})
Auf jeden Fall ist das nicht die Art und Weise, wie man
mit dem Parlament, und erst recht nicht die, wie man mit
den Bürgern dieses Landes umgehen kann.
({1})
Denn gerade die Letztgenannten haben einen besonderen
Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren und nicht mit
Nebelkerzen beworfen zu werfen, Frau Roth.
Man muss sich natürlich auch fragen - Sie finden es
anscheinend lustig; die Menschen draußen im Lande finden es eher weniger lustig -, woher diese massive Streichung der Mittel kommt. Die Antwort ist, dass es sich
um den berühmten vorauseilenden Gehorsam des Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit, Florian
Gerster, handelt.
({2})
Im Übrigen ist er ein Parteifreund des Bundeskanzlers,
der schon sehr früh erklärt hat, er komme in diesem Jahr
auf jeden Fall ohne einen Bundeszuschuss aus, obwohl
fast alle Experten in diesem Land von Anfang an der
Meinung waren, es handele sich hier um ein nicht durchhaltbares Wunschdenken.
({3})
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, Frau Roth.
Hätten Sie von Rot-Grün damals in diesem Zusammenhang einmal ausnahmsweise auf die Opposition im
Hause gehört, wäre es Ihnen erspart geblieben - wie wir
es in den letzten Tagen an der einen oder anderen Stelle
gehört haben -, kleinlaut zugeben zu müssen, dass es
wohl doch nicht ohne Bundeszuschuss geht.
Doch an diese mehr oder weniger kleinlauten Rückzieher von Ihrer Seite sind wir, wenn es um den Haushalt
oder die Wirtschaftsprognosen geht - auch darüber haben wir heute schon einiges gehört -, inzwischen schon
gewöhnt. Ich muss sagen: leider gewöhnt, weil es nicht
nur um Zahlen, sondern um unser Land und um die darin
lebenden Menschen geht, die leider mit Ihren Zahlen leben müssen.
({4})
Von diesem rücksichtslosen Streichkonzert, über das
wir in den Zeitungen lesen können, sind wie so oft bei
den Maßnahmen der rot-grünen Regierung die Menschen im Osten ganz besonders betroffen, vor allem die
älteren Langzeitarbeitslosen. Für sie kommt nach den
Einschnitten des so genannten Hartz-I-Gesetzes nun der
nächste Schlag. Man muss sie inzwischen leider als die
Verlierer der Wende bezeichnen; denn seit fast zwölf
Jahren hatten viele von ihnen trotz ständiger Bemühungen keine Chance, dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt
integriert zu werden. Für sie waren ABM oft das einzige
Mittel, wieder einer geregelten Beschäftigung nachzugehen.
({5})
- Frau Roth, eines können Sie mir glauben: Die übergroße Mehrheit dieser Menschen wollte und will arbeiten. Es waren und sind eben nur keine Stellen im Osten
da.
({6})
Jetzt kommt die Besonderheit dieser Situation. Während man in Berlin über den Abbau redet, tingeln manche - ich sage extra: manche - Abgeordnete der SPD
durch ihre Wahlkreise und erzählen dort mit treuem Augenaufschlag den Bürgern: Wir wollen doch gar nicht
sparen; wir wollen die ABM beibehalten. Das sind die
bösen Arbeitsämter. - Es sind aber nicht die „bösen Arbeitsämter“ vor Ort. Nein, die Verantwortung trägt die
Regierung. Die Regierung in Berlin ist für das Desaster
in diesem Land und bei der Bundesanstalt für Arbeit verantwortlich.
Danke schön, meine Damen und Herren.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es
aktuell ein Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit gibt,
gibt es dafür eine Regelung: § 364 SGB III. Alle, die das
wissen wollen, wissen das. Der Bund wird entweder ein
zinsloses Darlehen gewähren, das im Jahresverlauf zurückgezahlt wird oder als Zuschuss endet, oder man
macht eine überplanmäßige Ausgabe. Regelungen sind
vorhanden. Es wird keine Liquiditätsengpässe bei der
Bundesanstalt für Arbeit geben, nicht einen einzigen.
