Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/9/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet, auch wenn ich mehr Besucher auf den Rängen als Abgeordnete im Plenum zähle. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern. Das hört sich sehr kompliziert an. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Gerd Andres.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben schon gemerkt, dass es sich um ein außerordentlich kompliziertes Thema handelt, Frau Präsidentin. Ich bitte um Vergebung, wenn der Vortrag, den ich einleitend halten möchte, etwas länger als fünf Minuten dauert. Ich lege es in Ihre Hand, mir Dispens zu erteilen. Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs mit 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern beschlossen. Diese Nummern dienen dazu, telefonisch oder über PC abgerufene Dienstleistungen wie etwa Beratungsdienste schnell und einfach über die Telefonrechnung der Telefongesellschaft abzurechnen. Dieser Dienstleistungsmarkt hat ein Volumen von circa 1,5 Milliarden Euro. Neben dem großen Teil an seriösen Anbietern, beispielsweise den Verbraucherzentralen, gibt es einige schwarze Schafe, die das Ansehen des gesamten Marktes beeinträchtigen. In der letzten Zeit gibt es erhebliche Probleme mit der missbräuchlichen Nutzung dieser Nummern. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den so genannten Dialern, die sich zum Teil unbemerkt auf den PC aufschalten und die Verbindung zum Internet jedes Mal über die teure Nummer herstellen. Auch bei der telefonischen Inanspruchnahme von 0190er-Nummern kommt es zu erheblichen Missbräuchen und betrügerischen Handlungen. Die Änderung des Telekommunikationsgesetzes dient dem Zweck, das Angebot von 0190er- und 0900erMehrwertdiensterufnummern transparenter zu gestalten und so die Rechtsposition des Verbrauchers zu verbessern. Hierzu enthält der Gesetzentwurf die folgenden Regelungen: Erstens. Der Verbraucher erhält einen Auskunftsanspruch gegen die Regulierungsbehörde, um zu erfahren, wer sich hinter einer 0190er-Mehrwertdiensterufnummer verbirgt. Diese Angaben kann die Regulierungsbehörde von ihren Zuteilungsnehmern abfragen. Zweitens. Die 0900er-Mehrwertdiensterufnummern, die seit dem 1. Januar 2003 genutzt werden können und die die 0190er-Mehrwertdiensterufnummern unter Gewährung einer Übergangsfrist ablösen, sollen in einer Datenbank erfasst werden, die im Internet veröffentlicht werden soll. So kann der Verbraucher nachvollziehen, welche Dienste von welchem Dienstanbieter über eine bestimmte 0900er-Mehrwertdiensterufnummer angeboten werden. Drittens. Der Verbesserung der Transparenz dient auch die Verpflichtung, bei der Werbung für 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern auf die Preise hinzuweisen. Für die Inanspruchnahme der Dienste unter den 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern, deren Preise von den Teilnehmernetzbetreibern individuell festgesetzt werden, können bundesweit nicht einheitliche Preise verlangt werden. Für diese Fälle ist die Pflicht zur Angabe einer Von-bis-Preismarge vorgesehen. Die Pflicht zur Preisangabe gilt nicht für die Preise im Mobilfunkbereich. Im Gegensatz zum Festnetz werden von den einzelnen Mobilfunknetzbetreibern für die Inanspruchnahme von 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern regelmäßig unterschiedliche Preise verlangt, die vom jeweiligen Netzbetreiber, individuellen Tarifen etc. abhängig sind. Es hätten also stets weite Redetext Preismargen angegeben werden müssen, wodurch die Gefahr bestanden hätte, dass die Verbraucher über die Kosten für die Inanspruchnahme von Mehrwertdiensterufnummern aus dem Mobilfunknetz eher falsch als richtig informiert worden wären. Viertens. Für eine Verbesserung der Transparenz sorgt auch die Pflicht, eine Preisansage vorzunehmen. Ändert sich während der Inanspruchnahme der Preis für die Nutzung einer solchen Rufnummer, zum Beispiel bei einer Weiterleitung auf eine anders tarifierte Nummer, ist auch diese Änderung anzusagen. Art und Länge der Ansage sind genau vorgegeben, um sicherzustellen, dass sie für den Kunden kostenlos erfolgt und er die Möglichkeit hat, das Gespräch noch vor der Kostenpflichtigkeit zu beenden. Nach einer Übergangsfrist von einem Jahr nach InKraft-Treten gilt die Pflicht zur Preisansage auch für Anrufe aus Mobilfunknetzen. Diese Übergangsfrist ist erforderlich, um in den Vermittlungsstellen die für die Preisansage benötigten technischen Voraussetzungen zu schaffen. Fünftens. Daneben werden durch den Gesetzentwurf Preisobergrenzen eingeführt, um das Risiko, durch ein missbräuchliches Angebot solcher Nummern einen hohen Geldbetrag zu schulden, zu begrenzen. Bei der Preisgrenze ist zwischen den zeitabhängig und den zeitunabhängig abgerechneten Diensten zu unterscheiden, da bei den Letztgenannten die Dienstleistung einen einmaligen Wert hat. Bestellt also zum Beispiel jemand Theaterkarten über eine solche Mehrwertdiensterufnummer, fallen Kosten in einer bestimmten Höhe an, und zwar unabhängig davon, wie lange das konkrete Telefongespräch dauert. Der Preis für diese Dienstleistung wird auf 30 Euro pro Anruf oder Einwahl begrenzt. Wird entsprechend der Länge der Verbindung abgerechnet, ist das Entgelt auf 3 Euro pro Minute begrenzt. Die Abrechnung darf höchstens im 60-Sekunden-Takt, sie kann aber auch in einem kürzeren Takt erfolgen. Die Preise für Mehrwertdiensterufnummern der genannten Kategorie dürfen über diese Beträge auch hinausgehen, sie bedürfen dann aber einer geeigneten Legitimation des Nutzers vor Inanspruchnahme der Dienstleistung. Wie diese Legitimation im Einzelnen aussehen soll, regelt die Regulierungsbehörde. Sechstens. Auch die Pflicht zur Zwangstrennung nach einer Stunde dient der Risikobegrenzung. Länger als eine Stunde dauernde Verbindungen müssen vom Kunden ausdrücklich verlangt werden. Dafür muss er sich vor Inanspruchnahme der Dienstleistung gegenüber dem Diensteanbieter durch ein geeignetes Verfahren legitimieren. Die Einzelheiten regelt wiederum die Regulierungsbehörde. Siebtens. Um die massiven Missbräuche durch den Einsatz von Anwählprogrammen - Dialern - zu bekämpfen, sollen diese vor der Inbetriebnahme bei der Regulierungsbehörde registriert werden. Gegenüber der Regulierungsbehörde muss schriftlich versichert worden sein, dass eine rechtswidrige Nutzung, zum Beispiel durch Täuschung über die Kosten, ausgeschlossen ist. Wie das Registrierungsverfahren im Einzelnen erfolgen wird und welche Vorgaben zu erfüllen sind, wird von der Regulierungsbehörde festgelegt. Neben den rein verfahrenstechnischen Vorgaben wird die Regulierungsbehörde im Interesse eines Mindeststandards an effektivem Verbraucherschutz Mindestvorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung von Dialern schaffen. Dafür wird dort ab Mitte April ein Arbeitskreis eingerichtet. Achtens. Eine weitere wichtige Änderung ist die Klarstellung der Befugnis der Regulierungsbehörde, wonach die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und ihrer Zuteilungsregeln sichergestellt werden kann. Sie kann diese Nummern insbesondere bei gesicherter Erkenntnis über eine rechtswidrige Nutzung entziehen. Neuntens. Eine zusätzliche Maßnahme zur Verbesserung der Transparenz ist die Anpassung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die Mehrwertdiensterufnummern dürfen ungekürzt gespeichert werden und entsprechend auf dem Einzelverbindungsnachweis erscheinen, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, den Auskunftsanspruch gegenüber der Regulierungsbehörde auch geltend zu machen. Durch die Verbesserung der Rechtsstellung der Verbraucher und die anderen transparenzsichernden und risikoverringernden Maßnahmen wird das Vertrauen der Verbraucher in das Angebot von Dienstleistungen über Mehrwertdiensterufnummern gestärkt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Schönen Dank. - Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den so eben berichtet wurde. - Die Abgeordnete Heinen, bitte.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Recht herzlichen Dank für Ihre Einführung in das Thema und die Vorstellung des Gesetzentwurfs. Gestatten Sie mir dazu einige Fragen. Die erste Frage betrifft den Anwendungsbereich des vorgelegten Entwurfs. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es nur um die 0190er- und 0900er-Nummern, andere Rufnummern werden nicht erfasst. Ist nicht zu befürchten, dass es dadurch nicht zu einer Verhinderung des Missbrauchs kommt, sondern nur zu einer Verlagerung auf andere Rufnummern, zum Beispiel auf 0118er-, 0136er- und 0137er-Nummern? Meine zweite Frage bezieht sich auf den Mobilfunk. Wir begrüßen es sehr - das war immer eine Forderung der Opposition -, dass auch der Mobilfunk in den Anwendungsbereich des Gesetzentwurfes aufgenommen wird. Allerdings verstehen wir nicht, warum eine Übergangsfrist von einem Jahr vorgesehen ist.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Zu Ihrer ersten Frage: Der Gesetzentwurf bezieht sich auf exakt die beiden Rufnummerngruppen, die ich genannt habe. In diesen Anwendungsbereichen finden nach gegenwärtigem Kenntnisstand die größten Missbräuche statt. Ich kenne das Argument, dass man auch andere Rufnummern einbeziehen soll. Aber ich will in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Regulierungsbehörde schon gegenwärtig Möglichkeiten hat, Missbräuche zu begrenzen oder gegen sie vorzugehen. Für die Bundesregierung erkläre ich: Wir werden das beobachten. Wenn sich in der Tat Verlagerungen abzeichnen sollten, muss entsprechend reagiert werden. Zu der Frage zu den Mobilfunknetzen ist zu bemerken, dass zur Einführung der entsprechenden technischen Programme eine Übergangsfrist von einem Jahr benötigt wird. Bei den Schnittstellen muss man feststellen können, aus welchem Netz der Anruf stammt. Dafür müssen entsprechende Softwareprogramme entwickelt werden, die dann installiert werden müssen. Dafür brauchen wir diese Übergangsfrist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, auch ich habe einige Fragen zu dem Gesetzentwurf. Ein Grund, hier richtigerweise Gesetzesänderungen vorzunehmen, ist, dass es für Verbraucher sehr schwer ist, ihre Ansprüche, die sie nach geltendem Recht und nach Änderung des Schuldrechts mit dem allgemeinen Auskunftsanspruch haben, durchzusetzen. Deshalb meine Frage: Worin sehen Sie nach den neuen Gesetzesbestimmungen die Besserstellung des Verbrauchers bei der Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen? Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich viele dieser Diensteanbieter außerhalb Deutschlands und des europäischen Auslands befinden und daher eine Durchsetzung der Ansprüche aus vielerlei Gründen scheitert. Meine zweite Frage. Da die Regulierungsbehörde die Auskünfte erteilt, spielt sie bei diesen Gesetzesänderungen eine wichtige Rolle. Ist dafür gesorgt worden, dass sich diese Regulierungsbehörde als ein Dienstleistungsunternehmen und nicht als eine Behörde versteht, die die Anliegen von Bürgern zuerst einmal kritisch unter die Lupe nimmt, um die Anfragen möglichst schnell wieder ad acta zu legen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich beginne mit der zweiten Frage: Wir haben die Verordnung geändert. Wir wollen sicherstellen, dass die Regulierungsbehörde im Sinne eines modernen Dienstleisters schnell und innerhalb bestimmter Fristen - die Antwort muss innerhalb von zehn Tagen gegeben werden - die gewünschte Auskunft erteilt. Zur Frage der Vorteile für den Verbraucher. Es gibt eine ganze Bandbreite von Vorteilen: Es wird eine Preisansage eingeführt, auf die reagiert werden kann. Die Dialer werden registriert, was die Offenlegung derjenigen bedeutet, die diese Nummern anbieten. Zudem wird mit bestimmten Instrumenten sichergestellt, dass das Angebot aus dem inländischen Festnetz kommt, bzw. dass - nach der genannten Übergangsfrist - geklärt, um welchen Mobilfunkanbieter es sich handelt. Wir glauben, dass das eine deutliche Verbesserung ist, wobei wir noch an den rechtlichen Problemen, über die Sie wahrscheinlich sehr viel besser Bescheid wissen als ich - ich nenne zum Beispiel die Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche -, arbeiten. Ich bitte Sie, Probleme in die Beratung des Gesetzes einzubringen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin Heinen, haben Sie noch eine Frage zu diesem Themenbereich? - Bitte.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir waren gerade bei den Forderungen. Meine Frage ist, warum Sie das Inkassoverbot für den Rechnungssteller bei Einwendungserhebung oder Zahlungsverweigerung durch den Rechnungsempfänger nicht aufgenommen haben. Wir haben beispielsweise gefordert, dass die Anschlussanbieter Forderungen erheben dürfen, auch wenn der Kunde Einwände geltend macht.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete Heinen, da ich mir schon gedacht habe, dass diese Frage kommt, ({0}) habe ich mich gut vorbereitet. - Sie haben sich auch gut vorbereitet. - Ich trage Ihnen einfach die Antwort der Bundesregierung vom 29. Januar 2003 auf Ihre Kleine Anfrage vor: Es ist nicht geplant, ein Inkassoverbot einzuführen. Dies würde sehr schnell zu einer Remonopolisierung des Mehrwertdienstemarktes führen. Im Falle eines Inkassoverbots wäre die DTAG das einzige Unternehmen, das seinen Kunden einen umfassenden Service anbieten könnte. Der DTAG könnte ein Forderungseinzug nicht verboten werden, wenn es sich um eigene Forderungen handelt. Zudem könnte ein Inkassoverbot durch Forderungsabtretung umgangen werden. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs der 0190er- und 0900erMehrwertdiensterufnummern sieht allerdings eine Regelung vor, nach der die Regulierungsbehörde bei gesicherter Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung den Rechnungssteller auffordern kann, für diese keine Rechnungslegung vorzunehmen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es weitere Nachfragen zu diesem Themenbereich? - Bitte, Frau Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie trugen vor, dass der Mobilfunkbereich erst in einem Jahr behandelt wird. Das Problem der Mehrwertdienstenummern ist heute schon sehr gravierend in diesem Bereich. Würden Sie bitte erläutern, weshalb Sie diese Gesamtthematik erst in einem Jahr aufgreifen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete, diese Frage habe ich eben schon beantwortet. ({0}) Auch im Mobilfunk besteht für die Verbraucher bei Inanspruchnahme der 0190er- und 0900er-Mehrwertdienstenummern ein Informationsbedürfnis. Daher wurde der Mobilfunk bei der Preisansage einbezogen. Dafür müssen jedoch die technischen Möglichkeiten in den Vermittlungsstellen geschaffen werden. Um die geforderte Preisansage korrekt durchzuführen, muss in den Vermittlungsstellen erkannt werden, von welchem Netz in welches Netz telefoniert wird. Die Entwicklung der entsprechenden Software bedarf mindestens einer Übergangsfrist von einem Jahr. Deswegen haben wir die Übergangsfrist von einem Jahr im Gesetzentwurf verankert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu diesem Themenbereich gibt es keine Nachfragen mehr. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/789 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg Wagner anwesend. Die erste Frage hat der Abgeordnete Stinner gestellt. Er ist nicht da und hat auch keine schriftliche Beantwortung beantragt. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dasselbe gilt für Frage 2. Damit sind wir mit diesem Geschäftsbereich schon durch. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Hans Martin Bury zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dirk Niebel auf. Auf welche Erkenntnisse stützt sich die Bundesregierung bei ihrem Appell an die beteiligteen Konfliktparteien im Irak, also auch an die USA und die alliierten Verbündeten - „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 21. März 2003 -, auf den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verzichten ?

Not found (Gast)

Herr Kollege Niebel, da Sie regelmäßig aktiv an der Regierungsbefragung und der Fragestunde teilnehmen, ist Ihnen sicherlich geläufig, dass ich Presseberichte nicht zu kommentieren pflege. Ich kann aber gerne aus der Erklärung der Bundesregierung im Original zitieren. Der Sprecher der Bundesregierung, Béla Anda, hat am 20. März 2003 anlässlich des Beginns der Kampfhandlungen erklärt: Nun muss alles getan werden, um eine humanitäre Katastrophe für die irakische Zivilbevölkerung abzuwenden. Die Bundesregierung hofft, dass die Kampfhandlungen möglichst rasch zum Abschluss kommen. Sie erwartet, dass die kriegführenden Parteien alles daransetzen, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Dazu gehört insbesondere der Verzicht auf die Anwendung von Massenvernichtungswaffen. Zur Linderung der Not der irakischen Bevölkerung ist die Bundesregierung bereit, die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen bei der Leistung humanitärer Hilfe zu unterstützen. Ich denke, dass sich Ihre Frage erübrigt, Herr Kollege Niebel, wenn Sie den angesprochenen Sachverhalt im Originalkontext hören.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Staatsminister, leider bin ich anderer Ansicht. Die Bundesregierung hat die am Krieg beteiligten Parteien aufgefordert, auf den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verzichten. Deswegen möchte ich gerne wissen, auf welchen Erkenntnissen der Bundesregierung dieser Appell unter anderem an die USA und Großbritannien beruht und - falls derartige Erkenntnisse nicht vorliegen sollten - ob die Bundesregierung bereit ist, sich öffentlich dahin gehend zu erklären, dass dieser Appell nur an diejenigen gerichtet ist, die bisher Massenvernichtungswaffen gegen andere eingesetzt haben.

Not found (Gast)