({0})
Meine Damen und Herren von der Opposition, am
1. April, vor wenigen Tagen, ist eine Reihe von Maßnahmen aus dem Hartz-Konzept in Wirkung getreten. Wir
haben sozusagen eine Anschubsituation. Das treibt das
aktuelle Defizit ein bisschen hoch. Es besteht aber überhaupt kein Grund, Panik zu machen. Das ist ganz normal, wenn man Veränderungen in Bewegung setzt.
({1})
Damit Sie sich erinnern - das geht Ihnen immer verloren -: Beim BA-Zuschuss hat man sich 1993, als nachweislich nicht Rot-Grün an der Macht war, um 3,3 Milliarden Euro vertan; das kann passieren. Im Jahre 1996 hat
sich die schwarz-gelbe Bundesregierung um 4,9 Milliarden Euro vertan; auch das kann passieren.
({2})
Wir selber - ich will uns gar nicht ausnehmen - haben
uns letztes Jahr um reichliche 5 Milliarden Euro vertan;
das ist völlig richtig. Das hat damit zu tun, dass man
nicht bis ins Letzte ausplanen kann, was passiert. Aber in
einer besonderen Situation wie in diesem Jahr, wo viele
Umstellungen stattfinden,
({3})
schon nach drei Monaten das Jahresergebnis auszurechnen, ist eine ziemlich gewagte Spekulation. Das möchte
ich deutlich sagen.
({4})
Herr Niebel, der erst seit 1998 im Bundestag ist und
deswegen wahrscheinlich nicht für die Dinge haftbar gemacht werden will, die Schwarz-Gelb vor seiner Zeit angerichtet hat, hat aber vergessen zu erwähnen, dass die
Probleme, vor denen wir stehen,
({5})
in der Zeit seit 1990 entstanden sind. Ich habe schon einmal deutlich gemacht: Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ist im Jahre 1991 wegen der Fehlfinanzierung
der deutschen Einheit von 4,3 Prozent auf 6,8 Prozent
hochgeschnellt. Er hat damit natürlich die Lohnnebenkosten in Deutschland dramatisch erhöht. - An dieser
Fehlfinanzierung der deutschen Einheit knabbern wir
heute noch. - Auf diese Art und Weise sind starke Anreize zu Nicht- und Schwarzarbeit geschaffen worden.
Die Lohn- und Einkommensempfänger sind zu Lastenträgern der Nation verkommen.
({6})
Wenn man daran etwas ändern will, müssen sich alle
den Stand der Umverteilung in Deutschland vor Augen
führen. Vergleichen wir, wie viel die reichsten 10 Prozent im Verhältnis zu den ärmsten 10 Prozent in den
Ländern Europas und den USA verdienen! Deutschland
steht mit einer Quote von 7,1 ausgesprochen gut da. Hier
gibt es eine starke Umverteilung von den starken auf die
schwachen Einkommen. Großbritannien hat eine Quote
von 10,4, Irland von 11, die USA haben eine Quote von
16,6.
Das heißt aber auch - genau diese Konsequenz zieht
die Koalition im Moment -, dass eine gewisse Kante bei
der Umverteilung erreicht ist. Jetzt geht es darum, erst
einmal weiteres Wachstum zu generieren, um vielleicht
irgendwann einmal wieder mehr umverteilen zu können.
Im Moment hat Deutschland die Kante erreicht; das haben die Koalitionsfraktionen erkannt.
Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sind nicht gerade
vergnügungssteuerpflichtig. Das wissen auch Sie.
({7})
Sie ruhen sich in Häme aus und versuchen, Ihre Vorschläge zu verstecken. Herr Seehofer droht mit Rücktritt,
weil Herr Stoiber drei vernünftige Vorschläge zu diesem
Thema macht. Aber im Prinzip ist eigentlich allen in
Deutschland klar, dass die Umverteilung im Moment
ihre Grenzen erreicht hat.
Nun schicken Sie von der CDU/CSU Herrn Fuchs als
Geheimwaffe in die Debatte. Wir hören uns das alles an.
({8})
Wenn man einen Blick in das Handbuch des Bundestages wirft, stellt sich heraus, dass Herr Fuchs ein langgedienter Funktionär der Arbeitgeberverbände ist.