Herr Kollege Niebel, der Aufruf orientierte sich an allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen. Das Völkerrecht beinhaltet eine allgemeine Verpflichtung für Krieg führende Parteien, solche Waffen nicht einzusetzen. Im Übrigen konnte es aus der Sicht der Bundesregierung keinen Zweifel daran geben, wer im vorliegenden Fall gemeint war. Der Unmovic-Exekutivdirektor, Dr. Hans Blix, und der IAEO-Generalsekretär, Dr. Mohammed al-Baradei, haben bei der öffentlichen Vorstellung des 12. UnmovicQuartalsberichts am 7. März 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärt, dass die Frage, ob der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügt, noch nicht abschließend geklärt werden konnte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die zweite Nachfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, die Bevölkerung in Israel trägt Gasmasken und die Bundesregierung hat Israel mit der Lieferung von Patriot-Luftabwehrraketen zielgerichtet unterstützt. Aus welchen Gründen können Sie ausschließen, dass im Irak Massenvernichtungswaffen vorhanden sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege Niebel, wenn Sie mir eben zugehört haben, werden Sie gehört haben, dass ich die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak nicht ausgeschlossen habe. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, dass die Inspektoren am 7. März vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärt haben, dass diese Frage nicht abschließend geklärt werden konnte. Wir wollten sie im Rahmen des Inspektionsprozesses klären lassen. Ich bedauere, dass dieser Prozess nicht fortgeführt wurde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es weitere Nachfragen? - Dann danke ich Ihnen, Herr Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach bereit. Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Tanja Gönner auf: Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie hoch die Kosten sind, die durch die gemäß der Änderung der Insolvenzordnung zum 1. Dezember 2001 geschaffene Möglichkeit, für ehemals selbstständige Privatpersonen ohne vorheriges Durchlaufen eines außergerichtlichen Planverfahrens direkt ein Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen und dabei hinsichtlich der Kosten eine Stundung zu erlangen, entstehen, und plant die Bundesregierung, Änderungen in der Durchführung dieser Verfahren vorzunehmen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Verehrte Frau Kollegin Gönner, der Frage liegt erkennbar die Vermutung zugrunde, das Durchlaufen eines außergerichtlichen Einigungsversuchs könne im Vergleich zum geltenden Recht zu einer Kostenreduzierung führen. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass nach der Änderung der Insolvenzordnung zum 1. Dezember 2001 ehemals Selbstständige zur Erlangung einer Restschuldbefreiung nicht mehr ein Verbraucherinsolvenz-, sondern ein Regelinsolvenzverfahren zu durchlaufen haben. Eine Ausnahme ist lediglich für die ehemals Selbstständigen vorgesehen, die weniger als 20 Gläubiger haben und bei denen keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung lag die Annahme zugrunde, bei einer geringfügigen selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit würden in der Regel überschaubare Vermögensverhältnisse gegeben sein. Wie die Erfahrung in der Praxis jedoch gezeigt hat, war dies bei Kleinunternehmen häufig nicht der Fall. Teilweise hatten diese 100 oder mehr Gläubiger. Die Teilnahme am Verbraucherinsolvenzverfahren verursachte in diesen Fällen einen nicht vertretbaren Kosten-, Material- und Arbeitsaufwand, ohne dass nennenswerte Chancen bestanden, im Rahmen eines außergerichtlichen oder eines gerichtlichen Einigungsversuches zu einer Übereinkunft mit den Gläubigern zu gelangen. Das zeitaufwendige außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren verzögerte darüber hinaus die Verfahrenseröffnung, sodass keine Sicherungsmaßnahmen für die in diesem Stadium noch vorhandene Masse ergriffen werden konnten. Sanierungen waren in diesen Verfahren ohnehin nicht möglich. Aus all diesen Gründen wurden aktive und ehemalige Kleinunternehmer immer dem Regelinsolvenzverfahren zugeordnet, sofern bei ihnen nicht die bereits von mir genannten Ausnahmetatbestände gegeben waren. Von der mit dem Gesetz vom 26. Oktober 2001 eingeführten Stundungslösung können alle natürlichen Personen profitieren, die eine Restschuldbefreiung erlangen wollen. Sofern in Ihrer Frage die Kosten angesprochen werden, ist darauf hinzuweisen, dass durch die Zuordnung der Kleinunternehmer zum Regelinsolvenzverfahren zunächst eine gewisse Kostenentlastung eintritt, da ein Einigungsversuch, der zahlreiche Kopien und Zustellungen erfordert, nicht mehr durchgeführt werden muss. Allerdings sind die Kosten für den Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren höher als die für den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren. Während für den Insolvenzverwalter eine Mindestvergütung von 500 Euro - ich erspare Ihnen, die entsprechenden Paragraphen zu nennen - vorgesehen ist ({0}) - das habe ich mir schon gedacht -, erhält der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren lediglich eine Mindestvergütung von 250 Euro. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, ob und gegebenenfalls welche zusätzlichen Kosten durch die Zuweisung von Kleinunternehmern zum Regelinsolvenzverfahren verursacht werden. Um die in § 312 der Insolvenzordnung genannten Verfahrenserleichterungen für das vereinfachte Insolvenzverfahren auch in den Fällen nutzen zu können, in denen aktiven oder ehemaligen Kleinunternehmern die Verfahrenskosten gestundet wurden, wird derzeit im Bundesministerium der Justiz geprüft, ob diese Erleichterungen auch im Regelinsolvenzverfahren genutzt werden können. Dies gilt etwa für die Frage, ob diese besonderen Regelinsolvenzverfahren ebenso wie vereinfachte Insolvenzverfahren schriftlich durchgeführt werden können. Die Bundesregierung richtet ihr besonderes Augenmerk darauf, im Interesse der Justizhaushalte der Länder, die in Stundungsfällen zunächst in Vorlage treten müssen, die Verfahren möglichst kostengünstig abzuwickeln. Ein wesentliches Einsparpotenzial sieht die Bundesregierung bei den Veröffentlichungskosten. In dem derzeit in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurf zur Änderung des Unternehmensinsolvenzverfahrens ist deshalb vorgesehen, dass künftig Bekanntmachungen in Insolvenzsachen - insoweit werden wir den Ländern eine Öffnungsklausel zukommen lassen - auch im Internet und daneben möglicherweise noch in einem Papiermedium veröffentlicht werden können. Auf weitere und wiederholte Veröffentlichungen, wie sie derzeit noch in der Insolvenzordnung vorgesehen sind, kann allerdings nicht verzichtet werden. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass mit einer Maßnahme - sofern die Veröffentlichung nur im Internet stattfindet - die Veröffentlichungskosten auf unter 2 Prozent des heutigen Niveaus gesenkt werden können. Eine solche Kostenreduzierung käme letztlich allen Verfahrensbeteiligten zugute.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das war eine lange Antwort. Die erste Nachfrage, bitte.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erlauben Sie mir den Hinweis, dass meine Frage nicht vor dem Hintergrund einer vermuteten Kostenreduzierung, sondern vor dem Hintergrund meiner Erfahrung als Insolvenzverwalterin gestellt wurde. Viele Dinge, die Sie vorgetragen haben, sind mir aus der Praxis bekannt. Nichtsdestotrotz stelle ich eine Nachfrage: Stimmen Sie mit mir überein, dass aufgrund der Änderung zum 1. Dezember 2001, durch die Stundung, eine Verlagerung des Kostenrisikos von den Schuldnern, die eine Restschuldbefreiung wollen, hin zum Staat erfolgt ist, weil der Staat zunächst in Vorleistung treten muss? Nach allem, was sich abzeichnet, wird es eine Verlängerung der Stundung und im Zweifelsfall einen Verzicht auf die Begleichung der Kosten geben.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich glaube, das waren drei Fragen. Verehrte Frau Kollegin, ich versuche sie alle zu beantworten. In der 12. Legislaturperiode, noch unter der Federführung unserer verehrten Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger ({0}) - ich habe als Amtsrichter mit großer Begeisterung über das gelesen, was sie gemacht hat -, wurde das Instrument der Verbraucherinsolvenz in das seit der 9. Legislaturperiode in Beratung befindliche Verfahren zur Änderung der Konkursordnung hin zu einer Insolvenzordnung eingebracht. Das wurde damals von allen im Bundestag vertretenen Parteien befürwortet. Soviel ich weiß, wurde diese Änderung damals so gut wie einstimmig beschlossen. Das war eine durchaus segensreiche Ergänzung der Insolvenzordnung, weil damit den vielen gutwilligen Schuldnerinnen und Schuldnern, die unverschuldet in eine Überschuldung geraten sind, die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich durch ein geordnetes Verfahren, in dem sie ihre Vermögensverhältnisse offen darlegen sollten, entschulden zu können, um nach einer Frist von sieben Jahren - diesen Zeitraum haben wir dann ebenfalls fast einmütig auf sechs Jahre verkürzt - wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können, Steuern und Abgaben zu zahlen und wieder - ich darf es in Anführungszeichen sagen - als vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft zu gelten. Der damalige Parlamentarische Staatssekretär, Rainer Funke - mit ihm arbeite ich in dieser Sache auch heute noch sehr eng zusammen -, hat, wie einige Mitglieder meiner Fraktion, etwa Herr Professor Pick, die Ansicht vertreten, dass der Verweis auf weitere Vorschriften der Zivilprozessordnung die Regelung über die Prozesskostenhilfe automatisch beinhaltet. Sie wissen sicherlich, dass es vom Amtsgericht Flensburg bis zum Amtsgericht Füssen einen bunten Flickenteppich an Entscheidungen gab. Ich weiß, dass ein Amtsrichter an einem Amtsgericht in Thüringen Prozesskostenhilfe gewährt hat; ein anderer hat sie abgelehnt. Wir haben uns darum wieder zusammengesetzt und gesagt: Wir müssen einen kostengünstigen Weg finden, um die Schuldner in das Verfahren der Restschuldbefreiung einzubeziehen. Das Stundungsverfahren war die einzige Lösung. Frau Kollegin, die neue Regelung betrifft natürlich zunächst einmal die Justizhaushalte. Aber auch die anfangs angedachte Regelung, nämlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe, hätte die Justizhaushalte betroffen. Die Stundung der Kosten schafft für die Betroffenen die Möglichkeit, zunächst einmal in das Verfahren hineinzukommen. Vor der Tilgung der Schulden müssen die gestundeten Kosten gezahlt worden sein. Eine Stundung ist insofern nur ein kurzfristiges In-Vorleistung-Treten der Justizhaushalte. Ich begleite dieses Verfahren seit der 13. Legislaturperiode mit großer Freude, weil es ein sinnvolles Verfahren ist. Ich sage Ihnen: Das ist eine gute Lösung.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Nachfrage.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stimmen Sie mit mir überein, dass es einen materiellen Unterschied - auch im Hinblick auf die Belastung des Staates - gibt, ob Prozesskostenhilfe gewährt wird oder ob eine Stundung vorgenommen wird?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich vermag diesen Unterschied im Moment nicht zu sehen, Frau Kollegin.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 5 - sofern sie noch nicht beantwortet ist - der Abgeordneten Gönner auf: Plant die Bundesregierung, nachdem deutsche Insolvenzrichter und -rechtspfleger in einem Aufruf die Bundesregierung im vergangenen Jahr aufgefordert haben, für die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte Sorge zu tragen, derzeit eine Novellierung der Insolvenzordnung im Bereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens und, wenn ja, in welche Richtungen gehen die geplanten Regelungen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Darf ich sie auch so ausführlich beantworten?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Juristen tun das so.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Frau Präsidentin, ich hoffe, Sie haben gemerkt, dass ich bei dieser Angelegenheit mit ganzem Herzen dabei bin. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Aber ja, ganz und gar. Alle haben das gemerkt. ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das dürfen Sie von mir auch erwarten, selbstverständlich. Herr Herzog, ich bin mit Leidenschaft und von ganzem Herzen dabei. Frau Gönner, ich bitte um Nachsicht. ({0}) Jetzt muss ich erst einmal die richtige Antwort auf diese Frage finden. Das ist nicht so ganz einfach.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es geht um die Frage 5.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich weiß. Jetzt habe ich sie. Ich war noch zu sehr mit der Frage 4 befasst. ({0}) Der in der Frage angesprochene Aufruf der Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter sowie der Insolvenzrechtspflegerinnen und -rechtspfleger ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der von der Bundesregierung nicht weiter kommentiert werden soll. Bereits vor In-KraftTreten der Insolvenzordnung lagen Schätzungen der Länder vor, die von jährlich circa 180 000 Verfahren ausgingen. Tatsächlich wurden im Jahr 2002 etwa 43 000 Insolvenzanträge in Bezug auf das Vermögen natürlicher Personen gestellt. Während seitens der Länder zum Zeitpunkt des InKraft-Tretens der Insolvenzordnung personelle Vorkehrungen getroffen worden waren, wurde - nachdem der erwartete Ansturm zunächst ausgeblieben war - das für das Verbraucherinsolvenzverfahren bereitgestellte Personal anderweitig verplant. Die Bundesregierung appelliert deshalb an die Länder, ihrer Verantwortung gegenüber den überschuldeten Menschen insoweit nachzukommen. Im Übrigen wird die Unterstellung, die Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte sei beeinträchtigt, zurückgewiesen. Im Hinblick auf die geplanten Verfahrenserleichterungen ist zunächst auf die Antwort auf Frage 4 zu verweisen. Bezüglich des Verbraucherinsolvenzverfahrens sei noch ergänzend darauf hingewiesen, dass zurzeit geprüft wird, wie der Versuch der Einigung des Schuldners mit seinen Gläubigern effektiv ausgestaltet werden kann. Noch ein kleiner Zusatz von mir: Ich habe mit einigen dieser Aufrufer geredet und wir haben uns sehr vernünftig geeinigt, Frau Gönner.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Gönner, bitte.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie viele Stellen zwischen der Einführung der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 bis zur Änderung am 1. Dezember 2001, also bis zur neuen Regelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, abgebaut worden sind? Dadurch könnte ja diese Belastung entstanden sein.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Mir lagen die entsprechenden Zahlen vor. Aber sie sind nicht so, dass ich sie hier mitteilen könnte. ({0}) - Ich sage gleich, warum. Es hat teilweise Verschiebungen gegeben. Es handelt sich insbesondere um Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, aber auch um Richter. Sie werden teilweise noch auf den entsprechenden Stellen geführt, auch wenn sie mit anderen Aufgaben betraut sind, sodass man hier kein eindeutiges Bild geben kann. Es dürfte sich aber - das sage ich mit aller Vorsicht - um eine Stellenverschiebung in der Größenordnung von etwa 60 Prozent bis 65 Prozent handeln.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Nachfrage.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stimmen Sie mit mir überein, dass es mit den Aufrufern, zu denen auch ich nach wie vor Kontakt habe, zu keiner abschließenden Einigung gekommen ist und dass auch von deren Seite immer noch weiter gehende Änderungen verlangt werden?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Diejenigen, die mit Ihnen geredet haben, sind sicherlich nicht dieselben, die mit mir geredet haben. ({0}) - Wir können uns nachher einmal zusammensetzen und klären, ob wir dieselben Personen meinen. Frau Gönner, natürlich sind einige Vorschläge gemacht worden, zum Beispiel die Anwendung des so genannten Verjährungsverfahrens auf völlig vermögenslose Schuldner. Außerdem hat man vorgeschlagen, dass man, wenn man jemandem einen Nullplan zugesteht, möglicherweise keinen Treuhänder benennt, dass vielmehr der Schuldner nach Ablauf von zwei Jahren zum Gericht geht und seine Vermögenslosigkeit erneut an Eides statt versichert. Wir haben dies geprüft. Wie ich eben gesagt habe, haben wir einen Vorschlag in den Gesetzentwurf übernommen, den wir demnächst vorlegen werden. Es geht dabei um das schriftliche Verfahren und um die Veröffentlichungen in vereinfachter Form über das Internet. Sie sehen also: Wir nehmen die Aufrufer durchaus ernst. Es gibt aber andere Dinge, bezüglich derer wir als Bundesministerium der Justiz - im Übrigen im Einvernehmen mit der weitaus größeren Zahl der Praktiker der Ansicht sind: Wir brauchen ein geordnetes Verfahren und können nicht irgendein Verfahren zur Anwendung bringen, bei dem eventuell alles im Sande verläuft. Ich hoffe, dass Sie mit meiner Antwort zufrieden sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Danke schön, Herr Staatssekretär Hartenbach. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger beantworten. Es wurde darum gebeten, dass die Frage 6 schriftlich beantwortet wird. Ich rufe jetzt die Frage 7 des Abgeordneten Albert Deß auf: Welche Belege hat die Bundesregierung für die Behauptung der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast - Plenarprotokoll 15/34, Seite 2 838 B -, dass in Bayern die vielen kleinen mittelständischen Molkereien die Milchbauern gegeneinander ausspielen und dass im Ackerbaubereich die Bauern so viel verdienen, dass sie im Zweifelsfall im Winter mehrere Monate Urlaub machen können? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, die Bundesministerin hat in der Debatte im Bundestag, auf die Sie sich beziehen, darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftliche Situation von Milchviehbetrieben von der von Ackerbaubetrieben gravierend unterscheidet. Nun sind insbesondere die Molkereien, in Bayern aufgrund der aktuellen Marktlage unter Druck geraten und es sind, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, dementsprechend auch die Auszahlungspreise für die Bäuerinnen und Bauern massiv unter Druck geraten. Beides ist für die Bundesregierung Anlass zu großer Sorge. In dem Sinne hat sich die Bundesministerin auch dafür ausgesprochen, die öffentliche Unterstützung für die Milchbauern im Vergleich zu den Ackerbauern im Zuge der Reformen, die im Agrarbereich anstehen, deutlich zu verbessern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage, bitte.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat in der Rede gesagt, dass in Bayern die vielen kleinen mittelständischen Molkereien die Milchbauern gegeneinander ausspielen. Wie erklären Sie sich, wenn diese Aussage richtig ist, die Tatsache, dass im vergangenen Jahr in Bayern mit den vielen Molkereien ein wesentlich besserer Durchschnittsmilchpreis erzielt worden ist als in solchen Regionen Deutschlands, in denen es nur noch wenige Molkereien gibt? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, im Protokoll des Bundestages ist folgender Zwischenruf von Ihnen verzeichnet: In keinem Bundesland bekommen die Bauern einen so guten Milchpreis wie in Bayern! - Ein Blick auf die Zahlen beweist, dass diese Aussage nicht richtig ist. Außerdem rutscht der Milchpreis zurzeit nirgends so stark wie in Bayern. Es gibt deutlich bessere Milchpreise in Ländern wie Sachsen oder auch Rheinland-Pfalz. Ich räume gern ein, dass auch das CDU-regierte Hessen, ähnlich strukturiert wie Bayern, einen erheblichen Einbruch bei den Auszahlungen für Milch zu verzeichnen hat. Wir sollten uns hier gemeinsam darauf verständigen, festzustellen, dass die Situation in Bayern sehr dramatisch ist. Das ist auch der Grund dafür, dass die Ministerin besorgt ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Nachfrage des Kollegen Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will die Aussage jetzt nicht bewerten, sondern nur darauf hinweisen, dass das natürlich auch mit der Produktionsausrichtung der Molkereien zusammenhängt. Nun zur zweiten Zusatzfrage. Die Ministerin hat gesagt, dass im Ackerbaubereich die Bauern so viel verdienen, dass sie im Zweifelsfall im Winter mehrere Monate Urlaub machen können. Können Sie mir Ackerbaubetriebe nennen, in denen der Betriebsleiter mehrere Monate Urlaub macht? Ich würde mich gern mit solchen Betriebsleitern in Verbindung setzen. ({0}) Wie erklären Sie sich die Aussage der Ministerin vor dem Hintergrund eines Getreidepreises von 7 Euro für 100 Kilogramm? 1961, als ich als 14-Jähriger das erste Getreide zur Brauerei gefahren habe, habe ich für 100 Kilogramm noch 45 DM, also knapp 23 Euro, bekommen. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, die Gewinne von landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben im Getreidebereich liegen deutlich über denen von Milchviehbetrieben. In Deutschland hat der Ackerbaubetrieb im Wirtschaftsjahr 2001/02 im Schnitt 45 336 Euro verdient, während der Milchviehbetrieb nur 27 949 Euro verdient hat. Als jemand, der sich bei den Milchbauern in Bayern sehr gut auskennt, wissen Sie gut, dass Urlaub oder auch freie Sonntage für Milchbauern über das ganze Jahr eher selten sind, weil der Arbeitsaufwand sehr hoch ist. Sie müssen aber sehen, dass dem deutschen Steuerzahler ein Ackerbaubetrieb pro Arbeitskraft 22 700 Euro wert ist, während ein Milchviehbetrieb ganze 7 600 Euro an öffentlicher Unterstützung bekommt. Dieses eklatante Missverhältnis hat die Ministerin in der Debatte in ihrer Aussage zugespitzt. Lassen Sie uns nicht über die Zuspitzung reden, sondern das hinter diesen Zahlen stehende gravierende Problem lösen, das auch für unsere Kulturlandschaft und für unsere Umwelt erhebliche negative Folgewirkungen hat!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es noch andere Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 8 des Abgeordneten Deß auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Bundesratsbeschluss 61/03 vom 14. März 2003 zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union, EUZBLG, für sie bindend ist, und, wenn nein, mit welcher Begründung? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, ich beantworte für die Bundesregierung die Frage wie folgt: Nein, die Voraussetzungen für eine maßgebliche Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundesrates gemäß § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union liegen hier nicht vor.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage? - Bitte.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, dass in der Sache doch eine Mitwirkungspflicht der Länder besteht? Sie sind ja für die Umsetzung der EU-Agrarbeschlüsse zuständig und der Bundesrat hat eine ganz eindeutige Stellungnahme zu den Agrarbeschlüssen abgegeben. Deshalb stellt sich für mich schon die Frage: Inwieweit berücksichtigt die Bundesregierung diesen Beschluss des Bundesrates bei den Verhandlungen in Brüssel? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege, die letzte Agrarministerkonferenz, die in Schwerin stattgefunden hat, hat sich intensiv mit den Fragen der anstehenden Agrarreform beschäftigt. Zweifelsohne nehmen wir die gemeinsamen Stellungnahmen der Länder sehr ernst. Ein Beispiel: Die Länder haben wie wir die Position vertreten, dass durch die Agrarreform in Brüssel weder alte Ungerechtigkeiten - ich erinnere an die Situation der Milchbauern - zementiert werden dürfen noch neue Ungerechtigkeiten entstehen dürfen. Solche Äußerungen des Bundesrates sind für uns von außerordentlicher Bedeutung und werden auch entsprechend berücksichtigt. Man muss hier allerdings zwischen den politischen Konsultationen, die mit den Landesregierungen in zahllosen Gesprächen stattfinden, und der formalen Abstimmung, wie sie in dem angesprochenen Gesetz vorgesehen ist, unterscheiden. Für die formale Abstimmung im Sinne dieses Gesetzes liegen nach Meinung der Bundesregierung - das hat auch die Bundesministerin Künast dem Bundesrat mitgeteilt - keine triftigen Gründe vor.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Benachteiligung der Milchbauern angesprochen haben, erlaube ich mir, Sie zu fragen: Müssten Sie, wenn Sie von einer Benachteiligung der Milchbauern sprechen, nicht auch darauf hinweisen, dass die Milchbauern in Bayern sehr wohl eine Grünlandprämie bekommen, während dies in anderen Bundesländern, insbesondere in denen, in denen Ihre Partei mit regiert, oft nicht der Fall ist? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, ich danke Ihnen sehr für diesen Hinweis. Ich begrüße in der Tat, dass Baden-Württemberg noch stärker als Bayern - das ist hart für einen Bayern, aber man muss es sagen - für den ländlichen Raum und die Milchviehbetriebe zusätzliche Unterstützung gibt. ({0}) Vor allen Dingen im Länderdreieck Hessen, Bayern, Baden-Württemberg treten extrem große Unterschiede bei den Förderungen für Landwirte auf. Je nachdem, ob sie in Hessen oder in einem der beiden anderen Bundesländer tätig sind, haben sie erhebliche Vor- bzw. Nachteile. Leider wird aber gerade Hessen nicht von einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten regiert, sondern von Roland Koch. Der lässt nicht erkennen, dass er dieses gravierende Missverhältnis aufzuheben gedenkt. Wir wollen vonseiten des Bundes dadurch Abhilfe schaffen, dass wir Grünland insgesamt deutschlandweit Parl. Staatssekretär Matthias Berninger bei der Gewährung von EU-Direktzahlungen aufwerten. Ich glaube, dass das ein gutes Projekt ist, weil dadurch auch in Bayern und Baden-Württemberg Mittel für andere sinnvolle Tätigkeiten im ländlichen Raum freigemacht werden. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 9 der Abgeordneten Julia Klöckner auf: Welche Initiativen gehen von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, gemeinsam aus, um das Ziel, den Güter- und Personenverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene zu verlagern, zu erreichen? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Ziel der Bundesregierung ist es, den Schienenverkehr effizienter zu gestalten und seine Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen. Das schließt insbesondere auf dem Verkehrsmarkt auch die Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene ein. ({0})

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich war gar nicht darauf gefasst, dass die Frage so knapp beantwortet wird ({0}) und hier gleichsam nur Aussagen des Koalitionsvertrages vorgetragen werden. Meine Nachfrage geht dahin: Wenn es Ihr Ziel ist, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen, bedingt das Absprachen und Koordinationen, zum Beispiel Gespräche des Ministeriums mit Herrn Mehdorn. Für uns stellt sich nun die Frage: Warum finden dann nicht auch Absprachen bei anderen Vorhaben der Bahn, zum Beispiel bei solchen, die den Verbraucherschutz berühren, statt? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Zunächst einmal ist es so, dass die verschiedenen Ressorts in einem ausgesprochen regen Austausch mit der Bahn AG über die Zukunft des Preissystems und die damit verbundenen Probleme stehen. ({1}) Hier sitzen eine ganze Reihe von Personen, auf der Regierungsbank und im Plenum, die daran beteiligt sind und das bestätigen können. Es ist völlig klar, dass alle Ressorts gemeinsam das Ziel einer kundenfreundlichen Bahn verfolgen. Dabei werden wir dafür sorgen, dass aktuelle Probleme, etwa bei der Umsatzsituation der Bahn, korrigiert werden können. Dafür ist sicherlich eine Partnerschaft zwischen der Bahn auf der einen Seite und der Bundesregierung auf der anderen Seite erforderlich. Diese existiert auch auf höchster Ebene. Ich kann entsprechende Medienberichte bestätigen, nach denen sich Bundesministerin Künast, Verkehrsminister Stolpe und Herr Mehdorn am Sonntag genau über dieses Thema sehr ausführlich unterhalten haben. Einer Nachfrage vorbeugend muss ich Ihnen allerdings auch sagen, dass über den Inhalt des Gesprächs Vertraulichkeit vereinbart wurde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schade. Diese Frage hätte ich gerne als weitere Zusatzfrage gestellt. Die Staatssekretärin aus Ihrem Ministerium sitzt ja im Aufsichtsrat der Bahn. ({0}) - Entschuldigung, ich meine die Staatssekretärin aus dem Umweltministerium. ({1}) - Ich wollte Sie nur testen. - Dennoch habe ich folgende Frage. Wenn Sie sagen, Sie befinden sich in regen Gesprächen und versuchen, einen Weg zu finden, um Tarifsysteme zu forcieren, die dem Verbraucher zugute kommen, dann frage ich mich ({2}) - das mache ich gerade, vielleicht kennen Sie das sprachliche Mittel der indirekten Frage; hören Sie einfach zu, dann verstehen Sie auch die Frage -, ({3}) warum erst alles hochkochen und sich als umständlich und kurzsichtig erweisen muss, erst Pro Bahn, Verbraucherschützer und viele Organisationen gegen dieses System protestieren, und Konfrontationen suchen müssen, bevor es zu freundschaftlichen Gesprächen kommt. Denn letztlich ist der Verbraucher dabei der Dumme. Gespräche führen und Ziele formulieren ist das eine; es kommt aber darauf an, etwas Neues umzusetzen oder Bestehendes zu überarbeiten, und das braucht Zeit. Wenn Sie also sagen, es würden Gespräche geführt und man befinde sich in einem regen und freundschaftlichen Austausch, hört sich das sehr gut an, aber der Verbraucher spürt letztlich nichts davon. Auf welche Maßnahmen können wir hoffen, durch die der Verbraucher in Bälde eine verbraucherfreundlichere Bahn bekommt? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Kollegin, Ihrer Frage liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Bundesregierung und auch die Bahn AG mit den Auswirkungen des neuen Preissystems erst seit wenigen Tagen beschäftigen. Diese Annahme kann ich so nicht bestätigen. Im Gegenteil, wir haben in den letzten Monaten auf verschiedenen Ebenen intensive Gespräche geführt. Wir haben sowohl die Verbraucherverbände eingebunden als auch Gespräche mit der Bahn direkt geführt. Außerdem gab es in der letzten Legislaturperiode Bundestagsdebatten zu diesem Thema, inklusive einer Regierungserklärung zum Verbraucherschutz. Hinsichtlich der Wirkung des Preissystems auf die Verbraucherinnen und Verbraucher gab es unterschiedliche Einschätzungen des Unternehmens Bahn, das ein solches Preissystem in Eigenverantwortung am Markt durchsetzen muss, und verschiedener anderer Akteure. Diese unterschiedlichen Auffassungen sind jetzt, da das neue Preissystem der Bahn seit einigen Monaten implementiert ist, deshalb offen zutage getreten, weil der Umsatzrückgang, der zurzeit zu verzeichnen ist, allen Freunden der Bahn Anlass zur Sorge gibt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Heinen.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Chef der Deutschen Bahn, Mehdorn, hat in der vergangenen Woche im „Spiegel“ erklärt, dass er überhaupt nicht bereit sei, irgendetwas zu ändern. Er hat gesagt - ich zitiere, wenn Sie erlauben -: Frau Künast kriegt sonst nicht viel auf die Reihe, kann sich aber des Beifalls sicher sein, wenn sie einfach mal populistisch halbe Ticketpreise fordert. Meine Frage lautet: Hat sich die Ministerin in dem Gespräch mit Herrn Mehdorn nur über die Ticketpreise unterhalten und wird man zu Änderungen in diesem Bereich kommen oder war es wirklich nur, wie die Kollegin Klöckner gefragt hat, ein netter Meinungsaustausch, der dazu geführt hat, dass man sich nicht mehr via Zeitung gegenseitig beschimpft? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Zunächst einmal hat die Ministerin zu dieser Äußerung erklärt, dass sie auf dem Niveau keine Verständigung über das Thema wünscht. Dieses Niveau ist dem Unternehmen sicherlich auch nicht zuträglich und steigert nicht die Akzeptanz der Verbraucherinnen und Verbraucher bezüglich des Unternehmens Bahn. Festhaltend daran, dass ich über Details des Gesprächs vom vergangenen Sonntag nicht viel sagen möchte, will ich doch so viel durchblicken lassen: Herr Mehdorn ist bei dieser Äußerung mit Sicherheit nicht geblieben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es weitere Nachfragen zu diesem Geschäftsbereich? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Parlamentarische Staatssekretärin Marieluise Beck wird die Fragen beantworten. Ich rufe zunächst die Frage 10 der Abgeordneten Maria Eichhorn auf: Wie ist der Vorschlag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, DIHK, zur Verkürzung der Elternzeit - vergleiche ddp-Meldung vom 3. März 2003 - mit der Wahlfreiheit von Eltern zu vereinbaren, Familie und Erwerbstätigkeit ihren Wünschen entsprechend gestalten zu können?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Zurzeit ist eine Verkürzung der Elternzeit nicht geplant. Allerdings wird, wie Sie dem Artikel in der „Financial Times Deutschland“ entnehmen konnten, sehr wohl über mögliche Alternativen nachgedacht. Das rührt daher, dass Mütter und Wirtschaft gleich gelagerte Interessen haben: Frauen wünschen sich häufig eine schnellere Rückkehr in den Beruf, um nicht ihre Qualifikation zu verlieren; Betriebe sind ebenfalls daran interessiert, dass Mütter oder Väter schnell wieder in ihren Beruf zurückkehren. Wie Sie wissen, haben wir ab Januar 2001 den Eltern die Möglichkeit gegeben, anstelle einer Bezugsdauer des Erziehungsgeldes von zwei Jahren ein erhöhtes Erziehungsgeld für ein Jahr zu wählen. Wir werden erst die Erfahrungen auswerten und dann sehen, welche Schritte notwendig sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage der Kollegin Eichhorn.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich denke, es dürfte Ihnen bekannt sein, dass etwa ein Drittel der Mütter wenigstens die ersten zwei bis drei Jahre nach der Geburt bei ihrem Kind zu Hause bleiben will. Vor allem Mütter mit Kindern unter drei Jahren wünschen, ihre Kinder selbst zu betreuen. Wollen Sie mit der Verkürzung der Elternzeit Mütter von diesem Wunsch abbringen und ausschließlich die Berufstätigkeit von Müttern fördern?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Unser Prinzip, mit dem wir diesen Bereich politisch gestalten wollen, ist, für eine möglichst große Wahlfreiheit zu sorgen. Ein großes Problem für die Mütter und Väter, die früher in ihren Beruf zurückkehren wollen, ist, dass im Augenblick die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren in Deutschland sehr gering entwickelt sind. Deswegen ist in dieser Legislaturperiode unser Hauptprojekt in diesem Bereich, entsprechende Abhilfe zu schaffen.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wollen Sie mit der Verkürzung der Elternzeit auch die Bezugsdauer des Erziehungsgeldes verkürzen? Welche Einsparungen wären damit verbunden, wollen Sie also weitere Sparmaßnahmen bei den Familien vornehmen?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Ihre Frage kann ich mit Nein beantworten. Es gibt keine Pläne, die Elternzeit zu verkürzen. Es gibt auch keine Pläne, das Erziehungsgeld abzusenken. Sie beziehen sich auf einen Zeitungsartikel, in dem sowohl von dem Präsidenten des DIHK als auch von der Ministerin darüber nachgedacht wurde, wie man Mütter und Väter unterstützen kann, wenn sie früher in den Beruf zurückkehren wollen. Es gibt in anderen Ländern, zum Beispiel in den skandinavischen Ländern, Lohnersatzleistungen anstatt - wie bei uns - Erziehungsgeld. Es ist politisch durchaus vernünftig, sich mit solchen Alternativmodellen auseinander zu setzen. Insbesondere sollte man sich die Frage stellen, ob es auf diese Weise gelingt, mehr Väter an der Erziehung ihrer Kinder zu beteiligen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Maria Eichhorn auf: Auf welchen Betrag soll das Erziehungsgeld im ersten Jahr der Elternzeit angehoben werden, um das vom BMFSFJ und vom DIHK angestrebte Ziel - vergleiche ddp-Meldung vom 3. März 2003 -, einen möglichst hohen Teil des Lohnes im ersten Jahr der Elternzeit zu ersetzen, erreichen zu können?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Es gibt in Europa, insbesondere in den skandinavischen Ländern - darauf habe ich eben hingewiesen -, verschiedene Modelle, die unter bestimmten Voraussetzungen teilweise Lohnersatzleistungen vorsehen, die sich auf das bisherige Einkommen beziehen. Sie wissen, dass das Problem bei uns derzeit ist, dass sich Väter - vorsichtig ausgedrückt - bei der Inanspruchnahme von Erziehungszeiten vornehm zurückhalten. Deswegen wird im politischen Raum durchaus darüber nachgedacht, ob es hilfreich wäre, in Richtung Lohnersatzleistungen zu denken, um diesen Missstand zu beheben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die von Ihnen angesprochenen Lohnersatzleistungen sind unserem Familiengeld ähnlich, das Sie ja so verteufeln. Die Familienverbände sprechen davon - diese Ansicht teilen wir -, dass die Kosten pro Kind mindestens 300 Euro betragen. Erst danach käme der Lohnersatz. Das derzeitige Erziehungsgeld liegt bei zweijähriger Bezugsdauer bei etwa 300 Euro. Teilen Sie die Meinung, dass eine beträchtliche Erhöhung des Erziehungsgeldes notwendig wäre, wenn man tatsächlich von Lohnersatz sprechen wollte? Wenn ja, wie würden Sie einen solchen Titel finanzieren wollen?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Frau Kollegin Eichhorn, wir sind im Augenblick überhaupt nicht an dem Punkt, an dem solche Ideen in engmaschige Konzepte überführt würden. Es geht hier vielmehr darum, Anregungen aus anderen Ländern aufzunehmen und in die Überlegungen über mögliche zukünftige Gestaltungen in der Balance zwischen Erziehung und Arbeitswelt einzubeziehen. Bei allen diesen Modellen wird man fragen müssen, wie sie zu finanzieren sind. Ich würde Forderungen von Ihrer Seite nach höheren Geldleistungen auch nicht von vornherein verteufeln wollen. Die Frage ist nur, ob sie finanzierbar sind oder ob wir den Bürgerinnen und Bürgern etwas versprächen, was wir nicht einlösen könnten. Ich habe mich schon vor 15 Jahren mit solchen Lohnersatzmodellen beschäftigt. Zum Beispiel gibt es durchaus auch die Möglichkeit, über Versicherungsleistungen zu gehen, also eine Elternversicherung einzuführen. Ich glaube, dass das im Augenblick noch nicht an dem Punkt angelangt ist, wo wir uns parlamentarisch damit befassen müssen. Vielmehr geht es hier, wie gesagt, um gesellschaftspolitische Überlegungen, die weit in die Zukunft weisen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Zusatzfrage.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hoffe, wir sind uns einig, dass es uns bei Familienerwerbstätigkeit und Kinderbetreuung vor allem darum gehen muss, dass Familien das machen können, was sie für richtig erachten, also Wahlfreiheit zu gewährleisten. Sind Sie mit mir der Meinung, dass, wenn man über Lohnersatzleistungen nachdenkt, auch die Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld diskutiert werden müssten? Denn diese Einkommensgrenzen sind sehr niedrig und Sie haben sie bei Ihrer Reform auch kaum erhöht.