({9})
Wer sich aber die Tarifpolitik der letzten Jahre ansieht, stellt fest, dass beide Seiten, Gewerkschaften und
Arbeitgeberverbände, ihre Schuld an der Entwicklung
der Lohnpolitik haben. Natürlich müssten auch beide zu
ihrer Verantwortung stehen. Die Arbeitgeberverbände
aber ducken sich weg und sagen: Die bösen Gewerkschaften haben uns diesen Abschluss aufgezwungen. Sie
verstecken sich hinter diesen Aussagen, aber im Kern
haben sie zur Verschärfung des Problems in Deutschland
beigetragen. Die Tarifautonomie hat zwei Partner und
beide sind an den Abschlüssen beteiligt.
({10})
Ich begegne immer häufiger jüngeren Leuten in
Deutschland, die eine ganz klare Ansage machen. Ich
finde, sie tun das völlig zu Recht. Die klare Ansage lautet: Damit die Älteren es wissen, wir können nur eines
von beidem bezahlen, entweder ihre Rente oder aber die
Zinsen ihrer Schulden. Entscheiden Sie sich!
({11})
Das Wort hat der Kollege Manfred Grund von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, insbesondere von Rot-Grün! Ihre Arbeitsmarktpolitik ist geradezu ein Lehrstück für sozialpolitische Drecksarbeit.
({0})
Es hilft wenig, die Verantwortung auf die Vorgängerregierung oder Herrn Gerster in Nürnberg abzuschieben.
Alle famosen Gesetze, mit denen die am Arbeitsmarkt
bestehenden Probleme gelöst werden sollten - JobAQTIV-Gesetz, die Konzepte des Herrn Hartz bis hin
zum Verzicht auf den Bundeszuschuss für die BundesManfred Grund
anstalt für Arbeit -, haben Sie, die Sie hier sitzen, beschlossen; Sie tragen die Verantwortung dafür.
({1})
- Herr Kollege Brandner, manche sind noch im Dämmerzustand, das haben wir doch heute bei den Rednern
gemerkt. Langsam dämmert einigen von Ihnen, was Sie
angerichtet haben. Wenn Sie nicht hier sitzen, sondern in
Ihrem Wahlkreis
({2})
an den Hammelbeinen erwischt werden,
({3})
beginnen Sie langsam ein wenig von dem zuzugeben,
was Sie hier veranlasst haben.
Ein Beispiel gefällig? Ihr Kollege Christoph Matschie,
SPD-Vorsitzender im Lande Thüringen und Staatssekretär im Bundestag, sagt in einer Thüringer Zeitung:
Wir können nicht nur den Menschen Einschnitte zumuten, wir müssen Perspektiven anbieten, vor allem am Arbeitsmarkt.
Ich will Ihnen sagen, welche Perspektivlosigkeit Sie
am Arbeitsmarkt angerichtet haben und was die Leute
vorfinden:
({4})
- Ich komme nicht durcheinander, keine Sorgen. Schauen wir uns den Eingliederungstitel an, zu dem
mein Kollege Hochbaum gesprochen hat. Im Eingliederungstitel der Bundesanstalt für Arbeit für Thüringen
stehen in diesem Jahr 144 Millionen Euro weniger zur
Verfügung als im Jahre 2002.
({5})
Für SAM und ABM stehen insgesamt nur noch
235 Millionen Euro zur Verfügung, 1999 waren es noch
800 Millionen Euro. Daher kommt die Differenz, die
Sie, Kollege Hochbaum, beklagt haben. Das heißt, Sie
kürzen bei steigender Arbeitslosigkeit
({6})
die Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit. Das ist
sozialpolitische Drecksarbeit!
({7})
Sie krönen das Ganze im Jahr 2003 mit dem Versuch,
gänzlich ohne Bundeszuschuss für die Bundesanstalt
auszukommen.
({8})
Im Jahr 2002 wurden noch 5,6 Milliarden Euro gebraucht. Wie kann man bei steigender Arbeitslosigkeit
mit weniger Geld auskommen? - Man kann es, Herr
Kollege Brandner, indem man die Arbeitslosen und nicht
die Arbeitslosigkeit bekämpft.
Ich will Ihnen erklären, wie das funktioniert. Es gibt
eine Dienstanweisung eines Arbeitsamtsleiters an seine
Vermittler, darin heißt es:
Zur Erreichung des angestrebten Zieles, den ausgeglichenen Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu
realisieren, stehen vor allem zwei Zielvorgaben im
Vordergrund: Senkung des Bestandes an Arbeitslosen, Einsparungen bei der Zahlung von Arbeitslosengeld.
({9})
Diejenigen, die Arbeitslosengeld beziehen, sind Ihnen
möglicherweise lieb und teuer, aber am liebsten haben
Sie die teuren Arbeitslosengeldbezieher entweder außerhalb des Leistungsbezuges oder Sie versuchen, den Leistungsbezug zu kürzen.
({10})] Das will Herr
Stoiber, nicht wir! - Klaus Brandner [SPD]:
Das will doch die CDU! Das ist eine verlogene
Kampagne im wahrsten Sinne des Wortes!)
Ein weiteres Beispiel: Die Träger von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - im Wesentlichen sind das die Kommunen in den neuen Bundesländern - wurden vorsorglich von den Arbeitsämtern informiert, dass sich die
Situation in 2004 noch verschärfen wird und sie statt bisher 10 Prozent dann einen Eigenanteil von 25 Prozent an
den Maßnahmen aufzubringen haben.
({11})
Das bedeutet bei den Not leidenden Kommunen, Herr
Kollege Brandner, die das Geld nicht beiseite geschafft
haben, sondern kein Geld mehr haben, dass weniger Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen möglich sein werden und
sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger vergrößern wird.
({12})
Ein anderes Beispiel betrifft die Aus- und Weiterbildung sowie die Qualifizierung. Der Geschäftsführer einer Bildungseinrichtung schreibt an alle Bundestagsabgeordneten:
Sollten die örtlichen Arbeitsämter nicht bald verbindlich erklären, dass sie auch in diesem Jahr an
der Förderung lernbehinderter und anderer benachteiligter Jugendlicher festhalten, könnten die Jugendlichen nicht mehr wie bisher qualifiziert werden und würden somit ab Herbst auf der Straße
stehen.
({13})
Das sind einige Beispiele, die in einem Leserbrief einer Frau aus Erfurt gipfeln - er ist Ihnen möglicherweise
bekannt -, die schreibt:
Ich habe in der DDR als kritische Bürgerin Repressalien hinnehmen müssen. Aber zu keinem Zeitpunkt war meine physische Existenz bedroht!
Das müssen Sie als Sozialdemokraten sich ins Stammbuch schreiben lassen.
({14})
Sie bedrohen mit Ihrer Arbeit - auch die Grünen - die
physische Existenz von Menschen.
({15})
Falls Ihnen das noch nicht genügt: Es kann nicht allein an fehlenden Geldern liegen; denn nicht nur hat der
Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Herr
Gerster, mit Amtsantritt sein Gehalt verdoppelt, sondern
es wurde in der letzten Sitzung des Verwaltungsrates der
Bundesanstalt für Arbeit auch ein Titel in Höhe von
50 Millionen Euro für Beratungsbedarf bewilligt. Es
geht dabei um Beratungsinstitute wie McKinsey und
Accenture.
({16})
Das ist weggeworfenes Geld; denn ausweislich dieser
Aktuellen Stunde sind Sie, meine Damen und Herren,
beratungsresistent.
({17})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Karin Roth von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Meine Herren und Damen von der Opposition,
die Arbeitsmarktsituation ist in der Tat ernst.
({0})
Die Sache gebietet es, dass wir uns mit diesem Thema
ernsthafter
({1})
und weniger im Stil der Panikmache auseinander setzen,
wie Sie das hier tun.
({2})
Die Menschen in unserem Lande haben etwas anderes
verdient.
({3})
Sie haben es verdient, dass wir, dass das Parlament mit
den Sorgen und Nöten der Menschen anders umgeht und
wir hier nicht ein Palaver veranstalten und Sie so tun, als
ob Sie immer ganz reformwillig gewesen wären. Dazu
kann ich nur sagen: Wir haben die Reformen eingeleitet,
Kohl hat sie ausgesessen. So sieht es aus.
({4})
Lassen Sie mich etwas zu dem Thema der Aktuellen
Stunde sagen. Sie haben angezweifelt, dass die von uns
beschlossenen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vernünftig und richtig sind. Bei jedem Reformprojekt zählt
das Datum des In-Kraft-Tretens. Wir haben die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen am 1. Januar 2003 in
Kraft treten lassen. Es kann folglich nicht sein, dass im
März bereits alle angekündigten Maßnahmen umgesetzt
worden sind - das würde bedeuten, dass wir wahnsinnig
schnell gewesen wären -; das geht gar nicht.