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass es absolut wünschenswert ist, die Kinderbetreuung möglichst so zu gestalten, dass niemand aus ökonomischen Gründen eine Zukunft mit Kindern nicht leben möchte. Wir haben alle miteinander die Verantwortung, Modelle zu stricken, die realistisch sind und zu der allgemeinen Finanzsituation passen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Keine weiteren Nachfragen zu diesem Punkt. Dann rufe ich die Frage 12 der Abgeordneten Sibylle Laurischk auf: Liegen der Bundesregierung Zahlen über den Adoptionskinderhandel in der Bundesrepublik Deutschland vor und sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, sich als Aufnahmestaat im Rahmen des Adoptionskinderhandels in den Herkunftsländern der Kinder zu engagieren, um zum Aufbau adäquater Verwaltungsstrukturen und zur Besetzung fachlicher Stellen mit qualifizierten Kräften beizutragen?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Frau Kollegin Laurischk, der Bundesregierung liegen keine Zahlen über den Adoptionskinderhandel in der Bundesrepublik Deutschland vor. Die Bundesregierung steht mit einer Reihe von Herkunftsländern zu dieser Thematik in Kontakt. Es geht dabei um den Aufbau von adäquaten Verwaltungsstrukturen, der von uns allerdings nur unterstützt werden kann, wenn diese anderen Staaten uns um Unterstützung bitten. Die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich für die verbindliche Schaffung von Mindeststandards zum Schutz der Kinder im Vorfeld der Adoption ein. Deswegen werben wir für die universelle Zeichnung und Ratifikation des VN-Zusatzprotokolls, das den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie betrifft. Darin wird ausdrücklich die Strafbarkeit der Erschleichung der Einwilligung zur Adoption anerkannt. Des Weiteren unterwerfen sich die Vertragsstaaten der Verpflichtung, durch geeignete Verwaltungsmaßnahmen die Anwendung der internationalen Schutzvorschriften zugunsten des Kindes bei der Adoption zu gewährleisten. Dem Schutz der Kinder dient auch das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption. Die Bundesrepublik hat dieses Übereinkommen am 22. November 2001 ratifiziert und es ist für Deutschland zum 1. März 2002 in Kraft getreten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen?

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist es richtig, dass es in Deutschland in ganz überwiegender Zahl Verwandtenadoptionen gibt, Adoptionen von Kleinkindern fast nicht zu vermitteln sind und daher die Nachfrage nach Kindern aus dem Ausland steigt?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Es besteht schon seit langer Zeit das Problem, dass von adoptionswilligen Eltern in der Regel zunächst der Wunsch geäußert wird, mit einem Säugling gemeinsam das Familienleben zu beginnen. In der Tat haben wir sehr viel größere Schwierigkeiten, ältere Kinder zu vermitteln. Aus dieser Tatsache ist zu erklären, dass der in meinen Augen absolut verwerfliche Griff über die Grenzen organisiert wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Nachfragen zu diesem Punkt. Ich rufe die Frage 13 der Abgeordneten Laurischk auf: Gibt es Initiativen der Bundesregierung auf internationaler Ebene, den internationalen Kinderhandel über das Internet einzudämmen, und wie kann die internationale Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden verbessert werden?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Für ein wirksames Vorgehen gegen Straftaten des internationalen Kinderhandels ist eine effiziente zwischenstaatliche und multilaterale Zusammenarbeit auf der Grundlage von in allen Ländern geltenden Mindeststandards erforderlich. Es gibt in jüngster Zeit eine Reihe von Rechtsakten im Rahmen der Vereinten Nationen, des Europarates und der Europäischen Union, bei denen es vor allen Dingen um rechtliche Rahmenbedingungen und um die gemeinsame Bekämpfung von Menschenhandel geht. Die in diesen internationalen Rechtsakten vorgesehene Strafbarkeit umfasst auch die in Nutzung von Datennetzen begangenen Handlungen. Die internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden bei der Bekämpfung des Menschenhandels erfolgt durch eine Vielzahl von Maßnahmen, etwa im Rahmen von Interpol, Europol und der Task Force on Organized Crime in the Baltic Sea Region. Soweit erforderlich, ist die Bundesregierung ständig bemüht, die internationale Zusammenarbeit auf polizeilicher Seite fortzuentwickeln.

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Haben Sie Zahlenmaterial zu den jährlichen Fällen, die ermittelt werden?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Ich kann Ihnen die Zahlen jetzt nicht nennen, aber ich denke, dass das Haus in der Lage ist, Ihnen diese Zahlen nachzureichen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Danke schön, Frau Staatssekretärin. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann beantworten. Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Roland Gewalt auf: Wie stellt die Bundesregierung die Verwendung der für die Hauptstadtsicherheit zweckgebundenen Bundeszuschüsse an das Land Berlin in Höhe von circa 38,4 Millionen Euro sicher?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Gewalt, wegen des Sachzusammenhangs möchte ich die Fragen 14 und 15 gemeinsam beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich auch noch die Frage 15 des Abgeordneten Gewalt auf: Führt die Bundesregierung Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen, die bislang im Wesentlichen das Land Berlin trägt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Eine Prüfung der Verwendung der Bundesmittel im Einzelnen findet nicht statt. Entsprechend dem Text des Hauptstadtvertrags in der Fassung vom 29. März 2001 stellt der Bund dem Land Berlin jährlich 38,347 Millionen Euro pauschal zur Abgeltung von hauptstadtbedingten Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung. Damit sind Sonderbelastungen des Landes Berlin im Sicherheitsbereich abgegolten. Die Bundesregierung führt daher keine Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der Landeshaushalt Berlin schreibt vor, dass noch vor Eingehen des Bundeszuschusses entsprechende Kürzungen im Sicherheitshaushalt vorgenommen werden. Meinen Sie nicht auch, dass eine solche Kürzung eine zweckwidrige Verwendungsweise der Mittel zur Folge hat?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Abgeordneter, wir haben einen Vertrag geschlossen. In diesem heißt es in § 1 - ich kann das gerne noch einmal vortragen -: Der Bund stellt zur pauschalen Abgeltung von hauptstadtbedingten Sicherheitsmaßnahmen des Landes einen Betrag von 75 Millionen DM - der Vertrag wurde im Jahre 2001 geschlossen, deshalb ist die Währungseinheit D-Mark jährlich bereit. Es geht um eine pauschale Abgeltung. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass wir uns an den Vertrag halten und aufgrund dieser pauschalen Abgeltung nicht mehr prüfen müssen, wie das Geld im Einzelnen verwendet wird. ({0}) - Das ist vertraglich so festgelegt, es ist eine pauschale Abgeltung.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meinen Sie, Herr Staatssekretär, dass der Bundesrechnungshof es ähnlich sieht, wenn Mittel des Bundes durch ein Land zweckwidrig verwendet werden? ({0})

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann hier nicht für den Bundesrechnungshof antworten. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wenn Sie wollen, können Sie noch zwei weitere Zusatzfragen stellen, da Sie zwei Fragen gestellt haben.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der Berliner Innensenator hat nach dem Bush-Besuch im letzten Jahr, der das Land Berlin übrigens 3 Millionen Euro gekostet hat, ({0}) erklärt, er verhandele mit der Bundesregierung über die Bereitstellung weiterer Mittel. Ist Ihnen bekannt, dass es solche Verhandlungen mit der Bundesregierung gegeben hat?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich auf diese Detailfrage nicht vorbereitet bin. ({0}) - Nein, Inhalt Ihrer Frage war, ob Verhandlungen geführt werden. ({1}) Ich habe gesagt, wir führen keine Verhandlungen. Die Frage, ob in einem Einzelfall der Versuch unternommen worden ist, höhere Beträge zu generieren, kann ich nicht beantworten. Es bleibt bei meiner Antwort: Wir führen keine Verhandlungen. Der Vertrag ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten und gilt bis zum 31. Dezember 2004. Möglicherweise - das habe ich aber nicht zu kommentieren - bezieht sich die Äußerung zu den Verhandlungen auf den neuen Vertrag, der irgendwann zur Verhandlung steht.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Frage lautete klipp und klar, ob der Berliner Senat mit der Bundesregierung Verhandlungen über die Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen führt. Ich frage noch einmal: Hat es in der Vergangenheit Verhandlungen gegeben? Verhandelt der Senat gegenwärtig, ja oder nein?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich wiederhole am besten die Passage aus meiner ersten Antwort: Die Bundesregierung führt daher keine Verhandlungen mit dem Berliner Senat über eine Übernahme von Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei Staatsbesuchen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Binninger, Sie möchten nachfragen. ({0}) - Herr Kollege Schmidt, die Fragen sind an die Bundesregierung gerichtet, nicht an die Kollegen.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich bin schon etwas überrascht darüber, mit welcher Gelassenheit Sie Bundesmittel als pauschalen Zuschuss für hauptstadtbedingte Aufgaben weitergeben und dass Sie sich dann nicht darum kümmern, wofür diese Mittel verwendet werden. Ich möchte einen Fakt nennen und Ihre Stellungnahme dazu erbitten. Wenn es für hauptstadtbedingte Aufgaben einen Bundeszuschuss gibt, müsste sich der Sicherheitshaushalt des Landes Berlin erhöhen. Das tut er aber offensichtlich nicht. Hier liegt also der Verdacht nahe, dass dieser Zuschuss für irgendwelche anderen Aufwendungen benutzt wird, während die eigentlich zu finanzierenden Aufgaben zurückgefahren werden, und deshalb eine Zweckentfremdung vorliegt.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Abgeordneter, Sie wollen, wie auch schon der Kollege Gewalt, von mir eine Antwort auf Fragen haben, die das Verhalten des Berliner Senats betreffen. Diese kann ich Ihnen aber nicht geben. Ich antworte hier für die Bundesregierung. ({0}) - Die Bundesmittel stehen in pauschaler Form zur Verfügung. Das habe ich bereits gesagt. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Da zwei Fragen gemeinsam beantwortet worden sind, können Sie noch eine zweite Frage stellen. Dann muss es aber auch eine Frage sein.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also noch einmal: Wie kontrollieren Sie die Einhaltung der Zweckgebundenheit bei der Vergabe entsprechender Bundesmittel?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Es geht um eine pauschale Abgeltung. Das bedeutet, dass keine detaillierte Rechnungslegung erfolgt. Das ist im Vertrag so vereinbart. Diesen Vertrag hat der Berliner Senat im Jahre 2001 mit der Bundesregierung geschlossen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Dörflinger, bitte.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung die Existenz einer mündlichen Vereinbarung zwischen dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen und Bundeskanzler Gerhard Schröder über die zweckgebundene Einsetzung des Bundeszuschusses im Berliner Haushalt bekannt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich weiß nicht, auf was Sie rekurrieren. ({0}) Ich kann das nicht bestätigen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keinen weiteren Fragebedarf. ({0}) - Herr Hohmann, bitte.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Ihren Antworten, in denen Sie mehrfach betont haben, es handele sich um eine pauschale Zuwendung, kann man entnehmen, dass Sie sich von jeglicher Pflicht enthoben sehen, sich auch nur über Stichproben Gewissheit darüber zu verschaffen, dass die Gelder des Bundes - diese weisen mit 38,4 Millionen Euro eine erhebliche Höhe auf - zweckgebunden verwendet werden. Das kann doch nicht sein. Es ist doch die Pflicht jeder Stelle des Bundes, die Ausgaben tätigt, sicherzustellen, dass diese zweckgebunden verwendet werden, und das zu kontrollieren. Deswegen frage ich Sie: Wie gewährleisten Sie das?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Auch Ihnen will ich antworten, dass es angesichts der großen Zahl von Einzelmaßnahmen nur eine pauschale Abgeltung geben kann. Man hat bei der Aushandlung des Vertrages festgestellt - die Verhandlungen hat der beamtete Staatssekretär in unserem Hause, Herr Wittling, geführt -, dass es unmöglich ist, nach jeder Maßnahme abzurechnen. Deswegen hat man sich auf eine pauschale Abgeltung geeinigt. Ich habe nicht die Protokolle eingesehen, könnte mir aber vorstellen, dass die eine Seite der Meinung war, wir würden zu viel bezahlen, und die andere Seite glaubt, wir würden zu wenig zahlen. Es liegt, wie ich denke, angesichts der Vielzahl von Maßnahmen, die in Berlin hiervon betroffen sind, auf der Hand, dass ein pauschaler Zuschuss gerechtfertigt ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Schmidt. ({0})

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es gibt Sachverhalte, nach denen muss selbst ich fragen. - Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass es eine ganze Reihe von Zuwendungen des Bundes an die Länder in erheblicher Höhe gibt, die zwar zweckgebunden sind, bei denen es aber keine rechtliche Grundlage für eine genaue Überprüfung gibt? Hierzu zählt zum Beispiel die Zuwendung der Regionalisierungsmittel an die Bundesländer zur Bestellung von Nahverkehrsleistungen in Höhe von rund 7 Milliarden Euro pro Jahr. ({0}) Können Sie mir weiterhin bestätigen, dass dies schon lange Praxis ist und von uns weder eingeführt noch geändert wurde?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Abgeordneter, das kann ich Ihnen bestätigen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der Sachverhalt ist doch folgender: Der Bund gibt an das Land Berlin Geld für einen bestimmten Zweck und das Land Berlin senkt im Gegenzug den Landesetat etwa um diese Größenordnungen. Diese Vorgehensweise kennen wir schon aus dem Kulturbereich. Die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung hat sich aber sehr dagegen verwahrt, dass die Kulturausgaben des Landes Berlin um die Höhe des Bundeszuschusses gesenkt wurden. Deswegen meine Frage, Herr Staatssekretär: Könnten Sie sich vorstellen, dass die Bundesregierung bei den zukünftigen Verhandlungen über die Entgeltung darauf achtet, dass der Verwendungszweck des Haushaltstitels auch tatsächlich erfüllt wird und es sich nicht um eine Reservekassenfinanzierung für das kurz vor der Pleite stehende rot-rot-regierte Land Berlin handelt? ({0})

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege, der Vertrag, der mit der Bundeshauptstadt Berlin ausgehandelt worden ist, entspricht den Verträgen, die frühere Regierungen mit der Bundeshauptstadt Bonn ausgehandelt haben. Dazu gibt es keinen Unterschied. Das ist auf Art. 106 Abs. 8 des Grundgesetzes zurückzuführen, in dem es heißt: Veranlasst der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden ({0}) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden ({1}) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen ({2}) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden ({3}) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Dem wird seit Jahrzehnten in Form von Verträgen mit pauschaler Abgeltung Rechnung getragen. Es gibt also keine Änderung. Ich denke, dass man einen solchen Vertrag nicht davon abhängig machen kann, wie die Finanzlage einer einzelnen Stadt oder eines einzelnen Landes ist. Es geht vielmehr um die pauschale Abgeltung von Maßnahmen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre zweite Frage, bitte.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es scheint aber doch einen Unterschied zu geben; denn in der Vergangenheit galt es als unanständig, bei eigenen finanziellen Schwierigkeiten Mittel des Bundes für die Ersatzkassenfinanzierung zu verwenden. Deswegen wiederhole ich meine Frage: Beabsichtigt die Bundesregierung, bei zukünftigen Verhandlungen darauf zu achten, dass die Aufwendungen des Steuerzahlers, die wir an unsere Partner, zum Beispiel die Länder, weitergeben, auch tatsächlich für zusätzliche Aufwendungen oder Sonderaufwendungen verwendet werden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich gehe davon aus, dass man bei der Abfassung eines neuen Vertrages immer auf die letzten Jahre - in diesem Fall sind es drei - zurückschaut und dass man bei den Verhandlungen über eine neue Vereinbarung über diese Erfahrungen spricht. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Frage 16 des Abgeordneten Marco Wanderwitz auf: Wann legt die Bundesregierung die Einzelfallabwägungen und die zugrunde liegenden konkreten Berechnungen vor, die zur prioritären Einordnung der Maßnahmen im Bereich Bundesfernstraßenbau im Bundesverkehrswegeplan-Entwurf 2003 geführt haben, und sollen diese Teil der laut Bundesverkehrswegeplan-Entwurf 2003 in den Monaten April/Mai/Juni 2003 stattfindenden Anhörungen/Abstimmungen mit den Ländern sein?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Wanderwitz, die genannten Unterlagen werden Ende April/Anfang Mai durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vorgelegt. Deshalb können sie Grundlage für die im Mai für den Bereich der Bundesfernstraßen durchzuführenden bilateralen Abstimmungen mit den obersten Straßenbaubehörden der Länder sein. Die für die Aufstellungen der Vorhabenliste des am 20. März 2003 übersandten Entwurfs des Bundesverkehrswegeplanes 2003 verwendeten Bewertungen bedürfen hinsichtlich ihrer Darstellung in so genannten Projektdossiers noch der Komplettierung und Aufbereitung sowie der Zusammenstellung durch vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen beauftragte Gutachter. Aufgrund des qualitativen Anspruchs ist der angesetzte Zeitaufwand bis Ende April/ Anfang Mai 2003 erforderlich und gerechtfertigt.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sind also der Ansicht, dass es den Ländern zuzumuten ist, unmittelbar zu Beginn des Abstimmungszeitraums, der seitens der Bundesregierung auf zwei bis drei Monate angesetzt wurde, diese Daten in Empfang zu nehmen, sie binnen kürzester Frist auszuwerten und eine entsprechende Stellungnahme abzugeben, nachdem die Bundesregierung mehrere Monate - um nicht zu sagen: Jahre - benötigte, um die Maßnahmen der Länder zu bewerten? ({0})

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Wanderwitz, Sie unterstellen, dass die Länder diese Daten nicht kennen. Das ist aber ein Irrtum. Im Mai 2002 haben wir die gesamten Projektdossiers zur Verfügung gestellt, auch allen Abgeordneten. Aus Gründen der Plausibilisierung sind sie an die Länder zurückgegeben worden. Diese haben Änderungen vorgenommen und mehrere hundert neue Projekte vorgeschlagen. Das heißt, die Länder haben uns die Daten, die wir jetzt noch in diese Projektdossiers einarbeiten, geliefert. Von daher überfordern wir niemanden. Es hat noch nie ein solch transparentes und offenes Verfahren bei der Aufstellung eines Bundesverkehrswegeplanes gegeben. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Wanderwitz auf: Hat die Bundesregierung über die jeweiligen Einzelpläne nach Bundesländern hinaus eine die gesamte Bundesrepublik Deutschland umfassende Prioritätenliste der Maßnahmen im Bereich Bundesfernstraßenbau des BundesverkehrswegeplanEntwurfs 2003 getrennt nach den Prioritätenstufen aufgestellt, und berechnen sich nach dieser Liste die so genannten Länderanteile in diesem Bereich?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wie unter Ziffer 7.3.1.4 des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans 2003 ausgeführt, ergibt der Quotient aus der Summe des landesspezifischen Projektvolumens aus laufenden und fest disponierten Vorhaben sowie den neuen Vorhaben einschließlich der RWA-Pool-Projekte - RWA bedeutet: Raumwirksamkeitsanalyse - und dem gesamten Investitionsvolumen für den vordringlichen Bedarf den jeweiligen Landesanteil. Laufende und fest disponierte Investitionsvorhaben resultieren unter anderem aus den Überhängen des Investitionsprogramms 1999 bis 2002, des Zukunftsinvestitionsprogramms 2001 bis 2003 und des AntiStau-Programms 2003 bis 2007. Sie werden ohne eine erneute gesamtwirtschaftliche Bewertung als vordringlicher Bedarf in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen und im Rahmen des verfügbaren Finanzvolumens vorrangig berücksichtigt. Der Anteil der Länder am Investitionsvolumen für neue Vorhaben des vordringlichen Bedarfs wurde nach den Maßgaben des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Einzelvorhaben und des verfügbaren Finanzvolumens grundsätzlich und bundesweit ermittelt und unter Berücksichtigung von netzkonzeptionellen Überlegungen sowie aktuellen Planungsständen angepasst. Die Investitionsvolumina für laufende und fest disponierte Vorhaben sowie für neue Vorhaben sind Summanden in der eingangs beschriebenen Berechnung der jeweiligen Landesanteile. Eine bundesweit umfassende, nach Prioritätenstufen unterteilte Prioritätenliste kann es aufgrund der vorstehend erwähnten Vorgehensweise daher nicht geben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben den - ich will es einmal so formulieren allgemeinen Teil des Entwurfes zitiert, in dem unter anderem vom teilungsbedingten Sonderbedarf und vom durch die EU-Osterweiterung resultierenden „neuen“ Bedarf die Rede ist. Auch soll durch den verstärkten Bau von Ortsumgehungen eine Verkehrsbeschleunigung in der Fläche erreicht werden. Vor dem Hintergrund der erstgenannten Positionen möchte ich Sie fragen: Glauben Sie nicht, dass es unter diesem Aspekt erstaunlich ist, dass das Bundesland Sachsen, das bekanntlich im Osten unseres Landes liegt und derzeit eine sehr lange EU-Außengrenze hat, nach dem neuen Entwurf rund ein Viertel seiner bisherigen Mittel verlieren soll?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Zunächst kann ich Ihnen den Verlust von einem Viertel der Mittel nicht bestätigen. Der jetzige Bundesverkehrswegeplan ist ganz anders als der alte geschneidert. Von daher darf man solche Vergleiche gar nicht anstellen. In der Tat ist es bei den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ absehbar, wann sie zu Ende gebaut und abfinanziert worden sind. Sachsen hat das Glück gehabt, schnell planen zu können. Bereits in den 90er-Jahren flossen enorme Summen in das Land Sachsen. Im Grunde genommen sind alle Maßnahmen, die baureif wurden, direkt finanziert worden. Angesichts eines solchen Doppelbonus darf man jetzt nicht nachweisen wollen, dass es nunmehr zu einer Benachteiligung kommt. Sachsen kann auf seine Planungsleistung sehr stolz sein und wir können sehr stolz darauf sein, dass in Sachsen schon sehr viele Projekte umgesetzt worden sind.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Den Verlust von einem Viertel habe ich aus der Länderquote errechnet. Diese ist für Sachsen demnächst um ein Viertel geringer. Insofern kann man durchaus von einem Verlust von einem Viertel der Mittel ausgehen. Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass das im Freistaat Sachsen üblicherweise sehr rasch vorliegende Planungsrecht dazu geführt hat, dass der schnelle Mittelabfluss gewährleistet werden konnte. Trotzdem kann ich die teilweise drastischen Verschiebungen der Länderanteile nach wie vor nicht verstehen. Vielleicht erschließt sich das aus den im Mai vorliegenden Planungen. Derzeit kann ich nicht erkennen, wo die neuen, aus der EU-Osterweiterung resultierenden Verkehrsströme in dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes ihren Niederschlag finden.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Abgeordneter, ich biete Ihnen gerne an, dass wir uns einmal gemeinsam über die Pläne beugen und ich Ihnen die entsprechenden Trassen, ob nun in Richtung Hoyerswerda oder - im Falle der B 178 - in Richtung Görlitz, zeige. Dabei können Sie mir im Gegenzug erklären, was Sie vermissen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich glaube, damit ist die Frage befriedigend beantwortet. Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Thomas Dörflinger auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Planungen der französischen, deutschen und schweizerischen Bahngesellschaften für eine neue Bahnumfahrung von Basel auf deutscher Seite, die insbesondere dem Güterverkehr dienen soll?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Dörflinger, die Vorschläge der Bahngesellschaften für eine Umfahrung von Basel im Schienengüterverkehr auf deutscher Seite, der so genannte Bypass Hochrhein, stellen langfristige Überlegungen der Bahngesellschaften dar, die nicht Gegenstand der laufenden Überprüfung des Bundesverkehrswegeplanes sind. In dem bilateralen Abkommen mit der Schweiz zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufes zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale in der Schweiz, die sich auf den Vertrag von Lugano von 1996 gründet, hat Deutschland zugesichert, die Oberrheinmagistrale Karlsruhe-Basel als wichtigste Zulaufstrecke durchgehend viergleisig auszubauen. Ein entsprechendes Projekt ist im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans im vordringlichen Bedarf berücksichtigt. Die Schweiz sieht im Anschluss daran den Bau einer neuen zweigleisigen Rheinbrücke in Basel vor. Weitere Projekte im Raum Basel wurden für den neuen Bundesverkehrswegeplan nicht angemeldet.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Antwort war mir in Teilen bereits bekannt. Sie haben die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, in der Substanz nicht beantwortet. Ich habe nicht gefragt, ob diese Planungen im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind, sondern wie die Bundesregierung die Pläne der verschiedenen Eisenbahngesellschaften bewertet. Findet sie sie gut oder eher schlecht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Schweizerischen Bundesbahnen AG, also die SBB AG, die Deutsche Bahn AG, die französische SNCF und die französische Schienennetzgesellschaft RFF haben strategische Überlegungen zur grenzüberschreitenden Infrastrukturentwicklung im Raum Basel vorgenommen, die in der „Trilateralen Plattform Basiliensis“ der SBB-DB-Netz-SNCF/RFF zusammengefasst sind. Darauf beziehen Sie sich. Das BMVBW hat an diesem Vorgehen der Bahngesellschaften zur Vertiefung ihrer strategischen Vorstellungen nichts zu beanstanden. Die Bundesverkehrswegeplanung wird dadurch in keiner Weise präjudiziert oder eingeschränkt. Maßgeblich zur Aufnahme in einen späteren BVWP wären allein die Ergebnisse des gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens. Von daher sagen wir: Das ist das, was sich die Unternehmen vorbereitend vorstellen. Ob wir das aufnehmen und ob das gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist, unterliegt jetzt keiner Beurteilung, weil es für diesen Bundesverkehrswegeplan absolut keine Rolle spielt.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass wir in der Region Hochrhein-Bodensee unter anderem durch die Vorarbeiten des Regionalverbandes Hochrhein-Bodensee so weit sind, dass wir bezüglich des von Ihnen eben dargestellten Projekts bereits über Trassen diskutieren und es insofern notwendig wäre, in der Region, im Land Baden-Württemberg und darüber hinaus Klarheit zu erlangen, wie sich die Bundesregierung zu diesem Thema stellt? Das ist keine alleinige Angelegenheit der Deutschen Bahn AG, zumal für das Planfeststellungsverfahren das Eisenbahn-Bundesamt als nachgeordnete Behörde Ihres Hauses zuständig ist. Insofern noch einmal die Frage: Wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesen Plänen, die viel weiter fortgeschritten sind, als Sie uns das glauben machen? ({0})

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Dörflinger, der Bundesverkehrswegeplan reicht bis zum Jahr 2015. Wir sehen die angesprochene Maßnahme in keiner Weise vor, noch nicht einmal im weiteren Bedarf. Damit ist klar, dass wir diese Maßnahme weder für vordringlich halten noch zum jetzigen Zeitpunkt bewerten müssen. Sie erwecken durch das, was Sie vorgetragen haben, den Eindruck, als ob bald der Bagger kommen würde. Es gibt keine Finanzierung für diese Strecke und keine gesamtwirtschaftliche Beurteilung. Wir können einem Unternehmen nicht verbieten, sich bezüglich der Überlegungen, wie man zusammenarbeitet, zu positionieren. Man muss nur eins und eins zusammenzählen, um zu erkennen, dass die Bundesregierung dieses Projekt nicht betreibt und nicht unterstützt, sondern bis zum Jahr 2015 völlig andere Prioritäten setzen will.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Rehbock-Zureich, bitte schön.

Karin Rehbock-Zureich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002756, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie den Zeitrahmen nennen, der aufgrund der Studie vorgesehen ist, jenseits des Bundesverkehrswegeplans 2015?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das kann ich leider den mir zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht entnehmen. Der Frage müsste ich nachgehen und sie schriftlich beantworten, es sei denn, Sie hätten die Zahlen selber im Kopf und kleideten sie in eine zweite Frage. ({0}) - Wir haben über 2 000 Projekte im Bundesverkehrswegeplan bewertet. Sie können mir nicht vorwerfen, dass ich auf eine Frage keine Antwort gebe, die eines von diesen 2 000 Projekten betrifft.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär, vielleicht wären Sie so freundlich, die Antwort schriftlich nachzureichen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das habe ich angeboten; das mache ich gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann hat Herr Kollege Peter Weiß noch eine Frage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da die von Ihnen angesprochenen strategischen Überlegungen der schweizerischen, französischen und deutschen Bahngesellschaften auch beinhalten, dass die Transitgüterverkehre von und nach Frankreich über die derzeit in Planung befindliche Neubaustrecke drittes und viertes Gleis der Rheintalbahn geführt werden sollen, um dann über den so genannten Bypass um Basel herumgeleitet zu werden, müssten diese strategischen Überlegungen dann bereits heute Bestandteil dieser Planungen werden und in das Planfeststellungsverfahren, das das Eisenbahn-Bundesamt durchzuführen hat, einfließen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Weiß, die Maßnahme ist nicht für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet worden. Deshalb haben wir keine Grundlage, uns damit zu beschäftigen. Anscheinend ist auch für das Land Baden-Württemberg der Zeitpunkt, sich mit dieser Maßgabe zu beschäftigen, deutlich zu früh.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zu Frage 19 des Kollegen Dörflinger: Hat die von der DB AG, der schweizerischen SBB, der französischen SNCF und dem Réseau Ferré de France am 20. Februar 2003 veröffentlichte „Trilaterale Plattform Basiliensis“ Eingang in den Entwurf des BMVBW für den Bundesverkehrswegeplan, BVWP, 2003 gefunden, und wenn ja, in welcher Hinsicht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die am 20. Februar 2003 veröffentlichte „Trilaterale Plattform Basiliensis“ enthält strategische Vorschläge der Deutschen Bahn AG, der schweizerischen SBB, der französischen SNCF und dem Réseau Ferré de France zur langfristigen Entwicklung der Schieneninfrastruktur im Raum Basel. Die darin für Deutschland genannten Projekte Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe-Basel sowie Aus- und Neubaustrecke Oberhausen-Emmerich-Grenze Deutschland/Niederlande sind im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans berücksichtigt. Hingegen ist der als langfristige Überlegung der Bahn in der „Trilateralen Plattform“ enthaltene „Bypass Hochrhein“ nicht Bestandteil des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans 2003. Ein solches Projekt ist nach den Erkenntnissen der dem neuen Bundesverkehrswegeplan zugrunde liegenden Verkehrsprognose in dessen Geltungszeitraum nicht erforderlich und wurde daher weder von der Deutschen Bahn AG noch von den Ländern angemeldet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dörflinger, bitte schön.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Ihnen Angebote der Schweizerischen Bundesbahnen an die Adresse der Deutschen Bahn AG, das erforderliche Stück zwischen Basel und dem zu bauenden Rheinübergang am Hochrhein aus Mitteln der SBB vorzufinanzieren, bekannt und wie stellt sich die Bundesregierung zu diesen Plänen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann Ihnen nicht sagen, ob es derartige Angebote gegeben hat. ({0}) - Okay. - Da wir aber die Grundlagen so definiert haben, wie ich es gerade vorgetragen habe, besteht aus Sicht der Bundesregierung kein Sinn darin, mit der Schweiz darüber zu verhandeln. Derartige Angebote liegen dem Bundesverkehrswegeplan nicht zugrunde; wir definieren sie auch nicht als vordringlichen Bedarf. Deshalb kommt eine Vorfinanzierung nicht infrage. Dem müsste erst einmal die Anmeldung durch die Deutsche Bahn AG, ein Interesse des Landes Baden-Württemberg, eine gesamtwirtschaftliche Beurteilung und eine Darstellung der finanziellen Möglichkeiten für dieses Projekt vorausgehen. Ein solches Angebot, wenn es denn vorliegen würde, berührt uns deshalb nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage noch einmal, Herr Staatssekretär. Es ist zwar richtig - darin sind wir uns einig -, dass zumindest die Maßnahme zwischen Basel und dem zu bauenden Rheinübergang am Hochrhein nicht für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet wurde. Können Sie aber bestätigen und sind wir uns in der Einschätzung einig, dass dann, wenn die Schweizerischen Bundesbahnen mit ihren eigenen Mitteln für ein Projekt der Deutschen Bahn AG in Vorleistung treten, Ihrem Haus - zumindest in der Frage der Finanzierung - ein Stück weit die politische Gestaltungsfreiheit fehlt, Ja oder Nein zu diesem Projekt zu sagen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sie müssen sehen, dass der Bundesverkehrswegeplan durch die Feststellung des vordringlichen Bedarfes gesetzliche Grundlagen für ein Planfeststellungsverfahren schafft. Das wäre in dem Fall aber nicht gegeben. Deshalb ist Ihre Frage sehr hypothetisch. Wir sind von diesem Angebot nicht betroffen. Vielmehr legen wir im Bundesverkehrswegeplan fest, dass wir diese Maßnahme im Zeitraum bis 2015 nicht für realisierungswürdig halten. Ob es sowohl bei der Deutschen Bahn als auch im Land Baden-Württemberg entsprechende Überlegungen gibt, das Projekt dann anzumelden, und was die Bevölkerung dazu sagt, wäre in dem dann notwendig werdenden Verfahren zu klären. Das sehe ich aber nicht. Bis zum Jahr 2015 passiert an dieser Stelle nichts.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Peter Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie darauf hingewiesen haben, dass es sich bei den derzeit bestehenden Überlegungen um strategische Überlegungen der beteiligten Bahngesellschaften, aber nicht des Bundesverkehrsministers handelt, frage ich Sie: Welche Voraussetzungen müssten gegeben sein, wenn bei einer eventuellen Realisierung der Bypass-Lösung für Basel irgendwo östlich von Basel am Hochrhein eine zusätzliche Bahnüberquerung über den Hochrhein und damit über die deutsch-schweizerische Grenze gebaut würde? Muss dafür ein Staatsvertrag abgeschlossen werden oder welche anderen vertraglichen Vereinbarungen sind dafür notwendig?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Bekanntlich werden bei internationalen Schienenprojekten immer internationale Vereinbarungen geschlossen. Das wäre auch in diesem Falle notwendig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Frage 20 soll schriftlich beantwortet werden, weil sie in der Debatte über den Tagesordnungspunkt 13 dieser Woche angesprochen werden soll. Wir kommen zur Frage 21 des Abgeordneten Peter Weiß ({0}): Welche Gründe haben den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, veranlasst, den Ausbau der Bahnstrecke Müllheim-Neuenburg ({1}) mit einem Kostenvolumen von 40 Millionen Euro in den Entwurf für den BVWP 2003 aufzunehmen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir bleiben im schönen Südwestdeutschland, Herr Weiß. - Frankreich plant unter der Bezeichnung TGV Rhein-Rhone den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Mühlhausen-Belfort-Dijon. An das deutsche Hochgeschwindigkeitsschienennetz soll der TGV über Straßburg, Kehl und Basel angebunden werden. Zusätzlich wurde aus der Oberrheinregion der Ausbau der vorhandenen regionalen Schienenverbindungen Mühlhausen-Neuenburg-Müllheim für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gefordert. Dieser Forderung wurde insofern entsprochen, als dass das Vorhaben im Abschnitt „Internationale Projekte Schiene“ des Bundesverkehrswegeplans 2003 berücksichtigt wurde. Sofern der Nachweis der Wirtschaftlichkeit der Ausbaumaßnahme vorliegt, eine Vereinbarung mit Frankreich abgeschlossen ist und der Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes entsprechend ergänzt worden ist, sind Ausbaumaßnahmen möglich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, dient die im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene Maßnahme betreffend die Strecke zwischen Neuenburg und Müllheim nur der Verknüpfung des Nahverkehrs zwischen Frankreich und Deutschland - das wird zurzeit in einer INTERREG-Studie untersucht - oder ist die Festlegung eines Projekts in der Vereinbarung zwischen den schweizerischen, französischen und deutschen Eisenbahngesellschaften, wonach diese Strecke auf zwei Spuren ausgebaut und mit einer Südkurve bei Müllheim-Baden versehen werden soll, bereits Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans, um künftig den Transitgüterverkehr von und nach Frankreich über diese Strecke zu führen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Diese Maßnahme ist in der Liste „Internationale Projekte Schiene“ aufgeführt. Wenn Sie sich die Tabellen genau anschauen, dann werden Sie feststellen, dass ein Teil der internationalen Projekte mit Verträgen unterlegt ist - die unterlegten Maßnahmen und Projekte haben auch Eingang in den vordringlichen Bedarf gefunden und dass ein großer Teil dieser Projekte noch im weiteren Bedarf steht. Wir haben bei den internationalen Strecken einen Bedarf - nageln Sie mich bitte nicht auf den letzten Euro fest - von etwa 4,4 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa 400 bis 500 Millionen Euro auf Maßnahmen und Projekte des vordringlichen Bedarfs, also auf diejenigen, für die schon Vereinbarungen vorliegen. Die von Ihnen angesprochene Strecke ist nicht für den vordringlichen Bedarf vorgesehen, weil es noch keine Verträge mit Frankreich gibt und weil die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des TGV Rhein-Rhone in Frankreich noch nicht abgeschlossen ist. Diese Strecke ist als Teil der TGV-Verbindung Rhein-Rhone zu sehen. Das ist das, was als zukünftige Maßnahme in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden ist. Diese Maßnahme kann aber noch nicht unterlegt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn diese Strecke nur für einen Zulauf zur französischen TGV-Verbindung Rhin-RhônMulhouse sorgen sollte, dann wäre zum Beispiel keine zusätzliche Abzweigung in Richtung Süden notwendig. Deswegen frage ich, ob dieses im Bundesverkehrswegeplan enthaltene Projekt auch die Möglichkeit einer Südverbindung vorsieht, also die Möglichkeit, dass die Züge künftig nicht nur in Richtung Norden, sondern auch in Richtung Süden fahren können, wenn sie die Grenze bei Chalampé-Neuenburg überfahren haben.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann Ihnen nur anbieten, diese Frage schriftlich zu beantworten, weil ich mich auf diese Details nicht vorbereitet habe.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Rehbock-Zureich, bitte schön.

Karin Rehbock-Zureich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002756, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass diese Strecke auch in der Anmeldungsliste des Landes BadenWürttemberg als Neumaßnahme vorgesehen ist?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sie ist sowohl von der Deutschen Bahn AG als auch vom Land Baden-Württemberg vorgeschlagen worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Noch eine Frage des Kollegen Dörflinger.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass in den Anmeldungen des Landes Baden-Württemberg für den eben angesprochenen Streckenabschnitt 4 Millionen Euro als Kostenvolumen angegeben werden, dass aber in Ihrem Entwurf eines Bundesverkehrswegeplans 40 Millionen Euro eingestellt sind? Ist deswegen, wenn es sich so verhält, nicht die Befürchtung des Kollegen Peter Weiß berechtigt, dass dies in erster Linie nicht dem Personenverkehr, sondern dem Güterverkehr zugute kommen soll?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir reden über 40 Millionen Euro. Für den Ausbau einer Schiene, die für den TGV geeignet ist, ist das nicht sehr viel Geld.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 22 des Kollegen Peter Weiß: Welche bestehenden beziehungsweise geplanten vertraglichen Vereinbarungen mit Frankreich und welche auf französischem Gebiet zu realisierenden Ausbaumaßnahmen sind Grundlage für die Aufnahme der Ausbaustrecke Müllheim-Neuenburg({0}) in die Liste der „internationalen Projekte Schiene“ im Entwurf des BMVBW für den BVWP 2003?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Weiß, mit Frankreich besteht gegenwärtig keine Vereinbarung zum Ausbau der Schienenverbindung Müllheim-Neuenburg({0}). Mit Frankreich wurden auch noch keine Gespräche über die Weiterführung des TGV Rhein-Rhone nach Deutschland geführt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte, Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da es in der Vereinbarung zwischen den schweizerischen, französischen und deutschen Eisenbahngesellschaften ein Infrastrukturprojekt 9 gibt, in dem genau diese Strecke enthalten ist, und zwar zum Ausbau für den Güterverkehr, möchte ich Sie fragen, ob der Ausbau für den Güterverkehr in Vorverhandlungen mit der französischen Seite schon einmal angesprochen wurde.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Auch diese Frage muss ich Ihnen schriftlich beantworten, Herr Kollege Weiß.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Planungen sehen vor, den Transitgüterverkehr von und nach Frankreich über die Strecke Müllheim-Neuenburg auf das deutsche Rheintalgleis zu führen und per Bypass um Basel herumzuführen. Das würde bedeuten, dass täglich rund 210 Güterzüge zusätzlich verkehren würden. Wenn dem so ist, müssten dann diese prognostizierten Zusatzbelastungen nicht bereits heute Bestandteil der Planungen für das dritte und vierte Gleis auf der Rheintalbahn sein, mithin in die Erörterungen des Planfeststellungsbeschlusses einfließen, zum Beispiel, was die Fragen Lärmschutz, Erschütterung und Weiteres anbelangt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

All diese Fragen finden in das Planfeststellungsverfahren Eingang. Ich kann allerdings nicht bestätigen, dass die von Ihnen genannten Zahlen realistisch sind. Wir alle würden uns freuen, wenn mehr Güter auf die Schiene kommen würden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Sie werden später noch einmal benötigt. Deswegen bitte ich Sie, hier zu bleiben. Jetzt steht die Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 23 der Kollegin Ursula Heinen: Aus welchem Grund wurde mit Margareta Wolf eine Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, als Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG, DB AG, benannt und nicht jemand aus einem anderen Bundesministerium, wie zum Beispiel aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit oder dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft oder aus dem zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, BMVBW?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Frau Kollegin, der Bund ist Alleinaktionär der Deutschen Bahn AG. Der Aufsichtsrat der DB AG besteht aus 20 Mitgliedern. Davon werden jeweils zehn Mandate mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen besetzt. Die Aufteilung der Anteilseignermandate wird durch die Satzung der DB AG näher bestimmt. Danach hat der Bund das Recht, drei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Entsandt sind derzeit Ralf Nagel, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Volker Halsch, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, und Dr. Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Das Entsendungsrecht wird durch Erklärung des Entsendungsberechtigten - hier: der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen - gegenüber dem Vorstand der DB AG ausgeübt. Anders als bei den gewählten Aufsichtsratsmitgliedern hat die Hauptversammlung somit keinerlei Einfluss auf die Bestellung eines entsandten Aufsichtsratsmitgliedes. Die übrigen sieben Anteilseignervertreter werden auf Vorschlag des Aufsichtsrates von der Hauptversammlung gewählt. Bei Bundesunternehmen erfolgt der Vorschlag in Abstimmung mit der Bundesregierung. Dabei benennt der Bund bewusst nicht nur Vertreter von Ministerien und Behörden als weitere Anteilseignervertreter, sondern auch unabhängige Sachverständige, insbesondere aus der Wirtschaft. Zwischen den Koalitionspartnern ist vereinbart worden, der Hauptversammlung der DB AG Frau MdB Margareta Wolf, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, für den von MdB Albert Schmidt frei gemachten Sitz im Aufsichtsrat zur Wahl vorzuschlagen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollegin Heinen, bitte schön.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Recht herzlichen Dank für die Klarstellung, wer von wem entsandt worden ist. Gehe ich also richtig in der Annahme, dass Frau Wolf nicht in ihrer Eigenschaft als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesumweltminister in den Aufsichtsrat entsandt oder gewählt wurde, sondern als Bundestagsabgeordnete?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich habe Ihnen eben gesagt, dass es drei entsandte Mitglieder gibt. Alle übrigen sieben Mitglieder werden der Hauptversammlung vorgeschlagen und sie werden dann auch gewählt. Das steht übrigens - ich sage das vielleicht im Vorgriff auf die Beantwortung der nächsten Frage - so in der Satzung der DB AG.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich es richtig sehe, werden drei Staatssekretäre aus drei verschiedenen Ministerien plus Frau Wolf, ebenfalls Staatssekretärin, aus einem anderen Ministerium entsandt. Wird das koordiniert oder handelt jeder auf eigene Faust?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Auf genau das werde ich in meiner Antwort auf die nächste Frage eingehen. Ich kann darauf aber auch schon jetzt eingehen: Drei Mitglieder werden entsandt, es gibt sieben weitere, von denen Frau Wolf eines ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 24 der Abgeordneten Heinen - sie geht in diese Richtung -: Wie wird innerhalb der Bundesregierung sichergestellt, dass Margareta Wolf im Aufsichtsrat der DB AG die Interessen der gesamten Bundesregierung und nicht nur die des BMU vertritt?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Nach dem Aktiengesetz sind Mitglieder von Aufsichtsräten bei ihrem Handeln als Aufsichtsratsmitglied in erster Linie dem Interesse des Unternehmens verpflichtet. Entsprechend der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeshaushaltsordnung sollen sich die Bundesvertreter in Aufsichtsräten vor wichtigen Entscheidungen grundsätzlich über eine einheitliche Auffassung verständigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es sozusagen einen Chefkoordinator oder erfolgt das per Zuruf?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Bis jetzt war es so, dass sich die drei entsandten Mitglieder koordiniert haben und sich auch koordinieren mussten. Das ist gesetzlich so geregelt. Sie erkennen aus meiner Antwort auf Ihre Frage, dass sich alle Mitglieder der Bundesregierung grundsätzlich über eine einheitliche Auffassung verständigen sollen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Workshop, der am kommenden Freitag zu diesem Thema stattfinden soll, mit den drei übrigen Mitgliedern abgestimmt oder eine Initiative der Abgeordneten Wolf?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich glaube, darauf wird Frau Wolf in der Antwort auf eine Frage, die noch gestellt werden wird, eingehen. Jedem Aufsichtsratsmitglied steht es natürlich frei, zu überlegen, wie es dem Unternehmen helfen kann. Frau Wolf wird diese Frage nachher beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 25 des Abgeordneten Hartwig Fischer ({0}): Wie steht die Bundesregierung dazu, dass es bislang keinen vorgeschriebenen Sicherheitsabstand für Windräder zu brandgefährdeten Stätten gibt, obwohl die Feuerwehr bisher keine Möglichkeit hat, brennende Windräder zu löschen, und brennende Teile von Windrädern bis zu 500 Meter weit geschleudert werden können?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Fischer, Regelungen über Sicherheitsabstände aus Gründen des Brandschutzes sind Gegenstand der Bauordnungen der Länder. Dies gilt auch für den Mindestabstand bei Windkraftanlagen. Der vorbeugende Brandschutz ist Bestandteil des Rechts der Gefahrenabwehr, für das ausschließlich die Länder zuständig sind. Dem Bund steht für den Bereich der bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr keine Gesetzgebungskompetenz zu. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich frage Sie, ob es vor dem Hintergrund der sich häufenden Brände von Windrädern - allein zehn im vergangenen Jahr - Überlegungen gibt, eine regelmäßige Überprüfung der Windräder durchzuführen.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich habe Ihnen schon eben gesagt, dass wir mit der Änderung des Baugesetzbuches von 1996 die Zulassung von Windkraftanlagen im so genannten Außenbereich - § 35 des Baugesetzbuches - erleichtert haben. Dabei ist den Ländern und Gemeinden zugleich die Möglichkeit eröffnet worden, durch die Regional- und Flächennutzungsplanung vorrangige Windkraftstandorte auszuweisen, mit der Folge, dass die Errichtung von Windkraftanlagen an anderen Standorten nicht zulässig ist. Dadurch können zum Beispiel für andere Nutzungen vorgesehene oder landschaftlich schützenswerte Bereiche von der Windkraftnutzung freigehalten werden. Es ist also letztendlich Sache der Länder und der Kommunen, auf diesem Gebiet, wenn nötig, initiativ zu werden. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, in diesem Bereich vorstellig zu werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sehen also keinen Handlungsbedarf?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Vielleicht sehen die Länder oder die Kommunen ei- nen Handlungsbedarf; aber wir sehen diesen Handlungs- bedarf nicht. Wir können ihn auch nicht herstellen, weil wir im Baugesetzbuch genau diese Regelung getroffen und den Kommunen und den Ländern mehr Möglichkei- ten der Umsetzung, das heißt eben auch der Einschrän- kung, gegeben haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Frage 26 des Kollegen Manfred Kolbe: Ist der Bundesregierung bekannt, ob die DB AG, trotz ent- gegenstehender Zusicherungen des Bundesministers für Ver- kehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, den Stellenabbau bei den Eisenbahnausbesserungswerken im Frei- staat Sachsen betreibt und welche Standorte im Einzelnen da- von betroffen wären; vergleiche die Antworten der Parlamen- tarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Angelika Mertens, auf meine Fra- gen 20 und 21 in der Fragestunde am 12. Februar 2003 im Plenarprotokoll 15/24, Seiten 1842 ff.)?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Kolbe, der Bundesminister für Verkehr, Bauund Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, hat zugesagt, sich gemeinsam mit dem Vorstand der Deutschen Bahn AG und dem Freistaat Sachsen um Lösungen zum Erhalt der Standorte zu bemühen. Eine Kapazitätsanpassung ist unerlässlich, wenn der Verkauf und damit der Erhalt der Standorte gelingen sollen. Die Ausbesserungswerke Chemnitz, Delitzsch und Zwickau der Deutschen Bahn AG sollen auf der Grundlage des Vorstandsbeschlusses vom 26. Juni 2001 verkauft oder geschlossen werden. Am 1. Januar 2003 waren in diesen Werken noch 1 201 vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter tätig. Zur Begründung der Kapazitätsanpassung in den Ausbesserungswerken der Deutschen Bahn AG und zum notwendigen Verkauf von Werken verweise ich auf die Beantwortung Ihrer Fragen 20 und 21 in der Fragestunde am 12. Februar 2003, nachzulesen im Plenarprotokoll 15/24 auf den Seiten 1842 bis 1844.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Kolbe.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der Bundesminister Dr. Manfred Stolpe hat mir mit Schreiben vom 5. März 2003 mitgeteilt - ich zitiere -: Nach verschiedenen Gesprächen mit dem Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Herrn Mehdorn, konnte ich während meines Besuches am 9. Dezember 2002 in Delitzsch den Mitarbeitern des Ausbesserungswerkes das Aussetzen des Schließungsbeschlusses zum Jahresende 2003 um zunächst zwei Jahre mitteilen. Hat dieses von Minister Stolpe vor 2 000 Menschen in Delitzsch verkündete Aussetzen des Schließungsbeschlusses keinerlei Auswirkungen auf den Stellenabbau?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Das kann ich Ihnen so nicht beantworten. Das Unternehmen soll für den Markt fit gemacht werden. Wenn man dieses Unternehmen verkaufen will, wird man wahrscheinlich auch Anpassungen vornehmen müssen. Ich will hier aber noch einmal betonen - ich glaube, darauf zielt Ihre Frage auch -: Es wird keine betriebsParl. Staatssekretärin Angelika Mertens bedingten Kündigungen geben. Es wird also für jeden, der dort eventuell von einer Anpassung betroffen ist, eine Lösung geben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf also festhalten, dass es für die nächsten zwei Jahre keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Davon können Sie ausgehen, ja. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frage 27 des Kollegen Kolbe: Ist der Bundesregierung in diesem Zusammenhang der aktuelle Stand der Privatisierungsbemühungen der DB AG für die Eisenbahnausbesserungswerke im Freistaat Sachsen bekannt und wie schätzt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten dieser Privatisierungsbemühungen der DB AG ein?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Bundesminister Dr. Stolpe hat am 27. März 2003 in einem Gespräch zum Standort Delitzsch gegenüber Kommunalpolitikern nochmals versichert, dass der Erhalt dieses Standorts mit Nachdruck gefordert wird und die Ende Januar dieses Jahres gegebenen Versprechen detailliert zu untersetzen sind. In Absprache mit dem Freistaat Sachsen wurde zugesagt, dass das Werk bestehen bleibt. Dazu ist vorgesehen, die Ausschreibung des Werks mit konkreten Beschäftigtenzahlen und für eine Übergangsphase mit gesicherten Instandhaltungsaufträgen zu verbinden. Die Ausschreibungsunterlagen sollen durch die Deutsche Bahn AG so vorbereitet werden, dass sie einer Prüfung durch das Kartellamt genügen werden. Die Ausschreibung soll mit circa 225 Mitarbeitern erfolgen. Mit den Arbeitsplätzen für die Beschäftigten in einer Bremsventilwerkstatt würden dann in Delitzsch insgesamt 275 Arbeitsplätze erhalten werden können. Zu den Werken in Chemnitz und Zwickau haben der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, und der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, Professor Georg Milbradt, gegenüber dem Bundesminister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, versichert, dass zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Freistaat Sachsen eine Lösung gesehen wird. Die Bundesregierung ist daher davon überzeugt, dass auch an diesen Standorten die Privatisierung gelingen wird und die Standorte erhalten werden können. Das Werk Leipzig/Engelsdorf, in dem überwiegend Güterwagen instand gehalten worden sind, ist seit 1. Januar 2002 kein Werk der Deutschen Bahn AG mehr. Es wurde zu diesem Zeitpunkt mit 151 Beschäftigten an die Investorengruppe Wils/Duroc/Til-Gutzen verkauft.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön. Wir kommen zur Frage 28 des Kollegen Volkmar Uwe Vogel: Ist es zutreffend, dass im Zuge der Einführung der LKWMaut-Verordnung bis zum 31. August 2003 nur 150 000 Fahrzeuggeräte - anstelle der 800 000 allein für die inländischen Fahrzeuge benötigten - zur Verfügung stehen werden, und, wenn ja, wie soll dieser Mangel behoben werden?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Vogel, der Betreiber des künftigen LKW-MautSystems hat sich vertraglich verpflichtet, bis zum Start des LKW-Maut-Systems am 31. August 2003 150 000 Fahrzeuggeräte zu liefern. Bis zum Ende des Jahres 2003 werden rund 500 000 Fahrzeuggeräte zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Fahrzeuggeräte die Nachfrage nach Fahrzeuggeräten abdeckt. Nicht alle mautpflichtigen Fahrzeuge werden am automatischen Mauterhebungssystem teilnehmen. Das künftige LKW-Mautsystem ist als duales Mauterhebungssystem ausgestaltet. Für gelegentliche Autobahnbenutzer, insbesondere aus dem Ausland, wird neben der automatischen Einbuchung ein zusätzliches manuelles Mauterhebungssystem, also eine Einbuchung an Mautstellen mit herkömmlichen Zahlungsmitteln oder über das Internet, den diskriminierungsfreien Zugang zum Autobahnnetz sicherstellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Vogel?