({5})
Insofern halte ich die Debatte für unredlich und von der
Sache her für nicht in Ordnung.
({6})
Wir haben im Rahmen der Umsetzung des HartzKonzepts zwei wichtige Dinge geschafft. Zum einen gibt
es seit dem 1. Januar 2003 die Personal-Service-Agenturen. Wir alle wissen, dass diese Maßnahme zunächst einmal in Form einer Ausschreibung eingeleitet wird und
dass in der Zwischenzeit 840 Personal-Service-Agenturen unter Vertrag genommen worden sind. Diese beginnen am 1. Mai 2003 mit ihrer Arbeit. Dann beginnt die
verstärkte Vermittlungsarbeit und nicht schon vorher.
({7})
Dann sind auch die Möglichkeiten gegeben, die Vermittlungen zu beschleunigen.
Zum anderen haben wir mit Ihrer Hilfe die Einführung der Minijobs ab dem 1. April 2003 beschlossen.
({8})
Das heißt nicht, dass es schon heute Tausende von Minijobs gibt. Sie müssen schon ein bisschen mehr Geduld
haben. - So viel zu den Themen Geduld und Reformen.
Auch die Themen Ich-AG und Existenzgründung sind
Teil der Hartz-Konzeption. Bis zum Februar dieses Jahres
haben 1 600 Menschen die Möglichkeit genutzt, eine IchAG zu gründen, im März waren es schon 7 300 Menschen. Das finde ich sehr interessant. Eine solche Steigerung innerhalb von zwei Monaten ist ein tolles Ergebnis.
({9})
Karin Roth ({10})
Ich bin gespannt, ob es noch weitere Maßnahmen geben wird, durch die wir zu einer weiteren Optimierung
kommen; denn ich gehe davon aus, dass das möglich ist.
({11})
Zum Thema Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die
Opposition muss sich entscheiden, was sie will. Das gilt
nicht so sehr für die FDP, sondern insbesondere für die
CDU, Herr Grund.
({12})
Hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik wird von Ihrer Seite
ständig kritisiert, dass die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wenig effizient seien, die Verbleibsquote zu gering
sei
({13})
und deshalb andere Maßnahmen notwendig seien. Wir
sind der Meinung, dass wir die Instrumente anders ausrichten müssen.
({14})
Wenn wir das tun wollen, dann können Sie uns nicht beschimpfen, sondern müssen das anerkennen. Wir nehmen das auf und machen uns Gedanken, welche Reformen notwendig sind. Aber Sie müssen sich entscheiden,
was Sie von der Bundesregierung wollen.
({15})
Zum Thema Organisation. Die Bundesanstalt für Arbeit mit 90 000 Beschäftigten ist kein kleines oder mittelständisches Unternehmen, sondern ein großer Konzern. Ein Umbau kann nicht auf die Weise stattfinden,
dass sich einer die Vorgehensweise ausdenkt und alle anderen mitmachen müssen. Herr Niebel, dass müssen Sie
doch einsehen; Sie sind dort doch einmal beschäftigt gewesen. Nein, die Beschäftigten müssen vielmehr beteiligt und mitgenommen werden, Herr Singhammer, sie
müssen gelobt und motiviert werden.
({16})
Das ist die Aufgabe der 25 verschiedenen Arbeitsgruppen. Deren Mitglieder machen sich Gedanken, wie die
Mitarbeiter motiviert werden können und wie die Bundesanstalt umstrukturiert werden kann, damit sie effizienter und effektiver arbeitet.
({17})
Ich komme zum Schluss. Wir haben versucht, vieles
auf den Weg zu bringen
({18})
und haben einiges erreicht. Wir haben die Änderungen
beim Etat der Bundesanstalt für Arbeit - das wurde von
allen drei beteiligten Gruppen beschlossen - unterstützt.
({19})
Wir sind der Auffassung, dass die Reformmaßnahmen
Effekte bringen werden. Wir müssen die Entwicklung
abwarten und sehen, wie es läuft. Aber auf keinen Fall
nehmen wir die Panikmache in diesem Parlament hin.