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Frau Staatssekretärin, es ist aber trotzdem zu befürchten, dass es, da ja anzunehmen ist, dass 150 000 Geräte nicht ausreichen - man spricht von bis zu 800 000 allein für den inländischen Bedarf -, dennoch zu einer gewissen Ungleichbehandlung kommt. Ist es vor diesem Hintergrund nicht vielleicht günstiger, dass man die für die Einführung des Systems vorgesehene Probezeit - ich glaube, derzeit sind circa acht Wochen vorgesehen - verlängert, um damit mehr Zeit für die notwendigen Nachrüstungen zu geben?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich glaube, dass das nicht notwendig sein wird. Toll Collect, der Betreiber des Mautsystems, hat sich natürlich vorher erkundigt: Was kann da auf uns zukommen? Es unterliegen potenziell ungefähr 1,2 bis 1,4 Millionen Fahrzeuge der Mautpflicht, davon sind ungefähr 400 000 bis 500 000 ausländische LKWs. Der Betreiber hat sich erkundigt und festgestellt: Ungefähr ein Drittel der deutschen Fahrzeughalter wird wahrscheinlich vor Beginn der Mauteinführung, ein Drittel unmittelbar danach und ein Drittel ungefähr drei Monate danach ihre Fahrzeuge ausrüsten. Insofern werden die 500 000 Geräte, deren Herstellung bis zum Jahresende geplant ist, ausreichen. Sie müssen immer bedenken, dass sich nicht jeder eine solche Onboard Unit installieren wird. Es wird viele geben, die nur gelegentlich fahren; es gibt auch deutsche LKW, die nur gelegentlich auf der Autobahn fahren. Dafür lohnt sich dann letztendlich eine Onboard Unit nicht, weil man den Betrag, den man für dieses Gerät bezahlen muss, zwar abfahren kann, aber vorher auch erst einmal so hohe Fahrleistungen erbringen muss. Von daher gehe ich davon aus, dass die geplanten Stückzahlen reichen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Vogel?

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank für die Beantwortung. Ich habe in diesem Zusammenhang eine weitere Zusatzfrage: Die Verordnung sieht teilweise sehr hohe Sanktionen vor, wenn der Nutzer das System nicht richtig bedient. Nun kann es ja, besonders in der Einführungsphase, zu Fehlleistungen des Systems kommen, die dann für die Nutzer erhebliche Nachteile mit sich bringen. Ist in diesen Fällen vorgesehen, dass man den Nutzern entgegenkommt oder - dieses Beispiel möchte ich hier nennen - muss dann der Nutzer des Systems sein Recht tatsächlich vor Gericht durchsetzen? Oder ist es im Rahmen des möglichen Ermessens vorgesehen, gerade in der Anfangsphase den Spielraum auszunutzen und den Nutzern entgegenzukommen?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich müsste noch einmal genau schauen, wie die vertraglichen Bedingungen ausgestaltet sind. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir, wenn wir Probleme beim System feststellen, auch Lösungen dafür finden. Ich will das aber gerne noch einmal im Detail nachfragen, um Ihnen jetzt nichts Falsches zu sagen. Wir gehen natürlich davon aus, dass dieses System funktioniert, sowohl über den Weg der manuellen Einbuchung wie auch mittels der automatischen Erfassung. Davon kann man, wie ich glaube, einfach ausgehen. Ich werde das aber wirklich im Detail noch einmal nachfragen. ({0}) - Mache ich gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen damit zur Frage 29 des Kollegen Vogel: Ist es zutreffend, dass bis zum 31. August 2003 nur circa 50 Prozent der benötigten Überwachungsbrücken für das elektronische Mauterhebungssystem auf den Bundesautobahnen funktionstüchtig zur Verfügung stehen werden, und, wenn ja, wird damit eine flächendeckende und gerechte Mauterhebung für alle Teilnehmer möglich sein?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Das LKW-Mautsystem wird am 31. August 2003 starten und eine flächendeckende und gerechte Mauterhebung sicherstellen. Der künftige Betreiber des LKW-Mautsystems hat sich vertraglich verpflichtet, bis zum Start des LKW-Mautsystems 150 von insgesamt 300 Kontrollbrücken zu installieren. Die Kontrollbrücken, die zum Start des Mautsystems installiert sein werden, dienen der automatischen Vorkontrolle für die sich anschließende Standkontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr sowie die automatische Kontrolle durch den Betreiber. Die vom Betreiber nach dem Start des Mautsystems noch zu errichtenden 150 Kontrollbrücken dienen ausschließlich der automatischen Kontrolle durch den Betreiber. Das Bundesamt für Güterverkehr, das gemäß § 7 Abs. 1 des Autobahnmautgesetzes für schwere Nutzfahrzeuge die Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes überwacht, wird im Rahmen seines Kontrollkonzeptes die Wahrung der Abgabengerechtigkeit insbesondere durch seine mobilen Kontrollfahrzeuge sicherstellen. Bei diesen mobilen Kontrollen ist der Standort des Kontrollfahrzeuges nicht erkennbar, da sie in dem gesamten Autobahnnetz im fließenden Verkehr mitschwimmen und die mautpflichtigen Fahrzeuge während der Fahrt anhand des Kennzeichens überprüfen. Diese mobile Kontrolltechnik des Bundesamtes ist bereits zum Systemstart am 31. August 2003 einsatzbereit und gewährleistet damit die flächendeckende und gerechte Mauterhebung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Vogel?

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Vielen Dank für die Beantwortung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen dann zur Frage 30 der Kollegin Julia Klöckner: Welche Rolle kommt bei den aktuellen Gesprächen der DB AG zum Thema neues Tarifsystem dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, innerhalb der Bundesregierung zu - vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 2. April 2003?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen prüft die Rechtmäßigkeit der Beförderungsbedingungen im Schienenpersonenfernverkehr der Eisenbahnen des Bundes und damit auch der Deutschen Bahn AG. Über die Inhalte ihrer Angebote entscheidet die Deutsche Bahn AG jedoch in eigener unternehmerischer Verantwortung. Unabhängig davon werden aktuelle Fragen in den regelmäßigen Kontakten mit der Deutschen Bahn AG erörtert.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage? - Bitte schön.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sagen, aktuelle Fragen würden regelmäßig erörtert. Das entspricht jedoch nicht ganz der Aussage, die Sie vorher getroffen haben. Sie haben gesagt, es gehe nur um die Prüfung der Rechtmäßigkeit und alles andere werde der Bahn überlassen. Es gibt jedoch aktuelle Fragen, die sowohl die Bahn anbelangen als auch die politische Einwirkung betreffen. Mein Eindruck ist, dass sich SPD und Grüne das Terrain nicht teilen, sondern dass das Terrain den Grünen überlassen wird und Herr Stolpe außen vor bleibt. Welche Rolle spielt das Verkehrsministerium, wenn zum Beispiel Workshops wie am 11. April anstehen? Ist das Verkehrsministerium da außen vor oder hat es konkret zum Ausdruck gebracht, nicht daran teilnehmen zu wollen und sich aus allem herauszuhalten?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Wir halten uns natürlich nicht heraus. Aber Sie müssen zwischen unserer gesetzlichen Verpflichtung als Ministerium - dazu gehört auch der entsandte Staatssekretär - und der Kommunikation mit der Bahn AG unterscheiden. Wir können die Bahn nicht anweisen, dieses oder jenes im Preissystem zu verändern, sondern müssen uns in dieser Frage auf unsere gesetzlichen Möglichkeiten beschränken. Das bedeutet nicht, dass man nicht miteinander redet und sich gute Ratschläge gibt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage? - Bitte schön.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Zusatzfrage geht ebenfalls in diese Richtung. Sie sagten, es gebe eine Kommunikation. Aber Herr Stolpe sagt das Gegenteil von Frau Künast, nämlich dass man sich nicht in die Unternehmensentscheidungen einmischen solle, was zum Beispiel die Preisgestaltung bzw. das Schienenangebot anbelangt. Deshalb ging meine Frage dahin, welche Rolle innerhalb der Bundesregierung Herrn Stolpe zukommt. Man hat wirklich den Eindruck, er zieht sich vollkommen zurück und überlässt das Feld der Bahn, die hier mitunter sehr unkoordiniert wirkt.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Vielleicht muss ich Ihnen noch einmal erklären, wie es sich nach der Bahnreform mit den Verpflichtungen der einen wie der anderen Seite verhält. Das müssen Sie berücksichtigen. Das Ministerium ist zwar für bestimmte Dinge zuständig, die Bahn aber für das gesamte operative Geschäft. Das heißt, nicht wir verantworten letztendlich die Gestaltung des Preissystems, sondern das macht die Bahn völlig eigenverantwortlich und das muss sie auch machen, denn das ist ihr Auftrag. Da haben wir uns aus gutem Grunde nicht einzumischen. Wenn nämlich die Bahn etwas ausführt, was wir verfügen, und ihr dadurch Nachteile entstehen, könnten wir schadensersatzpflichtig werden, weil die DB nach EU-Gemeinschaftsrecht ihren Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich der Nachteile, die wir ihr aufbürden, geltend machen könnte. Deshalb verstehen Sie vielleicht, dass wir uns sehr streng an die gesetzliche Verpflichtung halten müssen, auch im Interesse des Steuerzahlers.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage der Kollegin Ursula Heinen.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nach Ihren Aussagen, die Sie gerade getroffen haben, hat sich das Verbraucherschutzministerium zwar nicht rechtswidrig, aber doch eindeutig entgegen diesen Absprachen verhalten, indem es die Bahn mehrfach aufgefordert hat, ihr Preissystem zu überdenken und zu korrigieren. Zeitungsberichten zufolge hat es sogar einen eigenen Vierpunkteplan vorgelegt, in dem enthalten ist, wie die Deutsche Bahn ihr Preissystem künftig gestalten soll. Ihre Aussage, nämlich keine Einmischung in die Geschäftspolitik der Bahn - dazu zählt auch die Preisgestaltung -, steht doch in einem klaren Widerspruch zu der Haltung des Verbraucherschutzministeriums, das sich ganz klar einmischt. Was ist denn nun richtig?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Das müssen Sie das Verbraucherschutzministerium fragen. ({0}) - Ich entschuldige mich für diese Aussage und möchte sie gerne zurücknehmen. Das Verbraucherschutzministerium hat die Aufgabe, die Verbraucher zu schützen. Insofern kann es jederzeit Ratschläge geben, wie ein Unternehmen seine Preise gestalten könnte. Letztendlich gestaltet die DB AG ihre Preise, mit denen sie am Markt bestehen muss, aber selbst. Wenn sie damit am Markt nicht bestehen sollte, wird sie ihre Preise korrigieren. Wir machen die Preise weder für die DB AG noch für Connex.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Frage der Kollegin Gitta Connemann, bitte schön.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben den Standpunkt vertreten, dass in Übereinstimmung mit den Regelungen des Aktienrechts die Bahn ihre unternehmerischen Entscheidungen in vollständiger Eigenverantwortung trifft und dass Sie sich nicht einzumischen haben. In diesem Sinne haben sich in der letzten Sitzung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft unter anderem auch die Kollegen der Koalitionsfraktionen im Rahmen einer Debatte zum Thema Postagenturen geäußert. Sie haben ebenfalls den Standpunkt vertreten, dass eine Einflussnahme aus unternehmerischen Gründen nicht möglich ist. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass von Ihrer Kollegin, der Staatssekretärin Wolf, ein Workshop ins Leben gerufen wurde, um dort „Handreichungen für realistische, kurzfristige Veränderungen des Preissystems zu bieten“? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass Ihre Kollegin Wolf zum einen Mitglied der Bundesregierung ist und zum anderen dem Aufsichtsrat der Bahn angehört.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Die Kollegin Wolf kann sich als Mitglied des Aufsichtsrats der DB AG sicherlich Gedanken darüber machen, wie sich das Unternehmen zukünftig aufstellt. Ich sehe kein Problem darin, wenn man sich zunächst darüber informiert, wo Schwachstellen in der Organisation liegen, und wenn man in dem einen oder anderen Fall aufklärerisch tätig wird, was das Preissystem angeht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Dirk Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, um die vielfältigen Aufgaben der Kollegin Wolf besser auseinander halten zu können: Können Sie uns sagen, mit welchem Briefkopf die Kollegin zu diesem Workshop eingeladen hat? Hat sie als Staatssekretärin oder als Mitglied des Aufsichtsrates eingeladen?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Das kann ich Ihnen nicht beantworten.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Können Sie mir das bitte schriftlich nachreichen?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Das kann ich Ihnen schriftlich nachreichen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Da die Kollegin Wolf anwesend ist, können wir sie auch direkt fragen. ({0}) Frau Kollegin Wolf, können Sie diese Frage beantworten? ({1})

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Niebel, ich verfüge nicht über Briefpapier mit einem Briefkopf der Deutschen Bahn AG. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Wolf. - Eine Zusatzfrage von Herrn Kampeter, bitte schön.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nun handelt die Bundesregierung immer als Einheit. Das steht in der Geschäftsordnung. Ich habe das Gefühl, dass die Frage der Geschäftsordnung zumindest in der Bundesregierung überhaupt keinen interessiert. Deswegen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, würde mich interessieren, wie Sie als Vertreterin des federführenden Ressorts beurteilen, dass die Parlamentarische Staatssekretärin Wolf, offensichtlich unter dem Briefkopf eines Mitgliedes der Bundesregierung, zu einem solchen Symposion eingeladen hat. Oder dürfen wir das so interpretieren, dass, wie Sie es vorhin vorgetragen haben - ich will das etwas salopp formulieren -, es Ihnen völlig egal ist, welche Symposien die Kollegin Wolf veranstaltet, und dass Sie der Auffassung sind, dass das alles nur heiße Luft sei, weil das nach dem Aktienrecht eh keinen Einfluss auf das Unternehmen haben könne?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Was soll ich Ihnen dazu sagen, wenn sie keinen anderen Briefkopf hat? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Jetzt hat wieder Herr Großmann die Möglichkeit zu antworten, nämlich auf die Frage 31 des Kollegen Dr. Peter Jahr: Ist es zulässig, dass die Kommunen die finanziellen Mittel aus dem Programm „Stadtumbau Ost“, Teil Rückbau, für mehrere Jahre zusammenfassen und für ein Objekt in einem Jahr konzentrieren?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Jahr, den Stadtumbaumitteln liegt ein Verpflichtungsrahmen zugrunde, der über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgezahlt wird. Dabei können zum Beispiel einer Kommune, die im Jahr 2003 Wohnungen abreißen will, Mittel bewilligt werden, die allein im Jahr 2003 ausgezahlt werden. Dafür könnte eine andere Kommune Mittel erhalten, die allein 2004 ausgezahlt werden. Hierfür sieht die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung Umschichtungsmöglichkeiten vor. Das Land soll also bei der Bewilligung von Mitteln für Kommunen möglichst deren konkreten Bedarf berücksichtigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Jahr?

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Antwort. Ich entnehme ihr, dass es möglich ist, dass die Kommunen quasi im Vorgriff Mittel in Anspruch nehmen, ähnlich wie seinerzeit bei der Städtebausanierung. Da hatten die Kommunen eine Genehmigung für fünf Jahr in Jahresscheiben bekommen und konnten dann selber entscheiden, welche Maßnahmen sie zu welchem Zeitpunkt in welchem Umfang in Angriff nehmen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wie gesagt, im Grunde genommen kann ein Land so handeln. Die Verwaltungsvereinbarung gibt her, dass der Antrag nicht in fünf Jahresscheiben abgearbeitet wird, sondern in einem Jahr. Es hängt im Einzelfall wahrscheinlich sehr von dem Umfang der benötigten Gelder ab, ob das gelingt oder nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. Es handelt sich um eine kleinere Kommune in meinem Wahlkreis mit 12 000 Einwohnern. Ihre Jahreszuweisung würde etwa 10 000 Euro betragen. Wir wissen selber: Mit 10 000 Euro lässt sich nicht allzu viel anfangen. Das heißt, die Bundesmittel würden in ähnlicher Weise den Kommunen zufließen; auch dort ist die Möglichkeit der Verlagerung gegeben.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich habe von den Bundesmitteln geredet. Die Verwaltungsvereinbarung gibt den Ländern die Möglichkeit, mit den Bundesmitteln so zu verfahren, wie ich es geschildert habe. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann kommen wir zur Frage 32 des Kollegen Jahr: Ist es zulässig, dass die kleineren Kommunen ihre Vorhaben im Rahmen des Programmes „Stadtumbau Ost“ für ein einziges Entwicklungsgebiet ausweisen, oder müssen mehrere Entwicklungsgebiete gebildet werden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Nach der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2002 ist das Fördergebiet durch Beschluss der Gemeinde räumlich abzugrenzen. Die Gemeinde bestimmt, wie viele Fördergebiete sie festlegt. Das kann auch ein einziges Gebiet sein. Sollte eine Kommune allerdings die Zahl der Fördergebiete verringern wollen, nachdem das Land ihr für die bisher größere Zahl von Fördergebieten Mittel bewilligt hat, so muss sie sich mit dem Land abstimmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Das würde bedeuten, dass die Kommune mit 12 000 Einwohnern, die ich hier als Beispiel angeführt habe, mit dem Hinweis, sie müsse sieben Entwicklungsgebiete bilden, offensichtlich falsch beraten worden ist.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wenn das so ist, wie Sie es schildern, gehe ich davon aus, dass hier ein Fehler bei der Interpretation der Städtebaufördervereinbarung vorliegt. Die Kommune kann also auch nur ein einziges Gebiet ausweisen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön, Herr Staatsekretär. Wir haben jetzt in der Fragestunde nur noch eine Minute. Wir könnten noch die nächsten beiden Fragen abwickeln, Frau Kollegin Mertens. Dann kommen wir zur Frage 33 des Abgeordneten Kurt Segner: Welche Gespräche mit der DB AG zum Thema „Neues Tarifsystem“ werden vonseiten der Bundesregierung von welchem Ressort durchgeführt?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Die Fragen 33 und 34 würde ich gerne im Sachzusammenhang gemeinsam beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich auch die Frage 34 des Abgeordneten Segner auf: Zu welchen Ergebnissen führten diese?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Aktuelle Fragen werden in den regelmäßigen Kontakten zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen und der Deutschen Bahn AG erörtert. Die inhaltliche Gestaltung der Angebote, also der Tarife, das heißt deren Zweckmäßigkeit und Kundenfreundlichkeit, sowie die Abwicklung des Personenverkehrs und die Organisation des Verkaufs- und Informationssystems gehören zu den rein unternehmerischen Aufgaben der DB AG, auf die das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen nach seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung keinen Einfluss nehmen kann. Sofern sich aus der unternehmerischen Sicht der Deutschen Bahn AG die Notwendigkeit von Änderungen oder Ergänzungen ergibt, wird sie entsprechende Tarifanträge beim Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen stellen, das im Rahmen seiner Zuständigkeit deren Rechtmäßigkeit prüft. In engem Zusammenhang zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und der Deutschen Bahn AG wird darüber hinaus regelmäßig auf die Notwendigkeit weiterer Verbesserungen im Verbraucherschutz hingewiesen. So konnte bereits am 12. März 2003 ein Tarif für die Familienkarte genehmigt werden, der die unentgeltliche Mitnahme aller Kinder unter 14 Jahren regelt. Des Weiteren wurde eine vertragliche Haftung für Ausfall, Verspätung und Anschlussversäumnis, die über die jetzige Regelung des § 17 EVO hinaus geht, eingeführt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es gibt keine Zusatzfragen. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Ich beende diese und unterbreche die Sitzung bis 15.35 Uhr. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Deutlich erhöhter Finanzbedarf der Bundesanstalt für Arbeit durch die unverändert hohe Arbeitslosigkeit und Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden Gerster zur Notwendigkeit eines Bundeszuschusses Diese Aktuelle Stunde wurde von der Fraktion der CDU/ CSU beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Hermann Kues von der CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Aktuellen Stunde geht es nicht nur um finanzielle Aspekte, wie man zunächst meinen könnte. Es geht zwar zum einen darum, dass es bei der Bundesanstalt für Arbeit finanzielle Probleme gibt, zum anderen geht es aber auch darum, dass diese finanziellen Probleme und gewisse strukturelle Entscheidungen, die Sie getroffen haben und die ein riesiges gesellschaftspolitisches Problem darstellen, Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Sie haben in der Arbeitsmarktpolitik Veränderungen auf den Weg gebracht, die uns nicht weiterbringen, die die Situation eher verschlimmern als verbessern. ({0}) Mir geht es darum, darauf hinzuweisen, dass gewachsene Strukturen, die sich auf kommunaler Ebene und bei den freien und gemeinnützigen Trägern über Jahre hinweg bewährt haben, durch Ihre Arbeitsmarktpolitik eingerissen werden, ohne dass neue und effektive Vermittlungswege aufgebaut werden. Das kann jeder von Ihnen nachvollziehen, weil auch Sie Tag für Tag entsprechende Schreiben bekommen. Hier geht Kreativität verloren. Mit modellhaften Versuchen wurde hier Geld gespart und den Menschen wurden falsche Hoffnungen gemacht. Ich zitiere aus einem Schreiben des Kolpingwerks im Lande Niedersachsen: Die leidtragenden Verlierer dieser Reform sind Arbeitslose mit Vermittlungshemmnissen, sind Langzeitarbeitslose, benachteiligte Jugendliche, die ohne Qualifizierung und ohne professionelle Begleitung den Sprung ins Erwerbsleben nicht realisieren können. Ich sage: Betroffen sind insbesondere Alleinerziehende, aber auch Frauen mit qualifizierter Ausbildung. Diese Arbeitsmarktpolitik ist nicht nur teuer - sie sprengt den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit -, sie führt gesellschaftspolitisch auch in die Irre; das beweisen die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit. ({1}) Sehen Sie sich die Maßnahmen des Hartz-Konzeptes an! Es steht fest, dass sie nicht greifen und dass die Regierung sie schöngerechnet hat. Erstens. Bis zum 31. März 2003 sind durch das Programm „Kapital für Arbeit“ mit 197 Millionen Euro gerade einmal 2 628 Arbeitsplätze gefördert worden. ({2}) Das bedeutet eine Förderung von 75 000 Euro pro Platz. Ich sage ganz eindeutig: Das ist nicht sehr effektiv. Ich weiß nicht, wie die erwarteten 55 000 Jobs auf diese Art und Weise entstehen sollen. Das steht in den Sternen. ({3}) Ich komme zum zweiten Baustein nach der Beschlusslage, den so genannten Personal-Service-Agenturen. ({4}) - Das ist nicht gemeinsam beschlossen worden. - Sie kommen nur schleppend in Gang; die Zahlen sind ernüchternd. 2003 sollen 50 000 Arbeitsplätze entstehen. Dafür sollen 600 Millionen Euro bereitgestellt werden, die vor allem dem Eingliederungstitel entzogen worden sind, woraus sich unüberblickbare Folgen ergeben haben. Herr Gerster hat noch im Februar davon gesprochen, dass er damit rechnet, dass auf diese Art und Weise 50 000 Menschen unterkommen. ({5}) Jetzt ist nur noch von 25 000 die Rede. Das bedeutet eine Halbierung innerhalb von drei Monaten. Ich zitiere aus einer Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung, die gestern auf unseren Tisch gekommen ist und in der auch eine Einschätzung vorgenommen wird. Dort heißt es wörtlich: Es ist zu befürchten, dass die erhofften beschäftigungspolitischen Impulse des Reformansatzes verpuffen. Es heißt zwar, dass alte Fesseln gelöst worden seien. Es seien aber neue angelegt worden. ({6}) Was also ist das Ergebnis dieser Gesetzgebung? Die Hartz-Gesetze verursachen Mehrkosten. Sie nehmen dafür in Kauf, dass Strukturen wegbrechen, die sich nach meiner festen Einschätzung zumindest teilweise als unersetzlich erwiesen und auch bewährt haben. Was ich vor allen Dingen sehe, ist, dass die vielen guten Ansätze, die in den Landkreisen und im ländlichen Raum entwickelt worden sind, den Bach runtergehen. Das halte ich für unverantwortlich. ({7}) Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich Krista Sager, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, zustimmen, die letzte Woche erklärt hat: „Man kann das alte Haus nicht abreißen, bevor das neue steht.“ Sie hat weiterhin ausgeführt: „Gerster muss den Übergang so gestalten, dass nicht am Ende ein Scherbenhaufen übrig bleibt.“ Dazu sage ich: In diesem Bereich sind wir beim Scherbenhaufen längst angelangt. ({8}) Abschließend möchte ich deutlich machen: Ich habe ohnehin meine Probleme mit einer zentralistisch aufgebauten Arbeitsverwaltung. Bei allen weiteren Ansätzen, über die wir diskutieren, muss daher gelten: Wenn wir es nicht schaffen, die Dinge zu dezentralisieren und sie mit den entsprechenden Mitteln in die Zuständigkeit der kommunalen Ebene zu geben, dann werden wir nie zu maßgerechten Lösungen kommen. Damit helfen wir nicht den Arbeitslosen. Zudem ist es eine ungeheuer teure Veranstaltung, die dazu führt, dass die Haushalte weiter explodieren. Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres. ({0})

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Präsident! Meine sehr verehren Damen und Herren! Darüber, dass sich eine steigende Arbeitslosigkeit auch im Bereich des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit auswirkt und dort wie auch im Bundeshaushalt zumindest saisonal zu einem erhöhten Finanzbedarf und steigenden Haushaltsrisiken führt, kann kein Streit bestehen. ({0}) Ein Rückgang der Beschäftigung wirkt sich nun einmal negativ auf die Einnahmen des Bundes wie auch der Bundesanstalt aus. Zugleich erhöhen sich die Folgen der steigenden Arbeitslosigkeit und insbesondere die Ausgaben für das Arbeitslosengeld. Im März zählten die Arbeitsämter rund 4,6 Millionen Arbeitslose. Das waren rund 450 000 mehr als vor Jahresfrist. Die Beschäftigung hat sich im Dezember 2001 auf Dezember 2002 um 396 000 verringert. 100 000 Arbeitslosengeldempfänger kosten die Bundesanstalt rund 1,5 Milliarden Euro. 100 000 Beschäftigte weniger verringern die Einnahmen um 200 Millionen Euro. Unbestreitbar ist deshalb: Bis Ende März hat die Bundesanstalt rund 2,8 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Diese Zahl ist bekannt. Ich will sie auch gar nicht schönreden. ({1}) Darum geht es überhaupt nicht. Dieses Zwischenergebnis darf aber nicht ohne weiteres hochgerechnet werden, ({2}) weil im Winter saisonbedingt immer mehr Geld ausgegeben als eingenommen wird. Das können Sie sich in jedem Haushaltsjahr anschauen. Deswegen müssen Sie keine Zwischenrufe machen. Das ist so. Mit zurückgehender Saisonarbeitslosigkeit entwickeln sich auch die Haushaltszahlen wieder günstiger. ({3}) Es ist deshalb nach einem Vierteljahr noch zu früh, schon Prognosen über die Entwicklung für das Gesamtjahr abgeben zu wollen. Dies wäre unseriös. Die Bundesregierung wird sich deshalb nicht an der Kaffeesatzleserei beteiligen. ({4}) Wir arbeiten gemeinsam mit der Bundesanstalt energisch an der Verwirklichung von Maßnahmen, um die Beschäftigungsquote zu verbessern. Wir werden auf der Ausgabenseite alle denkbaren Effizienzgewinne ausschöpfen. Dabei setzen wir gemeinsam mit dem Vorstand der Bundesanstalt auf neue Instrumente, die mit dem Namen Hartz verbunden sind. ({5}) Dadurch erhält das System der Arbeitsvermittlung eine Vielzahl neuer Impulse. Spürbare Wirkungen können aber erst im Laufe des Jahres erwartet werden. Ich sage Ihnen vorher: Wir werden dann auf der Ausgabenseite der Bundesanstalt erhebliche Einspareffekte erleben. ({6}) Entscheidendes Element für die Beherrschbarkeit der Haushaltsrisiken ist aber, dass im Laufe des zweiten Halbjahres tatsächlich eine substanzielle Erholung der Konjunktur einsetzt. Wenn wir diese Erwartung - etwa aufgrund der unkalkulierbaren Auswirkungen des Irakkriegs - aufgeben müssten, dann werden wir nicht umhin kommen, aber auch nicht zögern, auch im Haushalt die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Weshalb aber heute schon die Pferde scheu machen und die betroffenen Menschen verunsichern? ({7}) Ausdrücklich festhalten möchte ich an dieser Stelle aber, dass die Bundesregierung selbstverständlich die notwendige Liquidität der BA jederzeit sicherstellen wird, ({8}) auch wenn zunächst im erst vor kurzem in zweiter und dritter Lesung gebilligten Haushalt 2003 ein Nullzuschuss vorgesehen ist. ({9}) Diesem Nullzuschuss an die BA und dem Haushalt insgesamt ist die aktuelle Projektion der Bundesregierung zugrunde gelegt. ({10}) Diese geht 2003 von einem realen Wirtschaftswachstum in Höhe von rund 1 Prozent ({11}) und einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von 4,2 Millionen aus. Die Projektion ist unter Berücksichtigung aller vorhandenen und relevanten Informationen mit der notwendigen Sorgfalt und Vorsicht erstellt worden. ({12}) Sie berücksichtigt nicht - und sie kann dies auch gar nicht berücksichtigen - die bereits angesprochenen Auswirkungen des Irakkonflikts auf die weitere konjunkturelle Entwicklung. ({13}) Ich möchte ganz deutlich herausstellen: Die Auswirkungen des Irakkriegs auf die weltwirtschaftliche Entwicklung und die nationale Wirtschaftsentwicklung sind auch aus heutiger Sicht noch nicht seriös abschätzbar. ({14}) Natürlich sind heute die wirtschaftlichen Risiken gewachsen. Aber es steht keineswegs schon fest, ob und, wenn, inwieweit eine Verschlechterung der konjunkturellen Situation anzunehmen ist. Deshalb sind auch die finanziellen Auswirkungen noch nicht zuverlässig abschätzbar. Die Vorgaben des von uns beschlossenen Haushalts sind durchaus ehrgeizig und erscheinen vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen noch ehrgeiziger. Das haben wir aber auch nie bestritten. Sie setzen voraus, dass die Reformen, die wir zum Aufbrechen der Verkrustung am Arbeitsmarkt durchgeführt haben und durchführen werden, greifen und die deutsche Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf wieder besser Tritt fasst. ({15}) Statt hier allwöchentlich das gleiche Ritual zu veranstalten, sollten wir besser alle gemeinsam daran arbeiten, dies auch zu erreichen. ({16}) Es ist überhaupt kein Geheimnis, dass Mitte Mai die neuen Zahlen vom Arbeitskreis Steuerschätzung vorgelegt werden. Hierzu wird auch die Bundesregierung wie üblich ihre - aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklungen gegebenenfalls überarbeitete - Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung für das Jahr 2003 präsentieren. Die weltwirtschaftliche Projektion des IWF und die Einschätzung der europäischen Wirtschafts- und Finanzentwicklung durch die EU-Kommission liegen dann ebenfalls vor. Sollte sich herausstellen, dass die Projektion insbesondere vor dem Hintergrund der Tatbestände, die ich schon geschildert habe, korrigiert werden muss, werden wir die notwendigen Konsequenzen auch für den Bundeshaushalt ziehen. Wir werden dabei ebenso unseren Verpflichtungen gegenüber unseren europäischen Partnern nachkommen wie auch den dann gegebenenfalls gebotenen konjunkturpolitischen Erfordernissen Rechnung tragen. Nichts wäre aber falscher, als jetzt in Panik zu verfallen. Entscheidungen müssen und werden, wenn sie denn erforderlich sind, auf der Grundlage gesicherter Informationen und solider Analysen gefällt werden. Bis dahin sollten wir uns gemeinsam auf das zentrale Ziel konzentrieren, die Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen für Deutschland zu verbessern, und das vom Bundeskanzler formulierte Programm, die Agenda 2010, schnell umsetzen und mit Leben füllen. ({17}) Das schafft auch bei Investoren und Konsumenten das notwendige Zukunftsvertrauen. Die Menschen wollen adäquate und verlässliche Antworten auf die großen Herausforderungen, vor denen die Wirtschafts- und Finanzpolitik steht. Sie wollen keine reine Effekthascherei, ({18}) wie Sie sie jede Woche von neuem veranstalten. Deswegen empfehle ich Ihnen, bei den Tatbeständen zu bleiben, die wir kennen und mit denen wir vernünftig umgeParl. Staatssekretär Gerd Andres hen können. Die Bundesregierung wird sich jedenfalls daran halten und danach handeln. Herzlichen Dank. ({19})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel von der FDPFraktion. ({0})

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin immer besonders angetan, wenn sich der Kollege Küster freut, dass ich reden darf. Es ist gut, dass er die Gelegenheit nutzt, hier noch etwas dazuzulernen. Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass wir den Haushalt des Jahres 2003 beschlossen haben. Es ist genauso, wie wir es damals schon gesagt haben: Er war damals schon nicht das Papier wert, auf den ihn diese Bundesregierung geschrieben hat. ({0}) Uns wurde ein Haushalt vorgelegt, von dem wir aufgrund der Fakten, Herr Staatssekretär, und der Arbeitsmarktzahlen, die man täglich bzw. monatlich den Medien entnehmen kann, wussten und wissen, dass er nicht so durchzuhalten ist, wie Sie es den Menschen vorzumachen versuchen. Sie versuchen, die Menschen hinters Licht zu führen. Das Schlimme ist: Es gibt leider immer wieder welche, die gutgläubig genug sind, Ihnen zu glauben. Noch zu Beginn des Jahres hat der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Gerster, im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit festgestellt, die Anstalt werde ohne Bundeszuschuss auskommen. Das hat die FDP übrigens lange gefordert und mehrfach beantragt. Vor einem Monat begann Herr Gerster zu äußern, die Anstalt werde so lange wie möglich ohne Bundeszuschuss auskommen. Darauf erfolgte keine Reaktion von Rot-Grün. Mittlerweile wissen wir: Die Zahl der Arbeitslosen betrug im vergangenen Monat 4,6 Millionen und es gibt ein Defizit von 2,8 Milliarden Euro, das man zwar nicht hochrechnen kann, das aber durchaus eine Tendenz erkennen lässt. Wer einen Blick zurück auf das Jahr 2002 wirft, Herr Staatssekretär, wird feststellen, dass der vorgesehene Zuschuss in Höhe von 2 Milliarden Euro um weitere 3,6 Milliarden Euro auf insgesamt 5,6 Milliarden Euro erhöht werden musste, um die Arbeitsmarktpolitik dieser rot-grünen Regierung finanzieren zu können. Sie schaffen nämlich keine Arbeitsplätze, sondern Sie vernichten sie. ({1}) Wir haben als FDP-Bundestagsfraktion bei den Haushaltsberatungen beantragt, zumindest den Ansatz für Arbeitslosenhilfe auf 14,8 Milliarden Euro zu erhöhen. Das ist nämlich derselbe Betrag, der im vergangenen Jahr für die Arbeitslosenhilfe aufgebracht wurde. Bei Ihrer Politik war es schließlich absehbar, dass die Situation nicht besser, sondern eher noch schlechter werden wird. Sie haben unsere Forderung abgelehnt und für das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einen Haushalt mit einem Volumen von 18,5 Milliarden Euro vorgelegt. Davon entfallen 12,3 Milliarden Euro auf die Arbeitslosenhilfe. Der nächstgrößere Posten mit 2,8 Milliarden Euro ist schon die Steinkohlesubvention. Das ist ein Haushalt für Arbeitslosenhilfe und Steinkohle, aber er setzt keine Impulse für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. ({2}) Auf der anderen Seite steht der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit mit insgesamt 53,3 Milliarden Euro, von denen allein 21,5 Milliarden Euro für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen sind. Das ist ein Haushalt, der dem Zugriff des Parlaments nicht zugänglich ist, weil er vom Vorstand aufgestellt, vom Verwaltungsrat festgestellt und von der Bundesregierung genehmigt wird. Das heißt, die Arbeitsmarktpolitik unterliegt hinsichtlich der finanziellen Ansätze im Wesentlichen keiner Kontrolle durch das Parlament. Im Gegenteil: Er unterliegt der Kontrolle des Verbändestaates, in dem die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Frau Dr. Engelen-Kefer, zum 1. April auch noch die Vorsitzende des Verwaltungsrates geworden ist. ({3}) Das kann doch angesichts der Tatsache, dass das bfw des DGB der größte Bildungsträger in der Bundesrepublik Deutschland ist und dass die Deutsche AngestelltenAkademie der zweitgrößte ist, nicht wahr sein! Letztere gehört Verdi. ({4}) Verdi sitzt der grüne Gewerkschaftsfunktionär Bsirske vor. Das ist derselbe Mann, der sich als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Lufthansa mit seiner Gewerkschaft selbst bestreikt hat. Wenn das keine ungesunde Verquickung ist, dann möchte ich wissen, wo Filzvorwürfe sonst noch möglich sein können. ({5}) Um dem für die Zukunft entgegenzuwirken und dafür zu sorgen, dass Arbeitsmarktpolitik wieder effektiv für die Eingliederung der Menschen genutzt wird, ist die Redemokratisierung der Arbeitsmarktpolitik notwendig. Wir brauchen die Trennung der Bundesanstalt für Arbeit in eine Versicherungsagentur, die die Versicherungsleistungen der Arbeitslosenversicherung verwaltet, und in eine Arbeitsmarktagentur, die aus Steuermitteln finanziert und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zugeordnet wird und die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben neu organisiert. ({6}) Das führt dann auch dazu, dass die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, der Jugendarbeitslosigkeit ({7}) - seien Sie still und hören Sie zu! ({8}) und andere gesamtgesellschaftliche Aufgaben vom Steuerzahler finanziert werden, dass Spielräume für Beitragssenkungen entstehen, dass der Faktor Arbeit entlastet wird und dass auf diesem Wege in der Bundesrepublik Deutschland endlich wieder Arbeit ermöglicht werden kann. ({9}) Sie verweigern sich mit Ihrer Politik dem Ziel der Integration der Arbeit suchenden Menschen. Sie blenden den Sachverstand der Kommunen in den Jobcentern aus und verlagern - wahrscheinlich auch noch auf Kosten der Kommunen - die Arbeitslosenhilfe in das neue Konstrukt des Arbeitslosengeldes II. Nach Ihren derzeitigen Vorstellungen im Hartz-Konzept werden Kostenentscheidungen zulasten der Kommunen getroffen. Das kann nicht gesund sein. Deswegen müssen Sie neue Wege gehen. Folgen Sie unseren Vorschlägen: Dezentralisieren Sie die Bundesanstalt für Arbeit! Teilen Sie sie in eine Versicherungs- und eine Arbeitsmarktagentur auf! Sorgen Sie dafür, dass Versicherungsleistungen von den Beitragszahlern und gesamtgesellschaftliche Aufgaben von allen Steuerzahlern finanziert werden, und bekämpfen Sie jeden auch nur möglichen Vorwurf von Verfilzung im Verbändestaat! Das bedeutet für Sie, neue Wege zu gehen. Schaffen Sie die Selbstverwaltungen ab, in denen die Vertreter der Arbeitgeberverbände, die Funktionäre der Gewerkschaften und diejenigen, die ihre öffentlichen Hände am liebsten in den Taschen der Bürger haben, versuchen, das Geld unter sich aufzuteilen! Das ist nicht zukunftsweisend. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk vom Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin nach den vorangegangenen beiden Rednern der Oppositionsfraktionen ein bisschen ratlos geblieben. ({0}) - Ich habe überhaupt keine Probleme, auf Ihre Belustigung einzugehen; denn ihre Zurufe betreffen nicht den Kern des Problems. Die Fraktion der CDU/CSU hat eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Deutlich erhöhter Finanzbedarf der Bundesanstalt für Arbeit durch die unverändert hohe Arbeitslosigkeit“ verlangt. Aber weder der Kollege von der CDU/CSU noch der Kollege von der FDP - Letzterer schon gar nicht - war imstande, zu diesem Thema zu argumentieren. ({1}) Sie bleiben also dort stehen bzw. - um es präziser zu sagen - bewegen sich dorthin, wovon ich Ihnen schon vor einer Woche abgeraten habe, nämlich in die Blockiererecke. Sie beginnen, politisch zu blockieren, weil Sie sich darauf ausruhen, dass es wegen der weit schlechteren konjunkturellen Entwicklung und der weit schlechteren Situation auf dem Arbeitsmarkt ein milliardenschweres Risiko bei der Finanzierung der Bundesanstalt für Arbeit gibt. Darauf weisen wir schon seit Wochen hin. ({2}) - Ich habe darauf Wert gelegt - Kollege Austermann weiß das -, dass dies nicht geleugnet wird. Sie wollen uns hier - das kann ich noch verstehen - ein bisschen mehr festnageln. Das, was Sie machen, ist aber zu wenig. Die Menschen in diesem Land, insbesondere diejenigen ohne Arbeit, erwarten mehr von uns. Sie erwarten, dass wir auch in schwieriger Lage auf der politischen Ebene Veränderungen herbeiführen. Dafür reicht Ihr Gejammer nicht aus. ({3}) Ich möchte das konkretisieren. Das, was Ihr Kollege zur neuen Arbeitsmarktpolitik gesagt hat, war ja - ironischer kann man das an dieser Stelle nicht formulieren unglaublich zielführend. Er hat zwar gejammert, alles, was wir im Hinblick auf den Arbeitsmarkt täten, sei zu teuer. Aber im gleichen Atemzug hat er gefordert, alles müsse so bleiben, wie es sei; denn die bestehenden Instrumente hätten sich bewährt. ({4}) Ich sage Ihnen: Nein, wir brauchen auch neue Instrumente in der Arbeitsmarktpolitik. Wachen Sie auf! ({5}) Wir brauchen eine schnellere Vermittlung durch die PSAs. Diese dürfen auch Geld kosten und in Wettbewerb zu bewährten Instrumenten treten. Sie sind in einer Blockierer- und Verweigererecke. Sie spielen ein ganz seltsames, sozialpolitisch unglaubwürdiges Spielchen und haben Angst, Ihre eigenen Forderungen von vor einigen Monaten, insbesondere diejenigen der eigenen Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, durchzudeklinieren. Das ist sehr billig. ({6}) Wir wissen um die Risiken, die wir eingehen. Wir glauben aber, dass wir trotz des konjunkturellen Risikos und des Haushaltsrisikos zu Strukturveränderungen kommen müssen. Wir werden das auch schaffen. Sie kennen ja die Maßnahmen. Schließlich haben Sie im Dezember letzten Jahres die Hartz-Gesetze mit beschlossen. Dahinter verstecken sich ja die entsprechenden Maßnahmen. Stehen Sie zu Ihren eigenen Entscheidungen! ({7}) Wir werden, wie gesagt, für Veränderungen sorgen. Ich sehe es angesichts der jetzigen Entwicklung aber sehr kritisch, ob wir an einem Nullzuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit festhalten können; denn der Nullzuschuss ist - darauf haben wir immer gesetzt - von einer wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Jahreshälfte abhängig. Ich wage zu bezweifeln, dass diese eintreten wird. Wir wissen auch, dass wir demnächst mit neuen Wachstumsprognosen für Deutschland rechnen müssen, die keinen Anlass zur Freude geben werden. Ich bleibe aber dabei: Auch in diesen schwierigen konjunkturellen Zeiten müssen wir Strukturveränderungen vornehmen. Die Bundesanstalt für Arbeit muss effizienter werden. Ich erwarte, dass angesichts der schwierigen Lage auch die Opposition bereit ist, in der Öffentlichkeit zuzugeben, dass sie bestimmte Einschnitte - wenn man mit Ihnen auf dem Flur spricht, gestehen Sie ein, dass Sie diese richtig finden - befürwortet. ({8}) Sie können zwar im Detail Alternativen vorschlagen. Aber ich akzeptiere es nicht - ich glaube auch nicht, dass Sie damit glaubwürdig sind -, dass Sie uns eine unsoziale Politik vorhalten. ({9}) Ich fand das, was Ihr Kollege vorhin dazu gesagt hat, überzogen. ({10}) - Sie haben ja Gelegenheit, Ihre Äußerung dazu zu ändern. Wir machen uns auf den Weg, neue Instrumente für die Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. Wir werden - das sage ich abschließend - Ernst machen damit, Übergänge zu erleichtern. In diesem Zusammenhang wurde vorhin auf meine Fraktionsvorsitzende hingewiesen. Wir wissen, dass Veränderungsprozesse schmerzhaft sind. Wir wissen aber auch, dass man Veränderungsprozesse gestalten kann. ({11}) Dessen nehmen wir uns an. Wir handeln konkreter, als ich es von Ihnen gehört habe. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer von der CDC/CSU-Fraktion. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt zwei Gemeinsamkeiten zwischen der rotgrünen Bundesregierung und der Spitze der Bundesanstalt für Arbeit. ({0}) - Auch das. Erstens. Ankündigungen und feierliche Versprechungen entpuppen sich als Luftbuchungen. Zweitens. Die Schulden wachsen sowohl der Bundesregierung als auch der Bundesanstalt über den Kopf. Die Menschen wissen nicht mehr, wem und wie lange sie diesen Ankündigungen noch vertrauen können. Die Sorge greift um sich. Wir haben gehört - auch von Ihnen, Herr Staatssekretär Andres -, dass die Zahl der Arbeitslosen deutlich über allen Prognosen liegen wird. Im Schnitt dieses Jahres wird sie die Prognosen, die den Finanzplänen zugrunde liegen, um mehrere Hunderttausend übersteigen. Wenn das so weiterginge, würde das bedeuten, dass die Bundesanstalt für Arbeit Ende des Jahres 8 Milliarden Euro Miese schreiben müsste. Wenn die Bundesanstalt ein Privatunternehmen wäre, was sie Gott sei Dank nicht ist, dann müsste sie den Gang zum Konkursrichter antreten. In dieser dramatischen Situation kommt es vor allen Dingen darauf an, wieder zu Seriosität und Ehrlichkeit zurückzukehren. Man darf den Mund nicht zu voll nehmen. Spätestens jetzt muss man reinen Tisch machen und den Menschen sagen, wie schlimm die Situation ist. ({1}) Dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit empfehle ich, mit Prognosen vorsichtig zu sein, denn sonst kann er leicht von der rot-grünen Wunderwaffe - so wurde er noch vor einem Jahr vom Bundeskanzler angekündigt schnell zum Rohrkrepierer werden. Herr Gerster hat vor seinem Amtsantritt noch die Einschätzung vorgetragen, die Mammutbehörde BA könne sich langfristig von der Hälfte ihrer 90 000 Mitarbeiter trennen. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Dann wurde versprochen, den Tanker Bundesanstalt sehr rasch umzubauen. Aber 25 Projektgruppen und fünf externe Unternehmensberatungen ersetzen noch lange keinen Kurswechsel. Dann wurde angekündigt, dass sich 10 Prozent der Mitarbeiter in den Arbeitsämtern, jedenfalls deutlich mehr als bisher, mit der eigentlichen Kernaufgabe, der Vermittlungstätigkeit, befassen sollen. Heute kümmern sich kaum mehr als die ursprünglichen 8 500 Mitarbeiter, nämlich 12 500 Mitarbeiter um diese Kernaufgabe. An dieser Stelle möchte ich aber auch unmissverständlich sagen, dass sich unsere Kritik nicht gegen die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit richtet. Sie haben unseren Dank und unsere Anerkennung verdient, weil sie sich in einem ständig wechselnden Vorschriftengespinst zurechtfinden müssen. Die Bundesanstalt für Arbeit verbreitet mit einem Ausstoß an neuen Verordnungen in Rekordhöhe Verunsicherung. Die Mitarbeiter müssen trotzdem Kurs halten und die enorm schwierige Aufgabe der Vermittlung, Betreuung und Fortbildung der Arbeitslosen leisten. Dafür herzlichen Dank von dieser Stelle! ({2}) Die entscheidenden Ursachen für den Anstieg der Arbeitslosenzahlen und für die Finanzprobleme der Bundesanstalt für Arbeit liegen natürlich bei der Bundesregierung und bei dem rapiden wirtschaftlichen Verfall. Natürlich wirkt sich das auf die Finanzsituation der Bundesanstalt aus. Deshalb sage ich an dieser Stelle: Deutschland braucht einen Sanierungsplan, wie Edmund Stoiber ihn vorgestellt hat. Andernfalls verlieren Tag für Tag 1 100 Menschen in Deutschland ihren Arbeitsplatz. Alle 15 Minuten meldet in unserem Land ein Unternehmen Konkurs an. Wir wollen das ändern, weil das nicht mehr länger zu ertragen ist! ({3}) Die Schulden und die Finanzprobleme, die bei der Bundesanstalt für Arbeit jetzt auftreten, sind auch deshalb so problematisch, weil wir statt mehr Schulden eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung brauchen. Niemand bestreitet ernsthaft, dass eine Zielmarge von 5 Prozent wünschenswert ist. Klar ist auch: Die Finanzprobleme werden durch eine Senkung der Beiträge nicht kleiner. Ich empfehle der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen deshalb: Legen Sie möglichst rasch ein Programm vor, aus dem hervorgeht, wie Sie die Kosten der Arbeitslosenversicherung senken wollen! Darüber wollen wir gerne diskutieren. Wir wollen nicht darüber diskutieren, wie Sie die ständig anfallenden neuen Schulden bewältigen können, sondern darüber, wie Sie die Lohnnebenkosten senken wollen. Diese Senkung ist die Grundlage für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. ({4}) In diesem Bereich gibt es viel zu tun. Ich empfehle Ihnen an dieser Stelle - befolgen Sie zumindest in diesem Fall einmal unseren Ratschlag! -: Lenken Sie Ihren Blick auf die so genannten Nichtleistungsempfänger, die natürlich ebenfalls Leistungen empfangen! Die Nichtleistungsempfänger sind Teilleistungsempfänger, weil sie beispielsweise in der Rentenversicherung Anwartschaften erhalten. Machen Sie Vorschläge, wie in diesem Bereich gespart werden kann! Wir diskutieren mit Ihnen gerne darüber, aber nicht ständig über neue Schulden. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Kröning von der SPD-Fraktion. ({0})