Wir werden die Reformen fortsetzen und uns nicht beirren lassen.
({20})
Das Wort hat der Kollege Dietrich Austermann von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man
heute die Redner der Koalition gehört hat, dann hat man
den Eindruck bekommen, sie hätten die Ereignisse der
letzten drei Jahre ausgeblendet. Wir können uns noch gut
daran erinnern, dass praktisch jedes Jahr ein Geheimpapier mit neuen Maßnahmen vorgelegt worden ist, die zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit besonders geeignet
sein sollten. Das fing mit dem JUMP-Programm an - Ergebnis: Die Jugendarbeitslosigkeit ist so hoch wie nie ({0})
und ging weiter mit dem Job-AQTIV-Gesetz. Das Ergebnis ist: Die Arbeitslosigkeit im März war im Vergleich zum Vorjahr höher und war so hoch wie noch nie.
Im März gab es fast 500 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr.
Sie fangen nun an, ein paar Maßnahmen zu treffen,
versprechen uns, jetzt ginge es richtig los, und sagen
uns, wir sollten abwarten, sie hätten schließlich schon
angefangen, Regelungen zum Beispiel zu den Minijobs
zu treffen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir waren es doch,
die Sie zur Vernunft gezwungen haben.
({1})
Frau Roth, gerade Sie gehören zu denjenigen, die mit
ihren Hilfstruppen vom DGB alle vernünftigen Maßnahmen über Jahre hinweg blockiert haben. Sie bekämpfen - in diesem Zusammenhang muss ich auch
Frau Engelen-Kefer, Herrn Brandner oder Herrn Müller
ansprechen - die Maßnahmen, die der Kanzler vorgeschlagen hat, die einem zarten Pflänzchen entsprechen
und die einigermaßen brauchbar sind, aus dem Hintergrund heraus mit Obstruktion. Das haben Sie über Jahre
hinweg gemacht. Als Sozialsenatorin sind Sie in Hamburg gescheitert und versuchen jetzt als Gewerkschaftssekretärin, im Bundestag die gleiche falsche Politik zu
machen.
({2})
Das gilt auch für die anderen drei Gewerkschaftssekretäre, die heute hier gesprochen haben. Ihr Interesse gilt
nicht der Hilfe für die Arbeitslosen oder dem Ziel, mehr
für Arbeitnehmer zu tun; Ihr Interesse ist vielmehr, die
Macht zu erhalten. Das machen Sie auf Kosten der
Wahrheit und tragen zu einer Verschlechterung der Situation in unserem Lande bei.
({3})
Die EU hat gestern einen Bericht über die Situation in
der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Darin wird
ein düsteres Bild der Wirtschaft gemalt. Es ist zu lesen,
seit drei Jahren trete die deutsche Wirtschaft auf der
Stelle.
({4})
Doch Sie tun so, als habe sich das erst in den letzten vier
Wochen entwickelt.
({5})
Deutschland befindet sich am Rande der Rezession.
Aber Sie tun hier so, als ob wir es mit ein paar fieseligen
Maßnahmen zu tun hätten.
Ich sage Ihnen ganz genau, wie das läuft. Dabei
schaue ich den Kollegen Thönnes an, der im Moment
darum kämpft, in Schleswig-Holstein als Landesvorsitzender wiedergewählt zu werden. Manche rätseln, ob er
51 Prozent erreicht.
({6})
- Ja, ich bleibe beim Thema. - Er macht das so wie viele
andere auch: Hier wirft er uns vor, wir seien Bremser,
und im Wahlkreis im Lande Schleswig-Holstein kritisiert
er die Maßnahmen, die die Bundesregierung trifft, um
sich bei seinen eigenen Genossen einzuschmeicheln. Das
genau ist Ihre Politik.
({7})
Nein, es geht nicht, dass man auf der einen Seite sagt,
man wolle etwas für die Arbeitnehmer tun, und dass man
dies auf der anderen Seite im Wahlkreis hintertreibt.
Ich sage Ihnen, was Sie zunächst tun müssen: Sie
müssen die Wahrheit auf den Tisch legen.
({8})
- Herr Brandner, Sie sind Gewerkschaftssekretär. - Die
Wahrheit ist: Sie haben das Vertrauen der Wirtschaft und
die Investitionsbereitschaft systematisch zerstört und
den Willen und die Fähigkeit, in Deutschland Investitionen zu tätigen, untertrieben dargestellt.