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist weder aktuell noch originell. ({0}) Was sind die Fakten? Ich stelle diese Frage, weil die Fakten die Voraussetzung für eine politische Bewertung sind. Von dieser Haltung sollten wir uns auch durch Ihren wöchentlichen Extraauftritt in der Aktuellen Stunde nicht abbringen lassen. ({1}) Die Union hat vor drei Wochen, als wir den Bundeshaushalt 2003 beraten und beschlossen haben, keinen Antrag gestellt, der dazu aufforderte, einen Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit einzustellen. Ich habe in der damaligen Debatte darauf hingewiesen, dass keine Fraktion einen solchen Antrag gestellt hat, auch die der FDP nicht. ({2}) - Aha, so drücken Sie sich vor der Verantwortung. Das müssen wir einmal zu Protokoll nehmen. ({3}) Was hat sich seither geändert? Die Zahl der Arbeitslosen im März ist gegenüber der Zahl vom Februar, die wir vor drei Wochen kannten, nicht gestiegen, sondern leicht gesunken. ({4}) Wer will sagen, dass wir keine weitere Entspannung auf dem Arbeitsmarkt von Monat zu Monat erreichen werden? Wer stellt sich hin und stellt solch eine Negativprognose? Das trauen Sie sich nicht, wenn Sie sich nicht endgültig ins Abseits stellen wollen. ({5}) Zugegeben: Auch das Wirtschaftswachstum lässt zu wünschen übrig. Doch es ist wie immer: Das Durcheinander der Prognosen bleibt. Es ist nicht mehr von 1 Prozent oder einer Schwankung zwischen 1,2 Prozent und 0,6 Prozent die Rede, sondern von 0,5 Prozent oder weniger. ({6}) Doch wer sagt, ob das noch in vier Wochen gilt, wenn der Irakkrieg hoffentlich beendet ist und nicht nur die nationale, sondern auch die europäische Politik an die Folgenbeseitigung herangeht? Die Vorlage des Haushaltsentwurfs 2004 und des Finanzplans 2007 sind für die Bundesregierung und die Koalition die nächste Station bei der Beurteilung des Haushaltsvollzugs 2003. Vorher wird uns die Steuerschätzung vorliegen, und vorher ist von Berlin nach Brüssel zu melden - auch das muss hier immer wieder gesagt werden -, was bei der Bekämpfung der Strukturprobleme in den Bereichen Arbeit und Wirtschaft und im Bereich der sozialen Sicherungssysteme auf den Weg gebracht worden ist. Erst in der letzten Woche hat die zuständige Generaldirektion gegenüber der deutschen Presse klargestellt: Die EU-Kommission unterstützt den deutschen Kurs; es ist für die EU-Kommission kein Thema - Sie wollen der Bevölkerung in dieser Hinsicht Angst machen -, ob wir 2003 mit einem Defizit knapp unter oder knapp über 3 Prozent abschließen werden, vorausgesetzt bis dahin stehen die entsprechenden Gesetzesbeschlüsse des Bundestages und hoffentlich auch des Bundesrates im Gesetzblatt. Dafür ausschlaggebend, ob wir Deutschland aus dem Reformstau und aus dem Nachwahlkampf herausführen, ist, ob die Koalitionsfraktionen und die große Oppositionsfraktion die nötigen Entscheidungen einvernehmlich treffen. Was Herr Gerster sagt, ist immer interessant, vor allem wenn man daran denkt, ({7}) dass nicht nur der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Landesminister, sondern auch der Spitzenmanager der BA aus ihm spricht. Seine Aufgabe - das müssen wir doch einmal festhalten - steht der Reform der Bahn und der Reform der Post in nichts nach. Wir müssen ihm dabei jede mögliche Unterstützung geben. Herr Gerster hat den Haushalt seiner Anstalt aufgestellt. Es ist klar, dass die Prognosen, die damals zugrunde gelegen haben, ({8}) augenblicklich nicht mehr tragfähig erscheinen. Es könnte sein, dass sie sich als überholt erweisen, wenn wir am Ende des zweiten Quartals eine Zwischenbetrachtung anstellen. ({9}) Bis dahin erlaubt der Haushalt - das möchte ich betonen, damit in unserem Lande auch Vertrauen in die Reform wächst -, wie im Vorjahr, zu steuern. Die Zahlungsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit ist nicht in Gefahr. ({10}) Die Bundesanstalt ist sogar in der Lage, mit den Haushaltsinstrumentarien, über die wir verfügen und von denen ich in der Debatte neulich gesprochen habe, sozial und regional Rücksicht zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Arbeitsmarktreform nicht im Sturzflug, sondern im Gleitflug realisiert wird. Der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit hat das Vertrauen der SPD-Fraktion. Ich spreche ausdrücklich von Herrn Gerster und den anderen beiden Herren, Herrn Alt und Herrn Weise, ({11}) die uns in vielen Gesprächen zur Verfügung stehen. Sie machen auf uns einen überzeugenden Eindruck, auch dann, wenn wir sie nicht nur an der Mattscheibe oder in Aktuellen Stunden hier zu beurteilen haben. Wir sind der Gesetzgeber und der Budgetgeber, aber wir sind nicht Teil der Selbstverwaltung. Ich empfehle Ihnen, Herr Niebel, bis zur nächsten Debatte über die Bundesanstalt das Verhältnis zwischen Demokratisierung und Dezentralisierung einer solchen Organisation zu klären. Zum Schluss zur haushaltspolitischen Verantwortung, die auch Sie mittragen, wenn Sie nicht nur das Einzelne, sondern das Ganze im Auge haben. Sie haben heute Abend Gelegenheit, im Vermittlungsausschuss dazu beizutragen, und Sie werden mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat noch bei anderen Gelegenheiten dazu beitragen können, dass die zustimmungsbedürftigen Gesetze verabschiedet werden und wir die Erwartungen in Brüssel an eine stabilitäts- und wachstumsorientierte Politik auch erfüllen. Die Aktuelle Stunde war nicht weiterführend. Weiterführend wäre es, wenn die Union den Streit in ihren Reihen klären und entscheiden würde, ob Koch oder Merkel oder Stoiber oder Merz oder wer auch immer das Sagen bei ihr hat. ({12}) Ich hoffe, dass wir endlich zu der Gemeinsamkeit zurückfinden, die wir vor drei Monaten bei der Einleitung der Arbeitsmarktreform noch unter Beweis gestellt haben. Danke schön. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU. ({0})

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte als Allererstes aus einer Vorlage des Bundesfinanzministerium vom 12. Dezember zitieren: Der Sach- und Personalhaushalt der BA für das Haushaltsjahr 2003 schafft den Ausgleich zwischen der notwendigen Konsolidierung der Staatsfinanzen und der Fortführung der aktiven Arbeitsförderung auf hohem Niveau. So haben Sie das damals gesehen, verehrter Herr Andres. Nach dem, was Sie heute hier erzählt haben, glaube ich, dass Sie nach den Gebrüdern Grimm wohl der zweitbeste Märchenerzähler dieser Nation sind. Das ist vielleicht ein Job, den Sie später einmal übernehmen können. ({0}) Gott sei Dank haben Sie wenigstens einmal zugegeben, Herr Andres, dass es bei der Bundesanstalt bereits jetzt ein Defizit von 2,8 Milliarden Euro gibt. Sie werden das nicht wegreden können, indem Sie sagen: Das sind saisonale Einflüsse, das ist ein Zufall. - Das ist die Situation der Bundesanstalt! Ich will Ihnen eines sagen - das ist keine Hellseherei -: Wir werden in diesem Jahr bei einem Zuschuss von 8 Milliarden Euro landen. Das ist ziemlich einfach errechenbar. Sie haben im Jahreswirtschaftsbericht prognostiziert, dass wir durchschnittlich 4,14 Millionen Arbeitslose haben werden. In den ersten drei Monaten waren pro Monat über 500 000 Menschen mehr in Arbeitslosigkeit, als Sie prognostiziert haben. Dann rechnen Sie doch bitte! Wenn Sie Ihre eigenen Zahlen von eben zugrunde legen, dann werden Sie sehr schnell feststellen, dass meine Prognose von 8 Milliarden Euro - eher noch plus x - eintreffen wird und dass Sie damit an die Wand fahren. Sie werden den Haushalt der Bundesanstalt an die Wand fahren, Sie werden den Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit - da sind Sie mit verantwortlich - an die Wand fahren und Sie werden den Bundeshaushalt an die Wand fahren; denn Ihre Prognose, mit der Neuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro auszukommen, ist - das kann man heute schon mit absoluter Sicherheit sagen - nicht haltbar. Sie ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht. Meine Damen und Herren, Sie haben riesiges Glück gehabt: In der Haushaltswoche haben wir uns im Wesentlichen mit dem Irakkrieg beschäftigt. So dramatisch er auch sein mag, dadurch wurde aber verhindert, dass die Bürger in diesem Lande erfahren konnten, woran sie wirklich sind und wie dramatisch die wirtschaftliche Situation wirklich ist. ({1}) Die Lüge um den Nullzuschuss reiht sich für mich in die Geschichten ein, mit denen uns der Bundeskanzler, zuletzt in Hannover, weismachen will, die Lage sei besser als die Stimmung. Ich würde sagen, die Stimmung passt sich langsam der katastrophalen Lage überhaupt erst an: Steuerausfälle und mehr Finanzbedarf bei der Arbeitslosen-, der Renten- und der Pflegeversicherung; von der Krankenversicherung will ich überhaupt nicht reden. Angesichts der Lage der Rentenkasse wird ja schon wieder über Beitragserhöhungen spekuliert. So hat das BfA-Vorstandsmitglied Christian Zahn gesagt, es gebe deutliche Liquiditätsengpässe. ({2}) Die Zuschüsse für die Rentenversicherung - auch das muss den Bürgern immer wieder gesagt werden - belaufen sich in diesem Jahr auf 77,3 Milliarden Euro; das sind 31,2 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. ({3}) Daraus resultiert, dass der gesamte Bundeshaushalt auseinander fliegt. Das fängt beim Bedarf der Bundesanstalt für Arbeit an, wo ich ein Defizit in Höhe von 8 Milliarden Euro prognostiziere. Auch eine Erhöhung der Steuereinnahmen werden Sie nicht schaffen, denn das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist gescheitert, aber Sie haben bereits 2,5 Milliarden Euro an Einnahmen aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz eingeplant. Da tut sich schon die nächste Lücke auf. ({4}) Schließlich prognostizieren Sie, Herr Staatssekretär, uns immer noch - das haben Sie eben getan und ich halte mich, nebenbei gesagt, Herr Kröning, an die Vorgaben des Staatssekretärs -, ({5}) dass wir 1 Prozent Wirtschaftswachstum noch erreichen werden. Wie, das haben Sie uns nicht gesagt. Es ist nämlich gar nicht möglich. Gestern kam vonseiten der EU die Prognose, dass wir 0,4 Prozent Wachstum erreichen werden; selbst das ist noch zu hoch gegriffen. Ich gehe davon aus, dass Sie auch das nicht mehr erreichen können. Das macht weitere Einnahmeausfälle in Höhe von 5 Milliarden Euro aus. Acht plus zwei macht also zehn, zehn plus fünf sind dann 15. Das können auch die PISAGeschädigten, und zwar im Kopf, errechnen. ({6}) Wir rasen hier Schimären hinterher. Wenn das so weitergeht, dann wird es in diesem Jahr die höchste Nettoneuverschuldung, die wir überhaupt seit der Wiedervereinigung gehabt haben, geben. Dass es so kommen wird, werden wir den Bürgern sehr deutlich sagen. Gehen Sie hin und setzen Sie endlich auf vernünftige Instrumente bei der Bundesanstalt für Arbeit. Da gibt es nach wie vor Möglichkeiten und auch genug Einsparpotenzial. ({7}) Setzen Sie Herrn Gerster unter Druck. Er wird dann auch die richtigen Dinge machen, aber versuchen Sie nicht, die ganze Zeit an diesen Fragen vorbeizureden. ({8}) Last but not least: Zwar werden wir von Ihnen das Argument, der Irakkrieg sei schuld, in jeder Rede hören, aber das ist das Gleiche, als wenn Sie sagen würden, im April hatten wir die größte Kältewelle dieses Jahres, oder, in diesem Jahr hatten wir leider kein Schaltjahr und der Februar hatte nur 28 Tage. Auf diesem Niveau bewegen sich Ihre Begründungen. So werden Sie aus dieser Misere nicht herauskommen. Tun Sie endlich etwas! Wir warten auf Ihre Vorschläge und nicht nur auf Ankündigungen; die sind wir von Herrn Clement mittlerweile gewöhnt. Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner von der SPD-Fraktion.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einem aufmerksamen Zuhörer wird ganz schnell der Eindruck entstanden sein, dass die Opposition erstens nicht Bescheid weiß und zweitens nicht sagt, was sie will. ({0}) Gerade bei Ihnen, Herr Singhammer und Herr Kues, ist mir das ganz besonders deutlich aufgefallen. Herr Kues sagt, dass die Bildungsträger in diesem Land gute Arbeit geleistet haben, und beklagt, dass sie jetzt nicht mehr so arbeiten können, weil diese Bundesregierung ihnen über die Bundesanstalt für Arbeit nicht genügend Mittel zur Verfügung stellt. Sie haben sich da ganz angewidert gezeigt, aber dabei interessanterweise übersehen, dass der Ministerpräsident des Landes Bayern gerade bei der Bundesanstalt für Arbeit eine Halbierung der Mittel für die Weiterbildung verlangt. Genau das ist Bestandteil des Sanierungsplans, den er vorgelegt hat. Diesen Widerspruch müssen Sie uns einmal erklären: ({1}) Auf der einen Seite sagen Sie, hier müsse mehr getan werden, und beklagen, dass die Bildungsträger immer weniger Möglichkeiten haben, auf der anderen Seite fordern Sie, die Mittel zu halbieren. ({2}) - So ist es. Der zweite Punkt. Ich glaube, uns allen ist in diesem Zusammenhang ein Widerspruch aufgefallen. Sie haben in den Haushaltsberatungen ständig Beitragssatzsenkungen, also eine Kürzung der Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit gefordert und haben in diesem Zusammenhang eine große Zahl von Aufgaben der BA aufgelistet, die, wie Sie sagen, keine Versicherungsleistungen sind. Ich erinnere daran, dass gerade Ihr Kollege Laumann und andere gesagt haben, der nachgeholte Hauptschulabschluss und andere Maßnahmen der Berufsvorbereitung seien nicht Aufgabe der BA. Andererseits beklagen Sie hier, dass nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden. Diesen Widerspruch müssen Sie erklären. ({3}) - Dann finanzieren Sie das bitte auf andere Art und Weise! Sie beklagen hier einen Zustand. Wir reden über einen Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit. ({4}) - Das war auch zum damaligen Zeitpunkt nicht notwendig. Wir haben den Bundeszuschuss deshalb nicht vorgesehen, weil Sie ihn erstens nicht gefordert haben ({5}) - natürlich! -, weil wir zweitens davon ausgehen, dass sich die Arbeitslosenzahlen auch durch interessantere und optimierte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen senken lassen, ({6}) und weil wir drittens darauf bauen, dass unsere Instrumente in diesem Herbst greifen werden. ({7}) Wir wissen sehr wohl, dass wir zurzeit - darüber sollten wir uns gar nicht streiten - eine zu hohe Arbeitslosigkeit haben. Aber es ist schändlich, wenn Sie hier bloß hämisch über die Höhe der Arbeitslosenzahlen reden und die ungünstige Arbeitsmarktlage beklagen, anstatt mitzuhelfen, die notwendigen Maßnahmen in Gang zu setzen, um die Situation zu verbessern. Meine Damen und Herren von der Opposition, helfen Sie lieber mit, die Arbeitslosigkeit zu senken, statt hier billige Polemik zu betreiben. Es ist doch wohl richtig, dass die Bundesanstalt für Arbeit 21,5 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt zur Verfügung hat und dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres über 800 000 Arbeitslose und Arbeitssuchende an Fördermaßnahmen teilgenommen haben; das ist mehr als im ersten Quartal 2002. Die Steigerung war im Übrigen nur möglich, weil die Bundesanstalt für Arbeit - dafür gebührt ihr Dank und Lob - im Einzelfall Maßnahmen verkürzt und neue Instrumente eingesetzt hat, damit die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zielgerechter und optimierter erfolgen kann. Herr Kues hat hier deutlich gesagt, dass die Länder und Kommunen bisher viel Gutes auf den Weg gebracht haben, um zum Beispiel Sozialhilfeempfänger in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist völlig richtig; das finden wir auch gut so. Aber wir finden nicht gut, dass insbesondere CDU-regierte Bundesländer und CDUgeführte Gemeinden die Mittel, die sie dafür in der Vergangenheit eingesetzt haben, nun einfach eingestrichen haben ({8}) und den Scherbenhaufen, von dem Sie jetzt sprechen, durch ihre Politik verursacht haben. ({9}) Es ist unverantwortlich, der Bundesregierung die Schuld für diesen Scherbenhaufen in die Schuhe zu schieben. Die Bundesregierung hat im Übrigen mit Ihrer Unterstützung - das ist mehrfach gesagt worden - das HartzKonzept auf den Weg gebracht. Ich hielte es für richtig, dass Sie jetzt mithelfen, die veränderten Maßnahmen praktisch umzusetzen. Es ist jedenfalls verantwortungslos, sie einfach zu blockieren. In dem Zusammenhang hat der Kollege Singhammer von dem Sanierungsplan für Deutschland gesprochen. Hier muss ganz deutlich gesagt werden: Deutschland braucht keinen Sanierungsplan, sondern wir brauchen eine Opposition, die nicht populistisch ist, sondern verantwortlich mitgestaltet. ({10}) Die Maßnahmen in Ihrem Sanierungsplan führen zu einem Bruch der Tarifautonomie. Sie sagen, der Kündigungsschutz sei erst in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten erforderlich. Sie wollen die Sozialhilfe auf 75 Prozent kürzen. Sie wollen höhere Abschläge für Rentner auch bei einem späteren Renteneintritt. Sie wollen die Zahl der Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit halbieren. So könnte man einen ganzen Horrorkatalog aufstellen, mit dem Sie dieses Land nicht sanieren, weil Sie sich damit nicht auf die Herausforderungen dieses Jahrhunderts einstellen, sondern schlicht Sozialkürzungen und Aktivitäten gegen die Gewerkschaften in diesem Lande einleiten wollen. Da macht die Sozialdemokratie nicht mit. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Brandner, Ihre Redezeit ist weit überschritten. ({0})