({9})
Genau hier liegt das Problem für die Situation in
Deutschland.
({10})
- Sie können so lange brüllen, wie Sie wollen; ich weiß,
dass Sie das getroffen hat. Ich sehe Sie heute Abend
schon wieder im Fernsehen und höre Sie sagen, dass Sie
innerhalb der SPD-Fraktion diskutieren, dass Sie dies
oder das wollen und dass Sie natürlich noch überlegen
müssen. Wenn dann die Maßnahmen beschlossen sind,
geben Sie wieder eine Erklärung zu Protokoll und sagen,
dass Sie eigentlich ganz anderer Meinung sind. Nein, es
geht darum, dass als Erstes die Wahrheit auf den Tisch
muss.
({11})
Sie sagten, wir haben die Weichen falsch gestellt.
Herr Kröning, hier wurde der Vermittlungsausschuss angesprochen. In der Situation, in der wir uns zurzeit befinden, können Sie von uns doch nicht erwarten, dass wir
im Vermittlungsausschuss und im Bundestag Maßnahmen zustimmen, die die Wirtschaft zusätzlich belasten.
({12})
Wir stehen heute am Rande der Rezession; das sagt auch
die EU. Deshalb kann ich doch keine einzige Maßnahme
unterstützen, die das Wirtschaftswachstum zusätzlich
belasten würde.
({13})
- Wir haben gesagt, dass die Steuern und Abgaben
herunter müssen. Bei uns ist das konsistent.
({14})
Jetzt sage ich etwas zum famosen Herrn Gerster und
zu der Frage, wie man mit den neuen Bundesländern
umgeht. Herr Gerster hat im letzten Jahr - das kann man
gar nicht oft genug erwähnen - gesagt, dass er versuchen
muss, seinen Haushalt einigermaßen im Griff zu behalten. Er hat es nicht geschafft.
({15})
Er hat ein Defizit von 5,6 Milliarden Euro gemacht. Insbesondere in den neuen Bundesländern hat er die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen brutal heruntergefahren.
Jetzt sagt er, wir brauchten in den neuen Bundesländern
einen staatlich subventionierten Arbeitsmarkt.
({16})
- Ja, einen ehrlichen Arbeitsmarkt. - Ich kann an seinem
Handeln keine schlüssige Position erkennen.
Das können Sie praktisch an jeder Stelle beobachten.
Heute wird so geredet und morgen so. Mit dem, was Sie
in diesem Bereich tun, schaffen Sie kein Vertrauen für
eine weitere wirtschaftliche Entwicklung in unserem
Land, sondern Sie belasten sie. Das heißt ganz konkret:
Sie versündigen sich an den Menschen, indem Sie die
Realisierung ihres sehnlichsten Wunsches, den Wunsch,
einen Arbeitsplatz zu erhalten, verhindern.
({17})
Die Lage war noch nie so schlecht. Sie als Regierungskoalition tragen die Verantwortung dafür.
({18})
Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der
Kollege Hans-Werner Bertl von der SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann
Sie nur auffordern, ja, sogar bitten: Beantragen Sie in jeder Sitzungswoche eine Aktuelle Stunde mit diesem
Thema!
({0})
Dadurch würde auch draußen deutlich werden, wie unseriös und diffamierend Sie mit diesem Thema umgehen.
({1})
Das gibt uns die Möglichkeit, deutlich zu machen, wie
mit diesem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit umgegangen wird.
Im Selbstverwaltungsorgan der Bundesanstalt gab es
zwei Stimmen, die für noch stärkere Einsparungen im
Haushalt waren. Es gibt den bayerischen Ministerpräsidenten Herrn Stoiber, der fordert, die Mittel für die Förderung der beruflichen Bildung um 50 Prozent zu kürzen. Meine Damen und Herren, Sie müssen den
Menschen doch einmal sagen, was Sie wollen: Sie wollen die ganzen Mittel herunterfahren und Sie diffamieren.
({2})
Mein lieber Herr Kollege Niebel, ich werde den Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der öffentlichen Hand dieses Protokoll mit Genuss geben.
({3})
Sie tun hier so, als würde dort die eine Hand die andere
waschen. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit wird hier so dargestellt, als habe er eine mafiöse
Struktur.
({4})
Sie haben es zu verantworten, dass hier derart negativ
von der Bundesanstalt gesprochen wird.
({5})
Das müssen Sie aushalten.
({6})
Dieses Gremium hat den Haushalt der Bundesanstalt
verabschiedet. Sie müssen Ihre Vorwürfe belegen. Ich
glaube, auch Ihre Kolleginnen und Kollegen werden sich
das nicht gefallen lassen. Gehen Sie mit solchen Dingen
etwas behutsamer um!
({7})
Seien Sie vorsichtig, welche Signale Sie in das Land
senden!
Aktuelle Stunden zu diesem Thema geben uns jedes
Mal die Gelegenheit, deutlich zu machen - darauf hat
auch der Staatssekretär hingewiesen -, dass Sie in der
Frage der Arbeitsmarktpolitik vollkommen konzeptlos
sind. Sie haben 16 Jahre lang in diesem Bereich nichts
getan.
({8})
Der Haushalt der Bundesanstalt wird so gefahren,
({9})
dass die Aktivierungsquote genau wie im letzten Jahr bei
20 Prozent liegt. Das heißt, für 20 Prozent der Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, werden
entsprechende Maßnahmen ergriffen. Das ist sowohl für
die Träger von Maßnahmen als auch für die Betroffenen
ein wichtiges Signal. Dabei geht es mir vor allen Dingen
um junge Menschen, die möglicherweise vorbereitende
Maßnahmen benötigen, um einen Ausbildungsplatz zu
bekommen, und diejenigen, die im Rahmen von Rehabilitation der Hilfe bedürfen.
({10})
Dafür sind im Haushalt ausreichend Mittel vorgesehen.
({11})
Ich bin gern bereit, jede Woche darauf aufmerksam zu
machen, dass für diese Maßnahmen ausreichend Mittel
zur Verfügung stehen. Auch der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres hat unterstrichen: Wenn die Mittel
nicht ausreichen, dann wird die Liquidität gesichert. Das
ist das richtige Signal für unser Land. Wir werden den
Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, die
nötige Sicherheit geben.
({12})
- Das ist geltendes Recht.
Ich will ein Wort zu den neuen Bundesländern sagen.
Es wird so getan, als ob alle Maßnahmen für die neuen
Bundesländer bei der Bundesanstalt radikal gestrichen
würden.
({13})
42,7 Prozent der gesamten Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik fließen in die neuen Bundesländer. Schauen
Sie sich einmal an, wie hoch der Anteil der Mittel früher
war! Durch eine Umorganisation der Bundesanstalt für
Arbeit werden wir Strukturen schaffen, die sukzessive
greifen. Diese Maßnahmen werden nicht von heute auf
morgen greifen; denn wir haben es mit einer Einrichtung
zu tun, die mit 90 000 Mitarbeitern flächendeckend über
dieses Land verteilt ist.
Ich kann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Bundesanstalt nur auffordern, diesen spannenden Prozess aktiv mitzugestalten. Ich erinnere mich aber sehr
gut, wie insbesondere der Teil auf der rechten Seite dieses Hauses über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Bundesanstalt hergefallen ist.
({14})
Als die Kritik an der Bundesanstalt laut geworden ist,
haben Sie angefangen zu schleimen.
Durch die Umstrukturierung der Bundesanstalt wird
es zu Effizienzgewinnen kommen. Die Maßnahmen zur
Förderung der beruflichen Bildung, der Berufsvorbereitung und insbesondere zur Ausbildung von jungen Menschen werden in dem notwendigen Umfang durchgeführt, wie Nachfrage besteht.
Sie brauchen nicht das Gespenst der Angst durch
diese Republik zu jagen. Insbesondere junge Menschen,
die von Arbeitslosigkeit betroffen oder bedroht sind,
brauchen Verlässlichkeit. Sie benötigen eine Einrichtung, die ihnen Hilfe aus einer Hand bietet.
({15})
Darum geht es.
Wir werden die Gelegenheit nutzen, jede Woche mit
Ihnen darüber zu diskutieren. Dabei werden wir Ihre
Konzeptionslosigkeit und unsere Angebote deutlich machen.
Danke schön.
({16})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 10. April 2003,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.