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. - Es ist wichtig, dass wir den jungen Menschen in diesem Lande eine Perspektive geben. Dafür treten wir ein. Helfen Sie bitte mit, dass die Ausbildungsbereitschaft, insbesondere die der Unternehmen, zunimmt! Damit ist schon viel getan, um den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit erfolgreich zu bestehen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Robert Hochbaum von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Robert Hochbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003557, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brandner, herzlichen Dank, dass Sie das, was wir fordern, umsetzen wollen. Wir werden uns auch weiterhin bemühen. Ich halte zwei Dokumente in den Händen. Beide betreffen dasselbe Thema, Herr Brandner. In beiden werden nämlich die Haushaltsansätze der Bundesanstalt für Arbeit für die Jahre 2002 und 2003 verglichen. Das Papier in meiner linken Hand ist ein Informationsvermerk der zuständigen Ministerien vom Dezember des letzten Jahres. In der rechten Hand halte ich die Antwort der Bundesregierung vom März auf meine schriftliche Anfrage zu demselben Thema. Warum das Ganze? Mir geht es ganz einfach um die Frage, welche Summe im Haushaltsansatz 2003 im Vergleich zum Jahr 2002 beim so genannten Eingliederungstitel gestrichen wurde. Wie Sie wissen, ist das derjenige Titel, aus dem ABM, SAM, Fortbildung und Umschulungen, um die es heute schon ging, sowie die Eingliederungsleistungen für Unternehmen gezahlt werden. Doch nun staunt der Betrachter. Im Papier der Ministerien wird die Summe von 700 Millionen Euro genannt. Der Antwort der Bundesregierung kann man jedoch die Summe von 1,6 Milliarden Euro entnehmen. Angesichts des Unterschiedes von 700 Millionen Euro zu 1,6 Milliarden Euro frage ich mich: Wo liegt da die Wahrheit? Ist das die Klarheit der Bundesregierung, wenn es um die Situation der Bundesanstalt für Arbeit geht? - Nein. Ich bezeichne das als Täuschung und Vernebelungstaktik. ({0}) Auf jeden Fall ist das nicht die Art und Weise, wie man mit dem Parlament, und erst recht nicht die, wie man mit den Bürgern dieses Landes umgehen kann. ({1}) Denn gerade die Letztgenannten haben einen besonderen Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren und nicht mit Nebelkerzen beworfen zu werfen, Frau Roth. Man muss sich natürlich auch fragen - Sie finden es anscheinend lustig; die Menschen draußen im Lande finden es eher weniger lustig -, woher diese massive Streichung der Mittel kommt. Die Antwort ist, dass es sich um den berühmten vorauseilenden Gehorsam des Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, handelt. ({2}) Im Übrigen ist er ein Parteifreund des Bundeskanzlers, der schon sehr früh erklärt hat, er komme in diesem Jahr auf jeden Fall ohne einen Bundeszuschuss aus, obwohl fast alle Experten in diesem Land von Anfang an der Meinung waren, es handele sich hier um ein nicht durchhaltbares Wunschdenken. ({3}) Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, Frau Roth. Hätten Sie von Rot-Grün damals in diesem Zusammenhang einmal ausnahmsweise auf die Opposition im Hause gehört, wäre es Ihnen erspart geblieben - wie wir es in den letzten Tagen an der einen oder anderen Stelle gehört haben -, kleinlaut zugeben zu müssen, dass es wohl doch nicht ohne Bundeszuschuss geht. Doch an diese mehr oder weniger kleinlauten Rückzieher von Ihrer Seite sind wir, wenn es um den Haushalt oder die Wirtschaftsprognosen geht - auch darüber haben wir heute schon einiges gehört -, inzwischen schon gewöhnt. Ich muss sagen: leider gewöhnt, weil es nicht nur um Zahlen, sondern um unser Land und um die darin lebenden Menschen geht, die leider mit Ihren Zahlen leben müssen. ({4}) Von diesem rücksichtslosen Streichkonzert, über das wir in den Zeitungen lesen können, sind wie so oft bei den Maßnahmen der rot-grünen Regierung die Menschen im Osten ganz besonders betroffen, vor allem die älteren Langzeitarbeitslosen. Für sie kommt nach den Einschnitten des so genannten Hartz-I-Gesetzes nun der nächste Schlag. Man muss sie inzwischen leider als die Verlierer der Wende bezeichnen; denn seit fast zwölf Jahren hatten viele von ihnen trotz ständiger Bemühungen keine Chance, dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. Für sie waren ABM oft das einzige Mittel, wieder einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. ({5}) - Frau Roth, eines können Sie mir glauben: Die übergroße Mehrheit dieser Menschen wollte und will arbeiten. Es waren und sind eben nur keine Stellen im Osten da. ({6}) Jetzt kommt die Besonderheit dieser Situation. Während man in Berlin über den Abbau redet, tingeln manche - ich sage extra: manche - Abgeordnete der SPD durch ihre Wahlkreise und erzählen dort mit treuem Augenaufschlag den Bürgern: Wir wollen doch gar nicht sparen; wir wollen die ABM beibehalten. Das sind die bösen Arbeitsämter. - Es sind aber nicht die „bösen Arbeitsämter“ vor Ort. Nein, die Verantwortung trägt die Regierung. Die Regierung in Berlin ist für das Desaster in diesem Land und bei der Bundesanstalt für Arbeit verantwortlich. Danke schön, meine Damen und Herren. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau vom Bündnis 90/Die Grünen.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es aktuell ein Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit gibt, gibt es dafür eine Regelung: § 364 SGB III. Alle, die das wissen wollen, wissen das. Der Bund wird entweder ein zinsloses Darlehen gewähren, das im Jahresverlauf zurückgezahlt wird oder als Zuschuss endet, oder man macht eine überplanmäßige Ausgabe. Regelungen sind vorhanden. Es wird keine Liquiditätsengpässe bei der Bundesanstalt für Arbeit geben, nicht einen einzigen. ({0}) Meine Damen und Herren von der Opposition, am 1. April, vor wenigen Tagen, ist eine Reihe von Maßnahmen aus dem Hartz-Konzept in Wirkung getreten. Wir haben sozusagen eine Anschubsituation. Das treibt das aktuelle Defizit ein bisschen hoch. Es besteht aber überhaupt kein Grund, Panik zu machen. Das ist ganz normal, wenn man Veränderungen in Bewegung setzt. ({1}) Damit Sie sich erinnern - das geht Ihnen immer verloren -: Beim BA-Zuschuss hat man sich 1993, als nachweislich nicht Rot-Grün an der Macht war, um 3,3 Milliarden Euro vertan; das kann passieren. Im Jahre 1996 hat sich die schwarz-gelbe Bundesregierung um 4,9 Milliarden Euro vertan; auch das kann passieren. ({2}) Wir selber - ich will uns gar nicht ausnehmen - haben uns letztes Jahr um reichliche 5 Milliarden Euro vertan; das ist völlig richtig. Das hat damit zu tun, dass man nicht bis ins Letzte ausplanen kann, was passiert. Aber in einer besonderen Situation wie in diesem Jahr, wo viele Umstellungen stattfinden, ({3}) schon nach drei Monaten das Jahresergebnis auszurechnen, ist eine ziemlich gewagte Spekulation. Das möchte ich deutlich sagen. ({4}) Herr Niebel, der erst seit 1998 im Bundestag ist und deswegen wahrscheinlich nicht für die Dinge haftbar gemacht werden will, die Schwarz-Gelb vor seiner Zeit angerichtet hat, hat aber vergessen zu erwähnen, dass die Probleme, vor denen wir stehen, ({5}) in der Zeit seit 1990 entstanden sind. Ich habe schon einmal deutlich gemacht: Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ist im Jahre 1991 wegen der Fehlfinanzierung der deutschen Einheit von 4,3 Prozent auf 6,8 Prozent hochgeschnellt. Er hat damit natürlich die Lohnnebenkosten in Deutschland dramatisch erhöht. - An dieser Fehlfinanzierung der deutschen Einheit knabbern wir heute noch. - Auf diese Art und Weise sind starke Anreize zu Nicht- und Schwarzarbeit geschaffen worden. Die Lohn- und Einkommensempfänger sind zu Lastenträgern der Nation verkommen. ({6}) Wenn man daran etwas ändern will, müssen sich alle den Stand der Umverteilung in Deutschland vor Augen führen. Vergleichen wir, wie viel die reichsten 10 Prozent im Verhältnis zu den ärmsten 10 Prozent in den Ländern Europas und den USA verdienen! Deutschland steht mit einer Quote von 7,1 ausgesprochen gut da. Hier gibt es eine starke Umverteilung von den starken auf die schwachen Einkommen. Großbritannien hat eine Quote von 10,4, Irland von 11, die USA haben eine Quote von 16,6. Das heißt aber auch - genau diese Konsequenz zieht die Koalition im Moment -, dass eine gewisse Kante bei der Umverteilung erreicht ist. Jetzt geht es darum, erst einmal weiteres Wachstum zu generieren, um vielleicht irgendwann einmal wieder mehr umverteilen zu können. Im Moment hat Deutschland die Kante erreicht; das haben die Koalitionsfraktionen erkannt. Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sind nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Das wissen auch Sie. ({7}) Sie ruhen sich in Häme aus und versuchen, Ihre Vorschläge zu verstecken. Herr Seehofer droht mit Rücktritt, weil Herr Stoiber drei vernünftige Vorschläge zu diesem Thema macht. Aber im Prinzip ist eigentlich allen in Deutschland klar, dass die Umverteilung im Moment ihre Grenzen erreicht hat. Nun schicken Sie von der CDU/CSU Herrn Fuchs als Geheimwaffe in die Debatte. Wir hören uns das alles an. ({8}) Wenn man einen Blick in das Handbuch des Bundestages wirft, stellt sich heraus, dass Herr Fuchs ein langgedienter Funktionär der Arbeitgeberverbände ist. ({9}) Wer sich aber die Tarifpolitik der letzten Jahre ansieht, stellt fest, dass beide Seiten, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, ihre Schuld an der Entwicklung der Lohnpolitik haben. Natürlich müssten auch beide zu ihrer Verantwortung stehen. Die Arbeitgeberverbände aber ducken sich weg und sagen: Die bösen Gewerkschaften haben uns diesen Abschluss aufgezwungen. Sie verstecken sich hinter diesen Aussagen, aber im Kern haben sie zur Verschärfung des Problems in Deutschland beigetragen. Die Tarifautonomie hat zwei Partner und beide sind an den Abschlüssen beteiligt. ({10}) Ich begegne immer häufiger jüngeren Leuten in Deutschland, die eine ganz klare Ansage machen. Ich finde, sie tun das völlig zu Recht. Die klare Ansage lautet: Damit die Älteren es wissen, wir können nur eines von beidem bezahlen, entweder ihre Rente oder aber die Zinsen ihrer Schulden. Entscheiden Sie sich! ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Manfred Grund von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, insbesondere von Rot-Grün! Ihre Arbeitsmarktpolitik ist geradezu ein Lehrstück für sozialpolitische Drecksarbeit. ({0}) Es hilft wenig, die Verantwortung auf die Vorgängerregierung oder Herrn Gerster in Nürnberg abzuschieben. Alle famosen Gesetze, mit denen die am Arbeitsmarkt bestehenden Probleme gelöst werden sollten - JobAQTIV-Gesetz, die Konzepte des Herrn Hartz bis hin zum Verzicht auf den Bundeszuschuss für die BundesManfred Grund anstalt für Arbeit -, haben Sie, die Sie hier sitzen, beschlossen; Sie tragen die Verantwortung dafür. ({1}) - Herr Kollege Brandner, manche sind noch im Dämmerzustand, das haben wir doch heute bei den Rednern gemerkt. Langsam dämmert einigen von Ihnen, was Sie angerichtet haben. Wenn Sie nicht hier sitzen, sondern in Ihrem Wahlkreis ({2}) an den Hammelbeinen erwischt werden, ({3}) beginnen Sie langsam ein wenig von dem zuzugeben, was Sie hier veranlasst haben. Ein Beispiel gefällig? Ihr Kollege Christoph Matschie, SPD-Vorsitzender im Lande Thüringen und Staatssekretär im Bundestag, sagt in einer Thüringer Zeitung: Wir können nicht nur den Menschen Einschnitte zumuten, wir müssen Perspektiven anbieten, vor allem am Arbeitsmarkt. Ich will Ihnen sagen, welche Perspektivlosigkeit Sie am Arbeitsmarkt angerichtet haben und was die Leute vorfinden: ({4}) - Ich komme nicht durcheinander, keine Sorgen. Schauen wir uns den Eingliederungstitel an, zu dem mein Kollege Hochbaum gesprochen hat. Im Eingliederungstitel der Bundesanstalt für Arbeit für Thüringen stehen in diesem Jahr 144 Millionen Euro weniger zur Verfügung als im Jahre 2002. ({5}) Für SAM und ABM stehen insgesamt nur noch 235 Millionen Euro zur Verfügung, 1999 waren es noch 800 Millionen Euro. Daher kommt die Differenz, die Sie, Kollege Hochbaum, beklagt haben. Das heißt, Sie kürzen bei steigender Arbeitslosigkeit ({6}) die Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit. Das ist sozialpolitische Drecksarbeit! ({7}) Sie krönen das Ganze im Jahr 2003 mit dem Versuch, gänzlich ohne Bundeszuschuss für die Bundesanstalt auszukommen. ({8}) Im Jahr 2002 wurden noch 5,6 Milliarden Euro gebraucht. Wie kann man bei steigender Arbeitslosigkeit mit weniger Geld auskommen? - Man kann es, Herr Kollege Brandner, indem man die Arbeitslosen und nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft. Ich will Ihnen erklären, wie das funktioniert. Es gibt eine Dienstanweisung eines Arbeitsamtsleiters an seine Vermittler, darin heißt es: Zur Erreichung des angestrebten Zieles, den ausgeglichenen Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu realisieren, stehen vor allem zwei Zielvorgaben im Vordergrund: Senkung des Bestandes an Arbeitslosen, Einsparungen bei der Zahlung von Arbeitslosengeld. ({9}) Diejenigen, die Arbeitslosengeld beziehen, sind Ihnen möglicherweise lieb und teuer, aber am liebsten haben Sie die teuren Arbeitslosengeldbezieher entweder außerhalb des Leistungsbezuges oder Sie versuchen, den Leistungsbezug zu kürzen. ({10})] Das will Herr Stoiber, nicht wir! - Klaus Brandner [SPD]: Das will doch die CDU! Das ist eine verlogene Kampagne im wahrsten Sinne des Wortes!) Ein weiteres Beispiel: Die Träger von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - im Wesentlichen sind das die Kommunen in den neuen Bundesländern - wurden vorsorglich von den Arbeitsämtern informiert, dass sich die Situation in 2004 noch verschärfen wird und sie statt bisher 10 Prozent dann einen Eigenanteil von 25 Prozent an den Maßnahmen aufzubringen haben. ({11}) Das bedeutet bei den Not leidenden Kommunen, Herr Kollege Brandner, die das Geld nicht beiseite geschafft haben, sondern kein Geld mehr haben, dass weniger Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen möglich sein werden und sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger vergrößern wird. ({12}) Ein anderes Beispiel betrifft die Aus- und Weiterbildung sowie die Qualifizierung. Der Geschäftsführer einer Bildungseinrichtung schreibt an alle Bundestagsabgeordneten: Sollten die örtlichen Arbeitsämter nicht bald verbindlich erklären, dass sie auch in diesem Jahr an der Förderung lernbehinderter und anderer benachteiligter Jugendlicher festhalten, könnten die Jugendlichen nicht mehr wie bisher qualifiziert werden und würden somit ab Herbst auf der Straße stehen. ({13}) Das sind einige Beispiele, die in einem Leserbrief einer Frau aus Erfurt gipfeln - er ist Ihnen möglicherweise bekannt -, die schreibt: Ich habe in der DDR als kritische Bürgerin Repressalien hinnehmen müssen. Aber zu keinem Zeitpunkt war meine physische Existenz bedroht! Das müssen Sie als Sozialdemokraten sich ins Stammbuch schreiben lassen. ({14}) Sie bedrohen mit Ihrer Arbeit - auch die Grünen - die physische Existenz von Menschen. ({15}) Falls Ihnen das noch nicht genügt: Es kann nicht allein an fehlenden Geldern liegen; denn nicht nur hat der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Gerster, mit Amtsantritt sein Gehalt verdoppelt, sondern es wurde in der letzten Sitzung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit auch ein Titel in Höhe von 50 Millionen Euro für Beratungsbedarf bewilligt. Es geht dabei um Beratungsinstitute wie McKinsey und Accenture. ({16}) Das ist weggeworfenes Geld; denn ausweislich dieser Aktuellen Stunde sind Sie, meine Damen und Herren, beratungsresistent. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Karin Roth von der SPD-Fraktion.

Karin Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003618, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren und Damen von der Opposition, die Arbeitsmarktsituation ist in der Tat ernst. ({0}) Die Sache gebietet es, dass wir uns mit diesem Thema ernsthafter ({1}) und weniger im Stil der Panikmache auseinander setzen, wie Sie das hier tun. ({2}) Die Menschen in unserem Lande haben etwas anderes verdient. ({3}) Sie haben es verdient, dass wir, dass das Parlament mit den Sorgen und Nöten der Menschen anders umgeht und wir hier nicht ein Palaver veranstalten und Sie so tun, als ob Sie immer ganz reformwillig gewesen wären. Dazu kann ich nur sagen: Wir haben die Reformen eingeleitet, Kohl hat sie ausgesessen. So sieht es aus. ({4}) Lassen Sie mich etwas zu dem Thema der Aktuellen Stunde sagen. Sie haben angezweifelt, dass die von uns beschlossenen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vernünftig und richtig sind. Bei jedem Reformprojekt zählt das Datum des In-Kraft-Tretens. Wir haben die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen am 1. Januar 2003 in Kraft treten lassen. Es kann folglich nicht sein, dass im März bereits alle angekündigten Maßnahmen umgesetzt worden sind - das würde bedeuten, dass wir wahnsinnig schnell gewesen wären -; das geht gar nicht. ({5}) Insofern halte ich die Debatte für unredlich und von der Sache her für nicht in Ordnung. ({6}) Wir haben im Rahmen der Umsetzung des HartzKonzepts zwei wichtige Dinge geschafft. Zum einen gibt es seit dem 1. Januar 2003 die Personal-Service-Agenturen. Wir alle wissen, dass diese Maßnahme zunächst einmal in Form einer Ausschreibung eingeleitet wird und dass in der Zwischenzeit 840 Personal-Service-Agenturen unter Vertrag genommen worden sind. Diese beginnen am 1. Mai 2003 mit ihrer Arbeit. Dann beginnt die verstärkte Vermittlungsarbeit und nicht schon vorher. ({7}) Dann sind auch die Möglichkeiten gegeben, die Vermittlungen zu beschleunigen. Zum anderen haben wir mit Ihrer Hilfe die Einführung der Minijobs ab dem 1. April 2003 beschlossen. ({8}) Das heißt nicht, dass es schon heute Tausende von Minijobs gibt. Sie müssen schon ein bisschen mehr Geduld haben. - So viel zu den Themen Geduld und Reformen. Auch die Themen Ich-AG und Existenzgründung sind Teil der Hartz-Konzeption. Bis zum Februar dieses Jahres haben 1 600 Menschen die Möglichkeit genutzt, eine IchAG zu gründen, im März waren es schon 7 300 Menschen. Das finde ich sehr interessant. Eine solche Steigerung innerhalb von zwei Monaten ist ein tolles Ergebnis. ({9}) Karin Roth ({10}) Ich bin gespannt, ob es noch weitere Maßnahmen geben wird, durch die wir zu einer weiteren Optimierung kommen; denn ich gehe davon aus, dass das möglich ist. ({11}) Zum Thema Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die Opposition muss sich entscheiden, was sie will. Das gilt nicht so sehr für die FDP, sondern insbesondere für die CDU, Herr Grund. ({12}) Hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik wird von Ihrer Seite ständig kritisiert, dass die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wenig effizient seien, die Verbleibsquote zu gering sei ({13}) und deshalb andere Maßnahmen notwendig seien. Wir sind der Meinung, dass wir die Instrumente anders ausrichten müssen. ({14}) Wenn wir das tun wollen, dann können Sie uns nicht beschimpfen, sondern müssen das anerkennen. Wir nehmen das auf und machen uns Gedanken, welche Reformen notwendig sind. Aber Sie müssen sich entscheiden, was Sie von der Bundesregierung wollen. ({15}) Zum Thema Organisation. Die Bundesanstalt für Arbeit mit 90 000 Beschäftigten ist kein kleines oder mittelständisches Unternehmen, sondern ein großer Konzern. Ein Umbau kann nicht auf die Weise stattfinden, dass sich einer die Vorgehensweise ausdenkt und alle anderen mitmachen müssen. Herr Niebel, dass müssen Sie doch einsehen; Sie sind dort doch einmal beschäftigt gewesen. Nein, die Beschäftigten müssen vielmehr beteiligt und mitgenommen werden, Herr Singhammer, sie müssen gelobt und motiviert werden. ({16}) Das ist die Aufgabe der 25 verschiedenen Arbeitsgruppen. Deren Mitglieder machen sich Gedanken, wie die Mitarbeiter motiviert werden können und wie die Bundesanstalt umstrukturiert werden kann, damit sie effizienter und effektiver arbeitet. ({17}) Ich komme zum Schluss. Wir haben versucht, vieles auf den Weg zu bringen ({18}) und haben einiges erreicht. Wir haben die Änderungen beim Etat der Bundesanstalt für Arbeit - das wurde von allen drei beteiligten Gruppen beschlossen - unterstützt. ({19}) Wir sind der Auffassung, dass die Reformmaßnahmen Effekte bringen werden. Wir müssen die Entwicklung abwarten und sehen, wie es läuft. Aber auf keinen Fall nehmen wir die Panikmache in diesem Parlament hin. Wir werden die Reformen fortsetzen und uns nicht beirren lassen. ({20})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man heute die Redner der Koalition gehört hat, dann hat man den Eindruck bekommen, sie hätten die Ereignisse der letzten drei Jahre ausgeblendet. Wir können uns noch gut daran erinnern, dass praktisch jedes Jahr ein Geheimpapier mit neuen Maßnahmen vorgelegt worden ist, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit besonders geeignet sein sollten. Das fing mit dem JUMP-Programm an - Ergebnis: Die Jugendarbeitslosigkeit ist so hoch wie nie ({0}) und ging weiter mit dem Job-AQTIV-Gesetz. Das Ergebnis ist: Die Arbeitslosigkeit im März war im Vergleich zum Vorjahr höher und war so hoch wie noch nie. Im März gab es fast 500 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Sie fangen nun an, ein paar Maßnahmen zu treffen, versprechen uns, jetzt ginge es richtig los, und sagen uns, wir sollten abwarten, sie hätten schließlich schon angefangen, Regelungen zum Beispiel zu den Minijobs zu treffen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir waren es doch, die Sie zur Vernunft gezwungen haben. ({1}) Frau Roth, gerade Sie gehören zu denjenigen, die mit ihren Hilfstruppen vom DGB alle vernünftigen Maßnahmen über Jahre hinweg blockiert haben. Sie bekämpfen - in diesem Zusammenhang muss ich auch Frau Engelen-Kefer, Herrn Brandner oder Herrn Müller ansprechen - die Maßnahmen, die der Kanzler vorgeschlagen hat, die einem zarten Pflänzchen entsprechen und die einigermaßen brauchbar sind, aus dem Hintergrund heraus mit Obstruktion. Das haben Sie über Jahre hinweg gemacht. Als Sozialsenatorin sind Sie in Hamburg gescheitert und versuchen jetzt als Gewerkschaftssekretärin, im Bundestag die gleiche falsche Politik zu machen. ({2}) Das gilt auch für die anderen drei Gewerkschaftssekretäre, die heute hier gesprochen haben. Ihr Interesse gilt nicht der Hilfe für die Arbeitslosen oder dem Ziel, mehr für Arbeitnehmer zu tun; Ihr Interesse ist vielmehr, die Macht zu erhalten. Das machen Sie auf Kosten der Wahrheit und tragen zu einer Verschlechterung der Situation in unserem Lande bei. ({3}) Die EU hat gestern einen Bericht über die Situation in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Darin wird ein düsteres Bild der Wirtschaft gemalt. Es ist zu lesen, seit drei Jahren trete die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. ({4}) Doch Sie tun so, als habe sich das erst in den letzten vier Wochen entwickelt. ({5}) Deutschland befindet sich am Rande der Rezession. Aber Sie tun hier so, als ob wir es mit ein paar fieseligen Maßnahmen zu tun hätten. Ich sage Ihnen ganz genau, wie das läuft. Dabei schaue ich den Kollegen Thönnes an, der im Moment darum kämpft, in Schleswig-Holstein als Landesvorsitzender wiedergewählt zu werden. Manche rätseln, ob er 51 Prozent erreicht. ({6}) - Ja, ich bleibe beim Thema. - Er macht das so wie viele andere auch: Hier wirft er uns vor, wir seien Bremser, und im Wahlkreis im Lande Schleswig-Holstein kritisiert er die Maßnahmen, die die Bundesregierung trifft, um sich bei seinen eigenen Genossen einzuschmeicheln. Das genau ist Ihre Politik. ({7}) Nein, es geht nicht, dass man auf der einen Seite sagt, man wolle etwas für die Arbeitnehmer tun, und dass man dies auf der anderen Seite im Wahlkreis hintertreibt. Ich sage Ihnen, was Sie zunächst tun müssen: Sie müssen die Wahrheit auf den Tisch legen. ({8}) - Herr Brandner, Sie sind Gewerkschaftssekretär. - Die Wahrheit ist: Sie haben das Vertrauen der Wirtschaft und die Investitionsbereitschaft systematisch zerstört und den Willen und die Fähigkeit, in Deutschland Investitionen zu tätigen, untertrieben dargestellt. ({9}) Genau hier liegt das Problem für die Situation in Deutschland. ({10}) - Sie können so lange brüllen, wie Sie wollen; ich weiß, dass Sie das getroffen hat. Ich sehe Sie heute Abend schon wieder im Fernsehen und höre Sie sagen, dass Sie innerhalb der SPD-Fraktion diskutieren, dass Sie dies oder das wollen und dass Sie natürlich noch überlegen müssen. Wenn dann die Maßnahmen beschlossen sind, geben Sie wieder eine Erklärung zu Protokoll und sagen, dass Sie eigentlich ganz anderer Meinung sind. Nein, es geht darum, dass als Erstes die Wahrheit auf den Tisch muss. ({11}) Sie sagten, wir haben die Weichen falsch gestellt. Herr Kröning, hier wurde der Vermittlungsausschuss angesprochen. In der Situation, in der wir uns zurzeit befinden, können Sie von uns doch nicht erwarten, dass wir im Vermittlungsausschuss und im Bundestag Maßnahmen zustimmen, die die Wirtschaft zusätzlich belasten. ({12}) Wir stehen heute am Rande der Rezession; das sagt auch die EU. Deshalb kann ich doch keine einzige Maßnahme unterstützen, die das Wirtschaftswachstum zusätzlich belasten würde. ({13}) - Wir haben gesagt, dass die Steuern und Abgaben herunter müssen. Bei uns ist das konsistent. ({14}) Jetzt sage ich etwas zum famosen Herrn Gerster und zu der Frage, wie man mit den neuen Bundesländern umgeht. Herr Gerster hat im letzten Jahr - das kann man gar nicht oft genug erwähnen - gesagt, dass er versuchen muss, seinen Haushalt einigermaßen im Griff zu behalten. Er hat es nicht geschafft. ({15}) Er hat ein Defizit von 5,6 Milliarden Euro gemacht. Insbesondere in den neuen Bundesländern hat er die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen brutal heruntergefahren. Jetzt sagt er, wir brauchten in den neuen Bundesländern einen staatlich subventionierten Arbeitsmarkt. ({16}) - Ja, einen ehrlichen Arbeitsmarkt. - Ich kann an seinem Handeln keine schlüssige Position erkennen. Das können Sie praktisch an jeder Stelle beobachten. Heute wird so geredet und morgen so. Mit dem, was Sie in diesem Bereich tun, schaffen Sie kein Vertrauen für eine weitere wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land, sondern Sie belasten sie. Das heißt ganz konkret: Sie versündigen sich an den Menschen, indem Sie die Realisierung ihres sehnlichsten Wunsches, den Wunsch, einen Arbeitsplatz zu erhalten, verhindern. ({17}) Die Lage war noch nie so schlecht. Sie als Regierungskoalition tragen die Verantwortung dafür. ({18})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der Kollege Hans-Werner Bertl von der SPD-Fraktion das Wort.

Hans Werner Bertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002628, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann Sie nur auffordern, ja, sogar bitten: Beantragen Sie in jeder Sitzungswoche eine Aktuelle Stunde mit diesem Thema! ({0}) Dadurch würde auch draußen deutlich werden, wie unseriös und diffamierend Sie mit diesem Thema umgehen. ({1}) Das gibt uns die Möglichkeit, deutlich zu machen, wie mit diesem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit umgegangen wird. Im Selbstverwaltungsorgan der Bundesanstalt gab es zwei Stimmen, die für noch stärkere Einsparungen im Haushalt waren. Es gibt den bayerischen Ministerpräsidenten Herrn Stoiber, der fordert, die Mittel für die Förderung der beruflichen Bildung um 50 Prozent zu kürzen. Meine Damen und Herren, Sie müssen den Menschen doch einmal sagen, was Sie wollen: Sie wollen die ganzen Mittel herunterfahren und Sie diffamieren. ({2}) Mein lieber Herr Kollege Niebel, ich werde den Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der öffentlichen Hand dieses Protokoll mit Genuss geben. ({3}) Sie tun hier so, als würde dort die eine Hand die andere waschen. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit wird hier so dargestellt, als habe er eine mafiöse Struktur. ({4}) Sie haben es zu verantworten, dass hier derart negativ von der Bundesanstalt gesprochen wird. ({5}) Das müssen Sie aushalten. ({6}) Dieses Gremium hat den Haushalt der Bundesanstalt verabschiedet. Sie müssen Ihre Vorwürfe belegen. Ich glaube, auch Ihre Kolleginnen und Kollegen werden sich das nicht gefallen lassen. Gehen Sie mit solchen Dingen etwas behutsamer um! ({7}) Seien Sie vorsichtig, welche Signale Sie in das Land senden! Aktuelle Stunden zu diesem Thema geben uns jedes Mal die Gelegenheit, deutlich zu machen - darauf hat auch der Staatssekretär hingewiesen -, dass Sie in der Frage der Arbeitsmarktpolitik vollkommen konzeptlos sind. Sie haben 16 Jahre lang in diesem Bereich nichts getan. ({8}) Der Haushalt der Bundesanstalt wird so gefahren, ({9}) dass die Aktivierungsquote genau wie im letzten Jahr bei 20 Prozent liegt. Das heißt, für 20 Prozent der Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, werden entsprechende Maßnahmen ergriffen. Das ist sowohl für die Träger von Maßnahmen als auch für die Betroffenen ein wichtiges Signal. Dabei geht es mir vor allen Dingen um junge Menschen, die möglicherweise vorbereitende Maßnahmen benötigen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, und diejenigen, die im Rahmen von Rehabilitation der Hilfe bedürfen. ({10}) Dafür sind im Haushalt ausreichend Mittel vorgesehen. ({11}) Ich bin gern bereit, jede Woche darauf aufmerksam zu machen, dass für diese Maßnahmen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Auch der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres hat unterstrichen: Wenn die Mittel nicht ausreichen, dann wird die Liquidität gesichert. Das ist das richtige Signal für unser Land. Wir werden den Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, die nötige Sicherheit geben. ({12}) - Das ist geltendes Recht. Ich will ein Wort zu den neuen Bundesländern sagen. Es wird so getan, als ob alle Maßnahmen für die neuen Bundesländer bei der Bundesanstalt radikal gestrichen würden. ({13}) 42,7 Prozent der gesamten Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik fließen in die neuen Bundesländer. Schauen Sie sich einmal an, wie hoch der Anteil der Mittel früher war! Durch eine Umorganisation der Bundesanstalt für Arbeit werden wir Strukturen schaffen, die sukzessive greifen. Diese Maßnahmen werden nicht von heute auf morgen greifen; denn wir haben es mit einer Einrichtung zu tun, die mit 90 000 Mitarbeitern flächendeckend über dieses Land verteilt ist. Ich kann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt nur auffordern, diesen spannenden Prozess aktiv mitzugestalten. Ich erinnere mich aber sehr gut, wie insbesondere der Teil auf der rechten Seite dieses Hauses über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt hergefallen ist. ({14}) Als die Kritik an der Bundesanstalt laut geworden ist, haben Sie angefangen zu schleimen. Durch die Umstrukturierung der Bundesanstalt wird es zu Effizienzgewinnen kommen. Die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung, der Berufsvorbereitung und insbesondere zur Ausbildung von jungen Menschen werden in dem notwendigen Umfang durchgeführt, wie Nachfrage besteht. Sie brauchen nicht das Gespenst der Angst durch diese Republik zu jagen. Insbesondere junge Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen oder bedroht sind, brauchen Verlässlichkeit. Sie benötigen eine Einrichtung, die ihnen Hilfe aus einer Hand bietet. ({15}) Darum geht es. Wir werden die Gelegenheit nutzen, jede Woche mit Ihnen darüber zu diskutieren. Dabei werden wir Ihre Konzeptionslosigkeit und unsere Angebote deutlich machen. Danke schön. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 10. April 2003, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.